Tiffany Exklusiv Band 94

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LIMOUSINE MIT LOVER von KATHLEEN O’REILLY
Zum Glück sind die Scheiben dunkel getönt! So kann niemand sehen, was Janet und Andrew in der Luxuslimousine tun: heiße Hände auf zarter Haut, erotische Küsse. Es soll ihr Geheimnis bleiben – bis Janet kurz darauf alles über ihre lustvolle Begegnung im Internet liest ...

PER ANHALTER INS GLÜCK von CATHY YARDLEY
Bitte nehmen Sie mich mit! Der Fremde im Auto ist Sophies letzte Chance: Sie muss dringend nach San Antonio. Doch kaum sitzt sie neben Mark McMann, erkennt sie: Er ist hinter demselben Auftrag her wie sie. Blöderweise ist er so sexy, dass sie heiß mit ihm flirtet. Das muss sofort aufhören, oder?

WILDE KÜSSE IM CADILLAC von LORI BORRILL
Die oder keine! Als der Unternehmer Devon Bradshaw die schöne Nicole nach einem prickelnden Date in seinem Cadillac nach Hause fährt und zum Abschied heiß küsst, weiß er: Er hat seine Traumfrau gefunden! Leider vergisst er, Nicole das zu sagen …


  • Erscheinungstag 30.11.2021
  • Bandnummer 94
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500180
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathleen O’Reilly, Cathy Yardley, Lori Borrill

TIFFANY EXKLUSIV BAND 94

1. KAPITEL

Janet McNamara stand vor dem Grand Central Station in New York und schüttelte ungläubig den Kopf. Zwei Millionen Pendler befanden sich in derselben erbärmlichen Lage: Sie alle saßen in Manhattan fest.

Warum ausgerechnet heute, wo sie unbedingt nach Connecticut musste?

„Dies ist kein unlösbares Problem“, sagte eine tiefe Männerstimme dicht hinter ihr.

Kein unlösbares Problem. Ja, genau, dachte Janet. Als ob sie die hundertsiebzig Kilometer von hier nach Stamford zu Fuß gehen könnte. Noch dazu in ihren sündhaft teuren High Heels von Jimmy Choo. Nie im Leben!

Sie wirbelte herum, um dem Sprücheklopfer ihre Meinung zu sagen – und um nachzusehen, ob sein Gesicht zu der aufregenden Stimme passte. „Vielen Dank für diese Kostprobe blinden Vertrauens“, sagte sie und blickte wie gebannt in seine dunklen Augen, die fast schwarz wirkten. Dann bemerkte sie den klassischen grauen Anzug und den Aktenkoffer, der sie vorhin fast erschlagen hätte, als sie zu dem letzten noch fahrenden Zug gerannt war.

Ein echter Hingucker, dieser Mann, nur leider sehr rüde.

Typisch, bei ihrem ständigen Pech! Es hieß, dass die Iren immer Glück hätten, was man aber nie über die Schotten hörte.

Er musterte sie, wie ein geübter Buchhalter, der blitzschnell Bilanz zieht. Janet spürte, dass sie errötete, und ärgerte sich über dieses Zeichen mangelnden Selbstbewusstseins. Schließlich war sie mit ihrem Kostüm nicht weniger klassisch gekleidet und intelligent und weltgewandt war sie schließlich auch.

„Entschuldigen Sie bitte.“ Sie schob sich an dem hünenhaften Mann vorbei. Der Anzug verbarg seinen Körper nicht, sondern betonte ihn noch, so wie nur gute Maßarbeit es vermochte.

Als Janet merkte, was sie gerade tat, stoppte sie ihren Gedankengang und rief sich in Erinnerung, dass sie sich zurzeit in einer männerlosen Phase befand. Das klang so viel besser als „Mein Freund hat meine Sekretärin geheiratet.“

Tony hatte sich ständig über ihre langen Arbeitszeiten beklagt, aber nicht bei ihr. Oh nein, er verbrachte seine wertvolle freie Zeit mit Amber am Telefon. Als Janet ihn endlich fragte, was los sei, erwiderte er: „Nichts“.

Sie las die Verlobungsanzeige in der „New York Times“, bevor Tony den Mut aufbrachte, es ihr persönlich zu sagen. Das war jetzt fast zwei Jahre her, und seitdem hatte Janet ihre Beziehungen zu Männern fast auf null reduziert.

Die alte Wut brach wieder in ihr hervor. Sie stieß in voller Absicht mit dem Ellenbogen gegen den Aktenkoffer von Mr. Maßanzug und sprang dann mitten in den brausenden Verkehr der 42. Straße. Als sie ein Taxi nahen sah, hob sie den Arm und winkte.

„Wir sollten uns ein Taxi teilen“, sagte die tiefe Stimme.

Janet ließ ihre Hand sinken. Das Taxi – natürlich besetzt – hupte wild, damit sie aus dem Weg ging. Sie sprang auf den Bürgersteig zurück, bevor sie Mr. Anzug nochmals betrachtete.

Einen Wagen teilen? Das war ein faszinierender Vorschlag, da der Mann keine finanziellen Beweggründe haben konnte. Janet und er gehörten eindeutig derselben Einkommensgruppe an, hatten es also nicht nötig, sich aus wirtschaftlichen Gründen ein Taxi zu teilen. Nein, es war ganz einfach praktisch, sich zu zweit einen Wagen zu nehmen.

Aber was ist, wenn seine Gründe eher anderer Art sind? Ach ja, das gute altmodische Begehren.

Während der Arbeitszeit an Sex zu denken war eigentlich nicht Janets Methode, um den Job durchzuhalten. Ihre Leidenschaft war ihr Beruf, und dennoch spürte sie die Anziehung.

Es kam unerwartet. Es war spontan. Es war aufregend.

Nun unterzog sie den Mann einer gründlichen Musterung. Ihr Blick glitt von den italienischen Schuhen an seinen langen Beinen hinauf, vorbei an schmalen Hüften, dann über eine atemberaubend breite Brust und ebenso breite Schultern. Er war wirklich toll gebaut, und sie riss sich zusammen, um ihn nicht allzu ungeniert zu beäugen. In seinem linken Mundwinkel bemerkte sie ein winziges Grübchen, und dann blickte sie wieder in seine Augen.

Und war es nicht typisch für ihr sagenhaftes Glück, dass sie endlich einmal einen Funken verspürte und in den dunklen Augen nicht mal die Andeutung eines Funken sah? In seinen Augen las sie nichts außer Verwunderung.

Janet tat den magischen Moment als eine Fantasie ab und seufzte. „Wohin wollen Sie eigentlich?“

„Nach New Haven. Und Sie?“

„Nach Stamford.“

„Das würde passen“, sagte er und nickte kurz.

Janet korrigierte ihr Urteil. Er schien doch nicht rüde zu sein. Er war höflich. Und er besaß einen logischen Verstand. Nicht zu vergessen dieser kleine Überschuss an Testosteron, der ein heißes Prickeln in ihr auslöste.

Doch Janet konnte kein heißes Prickeln gebrauchen, und deshalb beschloss sie, Nein zu sagen.

Aber diese Augen.

Du musst nach Connecticut. Er hat recht.

Schwach, sehr schwach, McNamara.

Wieder spürte sie das Prickeln und nickte. „Okay.“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Ich bin Janet. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Andrew“, erwiderte er und berührte ihre Hand nur kurz. Es war ein förmlicher, geschäftsmäßiger Händedruck.

Als Andrew wieder sprach, brauchte Janet peinlicherweise zehn Sekunden, bis ihr klar wurde, dass er nicht mit ihr redete, sondern in das kleine Mikrofon seines Headsets sprach, das ein paar Zentimeter unter seinem Mund hing.

Es war ein hübscher Mund, sofern eine Frau die Münder von Männern beachtete. Janet tat das normalerweise nicht, aber dieser Mund war der Mund eines Mannes, der nie Gedichte rezitieren würde und bei Geschäftsabschlüssen nie zögerte. Entschlossen, resolut, zielbewusst.

So wie sie.

Für einen kleinen Moment entspannte sie sich, was sie sich nur selten erlaubte. Ihre Mutter sagte immer, sie sei so ehrgeizig, dass sie einen Herzanfall bekommen würde, bevor sie fünfunddreißig wäre. Schon möglich, aber wenigstens würde Janet dann wissen, dass sie sich bemüht hatte. Sie hatte Pläne und hochgesteckte Ziele, die sie erreichen konnte. Ungeachtet etwaiger Herzanfälle.

In New York musste man hart und ausdauernd sein, um es zu schaffen. Und manchmal brauchte man eine Belohnung.

Janet fischte in ihrem Aktenkoffer nach ihrer geheimen Notration. Sie brach ein klitzekleines Stück ab und schob es sich schnell in den Mund, als gerade niemand hinsah. Die Süße der Milchschokolade durchströmte ihren ganzen Körper, und sie schloss vor Wonne die Augen.

Oh, war das gut!

Sofort wollte sie mehr, aber sie widerstand der Versuchung und klappte ihren Aktenkoffer zu. Einige Lektionen ihrer Mutter hatten sich ihr tief eingeprägt.

Aber morgen war ein neuer Tag.

Wie ihr heutiger Tag verlaufen würde, war nach wie vor ungewiss. Andrew und sie standen noch immer wartend auf dem Bürgersteig, umgeben von entnervten Pendlern. Schließlich berührte Andrew ihren Arm und zeigte nach vorn. Janet folgte ihm zum Ende des Blocks, vorbei an unzähligen besetzten Taxis, hupenden Wagen und eiligen Fußgängern.

Plötzlich blieb Andrew neben einem parkenden Auto stehen, und Janet erstarrte.

Diese Monstrosität war kein Auto, sondern eine weiße Stretchlimousine, Marke Cadillac. Riesige, mit Gold umrandete Radkappen aus glänzendem Chrom, endlose Reihen von Türen, getönte Fenster – all das schrie nach Schülern, die ihren Highschool-Abschluss feierten oder betrunkenen Frauen, die mit ihren BHs aus dem offenen Schiebedach winkten.

Ach du liebe Güte, er ist in der Musikbranche!

Ein adretter kleiner Mann stieg aus dem Fahrzeug und öffnete eine der zahllosen Türen. „Continental Cars, stets zu Ihren Diensten.“

„Gut. Was können Sie uns anbieten?“, fragte Andrew, und Janet bemerkte erleichtert den entsetzten Unterton in seiner Stimme.

„Die Stretchlimousine ist alles, was wir im Moment haben, Sir. Da der Zugverkehr lahmliegt, herrscht eine enorme Nachfrage nach Autos.“

„Wie ist es mit einem kleineren Wagen?“, fragte Andrew.

„Tut mir leid, Sir. Wir sind ausgebucht. Entweder Sie nehmen die Kutsche, oder Sie lassen es.“

Andrew blickte fragend zu Janet.

Sie wollte flüchten und auf ihren mit Krokodilleder bezogenen Absätzen nordwärts marschieren. Doch dann überdachte sie ihre Alternativen und beschloss, Newhouse anzurufen und den Termin zu verschieben.

Es hatte drei Monate gedauert und fünfzehn Telefonate und vier Präsentationen erfordert, bis Janet einen Fuß in der Tür von Newhouse hatte.

Newhouse war eine der wenigen Softwarefirmen, die während der Flaute in der Computerindustrie nicht nur überlebt hatte, sondern sogar gewachsen war und jetzt förmlich in Geld schwamm. Geld, das klug investiert werden musste, was die jetzigen Finanzberater des Unternehmens nicht taten und daher nur klägliche Gewinne für Newhouse erzielten. Bond-Worthington – auch oft kurz B&W genannt – könnte das ändern, und Janet, die Spitzenfrau in der Abteilung für Kundenbetreuung, sollte Newhouse als Kunden rekrutieren. Ein mühsamer Kampf, aber Janet war zäh.

Der Name Janet McNamara war für Newhouse und seinen Bürodrachen völlig bedeutungslos, doch das würde sich bald ändern …

Vorausgesetzt, Janet kam vor zwölf Uhr in Connecticut an. Sie warf nochmals einen Blick zu dem Fahrzeug und erschauerte.

Weiße Stretchlimousinen waren etwas für lüsterne Versicherungsvertreter, für durchgeknallte Highschool-Girls und für die berüchtigte Strandpromenade von South Beach.

Janet fand diesen protzigen Schlitten grässlich, aber der Newhouse-Etat winkte. Also los, McNamara, überwinde dich. Es gibt Schlimmeres im Leben.

Sie atmete tief durch und nickte, während Gedanken an Pornofilme durch ihren Kopf wirbelten.

Andrew hielt die Tür auf, und sie stieg ein.

Andrew Brooks hatte in zehn Minuten eine Telefonkonferenz und war nicht in der Stimmung für Small Talk. Außerdem waren Plaudereien sowieso nicht seine Stärke. Aber zum Glück schien die Frau nicht zu erwarten, dass er sich mit ihr unterhielt. Sie nahm sofort das „Wall Street Journal“ aus ihrem Aktenkoffer und begann zu lesen.

Fast hätte Andrew gelächelt, denn er wusste genau, wie sie sich fühlte. Er selbst empfand Menschen auch als Störfaktoren. Sie behinderten ihn in seiner Produktivität, baten ihn um Ratschläge, wollten über ein heißes Date reden oder, noch schlimmer, über das Magazin „Überlebenskunst“ diskutieren. Was sie brauchten, war das „Wall Street Journal“, dann würden sie lernen, wie man überlebte. Andrew beherrschte das Spiel an der Börse. Es war das einzige Spiel, bei dem er gewann. Immer.

Mit dem Mietwagen hingegen hatte er nicht viel Glück gehabt. Die Limousine war scheußlich. Rote Ledersitze und bunte Lichter an der Decke, die in einem ganz bestimmten Rhythmus aufblinkten, über den Andrew lieber nicht nachdenken wollte.

Er sah zu Janet hinüber. Sie war groß und schlank und trug ein dunkles Kostüm, das in seiner Strenge fast maskulin wirkte. Aber diese schwarzen Schuhe …

Plötzlich verspürte er den Drang, mit ihr zu sprechen. Er wollte wissen, was sie beruflich machte, wo sie arbeitete und warum sie so dringend nach Stamford musste.

Andrew schob den lila Vorhang zurück, sah die endlose Schlange von Wagen und seufzte. Kein guter Tag für eine Fahrt nach Connecticut.

Sein Analyst in New Haven hatte für zwölf Uhr ein Meeting angesetzt, um die Auswirkungen des schwächelnden Finanzmarktes auf das Versicherungsgeschäft zu diskutieren. Andrew hätte das Ganze mit einem kurzen Anruf verschieben können, aber dann war er mit dieser Frau mit dem kurvenreichen Körper und den kühlen blauen Augen kollidiert und hatte nicht widerstehen können. Sein Bruder hätte triumphiert und seine Schwester hätte jubiliert.

Dabei war Andrew einfach nur neugierig.

Was lief in Stamford? Er glaubte nicht, dass sie mit einem Lover verabredet war. Zehn Uhr war für ein romantisches Treffen zu früh, und außerdem hatte er nichts Weiches an ihr bemerkt. Hinzu kam, dass er kein freudiges Funkeln in ihren Augen entdecken konnte. Und obwohl Andrew kein Mode-Experte war, konnte er sich nicht vorstellen, dass Frauen zu einem Date Nadelstreifenkostüme trugen.

„Haben Sie ein Bewerbungsgespräch?“, fragte er, da sie nervös wirkte und ab und zu einen Blick zu ihrem Aktenkof-fer warf.

Sie sah ihn über die Zeitungsseite hinweg an. „Wie bitte?“

„In Stamford“, sagte er. „Haben Sie dort einen Vorstellungstermin?“

„Nein“, antwortete sie und setzte dann ihre Lektüre fort.

Er sah auf seine Uhr. Noch sechs Minuten bis zu der Telefonkonferenz. Also konnte er es noch einmal versuchen. „Geschäftsmeeting?“

Dieses Mal ließ sie die Zeitung sinken. „Ja“, erwiderte sie, und im selben Moment bremste der Wagen abrupt.

Andrew knallte gegen die Rückenlehne.

„Sorry, Sir“, sagte der Chauffeur über den Lautsprecher. „Auf der Triboro Bridge hat sich ein Stau gebildet. Soll ich’s mit der Deegan Bridge versuchen?“

Eine Autoschlange erstreckte sich weit über die Brücke hinweg in ihre Richtung. Der Verkehr stand still, nicht einmal die Bremslichter leuchteten. Andrew drückte die Sprechtaste. „Was ist los?“, fragte er den Fahrer. „Ein Unfall?“

„Nein, es ist ein Massenausflug. Die ganze Stadt scheint zu denken, dass ein Stromausfall eine tolle Gelegenheit ist, ein dreitägiges Wochenende rauszuschlagen.“

Janet beugte sich vor, und er fing einen Hauch ihres Dufts auf. „Kann er nicht schneller fahren?“, flüsterte sie.

Andrew drückte wieder die Sprechtaste. „Fahren Sie, wo es am schnellsten geht.“

„Ich werde mein Möglichstes tun, Sir. Wenn ich neue Meldungen höre, informiere ich Sie.“

„Glauben Sie, ich kann in einer Stunde in Stamford sein?“, fragte sie.

„Soll ich die Wahrheit sagen oder lügen?“

„Lügen“, sagte sie, ohne zu zögern.

„Klar, ganz bestimmt.“

Er beobachtete, wie sie hinter ihren Kopf langte und ihre Nackenmuskeln bearbeitete. In dieser Haltung hoben sich ihre Brüste, die sich unter der perfekt sitzenden Kostümjacke deutlich abzeichneten. Dort verweilte Andrews Blick. Nur eine halbe Minute. Aber Janet ertappte ihn und senkte den Arm.

Er verbannte seine lüsternen Gedanken und erklärte in geschäftsmäßigem Ton, dass er telefonieren müsse. „Es stört Sie hoffentlich nicht.“

„Überhaupt nicht“, erwiderte sie genauso nüchtern. „Tun Sie, was Sie tun müssen.“

Es war bestimmt nicht als eine Aufforderung gemeint gewesen, aber das Bild ihres hochgerutschten Rocks ging ihm nicht aus dem Kopf. Andrew räusperte sich, hantierte an seinem Headset und stellte die Verbindung nach Chicago her. Er hatte schon immer leichte Symptome von Platzangst gehabt, und obwohl die Limousine zehn Meter lang war, fühlte er sich in dem Wagen eingesperrt. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, verrückte Vorstellungen wirbelten durch seinen Kopf.

Er begann zu sprechen und versuchte, nicht zu Janet zu blicken. Sie nahm ihr Handy aus ihrem Aktenkoffer, wählte und hielt es an ihr Ohr.

Sie war auffallend hübsch, hatte jedoch etwas Kontrolliertes an sich, als säße eine fest gespannte Feder in ihr. Genau das sagten Andrews Bruder und seine Schwester immer: dass er zu angespannt sei. Dass er sich entspannen müsste und sich ein Leben außerhalb des Jobs zulegen sollte. Er sah zu Janet und dachte, dass es sehr entspannend sein würde, ihre Schenkel auseinanderzubiegen und …

„Andrew?“

Er fuhr zusammen und klinkte sich wieder in die Konferenz ein. „Könnten Sie das bitte wiederholen?“

Und die langweilige Diskussion ging weiter. Er hatte doch ein Leben, oder etwa nicht? Ein erfolgreiches, organisiertes, befriedigendes Leben. Aber es war eine andere Art von Befriedigung, oder vielmehr ihr Fehlen, was seine Hose momentan in ein Zelt verwandelte. Andrew nahm einen Schreibblock aus seinem Aktenkoffer und legte ihn vorsichtshalber auf seinen Schoß.

Sie beendete ihr Gespräch, steckte ihr Handy ein und zog ebenfalls einen Block aus ihrem Aktenkoffer.

Blecherne Stimmen drangen an sein Ohr, die Worte ergaben immer weniger Sinn.

Das Einzige, woran er denken konnte, war der weiße Perlknopf unter dem Ansatz ihres Halses.

Plötzlich hatte Andrew den verrückten Wunsch, den weißen Perlknopf zwischen die Zähne zu nehmen und ihn dann einfach abzureißen.

Es wurde heiß im Wagen. Nicht von der Lufttemperatur, sondern von der Spannung. Andrew führte eine nüchterne Unterhaltung, wie Janet sie schon viele Male gehört hatte. Trotzdem war dieses ganz normale Geschäftsgespräch anders als alle anderen. Jedes Mal, wenn Janet Andrews Stimme hörte, rieselte ihr ein Schauer über den Rücken.

Sie versuchte, sich auf ihre Notizen zu konzentrieren, aber da er unentwegt auf ihren Hals starrte, konnte sie ihn unmöglich ignorieren. Nach ihren vergeblichen Bemühungen, ruhig zu bleiben, legte sie den Schreibblock beiseite. Sie schlug ihre Beine übereinander, aber das war auch nicht besser. Schließlich setzte sie sich gerade hin, beide Füße fest nebeneinander auf dem Boden.

Sie hatte keinen Grund, nervös zu sein. Immerhin hatte sie ihre drei Examina mit Auszeichnung bestanden. Und sie schreckte die Männer ab, vor allem weil Härte bei den McNamaras in der Familie lag. Ein genetisch bedingter Wesenszug, der unweigerlich entstand, wenn ein General und eine Zahnärztin sich verbanden. Ja, Männer hatten in Janets Familie nichts zu lachen.

Aber dieser hier …

Andrew hatte etwas an sich, das ihr sehr gefiel. Und sie meinte nicht seinen makellosen Anzug oder seine klassischen italienischen Schuhe. An ihm war etwas Bodenständiges.

Das war neu und aufregend, und neue und aufregende Dinge ereigneten sich nicht oft in Janets Leben. Wahrscheinlich lag das an ihr, aber dieses gewisse Knistern zwischen ihnen beiden war hundertmal besser als Schokolade.

Janets Hand glitt zu ihrem Hals, und Andrews Blick wurde noch intensiver. Eine winzige Bewegung ihrer Finger, und seine Augen verengten sich. Sie hörte, wie er die Luft einzog.

Fiebrige Erregung durchströmte sie, ein Gefühl, das sie sonst nur bei der jährlichen Auszahlung der Erfolgsprämie erlebte. Schnell ließ sie ihre Hand auf ihren Schoß sinken.

Genauso schnell verschwand der begehrliche Ausdruck aus seinen Augen, und er begann, Notizen auf den vor ihm liegenden Block zu kritzeln. Sie schlug die Beine wieder übereinander und war sich ganz stark des Prickelns zwischen ihren Schenkeln bewusst.

Und Andrew schrieb und schrieb.

Ihre Finger trommelten ungeduldig auf ihre Schenkel, und sein Blick wanderte zu ihrer Hand. Als sie merkte, was sie tat, hörte sie auf. Die Anspannung wich aus seinem Gesicht, und er warf ihr ein dankbares Lächeln zu.

Und er hatte wahrhaftig einen Grund, dankbar zu sein. Denn er war nicht gerade eben von Newhouses Bürodrachen angefaucht worden: „Ein Stromausfall ist keine Entschuldigung für Unpünktlichkeit!“

Als Frau hatte man es in der Finanzbranche nicht leicht. Viele Männer wünschten sie sich als Sekretärin oder als ein williges Betthäschen, aber nie als eine gleichgestellte Kollegin.

Ein Mann wie Andrew müsste sich nicht so gründlich für eine Geschäftsverhandlung vorbereiten wie sie. Nein, er hatte eben geradezu glücklich ausgesehen, als er mit seinen Gesprächspartnern über Gewinnspannen und Kursschwankungen plauderte. Vermutlich weil er eine blonde Sekretärin mit Silikonbrüsten hatte. Vermutlich eine, die Amber hieß.

Unwillkürlich seufzte Janet.

Er ist ein Mann, ermahnte sie sich und hatte nicht ihre Sorgen. Denn sie würde heute wahrscheinlich ihren Deal verlieren, und das tat sie normalerweise nie. Sie würde gedemütigt nach New York zurückfahren, den Spießrutenlauf in der Firma erdulden und sich den Fragen ihres Bosses stellen. Ja, sie würde Walter einiges erklären müssen: warum sie nicht über Wolkenkratzer springen konnte, warum sie eine strombetriebene Lok nicht starten konnte und nicht in der Lage war, Verkehrsstaus aufzulösen.

Der Himmel mochte wissen, warum sie all das nicht konnte.

Aber Janet war so gern der Star in der Firma. Vor allem konnte sie ohne den Glanz eines Stars nicht leben. Denn es war alles, was sie hatte.

Ja, das Leben war definitiv unfair. Und der Mann ihr gegenüber war eindeutig vom Leben bevorzugt. Sie sah zu ihm, bis auch er sie ansah. Den Blick auf seinen geheftet, hob sie die Hand an ihren Hals. Dann schob sie den winzigen Perlknopf durchs Knopfloch. Ihre Absicht war, mit dieser kleinen Geste seine männliche Überlegenheit ins Wanken zu bringen und einige Ungerechtigkeiten auf der Welt auszugleichen.

Er hörte auf zu sprechen … zwinkerte … schluckte.

Mission vollbracht.

2. KAPITEL

Es war ungefähr ein Quadratzentimeter Haut. Nicht sonnengebräunt, sondern pfirsichfarben. Andrew bemühte sich heldenhaft, der Diskussion zu folgen – jedoch vergebens. Er war von dem Schimmer nackter Haut gebannt.

Es war kein Dekolleté oder Schenkel. Es war nichts als ein minimal entblößter Hals.

Große Güte, er hatte den Verstand verloren!

Er zwang seinen Blick von der verführerischen Stelle fort und konzentrierte sich auf die Konferenz. Die Stimmen in seinem Ohr summten wie ein Mückenschwarm, und er musste sich anstrengen, um die Worte herauszufiltern. „… eine Marketing-Strategie entwickeln, die in unseren Finanzgeschäften die altmodische Ehrlichkeit wieder in den Fokus rückt …“

Okay, das ergab Sinn. „Glauben Sie, dass die Aktienhändler uns das abnehmen, Dave?“, fragte Andrew, stolz, dass er einen einigermaßen klugen Beitrag leistete.

Allerdings wäre es noch besser, Janet zu ignorieren. Ebenso wie seine Erektion und die Tatsache, dass er seit acht Monaten keinen Sex gehabt hatte.

Na ja, das konnte er nicht ignorieren. Denn es erklärte seine momentane Lage.

Andrew war kein Playboy wie sein jüngerer Bruder Jeff, der Supermodels und Partygirls nachjagte. Andrew bevorzugte Frauen, die Klasse hatten und nicht klammerten. Aber die Frauen mit Klasse waren nicht nur rar, sondern auch meistens sehr eigenständig. Und da es zu viel Zeit erforderte, eine Beziehung aufzubauen, blieben nur diejenigen, die kaum Ansprüche stellten. Und die interessierten Andrew nicht.

Das erklärte seine momentane Lage.

Sein Blick löste sich von dem Schreibblock und glitt über hübsche Brüste und und einen schlanken Hals, bis er bei ihrem Gesicht anlangte und dort verweilte.

Janet, die Frau ohne Nachnamen, sah aus, als könnte sie eine wilde Teufelin sein. Eine Frau, die einen Kerl aufs Bett warf und …

Nein, nein, nein.

Andrew hatte in der Firma Männer erlebt, die den Liebeskünsten raffinierter Teufelinnen erlegen waren. Aber nicht er, Andrew Brooks. Zu viele Menschen zählten auf ihn.

Dieser Gedanke half, seine Begierde zu zügeln.

Aber Janet war niedlich, obwohl sie ihn wahrscheinlich umbringen würde, wenn er ihr das sagte. Nicht niedlich im Sinne drolliger Kätzchen und Babys – glücklicherweise. Ihr braunes Haar war zu einem eleganten Pferdeschwanz gebunden, ihre wachen hellblauen Augen bekamen sicher alles mit … und würden sich verdunkeln, wenn er sich in ihr bewegte.

Die Begierde war wieder da.

„Andrew, haben Sie noch etwas hinzuzufügen?“, fragte eine Stimme in seinem Ohr.

Er räusperte sich. „Nein, ich glaube, wir haben alles besprochen. Vielen Dank an Sie alle, dass Sie sich eingewählt haben. Es war eine sehr produktive Konferenz.“

Er redete Blödsinn, und normalerweise hasste er Blödsinn. Aber manchmal gab es dafür passende Momente und Orte, und wenn man lüsterne Fantasien von einer Frau hatte, die einem in einer Stretchlimousine gegenübersaß – na ja, dann schien Blödsinn nicht unangebracht zu sein.

Andrew klappte seinen Aktenkoffer so heftig zu, dass der Knall durch den Wagen hallte. Janet blickte zu ihm, und er sah die Panik in ihren Augen. Da war also noch jemand nervös.

Er sah von ihr fort, starrte aus dem Fenster und beobachtete, wie die Autoschlange im Schneckentempo vorwärtskroch.

Er brauchte eine Ablenkung! Entnervt hieb er auf die Sprechtaste. „Hallo, wie kommen wir voran?“, fragte er, als ob er das nicht selbst wüsste.

„Noch zwei Stunden bis Connecticut. Wir haben es fast über die Whitestone Bridge geschafft, Sir.“

„Vielen Dank“, antwortete er höflich und atmete tief durch. Er hatte das Gefühl, die Luft wurde dünn, und das bei nur dreißig Metern über dem Meeresspiegel.

Er musste mehr über sie wissen. Sie mit einem Etikett zu versehen würde für Distanz sorgen. Unkontrollierte Begierden waren gefährlich. Sie führten dazu, dass man Verpflichtungen vergaß, schlampig arbeitete und Schulden machte. Andrew hatte sein Leben lang auf Vergnügungen verzichtet. Es gab wichtigere Dinge, an die man denken musste. Zum Bespiel, wie man seinen Lebensunterhalt verdiente.

Er blickte zu dem Objekt seiner momentanen Begierde und überlegte, was er tun sollte. Am besten wäre unpassendes Benehmen, denn in Zeiten der Verzweiflung waren verzweifelte Maßnahmen vonnöten. Und was sich da unter seinem Schreibblock tat, war das Zeichen einer extrem verzweifelten Lage.

„Sound Design – Bruttogewinn letztes Jahr über siebenundvierzig Milliarden.“

Sie hob die Augenbrauen. „Wie bitte?“

„Die Herstellerfirma der Sprechanlage“, erklärte er in seinem nüchternsten Ton.

„Siebenundvierzig Milliarden?“

Er nickte. „Der Aktienpreis ist um drei Komma sieben Punkte gestiegen. Da heißt es kaufen.“

„Sie sind Börsenmakler, nehme ich an“, sagte sie mit glitzernden Augen und einem Lächeln, das ihn tagelang verfolgen würde.

„So ungefähr.“ Er ließ unerwähnt, dass er einen Hedgefonds von einer halben Millarde Dollar verwaltete und dafür gesorgt hatte, dass die jährliche Rendite in den letzten fünf Jahren um einundzwanzig Prozent gelegen hatte. Das schlug den Marktdurchschnitt um das Dreifache.

„Faszinierend“, sagte sie, wobei das übermütige Glitzern aus ihren Augen verschwand. Ein eindeutiger Fortschritt.

Eine von Andrews wertvollsten Fähigkeiten im Kampf gegen Vereinnahmungen war die, eine Frau zu Tode zu langweilen, wenn er sie loswerden wollte. Das klappte immer.

„Sergei Brand“, sagte sie.

„Wie bitte?“, fragte er verdattert.

„Ihr Anzug. Sergei Brand. Er ist die Nummer eins unter den Herstellern gehobener Herrenbekleidung. Hat das Unternehmen in den späten Neunzigern gestutzt, die großen Kaufhausketten ausgesondert, um nur noch kleinere, Boutique-ähnliche Geschäfte zu beliefern. Sie haben Maßschneider in die Produktion einbezogen, und die Verkaufszahlen sind im ersten Jahr um siebenunddreißig Prozent gestiegen. Dann sanken sie in den folgenden drei Jahren auf noch immer beachtliche dreiundzwanzig Prozent.“

Andrews Herzschlag setzte aus. Herzstillstand im Alter von siebenunddreißig Jahren. „Sind Sie in der Modebranche tätig?“, fragte er hilflos.

„Nein, in der Wall Street“, informierte sie ihn, während sie beiläufig ihre Fingernägel betrachtete.

Heiliger Strohsack! „Aha“ war alles, was sein messerscharfer Verstand hervorbrachte.

Nun blickte sie von ihren Fingernägeln auf. Ihre Miene ließ keine Regung erkennen, aber ihre hellblauen Augen sagten eine ganze Menge. „Wie lautete die Marktprognose für nächstes Jahr?“, fragte sie kühl.

Die Frage war ein Fehdehandschuh, eine Drohung, ein … Antörner. Dann war dies also ein Spiel für sie? Das kann man auch zu zweit spielen, dachte Andrew und lächelte. „Im ersten Quartal läuft es langsam; im zweiten und dritten nimmt das Tempo zu, und im vierten gibt es einen leichten Abschwung.“

Sie befeuchtete ihre Lippen, und Andrews Blick folgte der provokanten Bewegung ihrer Zunge. „Nein! Das erste Quartal wird schnell auf Touren kommen.“

„Und was ist mit der Januar-Flaute?“, fragte er, und seine Stimme erschien ihm rauer als sonst.

„Kein bedeutender Faktor. Die Gewinne in der Unterhaltungsbranche werden das tausendfach ausgleichen“, sagte sie und streichelte dabei abwesend ihren Hals – eine langsame Bewegung, die er gebannt verfolgte.

Er öffnete den Mund, ein Vorschlag mit Highschool-Niveau lag ihm auf der Zunge. Doch dann rief er sich sein Alter in Erinnerung, seine Universitätsdiplome, seine Reife. „Ein Anstieg im Unterhaltungssektor? Wie kommen Sie darauf?“

„Der amerikanische Verbraucher ist so weit, dass er sich vergnügen will.“

„Großer Irrtum“, widersprach er mit einem milden Lächeln. „Sorry, aber Ihre Einschätzung des Verbraucherverhaltens ist nicht richtig.“

Ärgerlich schüttelte sie den Kopf, sodass eine Strähne sich aus ihrem Pferdeschwanz löste. Das kleine Biest spielte mit ihm, was seine männlichen Instinkte weckte. Er musste ihr zeigen, wer hier die Oberhand hatte. „Der Verbrauchermarkt ist übersättigt“, belehrte er sie. „Überall werden Zerstreuungen angeboten. Mehr, mehr, mehr, und alles hämmert unablässig aufs Gehirn. Allmählich entwickelt sich Dampf, dann Rauch. Und bevor das Jahr herum ist, wird es eine Wende geben, weil der Verbraucher nur eine bestimmte Menge verkraften kann. Es ist wie bei einem Vulkan. Jahrelang herrscht Ruhe, dann brodelt es unter der Oberfläche, und schließlich erfolgt der Ausbruch. Merken Sie sich meine Worte, der große Knall wird kommen.“

Sie beugte sich nach vorn, sodass ihre Knie seine beinahe berührten. Ihre Wangen waren gerötet. „Außer dem Druck des Überangebots gibt es ja noch den allgemeinen, weit größeren Stress, der die Menschen belastet. Um ihre Gedanken von Wirtschaft und Politik, von Krisen und vom Ölpreis abzulenken, wenden sie sich entspannenden Dingen zu. Fernsehen, Kino und das Internet bieten dem Verbraucher genug Abwechslung, um die Leere zu füllen“, sagte sie, den Blick auf seinen geheftet. Sein Gehirn schaltete ab. Es juckte ihm in den Fingern, ihren Pferdeschwanz zu lösen. Er ballte die Fäuste.

Und wie stand es mit ihr?

Er sah das Funkeln in ihren Augen und schluckte. Gütiger Himmel, sie war dabei, ihn zu verführen.

Janet hockte auf dem Rand ihres Sitzes und wartete. Sie liebte Debatten und nutzte jeden Vorwand, um zu streiten. Und Andrew war ihre bislang größte Herausforderung. Sie fühlte sich herrlich lebendig und wundervoll weiblich.

Noch nie hatte sie eine so starke Anziehung erlebt. Andrew faszinierte sie wie kein anderer. Seine Augen hatten jetzt einen ganz anderen Ausdruck angenommen. Kein Zweifel, der Funke war da. Und dann dieser sinnliche Mund, der sie fortwährend lockte und der ihr Herz zum Rasen brachte. Es war ein aufregendes, befreiendes Gefühl.

Und all das, weil Andrew einen kleinen fachlichen Meinungsaustausch gestartet hatte. Eine elektrisierende Spannung breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Sie fühlte sich unbesiegbar. Xena, die kriegerische Prinzessin, die Newhouse und seine Sekretärin überrennen würde. Mit einem Fingerschnippen würde sie den Mann auf die Knie zwingen, bis er darum bettelte, mit ihrer Firma den Vertrag zu schließen.

Aber alles der Reihe nach.

Es gab noch einen Mann, den sie in die Knie zwingen wollte. Und er saß direkt vor ihr.

„Darf ich Sie etwas fragen?“, sagte Andrew, obwohl er überhaupt nicht wusste, was er fragen wollte.

„Ja“, flüsterte sie.

„Janet …“, begann er.

„Ja“, sagte sie nochmals und beugte sich näher zu ihm, sodass er ihren Duft wahrnahm. Es war eine Mischung aus ihrem Parfüm und ihrer ganz speziellen Note.

Andrew schloss die Augen und atmete tief ein. Dann machte er einen zweiten Versuch. „Janet …“, begann er wieder, stockte, und plötzlich war ihm nicht mehr wichtig, was er hatte sagen wollen, sondern nur noch, sie zu berühren und zu erkunden.

Er zog sie zu sich herüber und auf seinen Schoß. Er hatte ein brennendes Bedürfnis, diesen lächelnden Mund zu küssen, also tat er es.

Ihre Lippen waren glatt und weich. Sie rutschte auf seinem Schoß nah an ihn heran, bewegte aufreizend ihre Hüften, bis er drauf und dran war, um Gnade zu flehen. Hektisch begann er ihr die Bluse aufzuknöpfen. Einen Knopf bekam er durchs Knopfloch, zwei sprangen ab und enthüllten einen schlichten BH aus weißer Baumwolle.

„Wir sollten das nicht tun“, murmelte sie in einem Ton, der Andrew nur noch mehr anstachelte, und dann schmiegte sie seufzend das Gesicht an seinen Hals und überzog seinen Mund mit Küssen.

„Doch“, antwortete er, während er nach dem Vorderverschluss ihres BHs tastete und ihn öffnete. Andrew schob die Körbchen beiseite und enthüllte die harten rosigen Brustwarzen. Er nahm eine in den Mund, sog an ihr und umspielte sie mit der Zunge.

Aufstöhnend warf Janet den Kopf in den Nacken, und Andrews pulsierende Erektion drängte gegen ihren Schoß. Er wollte und musste endlich ihre Haut berühren.

Er schob die Hand zwischen ihre Beine, fühlte das seidige Nichts einer Strumpfhose, glitt darunter und drang mit dem Finger in Janet ein.

Sie hob sich ihm entgegen, und wieder hörte er ein Stöhnen – diesmal tiefer und länger. Es kam von ihm.

Janet fasste nach seiner Hand. Zuerst, um einen Halt zu haben, aber dann waren auf einmal seine Hemdknöpfe offen, und sie begann seine Brust zu streicheln. Es war unglaublich erregend, plötzlich ihre Finger auf seiner Haut zu fühlen.

„Normalerweise tue ich so etwas nicht“, sagte sie.

Er schob sie auf dem langen, bankähnlichen Sitz nach hinten und zog ihren Rock bis zu den Knien herunter. „Ich weiß“, murmelte er, die Lippen an ihrem warmen, weichen Bauch. „Du hast schöne Beine“, fügte er hinzu und dachte, dass er noch nie von einer Frau so überwältigt worden war. Normalerweise gab er nie plötzlichen Gelüsten nach. Doch Janet brachte ihn dazu, sich zu vergessen.

Er suchte ihren Blick, erwartete, wieder diesen drängenden, begehrlichen Ausdruck zu sehen. Stattdessen las er in ihren Augen etwas, das Nervosität sein könnte.

Schlagartig kehrte die kalte Realität zurück. Was, zum Teufel, war in ihn gefahren? Er hörte mit dem Rockabstreifen auf, weil sie sich in einer Stretchlimousine befanden, zwei Menschen, die wegen eines Stromausfalls zusammengetroffen waren, und sich kaum kannten.

„Entschuldigung“, murmelte er und nahm die Hände von ihrem Rock.

Er saß da wie ein Löwe, der seine Beute belauerte. Ihr Anblick fesselte ihn. Die Kostümjacke hing ihr lose um die Schultern, die Bluse und der BH war auseinandergeschoben, sodass man ihre vollen festen Brüste sah, und er war sehr versucht, sich darüber zu beugen und …

In einer Stretchlimousine, um Himmels willen!

Janets Herz hämmerte so wild, dass sie nicht sprechen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Was hätte sie denn sagen sollen, wenn sie sich selbst nicht verstand? Sie handelte nie impulsiv, und sie hatte noch nie erwogen, auf diese Art Sex zu haben – schnell, wild und hemmungslos.

Falls Andrew wünschte, dass sie ihren BH aus dem offenen Dach warf, dann würde sie es tun. Sie würde alles tun, nur um seinen Mund wieder auf ihren Brüsten zu fühlen. Alles, damit er seine Hände wieder zwischen ihre Schenkel schob und sie mit seinen erregenden Liebkosungen quälte.

Und da war er und sah sie an, seine dunklen Augen glänzend vor Verlangen.

Nach ihr.

Flüchtig überlegte sie, ob es klug wäre, mit einem Mann, den sie kaum kannte, einen One-Morning-Stand zu haben.

Aber hatte er ihr nicht äußerst galant eine Fahrt nach Connecticut angeboten?

Galant – das ist das Schlüsselwort, warnte die Stimme der Vernunft.

Er ist kein Casanova, protestierte ihr Gefühl. Entweder war er ein erstklassiger Schauspieler, oder er war über das, was hier ablief, genauso schockiert wie sie. Von Leidenschaft überwältigt, dachte Janet und seufzte träumerisch. Tony und sie waren nie von Leidenschaft überwältigt gewesen. Ihre Liebesakte waren immer sorgfältig geplant und vorbereitet. Dieser leidenschaftliche Überschwang war neu für sie. Tröstete sie sich vielleicht auf diese Art über Tony hinweg?

Sie blickte zu Andrew, der sie ruhig ansah. Offenbar wollte er sie nicht zu etwas zwingen, was sie nicht wollte. Und wie es aussah, wollte er sie nicht einmal zu etwas überreden. Verdammt!

Ihr Blick wanderte über seine Brust. Es reizte sie, die feinen dunklen Haare zu streicheln. Der Mann war die personifizierte Versuchung. Er hatte einen messerscharfen Verstand, war dennoch ritterlich. Und er war fantastisch gebaut. Ja, er war ein seltenes Exemplar seiner Gattung. Zum Anbeißen …

Schlampe! schrie ihr anständiges Ich.

Er ist wundervoll, schwärmte ein kleines Triebteufelchen in ihr.

„Hast du ein Kondom dabei?“, fragte sie und stellte sich innerlich darauf ein, auf das ganze Erlebnis zu verzichten, falls er nicht dafür gerüstet war. Und falls er Ja sagte, wäre das schicksalhafte Vorsehung, denn er sah nicht wie ein Mann aus, der stets ein Kondom in seiner Brieftasche hatte.

Mit wachsender Nervosität wartete Janet auf seine Antwort. Hinter seinem Rücken drückte sie den Daumen, weil sie im Grunde ihres Herzen wünschte, dass ihr vernünftiges Ich verlor.

„Hm“, murmelte Andrew.

„Das ist ein Nein“, stellte sie in bedauerndem Ton fest und erhob sich auf die Ellenbogen, sodass ihre offene Bluse nach vorn rutschte und ihre Brüste verdeckte.

Bekümmert nickte er, doch dann fiel ihm etwas ein. Ein verblasstes Ereignis im hintersten Winkel seines Gedächtnisses. Kevins Junggesellenparty.

Er zog seine Brieftasche aus seinem Jackett, klappte sie auf und fand in einem Seitenfach eine flache Packung, die wie eine goldene Münze aussah und die Prägung trug: „Kevin und Marlene, 15. 6. 2005“.

In diesem Moment hätte er seinen Zimmergefährten aus College-Zeiten umarmen können. „Ein Hochzeitssouvenir.“

„Schicksal“, murmelte sie.

„Zweifellos“, stimmte er zu und riss die Goldfolie auf. „Bist du dir sicher?“, fragte er, weil er wünschte, dass sie ihn wollte.

Sie nickte, und mehr Ermutigung brauchte er nicht. Er öffnete seine Hose, streifte sich das Kondom über.

Binnen zwei Sekunden war er in ihr.

Andrew verharrte regungslos, um den Augenblick in die Länge zu dehnen. Es war himmlisch, endlich wieder mit einer Frau zusammen zu sein. Sein ganzer Körper brannte vor Lust, und er nahm sich Zeit, um einfach nur zu fühlen. Sie war so schön anschmiegsam und weich. In ihren großen blauen Augen erschien ein sehnsüchtiger Ausdruck. Dann umschlang sie ihn fest mit ihren Beinen, ihren Schenkeln, und alle Sanftheit verschwand aus ihren Augen. Jetzt sah er dort nur dieselbe Glut, die auch auch sein Blut erhitzte.

Langsam begann er, sich in ihr zu bewegen. Er erkundete ihre Tiefen, fand heraus, was sie mochte. Sie hatten nur ein Kondom, also war dies ein einmaliges Angebot, dessen Gültigkeitsdauer er bis in die Ewigkeit verlängern wollte – oder wenigstens bis zum Ende dieser Fahrt.

3. KAPITEL

Was hatte sie getan?

Janet ordnete ihre Kleidung, während ihre Lust langsam abebbte.

Die Strumpfhose war hin, und Janet hoffte, dass sie vor dem Treffen mit Newhouse noch genug Zeit haben würde, um sich eine neue zu besorgen. Sie sah zu Andrew. Er zog gerade sein Hemd an, das nicht mehr ganz so adrett war wie vorher. Insgeheim bewunderte sie seine breite Brust. Er sah nicht aus wie ein Typ, der seine Tage im Fitness-Studio verbrachte, aber Muskeln hatte er, so viel stand fest.

Himmel, hatte sie den Verstand verloren? Da saß sie halb angezogen und mit wirrem Haar in diesem unmöglichen Gefährt und stellte Betrachtungen über eine Männerbrust an. Seit sie ihren Fuß in dieses scheußliche Vehikel gesetzt hatte, war sie nicht mehr sie selbst. Vielleicht lag es an dem Wagen, vielleicht an Andrew, vielleicht an der Art und Weise, wie er sie berührt hatte – als fände er sie unheimlich sexy.

Sie spürte immer noch das süße Prickeln der Leidenschaft. Was jedoch nicht sein durfte, weil sie ein wichtiges Meeting hatte, und zwar in …

Sie sah auf ihre Uhr. Vor zehn Minuten.

Entsetzen packte sie.

„Ich rufe dich an“, sagte er.

Panik erfasste sie. „Denk bitte nicht, dass ich …“, begann sie und verstummte hilflos. Irgendwie wäre das Ganze leichter gewesen, wenn der Sex mittelmäßig gewesen wäre, oder, noch besser, miserabel. Aber nein. Sie hatten tollen Sex gehabt. In einer Stretchlimousine.

Und was war, wenn er sie für immer verdorben hatte? Wenn sie dazu verdammt war, nur noch billigen Sex mit Fremden zu mögen? Eine grässliche Vorstellung.

„Du möchtest nicht, dass ich dich anrufe? Du bist mit jemandem zusammen, nicht wahr?“

Sie nickte schnell. Eine Lüge, aber Lügen waren dazu da, einem aus der Patsche zu helfen.

Das Läuten ihres Handys bewahrte Janet vor weiteren Fragen. „McNamara.“

„Es tut mir leid, Miss McNamara, aber Mr. Newhouse kann nicht länger auf Sie warten.“

Janet heftete ihren Blick auf ihren Aktenkoffer. Entschlossen vertrieb sie alle Gedanken an aufregende Männer und ruinierte Strumpfhosen und besann sich auf ihre Erfahrung und auf zwanzig Jahre mütterlicher Anweisungen. Das brachte sie sofort auf Zack.

Sie strich ihr Haar zurück und ließ mit den gewohnten Griffen das Gummiband um ihren Pferdeschwanz schnappen. Kaum hatte sie das Ritual beendet, war ihr Gehirn wieder voll funktionsfähig.

„Sandy – ich darf Sie doch so nennen, nicht wahr?“ Sie verschränkte ihre Beine und merkte, wie ihr entglittenes Selbstbewusstsein zurückkehrte. „Ich brauche nicht viel Zeit. Wir können das Meeting auf dreißig Minuten verkürzen und …“

„Einen Moment, Miss McNamara. Mr. Newhouse ist heute Nachmittag schon ausgebucht, und dieser Stromausfall in New York macht es noch unmöglich …“

„Das Wort ‚unmöglich‘ wird heutzutage überstrapaziert, Sandy. Sie klingen gestresst. Waren Sie schon mal in diesem Spa oben in den Berkshires? Wenn Sie möchten, mache ich für Sie eine Reservierung …“

„Bleiben Sie bitte dran. Ich habe einen Anruf auf der anderen Leitung.“

„Natürlich“, erwiderte Janet honigsüß. Ihr war bewusst, dass Andrew sie beobachtete. Wahrscheinlich taxierte er ihre berufliche Leistung, und sofort regte sich ihr niedergetrampelter Stolz wieder. Sie warf Andrew ein selbstsicheres Lächeln zu und begann, leise, aber hörbar in ihr Handy zu sprechen.

„Er ist interessiert? Wunderbar! Ich denke, wir können es einrichten, auch das zu diskutieren. Und die neuen Angebote ebenfalls? Ich bin sicher, dass er davon sehr angetan sein wird. Unsere Firma legt großen Wert darauf, den bestmöglichen Service zu bieten.“

„Entschuldigung, Miss McNamara, haben Sie eben mit mir gesprochen?“

Sandy war zurück.

„Ein anderes Telefonat“, sagte Janet nur. Ihre Wangen glühten, und sie hütete sich, in Andrews Richtung zu sehen. „Was diesen späteren Termin betrifft – vielleicht gegen vier?“

„Mr. Newhouse hat keine Zeit. Muss ich noch direkter werden, damit Sie das endlich begreifen?“

Janet senkte ihre Stimme auf die niedrigste Lautstärke. „Nur zehn Minuten nach der Mittagspause. Er sollte sich zumindest anhören, was ich anzubieten habe.“

„Anscheinend habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt.“

Janets Magen krampfte sich zusammen. Sie blickte aus dem Fenster, sah die liebliche Hügellandschaft von Connecticut vorbeihuschen. Sie startete einen letzten Versuch. „Ich bin nur noch zehn Minuten vom Newhouse-Gebäude entfernt.“

Sandy legte auf.

„Probleme?“, fragte Andrew.

„Nichts, was ich nicht deichseln könnte“, antwortete sie mit einem gezwungenen Lächeln.

„Es tut mir leid, dass du es nicht rechtzeitig geschafft hast.“

Anscheinend ahnte er, dass ihr Jahresbonus gerade eben flöten gegangen war. Und er glaubte, eine Entschuldigung würde alles besser machen – vor allem, wenn diese Entschuldigung mit einem sexy und zugleich mitleidigen Blick kombiniert war.

Was für ein Chauvi!

„Es ist doch nicht deine Schuld“, antwortete sie, obwohl sie ihn insgeheim für die Katastrophe verantwortlich machte. Und die Elektrizitätsgesellschaft, die Bahn und den ganzen Planeten. Sie erlebte sonst nie Pleiten in ihrem Job.

„Ich könnte mein Geschäftslunch auf einen anderen Tag verschieben“, bot er an. Noch immer spielte er den hilfsbereiten Pfadfinder, was sie nur noch wütender machte.

„Hör zu, ich brauche deine Hilfe nicht. Ich brauche deinen Beistand und dein Mitleid nicht. Ich habe in Wellesley studiert, falls dir das etwas sagt.“

„Eine Elite-Universität, Donnerwetter!“

Sein Ton machte sie misstrauisch. Wenn ein Pfadfinder ironisch wurde, war es Zeit, die Lage zu überdenken. „Entschuldige bitte. Es war ein schrecklicher Tag“, lenkte sie ein.

Er hob die Augenbrauen, und natürlich wusste sie, was er dachte. Prompt stellte sich das Prickeln zwischen ihren Schenkeln wieder ein.

Trotz ihrer momentanen Zickigkeit war sie nicht gemein. Deshalb sagte sie: „Na ja, nicht alles war schrecklich. Ein Teil war nett.“

Er machte eine leichte Verbeugung. „Meine männliche Eitelkeit dankt dir ganz herzlich.“

„Ich glaube nicht, dass die Bestätigung braucht.“

„Hiebe sind immer übel.“ Er blickte von ihr fort. „Streich das.“

Sein Unbehagen rührte etwas in ihr an, weil sie es auch spürte. Die Luft vibrierte noch von Erotik, eine neue Erfahrung für Janet, die ihr Angst machte. Um ein Haar hätte sie ihren Aktenkoffer an die Brust gepresst, aber sie behielt sich im Griff und verzichtete auf ihre Krücke. Denn ihr Aktenkoffer war ihre Krücke, das wusste sie.

„Kannst du dem Chauffeur sagen, dass er mich in Stamford am Bahnhof absetzen soll?“

„Willst du da herumsitzen und warten, bis die Züge wieder fahren? Lass dich wenigstens nach New York zurückbringen. Ich nehme mir für das letzte Stück ein Taxi.“

Er schien nicht zu verstehen, dass sie diesen Vergnügungsdampfer auf Rädern verlassen musste. Sie wollte sich ihren scharfen Verstand erhalten, und am besten vergaß sie dieses ganze Erlebnis. Oder, falls es mit dem Vergessen nicht klappte, sollte sie die Sache wenigstens in dem Ordner „Fehler, die ich nie wieder machen werde“ abheften.

„Nein danke, ich warte lieber auf den Zug.“

„Falls die Kosten der Grund sind, mach dir keine Gedanken. Die Bezahlung übernehme ich.“

Als ob ich irgendwo zum Mindestlohn schuften würde. „Vielen Dank, aber ich komme mit meinen Finanzen ganz gut zurecht.“

„Es sollte nur eine nette Geste sein und keine Beurteilung deines Einkommens.“

„Entschuldige bitte. Normalerweise bin ich nicht so.“ Das war eine Lüge, denn sie war normalerweise so. Sie hatte in der Firma nicht ohne Grund den Spitznamen „Stachelschwein“ verpasst bekommen.

Sie zog ihren Laptop hervor und begann zu arbeiten. Sie verdrängte alle Gedanken an protzige Stretchlimousinen und tollen Sex. Andrew auszublenden klappte allerdings nicht so ganz.

Schließlich verkündete der Chauffeur, dass sie am Bahnhof von Stamford angekommen seien. „So schnell?“, witzelte sie, obwohl sie ganz und gar nicht in der Stimmung für Scherze war. Es würde nicht leicht sein, ihrem Boss den Flop mit Newhouse zu erklären.

Sie zog zwei Zwanzigdollarnoten aus ihrer Brieftasche, nicht genug, um ihren Anteil abzudecken, aber mehr Bargeld hatte sie nicht bei sich. „Du kannst mir für den Rest eine Rechnung schicken“, sagte sie zu Andrew, denn sie hasste es, irgendwo Schulden zu haben.

„Lass mich das erledigen …“, begann er, doch dann schien er die Kampflust in ihrem Blick zu bemerken. „Also, wie kann ich dich erreichen?“

So, jetzt hatte er sie in der Falle. Widerstrebend zog sie ihre Geschäftskarte heraus und gab sie ihm.

Er steckte die Karte in die Brusttasche seines Hemdes. „Ich werde sie nicht missbrauchen. Versprochen.“

„Du bist ein netter Mann, und ich …“

„Bitte nicht die Netter-Mann-Rede.“

„Aber es ist doch ein Kompliment.“

„Warum willst du dann nicht mit mir ausgehen?“

Seine Frage verriet Janet, dass er ihr die Sache mit dem Freund nicht geglaubt hatte. Wahrscheinlich dachte er, dass kein Mann sich mit solch einer Zicke einlassen wollte.

Und falls er sie als eine Zicke einstufte, warum wollte er sie dann wiedersehen?

Ihr Blick fiel auf die zerrissene Strumpfhose in der Ecke. Es war sonnenklar, warum Andrew sie wiedersehen wollte. Janet seufzte. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, mit der kalten, harten Wahrheit herauszurücken.

„Also, ich geb dir jetzt mal ein paar Informationen über mich. Ich sehe eine Stunde am Tag fern, die Nachrichten und Lou Dobbs. Ich bin mit dem Lieferboten der ‚Goldenen Nudel‘ auf Vornamenbasis. Ich sehe nie den Sonnenaufgang, weil ich dann schon arbeite, und ich mag keine billigen Affären.“

„Du siehst dir auch die Sendung von Lou Dobbs an? Unser TV-Finanzexperte schimpft neuerdings mächtig über die Auswüchse des Kapitalismus, was?“

„Ja. Aber ich wollte über mich reden und nicht über Lou Dobbs. Ich bin ganz anders, als du denkst. Ich bin nicht die Sorte Frau, die in einer Limousine Sex mit einem Fremden hat.“ Sie machte eine Pause. „Jedenfalls tue ich das normalerweise nicht.“

„Denkst du, das ist der einzige Grund, warum ich dich wiedersehen möchte?“

Sie antwortete nicht, sondern nahm ihren Aktenkoffer und stieg aus. Andrew würde eine peinliche Erinnerung sein und weiter nichts.

Ohne einen Blick zurück marschierte Janet in das Stationsgebäude. Fehler durften nicht wiederholt werden.

Niemals.

Am Nachmittag kam die Welt wieder ins Lot. Die Züge fuhren, und Janet kehrte nach Manhattan zurück. Am Grand Central Station nahm sie ein Taxi und fuhr zum südlichsten und ältesten Teil der Stadt, dem New Yorker Handelszentrum mit der Börse an der Wall Street, den Bankhäusern und anderen Finanzunternehmen.

Die Fahrstuhlfahrt zum achtunddreißigsten Stock des Two World Financial Center war ein Albtraum für Janet. Mit jedem Stockwerk, das der Lift passierte, wuchs ihre Angst. Eigentlich war ein Stromausfall eine gültige Entschuldigung für unterbrochene Verhandlungen, aber Janet war bei Bond-Worthington das legendäre Verkaufsgenie, dem niemand das Wasser reichen konnte. Und nun diese Schlappe!

Noch peinlicher war, dass sie sich vor den Kollegen gebrüstet hatte, sie würde es locker schaffen, Newhouse als Kunden zu gewinnen. Denn Bescheidenheit brachte nichts als einen Platz in der letzten Reihe des Saals.

Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Janet schritt die „Glaskastenallee“ hinunter, an deren Ende sich Walters Büro befand. Sie blickte starr geradeaus und ignorierte die neugierigen Blicke, die in ihre Richtung gingen.

„Miss McNamara, wie ist es gelaufen?“

Janet drehte sich um und sah in das freundliche Gesicht des Praktikanten Sanji Dykstra. Sanji stach mit seiner fröhlichen Art unter den verkniffenen angelsächsischen Harvard-Absolventen heraus. Sein rundes kaffeefarbenes Gesicht und die braunen Augen, die immer so arglos blickten, verurteilten ihn zum Scheitern in der Branche, aber er hatte nur noch ein Jahr bis zu seinem Examen, und Janet wollte seine Träume nicht zerstören.

Sie lächelte Sanji an und hob den Daumen. „Ich hab ihn genau dort, wo ich ihn haben wollte“, sagte sie und setzte ihren langen, einsamen Marsch fort.

Dann schoss eine andere Gestalt auf sie zu, blond und mit einer flotten Frisur, da ihr Haar sich viel leichter in Form bringen ließ als Janets dichte Mähne.

„Was ist denn mit deiner Strumpfhose passiert, Janet?“, fragte Lindsey Feldenberg, eine andere Praktikantin und nicht ganz so arglos wie Sanji.

„Eine Katze hat mich angesprungen. Sehr merkwürdig. Wahrscheinlich die Reaktion auf die giftigen Dämpfe in der Gegend. Das Tier muss durch das Zeug ausgerastet sein. Hat meine Strumpfhose total zerfetzt.“

„Ich sehe gar keine Kratzspuren“, sagte Lindsey augenzwinkernd, aber mit kühler Stimme. „Nur lilienweiße Haut.“

Lindsey mochte Janet nicht, die sie als Konkurrentin betrachtete und überflügeln wollte. Das hatte sie Janet sogar einmal gesagt. Eine Praktikantin und sie überflügeln? Ha. Eher würde die Hölle zufrieren. Janet hatte damals den Mund gehalten, aber Lindseys permanente Anspielungen gingen ihr allmählich auf die Nerven. „Ich habe eine sehr dicke Haut. Da hinterlassen Krallen keine Spuren.“

Lindsey sah aus, als wollte sie Streit anfangen, zog sich dann aber in ihren Glaskasten zurück und murmelte: „Blödsinn.“

Janet ging weiter.

Vorn ragte Walters Büro auf wie eine düstere Festung in einem Horrorfilm. Die schweren Eichentüren wurden von Helen bewacht, die seit Walters Start seine Sekretärin war. Mit ihren grauen Löckchen und den rosigen Wangen sah Helen wie eine liebe Großmutter aus, aber wenn sie verärgert war, konnte sie mit einem einzigen eisigen Blick den größten Widerling einschüchtern. Und deshalb liebte Janet sie.

„Hallo, Helen. Haben Sie es ihm gesagt?“

„Ja, Liebes. Ich hab ihm gleich nach dem Lunch die schlechte Nachricht serviert, so wie Sie es mir gesagt hatten. Er telefoniert gerade mit dem Buchprüfer. Sehen Sie sich vor, er hat eine miserable Laune.“

„Auch das noch. Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe, Helen.“ Janet atmete tief durch und wappnete sich für den Gang in die Höhle des Löwen.

Bei Bond-Worthington waren die Büros der Vizepräsidenten im Stil der alten Schule eingerichtet: Täfelungen aus Mahagoni, wuchtige Ledersessel und an der Trophäenwand gerahmte Urkunden. Kein Wandschmuck, keine Familienfotos oder andere Dinge, die verraten hätten, dass der Büroinhaber nicht ausschließlich für die Firma lebte. Es gab Regeln an der Wall Street, und Janet hatte schon früh gelernt, sie aufs letzte Tüpfelchen zu befolgen.

„Tag, Walter“, sagte sie, denn sie hatte sich für die Taktik „gutgelaunt und selbstbewusst“ entschieden. Sie nahm auf dem Sessel vor dem Schreibtisch Platz und schlug die Beine übereinander, um die notwendige Arroganz zu vermitteln.

Walter räusperte sich und blickte über seine silbergefasste Brille hinweg. „Sie haben mich enttäuscht, McNamara.“

Janet wartete. Sie wusste, dass ihr Boss für das harte Spiel auf dem Finanzmarkt gern das Baseball-Vokabular verwandte, und machte sich auf eine Standpauke ihres „Trainers“ gefasst.

„Ich wollte, dass Sie einen langen Ball schlagen und einen Home-Run hinlegen, wie es sich für einen Spitzenspieler gehört. Stattdessen haben Sie am Heim-Mal gestanden, und Newhouse hat Ihnen schlechte Bälle zugeschmettert. Schwach, McNamara.“

„Ich weiß, Walter. Ich arbeite dran, wieder auf seinen Terminkalender zu kommen.“

„Aber wann, McNamara? Wann?“ Er stand auf, trat ans Fenster und machte eine weit ausladende Handbewegung über die Skyline. „Sehen Sie das? Das ist New York. Der teuerste Grund und Boden in den Vereinigten Staaten. Und wissen Sie, was uns diesen grandiosen Blick ermöglicht? Leistung, Leistung, Leistung. Unsere Mannschaft ist die beste, Janet. Wir landen jedes Mal, wenn wir ans Heim-Mal treten, einen Volltreffer. Jedes Mal! Sie müssen schlagen und treffen.“

Janet nickte. „Verstanden, Boss. Der Stromausfall …“

„Geben Sie es schon zu. Sie sind mit heruntergelassener Hose erwischt worden.“

Janet erschrak. Woher wusste er …? Dann entspannte sie sich. Natürlich hatte er wieder nur bildlich gesprochen. Er meinte den Stromausfall und ihre mangelnde Voraussicht.

„Wir müssen für alle Eventualitäten gerüstet sein“, fuhr Walter fort. „Wissen Sie, wie oft seit 1970 der Strom in New York ausgefallen ist? Statistisch gesehen 2,3 mal im Jahr. Warum, glauben Sie, haben wir in diesem Gebäude einen Notstromgenerator? Unsere Kunden zählen auf uns, sie erwarten, dass wir tagein, tagaus hier sind. Bei Bond-Worthington sehen wir Marktbewegungen voraus, bevor sie eintreten.“

„Ja, Sir.“ Janet schluckte und nickte und versuchte, ihm zuzuhören. Sie musste ihm zuhören, aber ihre Gedanken drifteten immer wieder fort. Immer wieder verlor sie sich in Erinnerungen.

Andrew.

Sie hatten sich mit einer zügellosen Wildheit geliebt, und es war himmlisch gewesen. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nie so wunderbar gefühlt. So frei, so lebendig und unglaublich verworfen. Bei der Erinnerung hätte sie fast losgekichert. Das Erlebnis war so unwirklich wie eine Seifenoper. Janet hatte sauberen, ordentlichen Sex, keine Ausbrüche animalischer Triebhaftigkeit.

Sie setzte sich sittsam aufrecht, die Beine eng zusammen. Aber das stoppte das Pulsieren tief in ihr nicht.

„Das darf Ihnen nicht noch einmal passieren, McNamara.“

Janet sah auf und begegnete Walters väterlichem Blick. Sie war sein Schützling und sein Liebling. Ein morgendlicher Quickie in einer Stretchlimousine würde sie in ihrer Karriere nicht voranbringen. Zum Teufel, mit zweiunddreißig hatte sie das Alter für solche Eskapaden längst überschritten. Nein, ihr Weg war klar markiert. Sie würde Walter nicht enttäuschen. Sie stand auf und straffte die Schultern.

„Es wird nicht noch einmal passieren, Sir.“

Er nickte kurz. „Zeigen Sie es ihm, McNamara.“

4. KAPITEL

„Suzie Q“ war einer der exklusivsten Herrenklubs in New York. Die Mädchen waren legendär, aber Andrew ignorierte sie. Blind für die Verlockung perfekter weiblicher Körper, starrte er in sein Bierglas und ärgerte sich über den verlorenen Tag. Nach seiner Rückkehr aus New Haven war er in seinem Büro wieder an die Arbeit gegangen. Aber statt für Nikolson Pharmaceuticals die Bilanzen des ersten Quartals zu analysieren, hatte er auf die Zahlen gestarrt und an Janets verzückten Ausdruck gedacht, als er sich in ihr bewegte.

Und zu Hause, wo er das Versäumte nachholen wollte, hatte er auch nichts geschafft. Die Erinnerungen waren noch immer da, und zum ersten Mal seit langem fand er das Börsengeschehen beinahe langweilig. Und als dann Jeff bei ihm aufkreuzte, um ihn auf eine Junggesellenparty mitzuschleppen, war Andrew wie ein befriedigter Lemming mitgetrottet.

Befriedigt war das richtige Wort. Der Morgen mit Janet war der Höhepunkt seiner bisherigen sexuellen Laufbahn gewesen, ein Erlebnis, das unter der Überschrift „die Top Ten“ abgelegt werden musste.

Verdammt, er war gut gewesen.

Und sie auch.

Zwischen Janet und ihm hatte diese elektrisierende Verbindung bestanden, die er so lange nicht mehr erlebt hatte, dass er schon dachte, er sei tot. Janet hatte ihm das Gefühl gegeben, der sinnlichste und vitalste aller Männer zu sein. Mit Janet in den Armen war es ihm so vorgekommen, als bestünde er aus purer Männlichkeit und sei eigens dazu erschaffen, diese spezielle Frau zu beglücken.

Sicher, Andrew war es gewohnt, Frauen zu beglücken, aber sie sahen nur sein Image: reich, Single, nicht übel aussehend. Andrew hätte impotent sein können, und die Frauen hätten sich ihm trotzdem an den Hals geworfen. Denn was sie wollten, war die Verpackung.

Aber nicht Janet.

Andrew lächelte, als er daran dachte, wie er ihre vollen Brüste umfasst hatte. Es war unglaub…

„Wie läuft’s, Andrew?“

Aus seiner erotischen Fantasie gerissen, blickte Andrew auf und sah in das Gesicht seines Bruders, der ihn neugierig anstarrte. „Es gibt nur eins, das dieses verzückte Lächeln auf dein Antlitz zaubern kann, Bruderherz. Ein zehnprozentiger Anstieg auf dem Börsenmarkt.“

Jeff war drei Kalenderjahre jünger als Andrew, aber in puncto Reife Lichtjahre von ihm entfernt. Unter der Führung einer festen Hand würde er wahrscheinlich den Ernst des Lebens erkennen – in frühestens vierzig Jahren.

Andrew trank einen kräftigen Schluck Bier. „Ich weiß den weiblichen Körper genauso zu schätzen wie jeder andere Mann.“

„Aber nur wenn dieser Körper mit einem Taschenrechner statt mit einem Stringtanga bekleidet ist. Wach auf und amüsier dich, Bruderherz. Wir sind im Land der wippenden Brüste.“ Er zeigte zur Bühne, wo eine perfekt proportionierte Barbiepuppe sich an einer silbern glänzenden Stange rieb. Ihre nackten Brüste glitten auf und ab, auf und ab …

Okay, ich bin noch nicht tot, stellte Andrew fest. „Ganz netter Laden“, bemerkte er.

„Bist du total verrückt?“ Jeff winkte einer Kellnerin. „Du musst leben, Andrew! Manchmal glaube ich, dass überhaupt kein Blut in deinen Adern fließt.“

„Unsere Familie kann sich nur einen von deiner Sorte leisten.“

„Weil ich die Geheimnisse der Weiblichkeit erforsche? Das rechtfertigt dein Verhalten nicht.“

„Wenn du nur gucken würdest, wäre ich nicht so besorgt. Aber eines Tages wirst du dich mit der falschen Frau einlassen und dann …“

Die Kellnerin, die Jeff herbeigewinkt hatte, kam auf ihn zu und setzte sich auf seinen Schoß, als ob sie dort hingehörte.

„Du bist ein Greis, Andrew“, fuhr Jeff fort. „Dies sind unsere besten Jahre, und du wirfst sie weg.“ Er schob einen Zwanziger in den Stringtanga der Kellnerin, worauf sie seine Wange streichelte und dann ihre Hand zu seinem Schoß bewegte.

„Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte sie.

„Zwei Tequila.“

Zusehends beunruhigt, protestierte Andrew. „O nein.“

Jeff grinste ihn an, während die Kellnerin hüftwackelnd von seinem Schoß rutschte. „O doch. Oder …“, er tätschelte ihren Po, „… bring uns gleich acht.“

Im Gehen streifte sie mit der Brust Jeffs Seite, eine Demonstration der Festigkeit von Silikon. „Was immer du möchtest, Schätzchen. Du brauchst nur zu rufen.“

Drei Schnäpse später hatte Andrew eine gewisse Wertschätzung für Jeffs Lebensstil entwickelt. Das war das Schöne an der PR-Branche, in der Jeff arbeitete. Sie produzierten zwar Mist, aber sie verstanden es, sich zu amüsieren.

Jeff zeigte in die Richtung des Bräutigams in spe, den Jeff bei ihrer Ankunft Peter genannt hatte. Der zukünftige Ehemann erfreute sich gerade an einem Schoßtanz von Trixie. Oder Dixie?

„Andrew, wie alt bist du?“

„Dreiunddreißig. Nein, sechsunddreißig. Definitiv sechsunddreißig.“

Jeff sah ihn tadelnd an. „Und wann hast du das letzte Mal Sex gehabt?“

Andrew antwortete, ohne zu zögern: „Heute Morgen um elf Uhr siebzehn. Auf dem Highway nach Connecticut.“

Ausnahmsweise fehlten dem redegewandten Werbe-Ass Jeff Brooks im ersten Augenblick die Worte. „Das glaub ich nicht. Man kann beim Autofahren keinen Sex haben. Ich hab’s versucht. Es funktioniert nicht.“

„In einer Stretchlimousine geht’s.“

„In einer Stretchlimousine?“

„Marke Cadillac.“ Andrew freute sich, dass seine Erlebnisse ausnahmsweise mal Gesprächsstoff für Männer-Klatsch abgegeben hätten.

„Nein, das nehm ich dir nicht ab. Du hast mal wieder ‚Penthouse‘ gelesen.“

Andrew hob feierlich die Hand. „Es ist wahr. Ich schwöre es. Wir mussten beide nach Connecticut, und der Zugverkehr lag lahm. Da hab ich sie in dem Mietwagen mitgenommen.“

Jeff hob sein Glas und trank Andrew zu. „Ich hab dich all die Jahre unterschätzt. Verdammt, Bruderherz, was hast du mir sonst noch verheimlicht?“

„Eine ganze Menge“, log Andrew, der seinen Moment im Rampenlicht genoss.

„Wer war sie?“

„Kann keine Namen nennen.“ Er mochte betrunken sein, aber er war ein betrunkener Gentleman.

„War sie ein Model?“, frage Jeff, weil er sich keine Frau außerhalb der Glamourwelt vorstellen konnte.

„Eine Frau von der Wall Street.“

Jeff schüttelte nur den Kopf, während er eine Tänzerin auf seinen Schoß rutschen ließ. „Gib mir einen Kuss!“, befahl er, und die vollbusige Blondine gehorchte. Anschließend wanderte sein benebelter Blick wieder zu Andrew. „Ich glaub es nicht.“

Das war offenbar sein neuer Standardsatz. Andrew zuckte gleichmütig die Schultern. „Dann lass es bleiben.“

„War es gut?“

„Fünf Sterne.“

„Fünf Minuten“, spottete Jeff.

„Versuch’s mit neunzig, kleiner Bruder.“

Die Tänzerin betrachtete Andrew jetzt mit sichtlichem Interesse. Andrew grinste.

„Du lügst.“

Andrew griff nach dem nächsten Tequila. „Mir egal, ob du mir glaubst oder nicht“, sagte er, bevor er den Schnaps herunterkippte. Er schob einen Fünfziger in den Stringtanga der Blondine. Morgen früh würde er es bereuen, aber im Moment fühlte er sich wie ein König. „Kauf dir einen Drink, Schätzchen.“

Sie machte Anstalten, auf seinen Schoß zu klettern, aber er winkte sie fort. „Spar das für die auf, die es wirklich brauchen.“

Sie sah ihn beleidigt an und stolzierte dann fort.

„Warum hast du das getan, Andrew?“

„Ich hab dir nur geholfen, tausend Dollar zu sparen, Jeff.“

„Muss es immer um Geld gehen? Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich bin erwachsen.“

„Nur nach dem Gesetz.“

„Du willst einfach nicht zugeben, dass wir nicht mehr auf dich angewiesen sind.“Ein Gefühl von Panik stieg in Andrew hoch, aber dann begriff er, dass Jeff seine Worte nicht ernst meinte. „Ich zahle deine Miete“, sagte er, um seinen kleinen Bruder an die Rangordnung in der Familienhierarchie zu erinnern.

„Die zahlst du schon sechs Jahre nicht mehr.“

Andrew starrte in sein Schnapsglas. „Ich hab dein Studium bezahlt. Harvard, Stanford … die besten Universitäten. Du hättest ein staatliches College besuchen können, aber nein …“

„Ich hab dir alles zurückgezahlt.“

Aber nicht die Zinsen.

Jeff las Andrews Gedanken. „Ich schreib dir einen Scheck aus. Was meinst du, sind fünf Prozent in Ordnung? Ach was, ich geb dir acht.“

Andrew versuchte zu lächeln. „Behalt das Geld. Betrachte es als ein Geschenk“, sagte er, aber nicht aus Großzügigkeit, sondern weil er dieses letzte bisschen Kontrolle über seine Familie nicht aufgeben wollte.

„Erzähl mir von der geheimnisvollen Frau.“

„Da gibt’s nicht viel zu erzählen.“

„Ist sie ein Monster?“

Andrew fuhr mit dem Kopf hoch. „Halt deine Zunge im Zaum. Sie ist kein Model, aber sie hat was.“

„Brüste?“

Andrew hob die Hände und zeichnete ihre Formen in die Luft.

„Wow!“ Jeff schlug ihm auf den Rücken, und Andrew musste sich am Tresen festhalten, um nicht vom Barhocker zu kippen. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen, und der Kater kündigte sich bereits an. Bloß raus hier, bevor sein Bruder sie beide in wer weiß was für Schwierigkeiten brachte.

„Lass uns gehen“, sagte er. „Wenn wir noch länger bleiben, werde ich die Kreditkarten anbrechen müssen.“

„Du erwägst, mit Kreditkarte zu bezahlen? Das ist ein Vorzeichen der Apokalypse. Wir müssen definitiv gehen.“

„Willst du damit sagen, dass ich geizig bin?“

„Hast du der geheimnisvollen Frau Blumen geschickt? Oder Parfüm? Oder Dessous?“

„Für so was ist sie nicht der Typ.“

Eigentlich entsprach Janet McNamara keinem speziellen Typ. Sicher, sie war taff, aber als sie diesen Schock-Anruf bekam, hatte er sie in Aktion gesehen. Beharrlich, aber nicht penetrant. Und sogar noch gefasst, nachdem sie gnadenlos abgewiesen worden war. Schnappte sich ihren Aktenkoffer und stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon.

Zum Teufel, Andrew hatte Angestellte, die das nicht halb so gut konnten. Ja, Janet war einzigartig. Und der Sex war auch einzigartig gewesen.

„Nicht der Typ? Alle Frauen sind der Typ für Geschenke.“

„Diese nicht.“

„Trotzdem solltest du ihr etwas schicken. Wie wär’s mit ’nem Taschenrechner?“

Andrew runzelte ärgerlich die Stirn.

„War nur ein Scherz.“ Jeff lachte leise.

„Was würdest du ihr denn schicken?“ Je mehr Andrew darüber nachdachte, desto mehr erwärmte er sich für Jeffs Idee.

„Dessous. Nobel, aber sexy. Nichts Frivoles. Frauen mögen es, wenn man nicht denkt wie ein Mann. Nobel passt auf jeden Fall.“

„Keine Unterwäsche.“

„Dann Pralinen. Oder ein Gutschein für einen Wellnesstag. Mit dem kompletten Verwöhnprogramm. Gesichtspackungen, Massage und so weiter.“

Ein Wellnesstag? Ja, eine Massage wäre keine schlechte Idee. In Gedanken sah er Janets elfenbeinfarbenen Schultern vor sich, und unwillkürlich bewegten sich seine Hände. Er würde beim Nacken beginnen, dann ihre verspannten Schultern massieren, den Rücken …

„Ich meine jemanden, der das beruflich macht“, erklärte Jeff.

Andrew hielt seine Hände still. „Das weiß ich.“ Falls er ihr etwas schenkte, dann nur als eine Geste des Dankes für … Nein, Dankbarkeit war falsch. Vielleicht einfach nur eine Karte mit einem passenden Text, wie „Du fehlst mir!“ oder „Ich vermiss dich!“ Nein, das wäre zu dick aufgetragen. Und nur eine Karte war zu dürftig. Aber das mit den Grußtexten brachte ihn auf eine brillante Idee. „Ich brauche ein Geschenk mit der Aussage ‚ich denk an dich‘.“

Jeff schüttelte den Kopf. „Total falsch. Ich kenne die weibliche Psyche, Andrew. Sie ist eine gefährliche Bärenfalle. Eine falsche Bewegung und … peng!“ Er schlug die Hände zusammen. „Dann wirst du nie wieder Sex in einer Stretchlimousine erleben.“

„Können wir das jetzt mal beiseite lassen?“

„Du hast doch damit angegeben.“

„Ich hab nicht angegeben.“

„Aber du hast es unaufgefordert erwähnt.“

„Nur um meinen Punkt zu beweisen.“

„Trotzdem hast du von der Limousine angefangen.“

Andrew rieb sich die Augen. „Wir können nicht verwandt sein. Unmöglich.“

„Gib mir doch mal eine Chance. Ich bin tausendmal besser als Mercedes.“

Erleichtert griff Andrew das neue Thema auf. „Wie geht’s unserer Schwester eigentlich? Hast du kürzlich von ihr gehört? Sie hat nach meinem Anruf am Dienstag nicht zurückgerufen.“

„Wahrscheinlich ist sie noch immer sauer, weil du für diese Wohnung nicht als Bürge unterschreiben wolltest.“

„Mit fünfundzwanzig sollte Mercedes imstande sein, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Außerdem war dieses Loch von einer Wohnung viel zu teuer, und es gibt dort innerhalb von zwanzig Blocks keinen Lebensmittelladen.“

„Hast du das etwa nachgeprüft?“

„Selbstverständlich.“

„Du kannst dich nicht abnabeln, wie?“

Andrew kletterte von seinem Barhocker. „Können wir gehen?“

„Was willst du denn nun deinem Cadillac-Bunny schenken? Sag es mir, und wir gehen“, antwortete Jeff, der auf seinem Hocker festgeklebt zu sein schien.

„Ich möchte nicht, dass du sie so nennst.“

„Wenn ich ihren richtigen Namen wüsste …“

„Darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst.“

„Okay, aber du musst ihr was schicken. Diese Sache in der Limousine war eine monumentale Leistung von dir. Ein echtes Highlight in deinem Liebesleben, das man vorher nur als fade bezeichnen konnte.“

„Blödmann!“

„Schick ihr was.“

Andrew knallte einen Fünfziger auf den Tresen. „Lass uns gehen, bevor ich bankrott bin. Und bestell dem Opfer schöne Grüße von mir.“

„Wem?“, fragte Jeff verwirrt.

„Na, dem Bräutigam. Peter. Du hast ihn mir doch vorhin gezeigt.“

„Ach ja, stimmt.“ Jeff drehte sich zum Raum und winkte.

In diesem Laden ist etwas faul, dachte Andrew, als sie zum Ausgang gingen. „Hier wird gar keine Junggesellenparty gefeiert, stimmt’s?“

„Stimmt. Ich hab dich angelogen.“ Jeff warf seinen Arm um Andrews Schulter. „Wollte nur das Familienleben ein bisschen auffrischen.“

„Gratis trinken, das wolltest du. Für zweihundert Dollar die Stunde.“

„Ich liebe dich, Bruderherz.“

Andrew verdrehte die Augen. „Geh zum Teufel“, sagte er im Ton des Familienoberhaupts. Dabei war er seinem Bruder etwas schuldig. Jeff hatte ihn auf die Idee mit dem Geschenk gebracht. Dummerweise hatte er keine Ahnung, was das richtige Geschenk für Janet sein würde.

Am Samstagmorgen wachte Andrew mit einem fürchterlichen Kater auf. Benommen tastete er nach seinem schmerzenden Schädel, in dem es wild hämmerte. Als er sich umdrehte, um seinen Kopf in einem Kissen zu vergraben, rollte er stattdessen von seiner Couch.

Verdammt.

Autor

Cathy Yardley

„Als ich noch auf der Schule war, haben mir meine Eltern das Lesen von Liebesromanen verboten. Für sie zählten nur lehrreiche Bücher", erinnert Cathy sich lächelnd. „Als ich dann aufs College kam und dort entdeckte, dass meine Freundin einen ganzen Schrank voll besaß, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen."

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