Tiffany Exklusiv Band 81

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ATEMLOS IN MANHATTAN von JOANNE ROCK

Ein durchsichtiges Nachthemd, ein atemberaubender Körper - was macht eine Frau in diesem Outfit mitten in der Nacht allein in Manhattan? Als Warren erfährt, dass Tabitha nach einem Schuss aus ihrem Apartment geflohen ist, will er sie beschützen. Der sicherste Ort der Welt? Natürlich sein Bett ...

ATEMLOS VOR LUST von SUZANNE BROCKMANN

Seit die hübsche Archäologin Anne die geheimnisvolle Totenmaske auf ihre Echtheit prüft, geschehen beängstigende Dinge. Und so sehr sie zuerst gegen einen Leibwächter war - jetzt ist sie glücklich, dass Pete Taylor bei ihr ist. In seinen Armen - und seinem Bett - fühlt sie sich geborgen und geliebt …

ATEMLOSE FLUCHT von LAUREN GIORDANO

Eine Fahrt ins idyllische New Hampshire wird für Jillian zum Abenteuer ihres Lebens: Plötzlich springt ein attraktiver Unbekannter zu ihr in den Wagen - der Undercover-Agent Luke. Verfolgt von Gangstern, beginnt eine dramatische Flucht, auf der es zwischen Jillian und Luke immer stärker knistert ...


  • Erscheinungstag 16.06.2020
  • Bandnummer 81
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726966
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joanne Rock, Suzanne Brockmann, Lauren Giordano

TIFFANY EXKLUSIV BAND 81

1. KAPITEL

In aller Öffentlichkeit aufzutreten, ohne dass jemand ihn verdächtigte, das bereitete Red großes Vergnügen.

Als Produktionsassistent mischte er sich unter das Gefolge der B-Movie-Stars und kam problemlos an Einladungen zu Aufnahmeterminen in anderen Studios. Beziehungen waren alles. Mit den richtigen Kontakten kam man in der Pornobranche in New York schneller nach oben als mit dem richtigen Körperbau. Red verfügte zwar nicht über die Qualitäten eines Stars wie zum Beispiel John de Milo, den er hasste, aber zumindest besaß er die Fähigkeit, sich mit den richtigen Leuten anzufreunden und sich unter die Mitglieder der Filmcrew der Softpornos zu mischen.

In dieser Branche, die oft am Rand der Illegalität arbeitete, kam es darauf an, gegenüber allen Wichtigtuern und Selbstdarstellern harmlos zu erscheinen. Durch diese Anonymität gelang es Red auch, direkt vor Tabitha Everharts Nase zu agieren.

„Ruhe am Set!“, rief der Regisseur, denn im Gegensatz zu Filmaufnahmen in Hollywood herrschte hier eher Partystimmung.

Der Schauspieler John de Milo hielt als Letzter den Mund. Er machte einen heruntergekommenen Eindruck. Sehr bedenklich, fand Red, zumal John de Milo im Besitz sehr vertraulicher Informationen war. Schon bald, dachte Red, werde ich etwas dagegen unternehmen.

Tabitha Everhart hatte den ganzen Tag lang den Mund nicht aufgemacht. Sie war heute lediglich als Besucherin am Set, weil sie nächste Woche als Body-Double für den Film gebucht war. Allerdings wollte Red sich keinen falschen Hoffnungen hingeben. Nur weil sie heute schwieg, bedeutete das nicht, dass sie auch in Zukunft den Mund halten würde. Tabitha gehörte zu den wenigen Menschen, die in der Lage waren, Reds Geheimnis aufzudecken.

„Action!“

Auf den Ruf des Regisseurs hin fingen die drei Darsteller mit der Sexszene an. Sicher machten alle drei Jungschauspieler sich Hoffnungen, durch die Erfahrung aus diesen Softpornos irgendwann in richtigen Filmen mitspielen zu können.

Mit dem geschulten Auge des Produzenten prüfte Red die Szene und stieß abfällig die Luft aus. Mit härteren Filmen ließ sich bei Weitem mehr Geld verdienen.

Wenn Tabitha doch bloß zu Erotikfilmen bereit gewesen wäre! Dann wäre sie heute schon ein großer Star der Branche und brauchte sich nie wieder Gedanken zu machen, wo sie die nächste Rolle herbekam. Selbst ihre in der Presse breitgetretene Scheidung hätte ihrem Ruf als Sex-Darstellerin nicht schaden können. Doch jetzt kam Tabitha finanziell kaum über die Runden.

Wirklich schade, dass sie sich diese Chance hatte entgehen lassen. Noch mehr bedauerte Red jedoch, dass sie zu viel wusste. Da half auch Tabithas Liebenswürdigkeit nicht, die selbst von ihren egozentrischen Schauspielerkollegen bewundert wurde.

Die Darsteller stöhnten und wälzten sich halb bekleidet auf dem Bett herum. Gefilmt wurden nur Nahaufnahmen der Gesichter und Lippen, von geschlossenen Augenlidern und Fingern auf nackten Schultern. Trotzdem ahmten die Darsteller die Bewegungen beim Sex nach, und die Crew von ungefähr fünfundzwanzig Leuten sah zu. Im Schatten hinter dem Regisseur ahmte John de Milo die Hüftbewegungen des männlichen Hauptdarstellers übertrieben nach.

Tabitha betrachtete ohne einen Seitenblick zu John de Milo ganz nüchtern die vor ihr ablaufende Szene. Red vermutete, dass Tabitha gehen würde, sobald der Regisseur mit der Szene zufrieden war.

Dann würde er ihr unauffällig folgen.

Tabitha war sich zwar nicht bewusst, dass sie seit ihrer Scheidung über ein paar wichtige Informationen verfügte, dennoch musste sie zum Schweigen gebracht werden.

Warren Vitalis hielt seinen Hund an der kurzen Leine, als er von der Bank Street in die Greenwich Avenue bog. Er war wachsam, aber das war bestimmt jeder Polizist mit zehn Jahren Erfahrung im Job. Hinter jeder Ecke konnte eine Gefahr drohen, selbst für einen Detective, der nicht im Dienst war und gerade seinen Hund ausführte.

„Hi, Warren.“ Zwei Männer mittleren Alters schlenderten Arm in Arm die Straße entlang und begrüßten Warren lächelnd.

„Ihr Jungs seid aber früh fertig“, rief Warren ihnen zu, während er an ihnen vorbeijoggte. Die beiden Männer führten einen Antiquitätenladen, der an Warrens allabendlicher Joggingstrecke lag. „Läuft das Geschäft so schlecht?“

„Nicht so voreilig, Detective“, rief Scott, der schlankere der beiden, zurück. „Wir haben jetzt eine Aushilfskraft. In unserem Alter muss man etwas kürzer treten.“

Warren reckte lächelnd die Daumen hoch, bevor er schneller weiterlief. Die Straße wurde gerade erneuert, und die Baustelle war durch Holzwände abgeschirmt. Gerade an solchen unübersichtlichen Stellen fanden die meisten Verbrechen statt, doch Buster wirkte nicht beunruhigt. Der Mischlingsrüde stürmte unbekümmert in die Dunkelheit. Warren war heute Abend zwar nicht im Dienst, aber dieser Teil des West Village war sein Zuhause, und er fühlte sich für die Sicherheit mit verantwortlich.

Außerdem saß er in letzter Zeit immer häufiger nur am Schreibtisch. Als Experte für Ballistik wurde er zunehmend in alte, ungeklärte Fälle einbezogen, um aus den damals abgefeuerten Geschossen wertvolle Schlüsse zur Aufklärung zu liefern. Einerseits machte es ihn zwar jedes Mal zufrieden, einen Kriminellen zehn Jahre nach der Tat noch aufzuspüren, doch andererseits vermisste Warren den Adrenalinkick der Arbeit an einem aktuellen Fall.

Als er ein Rascheln zwischen zwei hölzernen Stützpfosten hörte, verlangsamte er die Schritte. Dort versuchte ein Obdachloser auf einer großen Pappe, etwas Schlaf zu bekommen. Sobald Warren stehen blieb, kehrte Buster zu ihm zurück und stellte sich wachsam neben ihn.

„Hey, Larry.“ In seinen zwölf Berufsjahren hatte Warren gelernt, dass man nicht jeden Obdachlosen von der Straße holen konnte. Gleichzeitig wusste er, dass Nichtbeachtung diesen Menschen den letzten Rest ihrer Würde rauben konnte. „Larry?“

Gerade als Warren sich zu dem Mann hinunterbeugen wollte, um zu überprüfen, ob er noch atmete, spitzte Buster die Ohren und fing leise zu knurren an. Doch diese Warnung galt nicht dem Obdachlosen, der seinen Rausch ausschlief und die leere Flasche noch in der Hand hielt. Der Hund wandte den Kopf zum Ende der Holzfassade der Baustelle.

Warren lauschte ebenfalls auf die Geräusche der kalten Märznacht. Vorbeifahrende Autos, Musik aus einer Bar, das alles war in dieser Gegend nichts Ungewöhnliches.

Dann erklang ein Schuss.

Gleichzeitig mit seinem Hund sprintete Warren in Richtung des Geräusches los. Mit quietschenden Reifen fuhr ein Auto davon, doch als Warren die Straßenkreuzung erreichte, war der Wagen bereits zwei Blocks entfernt.

Sicher wäre Warren dem Wagen nachgerannt, um wenigstens einen flüchtigen Blick auf den Fahrzeugtyp oder das Nummernschild zu bekommen. Dank zahlreicher Teilnahmen an Triathlon-Wettkämpfen hatte er eine eiserne Kondition. Doch er verharrte, denn aus einem nahe gelegenen Haus hörte er eine Frau schreien.

Das alles kam ihm leider nur allzu vertraut vor.

Schlagartig fühlte er sich in die grauenvollste Nacht seines Lebens zurückversetzt.

Tabitha Everhart empfand es wie eine Ewigkeit, bis sie wieder zu Atem kam. Wahrscheinlich war kaum eine halbe Minute vergangen. Das Reifenquietschen war verstummt, und es drang nur noch der normale Verkehrslärm von der Straße in ihr Apartment im Erdgeschoss. Ihr Herz hämmerte wie wild, seit jemand durch das Fenster ins Zimmer geschossen hatte.

Entsetzt blickte sie auf das gezackte Loch und die davon ausgehenden sternförmigen Risse im Glas. Offenbar war sie in ihrer kleinen Welt doch nicht so sicher, wie sie geglaubt hatte.

„Polizei! Machen Sie auf!“

Das Hämmern an der Tür durchdrang Tabithas eisige Panik. Wenn tatsächlich jemand von der Polizei vor der Tür stand, wieso hatte sie dann keine Sirene gehört? Müsste sie dann nicht auf der Straße ein Blaulicht sehen?

Entsetzt kroch sie auf Knien zum Telefon. Sie verwählte sich und musste noch einmal neu anfangen.

Immer lauter erklang das Hämmern an der Tür und hallte unheimlich von den Wänden wieder.

Dann brach der Mann mitsamt der Tür in ihr Apartment. Im Fallen rollte er sich ab, und als er aufsprang, zog er seine Waffe.

„Ist jemand verletzt?“ Während er die Waffe auf Tabitha richtete, blickte er sich im Zimmer um.

Sie bekam keinen Ton heraus. Jetzt würde er sie gleich erschießen.

Panisch umklammerte sie das Telefon. In ihrer Angst war sie halb über den Sofatisch gekrochen, um den Notruf zu wählen. „Ich …“ Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Trotz ihrer Angst wunderte sie sich. „Seit wann richten die Cops ihre Waffen auf die Opfer?“

„Das tun wir immer dann, wenn wir nicht wissen, ob wir ein Opfer oder einen verrückten Killer vor uns haben, Madam. Ich bin Warren Vitalis vom NYPD.“ Aus der hinteren Hosentasche holte er ein Lederetui, das beim Aufklappen seine Polizeimarke zeigte.

Tabithas Wut erstarb, und sofort kehrte ihre Angst zurück. „Darf ich mal sehen?“ Weiterhin hielt sie das Telefon ans Ohr und schwor sich, bei der allernächsten Gelegenheit den Notruf als Kurzwahl einzuspeichern.

Immer noch raste ihr Pulsschlag.

„Sehen Sie sich den Ausweis in aller Ruhe an.“ Wie einen Frisbee warf er ihr das Etui zu, während er sich in dem bescheidenen Apartment mit dem zusammengewürfelten Mobiliar umsah. Dann erst senkte er langsam die Waffe. „Sind Sie allein?“

Rasch nickte sie und betrachtete schweigend den Ausweis, der den Mann tatsächlich als Warren Vitalis von der New Yorker Polizei identifizierte. Er sah gut aus. Das dunkle Haar trug er kurz wie ein Soldat. Eigentlich hat er sehr harte, kalte Gesichtszüge, stellte Tabitha fest, er wirkt gefährlich.

Der kleine blitzende Diamant in seinem Ohrläppchen ließ ihn eher wie einen Gangster als wie einen Polizisten wirken. Er blickte zu dem gesprungenen Fenster, dann drehte er sich zu Tabitha um. „Rufen Sie ruhig bei mir im Revier an, Miss …“

„Everhart.“ Sie stand auf, legte das Telefon weg und reichte dem Mann die Marke zurück. „Tabitha Everhart.“

Als er ihr das Etui abnahm, berührten ihre und seine Finger sich flüchtig. Tabitha hätte fast gezuckt. Ein solches Prickeln hatte sie schon seit langer Zeit nicht mehr gespürt.

Hastig zog sie die Hand zurück. Damals, als ihr klar geworden war, dass sie ihren Ex verlassen musste, hatte sie sich geschworen, sich eine Zeit lang überhaupt nicht mehr auf Männer einzulassen, selbst wenn es prickelte.

„Warren Vitalis. Ich habe heute Abend dienstfrei und kam zufällig mit meinem Hund vorbei, als ich den Schuss hörte. Sind Sie wirklich unverletzt?“

„Alles wieder okay. Ich bin nur erschrocken.“ Tabitha fühlte sich, als habe sie zu viel Kaffee getrunken. Sie war aufgedreht, aber gleichzeitig auch zittrig. „Sie sagten, Sie waren mit Ihrem Hund unterwegs?“

„Buster wartet draußen. Er ist kein Polizeihund.“ Warren ging in die Hocke und betrachtete das Einschussloch an der Rückseite des Sofas. „Haben Sie eine Plastiktüte oder ein Paar Gummihandschuhe?“

Ungläubig sah Tabitha zu der Kugel, die in ihrem Sofa steckte.

„Miss Everhart?“ Er sprach ihren Namen sanft aus.

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie möglicherweise in ernster Gefahr war. „Ja.“ Fast erleichtert löste sie den Blick von der hässlichen kleinen Kugel, die sie auch tödlich hätte verletzen können. Dann rannte sie in die Küche und hielt das Gesicht unter kaltes Wasser, um die Beherrschung nicht zu verlieren.

Erst als sie auf ihrer Suche nach einer Plastiktüte mit dem Seidenslip an einem Regalbord in der Speisekammer hängen blieb, wurde ihr bewusst, dass sie nur ihr seidiges kurzes Nachthemd trug. Sie hatte sich heute Abend schön fühlen wollen, und dazu hatte sie sich statt eines alten T-Shirts ein hübsches Nachthemd angezogen.

Kein Wunder, dass Detective Vitalis so hektisch das Einschussloch untersuchte und mit keinem Wort fragte, was eigentlich geschehen war. Tabitha hatte ihm ja praktisch eine private Peep-Show geboten, und er war zu höflich, um sie darauf hinzuweisen.

Ein Glück, dass sie sich umgezogen hat, dachte Warren, als Tabitha Everhart mit der Plastiktüte zurückkam. Er hatte in der Zwischenzeit Verstärkung angefordert, und sie hatte sich statt des durchsichtigen Seidennachthemds eine Pyjamahose und dazu einen unförmigen Pullover angezogen.

Leider besaß Warren ein gutes Gedächtnis und konnte sich gut an Tabithas Kurven erinnern.

Sie war klein und zierlich und besaß die helle Haut der Rothaarigen. Auf ihrer Nase waren vereinzelt Sommersprossen zu sehen. Die schmalen gewölbten Augenbrauen betonten ihre großen braunen Augen. Auf ihren hohen Wangenknochen lag ein rosiger Schimmer, der dort noch nicht zu sehen gewesen war, als sie den Raum verlassen hatte.

Warren saß auf einem alten Schaukelstuhl und machte sich Notizen, während Tabitha Buster am Kopf kraulte. Warren hatte ihr erzählt, dass er Buster aus dem Tierheim gerettet hatte. Wohlig seufzend legte der Hund den Kopf auf Tabithas Schenkel.

„Und Sie haben keine Ahnung, wer Ihnen etwas antun will? Ist Ihnen eigentlich klar, wie deutlich man Sie von der Straße aus sehen kann?“ Es ging ihn nichts an, in welchem Aufzug sie in ihrem Apartment herumlief, aber da sie im Erdgeschoss wohnte, brauchte sie unbedingt blickdichte Gardinen.

„Nein.“ Sie hörte auf, den Hund zu streicheln. „Niemand, den ich kenne, würde zu so brutalen Mitteln greifen. In meiner Branche schaden die Menschen sich lieber auf gesellschaftlicher Ebene. Sie wissen schon: Man schneidet jemanden auf einer Party, oder man setzt einfach ein Gerücht in die Welt.“

Warren fragte sich, ob Leute wie sie überhaupt wussten, wie privilegiert sie waren, weil sie nichts von der Grausamkeit erlebten, die Polizisten tagtäglich begegnete. „Jeden Augenblick muss ein Streifenwagen eintreffen, um den Tatort zu untersuchen, aber bis dahin können wir vielleicht schon die eine oder andere Frage klären.“ Als Tabitha nichts dagegen einwandte, fing Warren an: „Was tun Sie beruflich?“

„Ich bin Body-Double.“ Kaum merklich hob sie dabei trotzig das Kinn.

Glaubte sie, sie müsse sich dafür rechtfertigen? „Gibt es hier in New York denn genug Aufträge für ein Body-Double?“ Warren hatte immer geglaubt, Body-Doubles gebe es nur in Hollywood. Andererseits brachte Tabitha für so einen Job genau die richtigen Voraussetzungen mit. Er dachte wieder an ihre vollen Brüste, die sich so deutlich unter dem dünnen Nachthemd abgezeichnet hatten. Warren brach fast der Schweiß aus.

„Ich komme über die Runden. In New York werden viele Soap-Operas gedreht, und je mehr schon in Nachmittagsserien gezeigt werden darf, desto mehr Schauspielerinnen sollen sich spärlich bekleidet präsentieren. Wenn ihnen eine Dusch- oder Liebesszene zu weit geht, springe ich ein.“

„Gibt es unter den Body-Doubles eine große Konkurrenz? Oder sind die Darstellerinnen, für die Sie einspringen, neidisch auf Ihren Körper?“

Tabitha blickte zu Buster hinunter und streichelte weiter.

Denkt sie nach oder blockt sie ab? fragte Warren sich, bis Tabitha den Kopf doch wieder hob.

„Mein Exmann hatte unzählige Affären mit Stars und Sternchen vom Fernsehen, aber ich wüsste nicht, wieso eine dieser Frauen mich heutzutage noch so hassen sollte. Mein Mann und ich haben uns schon vor einem Jahr getrennt, und die Scheidung ist seit Monaten rechtskräftig.“

Was für ein Widerling heiratete eine Frau wie Tabitha und betrog sie dann? „War es eine Scheidung in beiderseitigem Einvernehmen?“ Warren versuchte, sich keine vorschnelle Meinung zu bilden. Tabitha war sexy, aber möglicherweise war sie auch sehr besitzergreifend oder anspruchsvoll. Frauen beim Film legten sich oft seltsame Macken zu.

„Er hat mich mit mehreren Frauen betrogen, Detective. Nein, man kann sicher nicht sagen, dass wir uns friedlich getrennt haben.“ Sie presste die Lippen zusammen.

„Aber Sie glauben nicht, dass er versucht, Ihnen etwas anzutun?“

„Jedenfalls nicht durch körperliche Gewalt.“

„Miss Everhart, ich will ganz ehrlich sein: Möglicherweise hat lediglich ein Querschläger Ihr Fenster getroffen, und Sie waren überhaupt nicht das Ziel. Aber in einer Gegend, in der es nur wenig Kriminalität gibt, sollten Sie nach so einem Vorfall sehr vorsichtig sein.“ Warren erkundigte sich nach den Namen der Frauen, mit denen ihr Exmann eine Affäre gehabt hatte, und schrieb sich auch den Namen ihres Exmannes auf. „Erzählen Sie mehr von ihrer Scheidung. Sind Sie sicher, dass es in Ihrem Leben niemanden gibt, der Ihnen Ärger machen möchte?“

„Spontan fällt mir niemand ein.“ Verunsichert presste sie sich ein gelbes Satinkissen an die Brust.

„Kommen Sie heute Nacht allein zurecht?“ Warren konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass sich so etwas direkt an seiner allabendlichen Joggingroute zutrug. „Sie sollten lieber nicht in Ihrem Apartment übernachten, solange die Scheibe zerschossen und die Tür eingetreten ist.“

Er bereute es, so überstürzt hereingeplatzt zu sein, aber er hatte schließlich mit Verletzten oder noch Schlimmerem rechnen müssen.

Dieser Vorfall ähnelte nicht dem entsetzlichen Vorfall an seinem sechzehnten Geburtstag, doch der Schrei und der Schuss hatten ihn ein paar Minuten lang in Panik versetzt, und wann immer ihn etwas an jene Nacht erinnerte, verspürte er nur noch den unbändigen Drang zu beschützen.

„Ich komme schon klar. Ganz bestimmt galt dieser Schuss nicht mir. Gleich morgen werde ich die Scheibe reparieren lassen.“

„Aber Sie wollen doch nicht hier übernachten.“ Einen Moment lang hatte er überlegt, ob er die Kugel aus der Rückseite ihres Sofas herausziehen sollte, doch sie saß im Holz fest. Außerdem hatte Warren schon mit dem ersten Blick erkannt, dass die Kugel aus einer Waffe stammte, die kein kleiner Straßengangster trug.

„Ich werde heute im Hotel übernachten. Keine Sorge.“

Wollte sie nur ihn oder auch sich selbst beruhigen? Warren wäre jede Wette eingegangen, dass die Frau vor ihm sich schon oft durch tiefe Krisen manövriert hatte. Ihrem ganzen Apartment sah man an, dass Tabitha Everhart harte Zeiten hinter sich hatte, die sie nun mit frohen Farben zu überdecken versuchte. „Ich werde die Kugel auf besondere Merkmale überprüfen. Kennen Sie zufällig jemanden, der eine 38er besitzt?“

Tabitha erstarrte, und Buster stieß ihre Hand an, damit sie weiter streichelte.

„Miss Everhart?“

„Nennen Sie mich doch Tabitha.“ Sie kraulte den Hund, ohne Warren ins Gesicht zu sehen. „Kein vernünftiger Mensch würde mit so einer Waffe in den Straßen von New York herumlaufen, Detective.“

Warren wollte nachhaken, doch sie stand unvermittelt auf und ging in die Küche. Ihre nackten Füße verursachten auf dem Holzfußboden kaum ein Geräusch.

„Kann ich Ihnen ein Wasser anbieten? Sie sagten, Sie seien gejoggt.“

Sie brachte ihm eine Flasche und lief zurück zur Spüle, um für Buster eine Schale zu füllen. „Ihr zwei habt bestimmt großen Durst.“

Als ihr nichts mehr zu tun blieb, stand sie leicht verlegen neben ihrem Esstisch, und Warren stellte ihr die Frage, der sie so offensichtlich auszuweichen versuchte.

„Wer besitzt eine 38er, Tabitha?“

Einen Moment schwieg sie, dann lehnte sie sich mit der Hüfte an den wackligen Tisch, und Warren musste unwillkürlich wieder an den Körper denken, der sich unter diesem unförmigen Pullover verbarg.

„Ich, Detective?“

2. KAPITEL

Am nächsten Nachmittag saß Tabitha wartend draußen am Haus, in dem gerade gedreht wurde, auf der Feuertreppe und wandte das Gesicht der Sonne zu. Über dem Bademantel trug sie ihren Wintermantel. Sie wartete auf den Beginn ihrer Szene und kämpfte gegen die Nervosität an, die ihre Arbeit als Body-Double jedes Mal mit sich brachte.

„Eine Minute noch, Tabitha!“, rief einer der Regieassistenten zur Tür heraus.

„Danke.“ Sie lächelte schwach. Der gestrige Schuss und das anschließende Verhör durch den sexy Detective hatten sie ziemlich mitgenommen. Sie konnte nicht genau sagen, ob der Schuss oder der Detective sie mehr aus der Ruhe gebracht hatten. Der Schuss hatte ihr Angst gemacht, aber der Detective … wow! Seit ihrer Scheidung hielt sie sich privat von Männern fern, denn wenn alles im Leben schieflief, konnten Gefühle nur stören. Gestern Abend jedoch hatte Warren Vitalis ihre Empfindungen mit einem einzigen Blick aus dem Winterschlaf erwachen lassen.

Würde sie den sexy Detective je wiedersehen? Oder hatte er den Fall an seine Kollegen übergeben, die aufgetaucht waren, kurz nachdem sie ihm gestanden hatte, dass sie selbst eine 38er besaß. Warrens Verdacht, ihr Exmann könnte dahinterstecken, war einfach lächerlich. Tabithas Verflossener dachte immer nur daran, wie er auf andere wirkte. Gangstermethoden waren einfach nicht sein Stil. Nein, Manny Redding besaß viel wirkungsvollere Waffen.

„Wir sind so weit, Tabitha!“, rief der Regieassistent und riss sie aus ihren Grübeleien.

Heute stand keine der üblichen Duschszenen für eine der zahllosen Soap-Operas auf dem Plan. Die heutige Szene würde in einem Fernsehfilm zur besten Sendezeit laufen. Dementsprechend nervös war Tabitha. Sie sollte für die Hauptdarstellerin in die Rolle einer Prostituierten schlüpfen, die noch keine zwanzig Jahre alt war. Tabitha wurde nächstes Jahr dreißig. Würde ihr Körper noch als der einer Neunzehnjährigen durchgehen?

Langsam ging sie ins Haus. Ein positiver Nebeneffekt ihrer Scheidungsschlacht lag darin, dass sie seitdem sehr auf ihre Gesundheit achtete. Immer wieder hatte ihr Exmann ihr eingeredet, sie sei nicht für eine Karriere im Filmgeschäft geeignet und solle lieber seine Karriere fördern.

Letztlich hatte er zugegeben, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn andere Männer seine Frau ansahen.

Anfangs hatte Tabitha diese Einstellung liebenswert gefunden, doch dann hatte ihr Mann sie mit seiner Eifersucht erdrückt, und in den letzten schrecklichen Monaten ihrer Ehe hatte sie ihre Gefühle mit zwanghaftem Essen erstickt. Die Bulimie, unter der sie schon als Teenager gelitten hatte, war von einem Tag auf den anderen zurückgekehrt.

Jetzt hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Jeder Tag, an dem sie sich für die Kamera entblößte, ließ sie vergessen, dass sie viel zu lange in ihrer Ehe ausgeharrt hatte. Außerdem sah sie ihre Arbeit als Body-Double als einen Schritt auf dem Weg zurück ins Filmgeschäft.

Achtlos streifte sie den Mantel ab. Anfangs hatte sie die Leute am Set noch gezählt, doch jetzt spielte es für sie keine Rolle mehr, wer sie alles fast nackt sah. Tabitha war jetzt stärker, selbstsicherer und hatte weniger Angst.

Wenn diese Leute den Körper einer knapp Dreißigjährigen, die sich mit Disziplin und Training schlank hielt, nicht zu schätzen wussten, konnte Tabitha ihnen auch nicht helfen.

Sie zog auch den Bademantel aus. Der hautfarbene Slip bedeckte ihren Körper nur an den intimsten Stellen und passte perfekt zu ihrer hellen Hautfarbe. Auf den Brustspitzen trug sie Aufkleber. Sie ging zum Hauptdarsteller auf dem Bett, einem alternden Hollywood-Star, der nach zu vielen Entzugskuren nur noch für Fernsehfilme engagiert wurde. Er sah immer noch gut aus, wenn einen das Make-up und die alberne Socke über seinem intimsten Körperteil nicht störte.

Doch während Tabitha zum Bett ging, sah sie in Gedanken nicht den Schauspieler, sondern Detective Warren Vitalis wartend vor sich. Mit seinem großen männlichen Körper würde er sicher erheblich mehr Platz auf dem Bett einnehmen als ihr Filmpartner.

Ein lustvolles Kribbeln durchlief sie, und sie blieb zögernd stehen.

Mist. Einen unpassenderen Zeitpunkt hätte ihr Verlangen sich nicht aussuchen können, um aus dem Winterschlaf zu erwachen. Tabithas Wangen wurden rot, ihre Brustknospen richteten sich unter den Aufklebern auf, und sie fürchtete schon, die selbsthaftenden runden Pflaster könnten abfallen.

Konzentriert zwang sie sich, auf das Make-up ihres Filmpartners zu achten, das am Hals aufhörte, damit sie nicht vergaß, wo sie sich befand, und diese Szene hinter sich bringen konnte. Sie durfte sich von ihrer Schwäche für den sexy Detective nicht beeinflussen lassen.

Durch ihre Lust war sie in ihre entsetzliche Ehe gerutscht, und nie wieder wollte sie durch etwas so Banales wie sexuelle Anziehung in den Armen eines Mannes landen, der nur ihr Äußeres sah und nicht die Persönlichkeit.

Auf der Suche nach dem Kamerateam durchstreifte Warren das alte Gebäude am Central Park. Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis Tabithas Agent ihm diese Adresse verraten hatte. Dann war Warren sofort losgerast, um das wortkarge Body-Double am Drehort vielleicht doch zum Reden zu bringen.

Gestern Abend war sie nicht ganz ehrlich zu mir, dachte er verärgert. Sie hat zugegeben, während ihrer Ehe von ihrem Mann eine 38er geschenkt bekommen zu haben, aber dabei hat sie mir verschwiegen, dass diese Waffe schon lange vor der Scheidung als gestohlen gemeldet worden ist.

Außerdem hatte sie mit keinem Wort erwähnt, dass sämtliche Details ihrer Scheidung in den Klatschspalten breitgetreten worden waren, weil ihr Exmann ein mächtiger New Yorker Filmproduzent war.

Wieso versuchte sie, den Kerl zu decken? Er hatte ihren Namen während der Scheidung mit allen Mitteln in den Schmutz gezogen.

Den ganzen Tag lang schon grübelte Warren über dieser Frage. Tabithas entsetzten Blick, als er in ihr Apartment gestürmt war, sah er immer noch vor sich.

„Detective Vitalis, NYPD.“ Am Eingang des Apartments, in dem gedreht wurde, zückte er seine Polizeimarke, um Zutritt zu erlangen.

Ein paar aus der Crew versuchten zwar, ihn davon abzuhalten, doch Warren wusste, wie er seine Autorität einsetzen musste. Er wollte die Aufnahmen nicht unterbrechen, aber es interessierte ihn sehr, Tabitha Everhart bei der Arbeit zu sehen.

Wann war er das letzte Mal so stark an einer Frau interessiert gewesen? Gelegentlich hatte er eine Nacht mit irgendeiner Frau verbracht, doch nie hatte er eine solche Hitze empfunden, wie Tabitha sie allein mit ihrer Gegenwart in ihm weckte.

Lautlos betrat er das große Schlafzimmer, in dem die Szene gedreht wurde. Der abgedunkelte Raum war voller Menschen, obwohl der Zugang eigentlich strikt eingeschränkt sein sollte. Im Mittelpunkt des Interesses saß Tabitha Everhart auf einem schmierig wirkenden Kerl inmitten von zerwühlten Laken und Kissen auf einem Bett. Mit Stoff bespannte Wände tauchten die Darsteller in weiches Licht. Tabithas fast nackter Körper schimmerte seidig.

Einen Moment lang hatte Warren gedacht, Tabitha sitze splitternackt auf dem Mann, doch dann entdeckte er die kleinen Aufkleber auf ihren Brustspitzen und den hautfarbenen Tanga.

Das dunkelrote Haar hatte sie sich hochgesteckt, damit es nicht ins Bild kam. In einem kleinen Monitor konnte Warren erkennen, dass der Regisseur gerade die Hände des Schauspielers auf Tabithas nacktem Rücken filmte. Da Tabitha als Double für die eigentliche Hauptdarstellerin einsprang, wurde nur ihr Körper gefilmt, nicht jedoch ihr Gesicht.

Auf Warren wirkte das seltsam, denn der Liebesakt wurde dadurch zu einer unpersönlichen Abfolge einzelner Einstellungen und wirkte kühl und mechanisch.

Sobald Warren etwas anderes wahrnehmen konnte außer Tabithas fast nacktem Körper, fiel ihm auf, dass sie abwesend wirkte, als sei sie mit ihren Gedanken Lichtjahre von diesem Studio entfernt. Im Gegensatz dazu führte der männliche Hauptdarsteller sich auf, als sei er der heißeste Hengst im Filmgeschäft.

Den Anweisungen des Regisseurs folgte Tabitha ganz mechanisch. Sie strich sich mit einer Hand über den eigenen Schenkel oder – Warren knirschte fast mit den Zähnen – über den ihres Schauspielerkollegen.

Wie hatte sie bloß gelernt, sich bei den Drehaufnahmen innerlich so zurückzuziehen? Waren alle Body-Doubles so? Oder fühlte Tabitha sich in ihrem Job unwohl? War sie gelangweilt? Nahm sie es als selbstverständlich hin, dass andere Frauen ihren schönen Körper im Film als ihren eigenen ausgeben wollten?

Diese Fragen bedrängten Warren fast so sehr wie die Überlegung, ob Tabitha ihn am Vorabend absichtlich belogen hatte.

Warren hielt nicht viel von Heimlichkeiten. Er war in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Gewalt an der Tagesordnung stand, doch nach außen hin die heile Fassade aufrechterhalten wurde. Obwohl er seitdem unzählige Diebe, Dealer und Mörder verhaftet hatte, konnte er nichts tun, um seinen Vater zurückzubekommen. Er würde sich niemals verzeihen können, dass auch er die Familiengeheimnisse viel zu lange verschwiegen hatte.

„Gute Aufnahme!“ Der Regisseur riss Warren aus seinen Gedanken. „Holt Maureen wieder rein.“

Tabitha stand vom Bett auf und löste sich dabei aus der Umarmung des Darstellers, der sie eine Sekunde zu lange festhielt.

Geht da etwas zwischen den beiden vor? fragte Warren sich. Der Gedanke gefiel ihm nicht, obwohl es ihn im Grunde nichts anging, was Tabitha tat.

Jetzt erkannte er in Tabithas Drehpartner den ehemaligen Hollywood-Star, der früher mit seinen Affären und Drogenexzessen in den Schlagzeilen gelandet war.

Mit schmierigem Lächeln blickte der Mann Tabitha nach, als die an Warren vorbei in ihre Garderobe ging. Sie nahm Warren überhaupt nicht wahr.

Warren musste sich konzentrieren, damit er ihr nicht mit offenem Mund nachstarrte. Er war zu keinem Gedanken mehr fähig.

Tabitha besaß einen Körper, der Männern den Verstand raubte. Ihre vollen runden Brüste saßen hoch und bewegten sich bei jedem Schritt gerade so viel, dass jeder erkannte, dass sie hundertprozentig echt waren. Gerade als Warren mit seiner Musterung bei ihren Hüften angekommen war, reichte ein Assistent ihr den Bademantel.

Gut so, dachte Warren. Schließlich bin ich dienstlich hier und muss mich konzentrieren. Er räusperte sich und holte tief Luft, doch leider atmete er dadurch eine Wolke ihres Dufts ein, und am liebsten hätte er auf der Stelle die Nase in ihr schimmerndes Haar gedrückt. „Tabitha, kann ich Sie einen Moment sprechen? Vorausgesetzt, Sie sind für heute mit den Aufnahmen fertig.“

Von einem der Assistenten wusste er bereits, dass dies Ta-bithas letzte Einstellung für heute war, doch nach den Halbwahrheiten vom Vorabend wollte er gern erfahren, ob sie in diesem Punkt ehrlich sein würde oder nicht.

„Detective.“ Unwillkürlich zog sie den Kragen des Bademantels enger, obwohl sie kurz zuvor noch fast nackt vor einem Dutzend anderer Leute posiert hatte. War Warrens Nähe ihr peinlich? Oder spürte sie die Hitze zwischen ihnen beiden genauso wie er?

„Es dauert nur eine Minute.“ Mühsam konzentrierte er sich auf seine Aufgabe. Er wollte noch ein paar Informationen zu der Waffe bekommen und erfahren, wieso ihre Ehe in die Brüche gegangen war.

„Selbstverständlich.“ Sie löste die Haarspange, und ihr rotes dichtes Haar fiel ihr über die Schultern hinab. „Geben Sie mir eine Minute Zeit zum Umziehen. Wir treffen uns am Eingang.“

Warren setzte sich auf ein Sofa und wartete auf Tabitha. Dabei versuchte er, nicht daran zu denken, wie sie im kleinen Nebenzimmer gerade versuchte, sich die Aufkleber von den Brustspitzen zu entfernen.

Als sie sich zum fünfzigsten Mal mit der Bürste durchs Haar fuhr, wurde Tabitha bewusst, dass sie das unvermeidliche Gespräch mit Detective Vitalis nicht länger aufschieben konnte. Sie trug jetzt einen langen Khaki-Rock und ein gelbes Tank-Top mit einem Pullover darüber, doch seltsamerweise fühlte sie sich Warren gegenüber immer noch nackt, weil er sie zuerst in ihrem durchsichtigen Nachthemd und jetzt fast ganz nackt bei der Arbeit gesehen hatte. Im Moment hätte sie sich am liebsten einen Poncho oder eine Kutte übergezogen. Sie steckte die Bürste in ihre Tasche und betrat das Wohnzimmer, in dem weiße Plastikwürfel als Tische und Sitzgelegenheiten dienten. Auch Manny hatte damals das Haus völlig in Weiß einrichten lassen, und bis heute empfand Tabitha weiße Räume als so kalt und abweisend wie ihre Ehe von damals.

Seit Tabitha allein lebte, war ihr Apartment in allen Regenbogenfarben eingerichtet, weil sie niemals vergessen wollte, dass sie die weiße Hölle überstanden hatte.

Als sie auf ihn zuging, stand der Detective höflich vom Sofa auf.

„Tut mir leid, Detective, dass es länger gedauert hat. Können wir uns vielleicht woanders unterhalten, wo es nicht so … weiß ist?“

„Von mir aus gern.“ Er hielt ihr die Tür auf. „Wo würden Sie gern hingehen?“

„Ein paar Blocks weiter gibt es ein Café. Dort habe ich heute Morgen einen ausgezeichneten Milchkaffee getrunken.“ Sobald sie das Apartment verlassen hatten, konnte Tabitha auch wieder freier atmen.

So früh am Nachmittag hatte der Berufsverkehr noch nicht eingesetzt. In der eleganten Gegend wimmelte es von Bediensteten, die Hunde spazierenführten, Autos einparkten und Lebensmittel einkauften.

„Nein, schon gut. Aber was haben Sie gegen die Farbe Weiß?“

„Das ist eine lange Geschichte, mit der ich keinen Detective langweilen möchte, der mir gern ein paar Fragen stellen möchte.“ Hier draußen im Freien bekam Tabitha sofort bessere Laune.

„Tabitha, ich wäre heute nicht hier, wenn Sie mir gegenüber gestern ehrlich gewesen wären.“

Abrupt blieb sie stehen. „Ich war vollkommen ehrlich.“ Schließlich hatte sie doch zugegeben, von Manny eine Waffe geschenkt bekommen zu haben.

Als sie das Café erreichten, zitterten Tabithas Hände vor Nervosität. Diese Unruhe verstärkte sich noch, als Warren um sie herumgriff, um ihr die Tür aufzuhalten. Einen Moment lang berührte er mit dem Oberkörper ihren Rücken, und sofort erbebte Tabitha bis in die Fußspitzen.

„Als ich Sie nach möglichen Feinden gefragt habe, haben Sie mir leider verschwiegen, dass Ihr Ex und Sie sich während der Scheidung fast täglich an die Gurgel gegangen sind.“

Gerade als Tabitha sich wieder so weit beherrscht hatte, dass sie hätte antworten können, legte Warren ihr eine Hand flach an den Rücken, um sie zu einem kleinen Tisch in der Ecke zu führen.

Sie wartete, bis Warren die Hand von ihrem Rücken nahm, dann setzten sie sich an einen der kleinen runden Tische. „Mein Exmann und ich sind keine dicken Freunde, Detective, aber ich glaube nicht, dass er mir etwas antun würde.“ Er würde keine Sekunde zögern, ihr das Leben zur Hölle zu machen, aber körperliche Gewalt passte nicht zu ihm.

„Sind Sie da ganz sicher?“

„Ja, völlig sicher. Wenn Manny Redding mir etwas antun wollte, hätte er das schon getan, als ich am Valentinstag sein Rendezvous mit diesem aufstrebenden Filmsternchen so abrupt unterbrochen habe. Damals war er auf mich unglaublich wütend, weil ich in aller Öffentlichkeit die Fassung verloren habe. Ein Freund von uns hatte uns zu einer Party eingeladen, und während ich unten im Foyer stand, hat Manny es mit diesem Starlet im Gästebad getrieben.“

„Verdammt.“ Warren fuhr sich durchs kurze Haar. „Diese Fragen sind für Sie bestimmt nicht angenehm, aber …“

Sie winkte ab. „Wenn Manny mir etwas hätte antun wollen, dann hätte er es gleich dort getan. Falls Sie etwas Gegenteiliges wissen, dann verraten Sie es mir.“

„Also schön.“ Warren beugte sich vor und strich ihr kurz über den Handrücken, bevor er sich beherrschen konnte und die Hand wieder zurückzog.

Mit so einer Geste hätte Tabitha nicht gerechnet, schon gar nicht von dem Mann, der erst gestern die Waffe auf sie gerichtet hatte. Ihr wurde heiß.

„Tabitha, gestern haben Sie mir verraten, dass Sie eine 38er besitzen, aber Sie haben nichts davon gesagt, dass die Waffe vermisst wird.“

Angestrengt versuchte sie, sich auf Warrens Worte zu konzentrieren. „Die Waffe wird nicht vermisst. Ich bewahre sie in meinem Schrank auf.“

„Haben Sie die Schatulle mit der Waffe in letzter Zeit geöffnet?“

Ihr wurde fast übel, obwohl der Kaffee genauso gut wie am Vormittag schmeckte. „Ich … ich konnte den Anblick dieses Dings noch nie ausstehen.“

„Ihr Exmann hat die Waffe bereits vor über einem Jahr als gestohlen gemeldet.“

3. KAPITEL

Am nächsten Nachmittag saß Warren zu Hause und durchsuchte über den Computer alte Zeitungsarchive. Warum er an seinem freien Tag Nachforschungen über Tabithas Vergangenheit anstellte, konnte er sich selbst nicht erklären. Schon seit dem ersten Treffen geriet er immer ins Fantasieren, sobald er an sie dachte. Er hatte sich extra einen Tag freigenommen, um Nachforschungen über ihren Exmann anzustellen.

„Filmproduzent feiert exzessiv – Ehefrau rastet aus“, lautete eine Schlagzeile, und Warren fragte sich, wie man Ehebruch als exzessives Feiern verharmlosen konnte.

Eigentlich hatte er mit dem Fall überhaupt nichts zu tun. Streng genommen gab es überhaupt keinen Fall, sondern nur einen Querschläger, der eine Fensterscheibe durchschlagen hatte. Warren hatte einen Bericht geschrieben, doch ohne weitere Anhaltspunkte würde es keine Ermittlungen geben, und so konnte Warren die Sache nur in seiner Freizeit untersuchen.

Er konnte nicht leugnen, sich zu Tabitha hingezogen zu fühlen. Als sie sich vor dem Café verabschiedet hatten, hätte Warren ihr fast vorgeschlagen, sie noch nach Hause zu begleiten, um nachzusehen, ob die Waffe sich noch an ihrem Platz befand. Im Grunde ahnte er bereits, was sie vorfinden würde, und diese Vorahnung hatte sich bestätigt, als Tabitha eine Stunde darauf im Revier angerufen hatte, weil in der Schatulle lediglich Munition enthalten war, damit das Gewicht ungefähr dem einer Waffe entsprach.

„Aufstrebende Schauspielerin verliert Hauptrolle wegen Boykott-Beschuldigungen.“ Diese Schlagzeile stammte aus einer seriöseren Zeitschrift. Anscheinend hatte Tabitha die ihr bereits zugesagte Rolle in einer Soap-Opera verloren, nachdem sie die Scheidung eingereicht hatte. Sie hatte Manny beschuldigt, veranlasst zu haben, dass sie die Rolle nicht bekam.

Je mehr Warren las, desto größer wurde seine Wut auf den Mistkerl, der die Karriere seiner Ehefrau nur aus dem Grund zerstörte, weil sie ihm seine Seitensprünge nicht einfach durchgehen ließ. Warren empfand Mitgefühl mit Tabitha, deren Leben durch die Rachegelüste ihres Exmannes zerstört worden war.

Aber erst, als er in einem Einrichtungskatalog ein Foto von Tabitha entdeckte, auf dem sie auf einem weißen Sofa in einem weißen Wohnzimmer posierte, erkannte er, wie sehr diese Frau ihn faszinierte.

Sie saß allein am Rand des Sofas. Vor der weißen Kulisse hob sich ihr Haar flammend rot ab, ihr Lächeln wirkte strahlend. Man sah ihr an, dass sie zu dem Zeitpunkt noch Träume besessen hatte, die später zerplatzt waren, weil sie sich auf einen Mann eingelassen hatte, dem ihre Wünsche nichts bedeuteten.

Entschlossen fuhr Warren seinen Rechner herunter, pfiff nach Buster und beschloss, heute etwas früher zu joggen.

Es verstieß gegen kein Gesetz, wenn er an Tabithas Haus vorbeilief. Niemand konnte etwas dagegen einwenden, wenn er sich wieder mit ihr traf, denn es gab keine Ermittlungen in ihrem Fall.

Warren hatte keine Ahnung, was er ihr sagen sollte, aber wenn alles nach Plan lief, würden sie beide ohnehin kaum ein Wort wechseln.

Vielleicht war die Waffe tatsächlich gestohlen worden.

Tabitha blickte auf die leere Aussparung in der Schaumstoffpolsterung und versuchte, sich an die Tage vor dem Auszug aus dem gemeinsamen Haus zu erinnern. Manny hatte kaum mit ihr gesprochen. Die Szene, die sie ihm bei der Party gemacht hatte, war ihm unsagbar peinlich gewesen, und seitdem hatte zwischen ihnen eine Mauer des Schweigens geherrscht. Vielleicht war er tatsächlich so wütend auf sie gewesen, dass er sogar den Einbruch und Diebstahl verschwiegen hatte. Dann hatte er wenigstens eines richtig gemacht: nämlich der Polizei das Verschwinden der Waffe gemeldet.

Tabitha hoffte, dass es so war.

Es wurde bereits Abend, und sie zog eine dicke Decke vor die frisch eingesetzte Fensterscheibe. Wenigstens konnte jetzt niemand mehr von der Straße aus sehen, wo sie sich in ihrem Apartment bewegte. Sie offenbarte sich im Job schon genug, da wollte sie nicht noch ihr Privatleben preisgeben. Es gab nur einen einzigen Mann, dem sie gern ein bisschen mehr von sich gezeigt hätte, aber beim letzten Treffen hatte Detective Vitalis sehr misstrauisch gewirkt. Was konnte schon aus einer Beziehung werden, die von Anfang an von Misstrauen geprägt war?

Umso mehr staunte Tabitha, als sie kurz darauf vor ihrem Apartment ein Bellen und ein kurzes energisches Klopfen an der Tür hörte.

„Tabitha?“

Warrens tiefe Männerstimme drang durch die reparierte Tür, und bei dem sinnlichen Klang schluckte Tabitha.

Sie kam sich vor, als habe jemand sie bei irgendetwas Unanständigem erwischt, nur weil sie sich gerade ausgemalt hatte, was sie gern mit Warren tun würde, wenn er nicht zufällig ein Polizist wäre, der in ihrer Vergangenheit herumstocherte.

Nachdem sie sich durch den Türspion vergewissert hatte, dass tatsächlich Warren vor der Tür stand, schob sie den Riegel zur Seite und öffnete die Tür.

„Freut mich zu sehen, dass Sie sich einen Riegel haben einbauen lassen.“ Er lächelte, während Buster nicht erst auf eine Aufforderung wartete, sondern sich einfach ins Apartment drängte.

Prüfend betrachtete Warren den reparierten Türrahmen und die Tür.

„Ich wollte nicht noch mal erleben, dass irgendjemand mit gezogener Waffe hereinstürmt. Kommen Sie doch rein.“ Sie trat zur Seite, ließ ihn eintreten und deutete auf ihr zusammengesuchtes Mobiliar, das im Moment rötlich leuchtete, weil sie einen scharlachroten Schal über eine Tischlampe am Fenster geworfen hatte.

Buster steuerte direkt seinen Trinknapf an, den Tabitha dort seit dem letzten Besuch hatte stehen lassen. Während der Hund kurz trank und dann im Apartment herumschnupperte, schloss Tabitha die Tür.

„Setzen Sie sich doch.“ Mit Warren darin wirkte ihr Apartment schlagartig sehr klein. Erst durch seine Gegenwart wurde ihr bewusst, wie konsequent sie im vergangenen Jahr Männern aus dem Weg gegangen war.

Fühlte sie sich nur zu ihm hingezogen, weil sie sexuell so frustriert war? Ja, daran musste es liegen. Möglicherweise auch daran, dass er offenbar ein sehr wirkungsvolles Fitnessprogramm betrieb. Er schien nur aus Muskeln zu bestehen.

„Tabitha.“ Selbst nachdem sie Platz genommen hatte, blieb er stehen.

„Was ist denn? Geht es um die Waffe? Haben Sie etwas herausgefunden?“ Sofort stand sie wieder auf. Ihre erotischen Gedanken machten sie nervöser als die Unterhaltung über die tödliche Waffe.

„Noch nicht.“ Er kam näher und ließ sich aufs Sofa sinken, als wolle er dadurch Tabitha dazu bringen, seinem Beispiel zu folgen. „Zuallererst muss ich klarstellen, dass ich nicht beruflich hier bin.“

Oh. Ihr Pulsschlag raste. „Ach, nein?“ Ohne lange darüber nachzudenken, ließ sie sich wieder aufs Sofa fallen und landete viel zu dicht an dem attraktiven Detective.

„Nein, Sie können mich jederzeit rauswerfen, falls Sie beschäftigt sind.“ Er sah sich nach Buster um, der vor dem Kamin bereits Kreise drehte, als wolle er es sich gemütlich machen.

Wird dieser Detective sich bei mir genauso schnell zu Hause fühlen wie sein Hund? fragte sie sich. „Ich habe nichts Besonderes vor.“ Die Worte kamen ihr etwas zu schnell über die Lippen. Wieso bloß fand sie Männer immer noch anziehend, obwohl Männer ihr das Leben schon so oft zur Hölle gemacht hatten? Verdammte Biologie, dachte sie.

„Mir ist erst gestern klar geworden, dass ja keine offizielle Untersuchung stattfindet. Also kann mich auch nichts davon abhalten, Sie zu fragen, ob wir … irgendwann mal zusammen essen gehen. Zum Beispiel zum Dinner.“

So wie er mitten im Satz zögerte, fragte Tabitha sich, ob er sie nicht im Grunde zu etwas anderem einladen wollte. Zum ersten Mal sah er sie nicht mit den Augen eines Polizisten, sondern mit denen eines interessierten Mannes. Sein Blick glitt so verlangend an ihr hinunter, dass Tabitha unwillkürlich schnell nachsah, ob sie nicht wieder ihr durchsichtiges Nachthemd trug. Nein, sie war sehr anständig mit einem karierten Rock und einem kurzen weißen Pullover gekleidet.

Warrens Interesse konnte also nicht durch ihre Kleidung hervorgerufen worden sein. Ihr wurde heiß. Nein, sagte sie sich, das muss aufhören, bevor ich etwas tue, was ich später bereue. Zum Beispiel könnte sie ihm die Kleider vom Leib reißen.

Andererseits vertraute sie ihm mehr als allen anderen Polizisten zusammen, die am Abend nach dem Schuss in ihr Apartment gekommen waren. „Zum Dinner? Darf ich ganz offen sprechen, Detective?“

„Nennen Sie mich doch bitte Warren.“

„Warren.“ Es klang gut. Tabitha gefiel es, seinen Namen auszusprechen.

„Bitte sprechen Sie ganz offen. Versteckspiele und Heimlichkeiten kann ich nicht ausstehen.“

„Also gut, Warren.“ Sie hätte seinen Namen am liebsten gleich ein Dutzend Mal ausgesprochen, nur um den Klang zu hören. „Dann werde ich ganz ehrlich sein. In meiner Situation fällt es mir nicht leicht, mich auf Einladungen zum Dinner und auf Rendezvous einzulassen.“

„Ist das ein Nein?“ Er wandte sich ihr zu.

Ihr fiel der Diamant in seinem Ohr auf. Das Funkeln wirkte an diesem sonst so spartanischen, sportlichen Mann noch aufregender. Dieser Ohrstecker faszinierte sie genauso wie alles andere an Warren. Ihr Exmann hatte immer Schmuck getragen. Allein an seiner Geldklammer hatte Manny sicher mehr Karat gehabt als Warren in seinem Ohrstecker. Und nachdem er mit einem stillen Teilhaber einen Vertrag geschlossen hatte, hatte Manny noch viel mehr verdient und diesen Reichtum durch zahllose protzige Ringe zur Schau gestellt.

Und dann die Frisur. Manny hätte nie den Mut besessen, sich die Haare so kurz rasieren zu lassen wie Warren. Tabitha streckte bereits die Hand aus, um an Warrens Schläfe zu testen, wie die kurzen Haare sich anfühlten, doch dann ließ sie es. „Für mich ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt für eine Beziehung jedweder Art.“ Das war die traurige Wahrheit. Sie wollte nicht riskieren, dass jemand ihre Gefühle oder ihren Stolz verletzte.

„Wer sagt denn, dass es mehr sein muss als nur ein Dinner?“ Er legte den Arm auf die Rücklehne des Sofas.

Tabitha spürte seine warmen Finger am Hinterkopf, und ein wohliger Schauer rieselte ihr über den Rücken.

Ihr wurden die Augenlider schwer, während Warren ihr durchs Haar strich. Am liebsten hätte sie sich zu ihm hinübergebeugt und sich bei ihm angelehnt. Es war so unglaublich verführerisch. „Seit wann ist ein Dinner einfach nur ein Dinner? Für einen Abend voller Small Talk bin ich schon zu lange allein.“

„Fürchten Sie, sich zu langweilen?“

Nein, das hatte sie eigentlich nicht gemeint. Tabitha lachte auf. „Nein.“ Eindringlich blickte sie ihm in die Augen und rutschte unwillkürlich näher zu Warren.

„Was hat das Alleinsein dann mit einem Dinner mit mir zu tun?“ Immer noch massierte er ihr sanft den Nacken.

Vielleicht sollte sie seine Einladung doch annehmen. „Ich bin einfach zu ungeduldig. Ich hätte keine Lust, ein ganzes Dinner lang am Tisch zu sitzen, wenn ich im Grunde …“

Sie konnte es nicht aussprechen und verstummte, als Warren ihr zur Schulter hinabstrich. Mist, dachte Tabitha, warum habe ich beim Pullover die obersten Knöpfe offen gelassen?

„Was wollen Sie im Grunde?“, drängte er.

Fast hätte sie ihm gesagt, welche Rolle er in ihren erotischen Fantasien spielte. Ihr Herz raste. Sollte sie es zugeben? Sie schluckte. „Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich sehne mich eigentlich nur nach dem Dessert.“

Ihr Geständnis schien einen Moment nachzuhallen, bevor die Anspannung zwischen ihnen beiden explodierte.

Tabitha begehrte diesen Mann unsagbar. Entschlossen beugte sie sich zu ihm und küsste ihn auf den Mund. Eine lustvolle Woge durchströmte sie bis in die Fingerspitzen. Eine kleine Ewigkeit atmete sie dieselbe Luft ein wie er und ließ die Lippen dicht über seinem Mund verharren. Warren bedrängte sie nicht und berührte nur ganz sachte ihre Schulter.

Sein Kuss schmeckte nach Pfefferminz. Die intime Wärme der Zärtlichkeit gab ihr den Mut, seinen Mund noch intensiver zu erkunden. Erst zaghaft berührte sie seine Zungenspitze mit ihrer, dann fuhr sie ihm aufreizend über die Lippen, schlang die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich aufseufzend an ihn.

Es überraschte sie, als Warren den Kuss abbrach und sich zurückzog. Hatte er gespürt, dass sie sich hatte auf ihn stürzen wollen? Ihre Enttäuschung verwunderte sie genauso sehr wie ihr wild pochendes Herz.

„Einem Dessert stimmst du also zu, ja?“ Sanft strich er ihr am Hals entlang zum Kinn. „Ich will nur ganz sicher sein, dass wir uns einig sind, bevor wir weitermachen.“

„Also schön.“ Sie fuhr ihm am offenen Kragen entlang. Hatte er nicht gesagt, er möge keine Leute, die nicht offen und ehrlich waren? Sein Glück, dachte sie, denn ich will in diesem Punkt sehr offen sein. „Ich möchte herausfinden, wohin uns diese Anziehungskraft führt, aber ich habe keine Lust auf die üblichen Einladungen zu Drinks und Dinners und die regelmäßigen Verabredungen am Freitagabend. Selbst wenn das bedeutet, dass ich auf alle Höhepunkte meines Sexlebens verzichten muss.“

„Einverstanden. Freitags werde ich dich nicht belästigen.“ Belustigt lächelte er, bevor er den Kopf wieder vorbeugte.

Doch eines wollte Tabitha noch klarstellen: „Wenn wir diesem Weg folgen, könntest du mir dann einen kleinen Gefallen tun?“ Zaghaft spreizte sie die Finger auf seiner Brust.

„Sprich’s aus.“

An den Fingerspitzen spürte sie sein Herz immer schneller schlagen. Geschmeichelt lächelte sie. „Berühr mich nirgendwo außer an den Lippen, solange du nicht sicher bist, dass du es nicht auch zu Ende führen willst.“ Intimität war ihr schon immer schwer gefallen. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie nie dann kam, wenn ihr Partner es von ihr erwartete. „Nach so vielen einsamen Nächten stehe ich … sexuell unter großer Anspannung.“ Sie atmete tief durch. „Ich fürchte, mittlerweile explodiere ich sehr leicht.“

Diese wunderschöne Frau sehnte sich nach Sex und wollte eine Affäre ohne jede Verpflichtung mit ihm. Anscheinend standen bei Warren im Moment sämtliche Sterne im Universum in optimaler Konstellation, denn so etwas passierte sonst nicht in seinem Leben. Seine Welt war geprägt von Brutalität und nicht von rothaarigen Traumwesen mit aufregender Figur.

Im rötlichen Lichtschein betrachtete er Tabitha. Lag es nur am Licht oder wirkten ihre Wangen gerötet, als er sich vorbeugte, ohne sie zu berühren.

Langsam schloss sie die Augen und hob das Gesicht, um seinem Mund entgegenzukommen. Warren konnte die Sehnsucht, Tabitha zu berühren und im Arm zu halten, kaum beherrschen. Als er vorhin ihren Nacken berührt hatte, war ihm ihre seidenweiche, warme Haut aufgefallen, und die wollte er wieder spüren. Aber ein anständiger Mann hielt sich an die Regeln, die die Frau aufstellte. Also musste er sie dazu bringen, ihre eigenen Regeln zu vergessen.

Sacht streifte er mit den Lippen ihren Mund und kostete den süßen Geschmack nach Vanille. Ich sollte sie heute Abend zu nichts drängen, sagte Warren sich. Nachdem sie die Situation geklärt hat, sollte ich ihr etwas Zeit lassen. Andererseits glaubte er nicht, dass er es schaffen würde, einfach so zu gehen. Der Pulsschlag pochte ihm in den Schläfen.

Gerade als er meinte, sich keinen Moment länger beherrschen zu können, brach Tabitha selbst ihre Regel, indem sie beide Arme um ihn schlang und ihn auf sich zog. Ihre Brüste pressten sich an seine Brust.

Mit ihrem ganzen Körper drängte Tabitha sich an ihn. Sie wollte überall seine Wärme spüren.

Für Warren war es schon viel zu lang her, seit er das letzte Mal mit einer Frau zusammen gewesen war. Seit der Scheidung vor drei Jahren hatte er sich kaum jemals mit einer Frau verabredet, und keine davon war wie Tabitha gewesen.

Sie führte seine Hand zu ihrer Brust, die von einem weichen Cashmere-Pullover bedeckt war, und schlagartig vergaß Warren seinen Vorsatz, heute nicht zu weit zu gehen. Er spürte deutlich, dass Tabitha sich genauso stark nach ihm sehnte wie er sich nach ihr. Diese Erkenntnis ließ seine Lust fast explodieren. Der Pullover spannte sich über ihren vollen Brüsten, alles an ihr war warm und weich. Warren sehnte sich nach nichts mehr, als eins mit ihr zu werden und in diese Wärme einzudringen. Erregt öffnete er zwei Knöpfe an ihrem Pullover, um mit der Hand unter den Stoff zu fahren und Tabithas nackte Haut zu spüren.

Ihr Duft war berauschend. Zwischen den Brüsten duftete ihre Haut exotisch und erregend. Diesen sinnlichen Duft atmete Warren tief ein und vergaß alles außer seinem Verlangen. Er lag über ihr und ließ ein Bein auf den Boden hängen. Seine Hüften pressten sich an ihre, während er mit beiden Händen durch den hauchdünnen BH Tabithas Brüste liebkoste. Sie strich ihm durchs Haar und den Rücken hinab, und durch das Hemd hindurch spürte Warren jede Liebkosung. Mit einem Knie stützte er sich zwischen ihre Schenkel und strich begehrlich an ihrem Körper hinab.

Mit einer Hand fuhr er ihr unter den Rock. Wenn sie so vor Lust brannte, wäre es doch unfair, sie lange auf die Folter zu spannen. Mit dieser Rechtfertigung als Entschuldigung nahm Warren sich die Freiheit heraus, Tabitha überall zu berühren, wo es ihm gefiel.

Sanft strich Warren an ihrem Schenkel hinauf und spreizte die Finger, um so viel Haut wie nur möglich gleichzeitig zu berühren. Je weiter er nach oben strich, desto heißer glühte ihr Körper.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er das Klingeln seines Handys bewusst wahrnahm. Unbarmherzig unterbrach der Laut das heißeste Vorspiel seines Lebens.

„Verdammt!“ Wenn er es schaffte, das Telefonat innerhalb von dreißig Sekunden zu beenden, konnte er vielleicht dort fortfahren, wo er aufgehört hatte.

Hastig zog er das Handy aus seiner Jacke und nahm das Gespräch an. Es war das Polizeirevier. Kein gutes Zeichen. Es würde sicher etwas länger dauern. „Vitalis.“

Es fiel ihm schwer, seine Lust so weit zu verdrängen, dass er sich auf das Telefonat konzentrieren konnte. Die Anruferin war eine neue Kollegin, die im letzten Monat ihre erste große Festnahme hinter sich gebracht hatte. Donata Casale hatte bei ihrem Dienstantritt viel Aufsehen erregt, denn sie hatte sich als ehemalige Geliebte eines Gangsters mit Zähigkeit und großem Ehrgeiz ihren Weg durch die unteren Dienstgrade im Polizeidienst erkämpfen müssen. Warren empfand großen Respekt vor dieser Leistung, doch im Moment empfand er Donata nur als störend.

„Da steckt eine Kugel in einer Ziegelwand. Die Jungs sagen, sie könnten sie rausholen, ohne großen Schaden an dem Geschoss anzurichten, aber ich wollte zuerst hören, was du davon hältst. Ich habe hier einen Mord im VIP-Bereich eines Klubs, und die Kugel steckt in einem ganz seltsamen Winkel fest. Das Opfer ist anscheinend ein bekannter Pornostar, ein gewisser John de Milo.“

Warren wusste, dass Donata ihn brauchte. Sein Spezialgebiet lag darin, über äußere Spuren am Geschoss herauszufinden, ob mit derselben Waffe schon andere Verbrechen begangen worden waren. Trotzdem war er hin und her gerissen, denn er ahnte, dass er mit Tabitha heute Abend den besten Sex seines Lebens gehabt hätte.

„Soll ich die Kugel von den Jungs entfernen lassen?“, fragte Donata nach, als Warren nichts erwiderte.

Wenn er doch nur heute Abend bei Tabitha bleiben könnte! „Nein, ich bin in einer Viertelstunde bei euch. Wie lautet die Adresse?“ Auf den Rand einer Zeitung notierte er sich Straßennamen und Hausnummer. Während er das Gespräch beendete, spürte er, dass Tabitha sich aus seiner Umarmung wand.

Beim Anblick ihres halb ausgezogenen BHs und des aufgeknöpften Pullovers hämmerte Warrens Herz laut. Anscheinend hatte sein Körper noch nicht ganz begriffen, dass es heute Abend kein Dessert gab.

„Tut mir leid.“ Er richtete sich auf. „Aber es ist dringend. Ich muss zum Tatort eines Mordes. Ich weiß nicht, ob ich es dir bereits erzählt habe, aber den Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich mit der Analyse von Geschossen.“

Sachte strich er ihr über die Knöpfe des Pullovers und zog den Stoff zusammen. Tabitha nickte nur, und auf Warren wirkte sie fast erleichtert.

„Du fährst jetzt zu einem Tatort?“ Sie rieb sich über die Arme.

Fand sie seinen Job gruselig? Nach Warrens Erfahrung gab es zwei Arten von Frauen: Die einen fanden es aufregend, mit einem Polizisten zusammen zu sein, den anderen machte der Job Angst. Nur sehr wenige konnten sich auf diese Art zu leben wirklich einlassen. Warren konnte sich selbst nicht erklären, wieso er auf einmal hoffte, dass Tabitha zu diesen wenigen zählte. Schließlich kannte er sie ja kaum. Sie hatten erst ein paar Mal miteinander gesprochen. Und sich leidenschaftlich geküsst.

„Ein Geschoss steckt in einer Ziegelwand. Meiner noch unerfahrenen Kollegin wäre es lieber, wenn ich die Kugel heraushole, um möglichst wenig Spuren zu verwischen.“ Morgen früh würden ohnehin alle Zeitungen über den Mord berichten, also verriet Warren keine Staatsgeheimnisse.

„Das Opfer wurde also erschossen.“ Unwillkürlich sah sie zum frisch reparierten Fenster, und Warren erkannte, dass sie Angst bekam.

„Der Fall hat nichts mit deiner zerschossenen Scheibe zu tun. Das Opfer war ein Pornostar, und er wurde in einem Nachtklub ermordet.“

Anstatt beruhigt aufzuseufzen, richtete Tabitha sich angespannt auf. „Ein Pornostar?“

Richtig, ihr Exmann hatte seine ersten Erfahrungen im Filmgeschäft mit billigem Schund gesammelt, in dem auch ein paar Pornostars mitgespielt hatten. „Ja, John de Milo.“

„John?“

„Du kennst ihn?“ Er musste dringend zum Tatort, aber Tabithas Reaktion ließ ihn zögern.

„Ja. Eine Zeit lang sind wir uns über gemeinsame Bekannte ab und zu begegnet. Er wollte immer ein richtiger Filmstar werden, deshalb sind wir uns bei Castings häufiger über den Weg gelaufen.“ Sie stand unvermittelt auf, bückte sich und kraulte Buster am Kopf. Der Hund war sofort hellwach, spitzte die Ohren und setzte sich auf.

Warren trat dicht vor sie. „Könntest du auf Buster aufpassen, während ich weg bin? Ich hole ihn dann später wieder ab.“

„Das tue ich gern.“ Als sie lächelte, wirkte es, als würden ihre Augen strahlen.

Wenn ich noch länger hier stehe, gehe ich nicht mehr weg, dachte er. „Behalte den Hund hier, ich bin in einer Stunde zurück, spätestens in zwei.“ Warren strich ihr über die Hüften und fragte sich, wie er sich einer Frau, die er gerade erst getroffen hatte, so verbunden fühlen konnte.

Noch einmal küsste er sie voller Lust und kostete den Geschmack ihrer Lippen, bis er sich widerstrebend von ihr löste.

Ihr Haar glitt über seine Schulter, als er einen Schritt zurücktrat. Tabithas rote Locken reichten ihr bis über die Schultern. Auf einmal wirkte sie nicht mehr zerbrechlich und zart, sondern unglaublich sexy.

„Okay.“ Lächelnd nickte sie.

Wieder küsste er sie, bevor er sich dazu zwang, ihr Apartment zu verlassen. So verrückt nach einer Frau war er nicht mehr gewesen, seit er damals Melinda Cartwright gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wolle. Das war zwar ein katastrophaler Fehler gewesen, doch zu dem Zeitpunkt hatte sie eingewilligt.

Der möglicherweise zufällige Schuss durchs Fenster rückte durch den Mord an John de Milo in ein neues Licht, wenn Tabitha das Opfer kannte, doch obwohl es vielleicht nicht klug war, konnte Warren es nicht abwarten, Tabitha Everhart die Kleider vom Leib zu reißen.

Sex mit Warren?

Ich muss verrückt sein, dachte Tabitha.

Sie hörte auf, unablässig in ihrem Wohnzimmer auf und ab zu laufen, und dachte nach. Vor knapp einer Stunde war sie mit Buster spazieren gegangen, und der Hund schien jetzt auf sein Herrchen zu warten.

Ich weiß, wie ich dein Herrchen wieder loswerde, dachte Tabitha. Ich brauche ihm nur ein paar von den Zeitungsartikeln aus der Zeit meiner Scheidung zu zeigen. Manny besaß die richtigen Kontakte und hatte damals dafür gesorgt, dass seine Sicht der Dinge gedruckt wurde. Kein vernünftiger Mann würde sich mit der Frau einlassen, als die die Presse Tabitha dargestellt hatte.

Außerdem fürchtete Tabitha, dass sie sich trotz ihrer Vorsätze doch verliebte und am Ende wieder mit gebrochenem Herzen dastand. Seufzend ließ sie sich auf den Stuhl an ihrem kleinen Tisch sinken. Durch ihr nervöses Hin- und Herlaufen machte sie nur den guten Buster verrückt. Während sie ihn jetzt mit einer Hand kraulte, öffnete sie mit der anderen ihr E-Mail-Programm, um nachzusehen, ob sie neue Nachrichten bekommen hatte.

Werde ich jemals wieder den Mut finden, mich mit einem Mann einzulassen, fragte sie sich. Bei ihrer nächsten Beziehung würde sie nicht nur ihren Gefühlen folgen, sondern auch den Kopf benutzen. Manny hatte sie mit Rosen und Dinner-Einladungen umgarnt, und sein Leben im Luxus hatte sie beeindruckt. Drei Jahre hatte es gedauert, bis sie erkannt hatte, dass Mannys ständiges Fremdgehen durch keine Eheberatung der Welt zu ändern war.

Das alles wollte sie niemals wieder erleben, und daran würde auch Warren nichts ändern, mochte er auch noch so sexy sein. Andererseits wollte Tabitha auch nicht für alle Zeiten auf Sex verzichten.

Vielleicht schaffte sie es ja doch, Sex ohne Erwartungen und Verpflichtungen zu genießen.

Sie überflog die neuen Nachrichten in ihrem E-Mail-Eingang. Nur ein paar Casting-Termine für den nächsten Tag. Keine Bitte um Rückruf.

Wie sollte sie die nächste Miete zahlen, wenn sie keine Aufträge bekam? Natürlich konnte sie immer irgendeinen schlecht bezahlten Job annehmen, aber auch Tabitha hatte ihren Stolz. Sie war auf der Filmschool in New York gewesen, und einige ihrer damaligen Mitstudenten arbeiteten jetzt in Hollywood oder am Broadway. War sie etwa so untalentiert, dass sie tatsächlich nur als Body-Double Arbeit fand oder als Fuß-Model? Zum Glück habe ich hübsche Zehen, dachte sie, sonst könnte ich meine Rechnungen niemals bezahlen.

Bedrückt starrte sie auf den Monitor. Während ihrer Ehe hatte sie ihren Traum vom Regieführen vergessen, aber wenn sie beharrlich blieb, würde sie wieder Zutritt zur Filmwelt finden. Durch ihre Arbeit als Body-Double bekam sie auf den Sets viel von der Branche mit, und irgendwann würde sie genug angespart haben, um ihren Traum zu verwirklichen, hinter der Kamera zu stehen und Regie zu führen.

Tief durchatmend öffnete sie die E-Mail von einem ihr unbekannten Absender. „First Take“, nannte er sich. Erste Aufnahme? Seltsam.

Die kurze Nachricht bestand lediglich aus zwei Zeilen:

Na, wie ist das, so ganz allein im Apartment, ohne deinen neuen Freund und Beschützer? Schönen Gruß, Red

Einen Moment lang hielt Tabitha die Luft an und versuchte, sich einzureden, dass diese E-Mail an Millionen Adressen geschickt wurde und nur zufällig zu ihrer Situation passte. Nur keine Panik, sagte sie sich.

Tabitha überprüfte den Absendezeitpunkt der E-Mail. Hoffentlich war es schon gestern gewesen. Nein. 19.20 Uhr. Vor einer Viertelstunde.

Wer zum Teufel war dieser Red? Sie hatte noch nie jemanden mit diesem Namen kennengelernt.

Tabitha griff nach dem Telefon, während sie sich die E-Mail-Adresse des Absenders First Take ansah. Es war eine der unzähligen privaten Hotmail-Adressen und keine Firmenadresse. Nannte er sich First Take, weil er aus dem Filmgeschäft kam?

Bloß keine Panik! sagte sie sich.

Buster bellte, als spüre er, unter welcher Anspannung Tabitha stand.

Ein Glück, dass du hier bist, dachte sie und strich dem Tier über den Kopf, während sie sich per Telefon ein Taxi bestellte und dann die Nummer wählte, die Warren ihr am Abend zuvor gegeben hatte. Lieber wollte sie mit ihm zusammen am Schauplatz eines Verbrechens stehen, als hier allein zu sein und zu fürchten, ihre Wohnung könnte selbst zum Tatort werden.

4. KAPITEL

Als Warren Tabitha jenseits des Absperrbands auftauchen sah, glaubte er schon, sein Unterbewusstsein würde ihm einen Streich spielen, zumal er sich kaum auf seine Arbeit hier am Tatort konzentrieren konnte, weil er ständig an Tabitha dachte.

Doch von den geröteten Wangen und dem sexy Lächeln bei ihrem Abschied war nichts mehr zu sehen. Tabitha wirkte angespannt, während Warren sie etwas abseits zur Tanzfläche des Klubs führte, in dem John de Milo umgebracht worden war.

Tabitha war kreidebleich, und Buster wich nicht von ihrer Seite. Offenbar hatte sie es dem Hund zu verdanken, dass sie überhaupt zu Warren durchgelassen worden war. Jeder bei der Polizei kannte Warrens Hund.

„Was ist los mit dir? Alles okay?“ Die Leiche kann sie nicht gesehen haben, dachte Warren, denn die ist vor zwanzig Minuten abtransportiert worden.

Er hatte schon gehen wollen, doch Donata hatte mit ihm noch über einen anderen ungelösten Fall sprechen wollen, der möglicherweise mit John de Milos Tod zusammenhing. Sie vermutete, dass der Mord mit einem Pornoring in Verbindung stand, gegen dessen Mitglieder sie schon seit ein paar Wochen ermittelte, weil sie heimlich Webcams in privaten Schlafzimmern installierten und die Filme übers Internet verkauften. Den eigentlichen Vertreiber hatte Donata noch nicht aufspüren können, doch es hieß, er habe enge Kontakte zur einschlägigen Industrie.

„Jemand überwacht mein Apartment.“ Tabitha zog ein zerknittertes Papier aus der Manteltasche und reichte es Warren.

Donata, die die Untersuchung am Tatort leitete, stellte sich Tabitha vor, während Warren das Papier entfaltete. Alle anderen Beamten sammelten gerade Beweise oder befragten mögliche Zeugen.

„Eine E-Mail?“ Schweigend las er den Ausdruck durch. „Red?“

„Ich kenne niemanden mit diesem Namen. Die Nachricht traf erst ein, als du schon weg warst“, antwortete Tabitha, bevor Donata etwas sagen konnte. „Ich dachte erst, es sei einfach nur Spam, aber dann fiel mir auf, dass die Nachricht versendet wurde, nachdem du mein Apartment verlassen hast. Da habe ich die Nerven verloren.“ Sie umklammerte Busters Leine, doch der Hund schien ohnehin zu begreifen, dass Tabitha seine Nähe brauchte. Er wich ihr nicht von der Seite.

„Wenn er dein Apartment beobachtet hat, dann ist er dir womöglich hierher gefolgt.“ Warren reichte den Ausdruck an Donata weiter und lief zum Fenster. „Bist du mit dem Taxi gekommen?“

„Ja. Dann war der Schuss in mein Fenster vielleicht doch kein Querschläger.“

Dasselbe hatte Warren sich auch schon überlegt. Warren vermutete, dass Tabithas Exmann in die Sache verwickelt war. Aber welcher Idiot unterzeichnete seine anonymen E-Mails mit „Red“, wenn er mit Nachnamen Redding hieß? „Mir gefällt das alles nicht.“ Anscheinend war Tabitha in etwas verwickelt, wovon sie selbst nichts wusste.

Oder sie wusste davon und verheimlichte es ihm.

„Wir können in Ihrer Gegend verstärkt Streife fahren“, versuchte Donata, sie zu beruhigen. Im Gegensatz zu Warren fiel es ihr leicht, Tabitha gegenüber nüchtern und sachlich zu bleiben.

„Ich finde, du solltest vorübergehend aus deinem Apartment ausziehen.“ Er trat vom Fenster zurück. Auf der Straße war nichts Verdächtiges zu sehen.

„Ich kann mir keinen Umzug leisten.“

Noch während sie antwortete, sprach Donata zu Warren. „Findest du das nicht ein bisschen übertrieben? Sie könnte sich doch eine Alarmanlage einbauen lassen. Kaufen Sie sich einen soliden Riegel, mit dem Sie die Tür versperren können.“

Erst als Warren kopfschüttelnd vom Fenster zurückkam, wurde ihm klar, dass man ihm möglicherweise anmerkte, wie sehr er sich zu Tabitha hingezogen fühlte. Wenn er nicht aufpasste, schadete er damit seiner Karriere, für die er so hart gearbeitet hatte. „Nein.“ Aus der Jacke zog er eine kleine Plastiktüte hervor. „Ich habe hier eine weitere 38er-Kugel gefunden. Sie passt zu der, die ich aus Tabithas Apartment habe. Seitlich gibt es eine kleine Schramme, die vermuten lässt, dass beide Kugeln aus derselben Waffe abgefeuert wurden.“

„Du meinst, de Milos Mörder hat es auf Tabitha abgesehen?“ Donata war sich nicht bewusst, wie das auf Tabitha wirken mochte.

Zum Glück bemerkte Warren, wie Tabitha die Augen verdrehte, und er fing sie auf, als sie in Ohnmacht fiel.

Buster bellte auf, und Donata lief los, um Wasser zu holen. Warren hielt sie in den Armen, und ihren warmen Körper zu spüren ließ ihn die Sorge vergessen, dass er immer tiefer in Tabithas Sog geriet. Behutsam ließ er sie in ihrem langen Wollmantel zu Boden gleiten und kniete sich neben sie.

Den Großteil seiner Arbeitszeit verbrachte er damit, im Neonlicht kleine ballistische Hinweise aufzuspüren, damit andere Detectives ihre Fälle lösen und den Ruhm ernten konnten. Aber er würde Tabitha vor diesem Red beschützen. Sie brauchte ihn, und er war nicht bereit, ihren Fall an irgendjemand anderen zu übergeben.

„Bitte, sag mir, dass ich nicht ohnmächtig geworden bin.“

Aus seinem Schoß erklang Tabithas Stimme. Anscheinend war sie wieder zu sich gekommen. Ihre Wange lag an seinem Schenkel. Was für ein Anblick! Warren schluckte.

Donatas Schritte erklangen, doch sie stellte das Wasser auf einen kleinen Tisch in der Nähe und zog sich diskret wieder zurück.

„Nein, du bist nicht ohnmächtig geworden.“ Er lächelte. „Du hattest einen Anfall extremer Lust auf mich und bist mir in die Arme gesunken.“ Bekräftigend drückte er sie an sich. Es fühlte sich himmlisch an.

„Noch nie in meinem ganzen Leben war ich ohnmächtig.“ Sie richtete sich auf, wobei ihre Brust einen Moment lang Warrens Arm streifte. „Aber ich bin auch noch nie von einem Mörder verfolgt worden.“ Etwas gezwungen lächelte sie ihn an.

„Das ist noch gar nicht sicher.“ Mühsam verdrängte er die erotischen Erinnerungen an die Erlebnisse auf dem Sofa mit ihr. Im Moment musste er sich ganz auf ihre Sicherheit konzentrieren. „Ich muss die Geschosse erst noch genauer im Labor untersuchen, aber wir sollten lieber vorsichtig sein, zumal du jetzt noch die E-Mail bekommen hast und sagst, dass du John de Milo kanntest.“ Er stand auf, um Tabitha von hier fortzubringen. „Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Kerl mit einem Namen unterschreibt, der dem Nachnamen deines Exmannes ähnelt. Hat ihn nie jemand Red genannt?“

„Nein. Wäre das nicht auch sehr dumm, wenn der Absender anonym bleiben will?“

„Vielleicht ist es ihm egal, ob du weißt, dass er es ist.“

„Das wäre mir nicht egal.“ Nachdenklich schüttelte sie den Kopf.

„Also gut. Lass uns von hier verschwinden und irgendwo anders darüber reden.“

„Es ist schon spät, und ich muss morgen früh raus.“ Sie trank einen Schluck Wasser, während Warren sie zum Ausgang führte.

Den Plastikbeutel mit dem Geschoss gab Warren einem seiner Kollegen vom Labor und ließ ihn mit dem Rest der Indizien verpacken. „Ich könnte mit dir zu deinem Apartment kommen, damit du für ein paar Tage Sachen packen kannst. Könntest du bei einer Freundin unterkommen?“

Sie knöpfte sich den Mantel zu und wartete, bis Warren sich von seinen Kollegen verabschiedet hatte, bevor sie ihm antwortete. Ein kalter Wind pfiff durch die New Yorker Straßenschluchten, es roch nach Pizza und Müll.

„Nach der Scheidung habe ich den Kontakt zu meinen so genannten Freundinnen verloren. Ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Manny Redding kann mehr für sie tun als ich.“

Warren verlangsamte die Schritte, als sie eine Kreuzung erreichten, um ein Taxi anzuhalten. Obwohl er die Hundeleine hielt, blieb Buster dicht an Tabithas Seite. „Willst du in ein Hotel?“ Er wollte nicht aufdringlich erscheinen, also ging er zuerst alle höflichen Möglichkeiten durch.

„Ehrlich gesagt, kann ich mir das im Moment nicht leisten.“

Sie war knapp bei Kasse, wurde beobachtet und möglicherweise von einem Mörder bedroht. Das war eindeutig nicht der beste Zeitpunkt, um sie zu überreden, mit zu ihm nach Hause zu kommen.

Im Grunde wusste er, dass er sich von ihr fernhalten sollte, selbst wenn ihm ihr Fall nicht übertragen wurde. Dass Tabitha jetzt zu einem Fall wurde, stand für ihn ohne Zweifel fest. Aber was sollte er sonst tun? „Du kannst nicht zu dir nach Hause.“

„Aber ich habe jetzt einen Riegel vor der Tür.“ Obwohl sie die Diskussion noch nicht beendet hatten, winkte sie ein Taxi heran. „Vielleicht könntest du mir für ein paar Tage Buster ausleihen.“

„Ich weiß etwas Besseres. Wieso leihst du dir nicht Buster und mich als Schutz aus? Du könntest bei mir wohnen, bis wir herausgefunden haben, wer dich verfolgt.“ Er hielt ihr die Tür zum Taxi auf. Buster sprang als Erster hinein.

„Ich kann also bei dir wohnen?“ Tabitha lächelte.

Ich gerate immer tiefer hinein, dachte er. „Etwas Besseres fällt mir nicht ein.“

„Danke, ich dachte schon, du würdest niemals fragen.“

Es mochte dreist sein, Warrens Angebot, ohne zu zögern, anzunehmen, aber Tabitha hatte genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, dass Frauen, die darauf bestanden, allein zu schlafen, immer als Erste vom Serienkiller umgebracht wurden.

Tabitha wollte sich lieber gegen ihre eigene Lust wehren, die sie in Warrens Nähe immer überkam, als gegen einen Mörder.

Sie erzitterte. Keiner von ihnen sprach während der Fahrt ein Wort, die dadurch verlängert wurde, dass Warren den Fahrer Umwege fahren ließ, damit sie eventuelle Verfolger abhängten. Schließlich hatten sie ein paar Kleidungsstücke aus Tabithas Apartment besorgt und gelangten zu Warrens Zuhause. Es war fast Mitternacht.

„Hier ist es.“ Er deutete auf ein Gebäude. Im Erdgeschoss befand sich ein Restaurant für karibische Spezialitäten, das gut besucht zu sein schien. Laute Musik drang auf die Straße.

„Magst du die karibische Küche?“, fragte Tabitha, als Warren ihr aus dem Taxi half. Beim Duft, der aus dem Restaurant kam, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.

„Zu scharf. Aber bei Della bekommt man auch Spezialitäten aus den Südstaaten. Ihre Krebsbuletten sind ein Gedicht.“ Warren holte Tabithas Gepäck aus dem Kofferraum und bezahlte das Taxi. „Ich kann uns was bringen lassen, wenn du magst.“ Fragend lächelte er Tabitha an.

„Danke, nein. Ich muss morgen früh am Set sein wegen ein paar Bein-Shots.“

„Bein-Shots?“ Er hielt ihr die Tür auf und drückte am Fahrstuhl auf den Rufknopf.

„Nahaufnahmen für eine Duschszene, glaube ich. Ich muss meine Beziehungen zur Filmwelt aufrechterhalten, bis die Leute wissen, dass sie nicht Manny Reddings Zorn auf sich ziehen, wenn sie mich engagieren. Abgesehen davon bringt es mir Geld.“ Unter seinem Arm hinweg betrat sie den Fahrstuhl.

„Du hoffst also, trotz des Einflusses deines Exmannes wieder im Filmgeschäft Fuß zu fassen? Gestern Nacht habe ich ein bisschen nachgeforscht und bin auf einige Zeitungsartikel gestoßen. Offenbar hat deine Scheidung für mächtigen Wirbel gesorgt.“

„Manny wird es auf ewig leugnen, aber er hat jedem, den er kannte, geraten, mich nicht zu engagieren, weil ich schwierig im Umgang sei. Es spielt keine Rolle, dass das nicht stimmt. Ihm geht es nur darum, dass ich keinen Erfolg habe. Wieso, weiß ich auch nicht.“

„Manche Männer kommen nicht damit klar, wenn eine Frau erfolgreich ist. Wurde er leicht eifersüchtig? Ist er besitzergreifend?“

Im achten Stock hielt der Fahrstuhl an, und Tabitha unterbrach erleichtert den Blickkontakt zu Warren. „Ja und ja. Es hat mich erschreckt, wie wenig ich ihn bei meiner Hochzeit kannte. Mit allen möglichen Ausreden hat er mich immer wieder davon abgehalten, meinen eigenen Weg weiterzugehen, um ihm stattdessen zu helfen, seine eigenen Ziele beim Film zu erreichen. Aber warum hat er dann nach der Scheidung weiterhin versucht, mich aus dem Filmgeschäft zu drängen?“

Jetzt war ihr klar, dass Manny sich lediglich hatte rächen wollen, weil sein Selbstbewusstsein unter der Scheidung gelitten hatte. Sie kam sich naiv vor, weil sie das nicht früher begriffen hatte.

Warren öffnete die Tür und ließ Tabitha sein Apartment betreten.

In ihren Augen war es riesig. Von einem kleinen Foyer aus ging es geradeaus ins Esszimmer, und von dort gelangte man ins Wohn- und ins Arbeitszimmer. Die Wände waren bis auf halbe Höhe vertäfelt, was Tabitha an alte Bibliotheken erinnerte. Darüber waren die Wände dunkelrot tapeziert. Das Esszimmer war heller eingerichtet, und im Wohnzimmer stand ein Ledersofa. Außer etwas verstreutem Popcorn auf dem Sofa deutete nichts darauf hin, dass hier ein Junggeselle lebte. Alles wirkte elegant und gemütlich. „Wow. Sehr hübsch.“

„Danke. Meine Ex hat sämtliche Möbel mitgenommen, aber nachdem ich letztes Jahr ein paar Nachbarn zur Silvesterfeier eingeladen habe, haben die zwei Besitzer des Antiquitätenladens hier in der Straße dieses Apartment zu ihrem persönlichen Projekt erklärt.“

„Sie haben tolle Arbeit geleistet.“

„Hier entlang. Da gibt es noch ein Gästezimmer.“ Er führte Tabitha am Esszimmer vorbei zu einem kleinen Zimmer, in dem ein Bett, eine Hantelbank und ein Fernseher standen. „Leider haben die beiden Jungs vom Antiquitätengeschäft diesen Raum bisher vernachlässigt, deshalb sieht’s hier etwas schlichter aus.“

„Es ist perfekt.“ Sie legte die Handtasche auf die Hantelbank. Wie mochte Warren aussehen, wenn er hier trainierte? Hastig verdrängte sie den Gedanken und kämpfte gegen die erotischen Bilder eines schwitzenden, halb nackten Warren an. „Dann warst du also auch schon mal verheiratet?“

Das Thema sollte die knisternde Stimmung etwas abkühlen. Tabitha sehnte sich immer noch unsagbar nach ihm, doch John de Milos Tod und die seltsame E-Mail hatten sie vollkommen durcheinandergebracht.

„Drei Jahre lang. Schon als wir uns kennenlernten, hatte sie etwas gegen meinen Job als Polizist. Als sie nicht mehr darüber sprach, dachte ich, sie hätte es akzeptiert.“ Er schob die Hantelbank zur Seite, um Platz zu schaffen, und stellte Tabithas Reisetasche ab. Dann zog er sich das Jackett aus und lockerte die blaue Krawatte.

„Hat sie verlangt, dass du deinen Job aufgibst?“ Tabitha beobachtete, wie er die Gewichte von der Bank hob und auf den Boden legte. Dabei spannte das weiße Hemd über seinen muskulösen Oberarmen. Sie schluckte. Von dem, was er sagte, bekam sie kaum etwas mit.

„Anscheinend hat meine Mutter Melinda dazu ermutigt, mich zu überreden, in die Investment-Firma meiner Familie einzusteigen. Dabei habe ich Melinda immer wieder gesagt, ich könnte nicht in einer Firma arbeiten, die den Namen meines Vaters trägt.“ Er richtete sich auf. „Vor drei Jahren hat sie mich verlassen. Kein halbes Jahr später hat sie einen Geiger geheiratet. Sie reist sehr viel und ist glücklich.“

Muss eine entsetzliche Frau sein, dachte Tabitha, doch da sie selbst auch mit einem schrecklichen Menschen verheiratet gewesen war, behielt sie ihre Meinung für sich. Warren schien aus einer reicheren Familie zu stammen als sie. Heute arbeitete ihre Mutter zwar als Anlageberaterin, doch ihre Kindheit hatte Tabitha in Armut verbracht. Der Sorgerechtsstreit um ihre Tochter hatte Tabithas Mutter ihre gesamten Ersparnisse gekostet. Anschließend hatte sie das College nachgeholt und gleichzeitig in zwei Jobs gearbeitet, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Zähigkeit ihrer Mutter hatte Tabitha immer bewundert. Heute freute sie sich, dass ihre Mutter finanziell abgesichert lebte, doch die Beziehung zwischen ihnen beiden war nicht sehr eng. „Warum können die Leute sich nicht vor der Ehe sagen, was sie sich vom Leben wünschen?“

„Niemand ist jemals ganz offen und ehrlich. Also muss man seine Antennen ausfahren, um herauszuhören, wann man belogen wird.“

„Das ist eine sehr zynische Weltsicht.“ Tabitha wollte nicht zugeben, dass sie manchmal genauso dachte. Aber wenn sie das Kapitel Manny erst völlig verarbeitet hatte, würde sie die Welt auch wieder optimistischer sehen.

„Zufällig weiß ich, dass ich ein guter Kerl bin, aber selbst ich bin dir gegenüber nicht ganz offen gewesen.“ Er trat einen Schritt näher, und sofort ging ihr Puls schneller.

„Wirklich?“ Hatte er am Tatort Indizien gefunden, von denen er nichts erzählt hatte?

„Du denkst vielleicht, ich hätte dir völlig selbstlos angeboten, hier zu übernachten. Aber das stimmt nicht.“

Ihr wurde ganz warm. „Was für einen Grund hattest du denn noch?“ Sie rührte sich nicht, doch alles in ihr strebte Warren zu.

Er kam näher, genau, wie sie es sich gewünscht hatte.

„Meine anderen Gründe hängen alle mit dem Kuss zusammen, den du mir bei dir gegeben hast, und unserem Vorsatz, dass wir das bald wiederholen. Erinnerst du dich noch?“ Er neigte den Kopf vor und sprach immer leiser.

Warren berührte sie nicht, aber sein Kinn war ihrem Mund so nahe, dass Tabitha ihn mit der Zunge hätte berühren können. Sein männlicher Duft erregte sie, und ihr wurden die Knie weich vor Verlangen.

„Wir haben uns, glaube ich, noch mehr vorgenommen.“ Der Pulsschlag dröhnte ihr in den Ohren. Sie erinnerte sich genau daran, wie es war, Warrens Körper eng an ihrem zu spüren.

„Haben wir das tatsächlich? Bitte sag’s mir noch einmal. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher.“ Sachte strich er ihr am Hals entlang, und Tabitha erzitterte.

„Es ging darum, dass wir es beim nächsten Mal nicht allein beim Küssen belassen. Wir wollten das Dinner überspringen und gleich zum Dessert kommen.“

Sie schloss die Augen halb. Alles in ihr verging vor Lust nach ihm. Sie konnte sich selbst nicht erklären, wieso sie ausgerechnet nach diesem entsetzlichen Tag stärker an Sex dachte als seit Jahren. Es musste an Warren liegen.

„Ah, Tabitha. Es freut mich sehr, dass du das sagst.“ Behutsam nahm er ihr Ohrläppchen zwischen die Zähne. Sein warmer Atem strich an ihrem Hals entlang. „Denn ehrlich gesagt habe ich eine große Schwäche für Desserts.“

5. KAPITEL

Vielleicht war es moralisch nicht ganz korrekt, dass er mit Tabitha schlief, aber darüber wollte Warren erst morgen nachdenken.

Ohne sich dessen bewusst zu werden, sah er ihr unverwandt in die grünen Augen und umklammerte ihre Schulter.

„Sex ist nicht gerade meine Stärke“, gestand sie ganz offen.

Seltsam, bei einem Body-Double hätte er nicht mit so etwas gerechnet. Ihr Körper war so aufregend, dass andere Schauspielerinnen ihn im Film als ihren eigenen ausgaben. Die Männer mussten ihr doch nachlaufen, seit sie ein Teenager war. Wie konnte sie da verunsichert sein, was ihre Fähigkeit beim Sex anging?

Verwundert hob Warren den Kopf. „Was meinst du damit? Zwischen uns beiden funkt es doch pausenlos. Der Sex wird sicher großartig.“ Sachte massierte er durch den Pullover hindurch ihre Schultern. Er konnte die Finger nicht von ihr lassen.

„Es ist nur so, dass ich manchmal nicht zum Höhepunkt komme. Oder nicht zum richtigen Zeitpunkt. Das sollst du gleich von Anfang an wissen, damit du nicht enttäuscht bis oder glaubst, es hätte etwas mit dir zu tun.“ Sie errötete.

Wenn eine Frau nicht kam, dann hatte das in Warrens Augen sehr wohl etwas mit dem Partner zu tun. Anscheinend glaubte sie, eine Frau müsse beim Sex zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt den Höhepunkt erleben. Wie kam sie darauf? Freuten Frauen sich nicht über den Orgasmus, egal, wann sie ihn hatten?

„Ich stelle keinerlei Erwartungen an dich. Es gibt keine Tagesordnung, wie der heutige Abend abzulaufen hat, also auch keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt für irgendetwas. Folglich kannst du mich überhaupt nicht enttäuschen.“

Zaghaft lächelte sie.

„Zweitens ist Sex nichts, was auf irgendein Ziel zusteuert. Sex ist kein Wettkampf. Alles sollte unbeschwert sein und Spaß machen.“ Hoffentlich sagte er das Richtige, um ihr die Unsicherheit zu nehmen.

„Spaß?“ Sie hob die Augenbrauen. „Dieses Prickeln, das mich fast aus der Haut fahren lässt, das ich gerade empfinde, würde ich nicht als Spaß bezeichnen.“

Schlagartig vergaß Warren seine noblen selbstlosen Gedanken. Anscheinend sehnte sie sich genauso nach ihm wie er sich nach ihr. „Es wird Spaß machen“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ganz bestimmt.“

Sanft küsste er sie auf die Lippen und versuchte, seine Lust zurückzuhalten. Ja, es war für ihn schon lange her, aber wichtiger als die Erfüllung seiner Lust war ihm im Moment, Tabitha die Unsicherheit zu nehmen.

Lange küsste er sie nur, um zu erspüren, wie er ihre Erregung am besten anfachen konnte. Im gedämpften Licht des Schlafzimmers versuchte er, Tabithas Körper besser zu erkennen. In der Welt des Films war sie ein Body-Double, aber in Warrens kleiner Welt war sie der absolute Star, und er wollte jeden Moment dieser Show genießen.

Erregend heiß und verführerisch süß zugleich küsste sie ihn erst zaghaft, dann immer fordernder, je mehr Zeit Warren ihr ließ. Er stöhnte leise auf, als er Tabithas Fingernägel unruhig über seinen Rücken streichen spürte. Allmählich fiel die zynische Maske, die er der ganzen Welt gegenüber sonst aufsetzte ab, und Warren gab sich ganz Tabithas Zauber hin.

„Mehr“, flüsterte sie ihm ins Ohr, als sie den Kuss kurz unterbrach. Ihre Augen funkelten vor Leidenschaft. „Ich will mehr.“

„Das will ich auch.“ Seine Stimme klang wilder als beabsichtigt, aber es fiel Warren unglaublich schwer, sich weiterhin zu beherrschen. Es war einfach zu lange her, seit er mit einer Frau zusammen gewesen war. Er beugte sich vor und küsste Tabitha in die Halsbeuge. Dort spürte er ihren Pulsschlag an den Lippen.

Langsam strich sie ihm an der Brust hinauf bis zu seinem Hals. Er spürte ihre warmen, zarten Finger, roch ihren Duft und spürte die Wärme ihres Körpers. In ihrem Blick erkannte er ihre tiefe Lust. All ihre Unsicherheit schien verflogen. Warren konnte es kaum erwarten, ihr letztes Zögern schwinden zu sehen, damit sie sich ihm völlig hingab.

„Nein, du verstehst das nicht.“ Eindringlich blickte sie ihm in die Augen, bis er das fühlte, was sie empfand. Während des Kusses hatte sie innerlich zu zittern begonnen. Sie stand so kurz vor dem Gipfel, dass sie Angst bekam, sich Warren zu öffnen. Sie wollte die gemeinsame Nacht nicht ruinieren.

Aber verdammt, sie wollte ihm gegenüber ehrlich sein. Und sich selbst gegenüber auch. Tabitha nahm seine Hand, die immer noch auf seiner Schulter lag und führte sie zu ihrer Brust. Ja, das fühlte sich himmlisch an. Dort wollte sie seine Hände spüren. Auf diese Weise konnte ihm nicht entgehen, was sie für ihn empfand. Warren sollte begreifen, dass sie zu allem bereit war.

Solange sie die Verbindung mit ihm spürte, wollte sie sich von ihren Gefühlen treiben lassen. Sie wollte jede Sekunde bis zur Neige auskosten. „Ich bin so kurz davor. Nur noch ein winziges Bisschen, dann …“ Sie konnte den Satz nicht beenden.

Warren glitt mit der Hand von ihrer Brust tiefer unter ihren Rock und an ihrem Schenkel hinauf. Unter seiner Berührung fingen ihre Schenkel zu zittern an. Besitzergreifend umfasste er mit einer Hand ihren Po und presste Tabitha an sich.

Erregende Hitze überkam sie. Ihre Wangen glühten, ihre Brust und ihre Schenkel schienen zu brennen. Tabitha war so kurz vor dem Höhepunkt, und die Tatsache, dass Warren sie kommen spürte, erregte sie noch mehr. Mit seinen festen Fingern fuhr er am Saum ihres Slips entlang und flüsterte ihr mit tiefer heiserer Stimme ins Ohr, wie sehr er sie begehrte und wie unglaublich sexy sie war.

Oooh. Tabitha kam.

Ihr gaben die Knie nach, und sie hätte sich nicht aufrecht halten können, wenn Warren sie nicht gestützt hätte. Er liebkoste sie, bis ihr letztes Zittern abebbte, und glitt mit einem Finger in ihren Slip.

Er weiß genau, wo er mich berühren muss, um mich bis aufs Äußerste zu erregen, dachte sie.

„Lieber Himmel, du bist wunderschön.“

Er hatte die ganze Zeit über leise in ihr Ohr gesprochen, doch dies war das Erste, was Tabitha wieder verstand, nachdem ihr Höhepunkt abgeklungen war.

Erleichtert stellte sie fest, dass er nicht wütend war, weil sie jetzt schon gekommen war. Im Gegenteil, es klang so, als würde es ihn erregen. „Ich werde mich bei dir revanchieren, das verspreche ich.“ Zärtlich öffnete sie ihm die Hemdknöpfe und streichelte jeden Zentimeter Haut, die sie entblößte.

„Du bist mir überhaupt nichts schuldig. Das war mit das Erregendste, was ich je erlebt habe.“ Er zog die Hand unter ihrem Rock zurück und strich ihr wieder über den Pullover, genau, wo er zuvor aufgehört hatte. Mit scheinbar unermesslicher Geduld fuhr er langsam fort, Tabitha auszuziehen.

Sobald sie ihm das Hemd ausgezogen hatte, strich sie ihm über die muskulöse nackte Brust und seufzte genießerisch.

Sein tiefes Stöhnen spürte sie im ganzen Körper. Ja, dachte sie, ich werde einfach genießen, was zwischen uns passiert.

Viel schneller und geschickter als ihr zuvor gelang es ihm, Tabithas Knöpfe zu öffnen und ihr den Cashmere-Pullover abzustreifen.

Scheinbar eine Ewigkeit standen sie schweigend voreinander. Nur ihr Atem war zu hören – und wie aus weiter Ferne die Straßengeräusche. Tabitha fühlte sich nicht entblößt, denn Warrens begehrlicher Blick gab ihr ein Machtgefühl.

„Was denkst du?“ Langsam streifte sie sich einen BH-Träger über die Schulter. Sie konnte es nicht erwarten, all ihre Kleidung loszuwerden.

„Ich denke, dass ich dich in spätestens zwei Sekunden ausgezogen habe.“ Verlangend blickte er an ihrem Körper hinab.

Seltsam, dachte sie, da arbeite ich jetzt seit Monaten als Body-Double, um mir zu beweisen, dass ich begehrenswert bin, aber Warren braucht nur ein paar Tage, um mir diese Gewissheit zu geben.

Geschickt öffnete er ihr den BH und zog ihr den Reißverschluss am Rock herunter, bis Tabitha nur noch im Slip und in den hochhackigen Stiefeln dastand. Ihr Seidentanga und die Lederstiefel gaben ihr ein verruchtes Gefühl. Sie stieg aus dem Rock und folgte Warren zum Gästebett, auf dem Bettwäsche und zahllose Kissen verteilt waren.

Er drehte sie um, sodass sie seine Erektion an ihrem Po spürte und erkannte, wie mühsam er sich beherrschte. Doch Tabitha konnte das Gefühl nicht auskosten, denn in dem Moment strich Warren ihr das Haar zur Seite und küsste sie auf den Nacken.

Er strich mit der Zungenspitze über ihre Wirbelsäule hinunter, und Tabitha erschauerte vor Lust. Warren umfasste ihre Brüste und reizte mit den Fingerkuppen ihre Brustspitzen. Stöhnend schmiegte Tabitha sich in seine Arme und rieb die Hüften an ihm. Voller Ungeduld griff sie nach hinten und tastete nach Warrens Gürtelschnalle.

Zitternd löste sie die Schnalle. Warren machte es ihr nicht leicht, indem er von ihren Brüsten tiefer glitt und über ihren Bauch strich. Ihr wurde noch heißer. Schließlich gelang es ihr, Warrens Reißverschluss zu öffnen.

Obwohl sie gerade eben erst einen Höhepunkt erlebt hatte, war sie schon wieder verrückt nach ihm. Aufreizend wand sie sich an ihm und genoss es, Warren zwischen ihren Beinen zu spüren.

„Ich habe ein Kondom“, stieß sie aus. Sie wollte Warren tief in sich spüren, wenn sie das nächste Mal kam.

Als sie zuvor ihre Sachen in ihrem Apartment gepackt hatte, hatte sie das Kondom hoffnungsvoll in die Handtasche gesteckt. Jetzt suchte sie aus der kleinen Tasche auf ihrem Bett die Packung heraus und warf sie aufs Bett.

Warren verlor keine Zeit. Als er eine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten ließ, gaben Tabithas Knie nach, und sie sank vornüber aufs Bett. Warren stützte sie mit der freien Hand.

Tabitha vergaß alles um sich herum. Für sie gab es nur noch Empfindungen. Sie spürte Warrens Hände an den Hüften, fühlte die sachte Liebkosung seiner Finger zwischen ihren Schenkeln. Diese sinnlichen Eindrücke verdrängten alles andere aus ihrem Verstand.

Mit den Knien spreizte Warren ihre Schenkel. Tabitha spürte sein hartes Glied zwischen den Schenkeln und ihren eigenen pochenden Pulsschlag am Zentrum ihrer Lust. In ihrer Position konnte sie Warren nicht sehen, aber das machte es ihr noch leichter, sich ganz auf ihr Liebesspiel zu konzentrieren. Sie schloss die Augen und kostete jede Empfindung aus. Sie spürte Warrens Hand, die den schmalen Stoffstreifen zwischen ihren Beinen zur Seite schob, und dann glitten seine Finger über das Zentrum ihrer Lust.

Sie spannte sich an und schluckte. Sie stand schon wieder kurz vor dem Höhepunkt. Eine so starke Begierde hatte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gespürt. Fast bekam sie ein schlechtes Gewissen, weil sie so für einen Mann empfand, den sie gerade eben erst kennengelernt hatte. Ihr Exmann hatte sie niemals so erregt. Jede Liebkosung stachelte ihre Lust weiter an. Es kam Tabitha vor, als wisse Warren besser als sie selbst, was sie am meisten erregte.

Aufstöhnend griff sie nach hinten.

Warren erschauerte, als Tabitha ihn so intim berührte. Er ermutigte sie, ihn aufreizend zu streicheln, während er behutsam in sie eindrang.

Lustvoll stöhnte sie auf, als sie ihn in sich aufnahm. Am ganzen Körper angespannt verharrte er, und Tabitha kostete das Gefühl aus, ihn tief in sich zu spüren. Aufstöhnend drängte sie sich mehr an ihn, um noch inniger mit ihm zu verschmelzen.

Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie diesem Mann, der praktisch ein Fremder für sie war, gestattet hatte, sie mit nach Hause zu nehmen, und dass sie sich ihm vollkommen ausgeliefert hatte. Es war unglaublich erregend, heute Nacht die Kontrolle an diesen sexy Cop zu übergeben, und ihr Körper reagierte so heftig wie nie zuvor.

Warren umschlang sie mit beiden Armen und liebkoste ihre Brustwarzen. Tabitha öffnete kurz die Augen und sah Warrens dunkle Hände auf ihrer hellen Haut, bevor er langsam durch die roten Locken zwischen ihren Schenkeln fuhr. Selbst das Reiben des schmalen Stoffstreifens ihres Tangas zwischen den Beinen erregte sie jedes Mal, wenn Warren erneut in sie eindrang.

Ihr Herz raste, während sie überall am Körper immer größere Erregung verspürte. Tabithas Atem ging immer schneller. Zwischen den Schenkeln sah sie, wie Warren sie noch intimer streichelte. „Bitte“, stieß sie aus. „Bitte, bitte.“

„Du erregst mich unglaublich, Baby. Ich würde dir jede Bitte erfüllen.“ Langsam zog er sich fast ganz aus ihr zurück und zögerte den Moment der Erlösung hinaus, während er ihren sensibelsten Punkt streichelte.

Es war so wundervoll, dass sie vor Lust hätte aufschreien können. Als er wieder in sie eindrang, fühlte sie sich von seinem harten Glied völlig ausgefüllt und konnte ihren Schrei nicht länger zurückhalten. Immer neue Wellen der Lust durchströmten ihren Körper, und sie stieß immer wieder atemlos Warrens Namen aus.

Ein letztes Mal drang Warren tief in sie ein, dann folgte er ihr zum Gipfel der Lust.

Vor Erleichterung hätte Tabitha weinen können. Sie hatte immer befürchtet, sie sei frigide und unfähig zu heißem Sex. Ihr Ex hatte sie in so vieler Hinsicht verunsichert, und jetzt erfuhr sie, dass er in diesem einen Punkt unrecht gehabt hatte. Vielleicht also auch in anderen Punkten.

„Danke.“ Sie hatte es nicht laut aussprechen wollen, doch jetzt war sie froh, dass sie es gesagt hatte.

„Es war mir ein Vergnügen, glaub mir.“ Langsam zog Warren sich zurück, unterbrach jedoch nie ganz den Körperkontakt, während er die Bettwäsche vom Bett schob und sie beide mit einem der Laken zudeckte.

Tabitha drehte sich zu ihm. Es war schon weit nach Mitternacht, doch im Schein der Nachttischlampe konnte sie Warrens Gesicht sehen. Bestimmt würde sie morgen früh am Set todmüde sein, aber das machte ihr im Moment überhaupt nichts aus.

Jetzt wollte sie nur das Gefühl genießen, eine vollwertige Frau zu sein. Diese Empfindung würde bestimmt rasch wieder verfliegen, denn so umwerfend der Sex mit Warren auch war, so fehlte ihr nach der gescheiterten Ehe immer noch der Mut zu mehr als nur Sex.

Aber den Sex wollte sie genießen. Solange es noch geht, dachte sie, denn irgendwo da draußen gibt es jemanden, der mich umbringen will.

Es überraschte Warren nicht, als er beim Aufwachen allein war.

Laut Wecker auf dem Nachttisch war es fünf Uhr früh, aber es duftete nach frischem Kaffee. Ein Glück, Tabitha war nicht aus dem Apartment geflüchtet. Nur aus seinem Bett.

In Rekordzeit duschte Warren und putzte sich die Zähne. Die enge Verbundenheit zu Tabitha hatte ihn gestern Abend völlig überrascht. Schließlich hatten sie sich auf eine ganz unverbindliche Affäre geeinigt.

„Nur Desserts“, gefiel ihm als Grundsatz ganz gut, denn im Grunde war er davon überzeugt, wegen seiner verkorksten Kindheit überhaupt nicht zu tieferen Gefühlen fähig zu sein. Die gescheiterte Ehe mit Melinda hatte ihn in dieser Überzeugung bestärkt.

Außerdem wollte Warren lieber keine enge Beziehung zu Tabitha, solange der Mistkerl, der sie bedrohte, nicht hinter Schloss und Riegel saß.

Schnuppernd folgte er dem Kaffeeduft in die Küche. Seine letzte gemeinsame Nacht mit einer Frau lag schon einige Zeit zurück, und die Nacht mit Tabitha hatte alte Erinnerungen in ihm aufgewühlt, an die er lieber nicht mehr denken wollte.

Autor

Suzanne Brockmann

Die international erfolgreiche Bestsellerautorin Suzanne Brockmann hat über 45 packende Romane veröffentlicht, die vielfach preisgekrönt sind. Ehe sie mit dem Schreiben begann, war sie Regisseurin und Leadsängerin in einer A-Capella-Band. Mit ihrer Familie, zu der seit Neuestem zwei Schnauzer-Welpen gehören, lebt sie in der Nähe von Boston.

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