Texas Cattleman's Club: The Impostor (8-teilige Miniserie)

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Texas Cattleman's Club: The Impostor

Ein gewiefter Betrüger, der sich eine fremde Identität angeeignet hat. Acht Paare, für die die große Liebe auf dem Spiel steht. Und ein Dreh- und Angelpunkt: der Texas Cattleman's Club.


EIN HEISSER KUSS, DER ALLES ÄNDERT von MAISEY YATES

WIE ZÄHMT MAN EINEN SEXY COWBOY? von MAUREEN CHILD

HERZENSBRECHER KÜSST MAN NICHT von SHERI WHITEFEATHER

SCHENK MIR NUR DIESEN EINEN KUSS von JOANNE ROCK

UNWIDERSTEHLICH - UND SO VERBOTEN von SARA ORWIG

PRICKELNDE LIEBESNÄCHTE MIT DEM MILLIARDÄR von JOSS WOOD

DAS GEHEIMNIS DER SCHÖNEN EX von KAREN BOOTH

SEHNSUCHT NACH HEISSEN KÜSSEN von CAT SCHIELD



  • Erscheinungstag 21.03.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528221
  • Seitenanzahl 958
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Geschäftsführung: Ralf Markmeier
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „The Rancher’s Baby“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 2080 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Simone Wolf

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbe

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733725204

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Mein falscher Exehemann ist auf See umgekommen, und alles, was ich dafür bekomme, ist ein blöder Brief.

Mit diesem düsteren Gedanken stand Selena Jacobs im Saal eines Bestattungsinstituts und drückte den besagten Brief so fest an sich, dass der Umschlag schon ganz zerknittert war.

Nur entsprach es genau genommen nicht der Wahrheit. Der Brief teilte ihr nämlich mit, dass sie Wills riesiges Vermögen geerbt hatte.

Allerdings waren zur Beerdigung noch vier andere Frauen erschienen, denen man genau dasselbe versprochen hatte. Selena verstand ohnehin nicht, weshalb Will ihr irgendetwas hinterlassen sollte. Abgesehen von dem hässlichen Bärenfell vielleicht, das er von seinem Großvater geerbt hatte und das ihn seit seinem Studium begleitete. Sie hasste dieses Fell, weil die blicklosen Glasaugen ihr Angst machten.

Genau deshalb konnte sie sich gut vorstellen, dass Will ihr es vererben würde.

Aber sein Vermögen?

Ihr fiel es noch immer schwer, zu glauben, dass Will wirklich tot war. Es kam ihr unmöglich vor. Diese kleine Urne konnte doch unmöglich den ganzen Will Sanders in sich aufnehmen. Denn was Will in seinem Leben bewirkt hatte – im Guten wie im Schlechten –, war hier in diesem Raum zu sehen!

Es waren zu viele Frauen, die hier standen und trauerten. Und jede von ihnen hielt einen Brief wie ihren in der Hand. Die Gefühle dieser Frauen angesichts der Versprechungen des Briefes waren jedoch sicherlich andere als ihre. Zumindest nahm Selena das an. Bestimmt leiteten sie nicht alle Unternehmen, die Millionen von Dollar schwer waren.

Selenas verhaltene Reaktion auf ihre angebliche Erbschaft hatte unter anderem damit zu tun, dass sie die Echtheit des Briefes bezweifelte. Außerdem brauchte sie das Geld nicht wirklich. Zumindest jetzt nicht mehr.

Diese anderen Frauen allerdings …

Natürlich konnte sie das nicht wissen. Aber eine von ihnen hatte ein molliges Kleinkind auf dem Arm. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Eine andere trug ein dunkles Kleid, das locker über etwas hinwegfiel, das wie ein Babybauch aussah. Es schien so, als ob Will charmanter gewesen wäre, als ihm gutgetan hatte.

Selena überlief ein kleiner Schauer.

Sie wusste nicht, in welcher Beziehung diese Frauen zu Will gestanden hatten, aber sie hatte einen Verdacht. Und wenn sie sich vorstellte, dass sie in einer ähnlichen Situation hätte enden können, bekam sie eine Gänsehaut.

Sie hatte schon ihre Gründe dafür, dass sie die Männer auf Abstand hielt. Dass die Gefahr bestand, schwanger und dann verlassen zu werden, war einer davon. Und zwar ein zwingender.

Und die anderen Gründe? Na ja, jede Frau in diesem Raum war ein lebender Beweis dafür, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. All die todtraurigen Ehefrauen, Exehefrauen und jungen Mütter …

Selena war genau genommen vielleicht auch eine Exfrau, aber nicht im herkömmlichen Sinne. Und sie war nicht todtraurig. Sie war verletzt. Sie trauerte, und sie war voller Reue. Sie wünschte sich mehr als alles andere, dass sie und Will ihre Freundschaft hätten kitten können.

Aber sie war natürlich davon ausgegangen, dass noch jede Menge Zeit war, jene Freundschaft wiederaufleben zu lassen, die sie beide im College verbunden hatte.

Es war jedoch nicht viel Zeit geblieben. Will war die Zeit davongelaufen.

Ihr Herz zog sich vor Trauer zusammen, und sie musste schlucken. Dabei wandte sie sich von der Urne ab und sah zur Eingangstür an der Rückseite des Raumes hin.

Als sie den Trauergast erkannte, der gerade hereinkam, machte ihr bereits mitgenommenes Herz einen erschrockenen Sprung.

Knox McCoy.

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Er hatte sich in den letzten Jahren ziemlich rargemacht, und daraus konnte sie ihm absolut keinen Vorwurf machen. Als er ihr neulich eine Textnachricht geschickt hatte, stand darin, dass er nicht zur Beerdigung kommen wollte, und er hatte es nicht extra begründen müssen.

Selena vermutete, dass er seit der Beerdigung seiner Tochter Eleanor auf keiner anderen Trauerfeier mehr gewesen war.

Sie versuchte, ihre Nerven zu beruhigen, die ihren Magen in hektisches Flattern versetzten, während Knox auf sie zukam. Er ließ sie nicht aus den Augen. Sie kannte diesen Mann seit über zehn Jahren. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, was ihn betraf. Er hatte einfach nie das für sie empfunden, was sie für ihn fühlte.

Er sah noch genauso umwerfend aus wie früher. Sein maßgeschneiderter anthrazitfarbener Anzug brachte seine breiten Schultern, seine muskulöse Brust und seine schmalen Hüften perfekt zur Geltung. Er trug das hellbraune Haar länger als früher und hatte es aus der Stirn zurückgekämmt, außerdem hatte er sich einen Bart wachsen lassen. Zwischen seinen Augenbrauen entdeckte Selena tiefe Falten. Der Schmerz der letzten Jahre hatte sich in sein schönes Gesicht eingegraben.

Sie wäre gern auf ihn zugegangen und hätte mit dem Daumen diese Sorgenfalten glatt gestrichen. Allein schon der Gedanke daran, ihn zu berühren, machte sie unruhig. Ihr wurde ganz heiß.

Aber was sie wirklich nicht brauchen konnte, war ein Zwischenfall mit Knox, ausgerechnet auf der Beerdigung ihres Exmannes.

Ganz gleich, wie ihre Beziehung mit Will ausgesehen hatte, ihre Reaktion auf Knox war unangemessen. Mehr als unangemessen.

„Wie geht es dir?“, fragte er und machte ein besorgtes Gesicht.

Als er sie so ansah, zog er die Augenbrauen zusammen, und die Falten wurden noch tiefer.

„Es ging mir schon mal besser“, sagte sie aufrichtig.

Er lächelte schief und strich mit dem Daumen über ihre Wange. Seine Haut war rau, er hatte die Hände eines Ranchers, eines Mannes, der körperlich arbeitete. Sein Vermögen stammte zwar aus der Kette von noblen Supermärkten, die er besaß, aber seine Leidenschaft galt der Arbeit auf seiner Ranch in Wyoming.

Sie sah ihm in die Augen, und als sie die ausdruckslose Trauer in seinem Blick bemerkte, machte sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen breit. Sie fragte sich, ob die Ranch noch immer seine Leidenschaft weckte. Sie fragte sich, ob überhaupt noch irgendetwas dazu in der Lage war.

„Mir auch“, sagte er mit heiserer Stimme.

„Will ist so ein rücksichtsloses Arschloch.“ Ihre Stimme zitterte. „Wenn irgendjemand so ums Leben kommt, dann er.“

„Ja“, stimmte Knox ihr zu. „Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter sein können.“

Sie lachte, und im selben Augenblick rollte ihr eine Träne über die Wange.

Sie hatte Knox in Harvard kennengelernt. Er kam aus einer Kleinstadt in Texas und damit aus einer ganz anderen Welt als der High Society der Ostküste, die sie gewohnt war. Aber trotz der Unterschiede in ihrer Herkunft hatten sie schnell Freundschaft geschlossen. Und dann war ihr Großvater gestorben, was ihr förmlich das Herz aus der Brust gerissen hatte. Er war der einzige Mensch in ihrer Familie, der sie je geliebt hatte. Der einzige, der ihr Hoffnung für die Zukunft mit auf den Weg gegeben hatte.

Außerdem hatte sein Tod ihr ein Stiftungsvermögen eingebracht. An dieses Geld kam sie jedoch erst mit fünfundzwanzig Jahren heran. Oder wenn sie verheiratet war.

Die Vorstellung, Knox zu fragen, ob er sie heiraten wollte, war undenkbar gewesen. Dafür gab es eine ganze Reihe Gründe. Sie wollte nicht heiraten, nicht wirklich. Und ihre Gefühle für Knox waren echt. Sogar so echt, dass sie Schwierigkeiten hatte, sie unter Kontrolle zu halten, damit sie Freunde bleiben konnten.

Eines Nachmittags hatte ihr Freund Will gesehen, dass sie weinte, und sie hatte ihm alles erklärt. Dann hatte er sich selbst als Lösung angeboten. Dazu konnte sie nicht Nein sagen.

Der Zugang zu ihrem eigenen Geld hatte sie unabhängig von ihrem Vater gemacht. Sie konnte ihr Studium zu ihren eigenen Bedingungen zu Ende bringen. Aber das Geld hatte ihre Freundschaft mit Will zerstört. In der Zwischenzeit hatte Knox eine andere kennengelernt, und irgendwann hatte er geheiratet.

Selena blinzelte, um sich auf den Boden der Tatsachen und in die Gegenwart zurückzuholen. Es hatte keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Und das tat sie auch nicht, zumindest nicht sehr häufig. Ihre Freundschaft mit Knox hatte die Collegezeit überlebt, und sie hatten einander immer nahegestanden, auch wenn sie beide vollauf mit ihrer Karriere beschäftigt gewesen waren.

Aber da war Will. Immer wenn Will ins Spiel kam, konnte sie nicht anders als an diese Jahre zu denken, an diese eine dumme, leichtsinnige Entscheidung, die am Ende so viel Schaden angerichtet hatte.

Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich plötzlich leer und schwach. Sie schwankte ein wenig, und Knox streckte den Arm aus, so als wolle er sie wieder berühren. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er ihr eine Stütze sein konnte, so wie er glaubte.

Doch dann öffneten sich die Türen des Bestattungsinstituts noch einmal, und sie sah zur selben Zeit auf, als Knox sich umsah.

Die Welt stand still.

Denn durch die Tür kam der Mensch herein, der sich eigentlich in der Urne befinden sollte.

Es war Will Sanders, und er war sehr lebendig.

Die Welt begann plötzlich sich rasend schnell zu drehen, und Selena hatte keine Ahnung mehr, wie sie aufrecht stehen bleiben sollte.

Sie merkte noch, wie der Boden immer näher kam, dann wurde alles dunkel.

2. KAPITEL

Will war nicht tot.

Selena musste sich das immer und immer wieder sagen, während sie mit Knox in seinem Wagen den Highway entlangfuhr.

„Wo wollen wir hin?“, fragte sie.

„Zu dir nach Hause.“

„Du weißt doch gar nicht, wo ich wohne“, murmelte sie, und ihre Lippen fühlten sich taub an.

„Natürlich weiß ich das.“

„Nein, das weißt du nicht, Knox. Ich bin umgezogen, seitdem du das letzte Mal zu Besuch gewesen bist.“

„Ich hab trotzdem herausgefunden, was ich wissen muss, Herzchen“, sagte er, und dabei setzte sein breiter texanischer Akzent ihr Blut förmlich in Flammen. „Ich habe schließlich Beziehungen.“

Sie stieß einen empörten Laut aus und lehnte die Stirn an das Autofenster. Die Scheibe war nicht kühl genug.

„Du hast mir eine Weihnachtskarte geschickt“, sagte er in aufreizend ruhigem Ton. „Seitdem ist deine Adresse in meinen Kontakten gespeichert.“

„Na schön“, seufzte sie. „Das hab ich nun von meinen guten Manieren. Offensichtlich machen sie mich leicht auffindbar.“

„Du bist nicht gerade eine Meisterin der Tarnung.“

Sie fühlte sich langsam wieder wie ein Mensch, aber gleichzeitig begann sie die Tragweite von dem zu begreifen, was eben geschehen war.

„Will ist am Leben“, sagte sie, nur damit sie es von ihm bestätigt bekam.

„Sieht so aus.“ Knox umklammerte das Lenkrad fester.

Selena gab sich Mühe, über das Spiel der Muskeln in seinen Unterarmen, über seine großen Hände und darüber, wie groß er überhaupt war, hinwegzusehen. Dieses Auto war eindeutig zu klein für ihn.

„Dann kriege ich das Bärenfell wohl nicht“, sagte sie gedankenverloren.

„Was?“

„Kannst du dich nicht mehr an dieses schreckliche Ding erinnern, das Will in seinem Zimmer im College hatte?“

Knox sah sie aus dem Augenwinkel heraus an. „Nicht so richtig. Hey, geht’s dir wieder besser?“

„Ich weiß nicht. Ich meine, wahrscheinlich geht es mir besser als vorhin, als ich dachte, dass seine Asche in einer Dose liegt.“ Sie räusperte sich. „Tut mir leid. Geht’s dir gut, Knox? Wahrscheinlich ist das die erste …“

„Darüber will ich nicht reden“, sagte er und schnitt ihr damit das Wort ab. „Nicht nötig. Es ist alles okay.“

Das glaubte sie ihm nicht. Ihr wurde die Kehle eng. „Okay. Ist ja auch egal. Bei mir ist auch alles in Ordnung. Meine Beziehung mit Will war … Du weißt schon.“

Nur dass Knox keine Ahnung hatte. Niemand wusste Bescheid. Alle dachten, sie wüssten, was los war, aber sie irrten sich. Es sei denn natürlich, dass Will mit irgendjemandem gesprochen hatte, dem er die Wahrheit über ihre Ehe gesagt hatte. Doch das bezweifelte Selena.

„Wie lange ist es her, dass ihr zwei das letzte Mal geredet habt?“, fragte Knox.

„Verdammt lange.“

Sie versuchte, so wenig wie möglich über ihre kurze Zweckehe mit Will und die Folgen nachzudenken.

Es war ihr noch nie leichtgefallen, jemandem zu vertrauen. Will war ein guter Mensch, und das wünschte sie sich in ihrem Leben – einen wahren Freund. Nicht, weil sie sich unterschwellig zu ihm hingezogen fühlte, sondern weil sie von ganzem Herzen einen Freund brauchte. Nachdem ihr Vater sie ihr Leben lang schlecht behandelt hatte, hoffte sie auf eine echte Freundschaft. Doch gleichzeitig fürchtete sie sich auch davor.

Selena hatte den größten Teil ihrer Kindheit damit verbracht, sich auf den nächsten Schlag vorzubereiten. Sowohl gefühlsmäßig als auch körperlich. Es war viel einfacher gewesen, zu glauben, dass Will sie hatte hereinlegen wollen, als ihm einfach zu vertrauen.

Sie und Will hatten sich gestritten, und dann hatten sie es gerade eben bis zur Hochzeit geschafft. Sie hatten nur darauf gewartet, bis Selena ihr Geld auf dem Konto hatte, und dann reichten sie die Scheidung ein.

Danach war ihre Freundschaft nie mehr wie früher gewesen.

Sie hatte sich nie bei ihm entschuldigt. Selena wurde beinahe wieder von Trauer überwältigt, ehe es ihr einfiel: Will war gar nicht tot.

Das bedeutet, dass du dich bei ihm entschuldigen kannst. Das bedeutet, dass ihr eure Freundschaft wieder kitten könnt!

Damals war sie eine andere Frau gewesen. Die Jahre, die sie um ihr Überleben gekämpft hatte, hatten sie hart und gemein gemacht.

Die Art und Weise, wie Knox über all die Jahre zu ihr hielt, und die Freundschaft, die er ihr bewiesen hatte, trugen jedoch dazu bei, dass sie inzwischen gelernt hatte zu vertrauen. Heutzutage glaubte sie daran, dass Männer auch gute Menschen sein konnten.

Das hatte jedoch nichts an ihrer Haltung zu Liebe und Ehe geändert. Sie kämpfte weiterhin gegen alle Gedanken an, die im Widerspruch zu dieser Haltung standen.

Es kam nicht wirklich darauf an, dass sie bei Knox manchmal anders über Liebe und Ehe dachte. Er hatte geheiratet und sie auch. Genau genommen hatte sie sogar zuerst einen anderen geheiratet. Es war nur so, dass …

Doch das war jetzt nicht wichtig.

„Will zu sehen, war sicher nicht leicht für dich. Da kommen bestimmt jede Menge alte Geschichten wieder hoch“, sagte Knox, während er die nächste Ausfahrt vom Highway nahm und in die schmale Straße einbog, die zu ihrem neuen Blockhaus führte.

Sie konnte sich jetzt die Freiheit nehmen, von zu Hause aus zu arbeiten. Ihre Kosmetikfirma war inzwischen so erfolgreich, dass sie Leute eingestellt hatte, die ihr alles abnahmen, was zu viel Zeit kostete. Daher hatte sie beschlossen, sich außerhalb der Stadt niederzulassen.

Sie hatte beschlossen, dass es endlich Zeit war, sich selbst ein Zuhause zu schaffen, anstatt immer nur in der Warteschleife zu leben. Sie musste nicht mehr ihre ganze Energie aufwenden, um ihre Firma weiter auszubauen und ihr Vermögen zu vergrößern.

Bis sie hier eingezogen war, hatte sie sich nirgendwo zu Hause gefühlt. Nach dem College hatte sie überall nur übergangsweise gewohnt. Und davor hatte sie in einem Krisengebiet gelebt.

Dieses Blockhaus war ihr Zufluchtsort, und es gehörte nur ihr allein.

Es lag versteckt im Wald, umgeben von Wiesen voller Wildkräuter und hohen Bäumen. An ihrer Veranda floss ein kleiner Fluss vorbei.

Natürlich war es nicht so elegant wie Knox’ Anwesen in Jackson Hole, aber es gab auch nicht viele Häuser, von denen man das hätte behaupten können.

Davon abgesehen ging es ihr gar nicht um Eleganz. Dieses Blockhaus musste nicht repräsentativ sein. Sie wollte niemanden damit beeindrucken. Es war nur dazu da, sie glücklich zu machen, und in ihrem Leben hatte es bisher nur wenige Dinge gegeben, die diesen Zweck erfüllten.

Jetzt, da sie es geschafft hatte, ein relativ glückliches Leben zu führen, sehnte sie sich jedoch nach mehr. Normalerweise war sie gegen diesen Wunsch immun, aber plötzlich spürte sie den Drang, ihr Leben mit jemandem zu teilen.

Sie biss die Zähne zusammen und wandte mit Nachdruck den Blick von Knox ab, als dieser Gedanke anfing durch ihren Kopf zu spuken.

„Es ist wirklich ärgerlich“, stellte sie trocken fest. „Jetzt zu erfahren, dass Will gar nicht tot ist, wo ich schon ehrlich um ihn getrauert habe. Davon ganz abgesehen …“

„Hast du über eure Ehe nachgedacht?“

Sie presste die Lippen zusammen und überlegte, was sie darauf antworten sollte. Es stimmte. Sie hatte ziemlich viel über ihre Ehe nachgedacht. Natürlich war es keine echte, körperliche Ehe gewesen. Sie waren eher wie Mitbewohner gewesen, nur dass sie ein paar Formulare mehr ausgefüllt hatten. „Stimmt“, gab sie schließlich zu.

„Scheidungen sind die Hölle“, sagte Knox, und seine Stimme klang dabei rau wie ein Reibeisen. „Ich weiß, wovon ich rede.“

Die Schuldgefühle drehten ihr den Magen um. Er glaubte, dass sie das gemeinsam hatten: das Scheitern ihrer Ehe. In Wirklichkeit hatte ihre Situation mit seiner nicht viel zu tun.

„Will und ich waren doch nur ein Jahr verheiratet“, antwortete sie. „Das ist wirklich nicht dasselbe wie bei dir und Cassandra. Ihr wart immerhin zwölf Jahre lang zusammen und …“

„Ich habe doch gesagt, dass ich nicht darüber sprechen will.“

Zum Glück wurde ihr Gespräch unterbrochen, weil sie an die Abzweigung kamen, die sie von der asphaltierten Straße auf den Schotterweg brachte, der zu ihrem Haus führte.

„Wieso lässt du den Weg nicht pflastern?“, fragte er.

„Es gefällt mir so.“

„Und warum?“

Das war eine schwierige Frage, auf die es keine einfache Antwort gab. Aber Knox war ihr Freund, und sie war froh, dass sie nicht mehr über Ehen reden musste, deshalb versuchte sie, es ihm zu erklären. „Weil der Weg hier nichts mit der Auffahrt zu tun haben soll, die wir zu Hause hatten, als ich Kind war. Die war völlig glatt und gepflastert, und sie führte zu einem Monster aus Ziegelsteinen.“

„Also ist das hier so etwas wie umgekehrte Nostalgie?“

„Ja.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich verstehe das besser, als du dir vorstellen kannst.“

Er hielt vor dem Blockhaus an, und sie blieb auf ihrem Sitz, bis er um das Auto herumgegangen war und die Tür für sie öffnete. Dann sah sie hinauf in die Sonne und blinzelte, weil seine breiten Schultern im Weg waren.

„Was ist eigentlich mit meinem Auto?“, fragte sie.

„Ich lasse es von jemandem hierher bringen. Mach dir keine Sorgen.“

„Ich könnte es auch selbst holen.“

„Ich habe irgendwie das Gefühl, es wäre besser, wenn du ein bisschen die Füße stillhältst.“

„Wieso das?“

„Na ja, dein Exmann ist gerade von den Toten wiederauferstanden, und das könnte durchaus Interesse bei den Medien wecken. Du bist mit vier anderen Frauen zusammen als Erbin benannt worden, und dabei geht es um eine Menge Geld.“

„Aber Will ist doch gar nicht tot, und mir ist sein Geld völlig egal. Ich habe mein eigenes.“

„Das werden dir nur wenige Menschen glauben, Selena“, sagte Knox in ernstem Ton. „Die meisten Menschen glauben nicht, dass es so etwas wie genug Geld überhaupt gibt. Sie gehen davon aus, dass alle immer mehr wollen.“

„Was willst du damit sagen? Dass ich in Gefahr sein könnte?“

„Das weiß ich nicht. Aber wir wissen auch nicht, was mit Will los ist, und du bist in diese ganze Sache mit hineingezogen worden. Du könntest zu leicht zur Zielscheibe werden. Die Asche von irgendjemandem befindet sich in dieser Urne, und du hast einen Brief bekommen, der dich hierherzitiert hat.“

„Jetzt ziehst du voreilige Schlüsse, Knox.“

„Vielleicht“, sagte er. „Aber ich schwöre bei Gott, Selena, dass ich dich lieber in Sicherheit weiß als in einer Urne. Das könnte ich nicht ertragen.“

Verwundert bemerkte sie, wie ernsthaft er sie bei diesen Worten ansah. „Ich passe schon auf mich auf.“

„Du musst dich eine Weile von der Öffentlichkeit fernhalten.“

„Was soll das denn heißen? Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

Knox zuckte mit den Schultern. Doch die Lässigkeit dieser Geste passte nicht zu der eisernen Entschlossenheit in seinen grauen Augen. „Ich dachte, ich könnte dir Gesellschaft leisten.“

3. KAPITEL

Selena wirkte alles andere als begeistert bei der Vorstellung, dass sie sich zu Hause verkriechen sollte, während die Angelegenheit mit Will geklärt wurde.

Knox war es jedoch gleichgültig, ob sie begeistert war. Er wollte nur, dass sie in Sicherheit war. Soweit es ihn betraf, war das alles hier eine sehr zwielichtige Angelegenheit, und bis alles geklärt war, wollte er nicht, dass sie weiter im Mittelpunkt stand.

Es war alles sehr seltsam. Fünf Frauen hatten beinahe identische Briefe bekommen, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass sie Wills Vermögen geerbt hatten. Aber Will war in Wirklichkeit noch am Leben! Irgendjemand hatte sich als Will ausgegeben.

Vielleicht betraf Selena das alles ja auch gar nicht. Aber es gab wenig in Knox’ Leben, das ihm so am Herzen lag wie die Sicherheit seiner besten Freundin.

Seine Geschäfte verlangten nicht von ihm, dass er sich ständig mit allen Einzelheiten persönlich befasste. Das war für ihn einer der Vorteile, wenn man Milliarden verdiente: Wenn man nicht wollte, musste man nicht ständig in einem verdammten Büro herumsitzen.

Außerdem hatte das alles doch sowieso keinen Sinn.

Er versuchte, das Gefühl der Leere abzuschütteln, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Selena zu.

„Du brauchst nicht hier bei mir zu bleiben“, sagte sie und rannte förmlich über den Rasen und auf ihre Veranda zu.

„Aber ich möchte gern“, gab er zurück. Er wusste, dass sie ihm nicht widersprechen konnte, weil sie sich auch Sorgen um ihn machte. Dazu gab es keinen Grund, aber so war es nun einmal. Und wenn er das ausnutzte, würde sie ihm geben, was immer er wollte.

„Aber du verschwendest nur deine Zeit“, stellte sie fest, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Hausschlüssel suchte.

„Vielleicht“, sagte er. „Aber ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich zu einer Beerdigung gehen muss, bei der vorne ein Foto von dir steht …“

„Ich werde doch gar nicht bedroht“, sagte sie, schloss die Tür auf und öffnete sie.

„Und mir wäre es lieber, nicht erst abzuwarten, bis es jemand tut.“

„Du bist übervorsichtig“, gab sie zurück.

„Ja.“ Er biss die Zähne zusammen. „Man kann nicht alles im Leben kontrollieren, und es gibt Dinge, auf die du keinen Einfluss hast, Selena. Aber ich werde nicht einfach beschließen, dass hier alles in Ordnung ist, und damit das Risiko eingehen, dich zu verlieren, nur weil ich früher nach Hause gegangen bin, als ich es hätte tun sollen.“

Sie sah zu ihm auf, und dabei verschwand langsam die Sturheit aus ihrem Blick. „Okay. Wenn du dich dann besser fühlst, meinetwegen.“

Selena betrat das Blockhaus und warf ihre Handtasche auf den Tisch, der in der Diele stand. Die Geste war typisch für sie. An der Wand direkt über dem Tisch befand sich ein Haken, aber sie hängte ihre Tasche nicht auf. Nein. Dieser zusätzliche Handgriff war in ihren Augen Zeitverschwendung. Dabei kostete sie ihre Unordnung meistens mehr Zeit, weil sie ständig nach irgendetwas suchen musste.

Er sah sich in dem großen, hellen Zimmer um. Es war sauber. Erstaunlich sauber.

„Dieses Haus ist schön. So makellos.“

„Ich habe eine Putzfrau“, sagte sie, drehte sich um und sah ihn an. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust und lächelte schief.

Für einen Augenblick, einen kurzen Augenblick nur, senkte er den Blick auf ihre Brüste. Sein Magen zog sich zusammen, und er zwang sich, ihr stattdessen in die Augen zu sehen. Selena war eine Frau. Er kannte sie schon seit einer Ewigkeit, aber sie war eine Frau, deren Brüste ihn nichts angingen. Das war immer schon so gewesen.

Als sie sich im College kennengelernt hatten, fand er sie schön. Der Mann, der das nicht tat, musste blind sein. Aber sie war ihm auch spröde vorgekommen. Wankelmütig und verstört. Es hatte ihn einiges an Arbeit gekostet, eine Freundschaft mit ihr aufzubauen.

Nachdem er einmal ihr Freund geworden war, wollte er nichts anderes mehr sein, um diese Verbindung zwischen ihnen nicht zu gefährden. Vielleicht war er ein wenig eifersüchtig auf Will Sanders gewesen, weil Will es geschafft hatte, sie irgendwie davon zu überzeugen, dass eine Ehe mit ihm das Risiko wert war. Doch Knox hatte dieser Eifersucht nie nachgegeben.

Dann hatte Will sie verletzt. Sie war am Boden zerstört, als er sich von ihr scheiden ließ. Seitdem hatte Selena keinerlei Zweifel daran gelassen, wie sie über Beziehungen dachte. Außerdem war es ihm zu jenem Zeitpunkt ernst mit Cassandra gewesen, und sie hatten geheiratet.

Seine Freundschaft mit Selena überdauerte ihre beiden Ehen und bewies damit, dass die Entscheidung, die er im College getroffen hatte, sich nicht für ihre Brüste zu interessieren, richtig gewesen war.

Und an dieser Entscheidung würde er festhalten.

„Dann ein Hoch auf deine Putzfrau“, sagte er in trockenem Ton. „Wenn du hier draußen ganz allein in dieser Einsamkeit lebst, ohne dass sich jemand um dich kümmert, stirbst du sonst noch unter einem Berg ungewaschener Klamotten.“

Sie schnaubte. „Du kennst mich überhaupt nicht, Knox.“

„Das denkst du, Herzchen.“

Sie schwiegen ungewöhnlich lange, und plötzlich wurde ihre olivfarbene Haut ganz rot. Wahrscheinlich war es nicht nett von ihm gewesen, sie mit ihrem Hang zur Unordnung aufzuziehen.

„Also“, sagte sie und klang dabei ein wenig steif. „Ich habe ein Gästezimmer, und wahrscheinlich wäre es nicht sehr höflich von mir, wenn ich dich an deinem ersten Abend hier in Royal postwendend wieder nach Wyoming zurückschicken würde.“

„Das wäre sogar ziemlich boshaft von dir“, sagte er und gab sich Mühe, dabei ein unschuldiges Gesicht zu machen. Es gelang ihm nur halb.

In diesem Augenblick ging ihm auf, dass sie in den letzten Jahren kaum Zeit miteinander verbracht hatten. Und allein waren sie schon seit zehn Jahren nicht gewesen. Er war mit einer anderen Frau verheiratet gewesen, und auch wenn seine Freundschaft mit Selena immer platonisch und Cassandra nie eifersüchtig gewesen war, kam es ihm nun seltsam vor, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen, ohne dass jemand anderes dabei war.

„Nun“, sagte sie und warf ihr glänzendes schwarzes Haar zurück. „Ich bin tatsächlich ein wenig boshaft.“

„Wirklich?“

Sie lächelte breit und machte dabei ein Gesicht, das irgendwo zwischen einem Grinsen und einem Zähnefletschen lag. „Zumindest sagt man mir das nach.“

„Wer tut so etwas?“, fragte er und hatte sofort das Gefühl, sie in Schutz nehmen zu müssen. So war es ihm immer schon mit ihr gegangen. Allerdings kam ihm das jetzt eher wie ein schlechter Scherz vor. Er hatte es ja nicht einmal geschafft, die Menschen zu beschützen, die ihm im Leben am wichtigsten waren.

„Ich habe dabei gar nicht an eine spezielle Situation gedacht“, antwortete sie, während sie in die Küche hinüberschlenderte. Dabei streifte sie ihre Schuhe ab und ließ sie einfach an der Stelle liegen, an der sie sie ausgezogen hatte.

„Hat Will zu dir gesagt, dass du boshaft bist?“

Sie drehte sich zu ihm um und zog eine dunkle Augenbraue hoch. „Will hatte keine besonders intensiven Gefühle für mich, weder gute noch schlechte, Knox. Vor allem seit unserer Scheidung nicht.“

Sie machte sich in der Küche zu schaffen, und er lehnte sich an die Kochinsel. Er legte eine Hand auf die auf Hochglanz polierte Marmorplatte, während er ihr dabei zusah, wie sie schnell und sorgfältig Becher aus dem Schrank holte und Wasser aufsetzte. Sie machte Tee und fragte ihn nicht einmal, ob er auch eine Tasse wollte. Sie würde ihm einfach einen Becher geben, den er dann nicht trinken würde, weil er keinen Tee mochte.

Das war ein eingespieltes Ritual zwischen ihnen beiden.

„Er hat dir die Ehe ziemlich verleidet“, stellte Knox fest. „Daher würde ich sagen, dass man ihm durchaus einen Vorwurf machen kann.“

„Man darf nichts Schlechtes über die Toten sagen. Oder die Untoten, wie in Wills Fall.“

Er trommelte mit den Fingern auf die Arbeitsplatte. „Weißt du was? Das wirft eine sehr interessante Frage auf.“

„Und welche?“

„Wer ist der Tote?“

„Wie meinst du das?“

„Da war doch Asche in der Urne. Offensichtlich ist es nicht Wills. Aber wenn er nicht tot ist, wer dann?“

Selena runzelte die Stirn. „Vielleicht ist niemand tot. Vielleicht war das nur die Asche von einem Lagerfeuer.“

„Wieso sollte sich jemand solche Mühe geben? Wieso sollte jemand mit so viel Aufwand Wills Tod vortäuschen? Oder den von jemand anderem? Ich sage es noch einmal: Ich glaube, dass es etwas mit diesen Briefen zu tun hat. Mit den ganzen Frauen, die auf diese Weise zu Erbinnen seines Vermögens erklärt worden sind. Und deswegen will ich dich hier auch nicht alleine lassen.“

„Weil du ein selbstherrlicher, schwieriger, mürrischer, aufdringlicher …“

„Bist du jetzt fertig?“

„Einen Augenblick noch“, sagte sie, nahm den Kessel vom Herd und goss kochendes Wasser in die beiden Becher, die auf der Arbeitsplatte standen. „Ein lästiger, anmaßender …“

„Und wohlhabend, gut aussehend, unglaublich großzügig …“

„Ja, das stimmt“, sagte sie. „Aber ich finde schön besser als gut aussehend. Du redest doch von mir, oder?“

Sie schob einen Becher zu ihm hinüber und lächelte. Er sagte ihr nicht, dass er keinen Tee wollte. Er wollte sie nicht daran erinnern, dass er ihr über die Jahre mindestens fünfzehn Mal gesagt hatte, dass er Tee nicht mochte. Stattdessen schloss er die Finger um den Becher. Ihm war völlig klar, dass sie nicht bemerken würde, dass er nicht daraus trank.

Das war nur eine ihrer typischen Eigenheiten. Sie konnte vollkommen darüber hinwegsehen, was um sie herum geschah. Ihre Schuhe, die mitten im Zimmer lagen, waren der beste Beweis dafür. Dabei war Selena ganz und gar kein Hohlkopf; im Gegenteil, sie war sogar unglaublich einfühlsam. Sie war nur in Gedanken ständig bei dem, was als Nächstes passieren sollte. Manchmal vergaß sie deshalb sogar, wo sie gerade war.

Sie stütze sich mit den Ellbogen auf die Arbeitsplatte, dann legte sie das Kinn in die Handflächen und sah auf einmal viel jünger aus als noch vor einigen Minuten. Sie erinnerte ihn jetzt wieder an das Mädchen, das er aus dem College kannte.

Mit dieser Erinnerung überkam ihn ein alter Drang. Er wollte die Hand ausstrecken, ihr das Haar aus dem Gesicht streichen und mit dem Daumen die Linie ihrer Unterlippe nachzeichnen. Er wollte ihre ganze biestige Empörung riskieren und seine Lippen auf ihre pressen.

Stattdessen hob er seinen Becher an den Mund und nahm einen großen Schluck. Das heiße Wasser und der bitter-saure Tee verbrannten ihm die Speiseröhre.

Er mochte wirklich keinen Tee.

„Weißt du“, sagte sie und tippte dabei an ihren Becher, ehe sie sich aufrichtete. „Ich muss mich um ein paar Projekte kümmern, und du könntest mir helfen. Wenn du bei mir bleiben willst.“

„Du willst mich für deine Arbeit einspannen?“

„Ja. Wenn du bei mir wohnst, musst du dir deinen Unterhalt verdienen.“

„Ich verdiene mir meinen Unterhalt, indem ich dich beschütze.“

„Vor einer Gefahr, von der du nicht einmal weißt, ob sie existiert.“

„Ich weiß so einiges“, sagte er und hob die Finger, um abzuzählen. „Ich weiß, dass jemand gestorben ist. Ich weiß, dass du auf geheimnisvolle Weise als Empfängerin von viel Geld hergelockt worden bist, genau wie ein paar andere Frauen.“

„Aber es ist anzunehmen, dass wir kein Geld erben werden, weil Will gar nicht tot ist.“

„Aber irgendjemand wollte, dass wir alle das glauben. Verdammt, vielleicht wollte ihn sogar jemand umbringen!“

„Bist du jetzt auch noch Privatdetektiv? Verdienst du nicht genug mit deinen noblen Bio-Supermärkten?“

„Das Geschäft läuft sehr gut, und das weißt du auch. Lenk nicht vom Thema ab.“

Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.

Er machte sich ernsthaft Sorgen um sie; er tat nicht nur so. Aber da war noch etwas, das ihn hier festhielt, weit weg von Wyoming. Er hatte Royal und Texas seit seiner Scheidung komplett gemieden. Er wollte nicht an sein früheres Leben erinnert werden. Seit über zehn Jahren gehörte ihm die Ranch in Jackson Hole, aber er, Cassandra und Eleanor hatten dort nie so viel Zeit verbracht wie hier.

Doch aus irgendeinem Grunde schien ihm der Gedanke, in sein riesiges Ranchhaus in Wyoming zurückzukehren, wo er sich ganz allein um alles kümmerte, nicht besonders attraktiv, seitdem er nach Texas zurückgekommen war.

Es gab Gründe dafür, dass er geheiratet hatte, dass Cassandra und er eine Familie gegründet hatten. Das war es, was er immer gewollt hatte. Es war die Antwort auf sein Leben in Einsamkeit, auf den Mangel, mit dem er aufgewachsen war. Er wollte alles: eine Frau, Kinder, Geld. Alles das sollte verhindern, dass er sich wieder so fühlte wie damals.

Doch er hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass man sein Kind auch wieder verlieren konnte. Dass Ehen zerbrachen und Geld letzten Endes überhaupt nichts bedeutete.

Wenn er die Wahl gehabt hätte, wenn das Schicksal ihn vorher gefragt hätte, hätte er zuallererst auf das Geld verzichtet.

Doch das hatte er erst erkannt, als es schon zu spät war.

Da hatte es nichts zu reparieren gegeben, und er hatte keine Wahl gehabt. Dem Krebs war es egal, ob jemand Milliardär war.

Der Krankheit war es gleichgültig, ob ein kleines Mädchen alles für ihn bedeutete.

Jetzt besaß er nur noch ein großes, leeres Haus. Und dort hing im Augenblick eine Einladung zu einer Wohltätigkeitsgala am Kühlschrank, eine Einladung, um die er sich gerade nicht kümmern wollte.

Er hob den Kopf und sah Selena an. Ja, für ein paar Tage hierzubleiben war wesentlich attraktiver, als direkt zurück nach Jackson Hole zu fahren.

„Okay“, sagte er. „Und an was für Projekte hattest du gedacht?“

Er hatte ihr nie gesagt, dass er keinen Tee mochte.

Das war Selenas erster Gedanke, als sie am nächsten Morgen aufstand und Kaffee aufsetzte. Sie fand es sehr befremdlich, dass er den Tee nie ablehnte. Sie bot ihm manchmal eine Tasse an, nur um zu sehen, ob er ablehnen würde, aber dazu kam es nicht. Er saß einfach da und hielt den Becher in der Hand. Das war schon komisch, weil Knox ganz und gar kein passiver Typ war. Eher im Gegenteil.

Auf dem College war er genau deshalb sogar ihr Vorbild gewesen. Er strahlte Autorität aus. Er fragte nach, wenn er etwas wollte. Er verlangte das, was er wollte. Selena hatte versucht, sich selbst nach seinem Modell neu zu erschaffen. Sie fand ihn unendlich faszinierend.

Allerdings musste sie zugeben, dass sie ihn nun, als sie sich in der Küche zu schaffen machte, nicht weniger faszinierend fand als damals. Doch sie wusste inzwischen wesentlich besser, was sie wollte und was möglich war.

Zuerst war ihr der Gedanke, ihn bei sich übernachten zu lassen, ein wenig seltsam vorgekommen. Doch das waren nur die Gefühle von früher, die versuchten, sich wieder breitzumachen. Sie war auf dem College in ihn verliebt gewesen, und sie wusste damals schon genau, dass diese Verliebtheit zu nichts führen konnte. Sie nahm an, dass er sie durchaus hätte begehren können, aber sie wusste, dass sie keine gemeinsame Zukunft hatten. Und sie brauchte Knox als Freund viel dringender.

Doch gestern Abend, als sie zusammen in ihrer Küche standen, hatte sie ihn genau angesehen. Die Falten zwischen seinen Augenbrauen waren tiefer geworden, und seine Augen schienen irgendwie … verändert. Einerseits sah er körperlich noch genauso aus wie immer, andererseits auch nicht. Er wirkte … gebeugt. Und es war schrecklich, das mit ansehen zu müssen. Aber sie konnte ihm keinen Vorwurf machen.

Was mit Eleanor passierte, war ein furchtbarer Schock gewesen. Ein schrecklicher, unvorstellbarer Schock.

Sie war ein ganz normales, gesundes und fröhliches Kleinkind gewesen, und dann verhielt sie sich von einem Tag auf den anderen plötzlich teilnahmslos. Kurz darauf wurde bei ihr Krebs diagnostiziert, und nur wenige Monate später war sie nicht mehr da.

Die ganze Situation fühlte sich unwirklich und herzzerreißend an, schon für sie, und Eleanor war nicht einmal ihr Kind. Aber der Schmerz ihres Freundes war so real, so roh …

Selena hatte keine Ahnung, wie er damit fertig geworden war, und jetzt konnte sie sehen, dass er es noch nicht verarbeitet hatte. Knox versuchte noch immer, irgendwie einen Weg zu finden, wie er damit umgehen konnte.

Er war seit Eleanors Tod nicht mehr in Texas gewesen, und sie hatte ihn nur selten gesehen: auf der Beerdigung und dann, als er im Sommer zu Besuch nach Jackson Hole gekommen war. Davon abgesehen bestand ihr Kontakt aus SMS, E-Mails und kurzen Telefongesprächen.

Aber jetzt war er wieder in Texas, und es sah so aus, als würde er eine Weile bleiben wollen. Es war ihr sehr recht, wenn er glaubte, dass er das ihr zuliebe tat. Sie übernahm gerne die Rolle des Sündenbocks, wenn das bedeutete, dass er sich dadurch über seine Gefühle klar werden konnte, ganz gleich, wie sie auch sein mochten. Früher wäre Knox entrüstet gewesen, wenn irgendjemand ihm gesagt hätte, dass er mit seinen Gefühlen ins Reine kommen müsse. Er war ein stoischer Typ, das war er immer schon gewesen.

Aber ihr war klar, dass er nicht so tun würde, als ob der Verlust seines kleinen Mädchens ihm nicht zugesetzt hätte.

Selena hatte erlebt, wie er auf Eleanors Beerdigung vollkommen zusammengebrochen war. Sie hatten hinterher nie darüber gesprochen. Sie vermutete, dass das auch so bleiben würde. Doch andererseits – wozu auch?

Sie hatten es gemeinsam erlebt, diesen Augenblick, in dem er nicht mehr stark sein konnte. Als es kein Kind mehr gab, für das er stark sein musste, und seine Frau bei ihrer Familie war. Da hatte es für ihn einfach keinen Grund mehr gegeben, sich weiterhin aufrecht zu halten. Selena war in genau diesem Augenblick bei ihm gewesen.

Wenn die vielen Jahre, die sie miteinander befreundet waren, keine Nähe zwischen ihnen geschaffen hätten, dann hätte dieser eine Augenblick dafür ausgereicht.

Wenn sie nur daran dachte, wurde ihr das Herz schwer. Sie schüttelte das Gefühl ab und ging zur Kaffeemaschine, um sich eine Tasse einzuschenken.

Ob Knox wohl noch schlief? Es dürfte ihm kaum gefallen, wenn er die Hauptkaffeezeit verpasste.

Sie verließ die Küche und ging ins Wohnzimmer hinüber. Im selben Augenblick wurde die Tür des Gästezimmers geöffnet, und Knox, der sich gerade ein T-Shirt über den Kopf zog, kam heraus.

Er war nicht schnell genug gewesen: Sie hatte einen Blick auf seinen muskulösen, sonnengebräunten Oberkörper werfen können und auf sein Brusthaar. Oh, dieses Brusthaar! Warum fand sie das so anziehend, dass sie wie angewurzelt stehen blieb? Ihr blieb nicht einmal Zeit, darüber nachzudenken, dazu war sie viel zu fasziniert. Sie war vollkommen erstarrt beim Anblick der Muskeln ihres besten Freundes.

Sie hatte Knox auch früher schon ohne Hemd gesehen, aber das war lange her. Und beim letzten Mal war er außerdem noch verheiratet gewesen.

Natürlich hatte sie nicht vergessen, wie heiß er war. Auch nicht, nachdem er Cassandra geheiratet hatte. Aber er war ein verheirateter Mann. Und für sie bedeutete das etwas, vor allem, weil es ihm etwas bedeutete.

Es war wie eine Barriere zwischen ihnen, die unüberwindbar gewesen war, sogar angesichts ihrer langen Freundschaft. Doch jetzt war sie verschwunden. Knox kam aus dem Gästezimmer und sah verschlafen und wirklich zum Anbeißen aus, und es gab nichts mehr, was sie beide davon abhalten konnte, zu tun, was Männer und Frauen eben miteinander taten.

Selena hatte lange Zeit eine Million Gründe gehabt, genau das nicht zu tun. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass es Verwicklungen gab, und sie wollte sich weiter auf ihre Arbeit konzentrieren. Außerdem wollte sie nicht schwanger werden, und sie hatte ohnehin keine Zeit für eine Beziehung.

Doch inzwischen war das alles nicht mehr so wichtig. Dieses Haus hier war ein Symbol für die Veränderungen, die es in ihrem Leben gegeben hatte. Sie baute sich ein Nest, und wenn sie das schon tat, wollte sie es auch mit Leben füllen: mit Kunst, mit Wärme, mit Krimskrams, der ihr etwas bedeutete, mit Menschen.

Sie fing an sich zu fragen, wie es wohl sein mochte, mit einem Mann zusammenzuleben und ihr Leben mit ihm zu teilen, ihr Haus und ihr Bett.

Plötzlich stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn sie das Bett mit Knox teilen würde. Wenn der Körper, auf den sie eben einen flüchtigen Blick geworfen hatte, sich neben ihr unter ihrer grünen Bettdecke ausstrecken würde. Wie er wohl aussah, wenn er die Arme hinter dem Kopf verschränkte und zufrieden lächelte?

Sie sog die Luft ein und versuchte, sich zu beruhigen. „Der Kaffee ist fertig.“ Sie lächelte, obwohl ihr überhaupt nicht nach Lächeln zumute war.

„Gut“, sagte er, und dabei war seine Stimme noch ganz heiser.

Ihr fiel auf, wie intim das war. Der Klang der Stimme von jemandem, der gerade aufgewacht war.

„Hier geht’s lang“, sagte sie und machte den Weg in die Küche frei. Dabei wandte sie sich so schnell von ihm ab, dass der Kaffee in ihrer Tasse überschwappte.

„Gibt’s bei dir zum Frühstück auch was zu essen?“

Seine Stimme klang noch immer rau wie ein Reibeisen, interessant und ganz und gar nicht nach dem Freund, der ihr so vertraut war. Sie brauchte irgendetwas Vertrautes, um sich daran festzuhalten, womit sie den Anblick seiner Muskeln aus ihrem Kopf verbannen konnte. Aber er gab ihr nichts dergleichen.

Idiot.

„Nein.“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen fröhlichen Klang zu geben. „Ich frühstücke immer nur Kaffee und Bosheit.“

„Also das reicht mir nicht.“

„Ach nein?“, fragte sie scherzhaft und öffnete einen der Küchenschränke, in dem sich ihr Vorrat an Knäckebrot und Frühstücksflocken verbarg. „Natürlich gibt es zum Frühstück etwas zu essen.“

„Speck? Eier?“

„Sehe ich vielleicht wie ein Diner aus?“

„Du selbst nicht. Aber ich hatte gehofft, dass dein Haus vielleicht ein bisschen etwas von einem Diner haben könnte.“

„Nein“, sagte sie, während sie den Kühlschrank öffnete und darin herumkramte. „Aber wer hätte das gedacht? Ich habe ja wirklich Eier. Und Speck. Ich bekomme jede Woche eine Lebensmittellieferung von einer gewissen Bio-Supermarktkette.“

Er lächelte. Es war ein schiefes Grinsen, bei dem ihr ganz flau im Magen wurde. Sie wollte das Gefühl nicht weiter beachten und es einfach Hunger nennen, den sie plötzlich verspürte, weil die Rede von Speck war. Appetit auf Speck war leichter zu verdauen als Appetit auf ihren besten Freund.

„Ich werde kochen“, sagte er.

„Aber nein“, antwortete sie, holte die Packung mit dem Speck aus dem Kühlschrank und drückte sie Knox in die Hand, ehe sie sich noch einmal herunterbeugte und den Eierkarton hervorzog, den sie ihm in die andere Hand drückte. „Das musst du doch nicht.“

„Wieso habe ich so ein Gefühl, dass das nicht stimmt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an, ob du Eier mit Speck essen willst.“

„Hast du überhaupt Ahnung davon, ein Frühstück zuzubereiten?“

„Ich kann sehr wohl kochen“, sagte sie. „Aber die Chance, dass ich es tue, wenn ich gerade einmal eine halbe Tasse Kaffee getrunken habe, ist verschwindend gering. Normalerweise frühstücke ich lieber süß, daher das Knäckebrot und die Frühstücksflocken. Aber ich mache mir manchmal Eier mit Speck zum Abendessen. Oder ich esse sie zum Frühstück, aber nur, wenn ein gut aussehender Mann sie für mich zubereitet.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Oh, ich verstehe. Du hast das hier im Kühlschrank für den Fall, dass mal ein Mann die Nacht bei dir verbringt.“

„Offensichtlich, schließlich hat gerade ein Mann die Nacht bei mir verbracht.“ Selena wurde rot. Sie wusste ganz genau, was Knox sich gerade ausmalte. Aber natürlich hatte er keine Ahnung. Denn das war nicht der Grund, weshalb sie Eier und Speck im Haus hatte. Der Grund war, dass sie es sich mit dem Abendessen manchmal gern einfach machte. Aber eigentlich war es ihr auch gleich, was Knox über ihr Liebesleben dachte …

Natürlich dachten sie jetzt beide daran. Das war … merkwürdig und wahrscheinlich auch der Grund für die seltsame Spannung, die plötzlich zwischen ihnen herrschte.

„Ich koche“, sagte er und riss sie aus ihren Gedanken, indem er zum Herd hinüberging, Pfannen und Schüsseln hervorholte und Eier so präzise aufschlug, dass sie fast neidisch war.

Wieso war das so sexy? Was war hier los? Seine breiten Schultern, diese muskulösen Unterarme, alles an ihm wirkte ausgerechnet dadurch so viel männlicher, dass er Eier verrührte.

Irgendetwas hatte diese häusliche Tätigkeit an sich, sie wusste nur nicht so genau, was. Vielleicht war es der Kontrast zwischen Männlichkeit und Häuslichkeit. Oder es lag nur daran, dass vorher noch kein Mann in ihrer Küche Frühstück für sie gemacht hatte. Selena versuchte, möglichst unbeeindruckt zu wirken, so als ob jedes Wochenende ein Mann für sie in der Küche stünde. Nach einer wilden Nacht. Mit jeder Menge Ausschweifungen.

„Ich wüsste, was du für mich tun könntest“, sagte sie und riss sich aus diesen gefährlichen Gedanken. „Also, zuerst brauche ich neue Griffe an diesen Schränken da. Die Leute, die vor mir hier gewohnt haben, hatten einen ganz anderen Geschmack als ich. Außerdem lagern in einem der Nebengebäude noch ein paar Sachen, die die Vorbesitzer hiergelassen haben. Ich möchte gern, dass die weggeschafft werden. Oh, und dann will ich noch den Deckenventilator im Wohnzimmer loswerden.“

„Hoffentlich bezahlst du mich ordentlich dafür“, sagte Knox, während er die Eier in die Pfanne goss, wo sie sofort anfingen zu brutzeln.

„Nein“, sagte sie nur und hob rasch die Kaffeetasse an den Mund.

Knox beschäftigte sich weiter damit, das Frühstück zu machen, und Selena brachte es irgendwie fertig, nicht in Ohnmacht zu fallen. So weit, so gut.

Sie machten sich nicht die Mühe, ins Esszimmer hinüberzugehen. Stattdessen setzten sie sich auf die Hocker, die um die Kochinsel herum standen, und Selena sah ihr Frühstück entschlossen an.

„Ist alles in Ordnung?“

„Was?“ Sie hob den Kopf und schaute Knox direkt in die Augen. „Wieso fragst du mich das andauernd?“

„Weil du dich so benimmst, als ob nicht alles in Ordnung wäre.“

„Ist bei dir alles in Ordnung?“

„Ich lebe noch“, antwortete er. „In Ordnung zu sein, ist nicht wirklich Teil meiner Strategie.“

„Und was ist deine Strategie?“

„Mich nicht um den Verstand zu saufen. Meine Geschäfte am Laufen zu halten, weil ich bestimmt irgendwann froh darüber sein werde, dass ich sie habe. Das ist alles.“

„Tja“, sagte sie leise. „Dann kannst du jetzt meine Küchengriffe mit auf deine Liste setzen.“

Er lachte, und sie fand das ausgesprochen befriedigend. Ohne darüber nachzudenken, streckte sie die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über seine Wange und den Bart. Sie zog die Hand rasch zurück und wünschte sich, dass das Gefühl, ihn zu berühren, so schnell wie möglich wieder verblassen würde. Doch das tat es nicht.

„Was ist?“, fragte er.

„Willst du weiter Bart tragen?“

„Das war keine echte Entscheidung, es ist mehr ein Zeichen von Nachlässigkeit.“

„Du siehst sonst nicht vernachlässigt aus“, sagte sie, weil sie an seine muskulöse Brust denken musste. Sofort bedauerte sie ihre Worte. Sie bedauerte sie noch mehr, als ihn berührt zu haben. Das war unter Freunden schon unpassend genug.

Er zog eine Augenbraue hoch und spießte ein Stück Speck auf seine Gabel. „Kannst du dich auch genauer ausdrücken?“

„Ich meine doch nur, du bist gut in Form, Knox. Das ist mir aufgefallen.“

„Okay“, sagte er langsam und legte die Gabel wieder hin. Seine grauen Augen wirkten kühl, während er sie musterte. Aber irgendwie spürte sie trotzdem Wärme in ihrem Magen.

Beruhige dich.

Ihr Körper hörte nicht auf sie. Ihr war nach wie vor heiß, und diese Wärme stieg ihr langsam in die Wangen, bis sie zu Knox’ offensichtlicher Belustigung rot angelaufen war.

„Ich mache den Männern, die für mich das Frühstück zubereiten, immer Komplimente“, sagte sie und gab sich dabei Mühe, ihre Stimme möglichst ausdruckslos klingen zu lassen.

„Verstehe.“

„Also?“

„Also“, antwortete er. „Ich habe außer meiner Arbeit nichts weiter zu tun, als Heuballen aufzustapeln und Zäune zu reparieren. Im Grunde genommen beschäftige ich mich nur irgendwie auf der Ranch. Dann gehe ich zurück ins Haus und trainiere ein bisschen im Fitnessraum. Das ist alles.“

Das erklärte natürlich einiges. „Ich könnte mir vorstellen, dass du hier und da fünf Minuten erübrigen könntest, um dich zu rasieren.“

„Wäre es dir lieber, wenn ich das täte?“

„Ich habe zu Gesichtsbehaarung keine spezielle Meinung.“

„Das scheint mir aber nicht so.“

„Da täuscht du dich. Deine Gesichtsbehaarung ist mir zwar aufgefallen, aber mehr auch nicht.“

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das nicht stimmt.“

„Tja, du hast natürlich ein Recht auf deine eigene Meinung. Auch über meine Meinung zu deiner Gesichtsbehaarung. Oder dass ich keine habe. Aber deswegen hast du nicht unbedingt recht.“

Er schüttelte den Kopf. „Weißt du, wenn du manchmal zu Besuch nach Jackson Hole kommen würdest, würde ich vielleicht nicht so viel trainieren. Das ganze Gerede hält einen ja von der Arbeit ab.“

„Hey“, sagte sie. „Das ist kein Gerede. Ich mache nur höfliche Konversation.“ Allerdings klang es in ihren Ohren verdächtig nach Gerede.

„Okay.“

Sie hüstelte und stand auf, um ihren fast leeren Teller in die Spüle zu stellen, und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Über die Schuhe, die sie gestern stehen gelassen hatte, stieg sie einfach hinweg. Sie hörte Knox’ barfüßige Schritte hinter sich, und plötzlich kam es ihr sehr intim vor, seine nackten Füße zu sehen.

Du bist wirklich schon viel zu lange Jungfrau .

Sie verzog das Gesicht, während sie sich selbst zurechtwies. Sie hasste dieses Wort. Sie hasste es, auch nur an das Wort zu denken, denn darin verbarg sich eine Art von Unschuld, die sie nicht besaß. Außerdem war es ein junges Wort, und sie war nicht mehr wirklich jung. Sie war einfach nur zu beschäftigt. Beschäftigt und absolut gegen Beziehungen.

Trotzdem hatte die Sache mit der Jungfräulichkeit den unangenehmen Nebeneffekt, dass ihr raue Stimmen am Morgen und nackte Füße intim vorkamen.

Sie hob den Kopf und sah zum Fenster hinaus. Ihr Auto stand in der Einfahrt. „Hey“, sagte sie. „Wie ist denn das passiert?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich darum kümmere. Du musst mir nur vertrauen.“

„Offensichtlich kannst du dich nicht einmal um deinen Bart kümmern, Knox. Wie hätte ich daraus schließen sollen, dass du es schaffst, dich so schnell um mein Auto zu kümmern?“

„Ganz so ist es nicht“, sagte er. „Ich nehme mir nicht die Zeit, mich zu rasieren. Und wieso? Weil ich nicht muss. Weil ich auf niemanden mehr Rücksicht nehmen muss.“

Seine Worte klangen hohl, auch wenn er sich Mühe gab, unbekümmert zu wirken. Und ganz gleich, wie er es auch drehte und wendete, es kam ihm ganz sicher nicht wie etwas Gutes vor. Selena fand es unsagbar traurig, dass es in seinem Leben niemanden gab, der sich dafür interessierte, ob er einen Bart trug oder nicht.

„Mir gefällt’s“, sagte sie schließlich.

Das war die Wahrheit. Ohne Bart sah er auch heiß aus. Er hatte ein energisches Kinn wie ein Hollywoodschauspieler. Es war beinahe schade, dass er das versteckte. Doch andererseits wirkte er mit Bart noch männlicher. Irgendwie wild. Verwegen. Sexy.

Ja, sexy.

Sie räusperte sich. „Wie dem auch sei. Ich will nicht mehr darüber reden.“

Sie bemerkte plötzlich, dass Knox viel näher bei ihr stand als vorher. Sie konnte sein maskulines Duschgel riechen und seine saubere Haut. Außerdem spürte sie die Wärme seines Körpers. Sie hätte nicht einmal den Arm ganz auszustrecken brauchen, um die Hand auf seine Brust zu legen oder seinen Bart noch einmal zu berühren. Doch sie hatte ja bereits festgestellt, dass das unangemessen war. Sie dachte trotzdem darüber nach.

„Der Bart gefällt dir?“, fragte Knox, und seine Stimme klang dabei noch rauer als vorhin, als er gerade aus dem Bett gekommen war.

„Ich … Ja?“

„Du bist nicht ganz sicher?“

„Nein“, sagte sie und machte einen Schritt auf ihn zu. Ihre Füße bewegten sich von ganz allein, ohne dass ihr Gehirn dazu die Erlaubnis gegeben hätte. „Nein, ich bin sicher, dass es mir gefällt.“

Sie fühlte sich schwerelos, atemlos. Sie hätte sich jetzt gern zu ihm hinübergebeugt, nur um zu sehen, was passierte, wenn es keinen Abstand mehr zwischen ihnen gab. Sie hätte gern gewusst, wie dieser Bart sich anfühlte, wenn er an ihre Wange gepresst wurde, und wie es sich anfühlte, wenn er den Mund auf ihren presste.

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Autor

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