Romana Exklusiv Band 253

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EIN VERFÜHRERISCHES ANGEBOT von KENDRICK, SHARON
Nur sein Stolz hat Alexei verboten, sich wieder mit seiner hinreißenden Ehefrau zu versöhnen. Jetzt will Victoria nicht nur die Scheidung, sondern auch eine hohe Abfindung! Alexei entschließt sich, in Athen um sie zu kämpfen - und dabei jede einzelne Sekunde zu genießen …

VERZAUBERT UNTER PALMEN von ARMSTRONG, LINDSAY
Mit Alexandra hat der smarte Unternehmer Max Goodwin nicht nur die perfekte Mitarbeiterin, sondern auch seine Traumfrau gefunden. An den weiten Stränden der Südsee erleben sie bei Champagner den Himmel auf Erden. Bis sie unvermittelt ihre Sachen packt und flieht …

MARRAKESCH, DIE LIEBE UND DU von GRAHAM, LYNNE
Blamiert bis auf die Knochen! Da bekommt Maddie endlich die Chance, den faszinierenden Milliardär Giannis Petrakos persönlich zu treffen, und ruiniert dabei ausgerechnet eine wichtige Präsentation. Was hat dieser Mann nur an sich, dass sie alles um sich herum vergisst?


  • Erscheinungstag 16.01.2015
  • Bandnummer 0253
  • ISBN / Artikelnummer 9783733740153
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Lindsay Armstrong, Lynne Graham

ROMANA EXKLUSIV BAND 253

SHARON KENDRICK

Ein verführerisches Angebot

Die Ehe zwischen Victoria und dem schwerreichen griechischen Reeder Alexei besteht nur noch auf dem Papier. Als Victoria nach Athen reist, um die Scheidung durchzusetzen, entbrennt überraschend die Leidenschaft in ihr! Und Alexei macht ihr einen ungeheuerlichen Vorschlag. Um sie zu erpressen? Oder um der Liebe eine zweite Chance zu geben?

LINDSAY ARMSTRONG

Verzaubert unter Palmen

Mit einem Traummann in der Südsee! Seit die junge Dolmetscherin Alexandra von dem australischen Unternehmer Max Goodwin engagiert wurde, steht ihr Leben Kopf. Max verwöhnt sie mit einem Luxus, auf den sie nie zu hoffen wagte – doch dann lauscht sie eines Abends zufällig einem Gespräch, das nur einen Schluss zulässt: Max ist nicht frei für die Liebe!

LYNNE GRAHAM

Marrakesch, die Liebe und du

Schon lange träumt Maddie heimlich von ihrem überaus anziehenden Boss, dem milliardenschweren Giannis Petrakos. Aber dass er sie dann wirklich nach Marokko mitnimmt und ihr auf seinem Anwesen in Marrakesch stürmische Stunden des Glücks schenkt, übersteigt jede Fantasie! Ob es allerdings noch so schön ist, wenn sie alles über ihn erfährt?

1. KAPITEL

Im Konferenzraum des gigantischen Schifffahrtsunternehmens lehnte sich Alexei Christou in seinem Chefsessel zurück und schloss genießerisch die Augen, während die schöne Brünette sich kniend an seiner Hose zu schaffen machte.

Ein Stöhnen kam über seine Lippen, und er gab sich den Wonnen hin, die ihm die eifrige junge Frau bescherte. Just in diesem Moment klingelte das Telefon. Ungläubig presste er die Lippen zusammen und versuchte, das Geräusch zu ignorieren. Doch vergeblich.

„Was zum Teufel gibt es?“, rief er erbost in den Hörer. „Hatte ich nicht klar und deutlich gesagt, dass ich unter keinen Umständen gestört werden will?!“

Am anderen Ende hüstelte sein Assistent nervös. „Verzeihen Sie, Kyrios Christou, aber in diesem Fall dachte ich …“

„Was?“, zischte Alexei ungehalten.

„Ich habe … Ihre Frau in der Leitung.“

Einen Moment herrschte Schweigen.

„Meine Frau?“, wiederholte Alexei, und die Brünette hob erschrocken den Kopf.

„Ja, Kyrios, was soll ich ihr sagen?“

Dass er sie für eine herzlose untreue Hexe hielt? Dass sie der größte Fehler war, den er in seinem Leben gemacht hatte, und dass er sich diesen Fehler nie verzeihen würde.

Alexeis Augen verengten sich. Sicher bezog sich dieser Anruf auf den Brief, den er aus England erhalten hatte, und daher kam er nicht gänzlich unerwartet. Dennoch war es erstaunlich, nach sieben Jahren überhaupt noch einmal von ihr zu hören. Von der Frau, die Alexeis Herz und seine Seele zerrissen hatte. Der Frau, die ihn erst umgarnt und dann schamlos betrogen hatte. Jetzt war Alexeis Aufmerksamkeit voll da.

Er gab der Brünetten ein Zeichen innezuhalten. Nur einen Moment. Sich bei einem solchen Gespräch von den schönen Dingen des Lebens ablenken zu lassen, wäre nicht klug. Andererseits war es sicher eine gelungene Rache, wenn sie mitbekäme, was er tat. Oder würde es ihr gar nichts mehr ausmachen?

Doch Alexei widerstand der Versuchung. Nicht ohne Grund entsagten erfolgreiche Schlachtherren vor dem Kampf der Liebe. Sex schwächte selbst die stärksten Männer, und Alexei gestand sich keine Schwächen zu. Nicht mehr, seit ihn die Betrügerin, die er einst seine Frau genannt hatte, wegen eines anderen verlassen hatte.

„Stell sie durch“, sagte er.

In ihrem kleinen Londoner Apartment wartete Victoria darauf, mit Alexei verbunden zu werden. Nervös spielte sie mit der Telefonschnur. Mit jeder Sekunde fühlte sie sich unbehaglicher. Sie hasste das alles, aber vielleicht war sie ihm gegenüber ja inzwischen immun. Immun gegenüber seiner männlichen Ausstrahlung und seinen unrealistischen Ansichten über sie als seine Ehefrau. Seine Frau war sie sowieso nur noch dem Namen nach, und auch das war hoffentlich bald vorbei. Sie wollte sich aus dem goldenen Käfig der Ehe mit dem grandiosen Griechen befreien. Alexeis Meinung war nicht länger von Bedeutung. Von nun an sollte er keine Rolle mehr in ihrem Leben spielen.

Bleib einfach bei den Fakten, ermahnte sie sich und starrte auf den immer größer werdenden Packen Rechnungen. Stell deine Forderungen, sag klar und deutlich, was du willst, und mach dem Ganzen rasch ein Ende. Ihr Verstand war ruhig und kühl, doch ihr verräterisches Herz schlug schneller, und unwillkürlich brach ihr der Schweiß aus.

Endlich hörte sie ein Klicken in der Leitung und dann seine kalte Stimme. „Ja?“ Eine vertraute gefährliche Stimme, die einst ihre Haut zum Kribbeln und ihren Puls zum Rasen gebracht hatte. Immun? Victoria schluckte. Von wegen.

„Hallo, Alexei.“

Beim Klang ihrer weichen englischen Stimme funkelten seine schwarzen Augen. Er versuchte, seiner Stimme den neutralen Ton zu verleihen, den er jedem beliebigen Gegner entgegenbrachte. Doch es fiel ihm schwer. „Du bist es also. Was willst du?“

Kein ‚Hallo, Victoria, wie geht es dir?‘. Nicht einmal der Versuch einer höflichen Begrüßung nach den Beschimpfungen, die er ihr bei der letzten Begegnung an den Kopf geworfen hatte … Ganz gewiss würde er es ihr nicht leicht machen. Sie musste mit einem harten Kampf rechnen. Energisch straffte Victoria die schmalen Schultern.

„Ich … ich muss mit dir sprechen.“

„Wie faszinierend.“ Das klang gefährlich leise. „Worüber möchten Madame denn mit mir sprechen, wenn ich fragen darf?“

Victoria schloss die Augen und dachte an die Worte ihrer Anwältin.

Wenn Sie eine glatte Abwicklung der Scheidung wünschen, sollten Sie vorsichtig vorgehen, Mrs Christou. Ihr Mann hat die Oberhand, nicht weil er im Recht ist, sondern weil er wohlhabend ist. Sehr wohlhabend.

Natürlich war er reich. Und reiche Männer gewannen immer, denn sie konnten die besten Anwälte bezahlen und sich einen langen Atem leisten. Victoria wollte keine Schlammschlacht um jeden Preis, sondern einfach nur ihr Recht. Als seine Frau hatte sie bei der Scheidung ein Recht auf Unterhalt oder eine Abfindung. Also musste sie vorsichtig sein …

Sie zwang sich, die Augen wieder zu öffnen, und sah aus dem Fenster. Immerhin war sie weit genug entfernt, um sich einzureden, sie spreche nur mit einem Anrufbeantworter und nicht mit dem charismatischen Griechen, den sie einst geheiratet hatte.

Dennoch blieben ihr die Worte, die sie sich überlegt hatte, im Hals stecken. Zögerte sie, weil sie sich dann eingestehen musste, dass es wirklich vorbei war? Warum an einer schlechten Ehe festhalten, die sowieso nur noch auf dem Papier bestand? Bei einem Fremden wäre sie über eine solche Unhöflichkeit einfach verärgert gewesen, hätte sich diesen Ton verbeten und wäre dann zum Punkt gekommen. In diesem Fall jedoch kam beim Klang seiner Stimme völlig unerwartet wieder die ganze Vergangenheit ans Licht und stürzte sie in ein Gefühlschaos, mit dem sie überhaupt nicht gerechnet hatte.

„Ich …“

„Victoria, du machst einen recht nervösen Eindruck.“

Er machte sich über sie lustig. „Nervös nicht gerade“, berichtigte sie ihn. „Eher aufgeregt. Wir haben so lange nicht miteinander gesprochen.“

„Das ist wahr.“ Als die Brünette ihn aufreizend streichelte, unterdrückte Alexei ein Stöhnen. Er versuchte, das Bild von Victoria aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er wollte nicht daran zurückdenken, wie er sie nach allen Regeln der Kunst in die Liebe eingeführt hatte. Wie wunderbar sie damals harmoniert hatten. Allein bei dem Gedanken daran bekam er eine Gänsehaut.

„Alexei?“

Die Stimme am anderen Ende der Leitung holte Alexei in die Wirklichkeit zurück. Mit einem leisen Stöhnen schob er die junge Frau zu seinen Füßen beiseite. Sie zog einen Schmollmund, als er den Kopf schüttelte.

„Alexei?“ Victoria runzelte die Stirn. „Bist du noch da?“

„Sicher.“ Er lächelte der Brünetten verschwörerisch zu. „Aber ich bin beschäftigt.“

Also war alles beim alten. Alexei Christou, der Mann, der mit seinem unfehlbaren Tunnelblick nur den Erfolg der eigenen Firma im Visier hatte, durfte nicht mit anderen Dingen behelligt werden. Von seinem Erfolgsstreben berichteten die Zeitungen fast wöchentlich. Victoria selbst hatte diesen Ehrgeiz lediglich im Anfangsstadium erlebt. Damals war eben dieser Ehrgeiz der Grund für ihre Trennung gewesen.

„Was willst du?”, wollte Alexei ungeduldig wissen und schüttelte erneut den Kopf, als die Brünette Anstalten machte, sich selbst zu streicheln. Warte, flüsterte er tonlos. Erneut zog sie einen Schmollmund.

„Wir müssen ein paar Dinge besprechen. Hast du meinen Brief erhalten?“

„Welchen Brief? Ich bekomme viele Briefe. Du wirst meine Erinnerung also auffrischen müssen, Victoria. Was stand drin?“

Lass dich nicht einschüchtern. Du bist keine neunzehn mehr. Du bist eine unabhängige Geschäftsfrau, wenn auch derzeit nicht besonders erfolgreich …

„Du weißt genau, was darin steht. Es ist ein Brief meiner Anwältin. Ich möchte die Scheidung.“ Sie atmete tief durch. „Das zu ignorieren, nützt nichts. So funktioniert das nicht, Alexei.“

„Du willst die Scheidung?“ Er lachte. „Und wie kommst du darauf, dass ich da mitspiele?“

„Mitspielen?”, wiederholte sie. „Das hängt nicht von deiner Kooperation ab. Du hast keine Wahl.“

Sie hatten jung geheiratet. Alexei hatte gerade erst das Studium beendet, doch mittlerweile war er ein erwachsener Mann. Es gab nicht viele Menschen, die so mit ihm sprachen, wie Victoria es wagte. Während ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg, prickelte seine Haut erregt. War es nicht immer köstlich gewesen, mit ihr hitzige Diskussionen zu führen? Früher hatte er sie nie besiegt. Diesmal jedoch verdiente sie es. Die Frau, die ihm Hörner aufgesetzt hatte!

„Es gibt immer Auswege, meine Liebe. Woher übrigens die plötzliche Eile? Sieben Jahre lang hat es dich nicht gestört, an mich gebunden zu sein. Hast du dich entschieden, erneut zu heiraten?“ Er sagte etwas Barsches auf Griechisch, bei dem die Brünette zusammenfuhr. „Willst du deinen Liebhaber heiraten?“ Dabei sprach er das Wort Liebhaber so aus, als hätte es ganz und gar nichts mit dem Gefühl Liebe zu tun. Es klang schmutzig und verächtlich.

„Willst du darum die Scheidung, Victoria? Um dem Mann zu gefallen, der in meine Fußstapfen getreten ist? Ist es noch derselbe, mit dem du mich damals betrogen hast? Der, dem du dich hingegeben hast, obwohl wir kaum ein Jahr verheiratet waren?“

Victoria wurde übel. Es war sinnlos, ihn zurechtzuweisen und seine Worte zu korrigieren. Als ob irgendjemand ihn ersetzen könnte. Doch schon damals waren ihre Unschuldsbeteuerungen auf taube Ohren gestoßen. Und das wäre heute nicht anders. Außerdem sah sie es nicht ein, sich vor ihm zu rechtfertigen. Sie war eine erwachsene Frau, und er benahm sich wie ein gekränktes Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte.

Das Bild von ihr, an dem Alexei so stur festhielt, hatte nichts mit der Realität zu tun. Er wollte die Welt mit seinen Augen sehen. Nach sieben Jahren gibt es nicht mehr viel zu sagen, hatte ihre Anwältin gemeint.

Allerdings kannte ihre Anwältin auch Alexeis Neigung, immer das letzte Wort zu haben, nicht. Immer musste er mit dem Kopf durch die Wand. Ihren guten Vorsätzen zum Trotz war Victoria aber auch neugierig. Gab es nicht eine andere an seiner Seite?

„Man sollte denken, du hättest selbst ein Interesse an einer Scheidung, meinst du nicht?”, fragte sie unschuldig. „Es gibt sicher eine Menge Frauen, die erpicht darauf sind, die nächste Kyria Chistou zu werden.“

Natürlich gab es Frauen. War er ihr so gleichgültig geworden, dass sie dermaßen gelassen nach seinen Geliebten fragen konnte? Sein Blut kochte vor Wut.

Irgendwie war es ihr gelungen, seine sexuelle Erregung vollends zu ersticken. Zornig stieß er die Brünette fort und erhob sich. Vom Fenster aus starrte er auf die azurblaue See hinaus, die am Horizont in der Ferne scheinbar nahtlos in den wolkenlosen Himmel überging. Grün und Blau verschmolzen zu einem wunderschönen Ganzen, so wie Alexei und Victoria es einst getan hatten. Sie waren ein unschlagbares Team, ein großartiges Paar gewesen. Bis sie gegangen war.

„Selbstredend gelte ich als gute Partie“, konstatierte er ruhig. „Anders als du verspüre ich jedoch kein Bedürfnis, mich scheiden zu lassen.“ An dieser Stelle warf ihm die Brünette einen vorwurfsvollen Blick zu. Mit seiner Hand wies Alexei fünf Minuten an und schickte die junge Frau hinaus. Als sie an der Tür war, warf er ihr eine Kusshand zu. Mochten manche Männer auch bei solch einem unritterlichen Verhalten Gewissensbisse verspüren, Alexei gehörte nicht zu ihnen.

Er versprach nie, was er nicht halten konnte und ging keinerlei Verpflichtungen ein. Den Frauen gegenüber, die sein Bett teilten oder ihn in seinem Büro beglückten, war er absolut ehrlich. Durch ihn besuchten sie die Partys mit den berühmtesten Persönlichkeiten. Er kaufte ihnen Schmuck und reiste mit ihnen um den Globus.

Wichtiger jedoch war die Befriedigung, die er ihnen verschaffte. Jede Frau, mit der er geschlafen hatte, schwor, er sei der beste Liebhaber, den sie je gehabt hatte. Woran Alexei nicht einen Augenblick zweifelte. Er war stolz auf seine Manneskraft und seine Liebeskünste.

War es da seine Schuld, wenn sich doch hin und wieder eine Geliebte einbildete, er wolle noch einmal heiraten? Manchmal glaubten Frauen wirklich, was sie wollten, doch das war nicht sein Problem. Entweder sie sahen der Wahrheit ins Gesicht, oder sie wurden Geschichte.

„Du meinst, du willst verheiratet bleiben?”, fragte Victoria ungläubig.

Alexei lachte freudlos. „Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, ich habe nicht den Wunsch, geschieden zu werden. Das sind zwei grundverschiedene Dinge.“

In diesem Moment verabscheute sie ihn für seine Haarspalterei. Er drehte ihr das Wort im Munde herum, nur, um sie zappeln zu lassen. Wahrscheinlich genoss er jede Sekunde, in der er sie demütigte. Er wollte sie betteln hören. Victoria musste an die Worte ihrer Freundin denken. Kroch sie vor ihrem Ehemann zu Kreuze? Sollte sie die ganze Sache doch lieber ihrer Anwältin überlassen und sich selbst zurückziehen? Doch die Zeit drängte.

„Das ist Auslegungssache“, widersprach sie.

„Wir wissen beide, was ich meine, Victoria“, warf er leise ein. „Viel hatte ich von unserer Ehe nicht, aber immerhin hält sie mir die ehrgeizigen Frauen vom Leib.“

Victoria verkniff sich eine Bemerkung. Denn seine Frauenprobleme interessierten sie herzlich wenig. Ihre eigene Zukunft dagegen sehr.

Sie hatte lange genug auf seine Gefühle Rücksicht genommen. Jetzt hatten ihre eigenen Rechte für sie Vorrang.

„Ich will die Scheidung“, wiederholte sie kühl.

Er seufzte übertrieben. „Wie du willst. Dann ist es wohl das Beste, wenn wir eine Einigung finden.“

Da sie die leise Drohung in seiner Stimme hörte, ging ihr Temperament mit ihr durch.

„Du kannst mich nicht daran hindern!”, rief sie empört.

„Wirklich nicht?“

„Willst du mir drohen?“

„Dir drohen?“ Er lachte. „Du hast wirklich eine blühende Fantasie, Victoria.“

Am liebsten hätte sie geschrien. Sie wollte ihm sagen, was für ein egoistischer Kerl er war. Stattdessen zwang sie sich zur Ruhe. Weshalb sollte sie ihm etwas sagen, das ihn gar nicht interessierte?

„Fordere mich nicht heraus, Alexei. Du könntest es bereuen.“

Er lachte, als er die Wut in ihrer Stimme hörte. Wie er ihre Leidenschaft vermisste. Mochte die Liste der Vorwürfe, die er ihr machen konnte, auch endlos sein. Langeweile gehörte nicht dazu. „Dazu müsstest du mich erst einmal finden.“

„Das wäre das Einfachste, glaub mir. Es ist ein Leichtes, dich ausfindig zu machen und zur Scheidung zu zwingen. Solche Dinge passieren tagtäglich. Es gibt genug Ehemänner, die sich um ihre Verantwortung drücken. Und nur weil du Alexei Christou, der Superboss bist, machst du keine Ausnahme.“

Alexei schnappte nach Luft. Das hörte sich an, als habe sie bereits Erkundungen eingezogen. Und es hörte sich an, als wollte sie Geld. Wie viel von seinem Vermögen würde sie fordern? Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand übers Kinn und sah wieder aufs Meer. Am Horizont fuhr ein Schiff. Eines der vielen Schiffe der Christou-Flotte, die ihm täglich ein Vermögen einbrachte und weltberühmt war. Sie war Familienbesitz der Christous, und Alexei war ihr Vorstand. Die Schifffahrt war sehr lukrativ und Christou der unbestrittene Marktführer.

Selbst eine dreiste Forderung ihrerseits würde ihm kaum etwas anhaben können. Sollte er Victoria nicht einfach einen großzügigen Scheck ausstellen und sie ziehen lassen?

Sein Herz raste.

Verdammt. Er würde kämpfen. Das verdiente sie. Sie hatte ihn belogen und betrogen, und das war eine schwere Lektion für einen Mann wie ihn. Wie keine andere Frau hatte er sie geliebt und verehrt. Aber sie hatte ihm höhnisch ins Gesicht gelacht und ihm eiskalt Hörner aufgesetzt.

Allerdings kam ihre Abfindungsforderung nicht überraschend. Es war ungewöhnlich genug, dass sie bisher nichts gewollt hatte. Zwischen ihnen herrschte Waffenstillstand, aber irgendwann musste dieser Zustand unterbrochen werden, das war lediglich eine Frage der Zeit. Nur sein Stolz hatte ihm verboten, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Jetzt aber, da sie ihn herausforderte, würde er kämpfen. Und jede einzelne Sekunde ihres Kampfs genießen. Bis zu seinem Sieg. Er lächelte.

„Selbst wenn dir das gelingen sollte, heißt das nicht, dass ich mit dir kooperiere.“

Victoria biss sich auf die Lippe. Das war das schlimmste Szenario, das ihre Anwältin erwogen hatte. Selbst wenn sie am Ende gewann, würde es Monate dauern, Alexei in die Knie zu zwingen. Inzwischen würde ihr Schuldenberg weiter wachsen, und die Anwaltskosten würden sie vollends erledigen.

Am meisten tat es Victoria um ihre Angestellte leid. Sie kannte Carolines Lebensumstände und war eng mit ihr befreundet, und Caroline hatte es wirklich nicht leicht. Außerdem hatte sie sich unglaublich für das Unternehmen engagiert und war Victoria gegenüber immer loyal gewesen. Victoria wollte die Sicherheit dieser Frau nicht der Arroganz eines Exmannes opfern.

„Du willst kämpfen, Alexei?“

„Das liegt mir im Blut“, murmelte er. „Das weißt du doch.“

Aber er hatte nie um sie gekämpft, sondern sie bei der ersten Gelegenheit aufgegeben, nur zu bereit, das Schlimmste von ihr zu denken. Ein Kampf mit einem Mann, der immer noch Macht über ihre Sinne ausübte, war nicht verlockend. Victoria strich sich eine Strähne aus der Stirn. Keine Gefühle, ermahnte sie sich. Sprich mit ihm, als wäre er ein Kunde vom Tennisclub. Keine Eingeständnisse. „Du wirst deine Meinung nicht ändern und dich für eine friedliche Einigung erwärmen?”, fragte sie ruhig.

Trotz ihrer scheinbaren Gelassenheit spürte Alexei, dass diese Frage der Scheideweg ihrer Unterhaltung war. Er musste lächeln, weil ein Gefühl der Macht in ihm wuchs. Dieses Gefühl war beinahe so gut wie sexuelle Erfüllung.

Während er in den blauen Himmel sah, dachte er an das exquisite Mahl, das er später zu sich nehmen würde, bevor er mit seiner Jacht in See stach. Er gähnte. Und die Brünette käme auch mit. Falls es ihn dann noch nach ihr verlangte.

„Vielleicht doch“, gab er weich zurück und schwieg einen Moment. Er wusste, dass ein kurzes Schweigen am Telefon verheerend auf einen Gegner wirken konnte. „Warum kommst du nicht her, damit wir alles besprechen können?“

Victoria erstarrte. In ihrem Inneren schrillten alle Alarmglocken. „Nach … Athen?“

„Warum nicht?“

„Mach dich nicht lächerlich, Alexei!“

„Findest du die Vorstellung so absurd?”, dachte er laut. „Ich lebe hier, und das war einst auch dein Zuhause, auch wenn wir beide wissen, was für eine Farce die ganze Sache war. Du hast uns allen etwas vorgemacht. Ist das der Grund, weshalb du dich nicht nach Griechenland traust? Späte Reue?“

Es gab viele Gründe, aber Alexei war der gewichtigste. Bei ihrer letzten Begegnung vor sieben Jahren hatte er geschworen, eher zur Hölle zu fahren, als ihr noch einmal gegenüberzutreten. Er hasste sie und machte keinen Hehl daraus.

„Ich verstehe nicht, warum du so etwas vorschlägst.“

„Wirklich nicht? Wenn du herkämst und mir deinen Scheidungswunsch ins Gesicht sagtest, wäre ich vielleicht kooperativer.“

„Wunsch? Ich brauche dich nicht darum zu bitten. Wir leben schließlich nicht im Mittelalter!“

Doch so war es. Trotz seiner modernen amerikanischen Erziehung und seiner eleganten Anzüge blieb er im Grunde seines Herzens ein Patriarch.

„Hier geht es um Gesetze. Denen musst selbst du dich beugen, auch den englischen.“

„Aber ich bin Grieche!“, warf er stolz ein. In seinen Augen funkelte es. „Du bist mit einem Griechen verheiratet.“

Victoria wollte ihm entgegnen, dass das keinen Unterschied machte. Aber sie verkniff sich die Bemerkung. Sie hatte schon genug preisgegeben. Schließlich brauchte Alexei nicht genau zu wissen, wie gut sie informiert war. Sollte er sie ruhig unterschätzen.

Sie wollte einfach nur einen Schlussstrich unter diese missratene Ehe ziehen.

„Komm und besuch mich“, forderte er sie auf. „Oder traust du dich nicht, Victoria?“

War es das? Damals war sie Wachs in seinen erfahrenen Händen gewesen. Ein sinnlicher Blick von Alexei hatte gereicht, um sie in Erregung zu versetzen.

Doch sieben Jahre waren eine lange Zeit, und Victoria war eine erwachsene Frau, kein junges Mädchen mehr, das sich von einem glutäugigen Adonis verführen ließ.

„Können wir uns nicht hier in London treffen?”, fragte sie hoffnungsvoll. Dann könnten sie sich in einem Hotel treffen, und anschließend würde Victoria in einen Bus springen und aus Alexeis Leben verschwinden.

Als er erkannte, dass er seinen Willen bekommen würde, lächelte Alexei. Jetzt hatte er sie genau da, wo er sie haben wollte. Draußen war es glühend heiß, aber hier drinnen war die Luft kühl und angenehm. Er liebte Athen, obwohl es laut und schmutzig war. Irgendwie war es für ihn der Inbegriff von Lebendigkeit. Es wäre amüsant, seine kühle englische Gattin hier zu sehen. Ob er sie immer noch begehren würde?

„Ich habe derzeit keine Pläne, nach London zu reisen“, gab er kühl zurück.

„Aber es wäre einfacher für dich, hierherzukommen, als für mich, nach Athen zu reisen.“

Alexei lächelte sein Raubtierlächeln. Ja, er hatte sie in seinen Fängen. Alles lief perfekt.

„Und warum, agape mou?“

Bei dem vertrauten Kosewort errötete Victoria, doch der zynische Ton brachte sie wieder zur Vernunft. „Weil du flexibler bist …“ Sie hasste sich dafür, dass sie nicht einfach die Wahrheit sagte. Dass er reich war und sie nicht einmal wusste, wovon sie den Flug bezahlen sollte.

„Das ist der Luxus der Selbstständigen.“

„Ich bin auch meine eigene Chefin!”, fuhr sie ihn an. „Aber anders als bei dir, wurde mir die Firma nicht auf einem goldenen Tablett serviert.“

Weil er Kritik nicht gewohnt war, kniff Alexei ungehalten die Augen zusammen. „Was für einer Tätigkeit gehst du nach?“

„Ich bin immer noch im Catering-Geschäft. Alles beim Alten, Alexei“, antwortete sie frostig.

„Dann schlage ich vor, du unterbrichst deine Arbeit und kommst nach Athen.“

„Das sehe ich anders.“

„Komm nach Athen, und wir finden eine Lösung, mit der wir beide zufrieden sind“, fuhr er erbarmungslos fort. „Das ist die einzige Möglichkeit für dich, deine Scheidung zu bekommen.“

Ohne einen weiteren Kommentar legte er auf und rief etwas. Prompt trat die Brünette wieder in den Konferenzraum. Lasziv knöpfte sie ihr Kleid auf und kam aufreizend auf ihn zu geschritten.

2. KAPITEL

„Victoria, hältst du das wirklich für klug? Du musst nicht vor deinem Ehemann zu Kreuze kriechen. Und schon gar nicht meinetwegen!“

Vor Sorge überschlug sich Carolines Stimme beinahe. Victoria hielt im Packen inne und sah ihre langjährige und beste Freundin an. Vor Jahren hatten sie sich an der Universität kennengelernt, aber Caroline hatte ihr Studium abgebrochen, als sie schwanger wurde.

Als der Kindsvater sich aus dem Staub gemacht hatte, war Victoria für ihre Freundin da gewesen, ebenso wie in den langen Stunden der Geburt.

Und Caroline hatte sich revanchiert, als Victorias Ehe in die Brüche ging und sie es morgens kaum aus dem Bett schaffte. Sie hatten zusammen gelacht und geweint.

Dann hatte Victoria ihren Cateringservice eröffnet, und als er florierte, brauchte sie eine kompetente Hilfe. Caroline war perfekt. Als alleinerziehende Mutter benötigte sie dringend eine Arbeitsstelle mit einer flexiblen Arbeitgeberin, und sie war eine begnadete Köchin. Also waren sie auch beruflich ein eingespieltes Team geworden. Mit Caroline zusammenzuarbeiten bedeutete für Victoria ein großes Vergnügen. Ganz gleich, wie viel Stress herrschte, auf Caroline war immer Verlass. Und wenn es hart auf hart kam, nahm sie ihren kleinen Sohn mit zur Arbeit.

Energisch faltete Victoria ein weiteres T-Shirt zusammen und legte es in die handliche Reisetasche. „Erstens krieche ich vor niemandem zu Kreuze. Ich habe ein Recht auf eine Abfindung, und ich werde sie bekommen. Zweitens tue ich es nicht für dich. Das hört sich an, als wärst du auf meine Barmherzigkeit angewiesen. Meine Firma schuldet dir Geld, und ich will verdammt sein, wenn du es nicht bekommst. Und schließlich hast du auch noch ein Kind, für das du sorgen musst.“

„Da hast du recht. Aber ich kann es nicht ertragen, dich so leiden zu sehen wie in der letzten Woche. Irgendwie komme ich schon zurecht.“

„Das wäre aber nicht richtig.“ Victoria schloss die kleine Reisetasche. „Außerdem ist dieser Schritt längst überfällig. Diese Ehe ist seit einer Ewigkeit vorbei. Ich hätte vor Jahren schon einen Schlussstrich ziehen müssen. Wie albern, sieben Jahre damit zu warten.“ Sie seufzte. „Wenn es darum geht, mich mit Alexei und der Vergangenheit zu konfrontieren, bin ich ein erbärmlicher Feigling. Es ist wirklich albern, aber ich kann nicht aus meiner Haut.“

„Das überrascht mich nicht. Er hat sich wie ein Schuft benommen. Anders kann ich es leider nicht ausdrücken. Ich habe nie begriffen, wie du ihn jemals hast heiraten können.“ Doch dann schnitt Caroline eine Grimasse und zwinkerte Victoria zu. „Oder vielleicht doch.“

In stillem Einvernehmen trafen sich ihre Blicke. Beide wussten, warum Victoria ihn geheiratet hatte.

Welche Frau auf der ganzen Welt hätte Alexei Christou widerstehen können, wenn er sich in den Kopf gesetzt hatte, sie zu erobern? Er sah so unglaublich gut aus und konnte so unendlich charmant und witzig sein. So wie er ihr damals den Hof gemacht hatte, war sie noch nie von jemandem umworben worden. Und alles hatte sich so richtig angefühlt. Hals über Kopf verliebten sie sich ineinander. Konnte man ihr das zum Vorwurf machen? Schließlich war Victoria nicht das erste junge Mädchen, dem so etwas passierte. Nur mündete so eine leidenschaftliche erste Liebe glücklicherweise nicht immer in einer törichten Ehe.

„Er ist einfach …“

„Verwöhnt!”, warf Caroline ein.

„Wenn du damit meinst, dass er immer bekommt, was er will, dann hast du wohl recht.“ Immer erreichte Alexei, was er sich vornahm. Als wäre er ein Liebling der Götter. Vom Glück verwöhnt. Doch mit verwöhnt wurden oft kleine Kinder betitelt, und Alexei war alles andere als ein unreifer Junge. Er war ein Mann. Unwillkürlich bekam Victoria bei diesem Gedanken eine Gänsehaut und biss sich auf die Unterlippe. „Er ist einfach einen ganz anderen Lebensstandard gewöhnt. Es wird Zeit, dass ich mich von ihm befreie.“

„Das hast du doch!“

Aber Victoria schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr seidenweiches blondes Haar flog. „Nicht wirklich. Solange ich mit ihm verheiratet bin, bin ich mit ihm verbunden, und sei es nur dem Namen nach. Ich möchte nicht an Vergangenem kleben. Das Leben geht weiter, und ich muss auch nach vorn sehen.“

Caroline reichte ihr eine Tube Sonnencreme und die Sonnenbrille, die sogleich in Victorias Kulturtasche verschwanden. „Und wie fühlst du dich, wenn du daran denkst, ihn wieder zu sehen?“

„Ganz ehrlich? Caroline, mir graut davor. Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde. Es wäre mir lieber, unsere Anwälte würden die ganze Angelegenheit für uns klären. Aber da es offenbar nicht auf dem einfachen Weg geht, muss ich das Beste daraus machen“, antwortete Victoria. „Komm, jetzt mache ich uns einen Tee. Den haben wir uns wirklich verdient.“ Sie hakte Caroline unter und führte sie in die Küche. „Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich schaffe das schon irgendwie. Er ist schließlich auch nur ein Mensch, und ich gehe davon aus, dass er an dieser Scheidung ebenso viel Interesse hat wie ich. Was hat er schließlich davon, nach Jahren noch an eine abwesende Ehefrau gebunden zu sein?“ Sie goss Tee ein und stellte eine Schüssel Kekse auf den Tisch. Was für ein Glück, Caroline als Freundin zu haben, dachte sie dankbar. Denn Caroline kannte Alexei und konnte Victoria immer wieder den Kopf zurechtrücken, wenn diese ihn einmal zu sehr durch die rosarote Brille sah. Außerdem war Caroline so erfrischend praktisch. Victoria lächelte ihrer Freundin über den Tisch zu, und dann hoben sie verschwörerisch die Teetassen.

Erschöpft und entsetzlich aufgeregt bestieg Victoria am nächsten Morgen das Flugzeug nach Griechenland. Weil ihr gesamtes Gepäck als Handgepäck durchgegangen war, hatte sie nicht zum Einchecken an den Schalter gemusst. Kaum saß sie auf ihrem Sitz und der Flieger hob ab, schweiften ihre Gedanken ab. Ihr fiel auf, wie sehr sich dieser Economy-Flug von ihren früheren Reisen nach Griechenland an Bord der ersten Klasse unterschied.

Diesmal war sie von jungen Rucksacktouristen umgeben, die ihre Reiserouten miteinander verglichen und lauthals schwatzten. Früher war sie im Familienjet der Christous gereist, der vor Komfort nur so strotzte. Sie hatten Champagner serviert bekommen, und die Plätze waren ungleich bequemer gewesen. Wenn man die Sitze ausgeklappt hatte, konnte man beinahe wie in einem Bett darauf schlafen. Doch bereits damals hatte sie die unvermeidliche Tragödie geahnt. Eine arme Engländerin, blutjung und unerfahren, passte einfach nicht in die gesellschaftlichen Kreise der Christous. Zwei vollkommen verschiedene Welten prallten in dieser Beziehung aufeinander. Alexei, der reiche Unternehmenssprössling, der sich alles leisten konnte, was er sich wünschte, in der High Society verkehrte und die beste Ausbildung erhalten hatte, und Victoria, die hart arbeitende junge Frau aus bürgerlichem Hause, ein gesellschaftliches Nichts mit kaum nennenswertem Bankkonto. Warum zum Teufel hatte er gerade sie zu seiner Braut auserkoren?

Das hatte nicht nur die Leute beschäftigt, auch Victoria selbst hatte es sich wieder und wieder gefragt. Damals hatte sie beim Aussteigen aus dem Jet selbstbewusst ihr Kleid glatt gestrichen und dennoch mit bitterem Gefühl an die mahnenden Worte ihrer Mutter denken müssen: Kleider machen Leute. Stimmte das? Hatte sie auch nur annähernd gut genug für ihren griechischen Millionär ausgesehen?

Einfühlsam hatte er ihr Kinn angehoben und ihr tief in die Augen geblickt. „Lass dich nicht von meinem Reichtum einschüchtern, agape mou.“

Damals war seine Energie auf sie übergegangen, und Victoria hatte sich mit einem Mal ebenso stark gefühlt wie er. Zusammen mit ihm konnte sie alles meistern, alle Hindernisse überwinden. „Dein Geld interessiert mich nicht“, hatte sie leidenschaftlich erklärt. „Ich würde dich ebenso lieben, wenn du arm wie eine Kirchenmaus wärst.“ Woraufhin er sie stürmisch küsste.

Vielleicht wäre es klüger gewesen zuzugeben, dass die Menschen um sie herum ihr Angst einjagten. Es war nicht einfach, wenn alle mehr oder weniger offen spekulierten, wie lange eine so ungleiche Ehe wohl dauern würde. Ganz gleich, wer von seinen Freunden und Bekannten ihr vorgestellt wurde, immer sah sie denselben abwägenden Blick. Damals hatte Victoria sich angewöhnt, sich mit den Augen der anderen zu sehen: die junge arme Ausländerin, die sich den reichen Erben geschnappt hat. Eine alte Geschichte. Zwar waren ihr die meisten Menschen sehr höflich entgegengetreten, doch bei keinem hatte sie wirkliche ehrliche Sympathie gespürt. Keinem dieser Menschen hätte sie sich anvertrauen mögen, und schon gar nicht wollte sie mit einem von ihnen befreundet sein. Ob es etwas geändert hätte, wenn sie sich Alexei damals anvertraut hätte? Vielleicht hätte sie ihn an ihren Gefühlen und Ängsten teilhaben lassen sollen, anstatt auf ihren Stolz zu hören? Hätte er sie dann unterstützt und ihr geholfen, Freunde zu finden, sich in der neuen Heimat einzuleben und irgendwann wohlzufühlen?

Victoria öffnete ihre Colaflasche. Hör auf damit, ermahnte sie sich. Was geschehen ist, ist geschehen. Es war müßig, endlos zu spekulieren, was hätte sein können. Und ihre Ehe war die Hölle gewesen. Deshalb musste sie vernünftig sein. Nur ein einziger Gedanke sollte sie auf dieser Reise beseelen: dass sie ihrer Ehe ein Ende bereiten musste, je früher desto besser.

Benommen starrte sie aus dem Fenster, als sie über die unglaublich blaue Ägäis und schließlich über die Wolkenkratzer Athens flogen. Die meisten Menschen empfanden Athen einfach nur als laut und schmutzig. Ständig pulsierte die Metropole vor trubelndem Leben. Durch die staubigen Straßen drängten sich Menschenmengen und lauter Autoverkehr. Doch Victoria kannte ein anderes, ein geheimes Athen, das ihr Alexei damals gezeigt hatte – Orte, an die sich Touristen selten verirrten.

Winzige romantische Parks hatte er ihr gezeigt, in denen sie ungestört Hand in Hand dahingeschlendert waren. Oder sie in romantische kleine Familienrestaurants geführt, in denen ihnen schlichte, aber wunderbar köstliche Gaumenfreuden serviert worden waren. Einmal hatten sie sogar barfuß in einer Straßendiskothek getanzt. In Alexeis Gegenwart war ihr alles immer so einfach und schön erschienen. Zusammen waren sie so ungeheuer stark gewesen. Ein gutes Team. Bis er sich auf seine Firma konzentriert hatte …

Wieder einmal wurde sie ihrem Vorsatz, nicht in Erinnerungen zu schwelgen, untreu. Erst die Landung des Flugzeugs brachte sie unsanft in die Realität zurück. In England wäre es einfacher gewesen, der Vergangenheit zu entfliehen. Dort hätte sie ihn einfach zu einer Unterhaltung treffen und danach wieder ihren Alltag aufnehmen können. In ihrer Lebenswelt wäre es einfach gewesen, sich lediglich auf die derzeit relevanten Fakten zu konzentrieren. Hier jedoch wurde alles mit einem Mal wieder lebendig: die Düfte, das Licht, die Geräusche, alles war so vertraut und erweckte unwillkürlich eine Flut an Bildern aus der Vergangenheit vor ihrem inneren Auge. Energisch schob sie sie beiseite. Sie musste nun an anderes denken.

Mit ihrer Reisetasche in der Hand trat sie in die Hitze Athens. Obwohl es erst Juni war, legte sich die Sonne sogleich warm auf ihre blasse Haut. Als Victoria ins Taxi stieg, klebte das Kleid bereits an ihrem Leib. Hupend bahnte sich das Taxi seinen Weg durch die Innenstadt. Victoria dachte an Athene, die Göttin, die der Legende nach den Olivenbaum geschaffen hatte, und an ihren Tempel, den Parthenon. Wie schön wäre es, jetzt als Touristin hier zu sein, anstatt sich einem unangenehmen Scheidungsgespräch mit dem Exmann stellen zu müssen.

Viel zu schnell hielt der Wagen vor dem gläsernen Hauptsitz des Christou-Unternehmens. In ihrer Nervosität gab Victoria dem Fahrer ein extrem hohes Trinkgeld. Bevor sie ausstieg und ins klimatisierte Foyer trat, wischte sie sich die Handflächen an ihrem Kleid ab.

Die Brünette am Empfang starrte sie an, als wäre sie von einem anderen Stern. Auf Griechisch ratterte sie ihre üblichen Floskeln herunter, bis Victoria die Stirn runzelte und die junge Frau ihre Litanei in fließendem Englisch wiederholte.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?”, fragte sie in einem Ton, der deutlich machte, dass sie davon ausging, Victoria hätte sich im Gebäude geirrt.

„Ich möchte Kyrios Christou sprechen“, erklärte Victoria und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen.

„Kyrios Christou?“ Die Brünette hob fragend eine ihrer makellos gezupften Augenbrauen.

„Ne“, kramte Victoria ihre verschütteten Griechischkenntnisse hervor.

„Wie ist Ihr Name?“

„Victoria Christou.“ Sie zwang sich, die unfreundliche Brünette anzulächeln.

„Oh?“ Überrascht musterte die Frau sie von oben bis unten, und Victoria wurde sich ihres zerknitterten Kleides und des sicherlich erschöpften Gesichts bewusst.

„Christou?”, fragte die Empfangsdame noch einmal.

„Genau.“ Mittlerweile machte ihr die Unterhaltung beinahe Spaß. „Ich bin seine Frau. Ich denke, er erwartet mich, auch wenn ich keine Uhrzeit angegeben habe. Flugzeuge sind heutzutage ja selten pünktlich.“

„Er erwartet Sie?”, fragte die Brünette.

Konnte Alexei sich keine qualifiziertere Empfangsdame leisten? Legte er mehr Wert auf die Optik als auf die Intelligenz? Oder war es hier üblich, Besucher durch derartige Unhöflichkeiten abzuschrecken?

Zugegeben, Victoria war nicht besonders vornehm gekleidet. Ihre Finanzen ließen Designerkleider nicht zu. Dennoch konnte sie unmöglich so schlecht aussehen, dass sie ein solches Verhalten rechtfertigte.

„Vielleicht sollten Sie ihm Bescheid geben, dass ich hier bin“, schlug sie kühl vor und hielt dem Blick der anderen unbeirrt stand.

Die Brünette lachte kurz auf. „Mit dem allergrößten Vergnügen.“ Das Lächeln verschwand jedoch augenblicklich von ihrem Gesicht, als sie offensichtlich die Anweisung erhielt, Victoria nach oben zu schicken.

Erst im Aufzug kehrte Victorias Nervosität zurück. In dem verspiegelten Lift sah sie, wie sehr die Reise sie doch mitgenommen hatte. Vielleicht war die Reaktion der Brünetten doch verständlich. Aber sie war nicht hier, um irgendjemanden zu beeindrucken. Dennoch waren ihr Stolz und ihr Ehrgeiz plötzlich geweckt. Victoria wollte, dass Alexei sie immer noch wunderschön fand. Sie wollte gut aussehen.

Rasch wischte sie sich den Schweiß aus dem Gesicht und zupfte sich das Haar zurecht. Für Lippenstift reichte die Zeit nicht, denn just in diesem Moment hielt der Aufzug.

Ein Assistent begrüßte sie höflich und führte sie an einer Reihe Büros vorbei in einen Konferenzraum. Dort stand er – mit dem Rücken zu ihr – und sah aus dem Fenster. Der Mann, dem sie ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte. Der Mann, der ihr Liebe geschworen und ihr dann das Herz gebrochen hatte. Der Mann, den sie geheiratet hatte.

Alexei Christou.

Trotz der getönten Scheiben glänzte das Licht in seinem Haar, das er einen Hauch zu lang trug, wodurch er eher einem Banditen glich als einem schwerreichen Unternehmer. Ein Mann, von dem reiche Frauen träumten …

Und arme.

Victoria erstarrte, als er sich zu ihr herumdrehte. Sie betete, dass ihr Körper und ihr Gesicht nichts von ihren wahren Gefühlen preisgaben. Wie sollte sie sich benehmen? Vor sieben Jahren war er der Mann ihrer Träume gewesen. Heute symbolisierte er Reue und Verlust.

Ohne Frage hatte Alexei sein dunkles Vermächtnis in ihrem Leben hinterlassen. Kein anderer Mann hatte ihm das Wasser reichen können. Kein Verehrer hatte dem Vergleich mit ihm standgehalten. Als sie ihn jetzt jedoch ansah, über die Distanz des Raumes hinweg, empfand sie keinen Hass. Im Gegenteil: In ihr breitete sich ein Gefühl aus, auf das sie gut und gern verzichten wollte.

War es Begehren, das auf einmal ihr Blut in den Ohren rauschen und ihr Herz rasen ließ? Victoria wurde schwindelig. Sie sah nur noch sein schönes arrogantes Gesicht vor sich. Früher hatten diese dunklen sinnlichen Augen sie voller Liebe angesehen. Nun aber sahen sie sie abschätzend an.

Alexei, flüsterte sie tonlos. Aber kein Wort kam über ihre Lippen.

Warum war sie nur zurückgekehrt? Warum tat sie sich das an? Die Vergangenheit war wieder so lebendig, als hätte sie nie aufgehört zu existieren. Und gleichzeitig spürte sie die undurchdringliche harte Mauer seiner Ablehnung, den Zorn und die Abwehr in seinem Blick. Die widerstreitenden Gefühle in ihrer Brust waren unerträglich. Aber manchmal hatte man eben keine Wahl, wenn die Vergangenheit einen mit aller Macht in ihren Bann zurückzieht. Wie sollte sie sich dagegen wehren, wie dem Strudel entgehen, der sie bereits gefangen hielt?

3. KAPITEL

Als Alexei und Victoria sich zum ersten Mal begegneten, war sie gerade neunzehn, arbeitete für einen Hungerlohn im Catering-Service und hielt sich mit Nebenjobs über Wasser. Während viele Mädchen in ihrem Alter sich auf Partys amüsierten und flirteten, lernte sie, Antipasti und Häppchen zuzubereiten, mixte Cocktails und kreierte Salatdressings.

Ihr Catering-Team hatte nur aus einer kleinen Belegschaft bestanden. War jemand krank, übernahm ein anderer. Gelegentlich war sie auch als Kellnerin eingesprungen. Mit einem Tablett voller Köstlichkeiten und Gläsern schritt sie dann in einer Uniform von einer Gruppe reicher Leute zur nächsten und musste höflich ihre Gourmetspeisen anbieten. Das war ein Knochenjob gewesen, doch es hatte ihr Spaß gemacht, besonders wenn sie sah, wie den Gästen ihre Kreationen schmeckten.

In der Nacht, in der sie Alexei kennengelernt hatte, war ihr nicht einmal bewusst gewesen, zu welchem Anlass die Party gegeben worden war oder wer die Gäste waren. Für sie war es nur ein weiterer Job. In dem glamourösen Londoner Haus am St. James Park hatten sich die Reichen und Schönen der High Society versammelt. Die Frauen mit funkelnden Juwelen und in atemberaubenden Kleidern. Sie hatten sich gepflegt unterhalten und formvollendet an ihren Kristallgläsern genippt. Wohingegen die Männer weltgewandt von ihren wichtigen Positionen gesprochen hatten. Ihre teuren Anzüge waren maßgeschneidert, und man hätte meinen können, die ganze Gesellschaft wäre einem eleganten Modemagazin entsprungen.

Weil Victoria so damit beschäftigt gewesen war, Champagner auszuschenken und Höflichkeiten zu murmeln, hatte sie den exotisch aussehenden Mann mit dem glänzend schwarzen Haar lange gar nicht bemerkt.

Zur Belohnung für seinen bravourösen Harvard-Abschluss war Alexei von seinem Vater auf eine Weltreise geschickt worden und hatte Paris, Mailand und Madrid sowie Prag und Berlin besucht. Nun wollte er nur noch nach Hause.

Wann genau die Kellnerin einen solchen Eindruck bei ihm hinterließ, wann sich Emotionen und Begehren zu jener unwiderstehlichen Mischung vereinten, konnte er nicht sagen. Im Grunde war Victoria gar nicht sein Typ. Eigentlich mochte er dunkelhaarige Frauen, und sie war hellblond. Doch trotz ihrer altmodischen Uniform und den schweren Tabletts bewegte sie sich mit einer einzigartigen bezaubernden Grazie.

Fasziniert hatte er beobachtet, wie sie sich ihren Weg durch die Menge bahnte und ihr mit Köstlichkeiten und Gläsern beladenes Tablett wie in einem lautlosen, ganz eigenen Tanz balancierte. Alexei war überzeugt, dass jeder Mann im Saal sie begehren musste, und dies hatte sein eigenes Verlangen nach ihr noch geschürt, obgleich er doch jede Frau haben konnte, nach der ihm der Sinn stand. Irgendetwas an ihr war anders.

Komm her, beschwor er sie in Gedanken. Und wie durch Zauberkraft schlug sie tatsächlich seine Richtung ein.

Hatte sein intensiver Blick sie dazu bewogen, aufzusehen und sich Alexei zu nähern? Ihre Blicke hielten einander einen Moment länger als notwendig gefangen.

Victoria errötete, als hätte noch kein Mann sie derart angesehen. Und so war es ja auch. Nicht so, dass ihr der Atem stockte und die Knie weich wurden.

Aber natürlich hatte sie sich abgewandt, weil sie längst akzeptierte, dass ihre romantischen Vorstellungen überspannt und unrealistisch waren.

Diese Reaktion und der Anblick von Victorias blondem Haar, aufgesteckt über einem wunderschönen Nacken, weckten ein unsägliches Begehren in Alexei.

Er wartete auf sie. Irgendwann musste sie schließlich auch an ihm vorbeikommen, um ihm ein volles Glas zu reichen. Und seine Geduld wurde belohnt.

Ihr Gesicht war erhitzt, als sie schließlich vor ihm stand.

„Endlich“, murmelte er.

„Ein Canapé, Sir?“

Doch er schob das Tablett ärgerlich fort. „Wann haben Sie Feierabend?“, fragte er stattdessen.

„Das ist eine unverschämte Frage, Sir.“

„Ich bin ein unverschämter Mann“, raunte er und lächelte sein einnehmendes Lächeln. „Macht es einen Unterschied, wenn ich verspreche, mich tadellos zu benehmen und Sie vor Mitternacht zu Hause abzuliefern?“

Victoria zögerte. Der Mann sah so eindeutig nach Ärger aus. Und dennoch … Sie konnte nicht widerstehen.

„Um neun“, antwortete sie kühl, machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich den nächsten Gästen zu. Keinen Augenblick hatte sie daran geglaubt, dass er wirklich auf sie warten würde. Wahrscheinlich wollte er nur seinen Spaß mit einer kleinen Kellnerin treiben.

Um Punkt neun jedoch stand er in einem eleganten Mantel vor dem Personaleingang.

„Wollen wir etwas essen gehen?”, schlug er vor. „Oder verdirbt Ihnen Ihre Tätigkeit im Gastronomiegewerbe den Appetit am Essen?“

Das war eine aufmerksame Frage, die für ihn sprach. So viel Einfühlungsvermögen hatte sie einem Mann wie ihm gar nicht zugetraut. „Manchmal. Aber ich bin sowieso nicht hungrig.“

„Ich auch nicht.“ Jedenfalls nicht auf Essen. Doch man konnte einer Frau, deren Namen man nicht einmal kannte, schlecht ins Gesicht sagen, dass man allein Appetit auf sie hatte.

Es war alles andere als eine standesgemäße Romanze, jedenfalls nicht von Alexeis Seite. Victoria war Engländerin, arm und durchschnittlich gebildet. Aber sie war sehr schön, und sie war Jungfrau. Diese Erkenntnis brachte eine gewisse Verantwortung mit sich. Zu seinem eigenen Missfallen erkannte er, dass sich sein Gewissen regte. Er konnte sie nicht einfach verführen und dann sitzen lassen. Allerdings wies sie keine der Qualitäten auf, die er an einer Partnerin schätzte. Wichtiger noch: Er war nicht einmal auf der Suche nach einer ernsthaften Beziehung!

Doch Alexei hatte nicht mit der Liebe gerechnet. Er, auf dessen Prioritätenliste Gefühle erst sehr weit unten standen, versuchte, seine wachsende Zuneigung für Victoria zu ignorieren – bis seine Ausreden selbst in seinen Ohren hohl klangen.

Mit Haut und Haaren hatte er sich verliebt, daran gab es keinen Zweifel. Diese alles verzehrende Leidenschaft war ihm völlig neu. Und er war ihr so erlegen, dass er nicht dagegen ankämpfte. Er konnte es einfach nicht.

Eines Nachts barg er sein Gesicht in ihrem duftenden Haar, während sie sich an ihn presste und ihre Münder sich nur widerwillig trennten.

Alexei wusste, dass sie ihn ebenso begehrte wie er sie, und er wusste, was er ihr vorher sagen musste.

„Ich liebe dich, Victoria, agape mou.“

Obwohl Victorias Herz augenblicklich höher schlug, hatte sie die Stirn gerunzelt. „Das brauchst du nicht zu sagen, nur weil du mit mir schlafen willst. Ich schlafe sowieso mit dir.“

„Wirklich?”, murmelte er.

„Das weißt du doch genau.“

Er küsste sie zärtlich. „Wenn das so ist … Dann lasse ich dich vielleicht noch ein wenig warten.“

„Warten?“ Ganz eng schmiegte sie sich an ihn und fing an, seinen Körper zu erforschen. Es hatte ihr so gutgetan, dass er ihr die Zeit ließ, die sie brauchte. „Worauf warten?“

„Bis du meine Frau bist“, erklärte er ein wenig unsicher, woraufhin Victoria ihn ungläubig und doch voller Hoffnung anstarrte. Erst im Nachhinein erinnerte sie sich, dass er nicht wirklich um ihre Hand angehalten hatte und das Wort Frau recht besitzergreifend betont hatte. Doch in diesem Moment war sie zu verliebt, um sich darum Gedanken zu machen.

„Deine Frau?“

Weil er so voller Gefühl für sie war, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. „Ja, wir müssen“, beteuerte er schlicht. „Es ist selten, dass zwei Menschen so füreinander empfinden wie wir. Ich bin davon überzeugt, dass wir füreinander bestimmt sind.“

Seine Eltern sahen das anders. Sie versuchten, die Heirat zu verhindern. Doch obwohl sie ihn sofort nach Griechenland riefen, kam er ihren Aufforderungen nicht nach. Er ignorierte einfach all ihre Ermahnungen. Auch Victorias Mutter war gegen die Verbindung. Voller Stolz hatte Victoria ihren Liebsten vorgeführt. Alles lief prima. Doch dann war Alexei gegangen, um Champagner zum Anstoßen zu besorgen. Kaum war er aus der Tür, ging Victorias Mutter mit ihrer Tochter ins Gericht, und prompt brach Victoria in Tränen aus.

„Aber ich liebe ihn, Mum!“

„Ich weiß, mein Liebling. Und ich bin sicher, er liebt dich auch. Es ist nur zu früh. Ihr seid noch so jung und so unterschiedlich, und eine Ehe ist schon so schwierig genug. Ich möchte doch nur, dass du diesen Schritt später nicht bereust.“

„Ist es, weil Dad dich verlassen hat?”, fragte Victoria.

„Mit Dad und mir hat das nichts zu tun. Ich will euch eure Liebe ja auch gar nicht verbieten. Ich wünschte einfach, ihr würdet noch etwas warten“, erklärte ihre Mutter.

Doch sie warteten nicht. Heimlich, ohne Aufheben und ohne dabei auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wen sie kränkten, heirateten sie. Im Endeffekt schadeten sie damit einander am meisten.

Alexei brachte seine junge Braut mit nach Hause. Nach Athen. Zu seiner Familie, in die Familienvilla.

Victoria versuchte, großzügig zu sein. Immer wieder sagte sie sich, dass die Christous nicht absichtlich abweisend zu ihr seien. Und doch fühlte sie sich nicht willkommen.

Da Alexei ursprünglich keine Heiratspläne gehabt hatte, waren natürlich auch keine Vorkehrungen getroffen worden, wo das junge Paar leben sollte. Als ungebetener Gast der Familie musste Victoria um alles bitten. Es fiel ihr schwer, bei Tisch unter den Augen der strengen Mutter zu essen, zu festgelegten Zeiten mit der Familie Kaffee oder Tee zu trinken und dabei Konversation zu betreiben. Ihr Zimmerchen in England hatte mehr Privatsphäre geboten als das Zusammenleben im Haus mit Alexeis Eltern und Geschwistern sowie einer Schar säuerlicher Bediensteter. Was sie über sie dachten, über das blasse blonde Mädchen, das kaum ein Wort Griechisch verstand, konnte Victoria sich nur zu gut vorstellen.

„Können wir nicht eine eigene Wohnung mieten?”, bat sie Alexei vorsichtig.

Doch aus Stolz verschwieg er ihr, dass sein Vater ihm den Erbteil verweigerte, bevor er nicht bewies, dass er ihn sich verdienen konnte.

„Sie haben mich in den vergangenen vier Jahren kaum zu Gesicht bekommen“, wich er zwischen Küssen aus. „Es wäre besser, wenn wir ein bisschen hier blieben. Die Familie wird dir die Sicherheit geben, die du in einem fremden Land brauchst.“

In einem fremden Land. Dieses fremde Land sollte ihre neue Heimat sein. Das klang so ernst und bedeutsam, und vor diesem Hintergrund wog ihre Eheschließung so schwer.

Schon bei der ersten Begegnung mit der Familie hatte Victoria gewusst, dass es kein gutes Ende nehmen würde. Stolz hatte Alexei sie ins elegante Wohnzimmer der Villa geführt, in dem sie sich mehreren kritischen Augenpaaren gegenüber fand.

„Meine Mutter, mein Vater und meine Schwestern.“

„K…Kalimera“, hatte Victoria gestammelt.

Kalispera“, hatte Alexeis jüngere Schwester Elena sie kichernd korrigiert.

Seine Mutter war absolut Furcht einflößend, und fast hätte Victoria einen Knicks vor ihr gemacht. Eine wahrhafte Matrone mit Ehrfurcht gebietender Autorität. Sein Vater hatte kaum genickt. Dunkel und brütend lag sein Blick auf ihr.

„Wie entzückend, Sie kennenzulernen, Victoria“, begrüßte die Mutter sie kühl mit ihrem leichten Akzent und ließ dann einen Wortschwall auf Griechisch los, der ihrem Sohn galt. Auch ohne die Sprache zu verstehen, war ihr Entsetzen deutlich erkennbar. Damals konnte Victoria sich nicht vorstellen, weshalb die Dame so ungemein aufgebracht war. Stumm und mit klopfendem Herzen beobachtete sie, was um sie geschah.

Mit zornigem Gesicht hatte Alexei ebenso heftig geantwortet. Die Folge war eine hitzige Diskussion, und erst später, in ihrem gemeinsamen Zimmer, konnte Victoria ihn fragen, was seine Mutter so erzürnt hatte.

Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Dass seine Mutter ihm vorgeworfen hatte, er würde seine Jugend für eine unpassende übereilte Ehe mit einer Frau wegwerfen, die er kaum kannte und die nicht einmal seine Sprache verstand?

Alexei sah in Victorias sorgenvolle blaue Augen und schloss sie in die Arme. Wozu Zwietracht säen? Mit der Zeit würden die beiden Frauen, die er am meisten liebte, einander schätzen lernen. Diese Hoffnung nährte er in seinem Herzen. Ganz fest vertraute er darauf, dass alle Missverständnisse sich lösen ließen und sie alle zusammen glücklich in der Villa leben könnten.

„Komm her“, flüsterte er also stattdessen. „Ich will dich lieben …“

Und als sie in seinen Armen lag, war nichts mehr von Bedeutung.

Doch die Flitterwochen konnten nicht ewig dauern. Alexei musste mit seinem Vater in das riesige Christou-Gebäude zur Arbeit gehen. In seinem Bemühen, sich als würdiger Nachfolger zu erweisen, machte er unzählige Überstunden, kam immer als Erster ins Büro und ging als Letzter.

Währenddessen versuchte Victoria, sich einzufügen. Sie suchte sich einen Griechischlehrer und bemühte sich, Alexeis Mutter zu gefallen.

Aber das war nicht leicht.

Das Einzige, was sie wirklich gut konnte, war kochen. Aber natürlich hatten die Christous eine Köchin. Einmal bot sie enthusiastisch an, für die ganze Familie etwas Besonderes zu kreieren. Höflich, aber bestimmt lehnte Alexeis Mutter ihr Angebot ab. Danach traute Victoria sich nicht mehr, etwas zum Familienleben beizutragen.

Ihre Tage waren leer und langweilig. Dass Alexei sich beinahe ausschließlich der Arbeit widmete, erschwerte es Victoria ungemein, neue Freundschaften zu schließen. Instinktiv wusste sie, dass die Christous es nicht gern gesehen hätten, wenn sie sich einer britischen Gemeinschaft anschloss. Schließlich erwartete man von ihr, dass sie sich in die griechische Gesellschaft einfügte.

Eines Abends kam Alexei aus dem Büro und teilte ihr mit, dass er nach New York fliegen würde. Begeistert klatschte sie daraufhin in die Hände. Endlich würden sie einmal wieder Zeit miteinander verbringen. Beinahe hätte sie vor Glück und Erleichterung geweint.

„Wunderbar! Ich war noch nie in Amerika.“

Doch Alexeis Blick verdunkelte sich. „Du hast mich falsch verstanden. Ich begleite meinen Vater, Victoria mou. Es ist eine Geschäftsreise.“

Aus der Art, wie er seine Worte betonte, hörte Victoria bereits die Antwort auf ihre Frage heraus. „Für deine Frau ist da kein Platz?“

„Es ist ein Männergeschäft.“ Dann appellierte er an ihre Vernunft. Sicherlich hätte sie Verständnis dafür, dass es sich sozusagen um seine Ausbildung handelte. Als er ihre Enttäuschung bemerkte, fügte er weicher hinzu: „Ich sollte mich ein wenig mit meinem Vater zusammentun. Er wird alt und möchte mir noch einiges beibringen, bevor er sich in den Ruhestand begibt und mir das Steuer überreicht. Das kannst du doch sicher verstehen.“

Victoria wollte verständnisvoll sein. Sie wollte Alexei eine gute Frau sein. Und wenn er unbedingt mit seinem Vater in die Staaten reisen wollte, konnte sie ihn doch großzügig gehen lassen, oder? Später fände Alexei sicher auch einmal die Zeit, mit ihr eine Reise zu unternehmen. Doch all ihren Versuchen, sich zurückzunehmen und Verständnis für ihren Mann aufzubringen, zum Trotz war sie fürchterlich enttäuscht und fühlte sich gekränkt und vernachlässigt.

Im Nachhinein fragte sie sich, ob die Reise von Alexeis Eltern vielleicht sogar geplant worden war, um sie und Alexei voneinander zu entfremden und die Ehe zu entzweien.

Irgendwann erkannte Victoria, dass ihre Ehe ins Leere lief. Die Reise dehnte sich aus, bis die Abwesenheit der Männer fast ein Dauerzustand geworden war. Immer widerwilliger wechselten Alexeis Mutter und Schwestern ins Englische, wenn Victoria den Raum betrat. So mied sie die Familie mehr und mehr und zog sich noch weiter zurück.

In der luxuriösen Villa der Christous gab es nichts zu tun, als Ehefrau zu sein. Nur der Ehemann fehlte. Victoria fühlte sich einsam und verlassen.

Jedes Mal, wenn Alexei heimkehrte, war er ihr fremder, wurde ihr Umgang miteinander distanzierter. Ihr eigener Mann, mit dem sie kaum ein paar Monate verheiratet war, wurde ihr fremd.

Und als er ihr schließlich mitteilte, dass er mit seinem Vater in den Nahen Osten reise wollte, war Victoria nicht einmal mehr überrascht. Sie war auch nicht enttäuscht. Längst war ihrer verzweifelten Enttäuschung eine lähmende Gleichgültigkeit gefolgt. Müde nahm sie alles hin.

Gleichzeitig wusste sie, dass sie verrückt werden würde, wenn sie immer nur auf Alexei wartete. Deshalb kam ihr die Idee, selbst eine Reise zu unternehmen. Das würde ihr helfen, die Dinge in einem anderen Licht zu sehen und wieder zu sich selbst zu finden.

„Ich möchte für eine Weile heimreisen“, erklärte sie Alexeis Mutter eines Morgens.

„Aber hier ist dein Zuhause!“, rief Kyria Christou und runzelte missbilligend die aristokratische Stirn. „Und was ist mit Alexei? Willst du behaupten, er billigt deinen Entschluss?“

„Natürlich!“ Doch Alexei reagierte verstimmt auf ihre Pläne. Allerdings stand es ihm auch nicht zu, sie zu maßregeln, wenn er sich selbst doch am anderen Ende der Welt aufhielt.

Glücklich fuhr Victoria zu ihrer Mutter, deren Begrüßung leider alles andere als herzlich ausfiel. „Was ist nicht in Ordnung?“, fragte sie noch am Flughafen.

„Gar nichts! Wie kommst du denn darauf?“

„Keine junge Braut verlässt ihren Mann im ersten Ehejahr, wenn alles in Ordnung ist.“

„Ich habe ihn nicht verlassen“, stellte Victoria richtig. „Und überhaupt … er ist ja selbst im Ausland.“ Wie immer.

Wozu eine Beziehung verteidigen, der ihre Mutter von Anfang an nicht getraut und die vielleicht nie auf einem sicherem Fundament gestanden hatte? Also zog Victoria bei Caroline ein, die mittlerweile mit ihrem Kind in einem winzigen Apartment lebte.

Doch auf die Dauer war das auch keine Lösung. „Zu meiner Mutter möchte ich nicht zurück“, seufzte Victoria. „Sie macht mir das Leben zur Hölle.“

„Warum fliegst du nicht nach Hause?“

War sie in Athen wirklich zu Hause? „Weil Alexei nicht da ist und seine Mutter mich hasst. Ich bin einfach nicht gut genug für ihren kostbaren Sohn.“

„Welche Frau wäre das schon?”, fragte Caroline erschöpft. „Warum bleibst du nicht eine Weile bei meinem Cousin? Er hat gleich mehrere Zimmer frei.“

Jonathan Collet hatte wirklich Platz in seinem riesigen Apartment mit Blick auf den Londoner Hafen. Außerdem freute er sich über eine Untermieterin, die ihm bei der Miete half. „Aber nur, wenn du kochst“, lautete seine einzige Bedingung.

„Wenn’s nur das ist!“

Er war charmant und lustig, und Victoria wusste, dass ihn viele Frauen attraktiv fanden. Doch sie war immun gegen sein Äußeres. Außerdem liebte sie einen anderen und war zudem mit ihm verheiratet. Vielleicht sollte eine Frau nicht bei einem anderen Mann wohnen, wenn sie verheiratet war, ganz gleich wie unglücklich oder einsam sie in dieser Ehe war. Andererseits lebte sie im England des zwanzigsten Jahrhunderts.

Die Abstände zwischen ihren Telefonaten mit Alexei wurden immer größer. Bald sprachen sie nur noch einmal in der Woche miteinander. Tief in ihrem Inneren wusste sie natürlich, dass es so nicht weitergehen konnte.

Sie versuchte auch, Alexei zu erreichen, doch bei den Christous hob nie jemand ab. Sollte sie eine Nachricht hinterlassen? Aber was hätte sie sagen sollen?

Ihre Gedanken waren düster, und sie wusste, dass sie ihr Leben endlich wieder selbst in die Hand nehmen und sich ihren Problemen stellen musste. Gemeinsam mit Alexei. Denn es konnte nicht sein, dass sie die Einzige war, die etwas ändern wollte. Wie konnte er ihre Situation derart ignorieren? War er zufrieden? In schlimmen Momenten fragte sie sich, warum er überhaupt geheiratet hatte, wenn er nie mit seiner Frau zusammen sein wollte.

Sie entschloss sich, ihn zur Rede zu stellen und ihre Ehe zu retten. Zum Abschied wollte sie Jonathan überraschen.

An diesem Abend verwandte sie ihre ganze Energie darauf, ein köstliches Abendessen zu kochen, und als Jonathan heimkam, lächelte er strahlend.

„Wow!“ Genießerisch sog er den köstlichen Duft des Essens ein. „Womit habe ich denn das verdient?“

„Du warst der beste Mitbewohner, den ich mir wünschen konnte“, erklärte Victoria und reichte ihm ein Glas prickelnden Champagner.

„Das hört sich nach Abschied an.“

„Genau.“ Ganz deutlich sah Victoria die Enttäuschung in Jonathans Blick. Noch ein Problem, das sich durch ihre Abreise von allein lösen würde. Das Zusammenleben mit einem Mann, in den man nicht verliebt war, war sehr bequem. In einer rein platonischen Freundschaft zu einem Mann kann sich eine Frau entspannen und ganz sie selbst sein. Leider machte sie das in den Augen des Mannes oft umso begehrenswerter.

Warum musste das Leben nur so kompliziert sein?

Das italienische Risotto war köstlich, und dazu leerten sie die ganze Flasche Champagner, doch als Jonathan eine romantische Frank-Sinatra-CD auflegte, gähnte Victoria und entschied, dass sie nun besser ins Bett ging. So konnte sie Jonathan einen Korb geben, ohne ihn bloßzustellen und seinen Stolz zu kränken.

Nach einer Dusche schlüpfte sie in ihren leichten Kimono und machte sich noch eine Tasse Kräutertee, während ihr langes Haar offen an der Luft trocknete. Plötzlich klingelte es an der Tür.

„Wer kann das so spät noch sein?“, fragte Jonathan verwundert.

„Mein Röntgenblick funktioniert heute Abend nicht so gut“, neckte ihn Victoria. „Aber bleib ruhig sitzen. Ich mach schon auf.“

Als sie die Tür öffnete, wurde sie leichenblass und musste sich am Türrahmen festhalten. Vor ihr stand Alexei. Sein Blick wanderte über ihre Schulter hinweg zu Jonathan, der lässig auf der Couch lag.

Schlagartig erkannte Victoria, wie die Situation auf Alexei wirken musste. Der Champagner, Jonathans offenes Hemd, ihr Kimono …

„Alexei. Ich weiß, wie es für dich aussehen muss, aber …“

„Du kleine Schlampe“, zischte er ohne eine Begrüßung.

Die beiden Männer einander vorzustellen, war kaum angebracht. „Hier können wir nicht sprechen“, flüsterte sie und zeigte auf den Korridor. „Komm in mein Schlafzimmer.“

Doch das Wort Schlafzimmer stimmte Alexei nicht gerade freundlicher. Wutentbrannt folgte er ihr durch das Wohnzimmer und schlug hinter ihnen die Tür zu. Seine Hände zitterten.

„Wie konntest du …“

„Alexei, ich kann das erklären …“

„Wie kannst du mit einem anderen Mann schlafen?”, rief er, als er sich vorstellte, wie seine wunderschöne Frau in den Armen eines anderen Mannes lag.

„Ich hatte keinen Sex mit ihm!“, widersprach Victoria heftig.

Seine Lippen zitterten, und er fühlte sich, als hätte ihm jemand ein Messer ins Herz gestoßen. „Alles, nur das nicht, oder wie?“ Ein freudloses Lächeln verzerrte seine Lippen. „Hat er’s dir mit der Zunge besorgt, bis du gekommen bist – so wie ich?“

„Sei doch leise“, fuhr sie ihn an. Da klopfte es an der Tür.

„Victoria.“ Jonathan klang besorgt. „Alles in Ordnung?“

Wie Öl auf Feuer entfachte die männliche Stimme Alexeis Wut. In seinen Augen waren ihm Hörner aufgesetzt worden, und zwar von einem blassen höflichen Engländer. In zwei langen Schritten war er an der Tür und öffnete sie.

„Und was wäre, wenn nicht?”, fragte er gefährlich ruhig zurück.

Bitte sag nichts, Jonathan, betete Victoria still. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie sich der schmächtige Jonathan auf Alexei stürzte und natürlich den Kürzeren zog.

„Ich werde sie beschützen!“, schwor Jonathan.

„Wie ehrenwert“, spie Alexei ihm entgegen. „Erspar uns deine Ritterlichkeit, mein Freund. Solche halben Portionen wie dich zertrete ich ohne mit der Wimper zu zucken unter meinem Absatz. In deinem eigenen Interesse hältst du dich im Hintergrund. Du hast schließlich bekommen, was du wolltest.“ Aus jeder einzelnen Silbe troff Hass. „Du kannst sie haben. Jeder billige Teil ihres Körpers ist dein. Wie bei einer Hure.“

Dann musterte er Victoria ein letztes Mal, voller Abscheu. „Du bist eine Schlampe, eine ganz gewöhnliche Schlampe. Ich verfluche den Tag, an dem ich dich geheiratet habe.“

Die ganze Zeit über hatte sie Haltung bewahrt, doch kaum war Alexei aus der Wohnung gestürmt, brach Victoria zusammen. Unaufhaltsam strömten die Tränen über ihr Gesicht. All ihr Leid der vergangenen Monate mit Alexei, in denen er sie allein in der Fremde zurückgelassen hatte, und ihre Not brachen sich nun Bahn. Dann sein unmöglicher Auftritt. Natürlich fühlte sie sich ungerecht behandelt. Schließlich war er derjenige gewesen, der sie durch seine ständige Vernachlässigung zu diesem Schritt getrieben hatte. Wie konnte er es wagen, ihr so unfassbare Dinge vorzuwerfen und ihren Namen durch seine Unflätigkeiten zu beschmutzen? Wie kam er dazu, in einer fremden Wohnung vor einem fremden Menschen so ein Gebaren an den Tag zu legen und ihren Ruf in den Schmutz zu ziehen?

Ebenfalls vollkommen erschüttert versuchte Jonathan, Victoria zu trösten. Erst als er wild entschlossen erklärte, er werde Alexei die Wahrheit sagen und ihn notfalls mit Gewalt zur Vernunft bringen, kam sie zu sich. Dass der gute liebe Jonathan sich ihretwegen unglücklich machte, kam nicht infrage. Was zwischen ihr und Alexei passiert war, war allein ihre Sache.

„Nein, Jonathan“, flüsterte sie und nahm seine Hand. „Du bist mir ein guter Freund geworden, und ich hoffe sehr, dass wir in Kontakt bleiben. Doch das hier muss ich allein regeln.“

Sichtbar erleichtert, dass sie Eigeninitiative zeigte, lenkte er schließlich ein. Victoria hatte sich ausgiebig die Nase geputzt, und dann hatten sie sich einen großen Scotch genehmigt. Damals war ihre Freundschaft zu Jonathan gewachsen. Selbst heute noch gingen sie hin und wieder zusammen ins Kino oder eine Pizza essen. An dem Tag, an dem Victoria ihren Mann und Geliebten verloren hatte, waren sie Freunde geworden. Seit jenem Tag hatte sie Alexei nicht mehr gesehen.

Sieben Jahre später war sein Gesichtsausdruck noch genauso, wie sie ihn von jenem Tag in Erinnerung hatte.

Alexeis Lippen formten ein spöttisches Lächeln. „Na, wenn das nicht die unwiderstehliche englische Sexbombe ist“, murmelte er sarkastisch. „Aber Victoria, was ist bloß mit dir passiert? Du siehst ja grauenhaft aus!“

4. KAPITEL

Victoria ignorierte Alexeis anmaßende Bemerkung. Allein mit ihm in einem Raum zu sein, nahm ihr den Atem.

In jener Nacht vor sieben Jahren war er aus ihrem Leben verschwunden und hatte sich geweigert, ihre Erklärungen anzuhören. Ihre zunehmend verzweifelten Briefe schickte er ungeöffnet zurück, ihre Anrufe nahm er nicht entgegen. Der Stolz hatte es ihr verboten, sich zu entschuldigen. Schließlich war sie sich keiner Schuld bewusst. Sie hatte nichts Unrechtes getan. Und dennoch, wenn sie die Situation mit Alexeis Augen betrachtete, konnte sie seine Reaktion verstehen. Ihn, mit seinem ausgeprägt männlichen Besitzanspruch musste die Eifersucht rasend machen. Dabei liebte Victoria nur einen, nur Alexei, mit Herz und Seele. Und genau das wollte sie ihm damals sagen.

Leicht gesagt. Ihre Telefonanrufe, von den Bediensteten gleichgültig angenommen, wurden nie durchgestellt, und Alexei rief nie zurück. So schloss er Victoria aus seinem Leben aus. Sie wusste nicht einmal, ob er die Nachrichten überhaupt erhielt. Doch selbst wenn nicht, hätte er auch selbst Kontakt zu ihr aufnehmen können.

Irgendwann hatte sie es dann verstanden. Ihre Ehe, die eigentlich nie wirklich begonnen hatte, war vorbei. Besser, sie hätten sich niemals kennengelernt.

Nach sieben Jahren sollte sie dieses Erlebnis verwunden haben, und dennoch schlug ihr Herz so schnell wie damals. Zorn, Sehnsucht und Traurigkeit stiegen in ihr auf, als sei es gestern gewesen.

„Ja, grauenhaft“, wiederholte Alexei und musterte sie schonungslos. „Es fällt dir wohl nicht mehr so leicht, reiche Männer anzuziehen, oder Victoria?“

„Wovon zum Teufel sprichst du?“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf.

Alexei lächelte grausam. Ihm gefiel es ausnehmend gut, dass es ihm gelungen war, sie hierher zu holen. Jetzt stand sie vor ihm, und es war beiden glasklar, dass sie niemals zu einer Christou-Frau getaugt hatte.

„Legst du keinen Wert mehr auf dein Äußeres?“

Wie Ohrfeigen brannten seine Worte. Victoria betrachtete sich in dem großen Spiegel. Ihr leichtes Sommerkleid, das in England noch so hübsch ausgesehen hatte, war völlig zerknittert. Heute Morgen hatte sie sich kaum Zeit für ein angemessenes Make-up genommen und das Haar lediglich zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie sah mitgenommen aus – von der Reise und der psychischen Belastung.

Doch sie straffte die Schultern. Nur nicht klein beigeben. Alexei war ein ernst zu nehmender Gegner, und sie würde sich vor ihm keine Blöße geben. „Dich zu beeindrucken ist nicht meine erste Priorität.“

Er lachte. „Sag das noch mal.“

Ungläubig sah sie ihn an. Wenn er nur nicht so verdammt gut aussähe! Er hatte sich nie anstrengen müssen, um sie zu beeindrucken. Er tat es einfach.

In den vergangenen sieben Jahren war der vielversprechende Jüngling zu einem stattlichen Mann herangereift. Schon damals hatte er den Frauen den Kopf verdreht, doch da hatte er noch etwas Jungenhaftes an sich gehabt.

Inzwischen war alles Weiche verschwunden. Sein Körper war durchtrainiert, und der sinnliche Schwung seiner Lippen betörend wie immer. Doch sein Mund hatte auch einen zynischen Zug bekommen, und seine Augen waren wie schwarzes Eis.

Seit dem Morgengrauen war Victoria auf den Beinen, sie war müde und hungrig, und sie wollte sich gern frisch machen. Ihr Besuch hier in Athen würde sie viel Kraft kosten, aber sie würde sich nicht von Alexei einschüchtern lassen!

„Wir hätten alles auch postalisch klären können“, fuhr sie ihn an. „Aber du hast mich hierher zitiert. Also beschwer dich nicht!“

„Und du hast zugestimmt“, fügte er hinzu. Seine Stimme klang herausfordernd. „Wenn die Vorstellung so abstoßend für dich war, frage ich mich, warum du die Reise auf dich genommen hast?“

„Welche Wahl hatte ich denn, Alexei? Du bist nicht erwachsen genug, einer schnellen Scheidung zuzustimmen. Ich bin hier, weil ich die Sache ohne viel Aufhebens über die Bühne bringen will!“

„Der Zeitfaktor ist es also, nicht wahr?”, fragte er samtweich. „Eine Quickie-Scheidung ist es, die du dir wünschst. Ich frage mich, warum.“ Mit dem Daumen fuhr er sich über die Unterlippe.

Tat er das absichtlich? Wusste er um die sinnliche Wirkung dieser schlichten Geste? Victorias Fantasie drohte, sich Bahn zu brechen. Unerwünschte Bilder aus der Vergangenheit tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Hör auf, ermahnte sie sich. Konzentriere dich auf den Grund, aus dem du hier bist – nicht auf diesen Mann!

Autor

Lindsay Armstrong

Lindsay Armstrong wurde in Südafrika geboren, und bis heute fasziniert sie der Kontinent sehr. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später machen wollte: Sie war entschlossen, Schriftstellerin zu werden, viel zu reisen und als Wildhüterin zu arbeiten.

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