Palast der tausend Wünsche

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Eigentlich wollte die Journalistin Alexis ein Interview mit dem geheimnisvollen Ali Ben Saleem führen. Doch statt wie versprochen ihre Fragen zu beantworten, bringt der glutäugige Scheich sie in seinen luxuriösen Harem. Alexis schwankt zwischen Wut und Faszination. Sie spürt, dass es ihr schwerfallen wird, diesem unglaublich erotischen Mann zu widerstehen.


  • Erscheinungstag 12.02.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501439
  • Seitenanzahl 146
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Er war ein Herrscher wie aus dem Bilderbuch. Groß und dunkelhaarig, den Kopf stolz erhoben, zog Ali Ben Saleem, Scheich von Kamar, die Blicke aller auf sich, als er das Spielkasino betrat.

Und das nicht nur, weil er blendend aussah und von beeindruckender Größe war. Der Mann strahlte außerdem noch eine ungeheure Energie und Selbstsicherheit aus, als würde ihm stets alles gelingen, was er anpackte. Kein Wunder, dass ihn jetzt die Männer mit einem Anflug von Neid musterten, die Frauen hingegen voller Bewunderung.

Wie alle anderen verfolgte auch Alexis Callam gespannt den Auftritt des Scheichs. Allerdings interessierte sie sich rein beruflich für diesen Mann. Sie war freie Journalistin und bekannt für ihre brillanten Porträts von Persönlichkeiten des internationalen Wirtschaftslebens. Zeitungsverleger schätzten ihr Geschick im Umgang mit den Superreichen dieser Welt, zu denen Ali Ben Saleem zweifellos zählte.

„Sieh ihn dir nur an!“, sagte Joey Baines beinahe ehrfurchtsvoll, während sein Blick dem Scheich folgte, der, charmant nach allen Seiten lächelnd, auf einen der Spieltische zusteuerte. Joey war Privatdetektiv und wurde von Alexis manchmal als Assistent angeheuert. An diesem Abend diente er ihr zur Tarnung als Begleiter, denn sie war hier, um den Scheich beim Roulette zu beobachten.

„Zugegeben, er wird seinem Ruf gerecht“, antwortete sie leise. „Zumindest, was sein Aussehen betrifft.“

„Was erzählt man sich denn sonst noch über ihn?“

„Dass er sein eigenes Gesetz sei und niemandem Rechenschaft darüber schulde, woher sein Geld kommt und wohin es fließt.“

„Woher es kommt, wissen wir“, widersprach Joey. „Von den Ölfeldern, die in seinem Scheichtum offenbar üppig sprudeln.“

„Und er gibt es mit vollen Händen an Orten wie diesem hier aus.“ Missbilligend blickte Alexis sich im Kasino um.

„Das kann uns doch egal sein, Alexis. Lass uns diesen Abend unter den Reichen und Schönen einfach genießen. Wir sind schließlich aus gutem Grund hier.“

„Unsere Aufgabe ist es, einen Mann festzunageln, der ungern Fragen beantwortet“, beharrte Alexis. „Ich möchte herausfinden, was er zu verbergen hat.“

Joey fuhr sich mit dem Finger unter den steifen Hemdkragen. Für die männlichen Besucher des Kasinos gab es strenge Kleidervorschriften, und der stämmige kleine Mann fühlte sich im ungewohnten schwarzen Abendanzug etwas unbehaglich.

„Ich kann nicht glauben, dass du dich nur für die Arbeit so verführerisch zurechtgemacht hast“, sagte Joey und betrachtete seine Begleiterin mit gespielt lüsternem Blick von Kopf bis Fuß. Sie hatte die rotblonden Locken kunstvoll hochgesteckt und trug ein enges Goldlamékleid, das ihre perfekte Figur wirkungsvoll zur Geltung brachte.

„Benimm dich, Kleiner“, wies Alexis ihn scherzhaft zurecht. „Natürlich musste ich mich mit meinem Äußeren dem hier verkehrenden Publikum anpassen.“

Es war ihr gelungen, wenngleich das von einem Kostümverleih stammende Kleid für ihren Geschmack zu weit ausgeschnitten war und der bis zum Oberschenkel reichende Seitenschlitz etwas kürzer hätte sein können. Aber im Golden Chance, Londons exklusivstem Spielkasino, schien sie mit diesem teuer aussehenden Glitzerfummel genau richtig zu liegen.

Vermutlich sehe ich wie die ausgehaltene Geliebte eines reichen Mannes aus, dachte Alexis leicht schockiert, stellte aber erleichtert fest, dass die meisten weiblichen Gäste des Kasinos einen ähnlichen Eindruck erweckten.

Vor allem jene, die sich nun um den Scheich scharten, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen versuchten und von ihm gönnerhaft mit einem Lächeln oder einem zugeworfenen Handkuss bedacht wurden.

„Arroganter Fatzke“, murmelte Alexis erbost. „Zum Glück sind solche Paschas am Aussterben.“

„Mir kommt er noch recht lebendig vor“, meinte Joey. „Männer wie er können sich alles erlauben.“

„Das klingt ja, als würdest du ihn beneiden.“

„Nicht nur ich. Sieh dich doch um, Alexis. Jeder Mann im Saal würde nur zu gern mit ihm tauschen – und jede Frau mit ihm schlafen.“

„Nicht jede!“, verbesserte Alexis ihn energisch. „Ich nicht!“

Mittlerweile hatte Ali Ben Saleem an einem Spieltisch Platz genommen. Unauffällig bewegte sich Alexis auf ihn zu. Sie hoffte, etwas mehr über ihn zu erfahren, wenn sie ihn eine Weile beim Spielen beobachtete.

Er setzte gleich zu Anfang eine schwindelnd hohe Summe, zuckte nur gleichmütig die Schultern, als er verlor, und setzte erneut einen hohen Betrag. Alexis fiel auf, dass er sich völlig auf das Spiel konzentrierte und die Frauen, mit denen er gerade noch heftig geflirtet hatte, nicht mehr beachtete.

Sobald jedoch die Kugel zum Stillstand kam, widmete er sich wieder charmant seinen Tischnachbarinnen. Weshalb ließen sie sich eine solche Behandlung gefallen?

„Ich würde ihm dafür ins Gesicht spucken!“, sagte Alexis empört zu ihrem Begleiter.

„Doch nicht einem Mann, dessen Vermögen Billionen Dollar beträgt“, gab Joey leise zur Antwort. „Du bist viel zu puritanisch, Alexis.“

„Das liegt an meiner Erziehung. Ich finde es geradezu unanständig, wenn ein einzelner Mensch alles im Überfluss hat.“

Ali Ben Saleem war ja nicht nur unvorstellbar reich, sondern von Geburt an in jeder Hinsicht vom Schicksal begünstigt worden. Sein verstorbener Vater, Scheich Saleem, hatte eine Engländerin geheiratet, und falls man der Regenbogenpresse glauben durfte, waren die beiden sehr glücklich miteinander gewesen. Ali war ihr einziges Kind.

Nach dem Tod des Vaters hatte er mit einundzwanzig Jahren die Regentschaft über das kleine Wüstenscheichtum Kamar übernommen. Als Erstes kündigte er die Vereinbarungen mit den internationalen Ölfirmen und handelte neue und für sein Land wesentlich günstigere Verträge aus. Zähneknirschend mussten sich die mächtigen Ölmultis fügen, da das Öl aus Kamar von einzigartiger Qualität war.

In den zehn Jahren seiner Herrschaft hatte Ali das ererbte Vermögen mehr als verzehnfacht und pflegte einen äußerst luxuriösen Lebensstil. Er war als Gesellschaftslöwe bekannt, besaß sowohl in London als auch in New York mehrere Häuser und Wohnungen und betrieb seine Geschäfte von diesen beiden Städten aus, zwischen denen er im eigenen Flugzeug hin- und herjettete.

Wenn er des Lebens im Westen überdrüssig war, zog er sich für einige Zeit in einen seiner prachtvollen Paläste in Kamar zurück. Man munkelte auch etwas von einem geheimen Ort in der Wüste, beim Wadi Sita, wo er sich allen möglichen Ausschweifungen hingeben solle. Der Scheich war über derartige Gerüchte erhaben und fand es nicht der Mühe wert, sie zu dementieren. Da es bisher noch keinem Journalisten gelungen war, in das westlichen Besuchern verschlossene Wadi Sita vorzudringen, kursierten darüber die wildesten Spekulationen.

„Weiß Howard, dass du heute Abend hier bist?“, fragte Joey seine Begleiterin.

„Du meine Güte, nein. Als ich ihm von meinen Recherchen über Ali Ben Saleem erzählte, wurde er ganz blass und sagte: ‚Sei um Himmels willen vorsichtig. Dieser Mann ist ein wertvoller Verbündeter des Westens und darf auf keinen Fall verärgert werden.‘“

„Klingt ziemlich feige!“, bemerkte Joey verächtlich.

„Howard ist kein Feigling, sondern ein geschäftstüchtiger Bankier“, verteidigte Alexis ihren Freund.

„Und diesen Kerl willst du heiraten?“

„Das habe ich nicht gesagt“, widersprach sie. „Vielleicht irgendwann einmal.“

„Das klingt ja ganz nach der großen Liebe“, spottete Joey.

„Sollten wir uns nicht besser darauf konzentrieren, wozu wir hier sind?“, fragte sie kühl.

„Ihre Einsätze bitte“, sagte in diesem Moment der Croupier.

Lässig schob der Scheich einen weiteren großen Haufen Chips über den Tisch. Dann sah er plötzlich auf und Alexis direkt in die Augen. Unwillkürlich hielt sie den Atem an.

Doch der Scheich lächelte, und es war ein so hinreißendes, liebenswürdiges und sogar ein wenig verschwörerisches Lächeln, dass Alexis es instinktiv erwiderte.

Er hat rein zufällig in deine Richtung gesehen, versuchte sie sich einzureden. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass er ihren Blick gespürt und nur deshalb den Kopf gehoben hatte.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, streckte er ihr nun über den schmalen Tisch die Hand hin. Alexis fühlte sich von seinem Blick wie hypnotisiert und legte gehorsam ihre Hand in seine. Einen Moment lang spürte sie die stählerne Kraft der schlanken, gepflegten Finger. Dann zog er ihre Hand an die Lippen. Obwohl sein Mund ihre Haut nur streifte, spürte Alexis die starke, sinnliche Ausstrahlung dieses Mannes.

Rot zweiundzwanzig.

Erst als der Croupier ihm die Chips zuschob, schien Ali gewahr zu werden, dass er gewonnen hatte. Er lächelte Alexis strahlend an und wies mit einer kaum merklichen Kopfbewegung auf den von einer Blondine besetzten Stuhl neben ihm.

Zögernd ging Alexis um den Tisch herum. Sichtlich widerstrebend machte die andere Frau ihr Platz.

Träumte sie das alles nur? Alexis konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war ins Kasino gekommen, um sich ein Bild von dem Scheich zu machen, und nun bot sich ihr unverhofft die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen.

„Sie haben mir Glück gebracht“, sagte er, als sie neben ihm Platz nahm. „Nun müssen Sie in meiner Nähe bleiben, damit es mich nicht wieder verlässt.“

„Sie sind doch nicht etwa abergläubisch?“, fragte sie lächelnd. „Ob Sie Glück haben oder nicht, hängt sicher nicht von mir ab.“

„Da bin ich anderer Meinung.“ Sein Ton duldete keinen Widerspruch. „Allerdings müssen Sie Ihre Zauberkraft ganz auf mich konzentrieren, sonst wirkt sie nicht.“

Eingebildeter Affe, dachte Alexis. Nur zu gern hätte sie seinem Ego einen Dämpfer versetzt, doch passte es ihr momentan besser ins Konzept, den Mann bei Laune zu halten.

„Ihre Einsätze bitte.“

Ali deutete auf den riesigen Haufen Chips, der vor ihm lag. Sie setzte alles auf Rot fünfzehn und hielt den Atem an, als die Scheibe sich zu drehen begann.

Rot fünfzehn.

Ein leises Raunen ging durch die Menge, die sich um den Tisch geschart hatte.

„Das kann doch nicht wahr sein!“, sagte Alexis irritiert.

Ali hingegen nickte zufrieden. „Glauben Sie mir jetzt?“

„Reiner Zufall. Sie sollten besser aufhören und das Schicksal nicht weiter herausfordern.“

Sein Lächeln verriet, dass dies für gewöhnliche Männer gelten mochte, nicht aber für einen Scheich. „Setzen Sie noch einmal alles für mich.“

Leicht benommen häufte Alexis die Chips aufeinander, ließ dann den Blick zweifelnd über die verschiedenen Felder gleiten und wandte sich ratlos an Ali: „Ich kann mich nicht entscheiden.“

„An welchem Tag im Monat sind Sie geboren?“

„Am Dreiundzwanzigsten.“

„Rot oder Schwarz? Wählen Sie.“

„Schwarz“, entschied sie kühn.

„Dann also Schwarz dreiundzwanzig.“

Mit gequälter Miene beobachtete Alexis, wie die Scheibe sich wieder zu drehen begann.

„Nicht hinsehen“, riet Ali. „Schauen Sie lieber mich an, und vertrauen Sie den Göttern.“

Die Kugel blieb auf Schwarz dreiundzwanzig liegen.

Alexis lief ein kalter Schauder über den Rücken. „Einfach unglaublich! Wie ist so etwas möglich?“

Als Ali ihren verblüfften Gesichtsausdruck sah, lächelte er amüsiert. „Vielleicht sind die Götter von Ihrer Schönheit ebenso bezaubert wie ich.“

Er neigte den Kopf und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Handfläche. Die leichte Berührung verursachte ein Prickeln auf ihrer Haut, das sich über den ganzen Arm ausbreitete. Instinktiv wollte Alexis ihre Hand zurückziehen, besann sich dann aber noch rechtzeitig ihrer Rolle als Femme fatale und nahm die Huldigung mit einem, wie sie hoffte, gelassenen Lächeln entgegen.

Der Croupier schob ihnen mit seinem „Râteau“ genannten silbernen Rechen den Gewinn zu. „Für heute habe ich genug vom Spielen“, verkündete Ali. Galant bot er Alexis den Arm. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir zu Abend zu essen?“

Sie zögerte. Ihre weibliche Intuition riet ihr davon ab, die Einladung eines Mannes anzunehmen, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Aber als passionierte Journalistin konnte sie die einmalige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, endlich mehr über den geheimnisumwitterten Scheich von Kamar zu erfahren. Und was konnte ihr schon passieren, wenn sie mit ihm in ein Restaurant ging?

Aus den Augenwinkeln nahm sie Joey wahr, der sie mit offenem Mund anstarrte. Sie winkte ihm hoheitsvoll zu und rauschte an Ali Ben Saleems Arm aus dem Saal.

Draußen erwartete sie bereits der Chauffeur mit dem Rolls-Royce und hielt ihnen die Wagentür auf. Ali, ganz Kavalier, half Alexis beim Einsteigen, dann nahm er neben ihr Platz. Der Fahrer schien zu wissen, wohin es ging, und fuhr schweigend los.

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, fasste Ali in die Taschen seines Smokingjacketts und holte eine schimmernde Perlenkette und ein funkelndes Diamanthalsband hervor. „Welches Schmuckstück wollen Sie?“, fragte er Alexis lächelnd.

„Ich verstehe nicht ganz?“

„Suchen Sie sich eines von beiden aus. Es gehört Ihnen.“

Alexis ließ sich ihre Verblüffung nicht anmerken. Falls er glaubte, sie mit solchen Gesten zu beeindrucken, hatte er sich getäuscht. „Ich nehme das Diamanthalsband.“

Gegen ihren Willen überlief Alexis ein Schauer, als er ihr das Halsband umlegte. Die Diamanten fühlten sich kalt auf der Haut an, doch umso erregender empfand Alexis die Berührung seiner warmen Finger. Sanft strich er ihr über die nackten Schultern. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Hatte er sie tatsächlich auf den Nacken geküsst? Wie konnte er es wagen …!

„Sie sollten nur noch Diamanten tragen“, erklärte er und drehte sie an den Schultern zu sich um. „Keiner Frau stehen sie besser als Ihnen.“

„Sie scheinen aus großer Erfahrung zu sprechen“, bemerkte sie nicht ohne Ironie.

Er war darüber weder verärgert, noch zeigte er auch nur einen Hauch von Schuldbewusstsein, er lachte nur. „Aus einer größeren, als Sie sich vorstellen können“, versicherte er. „Aber heute Abend existiert für mich keine Frau außer Ihnen. Wie heißen Sie?“

„Mein Name …“ Unvermittelt kam ihr ein Gedanke. „Mein Name ist Diamond.“

Wieder lachte er. „Eine Frau mit Humor. Das gefällt mir. Belassen wir es also vorerst dabei.“

Er griff nach ihrer linken Hand und betrachtete sie. „Da Sie keinen Ring tragen, nehme ich an, dass Sie weder verheiratet noch verlobt sind. Oder sind Sie eine jener modernen Frauen, die es ablehnen, durch einen Ring zu zeigen, dass sie zu einem Mann gehören?“

„Ich gehöre nur mir selbst. Männer mit Besitzansprüchen haben bei mir keine Chance.“

„Dann wissen Sie nicht, was Liebe ist. Wer wirklich liebt, will alles geben, auch sich selbst.“

„Und wem gehören Sie?“, konterte Alexis schlagfertig.

Er lachte. „Das ist etwas anderes. Aber ich könnte Ihnen antworten, dass ich einer Million Menschen gehöre.“ So groß war die Bevölkerung Kamars. „Ich kann nicht völlig allein über mein Leben verfügen, ja nicht einmal über mein Herz. Erzählen Sie mir mehr über den kleinen Mann, der Sie begleitet hat. Ist er Ihr Liebhaber?“

„Würde das für Sie einen Unterschied machen?“

„Wohl kaum, da er nicht versucht hat, Sie vor mir zu beschützen. Ein Mann, der seine Frau nicht halten kann, zählt für mich nicht.“

„Finden Sie, ich müsste vor Ihnen beschützt werden?“ Alexis’ Augen funkelten mutwillig.

„Vielleicht stellt sich heraus, dass wir beide voreinander beschützt werden müssen“, meinte er nachdenklich und zog ihre Hand an die Lippen.

„Wer weiß?“ Sie bemühte sich, ihrer Rolle als Vamp gerecht zu werden. „Die Freude kommt beim Entdecken.“

„Und Sie sind wie geschaffen für die Freuden dieser Welt.“

Alexis musste sich eingestehen, dass seine Worte nicht ohne Wirkung auf sie blieben. Normalerweise bewunderten Männer sie wegen ihrer Intelligenz. Howard bewunderte natürlich auch ihr Aussehen, doch mindestens ebenso schätzte er ihren gesunden Menschenverstand. Auf Letzteren hatte sie sich bisher immer verlassen, doch nun weckte dieser Mann Empfindungen in ihr, die wenig mit Vernunft zu tun hatten.

Da sie nicht antwortete, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu: „Versuchen Sie nicht so zu tun, als wüssten Sie nicht, wovon ich spreche.“

„Die Freuden dieser Welt sind zahlreich“, sagte sie ausweichend.

„Diejenigen, die ich meine, können nur Frau und Mann einander schenken – in der Glut der Leidenschaft.“

„Ist es nicht ein wenig zu früh, an so etwas zu denken?“

„Wir haben beide daran gedacht, als unsere Blicke sich heute Abend zum ersten Mal trafen. Wollen Sie das etwa abstreiten?“

Alexis konnte es nicht. Sosehr sie das, was er sagte, auch schockierte, es war leider wahr. Verzweifelt erwog sie, an der nächsten Ampel aus dem Wagen zu springen und davonzulaufen, doch Ali hielt noch immer ihre Hand fest, und sein scheinbar lockerer Griff verhieß geballte Kraft.

Zart berührte er mit der freien Hand ihre Wange, und ehe Alexis wusste, wie ihr geschah, küsste er sie auf den Mund. Es war ein unendlich sanfter Kuss, dem weitere auf Kinn, Augen und Wangen folgten. Seine Küsse waren so leicht und zart, dass Alexis sie kaum spürte, aber sie versetzten jeden ihrer Nerven in prickelnde Erregung.

Gegen Gewalt hätte sie sich wehren können, doch Scheich Ali war ein Meister der Verführung und lähmte mit seinen raffinierten Liebkosungen ihre Widerstandskraft.

Hilflos hielt Alexis still. Weder erwiderte sie seine Küsse, noch wehrte sie sich dagegen. Er hob den Kopf und sah ihr forschend ins Gesicht. Es war zu dunkel im Wagen, als dass Ali hätte erkennen können, was er zu sehen wünschte. Alexis wiederum entging der leichte Ausdruck von Unsicherheit in seinen Augen.

Der Fahrer hielt in einer ruhigen Seitenstraße. Zögernd gab Ali sie frei, und Alexis atmete erleichtert auf. Doch schon im nächsten Augenblick ärgerte sie sich über ihre Naivität. Wie hatte sie nur glauben können, der Scheich würde mit ihr in einem Restaurant essen?

Sie unterdrückte den Impuls, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Schließlich war sie als Journalistin gefährliche Situationen gewohnt. Wieso gefährlich? Du meine Güte, was sollte ihr in der hell erleuchteten Villa, vor der sie jetzt standen, schon passieren?

Das Eingangsportal wurde von innen geöffnet, und ein großer Araber in traditioneller Kleidung erschien im Türrahmen. Schweigend verbeugte er sich und trat zur Seite.

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte Scheich Ali Ben Saleem zu seiner Begleiterin.

2. KAPITEL

Verwirrt blickte Alexis sich um. Sie stand in einer weitläufigen Eingangshalle mit einer breit geschwungenen Marmortreppe. Fußboden und Wände waren mit orientalischen Mosaiken verziert und boten einen prachtvollen, wenngleich etwas fremdartigen Anblick.

Zu beiden Seiten der Halle befanden sich mehrere kunstvoll geschnitzte Türen. Eine wurde nun von einem Mann in westlicher Kleidung geöffnet. Ohne Alexis eines Blickes zu würdigen, ging er auf Ali zu und sprach ihn auf Arabisch an. Während die beiden Männer sich unterhielten, spähte Alexis durch die offene Tür in ein mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattetes Büro. War das eine von Scheich Alis Kommandozentralen, von denen aus er seine Millionengeschäfte abwickelte?

Er bemerkte ihren neugierigen Blick und sagte etwas in scharfem Ton zu dem Mann, der sich daraufhin schnell in das Büro zurückzog und die Tür hinter sich schloss.

Ali legte Alexis einen Arm um die Schultern und zog sie weiter. „Hier sind nur die Büros“, sagte er. „Triste Räume, in denen ich meine langweiligen Geschäfte erledige, die Sie sicher nicht interessieren werden.“

Sein gönnerhafter Ton ärgerte sie. „Wer weiß? Vielleicht doch.“

Er lachte. „Eine schöne Frau wie Sie sollte sich nicht mit so öden Dingen befassen.“

Alexis lag eine boshafte Bemerkung auf der Zunge, aber sie beherrschte sich und schwieg.

Ali öffnete eine breite Flügeltür und führte Alexis in einen luxuriös eingerichteten Raum mit einer breiten Fensterfront. Davor stand ein für zwei Personen exquisit gedeckter Tisch. Das Geschirr bestand aus erlesenem Porzellan, und die funkelnden Kristallgläser waren sicher ebenso unbezahlbar wie das fein ziselierte Silberbesteck und die kunstvoll verzierten Kerzenleuchter.

„Wunderschön“, sagte sie beeindruckt.

„Für Sie ist nur das Beste gut genug.“

Für mich oder jede andere Frau, die du heute Abend abzuschleppen gedachtest, überlegte sie bissig und war entschlossen, von jetzt ab ihre Sinne beisammenzuhalten. „Sie sind sehr freundlich.“

Er führte sie zu dem Tisch und rückte ihr in bescheidener Dienerpose einen Stuhl zurecht. Das ist wohl schon Teil seiner Verführungsstrategie, vermutete Alexis amüsiert. Ihr journalistischer Spürsinn war geweckt. Natürlich würde sie zum Schein auf das Spiel eingehen. Bot es ihr doch die einmalige Gelegenheit, diesen geheimnisumwitterten Mann aus nächster Nähe zu beobachten.

Abgesehen davon machte ihr der Flirt mit ihm durchaus Spaß. Schon deshalb, weil Ali einfach der attraktivste Mann war, den sie je kennengelernt hatte.

Im Kasino hatte sie ihn hauptsächlich am Spieltisch sitzend erlebt. Jetzt aber konnte sie ihn in seiner vollen Größe bewundern, sah die langen Beine, schlanken Hüften und breiten Schultern. Obwohl er überdurchschnittlich groß war, bewegte er sich geschmeidig wie ein Panther.

Sein männlich schönes Gesicht ließ sowohl arabische wie europäische Einflüsse erkennen. Es wirkte auf den ersten Blick eher europäisch, doch die dunklen Augen, die vollen Lippen und den herrischen Zug um den Mund hatte er sicher von seinem Vater geerbt, einem von seinen Untertanen nicht nur geliebten, sondern auch gefürchteten Herrscher.

„Wenn Sie nichts dagegen haben, übernehme ich das Servieren“, sagte er nun und verbeugte sich leicht.

„Ich fühle mich sehr geehrt, von einem Scheich bedient zu werden“, antwortete Alexis artig.

Sie sah ihn lächeln. Vermutlich hielt er sein Spiel bereits für gewonnen und glaubte, sie würde auf diese Masche hereinfallen – wie alle anderen Frauen vor ihr. Aber in dieser Hinsicht stand ihm eine herbe Enttäuschung bevor.

Er rollte einen Servierwagen mit Warmhalteplatte an den Tisch und schöpfte aus einer Terrine eine hellgelbe Flüssigkeit in eine Suppentasse. Sie war dickflüssig wie Porridge, mit Reis vermischt und verströmte einen köstlichen Duft.

„Das ist Kürbissuppe“, erklärte Ali. „Sie zählt zu meinen Lieblingsgerichten. Deshalb hält mein Koch immer einen Topf voll bereit.“ Er füllte eine zweite Tasse für sich und setzte sich dann gegenüber von Alexis an den kleinen, runden Tisch. „Haben Sie schon einmal arabisches Essen probiert?“

„Oh ja. Gleich bei mir um die Ecke befindet sich ein Restaurant, in dem es sehr leckere Hähnchen mit Datteln und Honig gibt. Leider sind die Wandmalereien dort unerträglich kitschig. Überall Wüste und dazwischen neonbeleuchtete Oasen.“

„Ich weiß, was Sie meinen!“ Er seufzte. „Man vermittelt klischeehafte Vorstellungen von der Wüste, ohne sie wirklich zu kennen.“

„Und wie ist sie wirklich?“, fragte Alexis begierig. „Erzählen Sie mir von der Wüste.“

„Das ist schwierig, denn sie verwandelt sich je nach Tageszeit.“

Ali machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „Was jedoch immer bleibt, ist diese völlige Stille, die man nicht beschreiben kann. Wer nie nachts in der Wüste beobachtet hat, wie die Sterne langsam am Himmel entlang wandern, der hat nie hautnah gespürt, wie die Erde sich langsam um ihre Achse dreht.“

„Ja“, flüsterte Alexis. „Genau so habe ich es mir vorgestellt.“

Ihr war nicht bewusst, dass ihre Augen einen träumerischen Ausdruck angenommen hatten, der Ali nicht entgangen war. „Sie haben es sich so vorgestellt?“, fragte er interessiert.

„Als Kind habe ich immer von fernen Ländern geträumt“, bekannte sie. „Es war damals für mich fast lebensnotwendig.“

„Wieso das? Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit“, bat er.

„Es klingt sonderbar, aber irgendwie verbinde ich diese Zeit vor allem mit Regen. Natürlich kann es nicht ständig gegossen haben, aber in meiner Erinnerung sehe ich immer nur einen grauen Himmel und Leute im Matsch.“

„Wurden Sie schlecht behandelt?“

„Nein, es wäre unfair, so etwas zu behaupten. Ich habe meine Eltern früh verloren und bin bei entfernten Verwandten aufgewachsen. Onkel Dan und seine Frau waren schon alt und hatten keine Erfahrung mit Kindern. Sie taten ihr Bestes und ermöglichten mir eine gute Schulbildung, aber das Leben mit ihnen war sehr eintönig.“ Alexis lächelte etwas verlegen. „Um den tristen Alltag zu vergessen, habe ich viel gelesen. Meine absolute Lieblingslektüre waren die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, was Sie sicher amüsieren wird.“

Autor

Lucy Gordon
<p>Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
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