Sag mir: Ist es Liebe?

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Genau so hat die reiche Erbin Ellie sich ihren Traummann vorgestellt: Charismatisch, elegant und unglaublich anziehend. Und als Sandor Christofides ihr einen Heiratsantrag macht, müsste sie eigentlich glücklich sein. Doch Ellie spürt: Sandor will sie nicht aus Liebe heiraten …


  • Erscheinungstag 28.12.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528351
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

An Sandors Seite betrat Ellie das exklusive Bostoner Restaurant. Sie genoss es, den klimatisierten Raum zu betreten. Denn die Sommer in Boston waren schwül und heiß. Die plötzliche Kühle sandte Schauer über ihre nackten Arme, und ihre Brustknospen verhärteten sich.

Mittlerweile empfand sie diese Reaktion ihres Körpers als sinnliches Vergnügen, das sich regelmäßig in Sandors Nähe einstellte.

Angefangen hatte es schon bei ihrer ersten Begegnung, und seither weckte jedes Beisammensein mit diesem Mann die erstaunlichsten Gefühle in ihr. Das zwang Ellie, sich mit einer Seite ihrer Persönlichkeit auseinanderzusetzen, die sie normalerweise ignorierte: ihre Weiblichkeit. Für ihn zog sie sexy Kleidung an und genoss die kleinen feinen Berührungen, die ihren Treffen ein besonderes Prickeln verliehen.

Heute trug sie ein Kleid von Armani, elegant und sexy zugleich. Ärmellos und rückenfrei betonte es ihr Dekolleté, bedeckte jedoch sehr züchtig die Knie. Die schwarze Seide schmiegte sich verführerisch an ihren Körper. Von der Stelle an ihrem Rücken, die Sandor mit der Hand berührte, ging ein aufregendes Kribbeln aus.

Ellie musste sich sehr darauf konzentrieren, dass er und die anderen Gäste im Restaurant ihren inneren Aufruhr nicht bemerkten. Insgeheim wünschte sie sich Zeit mit ihm allein. An einem Ort, wo sie den Mut aufbringen würde, ihn endlich zu fragen, warum er sie zwar mit leidenschaftlichen Gutenachtküssen bedachte, aber nicht mehr begehrte.

Manchmal fragte sie sich, was er eigentlich von ihr wollte.

Sie war in die Welt hineingeboren worden, deren Schwelle er nur durch harte Arbeit erreicht hatte. Aber mehr konnte sie ihm nach ihrer eigenen Einschätzung nicht bieten. Mit einer Größe von fast einem Meter achtzig, einer eher knabenhaften Figur, durchschnittlichen Zügen und langweiligen dunkelblonden Haaren war sie keine herausragende Schönheit. Sie tat wenig, um die Kontakte zu pflegen, für die andere töten würden. Sie verabscheute geradezu die Begleiterscheinungen, die Reichtum mit sich brachte. Ihre Arbeit als staatliche Arbeitsvermittlerin war nicht einmal ansatzweise glamourös zu nennen. Ihre Klienten würden es nie auf eine Who’s-Who-Liste schaffen – und sie selbst auch nicht. Zumindest nicht mehr.

Ihr Vater hielt ihre Berufswahl für eine komplette Verschwendung ihrer Ausbildung an der Ivy League, einem Zusammenschluss der acht ältesten Eliteuniversitäten des Landes. Doch das kümmerte Ellie nicht. Im Gegenzug empfand sie nämlich seine Fixierung auf den Konzern ebenfalls als komplett überzogen. Nicht, dass sie seine Firma als belanglos abtun wollte, aber sie hasste die Tatsache, dass dieses Unternehmen immer vor ihr, vor allen und vor allem anderen kam und kommen würde.

Der maître d’hôtel blieb vor dem Tisch stehen, an dem sie immer saßen, wenn Sandor sie hierher einlud. Der Standort des Tisches entsprach natürlich der gesellschaftlichen Stellung des Mannes an ihrer Seite. So etwas würde ihr Vater als selbstverständlich ansehen. Das Leuchten in Sandors braunen Augen jedoch verriet, wie viel ihm gerade diese kleinen Dinge bedeuteten.

Noch ein Grund, warum sie nicht wirklich zueinanderpassten. Denn diese Dinge beeindruckten Ellie überhaupt nicht, vielleicht, weil sie in diesem Umfeld aufgewachsen war. Wenn einer ihrer Klienten einen Job bekam, freute sie das weitaus mehr als ein Essen in einem exklusiven Restaurant.

Trotzdem nahm sie jede von Sandors Einladungen an. Sie war geradezu bezaubert von diesem Mann. Warum er sie allerdings immer wieder ausführte, verstand sie nicht. Vor allem, weil er nicht mit ihr ins Bett wollte.

Sandor rückte den Stuhl für sie zurecht. Ellie betrachtete es als Zeichen seines griechischen Erbes … oder seiner besitzergreifenden Art. Und doch waren es genau diese kleinen Details, wegen der sie sich als etwas Besonderes fühlte.

Zugleich betonten sie eine bestimmte Seite seines Charakters. Nicht er beugte sich den Regeln der Welt, sondern forderte, dass die Welt ihn zu seinen Bedingungen akzeptierte. Außerdem fühlte sie sich mit ihren vierundzwanzig Jahren in seiner Gegenwart zum ersten Mal richtig lebendig.

Sie beobachtete, wie er trotz seiner einsfünfundneunzig mit der Geschmeidigkeit einer großen Raubkatze auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm. Dunkles, leicht welliges und ein wenig zu langes schwarzes Haar umrahmte seine ausgeprägten Gesichtszüge, die sie Tag und Nacht ansehen könnte. Unter dem Dinnerjackett zeichnete sich ein muskulöser Oberkörper ab, was nur die wenigsten Geschäftsmänner vorweisen konnten.

Seine Hände waren sehr gepflegt, die Nägel perfekt manikürt. Jedoch überzogen kleine Narben beide Handrücken, die auf eine ganz andere Herkunft als Ellies hinwiesen.

Ohne ihnen die Speisekarte überreicht zu haben, wandte sich der maître d’hôtel ab, was Sandor nicht kommentierte.

Stattdessen lächelte er, wobei seine ebenmäßigen weißen Zähne aufblitzten. „Ich stehe nicht auf der Karte, pethi mou.“ Er hielt inne, und sein Lächeln verwandelte sich in das triumphierende Strahlen eines Jägers. „Aber ich könnte.“

„Immer diese leeren Versprechungen“, erwiderte sie neckend, obwohl sich auf ihren Wangen eine verräterische Röte ausbreitete.

Ihr Körper allerdings reagierte auf seine Worte wie auf eine zärtliche Berührung. Hitze breitete sich in ihrem Bauch aus, ein süßes Sehnen durchlief ihre Brüste. Die bereits aufgerichteten Knospen kribbelten, als flehten sie um Aufmerksamkeit.

Er lachte, verfolgte aber das Spiel nicht weiter. Tatsächlich hatte er in den drei Monaten, die sie nun schon miteinander ausgingen, jeden ihrer mehr oder weniger subtilen Hinweise auf mehr Intimität konsequent ignoriert.

Mit unterdrückter Enttäuschung fragte Ellie: „Wie sind die Verhandlungen mit der Kaufhauskette verlaufen?“

Gemeinsam mit ihrem Vater versuchte Sandor einen der weltweit größten Einzelhändler zu überzeugen, seine Transporte über ihre gemeinsamen Frachtschiffe abzuwickeln und auf Sandors weitverzweigtes Import-Export-Netzwerk zurückzugreifen.

„Perfekt. Es ist alles unter Dach und Fach.“

Ellie mochte die Art, wie Sandor Englisch mit seinem leichten griechischen Akzent sprach. Im Gegensatz zu vielen anderen Ausländern, die Ellie durch ihren Vater kennengelernt hatte, sprach Sandor nicht das tadellose Englisch, für das kostspielige Lehrer verantwortlich waren. Er hatte ihr erzählt, er habe Englisch bereits als Kind bei seiner Einreise in die Staaten gelernt. Seine Mutter sprach mit einem sehr deutlichen Akzent. Um sie zu verstehen, musste man sich sehr konzentrieren. Glücklicherweise fiel Ellie das leicht.

„Das freut mich. Dad ist sicher sehr zufrieden.“

„Ja, aber wir sind heute nicht hier, um über Geschäftliches zu diskutieren.“

„Nicht?“

„Das weißt du ganz genau.“

Sie lachte leise. „Stimmt. Seit wir miteinander ausgehen, habe ich mehr über die Geschäfte meines Vaters erfahren als in all den Jahren zuvor. Alles, was ich darüber weiß, verdanke ich dir. In dieser Hinsicht bin ich nicht gerade die beste Gesprächspartnerin.“

„Aber ich halte dich für eine perfekte Partnerin in anderen Bereichen.“

Zog er sie wieder auf? Oder wollte er auf etwas anderes hinaus? Verwirrt schaute sie ihn an. Und obwohl sich seine Mundwinkel rätselhaft kräuselten, sagte er nichts mehr.

Ein Kellner trat an ihren Tisch und schenkte ihnen Sandors Lieblingswein ein. Auch Ellie mochte den Geschmack und hatte nie Einwände gegen dieses feste Aperitifritual erhoben. Allerdings überraschte es sie einigermaßen, dass er das Essen bestellte, ohne nach ihren Wünschen zu fragen. Das hatte er noch nie getan.

Sekunden später kehrte der Kellner mit einem kleinen Amuse-Gueule zurück.

Erfreut atmete sie den Duft der in Knoblauchbutter gebratenen und mit drei Käsesorten überbackenen Shrimps ein. „Meine Lieblingsvorspeise.“

„Ich weiß.“ Vorsichtig schob Sandor eine Garnele auf ein Stück Baguette, träufelte ein wenig Knoblauchbutter darüber und achtete darauf, dass alles von der richtigen Menge Käse bedeckt wurde. Dann reichte er ihr das Brot. „Ich kenne dich sehr gut, Eleanor.“

„Ach ja?“

„Zweifelst du nach drei Monaten daran?“

„Das kommt darauf an, was genau du meinst. Ich denke, du weißt eine Menge über mich, aber ich bin mir nicht sicher, ob du mich wirklich kennst.“ Diese Vorspeise hätte auch ihr Vater bestellen können, was aber noch lange nicht hieß, dass er das Wesen seiner Tochter kannte.

Den Wunsch, Sandor möge anders sein, konnte Ellie einfach nicht unterdrücken.

„Besteht zwischen beidem denn ein Unterschied?“

„Ja.“

„Wenn der heutige Abend wie geplant verläuft, bleibt mir jede Menge Zeit, um herauszufinden, was du meinst.“

„Und wie sehen deine Pläne für den heutigen Abend aus?“ Würde er sie endlich verführen? Und war sie dafür bereit? Bereit? Sie sehnte sich schon fast verzweifelt danach.

„Erlaube mir, dir meine Pläne der Reihe nach zu verkünden.“

Wie typisch für Sandor: Nicht nur hatte er Pläne gemacht, sondern sie auch schon in eine bestimmte Ordnung gebracht. Das gehörte zu den Wesenszügen, die sie auf eher verstörende Weise an ihren Vater erinnerten.

„Unter gar keinen Umständen würde mir in den Sinn kommen, deinen Ablauf durcheinanderzubringen.“

Er nahm einen Schluck Wein und blinzelte sie gespielt drohend an. „Machst du dich über mich lustig?“

„Ein bisschen vielleicht. Spontaneität ist nicht dein Ding.“

„Auch du kennst mich gut.“

„So gut es nach drei Monaten geht.“

„Das ist gut genug.“

Sie spürte, dass hinter seinen Worten eine verborgene Bedeutung lag, wusste aber nicht genau, welche. „Isst du nichts von den Shrimps?“

„Ich finde es viel köstlicher, dir beim Essen zuzusehen.“

Ellie biss ein Stück von dem Baguette ab und schloss glücklich die Augen. Himmlisch. „Jedem das Seine.“

Er lachte. „Glaub mir, ich bin mit meiner eigenen Vorspeise mehr als zufrieden.“

Bis sie verstand, was er meinte, dauerte es einige Sekunden. Dann weiteten sich ihre Pupillen. Was er mit einem raubtierhaften Funkeln in den Augen beobachtete.

Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, ihren heftig schlagenden Puls zu beruhigen. Oje. Wenn dieser Mann etwas wollte, hielt er mit nichts zurück. Heute Abend würde sie ihn nicht mit einem Gutenachtkuss gehen lassen, der heißes Verlangen nach mehr in ihr weckte. Nicht, wenn er sie mit diesem Ausdruck in den Augen ansah.

Der Vorspeise folgte eine Kürbiscremesuppe, die sie in diesem Restaurant noch nie gegessen hatte. „Der Koch muss etwas Neues ausprobiert haben.“

„Auf meine Empfehlung hin.“

„Du hast das Menü vorbestellt?“

„Ja.“

„Warum?“

„Der heutige Abend ist etwas Besonderes. Ich möchte, dass alles perfekt abläuft.“

„Etwas Besonderes?“

„Ja.“

„Das klingt gut.“ Sie lächelte und tauchte ihren Löffel in die Suppe, die einer von Bostons launischsten Köchen nur für sie zubereitet hatte. „Sie schmeckt köstlich.“

„Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet.“

„Wie hast du den Koch dazu überreden können?“

„Mit Geld kann man eine Menge erreichen.“

„Sogar einen exzentrischen Koch überzeugen?“

„Wie du siehst.“

Ellie blieb eine weitere Antwort erspart, denn im nächsten Moment ereigneten sich gleich zwei Dinge. Zum einen nahmen drei Violinenspieler ganz in der Nähe ihres Tisches Aufstellung und begannen, ein Lied zu spielen, das Ellie immer schon emotional aufwühlend und beruhigend zugleich empfunden hatte.

Zum Zweiten überreichte der maître d’hôtel ihr einen Strauß zwei Dutzend langstieliger roter Rosen. Der herrliche Duft betörte ihre Sinne.

Sie schaute Sandor an. „Sie sind wunderschön.“

„Bist du dir sicher, dass sie von mir sind?“

Ellie lachte. „Natürlich“, erwiderte sie mit überraschend rauer Stimme.

Dennoch las sie die kleine weiße Karte. Nur ein einziges Wort stand auf ihr in seiner gestochenen, unverkennbaren Schrift geschrieben: Sandor.

„Danke“, sagte sie, die Nase tief in den Rosen verborgen. Aus irgendeinem Grund musste sie sich für einen Moment verstecken.

Das war definitiv mehr Romantik, als sie zum Auftakt für die sexuelle Seite ihrer Beziehung erwartet hatte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er vielleicht tiefere Gefühle für sie hegte, die sie noch gar nicht bemerkt hatte. Die Vorstellung zauberte unzählige Schmetterlinge in ihren Bauch.

„Gern geschehen.“

Der maître d’hôtel nahm ihr den Strauß ab und stellte ihn in eine Kristallvase, die er auf der Seite des Tisches platzierte.

Während Ellie weiter die Suppe aß, blinzelte sie immer wieder zu den Rosen hinüber und fragte sich, was das alles wohl zu bedeuten hatte. Zusammen mit einem Gefühl der Hoffnung stieg ein unbändiges Verlangen in ihr auf, das zu genießen sie sich endlich völlig erlaubte. Heute Nacht würde sie nicht unberührt einschlafen.

Als der Hauptgang abgeräumt wurde – wieder ein Gericht, von dem Sandor wusste, wie sehr sie es mochte –, zauberte er eine kleine schwarze Schachtel hervor.

Atemlos starrte Ellie sie an. Ihre Vermutung konnte nicht stimmen. Die Rosen … die Violinen … Unvermittelt kam ihr Verstand zu einem Schluss, über den sie noch gar nicht nachgedacht hatte. Waren die romantischen Anwandlungen etwa das Vorspiel zu einem Antrag?

Sie mochte das einfach nicht glauben. Aber ein anderer Grund für die kleine Schachtel fiel ihr partout nicht ein. Ein Mann schenkte einer Frau keinen Ring, um eine Affäre zu besiegeln.

Sandor ergriff über den Tisch hinweg ihre Hand. Benommen spürte sie seinen Blick auf sich und hob den Kopf. Sie betrachtete sein markantes Kinn mit dem Grübchen in der Mitte, die gerade Nase und die ausdrucksstarken dunklen Augen.

„Eleanor Wentworth, willst du mir die Ehre erweisen und meine Frau werden?“

Obwohl sie die Frage erwartet hatte, war ihre übliche Gelassenheit wie weggeblasen. Ellie öffnete den Mund, aber kein Laut drang über ihre Lippen. Sandor hatte sie gebeten, ihn zu heiraten. Dabei wusste sie gar nicht, was er für sie empfand. Wenn er sie liebte, hätte er das doch bestimmt gesagt, oder? Und hätte sie es nicht gespürt?

Den Kopf zur Seite geneigt, hob Sandor in Erwartung einer Antwort eine Augenbraue.

„Ich weiß nicht“, sprudelte es aus ihr heraus.

Die Worte klangen unnatürlich laut in ihren Ohren. Sie konnte nicht fassen, was sie da gesagt hatte. Und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, ging es ihm genauso.

„Ich bitte dich, du musst doch damit gerechnet haben.“

„Nein, habe ich nicht. Ehrlich nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht war sie naiv, aber sie wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass ein Mann wie er eine Frau heiraten wollte, mit der er noch nicht einmal geschlafen hatte. „Du hast mich völlig überrascht.“

Himmel! Das klang ja unbeholfener als alles andere zuvor in ihrem Leben. Dank unzähliger Benimmkurse seit ihrem sechsten Lebensjahr hatte Ellie schon schwierigere Situationen mit Leichtigkeit bewältigt. Aber natürlich hatte ihr auch noch nie ein Mann einen Heiratsantrag gemacht …

„Und bist du unerfreulich überrascht?“ Im Gegensatz zu ihr hörte Sandor sich überhaupt nicht verunsichert an, sondern viel eher fordernd.

„Nicht unerfreulich“, erwiderte sie kopfschüttelnd. „Nur sehr unerwartet.“

„Wir gehen seit drei Monaten miteinander aus.“

„Ja.“

„Was dachtest du denn, wohin unsere Beziehung führen würde, wenn nicht zu einer Ehe?“

„Ich dachte, vielleicht zuerst … ins Bett“, entgegnete sie aufrichtig. Hatten sie überhaupt eine Beziehung?

Er fluchte auf Griechisch. Ellie erinnerte sich an das Wort von einem Studienurlaub, den sie in seinem früheren Heimatland verbracht hatte. Es war ein sehr derbes Schimpfwort. „Ich kann nicht glauben, was du da gerade gesagt hast“, sagte Sandor dann, nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.

„Warum nicht?“ Für sie war es eine völlig natürliche Schlussfolgerung.

„Es entspricht dir nicht.“

„Vielleicht kennst du mich doch nicht so gut, wie du denkst.“ Wahrscheinlich bot ein Restaurant nicht unbedingt den richtigen Ort für diese Diskussion, aber das kümmerte sie im Moment nicht.

Ehrlichkeit war viel wichtiger.

Und er kannte sie ganz offensichtlich nicht gut, wenn es ihn schockierte, dass sie kühn genug war, um Sex zu erwähnen. Eine Ehe mit einem Mann, der ihr inneres Wesen so sehr ignorierte, empfand sie nicht gerade als verlockende Aussicht.

„Ich kenne dich“, wiederholte er.

Verärgert schüttelte sie den Kopf. „Nicht alles von mir.“

„Genug, um überzeugt zu sein, dass wir zusammenpassen.“

„Weil wir uns hin und wieder geküsst haben?“

„Es war weitaus mehr als nur Küsse.“ An wie viel mehr erinnerte sie sein weicher Blick.

Doch so weit sie auch gegangen waren, stets hatte er sich zuerst zurückgezogen. Bis auf jenes eine Mal. Bei ihrem ersten Kuss waren die Dinge fast außer Kontrolle geraten. Das Meer aus Emotionen, das sich in Ellies Innerem aufgetürmt hatte, war damals der Anlass gewesen, ihn von sich zu stoßen. Seitdem tat er zwar mehr als sie zu küssen, ließ aber nie zu, dass die Flammen der Leidenschaft wieder so hoch aufloderten.

„Ja, richtig. Trotzdem frage ich mich, ob wir wirklich so gut zueinanderpassen wie du annimmst.“

„Warum fragst du dich das? Es ist doch offensichtlich, dass du mich willst.“ Wie immer, wenn er sich ärgerte, kam sein griechischer Akzent deutlicher zum Vorschein. Das wusste sie, weil sie einmal einen geschäftlichen Anruf mit angehört hatte. Ihr gegenüber war dies jedoch noch nie vorgekommen.

Dass es nun geschah, störte Ellie nicht. Ganz im Gegenteil, sie freute sich sogar, dass sie ihn wütend machen konnte. Sie brauchte die Sicherheit, überhaupt eine Emotion in ihm zu wecken. Natürlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn er ihr gegenüber andere Gefühle gezeigt hätte.

„Ja“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich will dich, aber ich bin mir nicht sicher, ob du mich auch willst. Und ich werde mein Leben nicht mit einem Mann verbringen, der sein Vergnügen außerhalb des Ehebettes sucht.“

„Wer hat denn gesagt, dass ich das tun würde?“, fragte er. Jetzt war sein Akzent so deutlich, dass sie sich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen.

„Wer hat gesagt, du würdest es nicht tun?“

„Ich.“

„Ich will dir ja glauben, aber …“

„Es gibt kein Aber. Meine Ehre steht hier nicht zur Debatte.“

„Von Ehre habe ich nicht gesprochen, sondern von miteinander schlafen.“

„Du hast die Möglichkeit erwähnt, ich könnte den heiligen Bund der Ehe verletzen … das ist eine Frage der persönlichen Ehre und eine Angelegenheit, die ich nicht auf die leichte Schulter nehme.“

Zwar war Ellie froh, das zu hören, allerdings befreite es sie nicht von ihrer größten Sorge. Sandor war der Geschäftspartner ihres Vaters … Inwieweit beeinflusste das seinen Antrag? Sie glaubte einfach nicht, dass er nur zu schüchtern war, um ihr seine Liebe zu gestehen. Dafür besaß er viel zu viel Selbstvertrauen. Wenn er etwas für sie empfand, hätte er es gesagt. Aber wie fragte eine Frau einen Mann, der ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht hatte, ob er sie aus geschäftlichen oder persönlichen Gründen wollte? Vielleicht war eine direkte Frage die beste Lösung.

Sandor gehörte nicht zu dem Typ Mensch, der Subtilitäten mochte.

„Willst du mich … ich meine … um meiner selbst willen oder weil ich die Tochter meines Vaters bin?“

„Ich denke, das ist offensichtlich“, sagte er stirnrunzelnd.

Vielleicht für ihn. Für sie nicht.

„Wenn es offensichtlich wäre, würde ich nicht fragen.“

„Ich will dich.“ Seine Stimme fiel um eine Oktave und wurde zu einem erotischen Schnurren. „Sehr sogar.“

Ellie befeuchtete ihre Lippen. „Das ist … gut.“

„Für mich steht die Beziehung an erster Stelle, erst danach kommt der Sex.“

Sie bezweifelte, dass er noch nie mit einer Frau geschlafen hatte. Allerdings schien er bestimmte antiquierte Auffassungen einiger Männer über ihre zukünftigen Ehefrauen zu teilen. „Das sind sehr altertümliche Ansichten.“

„Zugegeben. Ich stamme aus einem traditionellen griechischen Dorf. Ich teile nicht alle Standpunkte meines Großvaters, aber seinen Einfluss kann ich nicht leugnen.“

„Sandor“, sagte Ellie und wechselte zu einem emotional weniger brisanten Thema. „Du sprichst nie von deiner Vergangenheit. Ich weiß nicht, ob dein Vater tot ist oder ob deine Eltern geschieden sind. Warum erwähnst du nie deinen Vater, dafür aber manchmal deinen Großvater? Immerhin weiß ich von ihm, dass er gestorben ist. Warum du und deine Mutter in Amerika leben, weiß ich hingegen nicht. Ich weiß so wenig von dir.“

„Hauptsache, ich bin gut im Bett.“

„Sandor!“, zischte sie, während ein erotisches Prickeln ihren Körper überlief.

„Ich kann durchaus ungehobelt sein. Das ist ein Teil meiner Herkunft, über die du so wenig weißt. Und noch etwas stammt daher … der Glaube, dass ein Mann nicht mit einer Jungfrau schläft, wenn er nicht zumindest mit ihr verlobt, besser noch verheiratet ist.“

„Hat dich das dein Großvater gelehrt?“

„Solange er lebte, hat er es mir jeden Tag eingetrichtert. Nur ein Mann, dem jegliches Ehrverständnis abgeht, würde so handeln.“

„Ich verstehe.“ Allmählich gewann sie den Eindruck, dass an diesem Thema mehr hing, als sie ursprünglich hatte ergründen wollen. Doch zunächst musste sie etwas anderes klarstellen. „Was mich angeht, ist diese Einstellung hinfällig, weil ich keine Jungfrau mehr bin.“

„Natürlich bist du das.“

Autor

Lucy Monroe
<p>Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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