Romana Extra Band 52

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DER MILLIARDÄR IN MEINEN ARMEN von CUDMORE, KATRINA
Er ist abweisend und unfreundlich - dennoch braucht Aideen die Hilfe ihres Nachbarn Patrick Fitzsimon. Weil ihr Cottage unter Wasser steht, sucht sie Schutz in seinem Herrenhaus. Widerstrebend lässt Patrick sie rein, doch bald merkt Aideen, dass seine ablehnende Art eine Fassade ist …

UND NUR DIE STERNE SCHAUEN ZU von WILSON, SCARLET
Palmen, die sich im lauen Wind wiegen, ein schneeweißer Strand, der zum Träumen einlädt - auf der luxuriösen Insel Bora Bora wird ihr Ehemann Caleb endlich verstehen, dass Liebe wichtiger ist als seine Arbeit. Wenn nicht, muss Addison ihn für immer verlassen …

MASKENBALL IN VENEDIG von STEPHENS, SUSAN
Bis jetzt hielt Nell den gut aussehenden Dr. Luca Barbaro für einen arroganten Langweiler. Doch dann lädt er sie zu einem Maskenball in Venedig ein. Und um Mitternacht zeigt er ihr, wie aufregend er sein kann - er küsst Nell voller Sinnlichkeit …

SANFTE WELLEN - SÜßE KÜSSE von SHEPHERD, KANDY
Gerade erst hat sie ihn kennengelernt und schon entführt ihr Traummann Tristan Marco sie zu einem Dinner auf seine Luxusjacht! Gemma könnte im siebten Himmel schweben, aber Tristan umgibt ein Geheimnis - und sie muss unbedingt herausfinden, was er verbirgt …


  • Erscheinungstag 21.02.2017
  • Bandnummer 0052
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743949
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Katrina Cudmore, Scarlet Wilson, Susan Stephens, Kandy Shepherd

ROMANA EXTRA BAND 52

KATRINA CUDMORE

Der Milliardär in meinen Armen

„Ich brauche Hilfe, mein Cottage steht unter Wasser!“ Widerwillig gewährt Patrick seiner Nachbarin Aideen Unterschlupf. Dabei will der Tycoon keine Frau in seinem Leben! Aber diese Nacht ändert alles …

SCARLET WILSON

Und nur die Sterne schauen zu

Warum macht Addison das? Sie weiß doch, wie wichtig das Geschäft für ihn ist! Und jetzt entführt ihn seine Frau nach Bora Bora! Vier Wochen soll Caleb dort bleiben – und versuchen, seine Ehe zu retten …

SUSAN STEPHENS

Maskenball in Venedig

Mitternacht auf dem Kostümball in Venedig! Langsam kommt Luca Barbaro auf Nell zu, und heftig klopft ihr Herz. Sie weiß genau, was passiert, wenn er die Maske abnimmt: Er wird sie küssen …

KANDY SHEPHERD

Sanfte Wellen – süße Küsse

Sie ist die Frau seines Lebens – doch Tristan kann seinen Gefühlen nicht nachgeben. Gemma weiß nicht, dass er der Kronprinz von Montovien ist – und als solcher keine Bürgerliche heiraten darf …

1. KAPITEL

„Hallo? Ist jemand zu Hause?“

Erschöpft rang Aideen Ryan nach Luft. Bei Wind und Regen war sie durch die Dunkelheit gerannt. Jeder Atemzug brannte in ihrer Lunge. Inständig betete sie, dass jemand ihr Rufen hören würde.

An Irlands Küste tobte ein heftiger Sturm und das Ashbrooke House, ein von undurchdringlichen Mauern umgebenes Herrenhaus, war die einzige Unterschlupfmöglichkeit in ihrer Nachbarschaft. Es gehörte dem Milliardär Patrick Fitzsimon, der über ihr Eindringen sicher nicht erfreut sein würde.

Mit einer Hand fuhr sie sich durch das völlig durchnässte Haar, mit der anderen strich sie ihre Regenjacke glatt.

Hoffentlich öffnete er ihr nicht selbst die Tür. Sie hatte sein Bild schon in unzähligen Zeitschriften gesehen. Klug und ernsthaft blickte dieser gut aussehende Mann in die Kameras und jedes Mal blieb beim Betrachten der Bilder ihr Herz beinahe stehen.

Im Ort war ihm noch niemand persönlich begegnet. Nur die auf seinem Besitz landenden und startenden Helikopter waren Anzeichen für seine Anwesenheit. Neugierig geworden, hatte sie ihren Nachbarn, der laut Medien zu den zehn reichsten und begehrtesten Junggesellen der Welt gehörte, im Internet recherchiert. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass Aideen sich geschworen hatte, dass ihr Leben eine männerfreie Zone bleiben würde.

Eine stürmische Windböe fegte vom Meer herauf und riss den Ast eines nahegelegenen Baumes zu Boden. Wie mochte nur ihr armes Cottage aussehen? Und wie sollte ihr Geschäft diese Katastrophe überstehen?

Sie unterdrückte die aufsteigende Panik und schlug mit dem Messingklopfer gegen die wuchtige Eingangstür.

„Hallo? Bitte … Ich brauche Hilfe. Ist jemand zu Hause?“

Bitte lass jemanden vom Personal da sein.

Aber nichts rührte sich in dem riesigen Haus. Allmählich dämmerte es ihr. Nur die Außenbeleuchtung des Herrenhauses brannte, im Inneren des Hauses lag alles im Dunkeln.

In ihrer Panik hatte sie das bis jetzt verdrängt.

Wenn nun tatsächlich niemand zu Hause war?

Das ergab keinen Sinn. In einem Haus dieser Größenordnung gab es bestimmt eine Menge Personal. Wahrscheinlich war ihr Klopfen nur durch den Sturm nicht zu hören.

Kaum hatte sie den Messingklopfer wieder angehoben, wurde die Tür aufgerissen. Sie flog nach vorne und stieß mit dem Kopf gegen einen muskulösen Oberkörper. Durch den Zusammenstoß prallte sie zurück und wäre fast unsanft zu Boden gestürzt, wenn sie die zwei kräftige Armen, die sie auffingen, nicht davor bewahrt hätten.

Sekundenlang verharrte Aideen regungslos in dieser Umarmung, bevor diese von beiden Seiten abrupt beendet wurde.

Verlegen starrte sie in die tiefblauen Augen von Patrick Fitzsimon, aus denen er sie misstrauisch musterte.

„Was zum …?“

„Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe, aber mein Zuhause steht unter Wasser. Vermutlich werden gerade alle meine Sachen nach Amerika geschwemmt. Ich habe versucht, bis Mooncoyne zu fahren, aber die Straße ist überflutet. Ich war so erleichtert, dass Ihr Eingangstor nicht wie sonst verschlossen war. Ehrlich gesagt, hätte ich mir keinen Rat gewusst, wenn dies der Fall gewesen wäre.“

Mit erhobener Hand gebot er seinem Gegenüber zu schweigen. „Okay. Beruhigen Sie sich. Fangen wir noch einmal an. Sagen Sie mir, wer Sie sind.“

Oh, warum fing sie nur immer an zu quasseln, wenn sie nervös war, und wurde dabei rot wie eine Tomate?

Sie streckte die Hand aus und stellte sich vor. „Ich heiße Aideen Ryan. Ich bin Ihre Nachbarin. Ich wohne im Fuchsia Cottage … ziemlich nah am Meer.“

Er nickte wissend, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte mit skeptischem Blick. „Und was genau brauchen Sie von mir?“

Es war ihr äußerst unangenehm, einen Fremden um Hilfe zu bitten, aber sie hielt seinem Blick stand und platzte mit ihrer Bitte heraus. „Ich brauche für heute Nacht eine Unterkunft.“

Missbilligend verzog er den Mund und sie befürchtete bereits, dass er ihr die Tür vor der Nase zuschlagen würde.

Doch stattdessen trat er einen Schritt zurück und bat sie, wenn auch widerwillig, herein.

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Ohne ein Wort ging er davon und ließ sie in der riesigen Eingangshalle zurück. Vor Kälte fing sie an zu zittern. Unkontrolliert schlugen ihre Zähne aufeinander, sodass es bis in das riesige Kuppeldach zu schallen schien, von dem ein gigantischer Kronleuchter hing.

Warum konnte sie keinen normalen Nachbarn haben? Warum musste er ein Milliardär sein, der in einem Palast am Ende einer kilometerlangen Auffahrt lebte? Sie hasste es grundsätzlich, um Hilfe zu bitten. Aber ausgerechnet einen megareichen, gut aussehenden Mann? Offensichtlich amüsierte sich das Schicksal auf ihre Kosten.

Als Patrick Fitzsimon zurückkam, reichte er ihr wortlos ein Handtuch. Dankbar nahm sie es entgegen und trocknete sich die Hände und das Gesicht ab. Ihre Blicke begegneten sich.

Aideens Herz stockte, als ihr auffiel, dass er sie erneut musterte. Sein Starren war ihr unangenehm. Sie senkte den Blick und fuhr sich mit dem Handtuch durch die Haare. Warum machte er sie nur so nervös?

„Wo ist Ihr Wagen?“

„Ich habe versucht, die Foley Bridge nach Mooncoyne zu überqueren, aber der Fluss ist über die Ufer getreten und sie ist nicht mehr passierbar. Das gilt auch für die Brücke zu Ihrem Anwesen.“

Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Wie sind Sie dann hierhergekommen?“

„Ich bin auf die Mauer der Brücke geklettert und auf ihr entlanggerobbt … Mein Auto ist immer noch auf der anderen Seite.“

Mensch, prima. Er war nicht nur aus seinem Schlaf gerissen worden, er hatte es auch noch mit einer Verrückten zu tun. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Ist das Ihr Ernst? Sie sind gerade bei dem Sturm über einen reißenden Fluss geklettert? Haben Sie den Verstand verloren?“

Im ersten Moment schaute Aideen ihn gekränkt an, dann traf ihn ein herausfordernder Blick aus braunen Augen.

„Das Meer war im Begriff, mein Cottage zu überschwemmen. Ich habe die Feuerwehr angerufen, aber die sind schon mit dem Hochwasser in Mooncoyne ausgelastet. Davon abgesehen schaffen sie es erst gar nicht bis hierher. Die Foley Bridge ist auch von der anderen Seite her nicht befahrbar. Sie sind mein einziger Nachbar. Ich hätte nirgendwo anders um Unterschlupf bitten können.“ Schwer atmend warf sie den Kopf zurück und fuhr mit einem Zittern in der Stimme fort. „Ich habe die Möglichkeit in Betracht gezogen, über Nacht im Auto zu bleiben, aber offen gestanden hatte ich mehr Angst vor Unterkühlung als eine Brückenmauer entlangzurobben.“

Da hatte sie recht. Aber es blieb immer noch verrückt, so ein Risiko einzugehen.

Er seufzte. Zum ersten Mal wünschte er sich Personal über Nacht im Haus. Wenn seine Haushälterin Maureen hier wäre, hätte sie sich um die derangierte Frau gekümmert. Und er hätte weiterschlafen können.

Ihr Klopfen hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Verblüfft hatte er sich gefragt, wie jemand auf das Anwesen gelangen konnte. Es war rundum von einer hohen Steinmauer umgeben. Die unüberwindbare Mauer und das elektronisch gesicherte Eingangstor hielten die Außenwelt fern.

Zumindest sollten sie das.

Morgen würde er sich als Erstes seinen Verwalter vorknöpfen. Doch jetzt musste er sich um die Fremde kümmern, aus deren Kleidung und Haaren es auf seinen polierten Boden tropfte. In weniger als vier Stunden hatte er eine dringende Telefonkonferenz mit Hongkong. Dieser würden weitere folgen, um seine bislang größte Firmenübernahme unter Dach und Fach zu bringen. Es gab noch gesetzliche und technische Hindernisse zu klären. Daher war das Auftauchen seiner Nachbarin das Letzte, was er im Moment brauchte.

Er warf Aideen einen Blick zu, den sie mit einem unsicheren Lächeln erwiderte. Unter dieser wilden, aus der Form geratenen Haarmähne war sie tatsächlich schön.

Volle Lippen, zarte Haut, schön geformte Brauen und darunter die ausdrucksvollsten Augen, die er je gesehen hatte. Sie hatte nichts von der oberflächlichen Supermodelschönheit seiner Exfreundinnen. Sie war wirklich hübsch.

Dann fiel ihm schuldbewusst auf, dass sie zitterte und in den letzten Minuten ziemlich blass geworden war.

„Sie müssen aus diesen nassen Sachen raus und heiß duschen.“

Ihre Wangen färbten sich verräterisch rot, während sie unbehaglich auf der Stelle trat. „Ich habe nichts anderes anzuziehen dabei. Dafür blieb keine Zeit. Ich konnte nur die nötigsten Büroartikel und Unterlagen mitnehmen; die Dinge, die ich retten musste.“

Super. Er hatte keine Frauensachen in Ashbrooke, da er keine seiner Bekanntschaften je mit hierhergebracht hatte. Dies war sein Rückzugsort. Und in den letzten Jahren war dieser ihm immer wichtiger geworden, da sein konstant wachsendes Geschäft seine volle Aufmerksamkeit forderte.

Er sollte etwas Tröstliches sagen. Aber in solchen Situationen fehlten ihm immer die richtigen Worte. Das konnte er einfach nicht. Die Geschichte mit seiner eigenen Schwester Orla war der Beweis. Er besaß die Fähigkeit, Geld zu machen. Mit persönlichen Beziehungen tat er sich hingegen schwer.

Der Gedanke an sein Versagen, nicht nur bei Orla, sondern auch bei seinen Eltern, hatte einen bitteren Beigeschmack. Er konnte dieser Frau nur praktische Hilfe anbieten. Nicht mehr.

„Geben Sie mir Ihre Jacke und ich bringe Sie in eines der Gästezimmer. Ich suche Ihnen ein paar Sachen zum Anziehen raus, während Sie duschen.“

Ihre Hände zitterten, als sie ihm die nasse Regenjacke reichte. Darunter trug sie ein rot-weiß gestreiftes Top, einen kurzen Jeansrock, schwarze Wollstrumpfhosen und Chucks. Nicht gerade die passende Kleidung für den Sturm, der dort draußen tobte.

Die nassen Sachen klebten an ihrem Körper und betonten die weichen Kurven ihres Körpers, die schmale Taille, die sanfte Wölbung ihrer Brüste und die langen, schlanken Beine.

Sie zuckte die Achseln, als Patrick sie fragend anschaute. „Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen.“

Er nahm ihr den Mantel ab. Schweigend gingen sie die Stufen hinauf. Kurz schaute er auf die Uhr. Er würde ihr das Gästezimmer zeigen und sich anschließend wieder schlafen legen. Er musste morgen in Bestform sein, um die Schwierigkeiten zu lösen, die seine Mitarbeiter nicht in den Griff bekamen.

Aideen folgte ihm eine breite Steintreppe hinauf und bewunderte die exquisiten Rokokoarbeiten an den Wänden. Sie war versucht, eine Hand auszustrecken, um die zerbrechlichen Engelsgesichter und muschelförmigen Schalen zu berühren.

Wenn die Eingangshalle bereits so prächtig ausgestattet war, wie mochten wohl die anderen Räume im Haus aussehen? Sie fühlte sich so fehl am Platz …

Vor ihr lief Patrick Fitzsimon weiter die Treppe hinauf. Er war eine große und breitschultrige Erscheinung, mit düsterem Blick und dennoch unbeschreiblich attraktiv. Man musste aber leider nicht Sherlock Holmes sein, um zu merken, dass er über ihre Anwesenheit nicht sonderlich erfreut war.

Ihr ging es nicht anders. Sie läge auch viel lieber in ihrem eigenen Bett, als sich das missmutige Gesicht eines Milliardärs anzusehen, der vermutlich abgebrüht und kaltherzig war.

Im oberen Geschoss angekommen, führte er sie wortlos einen endlosen Flur entlang.

„Ihr Hubschrauber fliegt häufig über mein Cottage. Sind Sie viel unterwegs?“, fragte sie, um das Schweigen zu durchbrechen.

„Wenn nötig.“

Sie hatte nicht gerade die intelligenteste Frage gestellt, aber etwas ausführlicher hätte seine Antwort schon ausfallen können. Er brach sich doch keinen Zacken aus der Krone, etwas mit ihr zu plaudern.

Er blieb stehen und öffnete eine Tür. Mit einer Handbewegung und unbeweglicher Miene signalisierte er ihr, vor ihm einzutreten. Unwillkürlich lächelte sie ihn an, als sie an ihm vorbeiging. Doch sein Gesicht blieb ausdruckslos und sie kam sich albern vor.

Seine unterkühle Haltung machte Aideen wütend. Schließlich war sie nicht freiwillig hier. Es war ein Notfall. Warum war er nur so abweisend? Selbstbewusst marschierte sie in den Raum. Morgen früh war sie so rasch wie möglich hier weg.

Doch der Anblick des Schlafzimmers ließ sie erstarren. „Das ist ja unglaublich … und wie riesig! In das Bett passt ja eine sechsköpfige Familie.“

Neben dem überdimensionalen Bett in der Mitte des Zimmers standen Sofas und Beistellsessel in unterschiedlichen Grüntönen. Ein antiker Tisch und ein Frisiertisch rahmten einen weißen Marmorkamin ein.

Ohne auf ihre Ausrufe der Bewunderung einzugehen, wandte er sich zur Tür. „Ich hole Ihnen jetzt etwas anzuziehen.“

Warum musste sie auch immer so überschwänglich sein? Von jetzt an würde sie nur noch das Nötigste mit Patrick reden.

Sie fand das Bad und schaute sehnsüchtig auf die Dusche. Er wäre sicherlich nicht erfreut, wenn er sie bei seiner Rückkehr hinter der verschlossenen Badezimmertür vorfand …

Die ganze Situation war schrecklich peinlich. Um diese Zeit bei einem mehr als schlecht gelaunten Nachbarn hereinzuplatzen …

Dann stellte sie sich sein Gesicht vor, wenn er sie singend unter der Dusche vorfände und prustete vor Lachen.

Als sie in das Schlafzimmer zurückkehrte, fand sie ihn mit exakt diesem Gesichtsausdruck vor und wurde rot.

„Stimmt etwas nicht?“

„Nein … nur meine nassen Schuhe machen beim Laufen das Geräusch einer kranken Ente.“

Himmel. Was redete sie da nur?

Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu, so als ob er sich Sorgen wegen ihres geistigen Zustands machte. Kopfschüttelnd legte er die Sachen auf einen der Stühle. „Duschen Sie und ziehen Sie sich etwas anderes an. Sie müssen Ihre Kleidung waschen und trocknen, bevor Sie morgen früh gehen. Am Ende des Gangs ist eine Waschküche. Bitte machen Sie davon Gebrauch.“

Mit diesen Worten schickte Patrick Fitzsimon sich an zu gehen.

„Ist es in Ordnung, wenn ich mir nach der Dusche etwas zu trinken nehme?“, rief sie hinter ihm her.

Er blieb stehen und zögerte, bevor er sich zu ihr umdrehte. „Ich könnte wirklich etwas zum Aufwärmen gebrauchen. Wenn Sie mir sagen, wo ich die Küche finde.“

Wie aufs Stichwort verdüsterte sich seine Miene. Wie gut er erst aussehen würde, wenn er lächelte, ging ihr durch den Kopf, da selbst sein mürrischer Gesichtsausdruck ihn nicht unattraktiv machte. Die Frage war, ob er überhaupt je lächelte.

„Wenn Sie das Schlafzimmer verlassen, gehen sie nach links. Dort stoßen Sie nach einer Weile auf eine Treppe, die nach unten zum Westflügel führt. Die Küche ist die fünfte Tür auf der linken Seite.“

Ruckartig drehte er sich um und war verschwunden, bevor sie sich bedanken konnte.

Sie seufzte tief. Ging er mit allen Menschen so barsch um oder speziell nur mit ihr?

In ihrer Branche war sie schon einer Menge kurzangebundener Leute begegnet, aber Patrick Fitzsimon übertraf sie alle. Es fühlte sich an, als ob eine unsichtbare Mauer sie beide trennte. Aideen kam mit den meisten Menschen aus, aber ihm schien diese Fähigkeit ziemlich unwichtig zu sein.

Sie nahm das Bündel Anziehsachen vom Stuhl und legte es aufs Bett, um es auseinanderzurollen: eine weiche, graue Schlafanzughose, ein hellblaues Shirt, in das eine Zahnbürste und eine Tube Zahnpasta eingewickelt waren.

Sie fand die Vorstellung aufregend, seine Sachen zu tragen. Ehe sie wusste, was sie tat, roch sie daran. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief den betörenden Duft nach frischer Wäsche ein. Doch nichts erinnerte an den männlichen Geruch, den sie bei ihrem ersten Zusammenstoß an ihm wahrgenommen hatte. Sie unterdrückte ein Seufzen. Für einen Moment lang hatte sie die Arme um seine Taille schlingen wollen.

Sie schlug die Augen auf. Wohin schweiften ihre Gedanken? Der Mann war eiskalt.

Aber im Grunde spielte das keine Rolle. Sie würde ihn sowieso nicht wiedersehen. Davon abgesehen war sie momentan an Männern nicht interessiert. Ihre so mühsam wiedergewonnene Unabhängigkeit war zu kostbar. Von nun an würde sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen und entscheiden, wo es langging.

Ab morgen hatte sie ihr altes Leben wieder, ihre Arbeit, die Abende zu Hause bei Pizza und Fernsehserien. Damit war sie mehr als zufrieden. Vielen Dank.

2. KAPITEL

Sechzehn Schlafzimmer, acht Empfangsräume, ein Ballsaal, in dem über dreihundert Gäste Platz hätten, zwei Bibliotheken und unzählige andere Räume, in denen er nie war. Und dennoch verabscheute Patrick Fitzsimon den Gedanken, dieses riesige Haus mit einer anderen Person zu teilen. Es war fast Mitternacht und innerhalb weniger Stunden würde seine Nachbarin wieder verschwunden sein, daher waren seine Bedenken überflüssig. Aber selbst nachdem er in den letzten Jahren wie ein Einsiedler gelebt und sich ausschließlich seiner Arbeit gewidmet hatte, waren Fremde keine willkommene Abwechslung für ihn.

Vor zwei Jahren, nach einem weiteren schrecklichen Streit mit seiner Schwester, war er zu der Erkenntnis gelangt, sich nur auf die Dinge zu konzentrieren, die er wirklich gut konnte und bei denen er die Kontrolle hatte: seine Arbeit. Die ständigen Auseinandersetzungen mit Orla hatten ihn erschöpft und frustriert. Es war fast eine Erleichterung für ihn, die nervenaufreibende Welt der persönlichen Beziehungen gegen die unkomplizierte Schwarz-Weiß-Welt der Arbeit einzutauschen.

Orla hatte ihm nicht erst sagen müssen, dass er absolut keine Ahnung von zwischenmenschlichen Beziehungen hatte, auch wenn sie ihm das regelmäßig vorhielt. Denn er hatte den schmerzlichen und traurigen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen, wenn sie sich von ihm unbeobachtet fühlte.

Er wusste immer noch nicht, was eigentlich schiefgelaufen war. Wann er etwas falsch gemacht hatte. Sie hatten sich einst so nah gestanden. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte er sich so verzweifelt und einsam gefühlt, dass er glaubte, diesen Verlust niemals verwinden zu können, aber seine fröhliche und ständig kichernde Schwester hatte ihn gerettet.

Als jedoch ihr Vater starb – Orla war gerade sechzehn –, hatte sie sich von heute auf morgen verändert. Aus dem sorglosen und unbekümmerten Teenager war ein schlecht gelaunter und verschlossener Mensch geworden. Und ihre enge Bindung zerbrach.

Ein abgebrochener Ast, der gegen das Fenster krachte, brachte ihn mit einem Schlag in die Gegenwart zurück.

Er stellte die Teedose neben den bereits kochenden Wasserkessel und schrieb seinem Gast eine kurze Nachricht. Dabei hörte er die ungläubige Stimme seines Vaters in seinem Kopf, der ihn wegen seines unhöflichen Verhaltens schalt. Und wieder einmal wurde er daran erinnert, wie wenig er seinem Vater ähnelte.

Die Nachricht war geschrieben. Er sollte gehen, bevor seine Nachbarin in die Küche kam. Doch ihr Bild drängte sich in sein Bewusstsein. Wie sie vor ihm in der Eingangshalle stand und ein Regentropfen über ihre vollen Lippen rann. Lippen, die er gerne küssen wollte …

Er konnte sich die plötzliche Anziehungskraft nur durch die Tatsache erklären, dass es schon seit Längerem keine Frau mehr in seinem Leben gegeben hatte. Welcher Mann konnte schon einer schönen Frau widerstehen? Vor zwei Jahren war ihm die Lust an seinen üblichen Kurzaffären vergangen. Und eine dauerhafte Beziehung kam für ihn nicht infrage.

Außerdem war Aideen seine Nachbarin. Und wenn er jemals wieder ausgehen würde, dann bestimmt nicht mit einer Frau, die mitten in der Nacht vor seiner Haustür stand.

Er drehte sich um, als er ein sanftes Klopfen an der Tür hörte.

Sie stand im Türrahmen der großen Küche und warf ihm ein unsicheres Lächeln zu. Er hätte gehen sollen, als er noch die Gelegenheit dazu hatte. Jetzt musste er Smalltalk machen.

Sie hatte die Hosenbeine seines Schlafanzugs umgekrempelt und war barfuß. Ihre nassen Haare hatte sie gebändigt. In schweren dunklen Locken fielen sie über ihren Rücken. Das nicht bis oben zugeknöpfte Shirt gewährte ihm einen flüchtigen Blick auf ihre zarte Haut und sein Puls beschleunigte sich.

Diese Gefühle behagten ihm nicht. Er zerknüllte die Nachricht, die er ihr hatte hinterlassen wollen, in seiner Hand. „Das Wasser kocht. Bitte nehmen Sie sich, was Sie brauchen.“

„Danke.“ Als er zur Tür ging, fügte sie hinzu. „Ich habe es vorhin nicht erwähnt, aber danke, dass Sie mir für heute Nacht ein Dach über dem Kopf gewähren. Und es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe.“

Sie errötete bei diesen Worten und schlang die Arme um ihre Taille, während sie ihn verlegen anschaute. Wie sie so unbeholfen dastand in seinen Sachen und auf seine Antwort wartete, rührte ihn.

Er fühlte sich gezwungen, ein Friedensangebot zu unterbreiten. „Morgen früh werde ich meinen Verwalter bitten, Sie nach Hause zu fahren.“

Heftig schüttelte sie den Kopf. „Ich laufe. Es ist nicht weit bis zur Brücke.“

„Wie Sie wollen.“

Es war Zeit für ihn, sich zu verabschieden, aber etwas hielt ihn zurück. Vielleicht weil er an Orla denken musste und sich fragte, wie man sich ihr gegenüber verhalten würde, wenn sie in eine ähnlich missliche Lage geriet.

Mit einem tiefen Seufzer sagte er. „Wie wäre es, wenn wir noch einmal von vorne anfangen?“

Sie neigte den Kopf zur Seite und biss sich unsicher auf die Unterlippe.

Patrick ging auf sie zu, streckte die Hand aus und sagte Worte, die er nicht wirklich ernst meinte. „Willkommen in Ashbrooke.“

Aideens Hand war eiskalt. Sanft umschloss er sie mit seiner.

„Sie sind ja völlig durchgefroren.“

Ihr Kopf schnellte hoch. Sie hatte auf seine Hand gestarrt und es lag ein Zittern in ihrer Stimme, als sie sagte. „Ich weiß. Die Dusche hat mich zwar etwas aufgewärmt, aber ich bin bis auf die Knochen nass geworden. So einen Sturm wie heute habe ich noch nie erlebt.“

Er ging zur Kleiderkammer, die sich gegenüber der Küche befand, und holte ihr eine der dicken Fleecejacken, die er zum Reiten anzog.

„Danke. Ich …“ Aideens Stimme brach ab und ihr Blick wanderte an ihm vorbei, bevor sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Hallo, ihr zwei.“

Patrick drehte sich um und erblickte den Grund ihrer Freude. Seine beiden Labradore hatten ihren Korb in der Kleiderkammer verlassen und trotteten nun schwanzwedelnd auf Aideen zu.

Mit den Köpfen stießen sie gegen ihr Bein. Sie beugte sich vor und streichelte die beiden. Dadurch konnte er einen Blick auf die sanfte Wölbung ihrer Brust erhaschen. Sie trug keinen Büstenhalter.

Das Blut dröhnte in seinen Ohren. Es war höchste Zeit, sich zurückzuziehen.

„Sie sind wunderschön. Wie heißen sie?“

„Mustard und Mayo.“

Spöttisch zog sie eine Augenbraue hoch und grinste. „Eine interessante Namenswahl.“

Er genoss ihren Spott und verspürte den verrückten Wunsch, diesen kurzen Moment der Gelassenheit mit ihr fortzusetzen. Aber das führte zu nichts, daher erwiderte er nur kurz. „Verraten Sie mir noch einmal Ihren Namen?“

Sie riss die Augen weit auf und errötete. „Ich wusste es. Ich habe Sie geweckt.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht habe ich einfach nur ein schreckliches Namensgedächtnis.“

Mit scharfsichtigem Blick konterte sie. „Das bezweifele ich sehr.“ Und fügte hinzu. „Gehen Sie immer so früh schlafen?“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, errötete sie noch tiefer.

„Nur wenn ich einen guten Grund dazu habe“, entgegnete er.

Ihr blieb der Mund offen stehen.

Für einen Moment starrten sie sich an. Beide waren sich der Situation bewusst. Zwei Fremde, allein in einem Haus. Sie trug seine Sachen. Die Spannung zwischen ihnen ließ seinen Puls so hoch schlagen wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig blieb er vorsichtig. Sie war seine Nachbarin. Er hatte keine Beziehung. Punkt. Damit war er völlig überfordert. Er hatte einen langen Tag vor sich. Es war Zeit, ins Bett zu gehen …

Unter seinem prüfenden Blick wurde es Aideen heiß und kalt. Ihr Puls raste und sie konnte keinen klaren Satz herausbringen. Er machte Anstalten zu gehen, da platzte es aus ihr heraus. „Aideen Ryan … Mein Name ist Aideen Ryan.“

Fast zögernd streckte er seine Hand aus. „Und ich bin Patrick Fitzsimon.“

„Ich weiß.“

„Ach, wirklich?“

Ein Blick in sein Gesicht genügte. Sie rückte besser gleich mit der Wahrheit heraus. Mit Ausreden kam sie bei ihm nicht weit. „Jedes Mal, wenn ich an Ihrem Haus vorbeigefahren bin, habe ich mich gefragt, wer hier wohl lebt. Daher habe ich nach Ihnen im Internet gesucht.“

Seine Miene verdüsterte sich.

Rasch beeilte sie sich zu erklären. „Das sind die einzigen beiden Häuser auf der Landzunge. Ich wollte lediglich wissen, wer mein Nachbar ist. Das ist alles.“

Nach ein paar Sekunden qualvollen Schweigens sprach er endlich. „Ich werde meinen Verwalter bitten, Sie morgen an ihrem Haus abzusetzen. Er wird Ihnen seine Kontaktdaten geben. Sollten Sie wieder einmal Hilfe brauchen, können Sie sich direkt mit ihm in Verbindung setzen.“

Im ersten Moment lächelte sie ihn dankbar an. Erst ein paar Sekunden später spürte sie die Zurücksetzung in seinen Worten. Er verwies sie an sein Personal. Aber was hatte sie erwartet? Patrick Fitzsimon lebte in der Welt der Superreichen. Er interessierte sich nicht für seine Nachbarn.

„Danke, aber ich komme allein zurecht.“

Zornig funkelte er sie an. „Das habe ich nicht bezweifelt.“

Gequält lachte sie auf. Die Erinnerungen an ihren Ex holten sie ein. „Dann sind Sie offensichtlich anders als die meisten Männer …“

Sein Blick wurde noch wütender. „Kommen Sie mir nicht mit Pauschalurteilen. Ich versuche lediglich, Ihnen zu helfen.“

Den letzten Satz hatte er praktisch geknurrt. Er schaute sie tatsächlich verärgert an. Offensichtlich hatte sie einen wunden Punkt getroffen.

Sie seufzte und sagte: „Es tut mir leid …, aber ich bin momentan etwas angeschlagen.“

Überrascht schaute er sie an. Um einer möglichen Frage zuvorzukommen, schob sie rasch nach. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich könnte eine Tasse Tee vertragen. Trinken Sie eine mit?“

Was hatte sie gerade gefragt? Wollte sie tatsächlich noch mehr Zeit mit diesem schweigsamen Mann verbringen? Aber nach diesem schrecklichen Abend und drei Monaten des Alleinlebens freute sie sich über jede Gesellschaft.

Er schaute auf seine Uhr. „Okay, fünf Minuten habe ich“, entgegnete er mürrisch.

Noch freudloser hätte seine Antwort nicht ausfallen können. Er schien sich äußerst unbehaglich zu fühlen.

„Setzen Sie sich an den Küchentisch. Ich habe auch heiße Schokolade oder Brandy da.“

„Danke, aber ich liebe Tee.“

Statt sich zu setzen, ging sie hinüber zum Küchenfenster und schaute hinaus. In der Dunkelheit war nur das schwache Licht des Leuchtturms auf der Landzunge zu sehen.

„Glauben Sie, dass mein Cottage dem Sturm standhält?“

„Ich habe den Rettungsdienst angerufen, als Sie unter der Dusche waren. Der Zeitpunkt des Sturms war fatal, da er zeitgleich mit der Flut erfolgte. Ich habe angenommen, dass die schlimmsten Stürme vorbei sind, aber April ist ein unberechenbarer Monat. Ich weiß, dass Sie sich Sorgen machen. Es ist schließlich Ihr Zuhause, aber Sie sind in Sicherheit. Und nur darauf kommt es an.“

Seine Worte überraschten sie und ein Kloß formte sich in ihrer Kehle. Erstaunlich, wie einfühlsam er sein konnte. Dankbar lächelte sie ihn an, aber stirnrunzelnd wandte er sich von ihr ab.

„Kommen Sie. Ihr Tee ist fertig.“

Sie setzte sich an den Tisch und schaute nachdenklich auf ihre Tasse. Zwei Seelen kämpften in ihrer Brust. Der Wunsch, selbstbewusst zu wirken, rang mit dem Verlangen, mit jemandem zu reden, selbst wenn die Person so zugeknöpft war wie Patrick Fitzsimon. Sie wollte aus seinem Munde hören, dass alles gut werden würde. Und schon platzte sie mit ihren Sorgen heraus.

„Es geht nicht nur um mein Cottage. Mein Studio ist auch betroffen. Ich habe einige Eilaufträge, die ich fertig machen muss. Ich konnte heute schon einen Abgabetermin nicht einhalten. Nächste Woche habe ich einen weiteren Liefertermin.“

Sein Schweigen bedeutete ihr, dass ihn das nicht wirklich interessierte. Der Mann war Milliardär. Ihre Probleme mussten ihm banal vorkommen.

Verlegen schob sie die Tasse auf dem Tisch hin und her und vermied es, ihn anzusehen.

„Das tut mir leid. Was machen Sie beruflich?“, fragte er schließlich.

„Ich bin Textildesignerin.“

„Versuchen Sie, nicht darüber nachzudenken, bis Sie sich das Ausmaß des Schadens angeschaut haben. Vielleicht machen Sie sich ja ohne Grund Sorgen … Und selbst in der schlimmsten Situation gibt es immer eine Lösung.“

„Hoffentlich haben Sie recht.“

„Haben Sie jemanden, der Ihnen morgen helfen kann?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich kenne hier noch niemanden. Meine Familie lebt in Dublin. Und die meisten meiner Freunden leben entweder auch dort oder in London.“

„Ich habe gehört, dass jemand das Fuchsia Cottage im letzten Jahr gekauft hat. Warum sind Sie nach Mooncoyne gezogen?“, fragte er in fast vorwurfsvollem Ton, als ob er wünschte, dass sie das nie getan hätte.

„Ich habe das Cottage mit Studio im Internet entdeckt und mich sofort verliebt. Das Cottage ist ein Traum und die Größe des Studios ist unglaublich. Einfach perfekt für meine Arbeit. Leider habe ich nicht damit gerechnet, dass beides überflutet wird. Der Verkäufer hat mir versichert, dass dies nicht passieren würde.“

Er nickte verständnisvoll.

„Waren Sie nicht versucht, wieder zurück nach Dublin zu gehen?“

„Wissen Sie, was Eigentum in Dublin kostet? Die Preise sind nicht so hoch wie in London, aber immer noch unbezahlbar.“ Dann fiel ihr wieder ein, mit wem sie sprach und sie wechselte das Thema. „War Ashbrooke schon immer im Besitz Ihrer Familie?“

Ungläubig schaute er sie an. „Nein … natürlich nicht. Ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen. Meine Familie war nicht reich.“

Erstaunt über den defensiven Unterton in seiner Stimme, platzte sie mit der nächsten Frage heraus. „Wie sind Sie es denn geworden?“

Traurigkeit blitzte in seinen Augen auf und unglücklich verzog er den Mund. Schließlich antwortete er nur knapp. „Ich hatte Glück. Ich habe einige Markttrends im Bereich mobiler Anwendungen vor allen anderen entdeckt; Musik-Streaming-Apps, die von einigen großen Internet-Providern gekauft wurden. Dadurch hatte ich genügend Geld, um sie in andere Applikationen und Software-Start-ups zu investieren.“

Sie schüttelte den Kopf und bedachte ihn mit einem spöttisch, skeptischen Blick. „Kommen Sie. Das war kein Glück.“

„Das heißt …?“

„Ich hatte mal ein eigenes kleines Unternehmen und ich weiß, dass Erfolg nur auf harte Arbeit zurückzuführen ist. Man muss Risiken eingehen, immer am Ball bleiben und die richtigen Entscheidungen treffen … Glück hat meiner Meinung nach wenig damit zu tun.“

„Stimmt. Aber manchmal hat man einfach eine Glückssträhne und manchmal eben nicht. Es geht darum, nicht aufzugeben, wenn das Geschäft schlecht läuft, und sich bewusst zu machen, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt.“

Er hatte diese Worte so überzeugend ausgesprochen, dass sich in ihrem Inneren etwas löste.

„Ich habe mein Geschäft letztes Jahr verloren“, sagte sie.

„Was ist passiert?“, fragte er sanft.

Sein fast liebevoller Ton überraschte sie. „Ich habe einige Fehlentscheidungen getroffen.“

„Aber Sie sind zurück und starten einen neuen Versuch“, bemerkte er bestimmt.

„Ja, das mache ich“, erwiderte sie lächelnd, erstaunt darüber, wie recht er mit seinen Worte hatte.

„Was haben Sie vor?“

„Ich möchte ein neues Label entwerfen, um meinen guten Ruf wiederherzustellen“, sagte sie mit zitternder Stimme. Sie war so verzweifelt bemüht, ihre Karriere wieder aufzunehmen, die ihr alles bedeutete.

Er beugte sich über den Tisch und fixierte sie. Seine blauen Augen schlugen sie völlig in seinen Bann.

„Versagen ist kein Grund, sich zu schämen, Aideen.“

„Ist das so?“ Wütend schob sie die Tasse zur Seite. „Was wissen Sie denn übers Scheitern?“

„Seien Sie versichert, ich habe schon oft in meinem Leben versagt. Ich bin weit entfernt davon, perfekt zu sein“, entgegnete er mit heiserer Stimme.

Skeptisch musterte sie ihr Gegenüber. Ihr kam er ziemlich vollkommen vor. Angefangen von seiner finanziellen Lage über sein Filmstar-Aussehen bis hin zu diesem wunderschönen Haus war einfach alles perfekt … selbst diese makellose Küche.

Er stand auf und räumte die Tassen weg. Mit dem Rücken zu ihr gewandt, sagte er. „Ich denke, es wird Zeit, dass wir ins Bett gehen.“

Sie hatte ihn wieder verärgert und war übers Ziel hinausgeschossen. Sie sollte es gut sein lassen, aber ihre Neugier überwog. „Warum leben Sie hier? Warum nicht in New York oder London?“

Er drehte sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin dem vorherigen Besitzer von Ashbrooke, Lord Balfe, bei einem Abendessen in London begegnet und wir sind gute Freunde geworden. Er hat mich hierher eingeladen und ich habe mich in das Haus und das Anwesen verliebt. Lord Balfe konnte sich den Unterhalt nicht mehr leisten und war auf der Suche nach jemandem, dem der Erhalt genauso am Herzen liegt wie ihm. Daher habe ich mich einverstanden erklärt, es zu kaufen. Mein Geschäft wurde immer umfangreicher und ich brauchte einen ruhigen Ort, um mich darauf zu konzentrieren. Dieses Anwesen schien mir der richtige Ort dafür zu sein. Außerdem hat mich Mooncoyne an das kleine Fischerdorf in County Antrim erinnert, in dem ich aufgewachsen bin.“

„Lebt Ihre Familie immer noch dort?“

Ein Zögern huschte über sein Gesicht. Doch zu ihrer Überraschung antwortete er. „Nein. Meine Mutter starb, als ich ein kleiner Junge war und mein Vater ist ihr einige Jahre später gefolgt.“

Ihre Blicke hielten einander fest. Aideen spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. „Das tut mir leid.“

Sie konnte den Blick von seinen blauen Augen nicht abwenden – und wollte es auch nicht.

Für einen Moment schaute er nach unten, dann hob er den Kopf. „Das passiert. Ich habe eine jüngere Schwester, Orla. Sie lebt in Madrid.“

„Sehen Sie sich häufig?“

Unglücklich verzog sich sein Mund. „Gelegentlich.“

Der Unterton in seiner Stimme bedeutete ihr, nicht weiter zu fragen. Spannung füllte den Raum. Das behagte ihr nicht und sie wollte ihn nicht verletzen.

In der Absicht, dies wiedergutzumachen, wechselte sie das Thema. „Sie haben ein wunderschönes Zuhause.“

„Danke. Ich bin sehr stolz auf die Arbeit, die wir hier in den letzten Jahren geleistet haben.“

„Wie viele Angestellte haben Sie?“

„Ich habe Reinigungskräfte und Angestellte, die sich täglich um den Haushalt kümmern. Für das Anwesen habe ich einen Verwalter, William, der zweiundzwanzig Mitarbeiter beschäftigt, die für die Ställe und die Farm verantwortlich sind.“

„Keinen Butler?“

Spöttisch verzog sich sein Mund. „Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich kann selber kochen, mich anziehen und meine Schuhe zubinden …“

„Keine … keine Freundin?“ Sie wusste, dass sie es mit dieser Frage auf die Spitze trieb, aber sie konnte nicht anders. Unerwartete Eifersucht durchfuhr sie bei dem Gedanken, dass es eine besondere Frau in seinem Leben geben könnte.

Er schwieg. Hastig füllte sie die Stille mit einer weiteren Frage. „Also außer Ihnen lebt niemand in diesem Haus?“

„Nein. Und jetzt wird es Zeit, schlafen zu gehen.“

Also waren sie heute Nacht allein. Es sollte ihr gleichgültig sein, aber diese Vorstellung erregte Aideen. Das Haus war viel zu groß für einen Mann allein.

„Wow. Ist Ihnen das nicht zu einsam?“

„Ich ziehe es vor, allein zu leben. Ich habe keine Zeit für Beziehungen.“ Er musterte sie nachdenklich. „Warum? Fühlen Sie sich einsam?“

Perplex schaute sie ihn an. „Ich bin zu beschäftigt, ich kann …“

Sie verstummte mitten im Satz. Vielleicht war sie in den letzten Monaten einsam gewesen. Vor lauter Entschlossenheit, ihr Geschäft wieder aufzubauen und ans Laufen zu bringen, hatte sie diesen Gedanken verdrängt.

Achselzuckend fuhr sie fort. „Zur Abwechslung ist es wirklich ganz nett, persönlich mit jemandem zu reden, nicht nur per Telefon oder übers Internet. Momentan kommt es mir so vor, als verbringe ich den ganzen Tag am Telefon, um Kunden zu gewinnen.“ Seufzend fügte sie hinzu. „Ich sollte sie besser alle persönlich aufsuchen. Es würde mir eine Menge Zeit ersparen.“

„Warum tun Sie es nicht?“

Sie errötete. „Die meisten meiner Kunden sitzen in Paris. Und ich habe fest vor, sie zu besuchen. Aber um ehrlich zu sein, ist es mir peinlich. Mein Stolz hat etwas unter dem Verlust meiner Firma gelitten. Ich habe seitdem keinen meiner Kunden mehr gesehen“, gestand sie ein, ohne zu erwähnen, dass sie nicht die finanziellen Mittel besaß, um überhaupt zu reisen.

„Trauen Sie sich in die Welt da draußen und seien Sie stolz darauf, wieder zurück zu sein. Kämpfen Sie. Ich fahre nächste Woche nach Paris …“ Er verstummte. Mit kühlerer Stimme fuhr er fort. „Sie haben morgen einen langen Tag vor sich. Ich begleite Sie zurück in ihr Zimmer.“

Als die beiden unten an der Treppe angekommen waren, wandte Aideen sich ihrem Nachbarn lächelnd zu und reichte ihm die Hand. „Danke noch mal, dass Sie mich heute Nacht aufgenommen haben. Ich habe vor, früh aufzustehen. Für den Fall, dass wir uns nicht mehr sehen, es war schön, Sie kennenzulernen.“

Ein Zittern durchfuhr sie, als er ihre Hand ergriff. „Ich stehe vor Tagesanbruch auf. Ab dann ist die Alarmanlage ausgestellt. Passen Sie auf sich auf.“

Er ging in Richtung Eingangshalle davon.

Langsam ging sie die Treppe hinauf. In ihrem Kopf drehte sich alles. Was zum Himmel hatte sie dazu bewogen, ihm so viel zu erzählen? Und warum war sie traurig bei dem Gedanken, ihn nie mehr wiederzusehen? Ihm war ihre Anwesenheit ja nicht einmal recht.

Als sie im Bett lag, konnte sie nicht einschlafen. Patrick Fitzsimon ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Unruhig wälzte sie sich hin und her. Sehnsüchtig wünschte sie den Morgen herbei, um sich endlich wieder in die Arbeit stürzen zu können. Doch immer wieder drang seine tiefe Stimme in ihr Bewusstsein. Sie sind in Sicherheit. Und nur darauf kommt es an. Dabei hatte er sie so durchdringend angesehen, dass sie seine Worte nicht mehr vergaß.

3. KAPITEL

Ungestüm galoppierte Patrick den Reitweg entlang, der durch die Wälder führte. Immer härter trieb er sein Pferd an. Weicher Waldboden unter den Hufen, Zweige peitschten an ihm vorbei, der Duft nach frischen Blauglöckchen und kühle Luft streiften seine Haut …

Als er das Ende der Wälder erreicht hatte, ritt er durch das feucht glitzernde Gras der Parklandschaft. Hin und wieder sprang er über Wassergräben, die den Park durchzogen. Adrenalin pumpte durch Mann und Pferd.

Sie folgten dem alten Weg, der sich die Küste entlangschlängelte, auf den Spuren der mittelalterlichen Pilger, die nach Mooncoyne Abbey gewandert waren.

Die aufgehende Sonne drang mit ihren intensiven Strahlen durch die Fensteröffnungen. Er brachte sein Pferd vor dem Eingang zum Stehen, stieg ab und betrat das Haupthaus.

Gestern Nacht hatte er nicht schlafen können. Beunruhigt hatte er wach gelegen und sich gefragt, wie das Gespräch mit Aideen so rasch so persönlich werden konnte. Das war gar nicht seine Art. Er öffnete sich nie jemandem.

Fast hätte er ihr vorgeschlagen, sie mit nach Paris zu nehmen. Es war ihm klar, dass nicht nur Stolz der Grund war, warum sie nicht nach Paris fuhr, sondern auch finanzielle Schwierigkeiten. Schließlich hatte er das Gespräch beendet und war erleichtert gewesen, als sie sich endlich voneinander verabschiedet hatten. Er war es nicht gewohnt, einer fremden Person näher zu kommen.

Davon abgesehen fühlte er sich sehr von ihr angezogen.

Das waren alles gefährliche Faktoren.

Er lehnte seinen Kopf nach hinten und schaute in die Unendlichkeit des blauen Himmels.

Hatte er nicht schon ausreichend unter Beweis gestellt, dass er zu wirklichen Beziehungen nicht fähig war? Er hatte eine Reihe von Exfreundinnen, die alle schön, aber oberflächlich gewesen waren. Eine Schwester, die nicht mit ihm sprach. Und einen Neffen oder eine Nichte, die er nie kennenlernen würde.

Das Baby würde im nächsten Monat geboren werden. Er sollte dabei sein. Orla zur Seite stehen. Zumindest war sie bereit gewesen, seine finanzielle Unterstützung anzunehmen. Wenn sie das abgelehnt hätte, wäre er außer sich gewesen und hätte sich noch mehr Sorgen darüber gemacht, wie sie zurechtkam.

Seine Telefonkonferenz mit Hongkong war gut gelaufen. Wenn er mithilfe seiner Mitarbeiter die restlichen Unklarheiten noch im Laufe des Tages lösen würde, dann wäre das Geschäft am Abend unter Dach und Fach. Die plötzlich fehlende Anspannung wäre sicherlich ein komisches Gefühl. Seit Monaten hatte er Tag und Nacht dafür gearbeitet.

Eine seltsame Leere breitete sich in ihm aus. Was würde er tun, wenn er das Projekt zum Abschluss gebracht hatte?

Eine erste Idee hatte er, aber noch ließ er sie nicht zu. Erst als er durch die Ruine der Abbey zurück zu seinem Pferd lief, stand sein Entschluss fest.

Er würde Aideen helfen. Das täte jeder gute Nachbar. Das hätte auch sein Vater getan.

Aber war diese Entscheidung klug? Gestern Abend war er ihr gegenüber unvorsichtig geworden. Das durfte er sich nicht wieder erlauben. Wenn er ihr behilflich war, konnte das nur auf einer strikt geschäftlichen Basis funktionieren. Als Mentor, wenn nötig, konnte er ihr helfen, ihr Geschäft wiederaufzubauen. Er wusste, was es hieß, sich seinem Geschäft mit Leib und Seele zu widmen. Der Schmerz des Scheiterns war auch ihm nicht unbekannt.

Er würde ihr helfen. Auf professionelle und unkomplizierte Weise.

Die Erinnerung an eine tiefe Stimme hallte durch Aideens Kopf. Sie seufzte leicht, reckte und streckte sich lächelnd im Bett.

Dann schlug sie die Augen auf und schaute sich verwirrt um. Das Tageslicht drang durch einen Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen.

Allmählich erinnerte sich daran, wo sie war und was heute vor ihr lag.

Das Cottage. Der Abgabetermin.

Rasch zog sie sich die Bettdecke über den Kopf. Vielleicht konnte sie einfach ein paar Tage in diesem warmen und dunklen Kokon bleiben.

Mit einem Stöhnen schob sie die Decke weg. Sie musste aufstehen.

Es konnte nicht schlimmer werden, als aus dem Unternehmen gedrängt zu werden, das sie einst gegründet hatte. Sie hatte das letzte Jahr überlebt. Also würde sie auch dieses meistern.

Sie zog die Vorhänge auf und zuckte geblendet vom Tageslicht zusammen.

Der Ausblick aus ihrem Zimmer war atemberaubend. Die geometrische Buchsbaumanlage führte zu einem riesigen Springbrunnen, aus dem gewaltige Fontänen schossen, als ob sie jeder Schwerkraft trotzen wollten. Rosenbeete lagen dahinter, gefolgt von einer grünen Wiese, die sich bis zum Meer erstreckte.

Obwohl die Sonne noch tief am Himmel stand, war das Licht aufgrund des klaren blauen Himmels geradezu grell.

Hatte sie sich den gestrigen Sturm nur eingebildet? Wie war es nur möglich, dass auf dieses Unwetter so ein wunderschöner Tag folgte?

Fast konnte sie sich einreden, dass ihr Cottage nicht überflutet und das heutige Wetter ein gutes Omen war. Doch sie hatte die wilde Irische See erlebt. Das konnte ihr Cottage nicht unbeschadet überstanden haben.

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, das Cottage und seine Nebengebäude, die um einen Innenhof angelegt waren. Fuchsien schmückten die Hecken und welke, alte Rosen zierten die Mauern. Damals schien es die perfekte Lösung zu sein.

Doch jetzt war ihr Einkommen nicht sicher planbar. Manchmal fragte sie sich, ob sie es schaffen würde. Ihre Verletzlichkeit und die ständigen Selbstzweifel, ob sie die richtigen Entscheidungen traf, waren die schlimmsten Auswirkungen ihres Scheiterns.

Aber die brennende Leidenschaft für ihre Arbeit und ihr ausgeprägter Stolz trugen sie durch die meisten Tage. Sie würde alles opfern, damit ihr neues Geschäft ein Erfolg wurde.

Doch in ihrem Herzen sah es anders aus. Es war schwer zu glauben, dass ihr Exfreund sie je geliebt hatte …

Sie presste die Handrücken gegen ihre Augen.

Rasch Duschen, ein schneller Kaffee und dann würde sie nach Hause fahren, um zu retten, was noch zu retten war.

Vermutlich würde sie Patrick nicht mehr sehen. Das wäre auch das Beste so.

Auf dem Weg zum Bad seufzte sie. Wem machte sie da gerade etwas vor?

In Wahrheit hatte sie beim Gedanken an seinen großen, muskulösen Körper, den dunklen Haaren und seiner leicht gebräunten Haut, die das Blau seiner Augen noch betonten, Schmetterlinge im Bauch.

Als sie geduscht und angezogen im Begriff war, die Schlafzimmertür zu öffnen, entdeckte sie eine Nachricht, die unter der Tür durchgeschoben worden war. Sie hob sie vom Boden auf und las die kurze Nachricht.

Aideen,

ich fahre Sie zurück zu Ihrem Cottage. Machen Sie sich Frühstück in der Küche. Ich treffe Sie um neun Uhr in der Eingangshalle.

Patrick

Das war ein großzügiges Angebot, aber das musste sie allein erledigen. Sie hatte schon genug von seiner Zeit in Anspruch genommen.

Dann las sie die Nachricht noch einmal durch und die unangenehme Wahrheit dämmerte ihr. Bot er ihr das nur an, damit sie auch wirklich sein Anwesen verließ? Vor Scham brannten ihre Wangen.

Sie schaute auf die Uhr. Es war noch nicht einmal acht. Sie würde ihn suchen und ihm versichern, dass sie seinen Besitz verließ und seiner Hilfe nicht bedurfte.

Eine halbe Stunde später hatte sie das ganze Haus durchstreift, aber keine Spur von ihm entdeckt.

Sie schrieb ihm gerade eine Nachricht in der Küche, als die Tür der Kleiderkammer aufschwang.

Über seiner grauweißen Reithose und den schwarzen Reitstiefeln trug er ein hellgrünes Hemd, die oberen drei Knöpfe standen offen und enthüllten dunkles Brusthaar. Auf seiner Haut schimmerte ein dünner Schweißfilm.

Er blieb stehen, als er Aideen entdeckte.

„Guten Morgen.“ Mit großen Schritten durchquerte Patrick die Küche. „Machen Sie sich Frühstück. Ich dusche schnell. Bis neun Uhr bin ich fertig.“

Er wirkte so schroff, dass sie ihren Eindruck, er wolle sie so rasch wie möglich los werden, bestätigt sah. Sie verbarg ihre Verlegenheit hinter einem fröhlichen Lächeln. „Vielen Dank für das Angebot, aber es gibt keinen Grund, mich zu fahren. Ich bin Ihnen schon lange genug zur Last gefallen.“ Stirnrunzelnd drehte er sich zu ihr um. „Ich hole mein Auto unten bei der Brücke. Ein Spaziergang tut mir eh ganz gut“, fügte sie erklärend hinzu.

„Ich komme mit.“

Traute er ihr nicht? War er immer so hartnäckig?

„Nein, ehrlich. Sie haben bereits genug für mich getan.“

Er lehnte sich gegen die Kochinsel in der Mitte der Küche. „Aideen, argumentieren ist zwecklos. Ich habe mich entschieden.“

Sein bestimmendes Verhalten ging ihr auf die Nerven. „Ich fahre allein zum Cottage.“

„Warum?“

Himmel. „Weil ich allein zurechtkomme. Ich bin für das Cottage verantwortlich. Und ich habe keine Zweifel, dass Sie ein vielbeschäftigter Mann sind.“

„Ich fahre Sie. Ende und Aus.“

Sie lachte kurz auf und bemerkte scherzhaft. „Sie müssen mich nicht persönlich von Ihrem Anwesen eskortieren. Ich gehe auch so.“

Er schien ihren Kommentar nicht im Geringsten komisch zu finden, denn es traf sie ein verärgerter Blick. „Glauben Sie wirklich, dass ist der Grund, warum ich Sie zu Ihrem Cottage fahren möchte?“

Angestachelt durch seine Wut forderte sie ihn heraus. „Welchen anderen Grund sollten Sie sonst haben?“

Der Blick seiner blauen Augen durchbohrte sie förmlich. Schließlich sagte er mit ruhiger Stimme. „Warum können Sie nicht einfach akzeptieren, dass ich Ihnen helfen will?“

Er umrundete den Tisch und stellte sich neben sie. Hitze durchströmte ihre Adern.

Wortlos wartete er, bis sie ihn anschaute. „Lassen Sie mich Ihnen helfen.“

„Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, aber ich komme allein zurecht.“

Unglücklich schaute er sie an. „Wie Sie wünschen.“

Mit diesen Worten ging er aus der Küche, ohne sich umzusehen.

Zum zweiten Mal in weniger als zwölf Stunden klopfte Aideen an die Eingangstür ihres Nachbarn. Schon beim ersten Mal hatte sie es gehasst, um Hilfe bitten zu müssen, jetzt war es um das Zehnfache schlimmer.

Während sie auf Antwort wartete, schaute sie zurück zu ihrem Auto. Glücklicherweise war es sofort angesprungen und nur der Boden war etwas feucht. Die Dateien und die Büroausstattung, die sie auf dem Rücksitz und im Kofferraum deponiert hatte, hatten den Sturm und die Überschwemmung unbeschadet überstanden.

Das konnte man von ihrem Cottage leider nicht behaupten.

Sie musste klar denken. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Die Arbeit. Die Fristen. Die Versicherungsansprüche. Wo sollte sie nur einen seriösen Bauunternehmer finden, der die nötigen Reparaturen durchführte?

Sie hörte das Quietschen der Eingangstür und drehte sich um.

Eine Frau in mittleren Jahren stand vor ihr und schaute sie verwundert an. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Kann ich bitte mit Patrick sprechen?“

Die Frau wirkte fast schockiert. Rasch fügte sie hinzu. „Ich bin Aideen Ryan. Ich lebe im Fuchsia Cottage, unten am Meer. Ich habe Ihren Verwalter am Eingangstor getroffen. Er repariert gerade die Schäden, die durch den Sturm gestern Nacht entstanden sind. Patrick hat ihm von der Überschwemmung meines Cottage erzählt. Er hat mich hereingelassen, als ich ihm gesagt habe, dass ich noch einmal mit Patrick sprechen muss.“

„Oh, Sie Arme. Natürlich. Kommen Sie herein. Die Hälfte des Dorfes wurde überflutet. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.“

Die Frau führte sie in einen großen Empfangsraum neben der Eingangshalle, während sie unaufhörlich weiterredete.

„Sie haben mich völlig überrumpelt. Hier kommen nicht viele Besucher vorbei. Machen Sie es sich bequem. Ich sage Patrick Bescheid, dass Sie hier sind.“

Es dauerte ewig, bis der Milliardär endlich erschien, sodass sie schon befürchtete, er würde sich weigern, sie noch einmal zu sehen.

„Ich bin wieder da“, sagte Aideen verlegen.

„Das sehe ich“, entgegnete er mit verschlossener Miene.

Sie atmete tief durch. Nur ihre Arbeit zählte. Daher konnte ein wenig Demut nicht schaden. „Mein Cottage ist unbewohnbar. Die Versicherungsgesellschaft schickt morgen einen Gutachter. Ich habe versucht, nach Mooncoyne zu fahren, aber die Brücke ist immer noch unpassierbar. Ich habe mich gefragt, ob es möglich wäre, hier zu arbeiten … bis das Wasser zurückgegangen ist.“

Mit unergründlichem Blick musterte er sie.

„Es ist nur so, dass ich heute einen Auftrag fertigstellen muss und dafür brauche ich Zugang zum Internet.“

„In welchem Zustand ist das Cottage?“

Leichte Übelkeit befiel sie. Doch sie biss die Zähne zusammen und zwang sich zu sprechen. „Das Cottage und das Studio stehen unter Wasser. Die meisten meiner Möbel müssen vermutlich ersetzt werden. Grob geschätzt, und nachdem ich mit der Versicherungsagentur gesprochen habe, ist es mindestens einen Monat nicht bewohnbar.“

Sie tat gelassen ob der Situation, aber sie täuschte ihn nicht. Das Ausmaß des Sturms hatte er exakt so vorhergesehen. Frustriert knirschte er mit den Zähnen. Warum war sie nur so stur gewesen, sein Angebot abzulehnen? Heute Morgen hatte er noch Zeit gehabt, jetzt war er bis zum Ende des Tages in Besprechungen. Er würde ihr fünfzehn Minuten geben, um sie von seinem Plan zu überzeugen. Dann musste er zurück, um seinen Kauf zum Abschluss zu bringen. „Was ist mit Ihren persönlichen Sachen? Sind diese unbeschadet?“

„Meine Kleidung hat überlebt, aber meine Schuhe leider nicht.“ Sie lächelte traurig und fuhr mit stockender Stimme fassungslos fort: „Schuhe, sie sind zwar die geringste meiner Sorgen … aber ich habe sie so geliebt!“

„Wo werden Sie wohnen?“

„Das weiß ich noch nicht … Ich habe das Harbour View Hotel angerufen, aber sie sind heute komplett ausgebucht. Das Gleiche gilt für alle Bed and Breakfasts im Umkreis von fünfzehn Kilometern. Ich werde mich wahrscheinlich in eines der Hotels in Ballymore einmieten.“

„Die liegen doppelt so weit weg. Da wird es schwierig für Sie werden, die Renovierungsarbeiten zu überwachen. Ich werde William, meinen Verwalter, bitten, dies für Sie zu übernehmen.“

Ungläubig starrte sie ihn. „Warum wollen Sie das tun?“

„Weil Sie sich auf Ihre Arbeit konzentrieren müssen. Sie haben keine Zeit dazu, den ganzen Tag durch die Gegend zu fahren und Bauunternehmern hinterherzujagen.“

„Warum?“ Müde rieb sie sich mit den Händen über ihr Gesicht und schaute ihn flehend an. „Warum tun Sie das?“

Patrick trat einen Schritt auf sie zu und schaute auf sie hinunter. Himmel, war sie stur. „Vielleicht einfach, weil ich Ihnen helfen will. Nichts weiter.“

„Ich kann Ihre Hilfe nicht annehmen.“

„Warum nicht?“

„Weil ….“

Diese Frau war unmöglich. Warum nahm sie seine Hilfe nicht an? Sie war genauso schlimm wie Orla.

„Aideen, könnten Sie aufhören zu nerven und zustimmen, dass William Ihre Renovierungsarbeiten beaufsichtigt …? Das ist keine große Sache. Außerdem habe ich wichtigere Dinge zu tun, als meine Gründe zu diskutieren.“

Für sie war es eine große Sache. Sie musste es allein schaffen.

„Sie kennen mich noch nicht einmal“, sagte sie verwirrt.

„So? Sie sind meine Nachbarin. Das ist Grund genug, Ihnen zu helfen.“

Aus seinem Mund klang alles so einfach. Und einen Augenblick lang wollte sie ihm glauben, doch der Wunsch, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten, war stärker. „Ich will nicht undankbar klingen. Ihr Angebot ist supernett, aber ich muss das mit der Renovierung allein hinkriegen.“

„Und wenn darunter Ihre Arbeit leidet?“

Die Wahrheit seiner Worte traf sie mit voller Wucht. Ballymore lag über dreißig Kilometer entfernt, über kurvenreiche Straßen. Die Beaufsichtigung der Renovierungsarbeiten und die Leitung ihres Geschäfts von einem Hotelzimmer aus würden ein Albtraum werden.

„Ich krieg das hin“, wiederholte sie widerspenstig.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie. „Sie sind dickköpfig.“

„Das ist mir nicht neu“, murmelte Aideen.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr Geschäft muss erste Priorität für Sie haben. William kümmert sich um die Renovierung. Sie ziehen hier ein, bis das Cottage wieder bewohnbar ist, und am Sonntag fliegen Sie mit mir nach Paris.“

Im ersten Moment wunderte er sich über seine eigenen Worte. Fast wurde ihm mulmig zumute. Kam da ein Haufen Schwierigkeiten auf ihn zu, wenn er diese Frau in sein Leben ließ? Doch in der nächste Sekunde verwarf er seine Zweifel. Er tat das Richtige. Sie brauchte seine Hilfe. Selbst wenn das Entsetzen in ihrem Blick ihm sagte, dass sie noch nicht bereit dazu war.

Wie betäubt starrte Aideen ihn an und wartete auf ein Zeichen, dass er nur scherzte. Aber es zuckte nicht um seinen Mund … und sein Blick wurde nicht weicher.

Ungläubig lachte sie auf. „Meinen Sie das ernst?“

„Ja. Ich habe die ganze nächste Woche Meetings in Paris. Sie haben selbst gesagt, dass Sie Ihre Kunden persönlich aufsuchen müssen. Das ist Ihre Gelegenheit. Ich habe ein Schloss in der Nähe von Paris, in dem Sie auch wohnen können.“

„Aber ich würde stören.“

„Sie kennen die Größe von Ashbrooke. Mein Schloss bei Paris ist ähnlich groß. Sie können sich dort vorübergehend ein Studio einrichten. Wir können uns aus dem Weg gehen.“

Kopfschüttelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Sie haben mir gestern Abend erklärt, dass Sie gerne für sich sind … genau wie ich. Das würde nicht funktionieren.“

„Wir führen unser eigenes Leben. Ich biete Ihnen lediglich ein Bett und einen Platz zu arbeiten an. Hier und in Paris. Sie kommen und gehen, wann Sie wollen. Mein Fahrer steht Ihnen bei Bedarf zur Verfügung. Was ist daran kompliziert?“

„Aber warum?“

„Was haben Sie nur immer mit Ihren Fragen? Warum glauben Sie mir nicht einfach, dass ich nur ein guter Nachbar sein will? Dass ich das Richtige tue. Ich bewundere Ihre Beharrlichkeit und ich möchte Ihnen dabei helfen, Ihr Geschäft wieder aufzubauen. Ich glaube, dass Sie Hilfe brauchen, aber nur zu eigensinnig sind, das zuzugeben.“

Angesichts seiner überzeugenden Worte schwankte sie. „Ich zahle es Ihnen zurück.“

„Ich will Ihr Geld nicht. Können Sie es nicht einfach als freundliche Geste unter Nachbarn akzeptieren?“

„Ich zahle Miete.“

Ergeben hob er die Hände. „Einverstanden. Sie können mich bezahlen, wenn Sie das Geld von der Versicherung bekommen. Jetzt muss ich zurück an meine Arbeit. Ich zeige Ihnen noch die Bibliothek, wo Sie arbeiten können. Nehmen Sie dasselbe Gästezimmer, in dem Sie gestern Nacht geschlafen haben.“ Als sie draußen im Flur standen, fügte er hinzu. „Bitte wenden Sie sich an meine Haushälterin Maureen, die Sie eben kennengelernt haben, wenn Sie etwas brauchen. Ich werde William bitten, Sie anzurufen, damit Sie gemeinsam die Renovierungspläne besprechen können.“

Sie folgte ihm zur Bibliothek. War sie verrückt geworden, darauf einzugehen? Aber sein Vorschlag war die beste Lösung für sie. Hatte sie nicht selbst gesagt, sie täte alles, um ihr Unternehmen erfolgreich zu machen? Wäre es wirklich so hart, für einen Monat in dieses Haus zu ziehen? Sie hätte einen Raum, um zu arbeiten, sie wäre in der Nähe des Cottage, um die Arbeiten zu überwachen. Und sie konnte nach Paris.

Da gab es nichts zu überlegen. Aber kam sie wirklich damit klar, mit Patrick unter einem Dach zu leben? Diese seltsame Anziehungskraft zwischen ihnen …

Aber er begrüßte sie ja nicht gerade mit offenen Armen. Er war ein beschäftigter Mann, der viel in der Welt herumreiste. Vielleicht liefen sie sich auch nur selten über den Weg, solange sie hier war.

Eine Weile später, als sie auf dem Weg war, ihre Sachen aus dem Auto zu holen, schaute sie sich um und bemerkte, dass er ihr mit düsterem Blick folgte.

Wie lange würde es wohl dauern, dass er es bereute, sie aufgenommen zu haben? Wenn er es nicht bereits tat …?

4. KAPITEL

Montagmorgen. Sonntag waren Patrick mit seiner Nachbarin nach Paris geflogen und heute lag eine Reihe von Terminen vor ihm. Der Geschäftsabschluss war Freitagabend erfolgreich über die Bühne gegangen.

In der Bibliothek des Schlosses hatte er Aideen ein Studio eingerichtet und sie wollte den Tag nutzen, um Termine mit potenziellen Kunden zu organisieren.

Patrick joggte an der Gartenmauer des Grundstücks entlang und setzte zu einem Sprint an. Gestern Abend hatte er mit seinem französischen Managementteam zu Abend gegessen. Damit war er Aideens Angebot, für sie beide zu kochen, mit einer plausiblen Begründung höflich entkommen.

Sie hatten beide im Flugzeug gearbeitet, aber sein Blick war immer wieder zu ihr hinübergewandert. Es faszinierte ihn, wie vertieft sie in ihre Arbeit war. Vergeblich hatte sie versucht, ihr Haar in einem Dutt zu bändigen. Konzentriert schaute sie auf den Bildschirm, während sie gedankenverloren mit ihren langen Fingern über ihren Nacken strich. Wie sich ihre Hand wohl auf seiner Haut anfühlen würde?

Nach diesem Gedankenspiel hielt er die Idee eines gemeinsamen Abendessens für eine zu große Versuchung. Er musste auf Abstand bleiben.

Er nahm zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe vom Garten zur Steinterrasse hinaufrannte, die die ganze Rückseite des Schlosses aus dem sechzehnten Jahrhundert einnahm. Er betrat das Haus und lief in Richtung Küche. Roch er richtig? War das etwa Backduft?

Auf der Kochinsel lagen Lebensmittel und Küchengeräte wild verstreut. Die Schalen ausgepresster Orangen, ein aufgeklappter Eierkarton und eine offene Milchtüte lagen gefährlich nah am Rand. Die Arbeitsplatte dahinter war mit Backformen und Schüsseln übersät.

Er hörte Schritte im Gang und drehte sich um. Mit glänzenden Augen und rosigen Wangen kam Aideen strahlend auf ihn zu. Sie hatte einen großen Strauß bunter Tulpen im Arm und einen Karton Eier in der Hand. Das weiche kastanienbraune Haar fiel ihr in glänzenden Locken über den Rücken.

„Oh, Sie sind zurück.“ Sie warf ihm ein kurzes Lächeln zu, bevor ihr Blick schuldbewusst zu dem Chaos hinter ihm wanderte. „Ich habe noch nicht mit Ihnen gerechnet.“

„Was ist mit der Küche passiert?“

„Ich mache Frühstück. Ich hoffe, das stört Sie nicht.“

Und ob. Er wollte seine Küche in sauberem und aufgeräumtem Zustand. Nicht in diesem Chaos.

Sie ging an ihm vorbei und fing an, die Küchenschränke zu durchsuchen.

Zähneknirschend widerstand er dem Drang, das Durcheinander in der Küche zu beseitigen. Sein Magen dagegen knurrte, als ihm der süße Geruch in die Nase stieg.

Sie packte die Blumen in eine Vase, die sie im Schrank gefunden hatte, und stellte sie auf den Küchentisch. „Ich habe heute Morgen Ihren Gärtner getroffen. Er hat mir sein Fahrrad geliehen, damit ich ins Dorf fahren konnte. Später dann sind mir die Eier ausgegangen und ich musste noch einmal los. Die Fahrt hinunter ist leicht, aber den Hügel wieder rauf zu fahren hat es in sich. Die Landschaft ist wunderschön. Und das Dorf ist so reizend. Als ich wiedergekommen bin, hat er mir diese Blumen aus dem Garten geschenkt. Sind sie nicht traumhaft?“

Die Tulpen waren wunderschön, aber etwas störte ihn … Sie schufen eine zu heimelige Atmosphäre.

Erwartungsvoll schaute sie ihn an. Als er nicht antwortete, lächelte sie unsicher, bevor sie die Ärmel ihrer gestreiften Bluse umkrempelte.

„Ich räume hier auf und dann mache ich Frühstück. Zu Ehren Frankreichs mache ich oeufs en cocotte.“

Verwirrt schaute er sie an. Allmählich wurde ihm klar, dass sie davon ausging, mit ihm gemeinsam zu frühstücken.

Für einen kurzen Augenblick war er versucht, diesem verlockenden Angebot nachzugeben, aber dann erhaschte er einen Blick auf ihren weißen Büstenhalter, als sie sich nach vorne beugte, um auf dem Boden verschüttete Milch wegzuwische, und er war mit einem Schlag wieder zurück in der Realität.

Das war nicht Teil der Vereinbarung. Ein Bett und ein Büro … und so wenig Kontakt wie möglich. So war die Absprache. Nicht diese gemütliche Häuslichkeit. Nicht diese Frühstücksroutine, die rasch zur Gewohnheit werden konnte. Er wollte sich am Morgen nicht gleich als Erstes nach einer Frau verzehren.

„Ich frühstücke nicht.“

Es stimmte fast. Normalerweise machte er sich Toast und einen Kaffee und nahm beides mit in sein Büro.

Sie war gerade dabei, alle leeren Packungen von der Kochinsel wegzuräumen, als sie kurz innehielt und ihm einen raschen Blick zuwarf. „Das ist doch unvernünftig. Nach dem Sport sollte man etwas essen.“

Seine Haltung versteifte sich, und seine Wangenmuskeln zuckten. Er nahm sich einen Becher aus dem Schrank und ging zur Kaffeemaschine.

An der Küchenspüle wusch sie den Lappen aus, bevor sie sich zu ihm umdrehte und ihn anschaute. „Essen Sie etwas. Ich wollte mich dafür bedanken, dass ich hier sein kann. Für den Flug … die Unterkunft. Ich habe Croissants und ein Baguette zum Aufwärmen im Backofen.“ Sie verzog das Gesicht. „Mein erster Versuch von oeufs en cocotte, gestockte Eier im Ofen, ist nicht so ganz geglückt, daher musste ich noch rasch neue Eier kaufen, aber in zehn Minuten sind sie fertig.“

„Ich weiß dieses Angebot zu schätzen, aber ich bleibe bei meinem üblichen Kaffee.“

„Wenn Sie schon nichts essen, dann lassen Sie mich Ihnen wenigstens einen Kaffee machen“, bat sie ihn enttäuscht.

„Wenn Sie darauf bestehen“, entgegnete er und warf ergeben die Arme in die Luft. „Einen doppelten Espresso.“

„Ich habe draußen im Hof den Tisch gedeckt. Wenn Sie möchten, können Sie sich bereits raussetzen. Ich bringe Ihnen dann den Kaffee.“

Er schaute nach draußen und erspähte den gedeckten Tisch. Auf einem Leinentischtuch standen neben Salz- und Pfefferstreuer sein feines Porzellan und die geschliffenen Gläser sowie eine Karaffe mit frisch gepresstem Orangensaft. Im Hof blühten die Frühlingsblumen in voller Pracht und das Ganze erinnerte an ein Magazinfeature über ein romantisches Frühstück.

„Danke, aber ich bleibe hier. Ich muss gleich an meine Arbeit.“

Am Küchentisch checkte er auf seinem Tablet-PC die neuesten Nachrichten. Er versuchte, sich auf die verschiedenen Kommentare der Marktanalysten zu konzentrieren, aber Aideen schaltete eine fröhliche Frühstückssendung im Radio ein. Die DJs sprachen in schnellem Französisch und klangen wie aufgedrehte Kinder.

Und nicht genug, sie plauderte über dieses hysterische Gelächter hinweg auf ihn ein. „Was für ein wunderschöner Morgen! Als ich heute zur Bäckerei gefahren bin, hat mich das an den Sommer erinnert, den ich hier als Studentin verbracht habe. Ich habe ein Praktikum in einem Modeatelier gemacht und hatte keinen Pfennig. Den ganzen Sommer über habe ich nur Baguette gegessen. Ich habe immer wieder sehnsüchtig vor den Patisserien gestanden und gehofft, mir ein Eclair oder mein Lieblingsgebäck, einen Millefeuille, kaufen zu können.“

Sie redete immer weiter, während sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte.

„Brauchen Sie Hilfe?“

„Nein, alles in Ordnung. Ich kriege das schon hin.“

Patrick starrte auf die Finanzberichte, ohne auch nur ein Detail aufzunehmen. Er hatte nur Augen für ihren wohlgeformten Po und ihre langen Beine, die in ihrer engen Jeans sanft betont wurden. Seine gute Laune schwand.

Warum glaubte er manchmal, dass sie die schönste Frau war, der er je begegnet war? Nur weil er seit zwei Jahren mit keiner Frau mehr zusammen gewesen war? Es lag nicht nur an ihrem hübschen Äußeren, es war ihre Persönlichkeit. Ihre Fröhlichkeit und die Willensstärke, die manchmal aufblitzte.

Er atmete fast erleichtert auf, als sie schließlich einen Becher Kaffee vor ihm abstellte.

„Milch oder Zucker?“

„Nichts von beidem, danke.“

Gütiger Gott. Das war der stärkste Kaffee, den er je getrunken hatte.

„Er schmeckt nicht, richtig?“

Mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck wartete sie auf seine Antwort.

Er lehnte sich im Stuhl zurück und zog eine Augenbraue hoch. „Da bleibt der Löffel drin stehen.“

„Ich mache Ihnen einen neuen.“

„Nein!“ Das hielt die Kaffeemaschine nicht aus.

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Ich nehme an, Sie sind kein Morgenmensch?“

„Richtig. Ich mag guten Kaffee, Ruhe und vorzugsweise eine saubere Küche, kein Schlachtfeld.“

Eine Mischung aus Wut und Gekränktheit blitzte in ihren Augen, bevor sie sich abwandte.

Sie stellte das Radio ab und wischte anschließend rasch die Arbeitsplatte sauber. Dann ließ sie in der Spüle heißes Wasser ein, um die benutzten Töpfe und Pfannen zu spülen.

Er war versucht, seinem hungrigen Magen und ihrem Geplauder nachzugeben. Den Tag einmal anders anzufangen als mit der üblichen Stille, die ihm gerade einsam vorkam.

Aber wenn ihr Miteinander funktionieren sollte, musste er standhaft bleiben. Es war besser, sie vor den Kopf zu stoßen, als eine unrealistische Erwartung zu schüren, wie ihre gemeinsame Zeit aussehen sollte.

„Ich gehe duschen.“

Wortlos nickte sie. Als Patrick an der Tür war, sagte sie. „Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken. Das war alles.“

Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn trotzig an.

Als er nicht antwortete, errötete sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe mir ziemlich viel Mühe gegeben.“

Er kam denselben Weg wieder zurück, bis er vor ihr stand und sie zu ihm aufschauen musste. „Erstens, ich frühstücke nicht. Zweitens, wir brauchen klare Grenzen, damit das hier funktioniert.“

„Was in aller Welt meinen Sie mit Grenzen?“

„Aideen, ich will Ihnen dabei helfen, Ihr Geschäft wieder aufzubauen. Nichts weiter.“

„Ich habe Ihnen Frühstück gemacht. Das ist alles. Was ist daran denn so schlimm?“

„Ich möchte nicht, dass Sie auf dumme Gedanken kommen.“

Sie richtete sich zu voller Größe auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Glauben Sie mir. Davon bin ich weit entfernt. Ein wortkarger und kontrollsüchtiger Workaholic ist das Letzte, was ich in meinem Leben suche.“

„Was meinen Sie mit wortkarg und kontrollsüchtig?“

„Sie hatten den nächsten Monat meines Lebens bereits geplant, bevor Sie überhaupt am Morgen nach dem Sturm mit mir gesprochen haben.“

„So? Das war aber auch die beste Lösung. Selbst Sie haben sich damit einverstanden erklärt.“

„Stimmt. Aber Sie haben nicht einen Moment lang versucht zu verstehen, wie schwierig es für mich war, diesen Vorschlag anzunehmen.“

„Was meinen Sie damit?“, fragte er verwirrt.

„Letztes Jahr habe ich nicht nur meine Firma, sondern auch meinen Stolz und meine Selbstachtung verloren. Ihre Hilfe anzunehmen kam mir wie ein erneutes Scheitern vor.“

„Das war nicht meine Absicht.“

„Ich weiß. Aber wenn Sie darüber nachgedacht hätten, wie ich mich fühle oder mich um meine Meinung gebeten hätten, dann wäre Ihnen das klar geworden.“

Da hatte sie nicht unrecht, aber das würde er ihr gegenüber nicht eingestehen. „Und warum wortkarg?“

„Meinen Sie diese Frage ernst? In den letzten zwei Tagen haben Sie kaum mit mir gesprochen.“ Sie biss sich auf die Lippe und musterte ihn, bevor sie fortfuhr. „Wenn Sie mich nicht in Ihrer Nähe haben wollen, warum haben Sie mich dann eingeladen zu bleiben?“

Ihre Offenheit machte ihn zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos. Dann wurde er wütend. „Ich frühstücke nicht … oder plaudere. Und ich werde nicht Ihr Freund. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, meine Arbeit wartet.“

Außer sich stürmte er davon, den langen Flur entlang und die Stufen hinauf in sein Schlafzimmer. Unterwegs riss er sich bereits das T-Shirt vom Leib.

Als er unter der Dusche stand, verteidigte er sich gedanklich gegen ihre Worte. Er war weder kontrollsüchtig noch wortkarg. Sie übertrieb. Was war falsch daran, bestimmend zu sein? Dieser Eigenschaft verdankte er es, es so weit gebracht zu haben.

Doch die Tatsache, dass ihre Worte einen Funken Wahrheit enthielten, sickerte allmählich in sein Bewusstsein.

Hatte ihn seine Arbeitswut unempfänglich für die Gefühle anderer gemacht? Ja, er war bestimmend und analytisch … aber überrollte er damit andere?

Als er sich anzog, begriff er endlich, warum es ihn so geärgert hatte, dass sie für ihn Frühstück machen wollte.

Es hatte ihn verwirrt, wie gut es tat, zu jemandem nach Hause zu kommen. Ihre strahlende und anziehende Erscheinung hatte ihn noch zusätzlich verunsichert. Es war so leicht, sich an ihre Gesellschaft zu gewöhnen und ihr zu verfallen.

Aideen fluchte leise und ließ den Kopf auf das weiche Holz des Bibliothekstischs sinken.

Konnte dieser Tag noch schlimmer werden? Zuerst hatte sie es mit Patrick beim Frühstück vermasselt. Ihre kleine Dankesgeste war komplett in die Hose gegangen. Warum hatte sie ihn nicht einfach gehen lassen? Spielte es wirklich eine Rolle, warum er ihre Frühstückseinladung nicht annehmen wollte?

Kurz darauf hatte er sich mit einem knappen Kopfnicken in seine Besprechungen verabschiedet und sie hatte den Tag allein in diesem wunderschönen Schloss verbracht, das auf einem Hügel mit Aussicht auf die Seine lag. Sie war verärgert wegen ihres Streits, aber sie durfte sich am Telefon nichts anmerken lassen, da sie Kundenbesuche für die nächsten Tage organisieren musste.

Mehrmals war sie direkt an der Zentrale abgewimmelt worden, aber sie hatte schließlich genügend Termine vereinbart, damit sich ihre Reise lohnte. Es waren sogar einige Geschäftspartner von früher dabei.

Gerade erst hatte sie ein Telefonat mit einem ehemaligen Kunden beendet. Das ganze Gespräch war eine angespannte Mischung aus anstrengenden Fragen und peinlichem Schweigen gewesen. Völlig durcheinander hatte sie aufgelegt.

„Ein schwieriges Telefonat?“

Sie schnellte mit dem Kopf hoch und ihr Magen zog sich zusammen, als sie Patrick im Türrahmen stehen sah.

„Das Übliche.“

Sie war sauer auf ihn, verletzt und beschämt. Daher brachte sie es nicht über sich, ihn anzuschauen. Doch als er zu ihr hinüberkam und sich auf den Tisch setzte, an dem sie arbeitete, hatte sie keine andere Wahl.

„Es tut mir leid, dass ich so unordentlich bin … und die Küche so in Beschlag genommen habe. Ich wollte mich mit dem Frühstück einfach nur bei Ihnen bedanken. Das ist vermutlich kräftig nach hinten losgegangen.“

„Sie brauchen sich nicht bei mir zu bedanken. Es ist einfach nur ungewohnt für mich, dass ich mein Zuhause mit jemandem teile.“

Sie war erst einen Tag hier und er bereute es schon. Verlegen sortierte sie einige Bücher, packte eine Handvoll Textmarker und Stifte in Blechbüchsen; dankbar, dass ihr langes Haar ihr Gesicht verbarg, das vor Scham glühte.

„Ich kann auch wieder ausziehen, wenn das für Sie so nicht funktioniert.“

Als er mit der Hand ihren Arm berührte, zuckte sie überrascht zurück. Ihre Kehle wurde trocken und ihr Magen flatterte. Wie gelähmt starrte sie auf seine dichten dunklen Augenbrauen, die er genervt zusammenzog.

„Nein, davon rede ich nicht. Ich meine, dass jeder von uns Raum braucht, aber sich gleichzeitig an die Art des anderen gewöhnen muss. In letzter Zeit habe ich durch den Job ziemlich unter Druck gestanden. Es mag daher sein, dass ich voreilige Entscheidungen getroffen habe, ohne ihre Gefühle dabei zu berücksichtigen.“

Auf fast törichte Weise war sie ihm nach diesen Worten nicht mehr böse.

„Versuchen Sie etwa gerade, sich zu entschuldigen?“, neckte sie ihn.

„Sieht so aus“, räumte er ein.

„Das bedeutet also, dass ich Ihre Küche nicht mehr in Unordnung bringe und Sie versuchen, nicht mehr so mürrisch zu sein?“

„Und ich gewöhne es mir an, zu frühstücken“, entgegnete er scherzhaft.

„Einverstanden.“

Er schuf etwas mehr Abstand zwischen ihnen. „Möchten Sie jetzt über das Telefonat sprechen? Wer ist Ed?“

Ihr Magen drehte sich um. Der Designer hatte sie geradeheraus gefragt, warum er sich nicht weiter von Ed beraten lassen sollte. Sie hatte ihre Erfolgsbilanz und ihre kostengünstigen Preise genannt, aber ihn damit nicht überzeugen können.

Ed verstand sich darauf, die Wahrheit zu seinen Gunsten und auf ihre Kosten zu verdrehen. Es würde zu nichts führen, wenn sie erklärte, dass Ed einen Großteil ihrer Entwürfe als seine eigenen deklarierte. Der Designer würde ihr vermutlich nicht glauben. Leider fehlten ihr die finanziellen Mittel, um Ed zu verklagen.

Und Patrick hatte dieses Gespräch mit angehört.

Ihre Wangen färbten sich verräterisch rot. Aus Scham und Verlegenheit hatte sie ihrer Familie und ihren Freunde nur wenige Einzelheiten erzählt. Wie sollte sie dann einem Milliardär erklären, wie naiv und vertrauensvoll sie gewesen war? Dieses tolle Schloss allein war der Beweis für seinen unglaublichen Erfolg und seinen offenkundigen Geschäftssinn.

So albern es auch klang, aber sie trug es ihm immer noch nach, dass er ihr Frühstück abgelehnt hatte. Außerdem fand sie ihn nach jeder Begegnung noch attraktiver, was sie allmählich verrückt machte.

Diese unterschiedlichen Gefühle kreisten in ihrem Kopf und machten sie sprachlos.

Sie hatte ihm den Rücken zugedreht, aber Patrick sah, wie ihre Finger zitterten, während sie Mappen und Schnitte auf dem Tisch verstreute, bis nichts mehr von der Oberfläche zu sehen war. Es war offensichtlich, dass sie so tat, als hätte sie seine Frage nicht gehört.

Wer war dieser Ed und was hatte er gegen sie in der Hand, dass sie so aufgelöst war? Ein Gefühl der Eifersucht machte sich in ihm breit. Er atmete tief durch. Das musste er unterbinden. Er würde ihr beruflich helfen. Nichts weiter. Und obwohl er natürlich neugierig war, würde er diese Frage vorerst zurückstellen.

Aideen kämpfte gerade mit einem leer gewordenen Pappkarton und seufzte leise vor sich hin. Zu seinem Erstaunen verspürte er den Wunsch, sie wieder lachen zu sehen und ihr die Befangenheit zu nehmen. Er trat an sie heran, nahm ihr die Schachtel aus der Hand und machte sie klein. Ein Blick auf den chaotischen Schreibtisch genügte. „So geht das nicht. Dieser Raum ist absolut nicht das Richtige. Kommen Sie mit.“

Er nahm ihre Hand und rannte fast mit ihr die langen Flure des riesigen Schlosses entlang.

„Wohin gehen wir?“

„Lassen Sie sich überraschen.“

Was in alles in der Welt hatte er vor? Eigentlich sollte sie arbeiten, aber es fühlte sich so gut an, hinter ihm herzulaufen und seine Hand zu halten.

Er führte sie zu einem großen Raum, der im Licht der Abendsonne lag und an den Garten grenzte. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in dem Parkettfußboden.

„Das ist die Orangerie. Sie können sie während Ihres Aufenthalts als Studio benutzen. Die Bibliothek ist zu dunkel und zu klein, gerade für jemanden wie Sie, der so gerne …“ Er überlegte kurz. „… Der so gerne seine Sachen um sich herum verteilt. Hier können Sie besser arbeiten. Es gibt draußen einen Abstellraum. Dort finden Sie einige Tapeziertische und andere Möbelstücke, die Sie nutzen können. Ich kann mein Personal bitten, Ihnen diese morgen früh hier reinzustellen oder wenn Sie möchten, machen wir das jetzt schnell selbst.“

Dieser Vorschlag überwältigte sie. Der Raum war ein Traum. Sie konnte ihm jetzt danken und von Rührung übermannt werden oder ihn frech aufziehen. „Haben Sie gerade gesagt, dass ich unordentlich bin?“

„Im Hinblick auf die Unterlagen, die Sie gerade in der Bibliothek verteilt haben … und der Zustand der Küche heute Morgen …, ja, dann kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass Sie unordentlich sind.“

Sie warf ihm erneut einen spöttischen Blick zu, um nicht zu zeigen, wie gerührt sie war. „Das wäre super. Das Licht und der Platz sind unglaublich. Vielen Dank.“

„Gut. Wie kommen wir nun an die Tische?“

Eine Weile später, als er ihr dabei half, eine Kiste auszupacken, deutete er auf ihr Firmenlogo.

„Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Little Fire?

„Das bedeutet Aideen auf Gälisch.“

„Das wusste ich nicht.“

„Es ist auch ein sehr passender Name für meine Firma. Mir schwebt eine kleine maßgeschneiderte Designberatung vor, die es so noch nie in der Branche gegeben hat. Eine Beratung, die wegen ihres leidenschaftlichen Engagements geschätzt wird.“

„Es passt auch zu Ihrer Persönlichkeit“, bemerkte er mit ausdrucksloser Miene, aber ein Hauch von Spott blitzte in seinen Augen auf.

„Verraten Sie mir, wer Ed ist?“

Sie wollte nicht. Am liebsten hätte sie ihn nie wieder erwähnt und in der Vergangenheit begraben, aber sie war ihm eine Antwort schuldig.

„Er war mein Geschäftspartner. Ich habe das Unternehmen gegründet, und er hat sich ein paar Jahre später eingekauft. Als ich Liquiditätsprobleme hatte, hat er mir mit einer Kapitalspritze geholfen. Wir haben an derselben Universität studiert. Er schien der Richtige für die Position als Teilhaber zu sein.“

„Ich höre da ein großes ‚Aber‘ zwischen den Zeilen.“

„Leider ein sehr großes. Er hat auf den Mehrheitsanteilen bestanden. Anschließend haben wir zu schnell expandiert und in falsche Projekte investiert. Ich hätte seiner Forderung nicht nachgeben dürfen, da dies zu einem Ungleichgewicht in unserer Partnerschaft geführt hat. Die letzte Entscheidung lag immer bei ihm. Wir haben angefangen, uns zu streiten. Schließlich wurde klar, dass er mich aus der Firma drängen wollte. Er hat mir das Leben schwer gemacht. Ich habe versucht durchzuhalten, aber am Ende blieb mir keine andere Wahl, als zu gehen.“

„Was hat er getan?“, fragte er düster.

Um ihn nicht ansehen zu müssen, fing sie an, Stoffproben nach Farben zu sortieren.

„Er hat meine Entscheidungen verworfen, mich vor Kunden herabgesetzt. Er hat hässliche Gerüchte über mich in die Welt gesetzt, unter anderem, dass ich nicht teamfähig sei.“

„Ist das der Grund, warum Sie Kundenbesuche vermeiden?“

„Ja. Es ist so peinlich. Ich weiß nicht, was er den Kunden alles erzählt hat und ob sie ihm das geglaubt haben. Ich hoffe nicht … Aber ich werde alles tun, damit ich erfolgreich bin. Ich liebe meine Arbeit, die damit verbundene Kreativität und die Möglichkeit, mit anderen Designern zu arbeiten. Kein Tag ist wie der andere. Ich muss nur dafür sorgen, dass ich mir rasch einen Kundenstamm aufbaue, um meine laufenden Kosten decken zu können.“

Sie schaute hoch und sah ihn an.

„Und wissen Sie was? Ich möchte beweisen, dass Ed sich geirrt hat. Er hat behauptet, dass ich es nicht allein schaffe.“

„Das ist nachvollziehbar. Aber verwenden Sie Ihre Energie nicht darauf, sondern konzentrieren Sie sich lieber auf ihr Ziel.“

„Das werde ich sicher tun“, entgegnete sie schulterzuckend, obwohl sie nicht genau verstand, worauf er hinauswollte.

„Okay, dann sagen Sie mir, was Sie dieses Mal anders machen werden“, kam es postwendend von ihm zurück.

Das war eine gute Frage. Sie wollte eine Menge Dinge anders machen, aber hatte diese noch nicht klar definiert.

„Ich muss besser mit meinen Finanzen umgehen … nicht zu schnell expandieren“, erwiderte sie nach kurzem Nachdenken. „Regelmäßig Kunden besuchen und mich mit ihnen austauschen.“

Er nickte zustimmend, hatte aber bereits die nächste Frage parat. „Gut, aber was würden Sie auf strategischer Ebene anders machen?“

Darauf fiel ihr auf Anhieb keine Antwort ein, bis sie an ihren Kundenstamm dachte. „Ich muss mir gründlich überlegen, wer meine Zielgruppe ist. Vielleicht habe ich mich momentan noch zu breit aufgestellt.“

„Denken Sie über diese Punkte nach. Die sind wichtig. Nicht Ed. Verschwenden Sie keinen Gedanken mehr an ihn. Er ist es nicht wert. Sie haben die Firma verloren. Das ist eine harte Erfahrung, aber es ist vorbei. Jetzt müssen Sie sich auf die Zukunft konzentrieren.“

Ihr Puls raste bei seinen Worten, aber sie zwang sich zu lächeln. „Ich weiß. Sie haben recht. Ich muss in die Bibliothek und noch ein paar Unterlagen holen.“

Sie rannte förmlich aus dem Raum. Er rief ihr hinterher, aber sie wandte sich nicht um. Der Schmerz über den Verlust ihres Geschäfts saß noch zu tief, um einfach weitermachen zu können. Jedes seiner Worte stimmte, aber sie war noch nicht bereit, sich diese anzuhören … vor allen Dingen nicht von einem Milliardär.

5. KAPITEL

Zentimeterhohe Absätze zu tragen, wenn sie in der Pariser Metro von einem Termin zum nächsten jagte, war nicht gerade eine von Aideens besten Ideen gewesen.

Zumindest war ihr kurzärmeliges Button-down-Seidenkleid, das sie selbst entworfen und genäht hatte, bequem. Außerdem hatte es sofort das Interesse der meisten Designer erregt, die sie heute getroffen hatte und war der ideale Aufhänger, um ihre restliche Kollektion vorzustellen.

Ihre Zehen drückten in den neuen Schuhen, als sie den Hauptsitz von Europas führenden Online-Luxusmodehändlern verließ, aber sie bereute es nicht, Patricks Angebot, seinen Chauffeur zu nehmen, abgelehnt zu haben.

Es war schon schlimm genug, dass sie mit seinem Privatjet nach Paris geflogen waren und in einem unglaublich schönen Schloss wohnten. Sie konnte keine weitere Hilfe von ihm annehmen.

Heute Morgen waren sie zusammen nach Paris gefahren und Bernard, sein Chauffeur, hatte sie bei ihrem ersten Termin abgesetzt. Vor Aufregung konnte sie kaum sprechen und zum ersten Mal war sie dankbar für Patricks Schweigen.

Als Aideen ausstieg, hatte er sich mit den Worten ‚Glauben Sie an sich‘ verabschiedet und sie dabei so freundlich angesehen, dass sie fast ohnmächtig geworden war.

Sie trat durch die automatische Schiebetür nach draußen und blieb stehen. Das Gebäude lag an der Ecke einer Kreuzung von fünf Alleen. Wo war noch mal die nächste Metrostation? Und würde es seltsam aussehen, wenn sie barfuß ginge?

Und dann, ein kleines Stück weiter die Straße runter, entdeckte sie Patrick. Er lehnte gegen einen Laternenpfahl und beobachtete sie. Die Intensität seines Blicks ließ sie stocken. Und dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.

Ungläubig starrte sie ihn an. Er lächelte sie tatsächlich an. Wie gut sich das anfühlte.

Beseelt lächelte sie zurück. Es war ihr egal, wie albern sie wirken mochte. Für einige Sekunden lächelten sie sich einfach nur an.

Ihr Herz schlug wie verrückt und ihre Gefühle fuhren Achterbahn.

In seinem maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug sah er einfach umwerfend aus. Fußgänger, die an ihm vorbeiliefen, sahen sich zweimal nach ihm um.

Als sie auf ihn zulief, versuchte sie ihr Erröten zu verbergen und hantierte auffällig mit ihrem Laptop und den Mustern.

„Hi. Was machen Sie hier?“

„Sie haben mir erzählt, dass Ihr letzter Termin hier stattfindet. Also habe ich mir überlegt, vorbeizukommen und zu fragen, wie Ihr Tag gelaufen ist.“

Er sagte dies mit solcher Aufrichtigkeit, dass Aideen einfach sprachlos und lächelnd vor ihm stand.

Es war verrückt. Wie war sie nur mit diesem unglaublichen und gut aussehenden Mann, der sie gerade lächelnd ansah, in der Stadt der Liebe gelandet?

„Sie sehen glücklich aus.“

„Ich arbeite an meiner Wortkargheit.“

Sie unterdrückte ein Lachen, während sie ihn misstrauisch musterte. „Machen Sie sich über mich lustig?“

„Möglich. Wie wäre es mit einem Martini?“

Sie sollte ablehnen und Arbeit vortäuschen.

Autor

Kandy Shepherd

Kandy Shepherd liebte das Schreiben schon immer. Um ihrer Leidenschaft auch beruflich nachzukommen, wandte sie sich dem Journalismus zu, arbeitete für angesehene Frauenmagazine und machte sich in dieser Branche als Redakteurin schnell einen Namen. Sie mochte ihren Job – doch noch lieber wollte sie Geschichten schreiben! Also ließ sie den...

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Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

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