Romana Herzensbrecher Band 2

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TANZ UNTER DEN STERNEN HOLLYWOODS von GORDON, LUCY
Nachdem Charlene ihren Freund mit einer anderen erwischt hat, begegnet sie dem Schauspieler und Playboy Travis Falcon. Er tröstet sie und macht ihr ein verlockendes Angebot: Um seinen Ruf zu retten, soll sie seine Geliebte spielen. Nicht nur um es ihrem Freund heimzuzahlen, sagt sie Ja …

EIN PALAZZO FÜR DIE LIEBE von HOLLIS, CHRISTINA
Olivenhaine, Pinien, sanfte Hügel: In der Toskana hat Larissa einen alten Palazzo geerbt. Unerwartet bietet der faszinierende Antonio seine Hilfe bei der Renovierung an, und Hals über Kopf verliebt Larissa sich in ihn. Bis sie erfährt, wer der feurige Italiener wirklich ist ...

EIN CHARMANTER PLAYBOY von WINTERS, REBECCA
Bei Dreharbeiten in Los Angeles hat sie Riley Garrow kennengelernt, seitdem sehnt sich Annabelle nach dem Playboy. In Turin gibt sie sich seinen Küssen hin - und erlebt eine Überraschung: Er macht ihr einen Heiratsantrag. Nur von Liebe spricht er nicht...


  • Erscheinungstag 03.08.2018
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783733744700
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Gordon, Christina Hollis, Rebecca Winters

ROMANA HERZENSBRECHER BAND 2

1. KAPITEL

„Verdammt noch einmal, Travis, warum hörst du mir nie zu? Ich habe dich schon hundertmal gewarnt: Halt dich von zwielichtigen Nachtclubs fern!“

Denzil Raines, der Chef des Sandora-Studios in Los Angeles, versuchte, sich zu beherrschen. Das war gar nicht so einfach, denn Travis brachte auch den geduldigsten Menschen zur Verzweiflung.

Das Studio produzierte mehrere erfolgreiche TV-Serien. Aber keine war so beliebt und spielte so viel ein wie „Der Mann vom Himmel“, in der Travis Falcon die Hauptrolle spielte. Denzil wusste, dass er ihn ständig im Auge behalten musste, und das war ziemlich anstrengend.

Andererseits lohnte sich die Investition. Der junge Schauspieler, der seine Strafpredigt erdulden musste, war die Mühe mit Sicherheit wert. Er war schmal und athletisch gebaut, hatte markante Gesichtszüge, besaß umwerfenden Charme, und seinem Lächeln konnte niemand widerstehen. Travis war entschlossen, das Leben in vollen Zügen auszukosten. Deshalb zog er nachts oft um die Häuser und war immer offen für neue, aufregende Erfahrungen. Diese Bereitschaft strahlte er auch aus. Man sah es an der Art, wie er den Mund verzog, am Glanz seiner Augen. Ihn in Schach zu halten, war keine leichte Aufgabe, und schon mancher war daran gescheitert.

Travis stand am Fenster und betrachtete die Silhouette von Los Angeles. In der Ferne war das große, matt schimmernde Schild mit der Aufschrift HOLLYWOOD zu sehen. Seit über neunzig Jahren stand es jetzt schon da – als Symbol für die Stadt, in der Glanz, Unterhaltung und Geld eine glamouröse Einheit bildeten. Unverwandt musterte er den Schriftzug, als wollte er sich daran erinnern, wie weit er bereits gekommen war. Nach außen hin wirkte er entspannt, aber in Wirklichkeit war er sich der Brisanz der Situation sehr wohl bewusst.

„Ich wusste nicht, dass der Club einen schlechten Ruf hat“, erwiderte er schulterzuckend. „Mein Freund wollte dort seinen Junggesellenabschied feiern.“

„Junggesellenabschied?“ Denzil sah ihn ungläubig an. „Dann war ja wohl davon auszugehen, dass sich da halb nackte Mädchen herumtreiben würden. Das ist schließlich der Zweck einer solchen Veranstaltung. Du hättest sofort die Fliege machen sollen, anstatt … Schau dir das an!“

Wütend hielt er Travis eine Zeitung unter die Nase und zeigte auf ein Foto, auf dem ein junger Mann und ein Mädchen zu sehen waren. Der junge Mann saß auf einem Stuhl, sein Hemd stand offen. Das Mädchen auf seinem Schoß war nur spärlich bekleidet und hatte die Arme um seinen Hals geschlungen. Es küsste ihn hingebungsvoll. Man hatte nicht den Eindruck, als sei es dem Mann unangenehm.

„Warum hast du dich ihr an den Hals geworfen? War das wirklich nötig?“

„Ich habe mich ihr nicht an den Hals geworfen“, protestierte Travis. „Ich trank gerade ganz gemütlich meinen Whisky, als diese Lady …“

„Gemütlich? Was soll daran schon gemütlich sein? Und dieses Mädchen ist keine Lady. Die Frau wurde engagiert, um die männlichen Gäste zu ‚unterhalten‘. Das ist ihr bei dir ja auch offensichtlich gelungen.“

„Ich habe sie nicht dazu eingeladen, auf meinem Schoß zu sitzen.“

„Aber du hast sie auch nicht fortgeschickt.“

„Nein, das wäre zu unhöflich gewesen. Ich habe nur versucht, höflich zu sein.“

„Ach ja? Aus reiner Höflichkeit hast du mit ihr geschmust?“

„Komm schon, ich bin auch nur ein Mann“, wehrte Travis sich gegen die Angriffe seines Bosses. „Wenn ein halb nacktes Mädchen sich einem Typen an den Hals wirft, muss man sich revanchieren.“

„Genau das hast du ja auch gemacht“, fuhr Denzil ihn an. „Sie ist nicht die Einzige, die halb nackt ist. Schau dir nur dein Hemd an, offen bis zum Bauchnabel. Wie konnte das überhaupt passieren? Hat sie es aufgeknöpft oder du? Oder bist du so in den Club gekommen – in der Hoffnung, dass dich jemand anmachen würde?“

Travis stöhnte gequält auf. „Können wir es jetzt bitte dabei belassen? Ich hatte schließlich keine Ahnung, dass die Presse auch dort sein würde, okay?“

„Die Presse ist immer da, wo du dich herumtreibst. Das solltest du inzwischen wissen. Seit die Serie erfolgreich ist, folgen die Reporter dir auf Schritt und Tritt und versuchen, dir irgendwelche Skandale anzuhängen. Man kann nicht sagen, dass du es ihnen besonders schwer machst.“

„Ohne meinen Anwalt sage ich jetzt kein Wort mehr“, erwiderte Travis in dem Bemühen, die Situation durch einen Schuss Humor zu entschärfen.

„Gute Idee! Die Journalisten warten nur darauf, dir ein Bein zu stellen. Das hängt natürlich auch mit deiner Rolle zusammen.“

Die Serie „Der Mann vom Himmel“ war in der Filmbranche in aller Munde. Zunächst wirkte sie wie eine normale Krankenhaus-Seifenoper, mit dem jungen, gut aussehenden Dr. Brad Harrison, gespielt von Travis Falcon, in der Hauptrolle. Das Besondere an dieser Rolle war die Ambivalenz der Figur. Nach außen hin lebte Dr. Harrison asketisch wie ein Mönch, hatte dabei aber gleichzeitig einen umwerfenden Sex-Appeal. Das Gerücht, er sei kein gewöhnlicher Sterblicher, sondern ein Wesen aus einer anderen Dimension, hielt sich hartnäckig.

Diese Ambivalenz machte natürlich den Reiz der Rolle aus und hatte für den raketenhaften Aufstieg und Erfolg der Serie gesorgt. Die Produzenten waren wild entschlossen, die Nummer eins in der Zuschauergunst zu bleiben. Das gelang aber nur dann, wenn Travis sich im wirklichen Leben genauso tugendhaft wie Dr. Harrison verhielt.

„Du weißt doch, worauf alle warten – auf einen Skandal, der beweist, dass dieses himmlische Wesen auch nur seinen niederen Instinkten folgt, genau wie wir alle.“

„Ich bin aber kein himmlisches Wesen“, wehrte Travis empört ab.

Mir musst du das nicht sagen“, konterte Denzil. „Hör zu, lass uns Klartext reden. Die Zuschauer sind verrückt nach dir, die nächsten Folgen sind bereits fest eingeplant. Aber das Ganze wird nur funktionieren, wenn du dich im Privatleben ein bisschen zurückhältst. Ich sagte: ‚Ein bisschen‘, denn schließlich bin ich ja kein Unmensch. Ich will dir den Umgang mit Frauen nicht verbieten. Es geht nur um diese Art von Frauen.“

Travis betrachtete das Foto erneut und seufzte. „Du hast ja recht. Das war sehr leichtsinnig von mir. In Zukunft werde ich vorsichtiger sein, versprochen.“

„Es wäre gut, wenn du eine nette, anständige Freundin hättest. Jemanden, den man respektieren kann. Nun zieh nicht so ein Gesicht! Es geht doch nur darum, dass die Zuschauer dich nicht für einen Frauenhelden halten!“

„Aber ich bin ein Frauenheld!“

„Es steht eine Menge auf dem Spiel, Travis“, sagte Denzil beschwörend. „Deine Karriere. Das Geld, das wir verdienen können. Ich verlange ja schließlich nichts Unrechtes von dir. Du sollst einfach nur dein Leben in Ordnung bringen.“

„Also gut. Ich werde mich bessern.“

„Fein. Dann können wir gleich zum nächsten Punkt übergehen: was das Dinner heute Abend betrifft …“

Travis schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein, ich werde nicht dorthin gehen. Zwischen Brenton und mir hat es zu viel böses Blut gegeben.“

Er verabschiedete sich hastig und war froh, als er aus dem Zimmer heraus war. Doch im nächsten Augenblick klingelte sein Handy. Es war Pete, sein Agent.

„Ja?“

„Denzil hat mich gerade angerufen. Er ist total sauer, weil du heute Abend nicht auf die Party gehen willst.“

„Dabei bleibt es auch“, entgegnete Travis mit fester Stimme.

Heute Abend wollte Frank Brenton in großem Stil seinen sechzigsten Geburtstag feiern. Er war der Chef eines wichtigen Studios, ein sehr mächtiger Mann. Auch die Produzenten der Serie waren von seinem Wohlwollen abhängig.

„Er kann mich nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruht. Vergiss nicht, was er alles getan hat, um mir Steine in den Weg zu legen. Am besten, wir beide laufen uns gar nicht über den Weg.“

„Gut, ich werde mit Denzil darüber sprechen. Aber was den Zeitungsartikel betrifft, muss ich ihm leider recht geben.“

„Warum, zum Teufel, soll ich der Einzige sein, der in L. A. ein tugendhaftes Leben führt?“

„Weil dich das von den anderen unterscheidet, und weil es uns eine Menge Geld einbringt. Ruhm und Geld sind dir doch nicht plötzlich egal, oder?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Dann reiß dich zusammen!“

„Was heißt das?“

„Hab deinen Spaß, aber sei diskret. Zeig dich in der Öffentlichkeit nur noch mit Frauen, die einen guten Ruf haben. Vergiss nicht, es gibt Hunderte von Schauspielern, die nur darauf warten, dich zu ersetzen.“ Nach diesen Worten legte er auf.

„Grrrr!“ Wütend starrte Travis sein Handy an, dann steckte er es ein.

Natürlich war ihm klar, dass Pete und Denzil recht hatten. Er konnte es sich nicht leisten, über die Stränge zu schlagen. Dafür war sein Ruhm noch zu jung und seine Position in der Filmindustrie viel zu unsicher.

Als sie sich dem Studio näherte, holte Charlene tief Luft. Jetzt oder nie war ihre Devise. Entweder würde sie in wenigen Minuten das Studio zusammen mit den anderen Teilnehmern der Gruppe besichtigen. Oder jemand würde herausfinden, dass sie eine Betrügerin war. Eine Betrügerin, die nur nach Los Angeles geflogen war, um Lee Anton zu sehen – den Mann, in den sie sich verliebt hatte. Sie hoffte inständig, dass er ihre Gefühle erwiderte und dass seine Liebe aufflammen würde, wenn er sie wiedersähe.

Während die Schlange vor dem Eingangstor etwas voranrückte, sah Charlene sich selbst in einem großen Spiegel. Sie hatte sich Mühe mit ihrem Aussehen gegeben, auch wenn sich nicht leugnen ließ, dass sie keine Schönheit war.

Lee hingegen hatte immer wieder betont, wie gut ihm ihre dunklen Augen gefielen. Für Charlene waren seine Komplimente wie Balsam für ihre Seele gewesen. Immerhin war er ein professioneller Schauspieler, dem es bisher leider an Erfolg gefehlt hatte. Deshalb hatte er sich auch der Laienspielgruppe angeschlossen, in der Charlene Mitglied war. Von Anfang an hatten sie sich zueinander hingezogen gefühlt. Charlene hatte dann bald geglaubt, dass es Liebe war. Die Nächte, die sie in seinen Armen verbracht hatte, zählten zu den schönsten ihres Lebens.

Die Premiere des Stücks wurde ein rauschender Erfolg. Jeden Tag rechnete sie damit, dass er ihr einen Heiratsantrag machen würde. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen, als er zu ihr sagte: „Charlene, hör zu. Etwas Wunderbares ist geschehen!“

„Ja, wirklich?“ Das musste es sein – endlich hatte er sich dazu durchgerungen, um ihre Hand anzuhalten. Erwartungsvoll sah sie ihn an.

Lee war völlig außer sich vor Begeisterung.

„Wie ich immer sage – Timing ist alles“, verkündete er triumphierend.

„Ja und?“

„Heute Abend war ein Agent aus Amerika im Publikum.“

Damit hatte Charlene nicht gerechnet.

„Stell dir vor, er will mich für eine Rolle in der Serie ‚Der Mann vom Himmel‘ engagieren! Sie suchen einen britischen Schauspieler, und er glaubt, dass ich der Richtige sei. Was sagst du dazu? Ist das nicht sensationell?“

Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, sie nickte stumm.

„Ja, natürlich. Doch, das ist wirklich toll.“

Zwei Tage später flog er nach Los Angeles.

„Ich melde mich“, hatte er ihr versprochen.

Das hatte er auch getan – auf seine Weise. Hin und wieder hatte er Charlene angerufen oder ihr gemailt. Aber er hatte sie nicht einmal dazu eingeladen, ihn zu besuchen. Sie konnte förmlich spüren, wie er ihr zu entgleiten drohte. Aber das durfte nicht geschehen! Außerdem hatte sie ihm etwas Wichtiges zu sagen. Etwas, das sich nicht am Telefon besprechen ließ.

Vor drei Tagen war sie in Los Angeles eingetroffen. Sie hatte ihn angerufen, ihm mehrere Nachrichten hinterlassen – alles ohne Erfolg. Erst jetzt bemerkte sie, dass er ihr seine Adresse nicht gegeben hatte. Da ihr nichts Besseres einfiel, buchte sie schließlich eine Tour durch das Studio, in dem „Der Mann vom Himmel“ gedreht wurde. Im Internet hatte sie sich gründlich über alles informiert und wusste deswegen, welche Rolle Lee in der Serie spielte.

Lee Anton, ein vielversprechender junger englischer Schauspieler, spielt die Rolle von Dr. Franklin Baker. Dr. Baker ist stellvertretender Chefarzt im Mercyland-Hospital und freundet sich bald mit seinem Vorgesetzten, Brad Harrison (gespielt von Travis Falcon), an. Er ist auch der Einzige, der vermutet, dass Brad Harrison ein Geheimnis hat.

Heute Morgen hatte Charlene eine Zeitung gekauft, die Neuigkeiten über die Serie versprach. Aber zu ihrer Enttäuschung wurde Lee in dem Artikel kaum erwähnt. Stattdessen ging es dabei nur um ein Foto von einem Mann, der ein Mädchen auf dem Schoß hatte und wild mit ihm herumknutschte.

Zuerst hatte sie befürchtet, dass es Lee sei. Aber der Mann hieß Travis Falcon und war offensichtlich der Star der Serie. Darüber war Charlene sehr erleichtert. Sie wusste natürlich, dass es für einen Mann wie Lee in Los Angeles vor Verlockungen wimmelte. Trotzdem glaubte sie fest daran, dass sie sich nur treffen mussten. Sie würde ihm ihre wundervollen Neuigkeiten berichten, und alles würde so sein wie vorher.

In diesem Augenblick rückte die Schlange nach vorn. Dann betraten Charlene und die anderen Touristen das Studiogelände. Der Höhepunkt der Tour war der Besuch in dem Atelier, wo „Der Mann vom Himmel“ gedreht wurde. Immerhin würden sie bei einer Probe zuschauen können. Charlene merkte, dass sie immer aufgeregter wurde. In wenigen Minuten würden sie sich gegenüberstehen und …

Dann sah sie ihn.

Er stand am Ende eines Flurs vor einem Schwarzen Brett. Sie wollte ihn rufen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Plötzlich drehte er sich um und verschwand um eine Ecke. Sie fing an zu rennen und sah weder nach rechts noch nach links, bis sie mit jemandem zusammenstieß. „Hey, Vorsicht, nicht hinfallen“, erklang eine männliche Stimme, und jemand legte die Arme um sie.

„Lassen Sie mich los! Ich muss ihn erwischen!“

Bei diesen Worten riss sie sich los und lief um die Ecke. Doch der Freudenschrei, mit dem sie Lee hatte begrüßen wollen, erstarb in ihrer Kehle.

Lee hatte ihr den Rücken zugewandt. Er rief jemandem, den sie nicht sehen konnte, zu: „Wo bist du nur gewesen? Ich habe dich überall gesucht! Komm her und küss mich!“

Im nächsten Moment erschien eine hübsche junge Frau, die sich ihm in die Arme warf. „Oh, Liebling, das sind ja fabelhafte Neuigkeiten!“, erklärte sie strahlend.

Dann küssten sich die beiden vor Charlenes Augen. Wie erstarrt blieb sie stehen und rührte sich auch dann nicht, als die beiden schon verschwunden waren. Sie konnte es einfach nicht fassen. Das war Lee gewesen. Nein, unmöglich. Oh doch, es war Lee!

Blind für ihre Umgebung drehte sie sich auf dem Absatz um und wollte fliehen, nur fliehen. Aber der Mann, mit dem sie vorhin zusammengestoßen war, war ihr gefolgt und schnitt ihr den Weg ab.

„Es … es tut mir leid, ich …“

Sanft legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Beruhigen Sie sich! Der Typ ist es nicht wert.“

„Ich …“ Sie war noch immer so erschüttert, dass sie nicht sprechen konnte.

„Bitte weinen Sie jetzt nicht!“

„Ich weine doch gar nicht“, verteidigte Charlene sich, obwohl ihr die Tränen bereits die Wangen herabliefen.

Anstatt sich mit ihr zu streiten, holte der Fremde ein Taschentuch hervor und tupfte ihr behutsam die Tränen ab.

„In Los Angeles küssen sich die Leute dauernd“, sagte er. „Das ist nichts Besonderes.“

Charlene wusste, dass er sie nur trösten wollte. Das, was sie gesehen hatte, reichte ihr schon.

„Ja, ich weiß“, entgegnete sie deshalb hastig. „Danke für Ihre freundlichen Worte. Aber jetzt lassen Sie sich bitte nicht länger stören, ich …“

„Sie stören mich nicht. Ich möchte Ihnen einfach nur helfen. Kennen Sie den Mann?“

„Ja, ich dachte, ich würde ihn kennen – ich meine – also, nein, ich …“

Er nickte, als könnte er ihre Verwirrung verstehen.

„Um ehrlich zu sein, mag ich ihn nicht besonders“, gab er zu. „Kommen Sie aus England? Sind Sie ihm hinterhergereist?“

„Nein, natürlich nicht! Wie kommen Sie denn auf so etwas?“

„Bitte entschuldigen Sie, es war nur eine Vermutung. Das heißt, Sie haben sich nicht rettungslos in ihn verliebt?“

„Nein!“, entgegnete Charlene mit Nachdruck. „Warum auch? Er ist schließlich nur ein Schauspieler, der ganz passabel aussieht.“

„Nun, hin und wieder soll so etwas vorkommen“, erwiderte er trocken. „Darf ich Sie fragen, wie Sie heißen?“

„Charlene Wilkins. Und Sie?“

Er sah sie überrascht an. „Wie bitte?“

„Ich habe Sie nach Ihrem Namen gefragt. Habe ich Sie vielleicht schon einmal irgendwo gesehen?“

„Nein, ich glaube nicht. Mein Name ist Travis Falcon. Ich arbeite hier.“

„Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Sie sind auch in der Serie, stimmt’s?“

Seine Mundwinkel zuckten verdächtig. „Kann man so sagen. Doch jetzt sollten wir von hier verschwinden. Haben Sie Zeit für einen Kaffee?“

Charlene schüttelte den Kopf. „Nein danke. Das ist sehr nett von Ihnen, aber mir geht es schon wieder viel besser.“

Das war eine allzu offensichtliche Lüge. Die Wahrheit über Lee war wie eine Lawine, die Charlene zu zermalmen drohte. Doch der junge Mann wusste anscheinend, wie ihr zumute war.

„Kommen Sie schon“, drängte er sie. „Ich lasse Sie jetzt nicht allein – nicht in Ihrem Zustand.“

Charlene war völlig außer sich. Sie hätte am liebsten laut geschrien. Als er jetzt die Hand nach ihr ausstreckte, holte sie aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Fassungslos starrte sie ihn an.

„Oh, das … verdammt noch einmal, das tut mir leid! Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Ich …“

Aber er rieb sich nur die schmerzende Wange und lächelte schief. „Machen Sie sich nichts daraus. Es hat gar nicht so weh getan. Ich verzeihe Ihnen nur unter der Bedingung, dass Sie jetzt mit mir kommen.“

Charlene blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Sie war entsetzt über sich selbst. Schweigend folgte sie ihm in die naheliegende Cafeteria, wo sie sich ermattet auf einen Stuhl fallen ließ.

„So, hier bleiben Sie jetzt schön sitzen, während ich uns etwas zu trinken hole“, sagte der Fremde und sah sie warnend an. „Ich rate Ihnen, versuchen Sie nicht zu fliehen. Ob Sie es glauben oder nicht – ich kann ganz schön unangenehm werden.“ Dann ging er zum Tresen.

Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte Charlene sich nicht vom Fleck rühren können. Ihre Glieder fühlten sich an wie Blei, in ihrem Kopf pochte ein dumpfes Dröhnen.

Travis Falcon – jetzt fiel ihr wieder ein, dass er der Star der Serie war. Aber so verhielt er sich gar nicht. Er war nicht beleidigt gewesen, als sie ihn nicht erkannt hatte, und selbst die Ohrfeige hatte er sehr sportlich genommen. Auf Charlene wirkte er wie ein ganz normaler, sehr netter junger Mann.

Sie holte aus ihrer Tasche die Zeitung mit dem Foto hervor, auf dem Travis in inniger Umarmung mit einer jungen Frau zu sehen war. Dabei fiel noch ein anderes Bild heraus – ein ziemlich abgegriffenes Foto, das sie immer mit sich herumtrug. Es zeigte einen Mann und eine Frau in historischen Kostümen, die sich tief in die Augen schauten.

„So, bitte.“ Travis stellte Kaffee und Brötchen auf den Tisch. „Sie wirken ein bisschen ruhiger. Das freut mich.“

„Bitte entschuldigen Sie noch einmal meine Unbeherrschtheit“, sagte Charlene zerknirscht. „Glauben Sie mir, ich wollte Ihnen nicht wehtun.“

„Das weiß ich. Machen Sie sich keine Sorgen – ich bin nicht so ein Weichei, das sich über solche Sachen aufregt. Und Sie sind nicht das erste Mädchen, das mir … aber lassen wir das. Wie dem auch sei, heute wird nicht gedreht. Wir proben nur, deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn meine Backe ein bisschen gerötet ist.“

Charlene war erleichtert darüber, dass er ihr den Ausrutscher offenbar wirklich nicht übel nahm. Sie merkte, dass sie sich langsam entspannte.

Travis lächelte sie an. „So, jetzt würde ich sehr gern wissen, was Sie hierher geführt hat. Wollten Sie Lee treffen?“

Sie nickte verlegen.

„Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm vorher Bescheid zu sagen?“

„Das habe ich ja versucht. Aber er hat einfach nicht zurückgerufen.“

Travis wahrte ein taktvolles Schweigen. „Kennen Sie ihn gut?“, fragte er dann neugierig.

„Wir haben zusammen auf der Bühne gestanden.“

„Ach, Sie sind Schauspielerin?“

Charlene schüttelte den Kopf. „Nicht beruflich. Ich arbeite in einer Bank, aber in meiner Freizeit bin ich Mitglied einer Laienspielgruppe. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch Lee kennengelernt.“

Travis nickte. „Verstehe. In welchem Stück seid ihr denn aufgetreten?“

Charlene zeigte ihm das Foto. „Im ‚Mittsommernachtstraum‘.“

Er sah sie überrascht an. „Lee hat in einem Stück von Shakespeare mitgespielt?“

Sie nickte. „Ja, er war Demetrius und ich Helena.“

Helena, die unglücklich in Demetrius verliebt war. Travis sah sich das Foto an, dann betrachtete er nachdenklich die junge Frau vor ihm. Sie war groß und hatte langes, dunkles Haar. Keine Schönheit, nicht einmal besonders hübsch. Ihre Züge waren klassisch, die Haltung ein wenig distanziert.

Interessant, dachte er. Keine Frau, in die ein Mann sich sofort verlieben würde. Schon gar nicht ein Mann wie Lee, den Travis ziemlich oberflächlich fand.

Irgendwie tat sie ihm leid. Er wusste instinktiv, dass ihr eine große Enttäuschung bevorstand.

„Danke für den Kaffee, aber ich sollte jetzt gehen.“

„Wohin denn? Nein, Sie werden diesen Tag mit mir verbringen. Ich bestehe darauf.“ Er stand auf. „So, jetzt muss ich zur Probe. Und Sie werden mich begleiten.“

Charlene sah ihn überrascht an. „Ich? Darf ich das denn?“

„Natürlich. Sie sind mein Gast.“ Er streckte die Hand aus und zog Charlene hoch. Dann nahm er ihren Arm.

„Es ist Zeit für unseren Auftritt.“

2. KAPITEL

Als sie den Proberaum betraten, sah der Regisseur sie erstaunt an. Aber Travis’ gewinnendes Lächeln und die Tatsache, dass er den Arm um Charlenes Hüfte gelegt hatte, waren Antwort genug.

Travis sorgte dafür, dass Charlene einen guten Platz bekam. Dann schlug er sein Drehbuch auf.

„Welche Szene proben wir heute?“

„Du versuchst, Myra davon zu überzeugen, dass sie die Finger von Doktor Baker lassen soll. Baker bekommt das zufällig mit und – ah, Lee, hallo, Penny. Da seid ihr ja!“

Charlene zuckte zusammen, als sie Lee im Türrahmen stehen sah. Sie wandte den Kopf ab, aber nicht schnell genug.

Lee hatte sie gesehen.

Er hatte sie erkannt.

Das ist nur die Überraschung, dachte sie. Bestimmt würde er im nächsten Moment zu ihr eilen, um sie zu begrüßen.

Aber das tat er nicht, im Gegenteil. Er stand wie vom Donner gerührt da und wirkte eher verwirrt als erfreut.

„Okay, Lee“, sagte der Regisseur in diesem Augenblick. „Wir machen den zweiten Take mit dir, um deine Reaktion zu sehen. Travis, dein erster Satz an Myra lautet: ‚Vergessen Sie Doktor Baker‘.“

Die Schauspieler begaben sich auf ihre Positionen, und Travis begann.

Sie probten die Szene mehrmals. Lee sah dabei nicht einmal in Charlenes Richtung. Travis schien es zu bemerken, denn als sie eine kleine Pause machten, ging er zu ihm und redete eindringlich auf ihn ein. Charlene konnte nicht hören, was er zu ihm sagte. Wenig später kam Lee dann zu ihr herüber.

Sein höfliches Lächeln traf sie wie ein Stich mitten ins Herz.

„Hallo, Charlene. Wer hätte gedacht, dass wir uns hier treffen würden?“

„Warum überrascht dich das so sehr? Ich habe dich zwanzig Mal angerufen und dir dauernd Nachrichten geschickt.“

„Mein Handy ist leider kaputt. Aber das ist ja auch egal. Schön, dich zu sehen. Was bringt dich nach Los Angeles? Wolltest du Travis besuchen? Ich habe gehört, dass du eine alte Freundin von ihm bist. Okay, ich komme ja schon.

Die letzten Worte waren an Penny gerichtet, die in der Tür stand und ihm zuwinkte. Offensichtlich wollte sie ihn zum Mittagessen abholen.

„Eine alte, sehr gute Freundin von mir“, sagte Travis, der offensichtlich alles mitgehört hatte, und lächelte Charlene charmant an. „Wollen wir los?“

Er reichte ihr seine Hand und zog sie hoch. Sie leistete keinen Widerstand – im Gegenteil, sie war froh über seine Unterstützung. Mit einem nichtssagenden Lächeln verabschiedete Lee sich von ihr und ging hinüber zu Penny.

Wie betäubt ließ Charlene sich von Travis in die Studiokantine führen.

„Danke“, stieß sie hervor, als er ihr einen Stuhl zurechtrückte. „Sie haben mich davor bewahrt, mich komplett lächerlich zu machen.“

„Unsinn, das dürfen Sie nicht einmal denken!“

„Immerhin bin ich einem Mann bis nach Los Angeles gefolgt, der sich offensichtlich überhaupt nicht für mich interessiert.“

Travis sah sie bedeutungsvoll an. „Kann schon sein. Aber das hat niemanden zu interessieren. Vergessen Sie nicht, wo wir sind. Lächeln Sie mich an, unterhalten Sie sich angeregt mit mir. Ja, das ist schon viel besser so!“

Charlene zwang sich dazu, einen unbekümmerten Eindruck zu machen. Aber ihr war nicht entgangen, dass Lee und Penny an einem Tisch in der Nähe saßen.

Travis hielt es für angeraten, das Thema zu wechseln.

„Sie sind also ein Finanzgenie“, stellte er fest.

Charlene zog ein Gesicht. „Irgendwann dachte ich das auch einmal. Aber ich glaube, ich habe mich geirrt.“

„Unsinn, ich bewundere jeden, der gut mit Zahlen ist. Auf diesem Gebiet bin ich nämlich ein hoffnungsloser Fall.“

„Nun, auch wenn man sich mit Zahlen auskennt, wird man deshalb nicht automatisch befördert. Das habe ich bei meinem letzten Job erfahren müssen. Nach über zehn Jahren in der Bank haben sie mir eine jüngere Mitarbeiterin vor die Nase gesetzt, deren Qualifikation hauptsächlich daraus bestand, dass sie mit unserem Chef ein Verhältnis hatte.“

„Und?“ Er sah sie gespannt an.

„Ich fand das Ganze so unmöglich, dass ich unter lautstarkem Protest gekündigt habe. Man hat mir erzählt, das Gebäude habe gebebt, als ich gegangen bin.“

„Wirklich? Sie wirken doch gar nicht gewalttätig!“

Nein, Charlene sah eher aus wie das Muster einer korrekten, seriösen, zuverlässigen Frau. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sie zu Wutausbrüchen neigte.

Sie lachte. „Um ehrlich zu sein, hat es mich selbst überrascht. Direkt danach habe ich es bereut, aber da war es schon zu spät.“

„Was mich interessieren würde – wenn Sie arbeitslos sind, wer hat dann für Ihre Reise bezahlt?“

„Meine Großeltern. Nach dem Tod meiner Eltern bin ich bei ihnen aufgewachsen. Zurzeit sind sie gerade in Afrika auf Safari. Ursprünglich sollte ich sie begleiten, aber ich wollte lieber nach Los Angeles fliegen.“

„Um Lee ausfindig zu machen?“

„Ja.“

„Wo wohnen Sie hier?“

„Im Howley. Warum? Kennen Sie das Hotel?“

„Nein, aber ich kenne die Gegend. Ganz schön deprimierend. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir etwas anderes suchen.“

Charlene blieb stumm, und Travis verfluchte sich für seine Taktlosigkeit. Bestimmt hatte sie nicht genug Geld für ein besseres Hotel.

Er ergriff ihre Hand und sagte nachdrücklich: „Charlene, hören Sie mir zu. Sie dürfen jetzt nichts Unüberlegtes tun, das ist nicht …“

„Oh, was für eine reizende Überraschung!“

Ein etwa vierzigjähriger Mann war plötzlich hinter Travis aufgetaucht und strahlte die beiden an. Sein breites Lächeln wirkte ein bisschen aufgesetzt.

„Hallo, Denzil“, sagte Travis und schüttelte ihm die Hand. „Charlene, das ist Denzil Raines, mein Boss.“

„Ach, vergiss das mit dem Boss“, sagte der Produzent jovial. „Wir sind doch alle Freunde hier. Sie sind also Charlene. Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe bereits von Ihnen gehört. Schön, Sie kennenzulernen. Hoffentlich haben Sie eine gute Zeit in Hollywood. Gut, dann lasse ich euch beiden jetzt besser mal wieder allein.“

Bevor er ihnen den Rücken zuwandte, gab er Travis noch ein ziemlich auffälliges Daumen-hoch-Zeichen. Travis stöhnte innerlich auf.

„Er scheint sehr nett zu sein“, bemerkte Charlene. „Stimmt irgendetwas nicht?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Ich weiß nur leider ganz genau, was er jetzt denkt. Er glaubt, dass Sie uns irgendwie nützlich sein könnten.“

„Ich?“

Er nickte. „Um es kurz zu machen, habe ich mich vor Kurzem ein bisschen danebenbenommen. In einer Zeitung ist ein ziemlich kompromittierendes Foto von mir erschienen. Jetzt machen sich meine Produzenten Sorgen, ob ich mir dadurch die Gunst der Zuschauer verscherzt habe. Von meiner Rolle her müsste ich ein richtiger Saubermann sein. Aber in Wirklichkeit bin ich natürlich auch nur ein schwacher Mensch wie alle anderen.“

In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Travis wechselte ein paar Worte mit der Anruferin und schaltete das Handy dann aus.

„Bitte entschuldigen Sie. Das war meine Mutter. Sie hat Angst, dass das Foto einen Skandal auslöst. Als ehemalige Schauspielerin kennt sie sich mit solchen Dingen gut aus.“

„Als ehemalige Schauspielerin? Ich dachte mir doch, dass Sie mich an jemanden erinnern. Sind Sie etwa der Sohn von Julia Franklin?“

Travis nickte. „Kennen Sie sie?“

Charlene nickte. „Ja, ihre Filme werden immer noch im englischen Fernsehen gezeigt. Dann ist Ihr Vater …“

„Amos Falcon“, ergänzte Travis ruhig. Ein Schatten war auf sein Gesicht gefallen.

„Sie gehören also zur Falcon-Dynastie“, stellte Charlene staunend fest. „Stehen Sie sich sehr nahe?“

„Nein, nicht besonders. Er hat sich geweigert, meine Mutter zu heiraten. Stattdessen wollte er, dass sie als seine Geliebte mit ihm nach England gehen sollte. Das fand sie unmöglich und hat ihn zum Teufel geschickt. Die beiden hatten eine fürchterliche Auseinandersetzung. Am Ende hat sie ihm sogar einen Aschenbecher an den Kopf geworfen. Von dem Streit ist eine kleine Narbe zurückgeblieben. Das hat ihm bestimmt imponiert, auch wenn er sich sonst vor nichts und niemandem fürchtet.“

„Klingt nach einer schillernden Persönlichkeit. Sehen Sie sich manchmal?“

„Nein, nicht sehr oft. Er ist inzwischen zum dritten Mal verheiratet.“

Charlene wunderte sich, dass Travis ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte. Schließlich war sie keine umwerfende Schönheit, sondern nur eine ganz normale junge Frau. Er ist nett, dachte sie. Ganz anders als Lee Anton, wie sie reumütig zugeben musste.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Travis plötzlich: „Warum geben Sie sich überhaupt mit ihm ab?“

„Vielleicht aus Dummheit“, antwortete sie. „Wissen Sie, wir sind uns im Verlauf des Stücks sehr nahegekommen. All diese Szenen, in denen wir zusammengespielt haben … Bitte, lassen Sie uns nicht mehr darüber sprechen. Jedenfalls finde ich es sehr nett, dass Sie sich so viel Zeit für mich nehmen.“

Travis konnte es sich selbst nicht erklären. Er war zwar immer freundlich zu anderen Menschen, hielt aber normalerweise Distanz zu Fremden. Bei Charlene war es anders. Sie weckte seinen Beschützerinstinkt.

„Ich glaube, ich sollte jetzt gehen und …“

Travis schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Hand. „Nein, bitte nicht. Um ehrlich zu sein, mag ich Lee nicht besonders. Es würde mir großen Spaß machen, ihn zu ärgern. Diesen Spaß wollen Sie mir doch nicht verderben, oder?“ Er zog ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. Dabei zwinkerte er ihr zu.

„Natürlich nicht.“

„Wunderbar! Gerade sieht er zu uns herüber. Nein, drehen Sie sich nicht um.

Schauen Sie mir tief in die Augen!“

Plötzlich begann Charlene, Gefallen an dem Spiel zu finden. Sie warf Travis einen schmachtenden Blick zu.

„Bravo, genau so. Er hat eine Lektion verdient.“

„Wenn er es überhaupt mitbekommen hat.“

„Oh ja. Er hat sich sogar ein wenig nach vorn gebeugt, um alles mitzubekommen.“

„Sieht er immer noch zu uns herüber?“

Travis schüttelte den Kopf. „Nein, er spricht gerade mit Penny. Sie spielt die weibliche Hauptrolle in unserer Serie.“

Aha – dann war Lees Interesse an ihr also nur beruflich. Dieser Gedanke gab ihr neue Hoffnung.

Travis schien genau zu wissen, was Charlene durch den Kopf ging. „Vergessen Sie ihn! Er kann Ihnen unmöglich so viel bedeuten.“

„Oh doch“, erwiderte sie mit weicher Stimme. „Aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen.“

„Wie Sie wollen, ich möchte Sie nicht bedrängen. Wir können uns beim Abendessen ja weiter darüber unterhalten.“

„Oh, das kann ich Ihnen nicht versprechen, ich …“

Stirnrunzelnd sah er sie an. „Sie wollen sich die Zeit für ihn frei halten. Zufällig weiß ich, was er heute Abend vorhat. Er wird genau wie alle anderen zu dieser fürchterlichen Geburtstagsparty von Frank Brenton gehen. Brenton und ich können uns nicht ausstehen, deshalb werde ich …“ Plötzlich schlug er sich mit der Hand auf die Stirn. „Moment mal! Was ist nur mit mir los? Warum habe ich nicht schon früher daran gedacht? Das ist doch die perfekte Lösung.“

„Wovon reden Sie überhaupt?“

Anstelle einer Antwort sah Travis sich suchend im Raum um und rief dann laut: „Denzil! Komm bitte mal her!“

Der Produzent bahnte sich den Weg zu ihnen. Aufgeregt drückte Travis Charlenes Hand. Sie konnte sich auf sein Benehmen keinen Reim machen.

„Was ist denn los?“, fragte der Produzent und nahm am Tisch Platz.

„Ich habe über die Party heute Abend nachgedacht und wollte dir sagen, dass ich meine Meinung geändert habe. Ich würde doch gern daran teilnehmen, wenn sich das so spät noch machen lässt.“

Denzil sah ihn erfreut an. „Das ist bestimmt kein Problem.“

„Gut, dann sei doch so nett und besorg uns einen Tisch für zwei. Charlene wird mein Gast sein.“

Denzil nickte, er hatte sofort verstanden.

„Ich kümmere mich darum.“ Damit verließ er sie.

Zufrieden sah Travis ihm nach. „Damit ist die Sache geklärt. Lee wird mit Sicherheit auch dort sein. Ich würde Ihnen raten, sich möglichst schick anzuziehen. Er soll ruhig sehen, was ihm entgeht.“

Charlene wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Travis wirbelte ihr Leben durcheinander wie ein tanzender Derwisch. Aber immerhin ein Derwisch, der es gut mit ihr meinte.

„Hören Sie, ich finde es zwar nett von Ihnen, dass Sie sich so um mich bemühen. Aber –“

Travis schüttelte den Kopf und hob die Hand. „Lassen Sie uns eine Sache klären. Ich bin nicht nett. Meine Motive sind total egoistisch. Sie können mir dabei helfen, meinen angeschlagenen Ruf zu reparieren, indem Sie mich begleiten und mich seriöser erscheinen lassen. Glauben Sie mir, ich handle aus reinem Eigeninteresse.“

„Eigeninteresse?“

„Was dachten Sie denn?“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich weiß gar nicht, wie Sie mich ertragen können.“

„Also, wenn Sie egoistisch sind, wünschte ich, es gäbe mehr Egoisten auf der Welt“, erwiderte Charlene lachend.

„Heißt das, Sie kommen mit?“

„Selbstverständlich!“

„Gut, dann sollten Sie jetzt ins Hotel fahren und sich auf den Abend vorbereiten. Rick, mein Chauffeur, wird Sie hinbringen.“

Er griff nach seinem Handy, gab Rick Bescheid und verließ wenige Minuten später mit Charlene die Kantine. Vor den Toren des Studios wartete der Wagen bereits auf sie. Rick war ein sympathischer, älterer Mann.

„Das ist Miss Wilkins. Sie wird mich heute Abend zur Party begleiten“, informierte Travis ihn. „Bitte, bringen Sie sie in ihr Hotel und holen Sie sie später wieder dort ab.“

Er wartete, bis Charlene eingestiegen war, und winkte ihnen noch einmal kurz zu, bis das Auto sich in den Verkehr eingefädelt hatte.

„Sie werden Mr. Falcon also heute Abend zu Mr. Brentons Geburtstagsparty begleiten?“, fragte der Fahrer Charlene neugierig.

Sie nickte. „Ja, es hat sich irgendwie so ergeben. Ich weiß, ursprünglich wollte er gar nicht dorthin gehen. Aber ich weiß nicht, was der Grund dafür ist.“

„Oh, das ist ganz einfach. Die beiden können sich nicht ausstehen. Brenton hat versucht, Travis seine größte Chance zu vermasseln.“

„Und wie?“

„Sein Sohn ist Agent, er wollte einen anderen Schauspieler für die Hauptrolle in der Serie durchboxen. Brenton hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um die Studiobosse davon zu überzeugen, dass Travis die falsche Besetzung ist. Das ist ihm nicht gelungen, deshalb fing er an, ihm Steine in den Weg zu legen. Er hat Gerüchte über ihn verbreiten lassen und alles getan, um seinem Ruf zu schaden. Kein Wunder, dass Travis nicht zu seiner Geburtstagsparty gehen wollte. Wenn er sich jetzt anders entschieden hat und Sie ihn begleiten werden, müssen Sie etwas ganz Besonderes sein.“

„Ach, hören Sie auf“, wehrte sie bescheiden ab. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber er scheint es nun einmal zu glauben. Und das ist die Hauptsache.“

„Genau!“

Zufrieden lächelnd lehnte Charlene sich zurück. Plötzlich begann sie, das Ganze zu genießen.

Rick brachte sie in ihr Hotel. Es gehörte ganz eindeutig nicht zu den besten Adressen der Stadt, was er sichtlich erstaunt zur Kenntnis nahm. Charlene kümmerte das wenig. Das Zimmer war sauber und preiswert. Alles andere war ihr egal.

Als Erstes holte sie ihren Laptop hervor und googelte Travis. Das meiste wusste sie ja bereits: Er war der Sohn von Julia Franklin und Amos Falcon, dem Oberhaupt der Falcon-Dynastie. Zu Beginn seiner Karriere hatte er auf der Bühne gestanden. Dann waren kleine Rollen im Film gefolgt, bis ihn jemand entdeckt und für die Serie vorgeschlagen hatte.

Was sein Privatleben anging, so schien es recht turbulent zu sein. Offensichtlich wechselte er seine Freundinnen so oft wie andere Männer ihr Hemd und blieb nie lange bei einer Frau.

Fasziniert betrachtete Charlene seine Fotos. Zweifellos war Travis einer der attraktivsten Männer, die sie je getroffen hatte. Und einer der charmantesten. Das Besondere an ihm war aber mehr sein Charisma als sein Aussehen. Er strahlte eine ungeheure Lebensfreude aus und besaß zudem noch Sinn für Humor.

Sie dachte daran, wie höflich und zuvorkommend er sie heute Nachmittag behandelt hatte. Kein Zweifel, sie stand in seiner Schuld. Das Wenigste, was sie tun konnte, war, sich für den Abend so hübsch wie möglich zu machen, damit Travis auf seine Begleiterin stolz sein konnte.

Dann musste sie plötzlich wieder an Lee denken, und ihre Hochstimmung verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Sein Empfang war ganz anders ausgefallen, als sie gehofft hatte. Aber noch hatte sie ja ein As im Ärmel.

Warte, bis du es ihm gesagt hast, dachte sie und strich sich unwillkürlich über den Bauch. Dann wird alles gut.

Ja, er konnte sie jetzt unmöglich fallen lassen – nach allem, was sie miteinander geteilt hatten. Es gab immer noch Hoffnung, dass die Dinge sich zum Guten wenden würden.

3. KAPITEL

Nach ihrem Besuch beim Friseur war Charlene sehr zufrieden. Ihr dunkles Haar war gelockt, sie trug ein elegantes blaues Satinkleid, das ihre Figur vorzüglich zur Geltung brachte.

Trotzdem fehlte noch etwas. Charlene war ehrlich genug, dies auch vor sich selbst zuzugeben. Was auch immer es war – sie hatte kein ‚gewisses Extra‘, das andere Frauen besaßen. Sie war hübsch, aber nichts Besonderes.

Das war schon früher so gewesen. Ihr Vater war gestorben, als Charlene fünf Jahre alt gewesen war. Kurz danach hatte ihre Mutter wieder geheiratet, Mark, Charlenes Stiefvater. Mark hatte einen Sohn, James, den er sehr liebte und bewunderte. Er sprach über ihn in einer Weise, wie ihre Mutter sich nie über Charlene geäußert hatte.

Einmal hatte sie zufällig ein Gespräch mitgehört, das sie noch Jahre danach bedrückt hatte.

„Es wäre schön, wenn wir eine Tochter hätten“, hatte Mark damals zu ihrer Mutter gesagt.

„Wieso? Wir haben doch Charlene!“, hatte diese erwidert.

„Ja, aber du weißt doch, was ich meine. Eine richtige Tochter. Unsere Tochter.“

Hastig hatte Charlene sich umgedreht und war aus der Wohnung geflohen. Aber die Erinnerung an diese lieblosen Worte verfolgte sie bis jetzt.

Als sie fünfzehn gewesen war, hatten die beiden einen Urlaub geplant – ganz allein, ohne sie.

„Kann ich nicht mitkommen?“, hatte sie gebettelt.

„Liebling, es ist unser Hochzeitstag“, hatte ihre Mutter geantwortet. „Mark und ich müssen für uns sein. Das verstehst du doch, oder?“

Natürlich verstand Charlene das. Sie verstand immer, wenn ihr jemand klar machte, dass sie nicht von Bedeutung war.

Ihre Eltern waren in Urlaub gefahren und nie zurückgekommen. Alle versicherten Charlene später, wie viel Glück sie gehabt hätte, denn ihre Eltern waren bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Aber so konnte sie nicht denken. Stärker als der Kummer über den Verlust war der quälende Schmerz zu wissen, dass man sie nicht gewollt hatte.

Nach dem Tod ihrer Eltern hatten ihre Großeltern sie zu sich genommen. Sie hatten sonst keine anderen Kinder oder Enkel mehr und kümmerten sich rührend um Charlene. Ihre Liebe hatte viel von dem wettgemacht, was sie bisher erlitten hatte. Trotzdem hatte sie nie vergessen, dass sie im Leben immer nur die zweite Geige spielen würde. Sie war nur guter Durchschnitt – durchschnittlich, was ihr Aussehen betraf, durchschnittlich begabt, durchschnittlich interessant. Eines stand fest: Im Scheinwerferlicht standen die anderen.

Auch ihr Liebesleben war bisher nicht sehr spannend gewesen. Bei ihrem einzigen längeren Freund hatte sich herausgestellt, dass er in Wirklichkeit hinter ihrer besten Freundin her gewesen war. Charlene war später bei der Hochzeit ihrer Freundin die Brautjungfer geworden.

Immer die Brautjunger, nie die Braut.

Nur auf der Bühne war es anders gewesen. Dort war eine neue Seite ihrer Persönlichkeit zum Vorschein gekommen. Ihr Spiel mit Lee war so ausdrucksstark gewesen, dass sich der Regisseur immer nur lobend über sie geäußert hatte.

„Ihr beide gebt ein tolles Paar ab“, hatte er zu ihnen gesagt. „Zwischen euch knistert es so richtig.“

Ja, das stimmte – auch außerhalb des Theaters hatten sie sich zueinander hingezogen gefühlt. Schließlich waren sie im Bett gelandet. In Lees Armen hatte Charlene eine Leidenschaft erfahren, wie sie sie bisher nicht gekannt hatte. Sie war überglücklich gewesen und hatte gar nicht gemerkt, wie verhalten seine Reaktion war.

Charlene hatte dem keine Bedeutung beigemessen. Sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Wenn er jetzt noch erfahren würde, dass es möglicherweise Konsequenzen aus ihrer letzten Begegnung gab, würde er sich bestimmt genauso freuen wie sie.

In diesem Augenblick ertönte ein Klopfen an der Tür. Sie kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück und öffnete. Es war Travis.

„Sind Sie bereit, schöne Dame?“, fragte er sie.

Sie lächelte ihn an und nahm seinen Arm. „Danke, mein Herr!“

Unten angekommen, hielt er ihr den Wagenschlag auf. „Bitte, nehmen Sie es nicht persönlich“, sagte er zu ihr, nachdem er neben ihr Platz genommen hatte. „Aber dieses Hotel ist eine Absteige. Die ganze Gegend ist ziemlich gefährlich. An Ihrer Stelle würde ich umziehen. Hier streichen ein paar üble Subjekte herum, die sich bestimmt für Ihr schönes Armband interessieren würden. Ist das ein Geschenk von Lee?“

Charlene schüttelte den Kopf. Lee hatte ihr keine Geschenke gemacht. „Nein, das habe ich von meiner Großmutter bekommen.“

„Es passt wunderbar zu dem, was ich Ihnen mitgebracht hatte.“ Er hielt eine wunderschöne Kette mit funkelnden Steinen hoch, die bestimmt ein Vermögen gekostet hatte.

Charlene ließ es zu, dass er sie ihr um den Hals legte. Ihre Vorfreude wuchs von Minute zu Minute. Sie war auf dem Weg zu einem glamourösen Event und durfte einen der attraktivsten Männer Hollywoods dorthin begleiten. Welch eine glückliche Wendung ihre Reise genommen hatte!

Weil sie sich in der Stadt nicht auskannte, kam sie kaum aus dem Staunen heraus, als sie den glitzernden Sunset Boulevard herunterfuhren.

„Wo findet die Party überhaupt statt?“, fragte sie Travis.

„Im Stollway-Hotel.“

Charlene sah ihn sprachlos an. Selbst ihr war bekannt, dass es das teuerste und exklusivste Hotel in ganz Hollywood war. Wenige Minuten später erreichten sie den Eingang, vor dem ein roter Teppich ausgelegt war. Frauen in Abendkleidung und Männer im Smoking strebten dem Empfang zu.

„Oh, mein Gott! Ich wusste ja gar nicht, dass es so luxuriös sein würde. Sagten Sie nicht, es würde sich nur um ein Dinner handeln?“

„Nun, ja, natürlich wird es auch etwas zu essen geben. Aber vor allem ist es ein großer gesellschaftlicher Empfang, wie ihn normalerweise nur die Produzenten ausrichten. Genau der richtige Anlass, um unsere Story zu verkaufen. Sie können Lee Anton beweisen, dass Sie ihn nicht nötig haben. Und bei mir sieht mein Publikum, dass ich auch anständige Mädchen kenne.“

In diesem Augenblick hielt die Limousine vor dem roten Teppich. Die Leute applaudierten begeistert, als Travis aus dem Wagen stieg. Er lächelte ihnen zu und half Charlene aus dem Wagen. Sie holte tief Luft, dann waren plötzlich alle Scheinwerfer auf sie gerichtet.

Seite an Seite gingen sie auf den Eingang zu. Plötzlich wurde das Blitzlichtgewitter schwächer. Sie sah sich um und erkannte, dass eine weitere Limousine vorgefahren war. Lee und Penny stiegen aus. Die Reporter stürzten sich auf sie, machten aber längst nicht so viele Fotos wie vorher von ihnen.

Das Letzte, was Charlene sah, war Lees betroffener Blick, als er sie an Travis’ Seite sah. Dann zog Travis sie ins Innere des Hotels.

Von innen war es genau so prachtvoll wie von außen. Das Restaurant hieß „Aladins Höhle“ und sah aus wie einem Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ entsprungen. Sie wurden zu einem der reservierten Tische geführt.

Travis rückte Charlene den Stuhl zurecht. „Jetzt sollten wir erst einmal etwas trinken.“

Sie nickte. „Ich hätte gern einen Orangensaft.“

„Orangensaft? Zu einer solchen Umgebung passt eigentlich nur Champagner.“

„Orangensaft“, entgegnete Charlene fest. „Oder ein Mineralwasser.“

Travis zögerte kurz, dann gab er die Bestellung auf. Er stellte ihr keine weiteren Fragen. Aber sie hatte das Gefühl, als würde er verstehen, warum sie keinen Alkohol zu sich nehmen wollte.

„Wie wär’s, wenn wir uns duzen würden?“, schlug Travis vor, als die Getränke erschienen.

Charlene nickte und stieß mit ihm an.

„Ist dir klar, dass du meine Karriere gerettet hast?“, fragte er sie dann. „So viel Presserummel wie heute habe ich schon lange nicht mehr bekommen.“

Sie sah ihn nachdenklich an. „Sag mal, ganz ehrlich – ist dir der ganze Rummel manchmal nicht zu viel? Oder genießt du deinen Ruhm einfach?“

Er zögerte. „Vergiss nicht, dass dieser Ruhm noch sehr frisch ist. Aber ja, doch, ich genieße ihn. Am Wichtigsten ist mir allerdings, dass er meinen Vater davon abhalten wird, mich zu enterben.“

„Wieso denn das? Du bist doch bestimmt nicht mehr finanziell abhängig von ihm, oder?“

Er schüttelte den Kopf. „Es geht nicht um Geld. Ich wünsche mir einfach sehr, von ihm anerkannt zu werden. Weißt du, er verachtet mich, weil ich nicht so bin wie meine Brüder.“

„Ach, wirklich?“

„Ja, hör zu, ich werde es dir erklären. Darius arbeitet mit großem Erfolg in der Finanzbranche, genau wie Amos selbst. Nachdem er bei der Finanzkrise eine Menge Geld verloren hatte, ist er nach England gezogen und lebt auf einer kleinen Insel an der Südküste. Zuerst fand er es ganz schrecklich, aber inzwischen ist er auf Herringdean sehr glücklich. Außerdem hat er dort die Liebe seines Lebens gefunden. Vor ein paar Wochen haben sie geheiratet. Ich war auch dabei.“

„Du klingst so, als würdest du sie beneiden.“

„Ja, irgendwie tue ich das auch. Darius war schon einmal verheiratet, doch das hat nicht funktioniert. Ich habe das Gefühl, dass er mit Harriet sehr viel glücklicher sein wird. Aber das Tolle ist, dass seine beiden Frauen sich gut miteinander verstehen, und das kommt natürlich der gesamten Familie zugute.“

Charlene war erstaunt über diese neue Seite, die er ihr von sich zeigte. Sein Bruder schien ein ganz normales Leben zu führen. Sie hätte nicht gedacht, dass ein Star wie Travis sich nach so etwas sehnen würde.

„Wie steht dein Vater dazu?“, fragte sie neugierig.

„Nun, wie du dir vorstellen kannst, ist er alles andere als begeistert darüber. Er hat sogar versucht, die Heirat zu verhindern. Aber damit ist er nicht durchgekommen. Versteh mich nicht falsch, Darius wird natürlich trotzdem weiterarbeiten. Wie ich ihn kenne, ist er bestimmt bald wieder an der Spitze. Das liegt einfach in den Genen der Falcons. Auch Marcel schlägt Amos nach, bis auf die Tatsache, dass er Halbfranzose ist. Er verdient sein Geld im Hotelgewerbe. In Paris besitzt er ein großes Luxushotel, und in London hat er erst vor Kurzem einen ähnlichen Palast erworben. Das gefällt Amos natürlich. So sollte man seiner Meinung nach als Mann in der Welt stehen – wie ein römischer Kaiser in seinem Reich.“

„Hast du noch mehr Brüder?“

„Ja, es gibt da noch Leonid. Er ist Russe und lebt in Moskau. Was er genau macht, weiß keiner, aber er scheint ebenfalls sehr erfolgreich zu sein. Jackson hingegen ist völlig aus der Art geschlagen. Er ist Naturwissenschaftler, hat einige Bücher geschrieben und eine TV-Serie über wilde Tiere produziert.“

„Damit wird man wohl kaum Millionär.“

„Nein, das nicht. Amos respektiert ihn aber trotzdem, weil er eine seriöse Arbeit verrichtet. Das trifft auf die Schauspielerei natürlich nicht zu.“ Ein Schatten fiel auf sein Gesicht. „Stell dir vor, einmal hat er mir sogar vorgeschlagen, ich sollte meinen Namen ändern, um der Familie keine Schande zu machen.“

„Wie bitte? Dein Vater will nicht, dass du seinen Namen trägst?“, erwiderte Charlene entsetzt.

Traurig schüttelte Travis den Kopf. „Er verachtet meinen Beruf. Als ich mich geweigert habe, mir einen Künstlernamen zuzulegen, war er total sauer auf mich.“

„Kein Wunder, dass du dich als Außenseiter fühlst“, sagte sie mitfühlend.

„Nur mein Vater gibt mir dieses Gefühl, nicht meine Brüder. Mit ihnen verstehe ich mich sehr gut.“ Er sah Charlene prüfend an. „Wie machst du das nur – wir kennen uns kaum, und schon erzähle ich dir mein ganzes Leben. Bestimmt hältst du mich jetzt für ein ziemliches Weichei. Vielleicht sollte ich besser den Macho geben.“

Sie verzog das Gesicht. „Nein, bitte nicht. Solche Männer kann ich nicht ausstehen.“

„Ich auch nicht“, gab er schief grinsend zu. „Um ehrlich zu sein, so will ich auf gar keinen Fall werden.“

„Das wirst du bestimmt nicht“, beruhigte sie ihn.

Ihre Blicke trafen sich. Plötzlich hatte Charlene das komische Gefühl, als würden sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen. Das ergab zwar keinen Sinn, aber sie spürte, dass sie im Begriff waren, Freunde zu werden.

Travis schien genau dasselbe zu denken. „Du kannst in mir lesen wie in einem offenen Buch“, bemerkte er verwundert.

Charlene nickte. „Irgendwie schon. Hast du etwas dagegen?“

„Oh nein, gar nicht. Ich habe das Gefühl, als würden wir gut miteinander auskommen.“

„Ja, das denke ich auch.“ Sie hob ihr Glas. „Auf einen wunderschönen Abend!“

Sie wollten gerade anstoßen, als hinter ihnen eine scharfe männliche Stimme erklang.

„Ach, sieh mal einer an! Wen haben wir denn hier?“

Charlene drehte sich um und erblickte einen großen Mann mit harten Zügen. Sie hörte Travis leise seufzen, dann sagte er: „Charlene, das ist Frank Brenton. Brenton, das ist Miss Charlene Wilkins.“

Benton nickte, er konnte seinen Ärger kaum verbergen. „Diesmal sind Sie gerade noch davongekommen, Falcon. Erstaunlich, welche Tricks Ihnen immer wieder einfallen. Aber verlassen Sie sich nicht darauf, dass das so bleiben wird.“

„Ich verlasse mich auf gar nichts“, entgegnete Travis kühl.

Charlene fand den Mann ausgesprochen unsympathisch. Der feindselige Blick, mit dem er Travis betrachtete, ließ sie frösteln. Plötzlich hatte sie einen furchtbaren Verdacht.

Sie schlang die Arme um Travis’ Hals und sagte mit honigsüßer Stimme: „Man weiß im Leben nie, was als Nächstes kommen wird. Wissen Sie, im Gegensatz zu Travis glaube ich nicht an das Gute im Menschen. Der Vorteil daran ist, dass man nicht enttäuscht werden kann.“

Brenton wollte darauf etwas entgegnen, besann sich dann aber eines Besseren und zog weiter, eine finstere Miene im Gesicht.

Travis sah Charlene erstaunt an. „Was war das denn?“

„Hast du nicht verstanden, worum es da ging?“, gab sie zurück.

„Wenn ich mich nicht irre, hast du den Feind vertrieben, richtig?“

Sie nickte. „Ob du es glaubst oder nicht, Brenton ist wahrscheinlich ein größerer Feind, als du dir vorstellen kannst. Dieses Mädchen im Nachtclub – wo kam es eigentlich her? Ist es plötzlich aufgetaucht?“

„Ja, es war eine Junggesellenabschiedsparty und …“, er brach ab und starrte sie an. „Willst du damit etwa sagen …“

„Dass Brenton dahintersteckt?“ Charlene nickte grimmig. „Ich weiß es natürlich nicht mit Bestimmtheit. Aber möglich ist es doch, oder?“

„Das würde heißen, er …“

„Hat zuerst das Mädchen engagiert und dann dafür gesorgt, dass die Presse zugegen ist. Mit anderen Worten, das Ganze war ein abgekartetes Spiel. Hast du nie darüber nachgedacht?“

Verwundert schüttelte er den Kopf. „Um ehrlich zu sein, dieser Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen.“

Charlene betrachtete ihn nachsichtig. Was immer Travis sein mochte – durchtrieben war er bestimmt nicht. Das machte ihn zwar sympathisch. Aber in einer so intriganten Stadt wie Los Angeles wurde er dadurch auch zum prädestinierten Opfer.

Dankbar sah er sie an und legte seine Hand auf ihre. „Was würde ich nur ohne dich machen?“

Sie lachte. „Ja, du hast wirklich Glück. Jetzt hast du eine große Schwester, die auf dich aufpasst.“

Er grinste und drückte ihre Hand. „Ich würde dir ja gern anbieten, dein großer Bruder zu sein. Aber ich weiß nicht, ob ich dieser Rolle gerecht werde.“

„Entspann dich, Travis. Lass uns lieber den Abend genießen. Schau mal, dort drüben.“

Sie zeigte auf den langen Tisch in der Mitte des Restaurants, an dem Brenton gerade seinen Platz einnahm. Immer neue Gäste erschienen, um ihn zu begrüßen. Jetzt wurde er gerade von einem jüngeren Mann umarmt, der ihm sehr ähnlich sah.

„Wer ist das?“, fragte Charlene.

„Sein Sohn.“

„Der Agent, von dem Rick erzählt hat?“

„Genau der. Und begleitet wird er von dem Schauspieler, der meine Rolle bekommen sollte.“

„Komisch, auch er ähnelt Brenton ein bisschen. Ist er vielleicht ebenfalls sein Sohn?“

„Nun ja, es gibt da Gerüchte. Vielleicht stimmen sie ja.“

„Deshalb will er also deine Karriere vermasseln! Nimm dich in Acht vor ihm, Travis. Für mich sieht er aus wie ein Mann, der nicht so schnell aufgibt. Sein letzter Versuch hat nicht geklappt. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn er etwas Neues probieren würde. Du darfst es ihm nicht zu leicht machen.“

Travis nickte und sah Charlene bewundernd an. „So langsam habe ich den Eindruck, dich getroffen zu haben, ist eine der besten Sachen, die mir jemals passiert sind.“

4. KAPITEL

„Tja, man weiß eben nie, was als Nächstes passiert und … Charlene?“

Aber diesmal war sie abgelenkt. Lee und Penny waren erschienen und gingen gerade auf ihren Tisch zu, begleitet von Fotografen.

Travis bemerkte sofort, wie angespannt Charlene plötzlich wirkte. Er drückte beruhigend ihre Hand, und sie erwiderte die Geste. Inzwischen verstanden sie sich auch ohne Worte.

So angenehm es auch war, den Abend mit Travis zu verbringen, durfte sie doch nicht vergessen, was der Grund für ihre Reise gewesen war. Sie musste Lee so bald wie möglich abpassen, um ihm die wundervollen Neuigkeiten mitzuteilen.

Suchend sah sie sich nach ihm um. Er schien völlig in das Gespräch mit Penny vertieft zu sein. Charlene bezweifelte, dass er ihre Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis genommen hatte.

Erst in diesem Augenblick bemerkte sie, dass Travis sie offensichtlich bereits seit einer Weile besorgt anschaute.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Ja, natürlich.“ Sie gab sich Mühe, ihre Rolle gut zu spielen und strahlte ihn an.

Er verstand genau, was in ihr vorging, und bewunderte sie immer mehr.

Als das Essen sich seinem Ende zuneigte, war es auch mit der strengen Tischordnung vorbei. Die Gäste standen auf und mischten sich untereinander.

„Komm“, sagte Travis und ergriff Charlenes Hand. Er zog sie mit sich und führte sie zu Lees Tisch. „Hallo, Lee, hallo, Penny“, sagte er dann und küsste die junge Schauspielerin auf beide Wangen. „Du siehst wunderbar aus, Darling.“

Penny erwiderte sein Lächeln. Die beiden fingen an, sich zu unterhalten. Lee blieb also gar nichts anderes übrig, als sich Charlene zuzuwenden.

„Wer hätte gedacht, dass wir uns ausgerechnet hier wiedersehen würden?“, fragte er nonchalant.

„Du scheinst dich wirklich sehr darüber zu wundern“, antwortete sie trocken. „Hast du gedacht, wir seien fertig miteinander?“

„Nein, und es tut mir leid, dass ich dich so überstürzt verlassen musste. Manchmal geht eben alles sehr schnell.“

„Ich freue mich über deinen Erfolg, Lee, wirklich. Aber nach allem, was zwischen uns passiert ist, musste ich dich einfach wiedersehen.“

„Verstehe. Ich hoffe nur, du hast dir kein Geld für die Reise geliehen. Los Angeles ist unglaublich teuer. Dein Ticket war doch bestimmt nicht billig, oder?“

„Nein, aber …“ Warum sprach er plötzlich über Geld? Er würde ihr doch bestimmt anbieten, ihr die Reisekosten zu erstatten. Oder?

Lee biss sich unschlüssig auf die Lippen. „Hör zu, Charlene, ich … also, ich glaube, es wäre am besten, wenn du wieder zurück nach Hause fährst. Du kannst dir Hollywood doch gar nicht leisten, und ich müsste mir keine Sorgen mehr um dich machen.“

„Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen.“

„Ja, das ist mir klar. Du warst schon immer die Stärkere, stimmt’s? Nichts kann dich umhauen.“

Sein Lächeln wirkte wie eine Maske aus Stahl.

„Lee, ich muss mit dir sprechen. Es gibt etwas sehr Wichtiges …“

„Achtung, meine Damen und Herren!“ Plötzlich klopfte jemand an ein Glas. „Bitte, kehren Sie alle auf Ihre Plätze zurück. Der Höhepunkt des Abends steht kurz bevor!“

Charlene rührte sich nicht, sie fühlte sich bleischwer. Travis beendete sein Gespräch mit Penny, bat sie aber, den nächsten Tanz für ihn zu reservieren. Dann führte er Charlene an ihren Tisch zurück.

Sie war wie betäubt. Lees Reaktion hatte all ihre Hoffnung auf eine Versöhnung zunichtegemacht. Es war ihm offensichtlich peinlich, mit ihr gesehen zu werden.

Sie hätte nie herkommen sollen!

Dann begannen die Reden. Denzil Raines lobte Brentons Leistungen über den grünen Klee und überreichte ihm ein kostbares Geschenk. Dem folgten noch mehr Geschenke und weitere Reden. Brenton akzeptierte beides mit der Miene eines Mannes, der all dies mehr als verdient hatte.

Danach durften die Herren die Damen zum Tanz auffordern. Travis eilte gleich zu Penny, um Charlene die Gelegenheit zu geben, mit Lee zu sprechen. Aber als sie seinen Tisch erreichte, war er leer.

Als sie sich nach Lee umschaute, sah sie ihn ins Gespräch mit Denzil vertieft. Es war klar, dass sie ihn jetzt nicht stören konnte. Niedergeschlagen kehrte sie an ihren Tisch zurück.

„Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“ Plötzlich stand Brenton vor ihr. „Travis hat Sie also schon sitzen gelassen, ja? Das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Er will Sie nur benutzen. Wenn Sie Ihren Zweck erfüllt haben, wird er Sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.“

„Damit kennen Sie sich doch gewiss gut aus, stimmt’s?“, antwortete Charlene schnippisch, die Augen funkelnd. „Menschen für Ihre Zwecke zu benutzen, liegt Ihnen bestimmt nicht fern.“

„Was soll das heißen?“

„Das wissen Sie ganz genau. Mich können Sie jedenfalls nicht täuschen.“

„Ist alles in Ordnung?“ Das war Travis’ Stimme. Der Tanz war vorbei, und Penny hatte sich auf die Suche nach Lee gemacht.

„Mehr als in Ordnung“, verkündete Charlene. „Ich weiß jetzt, was Mr. Brenton denkt, und er weiß, was ich denke.“

Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, legte sie Travis den Arm um die Taille. Der Sinn der Geste war klar – ab jetzt stand er unter ihrem Schutz. Brenton zog ein Gesicht und trat den Rückzug an.

„Lass uns ein bisschen an die frische Luft gehen“, schlug Travis vor.

Charlene nickte dankbar und folgte ihm ins Freie.

Der Garten des Hotels war von zahlreichen Lampions erhellt. Als sie über die Kieswege schlenderten, drang von Ferne Musik an ihr Ohr.

„Ich weiß ja nicht, was gerade passiert ist“, sagte Travis. „Aber ich habe den Eindruck, du hast den Feind erneut in die Flucht geschlagen. Hat Brenton dich belästigt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, er wollte mich nur vor dir warnen. Er meinte, sobald ich meinen Zweck erfüllt hätte, würdest du mich fallen lassen.“

Travis lachte. „Da irrt er sich. Viel wahrscheinlicher ist, dass du mich zuerst fallen lässt. Wie sieht es aus – hast du mit Lee sprechen können?“

Bedrückt schüttelte sie den Kopf. „Nein, leider nicht. Wir müssen uns an einem anderen Ort treffen.“

„Glaubst du, das wird irgendetwas verändern?“, fragte er und schlug sich gleich auf den Mund. „Oh, bitte, verzeih mir. Das hätte ich nicht sagen sollen.“

„Ach, wahrscheinlich hast du ja recht“, erwiderte Charlene seufzend. „Er ist alles andere als erfreut, mich zu sehen, soviel steht fest. Aber das kann ich so nicht auf mir sitzen lassen.“

„Wie auch immer, eines ist klar – du wirst sofort aus dem Howley ausziehen und dir hier ein Zimmer nehmen.“

Charlene starrte ihn entgeistert an. „Bist du verrückt? Das könnte ich mir doch niemals leisten!“

„Musst du auch nicht, das geht auf meine Rechnung. Nein, kein Widerspruch. Das ist ein Befehl! Wenn du in Los Angeles nicht wie ein Star lebst, nimmt dich keiner ernst. Hast du mich verstanden?“

Charlene sah ihn amüsiert an. „Du kannst also doch den Macho spielen, wenn du willst.“

„Na klar, wenn es sein muss. Komm, lass uns das gleich erledigen.“ Arm in Arm gingen sie zur Rezeption, gefolgt von neugierigen Blicken.

„Ich möchte die beste Suite, die Sie haben“, sagte Travis zu dem Mann am Empfang. „Bitte, sorgen Sie dafür, dass sie in einer Stunde bezugsfertig ist. Und jetzt seien Sie bitte so nett und lassen meinen Wagen holen.“

„Hältst du das für eine gute Idee?“, fragte Charlene, als sie das Hotel verließen. „Vielleicht solltest du bis zum Ende der Party bleiben.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe hier nichts mehr zu suchen. Und ich denke nicht daran, dich aus den Augen zu lassen. Du hast mich schließlich vor einem Desaster bewahrt.“

Wie um seine Worte zu bestätigen, sah Denzil sie in diesem Moment und winkte ihnen lächelnd zum Abschied nach.

„Damit bin ich offiziell wieder in Gnaden aufgenommen worden“, bemerkte Travis. „Ah, hier kommt ja auch schon Rick!“

Als sie im Howley eintrafen, half Travis ihr beim Packen. Als sie an der Rezeption vorbeikamen, sagte sie erschrocken: „Mist, der Empfang ist nicht besetzt. Aber ich muss doch noch meine Rechnung bezahlen.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, musst du nicht. Die Sache ist bereits erledigt. Rick hat sich darum gekümmert.“

„Travis, das geht doch nicht! Das zahle ich dir natürlich zurück, ich …“

„Los, lass uns machen, dass wir hier rauskommen“, erwiderte er hastig.

„Wie viel …“

„Ich möchte jetzt nicht mit dir streiten. Steig einfach ein, okay?“

Auf dem Rückweg versuchte Charlene, sich in eine Empörung hineinzusteigern, aber es wollte ihr nicht gelingen. Das Gefühl, beschützt zu werden, war wie Magie für sie. Sogar ihr Kummer über Lee verblasste dagegen.

Im Hotel näherten sich die Festivitäten langsam ihrem Ende. Die meisten Gäste waren schon nach Hause gegangen. Travis begleitete Charlene auf ihre Suite.

Sie war unglaublich luxuriös eingerichtet. Das Beste daran war der umwerfende Blick auf den Sunset Boulevard. Charlene konnte gar nicht fassen, dass sie in diesem Palast gelandet war. Aber sie wusste, dass Widerstand zwecklos gewesen wäre. Travis schien genau zu wissen, was er tat.

Was Lee anging, so wurde ihr langsam klar, dass sie sich nichts vormachen durfte. Er hatte sie nicht vermisst, und er wollte sie hier nicht haben. Sein ganzes Verhalten machte das unmissverständlich klar. Stattdessen umgab er sich mit Leuten, von denen er sich einen Vorteil für seine Karriere erhoffte, wie zum Beispiel Penny.

Doch nun hatte Charlene durch Travis einen unerwarteten Trumpf in der Hand. Er war der eigentliche Star der Show, und er hatte sie davor bewahrt, sich total zu blamieren.

Travis sah sie fragend an. Er schien zu erraten, was ihr durch den Kopf ging.

„Sag mal, hängst du eigentlich immer noch an ihm?“, fragte er behutsam. „Willst du ihn wirklich?“

Charlene stieß einen tiefen Seufzer aus. „Also, um ehrlich zu sein … jetzt sehe ich ihn schon mit neuen Augen. Aber … nun ja, da gibt es noch etwas, das …“

Fürsorglich legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Heraus damit: Bist du schwanger?“

Sie sah ihn an, ihr kummervoller Blick traf ihn mitten ins Herz.

„Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau“, stieß sie hervor. „Als meine Periode nicht kam, habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht, der positiv war. Aber um ganz sicherzugehen, habe ich einen zweiten Test gemacht, und der war negativ. Vielleicht hätte ich noch ein bisschen warten sollen, bis ich hierher kam. Aber ich war so glücklich, und ich habe natürlich gedacht, er würde sich auch freuen.“

Sie biss sich auf die Lippen und brach ab. Travis verschwendete keine weiteren Worte mehr. Stattdessen schloss er sie in die Arme und drückte sie.

„Eine Freundin von mir ist Gynäkologin“, sagte er. „Sie kann dir bestimmt helfen. Dann wissen wir definitiv, ob du schwanger bist oder nicht. Aber jetzt solltest du dich ein bisschen ausruhen. Es war schließlich ein langer Tag. Ich rufe dich morgen früh an.“

Er küsste sie liebevoll auf die Wange und verschwand.

Charlene ging zu Bett, konnte aber nicht schlafen. Immer wieder gingen ihr die Ereignisse des Tages durch den Kopf und ließen ihr keine Ruhe. Dann klopfte es plötzlich an der Tür.

Sie warf sich einen Morgenmantel über und öffnete. Sie ging davon aus, dass es Travis sei, der noch etwas zu besprechen hatte.

Aber es war Lee. Er wirkte ziemlich nervös.

„Bist du allein?“, fragte er als Erstes.

„Ja, natürlich“, erwiderte Charlene und trat zur Seite. „Was dachtest du denn?“

„Ich dachte, er … er wäre vielleicht bei dir.“

„Er?“

„Travis. Es heißt ja, er lässt sich nie eine Chance entgehen.“

„Nun, in diesem Fall liegst du falsch“, sagte sie wütend. „Ich bin nach Los Angeles geflogen, um dich zu treffen. Für mich ist unsere Beziehung nicht zu Ende. Im Gegenteil, ich habe noch einiges mit dir zu klären.“

Er sah sie unsicher an.

„Ach ja, was denn?“

Autor

Lucy Gordon
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