The Secret Billionaires – Wetten, es ist Liebe? - 3-teilige Serie

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Drei Milliardäre stehen vor der größten Herausforderung ihres Lebens: der Liebe!

STÜRMISCHES WIEDERSEHEN MIT DEM MILLIARDÄR

Eine verrückte Wette ist schuld: Milliardär Antonio Di Marcello muss zwei Wochen lang auf Geld und Einfluss verzichten und sich als schlichter Arbeiter ausgeben: unter falschem Namen und mit verändertem Aussehen. Doch ausgerechnet da läuft ihm die Frau über den Weg, die er nach einem lustvollen Wochenende vor vier Jahren nie vergessen hat: die wunderschöne Sadie Parker. Und sie hat einen süßen Sohn, der ihm entlarvend ähnlich sieht. Plötzlich weiß der Undercover-Milliardär: Er will Sadie wieder in seinem Bett, in seinem Leben …

DIE GEKAUFTE BRAUT DES GRIECHEN

Er sieht aus wie ein griechischer Gott! Atemlos beobachtet Calli den Mann, der die Poolanlage der Villa sanieren wird, in der sie arbeitet. Eigentlich hat sie nach einer desaströsen Affäre der Liebe abgeschworen. Doch Stavros ist zu sexy, um ihm zu widerstehen, und in spätestens zwei Wochen wird er sowieso aus ihrem Leben verschwinden. Also genießt sie seinen heißen Kuss. Ein Fehler? Denn kaum hat Stavros das Projekt abgeschlossen, zeigt er sein wahres Gesicht: Er ist ein Milliardär undercover - und macht ihr ein ungeheuer unmoralisches Angebot …

DIESE NACHT IST NICHT GENUG

Mit ihren hinreißend blauen Augen und dem seidigen goldblonden Haar sieht Cecily aus wie ein Engel - ein gefährlich verführerischer Engel! Aber Tycoon Alejandro Salazar ist nicht als Stallbursche auf ihrem Gestüt untergetaucht, um ihren sinnlichen Reizen zu verfallen! Er will endlich den Beweis finden, dass ihre Familie einst die seine betrogen hat. Doch als es immer erregender zwischen ihnen prickelt, kann er nicht länger widerstehen. Auch wenn er für eine einzige Nacht der Lust mehr als nur seine Rachepläne riskiert. Viel mehr …


  • Erscheinungstag 10.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735944
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Rachael Thomas, Dani Collins, Jennifer Hayward

The Secret Billionaires - Wetten, es ist Liebe? - 3-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Rachael Thomas
Originaltitel: „Di Marcello’s Secret Son”
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2316 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: SAS

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 1/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708795

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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PROLOG

St. Moritz, Februar 2017

Antonio Di Marcello ließ sich den 1946er Macallan auf der Zunge zergehen, sodass der feine Geschmack sich mit dem Adrenalin vermischte, das nach dem Para-Ski-Wettkampf, den er gerade zusammen mit Sebastien Atkinson, Stavros Xenakis und Alejandro Salazar hinter sich gebracht hatte, noch immer durch seine Adern rauschte. Es war die ultimative Herausforderung gewesen, doch wie es schien, war das heute für Sebastien, Gründer des elitären Extremsport-Clubs aus der Studienzeit in Oxford, noch nicht genug.

Sebastien, einige Jahre älter als die anderen, hatte schon vor Jahren die Rolle des Mentors übernommen, doch das Unglück hatte ihn verändert … Es hatte sie alle verändert. Einen guten Freund im Himalaja aus den Schneemassen einer Lawine auszugraben würde wohl jeden verändern. Und nachdem er dem Tod so knapp von der Schippe gesprungen war, hatte Sebastien damals das Undenkbare getan – er hatte geheiratet. Und war bis heute glücklich mit seiner Frau.

Antonio studierte die drei anderen Männer. Die Atmosphäre war seltsam angespannt. Wieso? Normalerweise würden sie sich längst mit den drei platinblonden Schönheiten amüsieren, die ihnen unmissverständliche Blicke zuwarfen. Aber der heutige Abend verlief irgendwie anders.

„Wie geht’s deiner Frau?“, erkundigte Stavros sich bei Sebastien und schraubte die Spannung damit unabsichtlich noch höher.

„Sie ist auf jeden Fall angenehmere Gesellschaft als du. Du hast ja heute miserable Laune.“ Sebastien schien es darauf anzulegen, Themen anzusprechen, die eigentlich tabu waren.

„Mein Großvater droht mir, mich zu enterben, wenn ich nicht bald heirate. Ich würde ihm ja zu gern sagen, er soll zur Hölle fahren, aber …“ Stavros brach ab und nahm lieber noch einen Schluck von dem edlen Scotch.

Antonio wusste genau, unter welchem Druck der Freund stand. Er selbst hatte unter dieser Art Druck von seiner Familie nachgegeben und Eloisa geheiratet. Die Heirat hätte zwei große alte Familien zu einer Dynastie zusammenschweißen sollen, aber die Ehe war von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Damit war er in der Gruppe der Einzige, der bereits geschieden war, und die Erfahrung hatte einen bitteren Geschmack in seinem Mund hinterlassen.

„Wegen deiner Mutter verzichtest du darauf.“ Alejandro starrte dumpf in die goldene Flüssigkeit in seinem Glas. Wie Antonio und Stavros hatte auch er ein Vermögen geerbt und es mit seiner Arbeit stetig vergrößert. Er hob den Kopf und sah abschätzend zu Sebastien hinüber, dem Selfmade-Milliardär, der sich aus dem Nichts nach oben gearbeitet hatte. Spürte auch Alejandro, dass irgendetwas in der Luft lag?

„Denkt ihr manchmal nicht auch, dass wir viel zu viel Zeit damit verbringen, Geld zu scheffeln und oberflächlichen Vergnügungen nachzujagen, ohne die wirkliche Bedeutung des Lebens zu begreifen?“ Sebastien schaute in die Runde und vergaß für einen Moment das Pokerspiel.

Antonio erhöhte seinen Einsatz, warf einige Chips in die Mitte des Tisches. „Vier Drinks, und schon fängt er an zu philosophieren.“

„Ich meine das ernst. Dort, wo wir angekommen sind, stehen doch nur noch Zahlen auf dem Papier, ohne dass es etwas an unserem Leben ändern würde. Glück kann man nicht kaufen.“ Sebastien ging mit und schob einen Stapel seiner Chips in die Mitte. In der Stille, die folgte, musterte er seine Freunde eindringlich.

„Es ermöglicht einige sehr angenehme Ersatzbefriedigungen.“ Antonio nahm noch einen Schluck Scotch, lehnte sich grinsend in den Stuhl zurück. Worauf immer Sebastien hinauswollte, es war etwas Großes. Das Pokerspiel war das Letzte, woran Antonio jetzt noch dachte.

Sebastien verzog den Mund. „Wie deine Autos? Deine Privatinsel, Alejandro? Und du, Stavros, wann nutzt du die riesige Jacht, auf die du so stolz bist? Wir kaufen uns teure Spielzeuge und gehen oft und gerne Risiken ein, aber … verschafft uns das Zufriedenheit? Erfüllt es unsere Seelen?“

„Was schlägst du vor? Sollen wir in ein Kloster eintreten?“, spottete Alejandro. „Wir geben alle weltlichen Besitztümer auf und finden Erleuchtung?“

„Ich gehe jede Wette ein … keiner von euch würde zwei Wochen ohne Vermögen und Familiennamen überleben“, behauptete Sebastien provozierend.

„Könntest du das denn?“, fragte Stavros sofort. „Willst du freiwillig wieder an den Punkt zurück, bevor du reich warst? Hunger macht auch nicht glücklich.“

„Um genau zu sein, ich spiele mit dem Gedanken, mit der Hälfte meines Vermögens eine Stiftung zu gründen – einen internationalen Rettungsdienst. Nicht jeder hat Freunde, die ihn aus einem Schneeberg ausgraben.“

„Ist das dein Ernst?“, entfuhr es Alejandro. Sebastien gehörte jetzt auf jeden Fall die gesamte Aufmerksamkeit. „Wie viel ist das? Fünf Milliarden?“

„Geld kann man nicht mit ins Grab nehmen“, sinnierte Sebastien weiter. „Monika ist Feuer und Flamme, aber ich denke noch darüber nach. Ich sag euch was … wenn ihr zwei Wochen ohne Kreditkarte überlebt, mache ich es.“

Auch wenn Sebastien es in die Runde gesprochen hatte, so hatte Antonio doch das Gefühl, dass diese Herausforderung insbesondere ihm galt.

„Und wann soll Stichtag sein? Schließlich haben wir alle Verpflichtungen.“ Alejandro sah zu Stavros, dann zu Antonio.

„Klar, verständlich. Räumt erst alle möglichen Hindernisse aus dem Weg, und wartet auf den Startschuss von mir. Und dann folgen zwei Wochen in der realen Welt.“

Es gelang Antonio nicht, das ungute Gefühl abzuschütteln. So hätte der Abend nicht verlaufen sollen. Sie hatten gerade einen kräftefordernden Wettkampf hinter sich gebracht, doch das, was Sebastien da vorschlug, setzte allem die Krone auf.

„Du riskierst also die Hälfte deines Vermögens für eine so alberne Wette?“, hakte Alejandro ungläubig nach.

„Wenn ihr eure liebsten Spielzeuge als Einsatz bringt.“ Sebastien nickte gelassen.

„Die Wette gilt. Ich mache mit.“ Stavros war der Erste, der zusagte.

Die drei Herausgeforderten tauschten Blicke, und Antonio sah den gleichen Argwohn in den Augen der beiden anderen, den auch er empfand. Was genau plante Sebastien, und wie stand das in Zusammenhang mit diesen zwei Wochen ohne ihre Kreditkarten, ihrem Reichtum und ihre bekannten Namen?

1. KAPITEL

Vier Monate war es her, dass Antonio bei Sebastiens Wette eingeschlagen hatte. Heute war der Startschuss für ihn gefallen. Zwei Wochen ohne das weiche Polster seines Scheckbuchs im Rücken. Für vierzehn Tage wären Stavros und Alejandro die einzige Verbindung zu dem Leben, wie er es kannte. Sie alle fragten sich noch immer, was genau Sebastien mit dieser Wette bezweckte.

Antonio schloss die Tür des kleinen möblierten Apartments, das Sebastien für ihn besorgt hatte, hinter sich. Der Lärm der geschäftigen Mailänder Straßen war deutlich zu hören. Ungläubig sah er sich um. Das musste ein Witz sein!

Auf einer schmalen schwarzen Couch an einer Wand lag ein Stapel ordentlich gefalteter Wäsche, darauf ein Briefumschlag, daneben ein Paar Arbeitsschuhe. Antonio konnte nur hoffen, dass dieses Sofa nicht auch als Bett herhalten sollte!

Seine Designerschuhe klickten laut bei jedem Schritt auf den schlichten weißen Fliesen, als er zur Couch ging und den Umschlag aufnahm, der an ihn adressiert war. Also kein Witz, er war richtig hier. Er stieß einen derben Fluch aus.

Mal ganz davon abgesehen, dass Mailand die Stadt war, in der er für die wenigen Monate, die seine Ehe gedauert hatte, mit seiner damaligen Frau gelebt hatte, und seine Eltern, von denen er sich entfremdet hatte, hier wohnten, war es auch die Stadt, in der er der einzigen Frau begegnet war, die je seine Familienloyalität auf die Probe gestellt hatte. Das Verlangen nach ihr hatte ihn halb in den Wahnsinn getrieben, aber letztendlich hatte das Pflichtgefühl gesiegt. Doch das eine Wochenende mit Sadie Parker hatte ihn wünschen lassen, die Dinge ständen anders … er wäre ein anderer, dessen Zukunft nicht bereits von einer Familie verplant war, der der Name wichtiger war als alles andere.

Frustriert öffnete er den Umschlag und las:

Willkommen zu Hause!

Für die nächsten zwei Wochen gibt es keinen Antonio Di Marcello, du bist jetzt Toni Adessi. Sobald du dich umgezogen hast, meldest du dich bei Centro Auto Barzetti gleich gegenüber. Dort wirst du für die nächsten zwei Wochen arbeiten.

Um Stavros, Alejandro oder mich zu kontaktieren, benutze ausschließlich das bereitgestellte Handy, sonst nimmst du zu niemandem Kontakt auf … und lasse auf keinen Fall deine Tarnung auffliegen. Du hast zweihundert Euro für vierzehn Tage, teile sie dir gut ein. Wenn du damit auskommst, spende ich den ersten Betrag für den internationalen Rettungsdienst.

Nutze die Zeit weise, Antonio. Bei der Wette geht es nicht darum, Autos zu reparieren, sondern deine Vergangenheit.

Sebastien

Den letzten Satz blendete Antonio aus, stattdessen nahm er das uralte Handy auf und sah die gespeicherten Nummern nach. Nicht mehr als drei – Stavros, Alejandro, Sebastien.

Antonio fluchte laut. Mit einem erbärmlichen Handy wie diesem konnte man kein Unternehmen leiten. Hier gab es nicht einmal einen Laptop, nur einen lächerlich kleinen Fernseher. Sebastien meinte es ernst – kein Kontakt zu seinem richtigen Leben.

Sein erster Impuls war es, sich umzudrehen und zu gehen, doch damit hätte er nicht nur die Wette verloren, es wäre auch das vorzeitige Ende einer dringend benötigten Koordinationsstelle, die Leben rettete. Das Unglück damals hätte Sebastien fast aus ihrer Mitte gerissen. Und vor allem hatte das hier mit Ehre zu tun. Ehre war alles. An den Ehrencodex hielt sich jeder von ihnen. Immer.

Er starrte auf den Kleiderstapel. T-Shirts, Jeans und mehrere Overalls, inklusive authentischer Ölflecke. Aufgeben war keine Option. Er würde Sebastien schon zeigen, dass er diese bizarre Wette gewinnen konnte. Er mochte mit dem silbernen Löffel im Mund geboren worden sein, aber erst seit er am Ruder des Familienunternehmens stand, hatte das Bauunternehmen internationalen Ruf erworben. Er hatte mindestens genauso hart gearbeitet wie Sebastien. Familienvermögen war keine so großartige Sache, wie der Gründer ihres Clubs annahm.

Was immer Sebastien sich für ihn ausgedacht haben mochte, er musste Stavros und Alejandro warnen, wie ernst es dem Mann mit der Herausforderung war.

Wenigstens hatte dieses Uralt-Handy eine Kamera. Also schoss er ein Foto von dem Kleiderstapel und den zweihundert Euro und mailte es an die beiden.

Das bin ich – für die nächsten zwei Wochen. Toni Adessi, Automechaniker, wohnhaft in Mailand (ausgerechnet!) Seht euch vor, Sebastien meint es ernst.

Antonio zog seinen Maßanzug aus und hing ihn über einen Stuhl, nahm Jeans und T-Shirt und stieg dann in einen Blaumann. Dann noch die Arbeitsschuhe, die Sonnenbrille –, er trug immer Sonnenbrille, aber keine solchen billigen Plastikmodelle! – und schließlich stülpte er die Baseballkappe über die schwarzen Locken. Immerhin hatte er sich an Sebastiens Anweisung gehalten und sich seit zwei Wochen nicht mehr rasiert – was seiner PA ernsthafte Sorgen bereitet hatte. Der Vollbart sah nicht nur ungepflegt aus, er war auch unbequem.

Als er sich im Spiegel betrachtete, erkannte er sich selbst nicht wieder. Antonio Di Marcello, reicher Erbe und erfolgreicher Geschäftsmann aus eigener Kraft, existierte nicht mehr.

In den klobigen Boots – getragen! Darüber wollte Antonio besser nicht genauer nachdenken! – stapfte er zum Fenster und sah auf die andere Straßenseite zu der Werkstatt. Er konnte nicht anders, er musste grinsen. Sebastien hatte seine Hausaufgaben gemacht. Nicht nur hatte der Mann an Antonios Leidenschaft für Automotoren gedacht, er hatte ihn auch nach Mailand geschickt, Heimatstadt seiner Eltern.

Seit der Scheidung war er nicht mehr hier gewesen … drei Jahre. War das die eigentliche Herausforderung? Dass er seine Vergangenheit in Ordnung bringen musste? An der Ehe war nichts zu reparieren, die war gescheitert. Sebastien war der Einzige, der die Wahrheit kannte und von dem Versprechen wusste, das Antonio seiner Exfrau gegeben hatte. Also warum Mailand? Um die Beziehung zu seinen Eltern zu kitten?

Kurz blitzte das Bild seiner Exfrau vor seinen Augen auf, doch wie jedes Mal übernahm sofort Sadie Parkers Bild, die eine Frau, die auf dem besten Wege gewesen war, ihm das Herz zu stehlen. Sadie und er hatten ein wildes Wochenende hier in Mailand verbracht, bevor er dem Druck seines herrischen Vaters nachgegeben und Eloisa geheiratet hatte. Schon nach dem ersten Kuss war Sadie die Frau gewesen, die er wirklich gewollt hatte, die er für sich gewählt hätte, hätten Tradition und Familienloyalität ihn nicht wie ein Tonnengewicht zu Boden gedrückt. Hätte er damals gewusst, was er heute über seine Exfrau wusste … er hätte Sadie niemals gehen lassen. Zumindest nicht, bis er selbst es so entschieden hätte.

Aber solche Gedanken brachten jetzt nichts ein. Er hatte zwei Wochen vor sich, die er als anderer Mensch durchstehen musste. Zwei Wochen, um Sebastien zu zeigen, dass er jede Herausforderung annahm und auch bestand.

Mit diesem Entschluss schüttelte er Antonio Di Marcello ab und zog die Apartmenttür auf. Es war Toni Adessi, der die Straße zur Werkstatt überquerte, um eine Arbeit anzutreten, von der er als kleiner Junge immer geträumt hatte, damals, als der Gärtner seiner Eltern, ein großer Fan von Autorennen und Rennwagen, ihn unter die Fittiche genommen und ihm vieles beigebracht hatte.

Er arbeitete noch keine zwei Stunden, als er verstand, weshalb Sebastien ausgerechnet diese Werkstatt für ihn ausgesucht hatte. Antonio hatte nämlich zufällig nach oben gesehen, dort, wo hinter der hohen Fensterwand wohl das Büro lag, und glaubte zu halluzinieren. Natürlich, anders konnte es nicht sein. Schließlich war er wieder in Mailand und hatte an Sadie Parker gedacht. Sie suchte ihn ja immer wieder heim wie ein Geist. Sadie Parker, die einzige Frau, die ihn sich nach Dingen hatte sehnen lassen, die er nicht haben konnte. Die einzige Frau, die er verlassen hatte, bevor er bereit dazu gewesen war. Also wandte er sich wieder der Kundin zu und kaschierte den Schock mit seinem berüchtigten Charme.

Doch er warf immer wieder einen Blick nach oben zu der Glasfront. Und ja, es war Sadie, eindeutig. Sie redete gerade mit jemandem, und Antonio nutzte diesen unerkannten Moment, um sie sich genauer anzusehen. Wie gut er sich an ihr seidiges Haar erinnerte, an ihre vollen weichen Lippen …

Die Kundin stellte ihm eine Frage und holte ihn zurück in die Gegenwart – und zu der Tatsache, dass er die Wette verloren hätte, sobald seine Tarnung aufflog. Aber er würde nicht zulassen, dass ein hübsches Gesicht aus der Vergangenheit ihm diese Herausforderung verdarb, noch bevor sie richtig angefangen hatte. Versagen kam unter keinen Umständen infrage. Er hatte schon viel Riskanteres mit Bravour überstanden.

Sadie beobachtete den neuen Mechaniker durch das Fenster. Sie war sicher, dass sie ihn noch nie gesehen hatte, dennoch kam er ihr irgendwie bekannt vor. Er hatte soeben einen Satz Reifen für eine Kundin gewechselt, und die Art, wie er sich bewegte, hatte etwas in ihr angerührt und ihre Neugier geweckt.

Der Mann besaß frappierende Ähnlichkeit mit Antonio Di Marcello, dem Mann, der ihr vor vier Jahren an einem einzigen Wochenende das Herz gestohlen und es ihr damit unmöglich gemacht hatte, einen anderen Mann zu lieben. Sie hatte Antonio nie vergessen können, sosehr sie sich auch bemüht hatte. Wie auch, wenn sie jeden Tag ihren kleinen Sohn vor sich hatte, das Kind, dem Antonio den Rücken gekehrt hatte.

„Der Neue heißt Toni Adessi.“ Ihre Kollegin Daniela gesellte sich zu ihr ans Fenster. „Sieht umwerfend aus, richtig heiß, was?“

„Möglich.“ Sadie konnte den Blick nicht abwenden, auch wenn der Neue Erinnerungen an ein romantisches Wochenende wachrief. Doch dann ließ sie die Schotten im Kopf herunterfahren. Sie durfte nicht zulassen, dass irgendein bärtiger Fremder sie aus dem Konzept brachte … nur weil er sie an Leos Vater erinnerte. „Aber bestimmt gefährlich.“

Daniela lachte. „Wie meinst du das?“

„Sieh ihn dir doch an, dem tropft der Charme ja aus allen Poren. Der hält sich für etwas Besonderes – Gottes Geschenk an die Frauen.“ Sie wusste, das war unfair. Sie sah Antonio Di Marcello vor sich und projizierte dessen Fehler auf den neuen Mechaniker. Aber es war schwer, das nicht tun, wenn der Mann wirklich genau die gleiche Gestik hatte wie jener, der sie fallen gelassen hatte, um eine andere Frau zu heiraten, eine, die besser zu seiner Stellung passte. Dass das eine Wochenende ihn zum Vater gemacht hatte, hatte er ignoriert.

Nein, das konnte unmöglich Antonio sein, versicherte Sadie sich still. Antonio würde sich nie dazu herablassen, einen simplen Job wie ein normaler Mann zu übernehmen. Genau wie er sich nie dazu herablassen würde, ein normales Mädchen zu heiraten. Das hatte seine Mutter unmissverständlich klargemacht.

„Was immer Leos Vater dir angetan hat … das musst du endlich vergessen und den nächsten Schritt tun, sonst wirst du nie Liebe und Romantik finden.“ Daniela wiederholte eigentlich nur, was ihre Mutter auch immer sagte. Und beide hatten sie recht. Sadie hatte ja auch geglaubt, sie wäre auf dem richtigen Weg, sie hoffte längst nicht mehr, dass Antonio Di Marcello Interesse für seinen Sohn entwickeln würde … bis dieser neue Mechaniker aufgetaucht war und damit die alten Wunden wieder aufriss.

„Leo und ich sind zufrieden, so wie es ist.“ Es gelang ihr nicht, den leicht aggressiven Ton aus der Stimme heraushalten. Es behagte ihr ganz und gar nicht, daran erinnert zu werden, dass Antonio sie damals hatte sitzen lassen, um eine andere zu heiraten. Sie hatte versucht, ihn zu kontaktieren, hatte ihn wissen lassen wollen, dass er Vater wurde. Sie war sogar zu der riesigen Villa gegangen, die seiner Familie gehörte, und hatte sich von seiner Mutters überheblicher Miene herunterputzen lassen, doch von Antonio hatte sie nie wieder gehört.

„Es kann nicht schaden, ein wenig Spaß zu haben und ein bisschen zu flirten. Du bist erst dreiundzwanzig – viel zu jung, um den Männern schon abzuschwören.“

„Das werde ich ganz bestimmt nicht …“

„Warum denn nicht? Oh schau, er kommt nach oben.“ Daniela kicherte wie ein Teenager, und dann drehte sie sich zu Sadies Entsetzen um und verließ das Büro.

Sadie stockte der Atem, als der neue Mechaniker das Büro betrat. Wie, hatte Daniela gesagt, hieß er noch?

„Kann ich etwas für Sie tun?“ Sein Anblick brachte sie dermaßen durcheinander, dass sie ihr erlerntes Italienisch vergaß und automatisch in ihre Muttersprache Englisch verfiel.

„Sie sind Engländerin?“

Die Stimme des Mannes war rau, so ganz anders als die von Antonio, und er sprach mit schwerem Akzent. Sadie entspannte sich … zumindest ein wenig. Die Ähnlichkeit dieses Mannes mit dem Vater ihres Kindes hatte die Vergangenheit wieder aufgewühlt, aber mit dem Vollbart und den etwas zu langen Locken, die unter der Kappe herauslugten, konnte er niemals Antonio sein. Antonio hatte immer auf jedes Detail geachtet, sowohl im Geschäfts- als auch im Privatleben.

„Ist das ein Problem für Sie?“ Nicht gerade sehr freundlich, nicht wahr? Aber seine unverfrorene Musterung machte sie nervös. Er hatte also auch weder die Manieren noch die Gewandtheit, die Antonios zweite Natur gewesen waren. Hinter ihrem Schreibtisch nahm sie sich ebenfalls die Freiheit, ihn genauer zu studieren. Nein, das war sicher kein Mann, mit dem sie „ein wenig Spaß“ haben wollte.

„Nein, cara.“ Mit einer lässigen Geste warf er den Arbeitsauftrag auf den Schreibtisch und ging wieder. Doch in der Tür drehte er sich noch einmal um und lächelte … zumindest glaubte sie, dass er lächelte. Der ungepflegte Bart machte es schwierig, das genau zu erkennen. „Für die Herausforderung einer Frau bin ich immer zu haben, ganz gleich, welche Nationalität sie hat.“

Sadie schnappte nach Luft. Die Unverschämtheit, die dieser Kerl besaß! Wenn er sich einbildete, sie wäre seine nächste Herausforderung, dann hatte er sich gründlich geirrt! Sie ging zum Fenster und schaute in die Werkhalle hinunter, und der grobe Kerl warf ihr doch tatsächlich eine Kusshand zu!

Erbost drehte sie sich zu Daniela um, als diese wieder ins Büro kam. „Wenn du glaubst, mit so einem wie dem da würde ich mich einlassen, dann bist du völlig auf dem Holzweg.“

„Hey, ich habe nicht von Heirat gesprochen.“ Daniela grinste. „Nur ein wenig Spaß.“

„Auf gar keinen Fall. Ich muss an Leo denken.“ Damit setzte Sadie sich an ihren Schreibtisch und nahm ihre Arbeit wieder auf. Allerdings fiel es ihr schwer, sich auf die Zahlen zu konzentrieren, die vor ihr lagen.

Wer immer dieser Mann war, er hatte an einem einzigen Vormittag alles zunichtegemacht, was sie in den drei Jahren seit Leos Geburt erreicht hatte – er hatte Antonio Di Marcello aus der Versenkung gezerrt. Schon allein aus dem Grund wollte sie absolut nichts mit Toni Adessi zu tun haben.

Verbissen machte Antonio sich an die nächste Reparatur. Er konnte kaum glauben, dass er gerade ungeschoren davongekommen war. Er war sicher gewesen, dass Sadie ihn erkennen würde. Argwohn und Misstrauen hatten in ihren grünen Augen gestanden. Er schickte ein stilles Dankgebet zum Himmel, dass er Sebastiens Rat befolgt und sich mit dem Vollbart eine natürliche Verkleidung zugelegt hatte.

Gegen Feierabend sah er Sadie, Jacke über dem Arm und Handtasche auf der Schulter, die Halle auf das offen stehende Tor hin durchqueren. Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Damals war sie neunzehn gewesen, jetzt, vier Jahre später, war sie weiblicher, begehrenswerter, noch sexier … und es brachte ihn schier um, dass er sich nicht zu erkennen geben durfte und sie beide da wieder ansetzen konnten, wo sie damals abgebrochen hatten. Heute hingen keine Pflichten mehr über ihm wie eine dunkle Wolke, nie wieder würde er sich den Manipulationen seiner Eltern beugen.

Er war Sadies „Erster“ gewesen, der Grund, wie er sich sagte, weshalb es ihm nie gelungen war, die Erinnerung an jene beiden Nächte mit ihr abzuschütteln. Jetzt war er hier, aber er konnte nichts unternehmen. Sollte sie seine wahre Identität herausfinden, bevor die zwei Wochen vorüber waren, hätte er alle Freunde im Stich gelassen und Sebastien bewiesen, dass er recht hatte. Absolut inakzeptabel.

Nein, Sadie Parker würde warten müssen, bis Antonio Di Marcello wieder auferstand. Aber das sollte Toni Adessi nicht daran hindern, ein wenig mit ihr zu flirten und das Gelände schon mal vorsichtig auszukundschaften, oder?

„Na? Heute Abend schon was vor?“ Er grinste breit, als sie sich zu ihm umdrehte und missbilligend den Mund verzog. Diese grobschlächtige Art untermauerte seine Tarnung auf jeden Fall ganz prächtig.

„Allerdings. Ich hole meinen Sohn von der Kindertagesstätte ab.“

Sie hatte ein Kind?

Die Neuigkeit traf ihn wie ein Vorschlaghammer. Seine Sadie mit einem anderen Mann? Die Vorstellung stieß ihm bitter auf. Natürlich hatte er kein Recht, sich darüber aufzuregen, war er es doch gewesen, der die Beziehung beendet hatte, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass er würde heiraten müssen, so wie es von ihm erwartet wurde. Er hatte auch kein Problem mit der Aussicht auf die Heirat mit Eloisa gehabt, schließlich kannten sie sich von Kindheit an. Er hatte in Eloisa eine Freundin gesehen. Seine Mutter und sie kamen bestens miteinander aus, waren praktisch wie Mutter und Tochter, und er hatte immer nur das Beste für Familienunternehmen und – namen gewollt. Es hätte also eigentlich nichts schiefgehen dürfen, da er nie vorgehabt hatte, sich auf dieses vergängliche Gefühl, die sogenannte Liebe, einzulassen.

Er hatte eine lieblose Kindheit hinter sich, da schien eine Ehe, die auf Freundschaft basierte, nicht verkehrt. Im Grunde genommen war es sogar perfekt, hatte er doch genügend Ehen zerbrechen sehen, die aus Liebe geschlossen worden waren. Und hinterher wurde dann die schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen. Nein danke, darauf konnte er verzichten.

Laut damaligem Plan war ihm gar nichts anderes übrig geblieben, als Sadie nach nur einem Wochenende gehen zu lassen. Und wie es schien, hatte sie genau das getan, worauf er gehofft hatte – sie hatte mit ihrem Leben weitergemacht. Warum also sollte es ihn dermaßen ärgern, dass sie einen anderen Mann gefunden hatte?

Er sah auf ihre Hände. Kein Ring. „Wie heißt Ihr Sohn?“

„Leo“, beantwortete sie seine Frage tonlos, aber sie wandte sich nicht ab. Und erneut fragte er sich, ob sie ihn vielleicht erkannt hatte. „Nicht, dass es Sie etwas anginge.“

„Sein Vater ist bestimmt stolz auf ihn.“ Er musste wissen, wer dieser Mann war, der seinen Platz eingenommen hatte.

„Ich bin alleinerziehend.“

Die Information versetzte ihm einen Adrenalinschub, als säße er hinter dem Steuer eines Rennwagens. Sie hatte also nicht das immerwährende Glück gefunden, das Glück, von dem sie beide an jenem Wochenende eine Kostprobe erhalten hatten. Ebenso wenig wie er nach der Heirat mit Eloisa.

Ihre Blicke trafen kurz aufeinander, und Antonio vergaß alles über die Wette, vergaß, dass es unbedingt erforderlich war, ein anderer Mann zu sein. Er konnte nur noch denken, dass irgendein Kerl Sadie in dieser Situation allein gelassen hatte. Plötzlich war der Wunsch, Sadie zu beschützen, sich um sie und das Kind zu kümmern, so stark, dass alles andere unwichtig wurde. Außer, dass er mit diesem Kerl ein ernstes Wörtchen reden wollte.

„Ich bin hier fertig.“ Er wischte sich die ölverschmierten Finger mit einem ebenso ölverschmierten Tuch ab, und für einen Moment vergaß er sogar, dass er angeblich einen Akzent hatte und ein grobschlächtiger Kerl war. „Darf ich Sie begleiten?“

Verdutzt sah sie ihn an, und er wusste, er hatte die Fassade zu weit rutschen lassen. Er hatte mit seiner normalen Stimme gesprochen, und er konnte die Fragen über ihr Gesicht huschen sehen.

„Danke, das wird nicht nötig sein.“ Und noch immer blieb sie stehen und sah ihn an. Wollte sie ihn absichtlich quälen?

„Ich bin neu in der Stadt“, behauptete er und achtete darauf, wieder mit Akzent zu sprechen und den rauen Charme an den Tag zu legen. „Eine hübsche Frau an meiner Seite, das wäre der perfekte Abschluss für den Tag.“

„Es ist nicht weit.“ Dieses Mal wandte sie sich zum Gehen, und er sah über die Schulter zum Teamleiter, um sich das Einverständnis zu holen, dass er gehen konnte. An so etwas war er überhaupt nicht gewöhnt. Niemand sagte Antonio Di Marcello, was er zu tun und zu lassen hatte. Nicht mehr.

„Dann begleite ich Sie eben so weit, wie Sie zu gehen haben.“

Wortlos verließ sie die Werkstatt, ohne sein Angebot anzunehmen, und tauchte in den Trubel der Straße ein. Antonio ließ das Tuch fallen und folgte ihr, holte sie schnell ein und fiel an ihrer Seite in ihren Schritt mit ein. Er musste an jenen Abend zurückdenken, als sie Hand in Hand durch Mailand gebummelt waren, bevor sie in seinem Hotelzimmer die erinnerungswürdigste Nacht seines Lebens verbracht hatten.

„Sie erinnern mich an jemanden.“

Alles in ihm verspannte sich. Er spielte hier ein gefährliches Spiel. Sollte sie ihn erkennen, hatte er alles verdorben, auch für die anderen. Aber sie reizte ihn heute noch mehr als damals.

Aber er würde sich wohl in Geduld üben müssen – selbst wenn er vorhatte, unter diese offene Geschichte mit Sadie endlich einen Schlusspunkt zu setzen.

„Hoffentlich an jemanden, der nett ist?“ Er lachte leise.

Sadie ging mit entschlossenen Schritten weiter. Gerade, als er schon glaubte, es komplett verbockt zu haben, blieb sie vor einem hohen schmalen Haus stehen.

„Weiter habe ich nicht zu gehen. Wir sehen uns morgen auf der Arbeit.“ Wenn der Wink ihm nicht deutlich sagte, dass sie lieber auf seine Gesellschaft verzichtete …

Er starrte auf ihren Mund und meinte ihren Geschmack wieder zu schmecken, so stark war die Erinnerung an den ersten Kuss, der ihr Schicksal besiegelt hatte. Er wollte sie wieder küssen, wollte sie wieder als die Seine beanspruchen. Aber er war nicht länger Antonio Di Marcello, sondern Toni Adessi, der raubeinige Automechaniker, den sie eben erst getroffen hatte.

Konnte ein Mann wie der, der er jetzt war, überhaupt ihr Interesse erregen? Und wollte er sich wirklich auf eine Affäre mit einer Frau einlassen, die bereits ein Kind von einem anderen Mann hatte? Er suchte grundsätzlich nur die Gesellschaft von Frauen, die niemandem verpflichtet waren. Das hielt das Risiko für Komplikationen gering.

„Ich freue mich schon darauf.“ Er lächelte das berüchtigte Di Marcello-Lächeln und konnte mitverfolgen, wie sie misstrauisch die Augenbrauen zusammenzog. Nur gut, dass er sich den Bart hatte stehen lassen und sich hinter der Sonnenbrille verstecken konnte. Er ließ sich hier auf eine gefährliche Gratwanderung ein.

„Mr. Adessi, ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann“, überraschte sie ihn mit ihrer Unverblümtheit.

„Ich will Ihnen ja auch keinen Heiratsantrag machen.“ Himmel, das war nun wirklich das Letzte, wonach ihm der Sinn stand … nach der Erfahrung, die er bereits hinter sich hatte. „Nur ein wenig Spaß, mehr nicht.“

„Alleinerziehende Mütter verzichten auf ‚nur ein wenig Spaß‘. Wenn Sie mich dann entschuldigen? Mein Sohn wartet.“ Mit diesen recht scharf gesprochenen Worten ging sie in das Haus und ließ ihn draußen auf der Straße stehen.

Verdutzt starrte er vor sich hin. Hatte Antonio Di Marcello sich etwa gerade eine Abfuhr eingehandelt, von genau dem Typ Frau, von dem er sich geschworen hatte, sich fernzuhalten? Was war los mit ihm? Nur weil er zwei Wochen als Toni Adessi leben musste, brauchte er nicht gleich seine Identität aufzugeben!

Die Vernunft schaltete sich ein. Nur die Wette war wichtig, alles andere zählte nicht – zumindest, bis diese zwei Wochen vorüber waren. Und danach … Wer konnte schon vorhersagen, was danach kam?

2. KAPITEL

Nachdem sie dem aufdringlichen neuen Mechaniker eröffnet hatte, dass sie alleinerziehende Mutter war, fühlte Sadie sich die restliche Woche über sicherer, vor allem, da der Mann Abstand hielt. Auch wenn seine Ähnlichkeit mit Leos Vater sie aufrieb.

Aber heute war Sonntag, der Sommer kündigte sich an, und so verdrängte sie jeden Gedanken an den Neuen und freute sich darauf, Zeit mit Leo auf dem kleinen Spielplatz in der Nachbarschaft zu verbringen. Und nein, sie würde nicht an den Mann denken, der ihr und ihrem Kind den Rücken gekehrt hatte.

Mamma!“ Leo jauchzte begeistert, als sie das kleine Karussell für ihn anstieß. Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich in eine andere Richtung gezogen. Sadies Nackenhärchen richteten sich auf. Abrupt drehte sie sich um.

Buon giorno.“

Tonis tiefe raue Stimme ließ sie zusammenzucken. Er runzelte die Stirn, und selbst hinter der Sonnenbrille meinte sie die Rädchen in seinem Kopf sich drehen zu sehen. Hatte er also endlich akzeptiert, dass sie nicht gelogen hatte, dass sie tatsächlich ein Kind hatte? Vielleicht ging er ja jetzt wieder, da er sich überzeugt hatte, und flirtete nicht mehr so schamlos mit ihr. Sie wollte doch nur in Ruhe den Tag mit Leo genießen.

„Was tun Sie hier?“, fuhr sie ihn in Englisch an. Der Mann verwirrte sie dermaßen, dass sie nicht einmal mehr die Sprachen auseinanderhalten konnte! Mit knapp achtzehn hatte sie einen Italienischkurs belegt, nachdem sie mit ihren Eltern nach Italien umgesiedelt war. Damals hatte sie überschwängliche Komplimente für ihre neu erworbenen Sprachkenntnisse von dem Mann erhalten, dem sie naiverweise mehr als nur ihr Herz überlassen hatte. Aber dieser Mann hier war nicht Antonio, das sollte sie besser nicht aus den Augen verlieren.

„Auf der Arbeit haben wir uns ja die ganze Woche nicht unterhalten, das hat mir gefehlt.“ Er kam einen Schritt näher. In der engen Jeans schienen seine muskulösen Beine endlos lang zu sein, und die Ärmel seines T-Shirts spannten sich über beeindruckenden Bizeps … was sofort sinnliche Erinnerungen weckte. Antonio hatte sie damals in seinen starken Armen gehalten, nachdem er sie so leidenschaftlich für immer zu der Seinen gemacht hatte.

Sadie verdrängte die Bilder und schalt sich still, weil sie den Mann so unverhohlen musterte. Ein einziges Mal hatte sie es sich erlaubt, sich von so etwas faszinieren zu lassen, und man brauchte sich ja nur anzusehen, wohin das geführt hatte. Ihr Sohn würde sie immer an den heißen Flirt erinnern.

Antonio war gegangen, weil er eine Frau heiraten sollte, die besser zu ihm passte. Eine reiche Erbin, wie von seinen Eltern gewünscht, so hatte er ihr nüchtern erklärt. Es war seine Pflicht, und ein Di Marcello tat immer seine Pflicht. Für die Liebe hatte er nur Spott übriggehabt, hatte ihre Liebe für ihn damit abgetötet und ihre Träume von einer glücklichen Zukunft mit dem Mann, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt hatte, zerstört. Seine Zurückweisung hatte sie so sehr verletzt, dass sie die Zeichen, die ihr Körper ihr sandte, zuerst nicht verstanden hatte. Sie wollte auch gar nicht wissen, ob sie das Kind des Mannes unter dem Herzen trug, der ohne einen einzigen Blick zurückgegangen war.

„Ich hatte zu arbeiten“, antwortete sie endlich. „Wie Sie sicherlich auch.“

„Dann hoffe ich, dass Sie diese Woche nicht zu beschäftigt sind.“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, das Einzige, was hinter seiner Sonnenbrille zu erkennen war. Ohne diese dunkle Brille hatte Sadie ihn noch nicht gesehen, und mit dem buschigen Vollbart war es praktisch unmöglich, sein Gesicht zu erkennen.

Das war auch nicht nötig! Nie wieder würde sie sich von einem Mann derart verletzen lassen. „Ich werde immer zu beschäftigt sein, Mr. …?“

„Adessi“, beeilte er sich zu ergänzen.

„Genau … Ich bin immer beschäftigt, entweder mit der Arbeit oder mit Leo.“ Erschrocken ging ihr Blick zum Karussell. Für einen Moment hatte Toni Adessi sie tatsächlich ihren Sohn vergessen lassen! Weil er sie in die Vergangenheit zu dem einen Wochenende zurückgezerrt hatte, an dem ihr kleiner Junge gezeugt worden war.

„Ein braver Junge, was?“

„Ja, das ist er“, erwiderte sie knapp. Sie hatte nicht vor, weiter mit dem Mann über ihren Sohn zu sprechen.

Leo und sie brauchten niemanden, auch wenn Leo inzwischen alt genug war, um zu merken, dass er anders als andere Kinder war, weil er keinen Vater hatte. Und nein, sie würde das Wohlergehen ihres Sohnes nie aufs Spiel setzen, nur weil Toni Adessi den gleichen Charme wie Leos Vater besaß. So dumm war sie nicht.

„Ähnelt er seinem Vater?“

Toni sah von ihr zu ihrem Jungen, und seine Frage drückte die Tür zur Vergangenheit noch ein Stückchen weiter auf. Hastig fuhr Sadie die Barrieren, die sie um sich und Leo herum gebaut hatte, noch ein Stück weiter hoch, um die Gefahr auszuschließen.

Doch welche Gefahr das sein sollte, konnte sie nicht sagen. Nur, dass sie Leo davor bewahren musste.

Reglos beobachtete Antonio den Jungen, während der Schock erst eisige Kälte, dann rot glühende Rage durch ihn hindurchjagte. Selbst mit seiner geringen Erfahrung mit Kindern wusste er, dass der Junge ungefähr drei sein musste. Was nach seiner Berechnung hieß, der Junge war circa neun Monate nach dem Wochenende mit Sadie geboren worden. Sadie, die junge Frau, die damals gerade nach Italien gezogen war und keinen großen Widerstand geleistet hatte, als er sie ansprach.

Jäh wurde ihm klar, worum es bei Sebastiens Wette ging. Nicht etwa darum, das Verhältnis zu seinen Eltern wieder zu richten, auch nicht das mit seiner Exfrau. Nein, es ging um diese Frau. Sebastien war der Einzige, dem Antonio nach dem Lawinenunglück ohne Rückhalte von Sadie erzählt hatte.

Es war damals eine sehr emotionale Zeit gewesen, Geheimnisse waren offenbart und sich von der Seele geredet worden. Er hatte Sebastien damals gestanden, dass Sadie die richtige Frau zur falschen Zeit gewesen war. Hatte Sebastien ihn deshalb in diese Werkstatt geschickt, weil er gewusst hatte, dass Sadie dort arbeitete? Höchstwahrscheinlich. Antonio glaubte nicht an Zufälle.

Jetzt war ihm alles klar. Es ging nicht darum, zwei Wochen mit zweihundert Euro in einem winzigen Apartment zurechtzukommen. Hier ging es darum zu sehen, was hätte sein können, und die Vergangenheit in Ordnung zu bringen. Sadie Parker war die Herausforderung, die Frau, von der er Sebastien erzählt hatte, dass er sich wünschte, die Dinge ständen anders.

Sebastien hatte ihn hierhergeschickt, damit er sich der Frau stellte, die ihn sich mehr hatte wünschen lassen als die kalt kalkulierte Ehe um des Familiennamens willen. Hatte Sebastien auch von dem Kind gewusst? War Sadies kleiner Junge vielleicht das Resultat jenes leidenschaftlichen Wochenendes? War der nächste Di Marcello-Erbe, den seine Eltern sich von seiner Ehe erhofft hatten, bereits geboren? Er konnte sich die Verachtung seiner Mutter bestens vorstellen, wenn sie von einem unehelichen Di Marcello erfuhr. Und dann auch noch von einer Mutter, die keine Italienerin war. Fast hätte er laut aufgelacht.

„Er kennt seinen Vater nicht“, erklärte Sadie leise und gab ihrem Sohn neuen Anschwung.

„Das ist schade.“ Antonio ließ den Akzent schwerer klingen, um die Welle von Emotionen zu kaschieren, die plötzlich über ihn schwappte. „Ein Junge sollte einen Vater haben.“

Das hatte er sich damals als Kind immer gewünscht. Natürlich hatte er einen Vater gehabt, aber zwischen ihnen hatte keine Bindung bestanden, nur kühle Distanz, die dann letztendlich jegliches Gefühl für den Mann, den man als Kind lieben und respektieren sollte, erstickt hatte. Antonio hatte sich einen Vater gewünscht, dem am Sohn lag, der etwas mit dem Sohn unternahm, der für den Sohn da war. Und weil er das nicht gehabt hatte, hatte er sich geschworen, nie Kinder in die Welt zu setzen, bis er bereit war, ein solcher Vater zu sein. Der Gärtner war damals der Einzige gewesen, der ihm Zuneigung und Interesse entgegengebracht hatte. Auf jeden Fall war er erleichtert gewesen, dass seine Ehe kinderlos geblieben war, hatte Eloisa sich doch strikt geweigert, mit ihm zu schlafen.

„Ja, das sehe ich auch so“, stimmte Sadie zu. Tiefe Resignation schwang in ihrer Stimme mit. „Sein Vater jedoch war da anderer Meinung.“

„Wie alt ist Leo?“ Die Frage musste gestellt werden, er musste es wissen.

Mit gerunzelter Stirn sah Sadie ihn an, doch er konnte diese Sache nicht einfach ignorieren. Sollte Leo sein Sohn sein, konnte er sich nicht umdrehen und gehen, Wette hin oder her.

In diesem Moment verlangte Leo lautstark, dass das Karussell angehalten werden solle. Sofort griff Antonio nach dem Geländer und brachte den sich drehenden Kreisel zum Stehen. Plötzlich sah er in die dunklen traurigen Augen des Jungen, und es war, als würde er in den Spiegel der Vergangenheit blicken und sich selbst als Kind sehen.

Er sprach ein paar Worte Italienisch zu dem Kleinen, der mit bebenden Lippen nach seiner Mutter rief, und still verfluchte Antonio das raubeinige Äußere des Toni Adessi.

„Er ist nicht an Männer gewöhnt.“ Sadie nahm ihren Sohn auf den Arm, der Antonio von dem sicheren Platz aus jetzt vorwurfsvoll anstarrte.

Schuldgefühle wollten Antonio erdrücken. Er brauchte keinen DNA-Test. Ein Blick in die Augen des Kleinen hatte gereicht. Der Junge war definitiv ein Di Marcello.

„Warum haben Sie entschieden, den Jungen allein aufzuziehen?“ Ärger fraß an ihm. Es war sein Junge, und erst heute sah er ihn zum ersten Mal. Für wen hielt Sadie sich, dass sie ihm drei Jahre lang den Sohn vorenthielt?

„Sein Vater ist schlicht gegangen. Das fördert nicht gerade den Wunsch, Platz für einen Mann in unserem Leben zu machen. Ihren Charme sollten Sie also besser an anderer Stelle einsetzen, Mr. Adessi, bei mir ist er vergeudet.“ Sadie drückte Leo an sich und funkelte den Mann vor sich verärgert an. Doch alles, was sie sehen konnte, war das eigene Spiegelbild in den Gläsern seiner Sonnenbrille. Weshalb war dieser Toni so interessiert an ihr und Leo? Ein unguter Schauer lief ihr den Rücken hinunter.

„Das ist zu schade … für den Jungen.“ Antonio studierte Leo nachdenklich, der prompt das Gesicht am Hals seiner Mutter barg. „Wäre Leo mein Sohn, würde ich alles über ihn wissen wollen.“

Sadie seufzte entnervt. Warum führte sie dieses Gespräch überhaupt mit dem Mann? Aus Schuldgefühl? Zwar hatte sie versucht, Antonio Di Marcello zu kontaktieren, aber wohl nicht hartnäckig genug. Sie hatte sich von Antonios Mutter die Tür vor der Nase zuschlagen lassen und es einfach so hingenommen. Sie hätte es weiter versuchen sollen, hätte sich mehr bemühen sollen – nicht für sich selbst oder für Antonio, sondern um Leos willen. In Tonis Sonnenbrille konnte sie ihre Augen aufblitzen sehen, als Ärger das Schuldgefühl verdrängte. „Ich wurde darüber informiert, dass ein uneheliches Kind nicht als willkommener Zuwachs der noblen Familie angesehen werden würde.“

Noch immer konnte sie die Scham spüren, als sie damals zu der großen alten Villa gegangen und abgekanzelt worden war. Sie hatte Antonio die Nachricht bringen wollen, und sein Zuhause war die einzige Kontaktadresse, die sie gehabt hatte. Aber man hatte ihr nicht zuhören wollen, hatte sie wie eine Goldgräberin behandelt, die ihre finanzielle Zukunft mit einer Lüge absichern wollte. Hämisch hatte man ihr dann von der bevorstehenden Hochzeit erzählt, die man sich durch nichts verderben lassen werde. Schließlich ginge es um die lang geplante Vereinigung zweier junger Menschen, die sich von Kindheit an kannten und liebten.

Und als Sadie dann die Fotos von dem gesellschaftlichen Großereignis in der Zeitung gesehen hatte, da hatte sie auch gewusst, dass es keinen Zweck hatte, es noch einmal zu versuchen. Den Skandal um ein uneheliches Kind hätte sie nicht ertragen. Erst recht nicht, nachdem ihre Familie von seiner gewarnt worden war.

„Sind Sie da absolut sicher?“, knurrte er.

Argwöhnisch schaute sie ihn an. „Wieso sind Sie hier, Mr. Adessi? In der Werkstatt, meine ich.“ Sie klaubte all ihren Mut zusammen, um die Frage zu stellen, die schon die ganze Zeit über an ihr nagte, seit er Leo gesehen hatte. Den Schock, der über sein Gesicht gehuscht war, hatten weder Sonnenbrille noch Bart kaschieren können. Hatte Antonio Di Marcello vielleicht einen Bruder oder einen Cousin, den er geschickt hatte, um ihre damalige Behauptung zu überprüfen? Und warum ausgerechnet jetzt, nach so langer Zeit?

Vier Jahre hatte sie gehofft und geträumt, aber endlich hatte sie auch ihre Mutter überzeugen können, dass sie nicht in Mailand leben mussten, dass es nicht das war, was sie und Leo brauchten. Längst hatte sie die Idee aufgegeben, sie müsse in der Heimatstadt von Leos Vater bleiben, nur für den Fall … In wenigen Wochen würden sie und ihre Eltern also wieder nach England zurückkehren. War das der Grund, weshalb Adessi aufgetaucht war? Wurden vielleicht Informationen über sie und das Kind, von dem Antonio nichts wissen wollte, gesammelt? Aber was versprach er sich davon?

„Ich habe den Job angenommen, um etwas zu beweisen.“ Er sprach jetzt ganz anders, ruhig und nüchtern, genau wie Antonio damals, als er ihr erklärt hatte, weshalb es aus zwischen ihnen war.

„Und das wäre?“, wollte sie misstrauisch wissen.

Die Art, wie er einen Schritt zurücktrat und sein Blick zwischen Leo und ihr hin und her wanderte, ließ sie sich unbehaglich fühlen. „Um zu beweisen, dass ich es schaffe. Und das werde ich auch.“

3. KAPITEL

Die erste Woche ging in die zweite über, und die erwies sich als wesentlich schwieriger, wie Antonio zugeben musste. Was weder mit der Arbeit in der Werkstatt noch mit dem winzigen Apartment zu tun hatte, sondern allein mit Sadie.

Am Sonntag im Park hätte er fast seine Tarnung auffliegen lassen, die Versuchung war nahezu überwältigend gewesen, nachdem er zu der Überzeugung gekommen war, dass Sadies kleiner Sohn auch sein Sohn war. Er hatte die beiden sofort mit sich nach Rom nehmen wollen, nur seine Loyalität zu Sebastien und den anderen beiden Freunden hatte ihn im letzten Moment zurückgehalten. Jetzt wusste er mit Gewissheit, dass die Herausforderung nichts mit dem Überleben ohne Vermögen als Polster im Rücken zu tun hatte. Sebastien hatte Antonio mit seiner ganz persönlichen Herausforderung konfrontiert, und es war davon auszugehen, dass der Mann sich für Stavros und Alejandro etwas Ähnliches überlegt hatte.

Und nun war auch die zweite Arbeitswoche vorüber. Am Freitagabend wischte Antonio sich mit einem Tuch die schmutzigen Hände ab. Zeit, Toni Adessi hinter sich zu lassen und das in Angriff zu nehmen, was nötig war.

Als er seine Sonnenbrille aufsetzte, brauchte er sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Sadie hinter ihn getreten war. Jede Zelle in ihm ging in Hab-Acht-Stellung, als er ihre leise Stimme hinter sich hörte. Schließlich hatte sie ihn die ganze Woche über gemieden.

„Das war heute Ihr letzter Tag, richtig? Ist der Job nichts für Sie? Haben Sie das, was Sie wollten, nicht beweisen können?“

Antonio legte das Image des ungehobelten Mechanikers ab und drehte sich zu ihr um. Ihre wunderschönen grünen Augen funkelten verschmitzt. Flirtete sie etwa mit ihm, jetzt, da sie sicher war, dass er verschwand?

„Ich versage nie, Sadie. Aber ja, heute war mein letzter Arbeitstag. Jetzt habe ich wichtigere Dinge zu erledigen.“ Endlich konnte er ihr etwas sagen, das der Wahrheit entsprach.

„Und wohin gehen Sie?“

War das etwa Unruhe in ihrer Stimme? Wieso interessierte sie sich plötzlich für ihn? Seit dem Nachmittag im Park hatte sie kaum in seine Richtung geblickt. Seit dem Tag, an dem er fast alles ruiniert hätte, um sich zu holen, was ihm gehörte. Leo, der kleine Junge mit den schwarzen Augen, die allen Di Marcellos zu eigen waren.

„Das Leben in Rom passt besser zu mir.“ Er musste das Lächeln zurückhalten, als er ihr schockiertes Gesicht sah.

„Sie leben in Rom?“

.“ Er konnte regelrecht spüren, wie Antonio zurückkehrte, allein wenn er an sein modernes Büro und sein Luxusapartment mit Blick über die Stadt dachte. Endlich wieder Normalität! Aber diese zwei Wochen undercover hatten vieles verändert. Auch ihn.

Misstrauisch kniff Sadie die Augen zusammen. „Wenn Sie in Rom leben … warum sind Sie dann hier, Mr. Adessi? Warum für zwei kurze Wochen in einer kleinen Werkstatt in Mailand arbeiten?“

Die Fragen waren mit Vorwürfen gespickt. Wusste sie, wer er war? Leichte Panik meldete sich an. Er konnte es unmöglich am letzten Tag noch verderben, zu viel stand auf dem Spiel. „Ich habe einem Freund ausgeholfen.“ Er musste sich zwingen, sein Alter Ego, sein anderes Ich, noch bestehen zu lassen. So knapp vor der Ziellinie würde er nicht alles riskieren. Stavros begann demnächst mit seinen zwei Wochen, und Alejandro musste erst noch herausfinden, was genau er zu tun hatte. Und überhaupt … Antonio Di Marcello versagte nie.

Es war dieser Gedanke, der ihm neue Entschlossenheit verlieh. Sobald er das Ziel erreicht hatte, würde er die Sache mit Sadie und dem Jungen angehen. Er war nahezu sicher, dass der Kleine von ihm war.

„Wann fahren Sie denn nach Rom?“ Nervös sah Sadie sich um, als suche sie jemanden.

„In ein paar Tagen. Erst habe ich hier noch etwas zu erledigen.“ Unter anderem würde er seine Eltern besuchen und herausfinden, ob und was sie von Leo wussten. Bevor er sich um Sadie kümmern konnte, musste er wissen, ob sie vielleicht versucht hatte, seine Familie zu informieren, und abgewiesen worden war. Sobald er Gewissheit darüber hatte, würde er zu Sadie zurückkommen, aber nicht als Toni Adessi.

Es ärgerte Sadie, dass Toni sich noch immer hinter der Sonnenbrille versteckte und sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Mit jedem Tag war ihre Unruhe gewachsen. Sie war mehr und mehr überzeugt, dass der Mann von Antonio geschickt worden war, um sie auszuspionieren und mehr über Leo in Erfahrung zu bringen. Seine Mutter musste ihn wohl endlich nach all der Zeit unterrichtet haben.

Das war also der Tag, den sie schon so lange fürchtete, seit ihr damals die Tür vor der Nase zugeschlagen worden war. Nun würde sie Antonio Di Marcellos Macht und Einfluss zu spüren bekommen. Garantiert arbeitete Toni Adessi für ihn. Aber sie würde Antonio wissen lassen, dass er nicht willkommen war. Schon gar nicht, wenn er nicht einmal Manns genug war, persönlich bei ihr zu erscheinen.

„Geschäftlich?“ Ganz bewusst hielt sie ihren Ton leicht. Mit Trotz oder gar Feindseligkeit würde sie nie herausfinden, ob Toni für den Mann arbeitete, den sie niemals wiedersehen wollte. Obwohl sie Antonio zu gerne die Meinung sagen würde.

„Genau. Aber erst muss ich etwas essen. Und da es mein letzter Tag ist … warum kommen Sie nicht mit?“

Ein freundliches Lächeln erschien unter dem dichten Bart, und für einen Moment fragte Sadie sich, ob sie vielleicht nur ihren Ärger über Antonio auf Toni projizierte. Vielleicht fand Toni sie ja einfach sympathisch. Nun, es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

„Sicher, warum nicht.“ Sie lächelte zurück.

„Müssen Sie nicht erst Ihren Jungen abholen?“

„Heute nicht. Meine Mutter passt auf ihn auf.“

„Na dann … ich habe da ein kleines Restaurant am Ende der Straße gesehen, das ich gern ausprobieren würde.“

„Perfekt.“ Sie war sich bewusst, dass die Kollegen alle interessiert zu ihnen hinschauten, weil sie so lange zusammenstanden. Oben am Bürofenster winkte Daniela ihr mit einem breiten Grinsen aufgeregt zu. Das verscheuchte auch das letzte Zögern. „Dann los, gehen wir.“

Seite an Seite liefen sie die Straße hinunter zu dem Restaurant. Sadie war schon mit Freunden hier gewesen, aber noch nie allein mit einem Mann. Um genau zu sein, seit Antonio hatte sie sich nicht wieder mit einem Mann verabredet.

„Sie sind also mit Ihren Eltern hier in Mailand?“

Seine Frage überraschte sie. Sie saßen draußen vor dem Restaurant und genossen die späte Abendsonne. Zumindest konnte Sadie ihre Augen jetzt auch hinter einer Sonnenbrille verstecken. „Ja. Mein Vater wurde hierherversetzt, also zogen wir alle her. Aber demnächst gehen wir wieder nach England zurück.“

Gab sie zu viel preis? Vielleicht hätte sie das besser für sich behalten sollen. Wenn sie mit ihrem Verdacht recht haben sollte, musste sie auf ihre Worte achten. Doch Toni lehnte sich nur lässig in den Stuhl zurück und beobachtete eine Weile den Trubel auf Mailands Straßen. Offensichtlich interessierte es ihn nicht sehr, was sie gesagt hatte. Und wieder fragte sie sich, ob sie sich das alles nicht nur einbildete.

„Wird Mailand Ihnen fehlen?“, fragte er, als die Getränke serviert wurden.

Sadie musterte ihn, wie er da in seinem Overall saß, unter dem das weiße T-Shirt hervorschaute, das seinen kräftigen gebräunten Hals betonte. Hastig wandte sie den Blick ab. Seit wann hatte sie solches Interesse an einem Mann?

„Bestimmt, aber nicht so sehr, um mich hier zu halten.“ Nervös fingerte sie an ihrem Besteck.

„Und Ihr Sohn? Lebt sein Vater in England?“

Hatte sie da Misstrauen in seiner Stimme wahrgenommen? Ihr Unbehagen wuchs. „Sein Vater lebt hier in Italien, aber davon hat Leo nichts.“ Sie konnte den Ärger und die Verbitterung nicht aus ihrer Stimme heraushalten.

„Meinen Sie, es ist dem Mann recht, dass Sie mit ihrem Sohn zurück nach England gehen?“

Die Frage traf sie hart, unwillkürlich legte sie sich die Hand auf die Brust. Es war eine Frage, die an ihre eigenen Zweifel rührte, mit denen sie in den letzten Monaten zu kämpfen gehabt hatte. Ihre Eltern hatten behauptet, sie wollten wieder in der Nähe der Familie leben, aber insgeheim hatte Sadie sich gefragt, ob sie den Umzug nicht ihretwegen organisierten. „Das geht ihn nichts mehr an.“ Ihre Antwort kam viel zu heftig.

„Hat er nicht das Recht, es zu erfahren?“

Sie war sicher, dass Tonis Augen sie hinter der Sonnenbrille durchdringend und anklagend musterten, sie konnte es regelrecht fühlen. „Der einzige Mann, der sich bei den Entscheidungen, meinen Sohn betreffend, einbringen kann, ist der Mann, der mir einen Ring an den Finger steckt.“ Ärger blitzte in ihren Augen auf. Damals, als sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, hatte sie darauf gehofft, Antonio würde dieser Mann sein. Der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Aber schnell hatte sie lernen müssen, dass dieser Traum nie in Erfüllung gehen würde.

Für einen Moment wollte Panik nach Antonio greifen, doch automatisch klickte die Selbstbeherrschung ein. Ehe … das hatte er schon hinter sich, und eine Wiederholung war nicht geplant. Allerdings war ihm auch klar, dass er für den Fortbestand des Familiennamens zu sorgen hatte. Sollte es keinen Erben geben, bedeutete das das Ende der Di Marcello-Linie. Den Gedanken hatte er seit seiner Scheidung erfolgreich verdrängt, und jetzt hatte ihn das Ganze wie aus dem Nichts erneut überfallen. Seine damalige Ehe war nur aus Pflichtgefühl geschlossen worden, und nun schleuderte Sadie Parker ihm die nächste Pflicht mitten ins Gesicht. Eine Pflicht, der er nicht würde ausweichen können. Dieses Mal stand nicht der Erhalt des Familiennamens im Vordergrund, sondern sein Sohn. Sein Sohn sollte nicht die gleiche leere Kindheit durchleben müssen wie er. Für seinen Sohn würde er alles tun.

„Starke Worte“, frotzelte er und streckte die langen Beine aus, gab sich entspannt, auch wenn er sich nicht so fühlte. Aber noch war er Toni, und er würde seine Tarnung nicht gefährden.

Bevor er sich Sadie zu erkennen gab, würde es noch eine Weile dauern. Vor allem musste er erst einmal mit seinen Eltern reden. Dem Treffen sah er keineswegs mit Begeisterung entgegen. Sie würden Leo akzeptieren müssen. Jetzt war er an der Reihe mit Manipulieren und emotionaler Erpressung.

Auch konnte er Sadies Argwohn spüren, er wusste, er musste vorsichtig bei ihr vorgehen, musste ihr genügend Zeit und Raum lassen, damit sie sich ihm öffnete. Diese emotionale Barriere, die sie da hochgezogen hatte … mit so etwas kannte er sich aus.

„Das ist meine Meinung, Mr. Adessi.“

„Toni, bitte.“

Erst runzelte sie die Stirn, dann lehnte sie sich mit einem Lächeln in den Stuhl zurück. „Also, Toni, erzählen Sie doch ein wenig von sich. Wieso reisen Sie so schnell nach Rom zurück?“

„Wieso schnell?“

Sie steckte sich die Sonnenbrille auf den Kopf, so dass er ihre grünen Augen blitzen sehen konnte. „Na, immerhin brechen Sie nach nur zwei Wochen Ihre Zelte schon wieder ab.“

Sie sagte es leichthin, heiter … Hieß das, sie entspannte sich und ließ ihn näher an sich heran? Oder spielte sie nur mit ihm?

„Diese Art Arbeit ist nicht unbedingt mein Ding.“ Ja, sie spielte hier definitiv Katz-und-Maus, nur hätte Antonio nicht sagen können, wer Katze und wer Maus war.

„Sondern?“ Sie dankte dem Kellner, als er ihre Bestellungen vor sie auf den Tisch stellte.

„Ich bin eher der Bauarbeiter statt der Mechaniker.“ Er passte die Wahrheit dem Image seines Alter Egos an. Wenn er durchblicken ließ, dass er überall auf der Welt bahnbrechende Neubauten erstellen ließ, würde er damit nur ihren Verdacht bestätigen. Als sie das Gesicht abwandte, fürchtete er schon, dass er dennoch zu weit gegangen war, doch dann nahm sie ihr Besteck auf und begann zu essen.

„Köstlich! Es war eine gute Idee, herzukommen.“

Er sah sich um. Es war ein schlichtes Restaurant … sobald er wieder Antonio Di Marcello war, würde er sie in viel erlesenere Restaurants ausführen. „Das hätte ich schon viel eher vorgeschlagen, wenn Sie nicht so dagegen eingestellt gewesen wären, dass wir Freunde werden können.“

„Halten Sie es für möglich, dass Mann und Frau Freunde sind?“

Für einen Augenblick war er abgelenkt, weil Bilder jenes leidenschaftlichen Wochenendes auf ihn einstürzten, während er auf ihr Haar starrte, das ihr um den schlanken Hals und über die seidig schimmernden Schultern fiel. Sein Blick blieb an ihren vollen Lippen haften. Nein, mit dieser Frau könnte er nie nur befreundet sein. Obwohl sie ihm seinen Sohn drei Jahre vorenthalten hatte, wollte er sie noch immer.

Er unterdrückte aufsteigende Lust und sah sie direkt an, sprach offener, als sie je ahnen würde. „Ich bin der Meinung, ein Mann und eine Frau können tun, was immer sie wollen.“

Sadie fühlte sich immer unwohler. Der Verdacht, dass dieser Mann nach Informationen über sie und Leo suchte, verstärkte sich. Sie hätte nicht so offen reden dürfen, jetzt hatte sie Antonio Munition gegeben, die er verwerten konnte.

„Das hängt doch wohl von der jeweiligen Frau und dem jeweiligen Mann ab, meinen Sie nicht auch?“ Sie trank einen Schluck Mineralwasser. Der Appetit war ihr vorerst vergangen, genau wie die anfängliche Freude daran, auszugehen. Sie war nicht bereit, einem Mann zu vertrauen. Nach Antonios Verrat brachte sie es nicht mehr über sich, nicht einmal, wenn sie es bewusst versuchte. Aber das hier hätte so oder so keinen Sinn, schließlich ging er wieder nach Rom zurück und sie nach England. Mal ganz davon abgesehen, dass sie sich noch immer nach Antonio sehnte. Sie würde die Wahrheit akzeptieren müssen – sie war längst nicht über Antonio Di Marcello hinweg. „Es ist schön, hier zu sitzen“, hob sie vorsichtig an. „Aber da ich in wenigen Wochen wieder in England bin und Sie in Rom sind, wird eine Freundschaft wohl schwierig werden, nicht wahr?“

Sì, sì“, bestätigte er hastig, und Sadie musste sofort an das Wochenende mit Antonio zurückdenken.

Sie sah sich wieder ausgebreitet auf dem Bett in seinem Hotelzimmer liegen, matt und glücklich, verliebt bis über beide Ohren. Vielleicht war es ja sogar tiefer gegangen. Sie hatte Antonio ihre Unschuld geschenkt, war unter seinen erfahrenen Händen zur Frau geworden. Und sie hatte seinem Telefonat gelauscht, weil jemand von seinen Leuten ihn mit einem Problem in der Firma angerufen hatte. Da hatte er den gleichen Tonfall genutzt wie Toni jetzt. Hatte Toni sich das angewöhnt, weil er es schon so oft von Antonio gehört hatte?

Sie sah ihn an und wünschte, er würde endlich die Sonnenbrille und die Kappe abnehmen. Warum hatte sie den Verdacht, dass er sich dahinter versteckte? Vielleicht irrte sie sich ja auch. Aber wenn nicht? Was, wenn er wirklich von Antonio geschickt worden war, um so viel wie möglich über sie und Leo in Erfahrung zu bringen? Es war ihr schlimmster Albtraum, dass Antonio versuchen könnte, ihr Leo wegzunehmen. Aber er sollte sie nicht unterschätzen, wenn er es darauf angelegt hatte.

„Vorher können wir doch noch Zeit miteinander verbringen, oder nicht?“ Er setzte seinen ganzen Charme ein, und sie hatte das Gefühl, dass der tödlich sein konnte.

„Mein Wochenende ist komplett ausgebucht.“ Auf gar keinen Fall würde sie diesen Mann und Leo zusammenbringen. Toni mochte ja frappierende Ähnlichkeit mit Antonio haben … umso mehr Grund, sich nicht von ihm einwickeln zu lassen. Seit Antonio sie verlassen hatte, war sie allein geblieben, hatte nur Leos Wohlergehen im Auge gehabt. Damals war sie jung und naiv gewesen und auf Antonios Charme hereingefallen, das würde ihr heute nicht mehr passieren. Nur weil ein Mann ein wenig Interesse an ihr bekundete … Sie musste an Leo denken, er hatte absolute Priorität.

„Wir können uns nicht einmal auf eine Tasse Kaffee treffen?“

„Ich habe ein Kind, Toni. Können Sie sich überhaupt vorstellen, welche Verantwortung das ist?“

Befriedigt beobachtete sie, wie er sich versteifte. Damit hatte sie ihm wohl einen Dämpfer versetzt, und genau das hatte sie auch erreichen wollen. In ihrem Leben gab es keinen Platz für einen Mann. Für niemanden, außer für Leo.

Antonio sah Sadie nach, als sie nach Hause ging. Sein Charme, auf den er sich immer verlassen konnte, hatte dieses Mal nicht gewirkt, um zu erreichen, was er wollte – er wollte Sadie Parker. Nun, was Toni Adessi nicht schaffte, würde Antonio Di Marcello gelingen. In wenigen Stunden war seine Zwei-Wochen-Herausforderung erfolgreich abgeschlossen, und er konnte sein normales Leben wieder aufnehmen.

Antonio hatte das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Stavros war wohl gerade dabei, seine Herausforderung anzunehmen, und Sebastien würde er sich ganz bestimmt nicht anvertrauen. Damit würde er ihm nur bestätigen, dass er mit der Wette genau das erreicht hatte, was er hatte erreichen wollen. Blieb also nur Alejandro übrig. Ein allerletztes Mal holte er das antiquierte Handy hervor und wählte Alejandros Nummer.

„Hey, Antonio.“

Die Stimme des Freundes brachte prompt Ordnung und Perspektive in die letzten beiden wirren Wochen. „Du ahnst nicht, wie gut es tut, mit meinem richtigen Namen angesprochen zu werden.“ Antonio lachte.

„Und? Wie war’s?“

„Geschafft! Und ich habe sogar noch zehn Euro übrig. Die werde ich Sebastien zurückgeben, ich hoffe, er investiert sie gut.“ Ein dummer Witz, Sebastien hatte bereits wesentlich mehr als gut investiert. Der Mann hatte genau ausgetüftelt, was Antonio brauchte, damit sein Leben wieder ins Gleichgewicht kam, so wie das Gleichgewicht, das Sebastien mit Monika gefunden hatte. Von Sadie hatte Sebastien gewusst und alles für Antonio arrangiert, aber hatte er auch von Leo gewusst?

„Ja? Ich höre da eindeutig Unsicherheit in deiner Stimme, minha amigo. Was ist los?“ Mit seiner Frage traf Alejandro direkt ins Schwarze.

„Es gibt da eine Frau …“

Vom anderen Ende drang amüsiertes Lachen durch die Leitung. „Bei dir gibt es immer eine Frau, Antonio.“

„Das hier ist kompliziert. Sie und ich … wir haben eine gemeinsame Vergangenheit.“

Das Schweigen zog sich, dann kam es von Alejandro knapp: „Heißt?“

„Heißt, da ist auch ein Kind.“

„Deins?“

„Das muss ich noch herausfinden. Aber wenn es mein Kind ist, werde ich zurückkommen und mir holen, was mir gehört – meinen Sohn.“

4. KAPITEL

Sadie legte den Pinsel überrascht zur Seite, als es an der Haustür klingelte. Wer kam ausgerechnet am Sonntagnachmittag vorbei, wenn sie die wenigen freien Stunden, die sie hatte – ihre Eltern waren mit Leo unterwegs –, nutzen wollte, um sich in Ruhe ihrer Leidenschaft, dem Malen, zu widmen? Das Malen war auch ein kleines Zubrot, denn sie verkaufte ihre Bilder privat.

Die Klingel ertönte ein zweites Mal, anhaltender, hartnäckiger. Es hallte durch die kleine Wohnung wie ein böses Omen. Ein kurzer Blick in den Spiegel im Flur, die Strähnen, die sich immer aus dem Pferdeschwanz lösten, noch schnell hinter die Ohren gesteckt, dann griff sie zum Hörer der Sprechanlage.

„Wir müssen reden, Sadie.“

„Toni?“ Sie runzelte die Stirn. Sicher war sie nicht, der Mann hörte sich irgendwie anders an. Ein nervöses Prickeln rann ihr über den Rücken. „Was wollen Sie?“

„Ich dachte, wir sollten uns noch einmal sehen, bevor ich nach Rom zurückfahre.“

„Kommen Sie rauf.“ Eher unwillig drückte Sadie die Haustür auf. Daniela würde morgen etwas von ihr zu hören bekommen! Daniela war die Einzige, von der Toni die Adresse erhalten haben konnte. Sadie hatte wirklich keine Lust, dem Mechaniker noch einmal zu begegnen. Für sie war das Kapitel abgeschlossen.

Mit einem stillen Seufzer zog sie die Tür ihres kleinen Apartments auf und hörte die Schritte auf den steinernen Stufen im Hausflur. Sie fragte sich, was der Mann von ihr noch wollte, wenn sie ihn doch deutlich hatte wissen lassen, dass sie kein Interesse an einer Beziehung mit ihm hatte. Sie hatte wirklich gedacht, der Fall sei erledigt.

Doch der Mann, der dann vor der Schwelle des neuen Lebens, das sie sich aufgebaut hatte, auftauchte, war nicht Toni, sondern Antonio Di Marcello. Groß, überwältigend, beeindruckend.

Der Mann, dem sie ihr Herz und ihren Körper geschenkt hatte, der sie die letzten vier Jahre ignoriert hatte und sich jetzt in das Leben drängte, das er damals nicht mit ihr hatte teilen wollen. Also hatte sie richtig mit ihrem Verdacht gelegen – Toni Adessi war geschickt worden, um Informationen über sie zu sammeln! Wegen Leo. Der Moment, vor dem sie sich immer gefürchtet hatte, war gekommen!

„Wir haben etwas zu besprechen, Sadie.“

Seine tiefe Stimme jagte ihr ein Prickeln über den Rücken, das sie angestrengt ignorierte. Unmöglich, dass er nach all der Zeit noch eine solche Wirkung auf sie haben sollte. Absolut unmöglich!

Sie reckte die Schultern, hob das Kinn und besann sich auf die innere Kraft, die sie brauchen würde, um mit dieser Situation umzugehen. Ihre gesamte Willenskraft war nötig, um sich nicht in seinem Anblick zu verlieren, wie er da stand in seinem eleganten Anzug und die Autorität ausstrahlte, mit der man einen Konferenzsaal voller Vorstandsmitglieder dominierte.

„Wir hatten einander vor vier Jahren nichts zu sagen, Antonio, und heute haben wir das ganz bestimmt nicht.“ Die kleine Diele schien plötzlich düster und eng, schien sie erdrücken zu wollen, als Antonio einen Schritt machte und über die Schwelle trat.

„Ich kann mich nicht entsinnen, dass mir vor vier Jahren Gelegenheit gegeben worden wäre, etwas dazu zu sagen, dass ich Vater werde.“

Die Aggressivität in seiner Stimme, als er sich vor ihr aufbaute, hätte sie einschüchtern und erschrecken müssen, doch zu ihrem Entsetzen sprang stattdessen der Funke der Erregung über, weil er ihr so nahe war. Sein Duft brannte in ihrer Nase, berauschte sie und ließ Erinnerungen an die Vergangenheit aufsteigen.

„Nun, soweit ich mich entsinne, hat deine damalige bevorstehende Hochzeit dich mehr beschäftigt. Du hast mich benutzt, Antonio, auf die gemeinste und skrupelloseste Art überhaupt. Du hast mich mit etwas gelockt, das ich nie haben konnte, hast mich verleitet, mir Dinge zu wünschen, die nicht wahr werden konnten. Zumindest nicht mit dir. Du kannst von Glück sagen, dass ich überhaupt versucht habe, dich zu kontaktieren.“ In der Hitze des Moments ließ die Empörung sie alle Worte vergessen, die sie sich über die Jahre so genau zurechtgelegt hatte. Die kühle, gefasste Frau, die sie unbedingt hatte sein wollen, wenn sie dem Vater ihres Sohnes endlich gegenüberstand, war nirgends in Sicht. Ein Blick auf den Mann reichte, und diese Frau hatte es nie gegeben.

„Ich habe dir nichts versprochen, Sadie.“ Seine kühle Gelassenheit torpedierte ihre Fassung, doch das durfte er nicht merken. Sie hatte eine Aufgabe zu erledigen – sie musste Leo vor dem Mann schützen, der das Leben des Jungen komplett auf den Kopf stellen und ihm grenzenlosen Kummer bereiten konnte, wenn Antonio wieder ging, weil er die eigenen Wünsche vor die seines Sohnes stellte.

So wie er es bei ihr getan hatte. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hatte er Leo ignoriert. Nach der grässlichen Szene mit seiner Mutter hatte sie Antonio geschrieben, hatte gefleht, er möge sie kontaktieren … doch nichts, keine Reaktion. Er hatte sie und Leo aus seinem Leben verbannt. Und wenn er das einmal getan hatte, würde er es auch wieder tun.

„Deine Verantwortung hat dich keinen Deut gekümmert, dich hat nur deine Pflicht gegenüber dem Familiennamen interessiert, und so hast du geheiratet, genau wie deine Eltern es von dir erwartet haben.“

Es tat weh, die Worte auszusprechen, auch heute noch, vier Jahre später. Genau wie sie sich auch heute noch für ihre Naivität schämte. Sie hatte sich eingebildet, dass das zwischen ihnen etwas Besonderes wäre, dass die Liebe, die sie sofort für ihn empfunden hatte, alles ändern würde. Ihn ändern würde.

„Nochmals, Sadie: Ich habe von Anfang an klargemacht, dass das mit uns nichts werden kann.“

So harsch, wie er die Worte aussprach, und seine harten Züge verstärkten den Schmerz noch, aber auch die Rage. Hier ging es nicht nur um sie, sondern um Leo, und für ihren Sohn würde sie bis zum bitteren Ende kämpfen. Doch war es richtig, Leo den Vater vorzuenthalten? Die Frage drängte sich auf, aber Sadie ignorierte sie.

„Allerdings, das hast du. Aber erst, nachdem du mich in dein Bett gelockt und mir das Eine genommen hattest, das du nicht verdientest“, schob sie ihm die Schuld zu, obwohl sie wusste, dass ihre naive Träumerei sie angetrieben hatte. Hätten sein Charme und die Tatsache, dass ein so fantastisch aussehender Mann ausgerechnet sie gewählt hatte, sie nicht völlig verzaubert, stünde sie heute nicht hier.

Aber dann hätte sie Leo nicht. Und das war undenkbar.

Als könnte er ihr Nachgeben spüren, streckte er die Hand aus, um ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Eisern riss sie sich zusammen, um nicht zu erbeben.

„Ich habe nichts genommen, was du nicht freiwillig gegeben hast, Sadie.“ Seine tiefe Stimme stellte unmögliche Dinge mit ihr an, ihr Puls raste. Nach allem, was er ihr angetan hatte, wie konnte sie da noch immer so auf ihn reagieren?

Sein dunkler Blick hielt ihren gefangen und führte ihre Gedanken zurück in das luxuriöse Hotelzimmer, in dem sie ein leidenschaftliches Wochenende verbracht hatten. Damals hatten Begehren und Sehnsucht nach ihr in seinem Blick gestanden, es hatte ihr ein Gefühl von Macht verliehen und das Verlangen entfacht, von ihm in Besitz genommen zu werden. Ein Kuss, und sie hatte sich nichts mehr gewünscht, als sich ihm hinzugeben.

Himmel, was dachte sie da für einen Unsinn? Schockiert über sich selbst, drängte sie die Erinnerungen schnellstens in die hinterste Ecke ihres Kopfes. Sie musste an Leo denken!

„Du solltest jetzt gehen.“ Sie schob ihn zur Tür. Ihr Atem ging schneller, als sie sich bemühte, ihren verräterischen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Wie konnte sie Verlangen verspüren, wenn sie den Mann für das, was er ihr und ihrem kleinen Jungen angetan hatte, hasste? Wie konnte sie ihn gleichzeitig begehren und hassen?

„Ich gehe nicht, bevor ich Leo gesehen habe. Er ist mein Sohn.“

Er sagte es überzeugt, ohne den Hauch eines Zweifels, und sie wusste, das stammte von Toni Adessi. Sie hatte also recht gehabt. Der Mann hatte nur in der Werkstatt gearbeitet, um Informationen zu sammeln und an Antonio weiterzugeben, und nachdem er seinen schmutzigen Job erledigt hatte, war er wieder abgezogen.

„Ich verabscheue dich!“ All ihr Schmerz, all ihre Verbitterung lag in dem spontanen Ausruf. Sie hieß den Ärger willkommen, erstickte er doch die Sehnsucht. „Bildest du dir ein, ich würde mein Leben nach dir richten, nur weil du plötzlich meinst, Vater spielen zu müssen? Hast du auch mal an Leo gedacht?“

„Ich denke kaum noch an etwas anderes, Sadie.“

„Warum bist du dann nicht selbst gekommen, sondern hast Toni Adessi geschickt, um die Drecksarbeit zu erledigen?“ Von seiner verständnislos gerunzelten Stirn ließ sie sich nicht bremsen. „Hast du geglaubt, es bringt dir etwas ein, wenn du ihn herschickst, um mich auszuspionieren?“

Antonio lachte laut auf. Sadie glaubte, Toni wäre eine reale Person, noch dazu jemand, der für ihn arbeitete. Wie würde sie reagieren, wenn sie erfuhr, dass der Mann, mit dem sie vor einigen Tagen noch beim Lunch zusammengesessen und von ihren Plänen gesprochen hatte, er gewesen war?

Er sah die Funken aus ihren grünen Augen sprühen, sah auf ihren wütend zusammengepressten Mund und hatte Mühe, sich zurückzuhalten. Er wollte sie an sich ziehen und küssen, bis sie seinen Namen atemlos ausstieß, so wie damals, als er sie zu der Seinen gemacht hatte.

„Glaubst du wirklich, ich würde einem Mann, der für mich arbeitet, erlauben, dich zum Lunch auszuführen?“ Er konnte sehen, wie die Rädchen hinter ihrer Stirn sich zu drehen begannen. „Oder mit dir und meinem Sohn sonntags im Park zu spielen? Wenn jemand ein Karussell für Leo anhält, dann bin ich das. Ich, sein Vater.“

„Das warst du?“ Fassungslos schnappte sie nach Luft. Der Laut erinnerte ihn an etwas anderes und jagte seine Erregung noch weiter in die Höhe. Sadie war die Einzige, die das schaffte – die seine Selbstbeherrschung in wenigen Augenblicken in Schutt und Asche legte.

Sì, mia bella. Das war ich. Toni hat seine Schuldigkeit getan, es gibt ihn nicht mehr.“

Sie trat vor ihn, das Kinn hoch erhoben, die Augen funkelnd vor Rage, und er bewunderte sie dafür. Das, was vor vier Jahren zwischen ihnen begonnen hatte, war lange nicht vorbei, dessen war er gewiss.

„Ich will, dass du verschwindest, Antonio.“ Jedes ihrer Worte klang hart und zornig.

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, mia bella.“ Er schob sich an ihr vorbei in das kleine Wohnzimmer. Die Balkontüren standen offen, draußen war eine Staffelei mit einer Leinwand aufgebaut. Sie malte? Anscheinend gab es noch viel über diese Frau zu lernen.

Autor

Dani Collins

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