Über den Wolken - 6-mal grenzenlose Romantik

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HEISSE KÜSSE AUF WOLKE 7 von CAROLE MORTIMER

Seit dem ersten Treffen in der Privatlounge des Flughafens besteht zwischen Danie und dem attraktiven Arzt Jonas Noble eine unglaublich starke Anziehungskraft. Doch die temperamentvolle Piloting vertraut Jonas nicht und schmiedet einen gewagten Plan: Sie will Jonas verführen, damit er ihr endlich die Wahrheit darüber sagt, wie es ihrem Vater wirklich geht!

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  • Erscheinungstag 04.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529358
  • Seitenanzahl 701
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Heiße Küsse auf Wolke 7 erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Thomas Beckmann
Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© by Caroline Mortimer
Originaltitel: „To Become a Bride”
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1503 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Karin Weiss

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733777937

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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PROLOG

„Mr Noble?“

Jonas war eingenickt und kam langsam wieder zu sich. Und dann blickte er in die schönsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Sie waren so grün wie Smaragde und von dichten, langen dunklen Wimpern umrahmt.

Die junge Frau hatte eine irgendwie keck wirkende Nase, feine Haut, wunderschön geschwungene Lippen und ein energisches Kinn.

Den Rest konnte er nicht genau erkennen. Sie hatte das Haar unter einer schwarzen Baseballkappe verborgen. Zu einem weiten schwarzen Top mit Reißverschluss und Rollkragen trug sie eine schwarze Fliegerhose.

Offenbar will diese junge Frau ernst genommen werden, dachte Jonas und lächelte leicht belustigt.

„Was finden Sie denn so komisch?“, fragte sie prompt.

„Nichts“, versicherte er ihr rasch. Dann schwang er die langen Beine von der Sessellehne und richtete sich auf.

„Sie sind doch Mr Noble, oder?“

Er sah sich in der luxuriös ausgestatteten, menschenleeren Lounge um, ehe er die junge Frau spöttisch ansah. „Ist sonst noch jemand hier, der es sein könnte?“, antwortete er schließlich ironisch.

In ihren grünen Augen blitzte es zornig auf. Sie beherrschte sich jedoch. „Da Sie Ihren Kaffee getrunken haben“, begann sie mit einem Blick auf die leere Tasse vor ihm, „sind Sie wohl zum Abflug bereit.“

Er wusste nicht, ob er trotz des starken Kaffees, den er vor fünfzehn Minuten getrunken hatte, überhaupt noch zu irgendetwas bereit war. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und war nicht begeistert darüber, zu einem Mann zu fliegen, den er nicht kannte.

Aber als Jerome Summer ihn am Tag zuvor angerufen hatte, hatte er eingewilligt, zu ihm zu kommen, und er hielt grundsätzlich seine Versprechen. Deshalb hatte er sich trotz seiner Müdigkeit pünktlich in der Privatlounge des Flughafens eingefunden.

Jonas stand auf und bewegte die steifen Glieder. „Sie haben ja eine seltsame Uniform an“, stellte er verächtlich fest. Wenn er damit gerechnet hatte, während des kurzen Fluges von einer attraktiven Flugbegleiterin verwöhnt zu werden, hatte er sich getäuscht.

„Uniform?“, wiederholte die junge Frau und betrachtete ihr dunkles Outfit. „Das ist meine normale Kleidung, Mr Noble“, erklärte sie kühl.

Jerome Summer ist wohl ein ziemlich unkomplizierter Typ, überlegte Jonas. Es ging ihn nichts an, wie der andere Mann sein Personal behandelte. Doch aus eigener Erfahrung wusste er, dass es gewisse Vorschriften geben musste. Wenn man seinen Mitarbeitern zu viel durchgehen ließ, war die Katastrophe vorprogrammiert. Das beste Beispiel war Jonas’ Sekretärin Dorothy.

Mit ihren beinah fünfzig Jahren – sie war mehr als zehn Jahre älter als er – hatte sie so etwas wie eine Mutterrolle in seinem Leben übernommen. Und wie alle Mütter erwachsener Söhne glaubte sie, ihn bevormunden zu können.

Doch um Jerome Summer, der ungefähr Anfang oder Mitte fünfzig war, wie Jonas erfahren hatte, zu bemuttern, war diese Frau zu jung. Sie war höchstens Ende zwanzig. Es wäre interessant zu wissen, welche Rolle sie in Jerome Summers Leben spielt, überlegte er.

„Ich werde Jerome empfehlen, die Flugbegleiterinnen kurze Röcke und Seidenblusen tragen zu lassen, damit die Fluggäste sich noch wohler fühlen“, sagte Jonas betont freundlich.

Als ihr die Bedeutung seiner Bemerkung bewusst wurde, zog sie leicht verächtlich die Augenbrauen hoch. „Von welchen Fluggästen reden Sie, Mr Noble?“

„Von mir natürlich.“ Er lächelte und hatte plötzlich das Gefühl, der starke Kaffee mache ihn endlich munter, denn er verspürte so etwas wie einen Adrenalinstoß. Ihm war klar, dass die Wirkung bald wieder nachlassen würde, er hoffte aber, während des Meetings hellwach zu sein. „Wo ist eigentlich Mr Summer? Sie haben doch gesagt, es könnte losgehen.“ Er runzelte die Stirn. „Ist er vielleicht schon im Flieger?“

„Rome ist auf seinem Landsitz“, erwiderte die junge Frau ironisch. „Wenn er in der Stadt wäre, brauchten Sie nicht zu ihm zu fliegen.“

So ist das, sie nennt ihren Arbeitgeber beim Vornamen, überlegte er. Mit Rome meinte sie wahrscheinlich Jerome. Die beiden hatten offenbar einen vertrauten Umgang miteinander. Er war skeptisch.

„Ich habe von Danny Summer gesprochen“, wandte Jonas ein. „Man hat mich informiert, er würde mich abholen. Er ist wohl ein Verwandter, oder?“, fügte er hinzu, als er spürte, wie sehr sich die junge Frau ärgerte.

Sie verzog die Lippen. „Richtig geraten, Mr Noble“, antwortete sie spöttisch. „Haben Sie Gepäck?“

„Nur diese Tasche.“ Er bückte sich und hob den kleinen Koffer auf, den er neben den Sessel gestellt hatte. „Ich möchte mich nicht länger als nötig auf Mr Summers Landsitz aufhalten“, fügte er energisch hinzu. „Sobald die … Sache erledigt ist, fliege ich zurück.“

Wenn die anderen Mitarbeiter von Jerome Summer auch so arrogant sind wie diese junge Frau, kann es mir gar nicht schnell genug gehen, wieder zu verschwinden, schoss es ihm durch den Kopf. Er war nicht in der Stimmung, diese aggressive Person taktvoll und diplomatisch zu behandeln.

Die junge Frau warf ihm einen Blick von der Seite zu, als sie das Gebäude verließen und auf den Privatjet zueilten, der nur wenige Meter vor ihnen auf der Rollbahn stand. „In welcher Branche sind Sie tätig, Mr Noble?“, fragte sie beiläufig.

Zu beiläufig für Jonas’ Geschmack. Bisher schien sie keinen Wert auf Höflichkeiten gelegt zu haben. Weshalb änderte sie plötzlich ihre Taktik? Er war auf der Hut.

„Ich mache jedenfalls keine illegalen Geschäfte, das kann ich Ihnen versichern“, antwortete er ausweichend.

Sie rümpfte die Nase. „Das ist mir klar, sonst wären Sie bestimmt nicht auf dem Weg zu Rome“, erklärte sie verächtlich.

Jonas hatte alles Mögliche über Jerome Summer gelesen und gehört, und er stimmte der Frau insgeheim zu. Der Mann war so etwas wie eine lebende Legende. Als Sohn eines Arztes hatte er hart und zielstrebig daran gearbeitet, sich ein riesiges Firmenimperium aufzubauen.

Dennoch hatte Jonas nicht die Absicht, den Zweck seines Besuchs mit dieser unhöflichen jungen Frau zu besprechen.

„Das freut mich.“ Er lächelte und stieg vor ihr in den Jet.

Jonas war an einen gewissen Luxus gewöhnt. Aber das, was ihn in dem Privatflieger erwartete, überraschte ihn. Er kam sich vor wie in einem elegant eingerichteten Wohnzimmer – mit dem einzigen Unterschied, dass es an dem Ledersofa und den Ledersesseln Sicherheitsgurte gab.

Nachdem sie die Tür zugemacht und verriegelt hatte, erklärte die Frau: „Wir haben genug zu essen und zu trinken an Bord. Sie können sich an der Bar bedienen, sobald wir in der Luft sind. Obwohl heute nur wenige Luftturbulenzen gemeldet sind, rate ich Ihnen, damit zu warten, bis wir genügend Höhe gewonnen haben.“ Dann ging sie an ihm vorbei.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Und was machen Sie, während ich mich bediene, wie Sie es ausgedrückt haben?“

Sie drehte sich an der offenen Tür zum Cockpit um. „Was soll ich schon machen? Ich fliege diese Maschine, Mr Noble“, erwiderte sie betont unschuldig.

Sie war Pilotin? Jonas war mehr als verblüfft. Nie wäre er auf die Idee gekommen, sie …

Vorsicht, mein Lieber, das ist Chauvinismus, mahnte er sich. Er war sich jedoch sicher, dass er kein Chauvinist war, denn er respektierte starke Frauen. Sie gefielen ihm sogar.

Diese junge Frau hatte offenbar seine Gedanken erraten. Deshalb hatte sie ihn absichtlich im Ungewissen gelassen und freute sich jetzt über sein Erstaunen, wie ihr zufriedenes Lächeln verriet.

Was hatte sie eigentlich gegen ihn? Als sie in die Lounge gekommen war, hatte sie noch nicht einmal gewusst, wer er war. Nur weil außer ihm dort niemand gesessen hatte, hatte er ihrer Meinung nach der Mann sein müssen, den sie abholen sollte. Was hatte er ihr in den wenigen Minuten ihrer Bekanntschaft getan? Weshalb behandelte sie ihn so aggressiv und beinah feindselig?

Er war sich keiner Schuld bewusst. Es sei denn …

„Ist Danny Summer heute Morgen verhindert?“, fragte er betont unbekümmert. Wenn man die junge Frau kurzfristig gebeten hatte, ihren freien Tag zu opfern und für jemand anders einzuspringen, könnte das ihr seltsames Verhalten erklären.

Ihr Lächeln verschwand, und sie presste die Lippen zusammen. „Ich bin Danie Summer, Mr Noble“, stellte sie kühl fest. „Jerome Summer ist mein Vater. Zu Ihrer Beruhigung: Ich bin ausgebildete Pilotin. Es ist mein Beruf, und ich beherrsche ihn perfekt.“

Jonas war sprachlos. Sie war nicht nur eine entfernte Verwandte, sondern Jerome Summers Tochter. Er hatte nicht ahnen können, dass sie nicht Danny, sondern Danie hieß und eine Frau war und kein Mann. Diese Danie Summer hat sich lange genug auf meine Kosten amüsiert, sagte er sich irritiert.

„Dann rate ich Ihnen, endlich zu starten.“ Seine Stimme klang hart. „Meine Zeit ist kostbar und die Ihres Vaters auch, soweit mir bekannt ist.“

Danie schien etwas erwidern zu wollen, überlegte es sich jedoch anders. Sie atmete tief ein, ehe sie ins Cockpit ging und die Tür hinter sich zumachte.

Verdammt! dachte Jonas und ließ sich in einen Sessel sinken. Er war müde und bereute, überhaupt eingewilligt zu haben, den Mann an einem Samstag zu treffen. Am allerwenigsten wollte er sich mit einer Frau auseinandersetzen, die ihre Gleichberechtigung betonen musste, obwohl er sie gar nicht infrage gestellt hatte. Doch halt, stimmte das wirklich? Hatte er nicht angenommen, sie sei Flugbegleiterin?

„Schnallen Sie sich bitte an, Mr Noble“, forderte sie ihn in dem Moment kühl über die Sprechanlage auf. „Wir heben in wenigen Sekunden ab.“

Jonas fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass sein Leben jetzt in den Händen von Danie Summer lag, die ihn zu verachten schien.

1. KAPITEL

Wer war Jonas Noble?

Bis vor zwei Stunden hatte Danie geglaubt, sie könnte ihren freien Samstag genießen. Sie hatte vorgehabt, mit ihrer älteren Schwester Harrie und deren Mann, Quinn McBride, zu frühstücken und anschließend in die Stadt zum Einkaufen zu fahren.

Dann hatte überraschend ihr Vater angerufen und sie trotz ihrer Einwände mit seinem Charme und diplomatischem Geschick überredet, Jonas Noble mit dem Privatjet auf seinen Landsitz zu fliegen.

Rome hatte ihr wenig verraten über seinen Besucher. Freundlich, aber bestimmt war er jeder Frage ausgewichen.

Danie liebte diese Geheimniskrämerei nicht. Jonas Noble war auch nicht kooperativer als ihr Vater. Er hatte sich nicht zu dem Grund seines Besuchs äußern wollen. Sein Auftreten und seine Erscheinung ließen keine Rückschlüsse zu, wer und was er sein könnte.

Der Mann wirkte jedenfalls nicht wie ein Geschäftsmann, dazu war sein dunkles Haar etwas zu lang. Auch seine wenig formelle Kleidung – er trug schwarze Jeans, ein schwarzes Seidenhemd und ein graues Jackett – war ganz anders als die der Geschäftsleute, mit denen ihr Vater normalerweise verhandelte. Nur ihr Vater war eine Ausnahme. Er nahm keine Rücksicht mehr auf sein Image und kleidete sich, wie er wollte. Das konnte er sich auch erlauben.

War Jonas Noble etwa in derselben Lage? Danie schüttelte den Kopf, während sie die Funktionen der Bordeinrichtungen überprüfte. Von einem Jonas Noble hatte sie noch nie etwas gehört. Wenn sein Foto in den Wirtschaftsmagazinen ihres Vaters erschienen wäre, würde sie sich an ihn erinnern. Er war kein Mann, den man so leicht vergaß.

Er war nicht unbedingt schön mit dem breiten und energischen Kinn und der gebogenen, edel wirkenden Nase. Aber ganz besonders seine Augen waren faszinierend. Sie waren von einem tiefen Dunkelbraun und so warm, dass man alle anderen Ecken und Kanten, die dieser Mann hatte, gern übersah.

Vorsicht, sonst fange ich noch an, Jonas Noble für attraktiv zu halten, mahnte Danie sich sogleich.

Vielleicht war er es sogar, aber sie ließ sich von dem guten Aussehen eines Mannes nicht täuschen. Solche Männer waren oft berechnend, unehrlich und egoistisch, wie Ben ihr bewiesen hatte. Er hatte ihr alle Illusionen geraubt.

Verdammt, wieso dachte sie plötzlich an ihn? Das passierte ihr nur noch sehr selten. Er gehörte nicht mehr zu ihrem Leben. Jetzt und hier ging es nur um Jonas Noble und nicht um jemanden aus der Vergangenheit. In den letzten zwei Jahren hatte sie sich auf keine engere Beziehung mehr eingelassen.

Ihr Passagier hatte nur einen kleinen Koffer bei sich. Was mochte er darin mit sich herumtragen? Sicher keine Kleidung zum Wechseln, dazu war der Koffer zu klein. Aber auch keine Unterlagen oder Dokumente, denn dazu war er zu groß.

Eine Antwort auf diese Frage würde ihr der Mann bestimmt nicht geben. Sie musste ihre Neugier zügeln, bis sie bei ihrem Vater war.

Schließlich drückte sie auf einen Knopf über ihrem Kopf. „Wir haben unsere Flughöhe erreicht, Mr Noble“, verkündete sie über die Bordsprechanlage. „Es darf nicht geraucht werden während des Fluges, aber Sie können sich an der Bar mit Erfrischungen bedienen.“ Sie musste lächeln bei der Erinnerung an seine verblüffte Miene, als er erfahren hatte, dass sie nicht die Flugbegleiterin, sondern die Pilotin war. Es hatte ihm beinah die Sprache verschlagen. Offenbar begnügten sich die Frauen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis mit der traditionellen Rolle, die man ihnen von jeher zugedacht hatte.

Aber Flugzeuge und das Fliegen waren schon seit ihrer Kindheit ihre große Liebe. Statt mit Puppen hatte sie mit Modellflugzeugen gespielt, später mit ferngesteuerten Flugzeugen. Edward, ein älterer Mann, der damals der Pilot ihres Vaters gewesen war, hatte ihr immer erlaubt, neben ihm im Cockpit zu sitzen. Und er hatte sogar einen Overall für sie besorgt, sodass sie mit ihm zusammen die Maschinen hatte warten können.

Mit achtzehn hatte Danie zum Leidwesen ihres Vaters genau gewusst, was sie werden wollte. Da damals gerade ihre Mutter an Krebs gestorben war, hatte Danie ihn relativ leicht überzeugen können, dass ein anderer Beruf für sie nicht infrage kam. Rome war über den Verlust seiner Frau und ihrer Mutter sehr verzweifelt gewesen und hatte in seinem Schmerz nicht ernsthaft versucht, seiner Tochter die Pläne auszureden. Vielleicht hatte er auch geglaubt, sie würde es sich während der Ausbildung noch anders überlegen. Aber da hatte er sich getäuscht.

Viele ihrer männlichen Kollegen hatten sie lange Zeit nicht ernst genommen. Man hatte angenommen, für sie sei das alles nur ein Spiel, das sie sich erlauben könne, weil ihr Vater viel Geld hatte.

Von solchen Männern habe ich genug, sagte sie sich jetzt. Auch Ben war ihrer Karriere gegenüber sehr intolerant gewesen.

Nein, nicht schon wieder Ben, mahnte sie sich sogleich ungeduldig. Monatelang hatte sie überhaupt nicht an ihn gedacht und plötzlich zweimal innerhalb einer halben Stunde. Das musste aufhören.

Es war wahrscheinlich nur Jonas Nobles Schuld, irgendetwas an ihm erinnerte Danie an Ben. Deshalb war sie froh, dass sie diesen Mann nie wieder sehen würde.

Sie drückte auf den Knopf über ihrem Kopf. „Wir landen in wenigen Minuten, Mr Noble“, verkündete sie. „Schnallen Sie sich bitte an.“ Wenn sie Glück hatte, würde er sich nicht lange bei ihrem Vater aufhalten. Dann könnte sie, nachdem sie Jonas Noble in die Stadt zurückgeflogen hatte, vielleicht doch noch mit Harrie einkaufen gehen.

Ihr Vater hatte Charles mit dem Rolls-Royce geschickt statt mit dem Range Rover, mit dem er normalerweise die Gäste von dem Landeplatz abholen ließ. Die Sache wird immer mysteriöser, überlegte Danie, während sie die Maschine nach der Landung ausrollen ließ. Rome benutzte den Rolls-Royce nur selten. Wer war Jonas Noble? Weshalb wurde er in diesem Wagen abgeholt?

„Bleiben Sie bitte sitzen, bis ich den Flieger zum Stehen gebracht habe, Mr Noble“, forderte sie ihn über die Sprechanlage schroff auf. „Ich komme dann zu Ihnen in die Kabine und öffne die Tür.“

Sie hatte das alles schon viele Dutzend Mal gemacht, doch an diesem Tag fand sie die Art von Unterhaltung mit einem Mann, den sie nicht sehen konnte, seltsam irritierend. Ein kleiner Trost war, dass es Jonas Noble wahrscheinlich genauso ging.

Nachdem sie den Flieger am Ende der Rollbahn abgestellt hatte, öffnete sie die Tür zum Passagierraum. Jonas Noble schlief tief und fest! Er wirkte so entspannt, dass Danie gereizt vermutete, er sei schon kurz nach dem Start eingeschlafen.

Er saß noch in demselben Sessel, in den er sich nach dem Einsteigen hatte sinken lassen. Wenigstens hatte er sich angeschnallt. Offenbar hatte er weder etwas gegessen noch getrunken, alles war unberührt, und er hatte noch nicht gemerkt, dass sie gelandet waren.

Im Schlaf sah er jünger aus als vierzig Jahre, auf die Danie ihn geschätzt hatte. Sie betrachtete die langen dunklen Wimpern und seine regelmäßigen Züge.

Seine Kleidung schien maßgeschneidert zu sein, und das schwarze Hemd sah sehr exklusiv aus. Er schien viel Geld zu haben.

Jedenfalls ist er mir ein Rätsel, dachte Danie und war etwas schockiert. Nach einigen Freundschaften, die aus unterschiedlichen Gründen unerfreulich verlaufen waren, war sie der Überzeugung, es sei reine Zeitverschwendung, sich über einen Mann Gedanken zu machen. Deshalb ärgerte sie sich darüber, dass sie so viel über Jonas Noble nachdachte.

Schließlich rüttelte sie ihn am Arm. „Mr Noble, wir sind angekommen …“

„Das will ich doch hoffen“, antwortete er leise und öffnete sogleich die Augen. „Sonst würde jetzt niemand den Flieger steuern.“

Für jemanden, der bis vor wenigen Sekunden geschlafen hatte, reagierte er erstaunlich kühl und klar, wie Danie fand. Sie trat einige Schritte zurück und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Heutzutage gibt es Autopiloten, Mr Noble“, stieß sie hervor.

„Ah ja.“ Er warf ihr einen spöttischen Blick zu und löste den Gurt.

Danie verzog die Lippen. „Haben Sie letzte Nacht zu wenig geschlafen, Mr Noble?“

„Ehrlich gesagt, ja.“ Er sah sie mit den braunen Augen an und stand auf. „Mehr Schlaf als diese halbe Stunde habe ich seit gestern Morgen nicht gehabt.“

„Hoffentlich war die Frau es wert!“ Der Mann wirkte so erotisch, dass nur eine Frau für seinen Schlafmangel verantwortlich sein konnte. Einen anderen Grund konnte Danie sich nicht vorstellen.

Seine Miene hellte sich auf. „O ja, das war sie. Aber etwas ganz anderes: Soll ich den ganzen Tag hier in dem Flugzeug verbringen?“, fragte er. „Eigentlich wollte ich heute noch Ihren Vater treffen.“

Danie errötete und öffnete die Tür. Automatisch wurde die Treppe ausgefahren. „Können Sie Ihr Gepäck selbst tragen? Oder soll ich Ihnen helfen?“ Ihre Stimme klang genauso spöttisch wie seine.

Jonas Noble verzog die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln, während er sich bückte und den kleinen Koffer aufhob. „Danke, es geht schon. Und danke für den guten Flug“, fügte er wie nebenbei hinzu.

„Woher wollen Sie denn wissen, dass er gut war?“, erwiderte sie scharf.

Er zuckte die Schultern. „Ich bin erst eingeschlafen, als wir sicher in der Luft waren. Ich habe noch gehört, dass nicht geraucht werden durfte, das war alles. Als Assistenzarzt konnte ich auch immer und überall einschlafen“, fügte er wie um Entschuldigung bittend hinzu.

Jonas Noble war Arzt? War Rome etwa krank?

Nein, das konnte Danie sich nicht vorstellen. Ihr Vater war bisher noch nie ernsthaft krank gewesen. Aber das konnte sich natürlich auch einmal ändern.

Sie befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge. „Worauf haben Sie sich spezialisiert, Mr Noble?“, fragte sie betont gleichgültig. Er sollte nicht merken, dass sie keine Ahnung hatte, weshalb er überhaupt hier war. Doch er war plötzlich auf der Hut.

„Ich würde sagen, auf das Leben selbst, Danie. Darauf schwören ja alle Ärzte den Eid“, antwortete er ausweichend. „Werden wir etwa in dem Auto abgeholt?“ Er wies auf den goldmetallicfarbenen Rolls-Royce, der wenige Meter neben dem Flieger stand. Charles war schon ausgestiegen und hielt die Wagentür auf.

„Sie werden abgeholt, nicht ich“, korrigierte sie ihn. „Ich habe hier noch einiges zu erledigen, ehe ich hinter Ihnen herkommen kann“, fügte sie zögernd hinzu.

Allzu gern wäre sie mit ihm gefahren, denn sie wollte unbedingt herausfinden, weshalb er da war. Aber erst musste sie alles überprüfen und die Maschine auftanken.

„Okay, dann sehen wir uns später.“ Mit leichten Schritten ging er die Treppe hinunter und lächelte Charles dankbar an, während er sich auf den Rücksitz des Rolls-Royce sinken ließ.

Danie blieb oben an der Treppe stehen und sah hinter ihm her. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Warum musste Rome mit einem Arzt sprechen? Weil er krank ist natürlich, gab sie sich sogleich selbst die Antwort.

Weshalb musste es unbedingt dieser bestimmte Arzt sein? War die Krankheit ihres Vaters so schwer oder kompliziert?

Plötzlich fühlte Danie sich ganz elend. Sie würde es nicht ertragen, wenn ihrem gut aussehenden, immer fröhlichen Vater etwas zustieß.

Jonas Nobles Besuch kam ihr vor wie eine Bedrohung.

„Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug.“

Jonas sah seinen Gastgeber an. Der ältere Mann hatte ihn vor wenigen Minuten an der Haustür des Herrenhauses begrüßt. Jetzt saßen sie in dem luxuriös eingerichteten Wohnzimmer. Jonas waren Rome Summers Fotos schon öfter in Zeitschriften und Zeitungen aufgefallen. Deshalb hatte er gewusst, dass der Mann gut aussah. Aber dass er vor Energie und Kraft nur so strotzte, konnte man auf den Fotos nicht erkennen.

Was für eine Antwort erwartete Rome auf seine Frage? Der Flug war gut gewesen – nur Romes Tochter hatte ihn irritiert.

Danie Summer war so stachlig wie ein Igel. Aber sie ist auch eine sehr schöne Frau, erinnerte ihn eine leise innere Stimme.

Ja, schön war Danie zweifellos. Doch auf ihre Stacheln und ihre scharfe Zunge hätte er lieber verzichtet.

„Ja, danke“, antwortete Jonas schroff. Er machte eine abwehrende Handbewegung, als Rome ihm Kaffee aus der Kanne anbot, die auf dem Tisch stand. „Sie haben mir gestern die Situation am Telefon erklärt“, fuhr er sachlich fort. „Wir können uns unterhalten, sobald ich mir ein genaues Bild gemacht habe.“

Jerome Summer saß reglos und mit gequälter Miene da. „Ich möchte noch einmal betonen, wie heikel die Angelegenheit ist.“

„Das ist mir klar“, versicherte Jonas ihm spöttisch. „Danie weiß nichts davon, stimmt’s?“, fügte er sanft hinzu.

Rome verzog das Gesicht und schüttelte wehmütig den Kopf. „Hat meine Tochter Ihnen unangenehme Fragen gestellt?“

Jonas zuckte die Schultern. „Eine oder zwei“, erwiderte er. „Aber keine Angst, ich nehme die ärztliche Schweigepflicht ernst.“

„Darauf nimmt Danie keine Rücksicht.“ Rome schüttelte den Kopf. „Vielleicht war es doch keine gute Idee, Sie von meiner Tochter abholen zu lassen, obwohl ich es für die beste Lösung gehalten habe.“

„Für solche Zweifel ist es jetzt zu spät“, stellte Jonas fest. „Danie ist nicht mein Problem. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Ich wollte Sie nicht beleidigen“, entschuldigte er sich, als ihm bewusst wurde, wie unhöflich seine Bemerkung war. „Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir, weil ich mich um einen schwierigen Fall kümmern musste. Deshalb bin ich heute etwas gereizt und ungeduldig“, erklärte er.

„Das ist verständlich.“ Rome Summer stand auf. „Lassen Sie uns nach oben gehen.“

Jonas nahm seinen Arztkoffer mit und hörte Rome höflich zu, während sie die Treppe hinaufgingen. Er hatte Mitleid mit dem älteren Mann und konnte nachvollziehen, wie ihm zumute war. Für Rome Summer, einen Mann, der in den letzten dreißig Jahren sein Leben und das seiner Familie unter Kontrolle gehabt hatte, musste es ein Schock gewesen sein. Aber selbst wenn sich Rome Summers Verdacht bestätigen sollte, wäre es keine Katastrophe. So etwas kam in vielen Familien vor.

Rome Summer wirkte jedoch so, als würde er es nicht schaffen, damit zurechtzukommen. Das wurde Jonas klar, als sie wieder im Wohnzimmer saßen und die Diagnose feststand.

„Ich kann es nicht glauben.“ Rome bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Natürlich habe ich so etwas vermutet …“

„Sonst hätten Sie mich nicht angerufen“, unterbrach Jonas ihn spöttisch und reichte dem älteren Mann eine Tasse Kaffee.

„Irgendwie habe ich es trotzdem nicht wahrhaben wollen.“ Rome schüttelte wie betäubt den Kopf und trank einen Schluck.

Jonas schwieg einige Minuten, um dem älteren Mann Zeit zu lassen, den Schock zu überwinden. Sobald Rome Summer sich mit der Diagnose abgefunden hatte, konnten sie darüber reden, was als Nächstes geschehen sollte.

Schließlich hob Rome den Kopf und sah Jonas an. Seine Augen wurden feucht. „Es tut mir leid“, sagte er seltsam schwerfällig. „Ich merke selbst, dass ich momentan Mühe habe, mich mit der Situation abzufinden.“ Er verzog wehmütig das Gesicht. „Ich wünschte, die Mutter meiner Töchter lebte noch. Sie hat immer das Richtige getan.“

„Wie viele Töchter haben Sie?“, fragte Jonas höflich. Jonas erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass seine Frau vor mehreren Jahren gestorben war.

„Drei.“ Rome seufzte. „Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich dreiundzwanzig.“

Jonas konnte sich gut vorstellen, dass Danie Summer allein schon für zwanzig zählte. Sie war eine energiegeladene, ungemein lebhafte junge Frau und konnte einem Mann und erst recht ihrem Vater Kopfzerbrechen bereiten.

„Leben sie alle noch hier bei Ihnen im Haus?“ Jonas ließ die Stimme betont gleichgültig klingen. Es interessierte ihn jedoch, ob Danie verheiratet war.

„Nein, keine mehr.“ Rome schüttelte den Kopf. „Harrie hat vorigen Monat geheiratet“, fügte er stolz hinzu. „Andie wohnt eigentlich in London, aber in der letzten Zeit ist sie oft hier.“

„Und Danie?“, fragte Jonas.

In dem Moment kam sie herein. „Ich halte mich immer da auf, wohin ich mit meinem Flugzeug fliegen muss“, erwiderte sie kühl und durchquerte den Raum.

Was für eine seltsame Antwort, dachte Jonas. Er versteifte sich und drehte sich zu ihr um. Geradezu schockiert betrachtete er sie. Die schwarze Baseballkappe war verschwunden, und das gewellte Haar fiel ihr über den Rücken. Es war von einem so herrlichen, intensiven Rot, wie er es noch nie gesehen hatte.

Ihr rotes Haar ließ sie geradezu vor Schönheit erstrahlen. Es schien ihre hohen Wangenknochen und die herrlichen grünen Augen zu betonen. Zweifellos war Danie Summer die bezauberndste und faszinierendste Frau, der er jemals begegnet war, dessen war er sich absolut sicher.

Langsam stand Jonas auf. „Mit Ihrem Flugzeug?“, wiederholte er seidenweich. Er war von so viel Schönheit geradezu überwältigt und tief beeindruckt.

Irritiert sah sie ihn an. „Mit Romes Flugzeug natürlich“, korrigierte sie sich und wandte sich dann an ihren Vater. „Ist alles in Ordnung?“

Rome war plötzlich wie verwandelt. Er lächelte wieder, und seine Miene hellte sich auf. Man merkte ihm nicht an, wie beunruhigt er noch vor wenigen Minuten gewesen war. Er spielt seiner Tochter etwas vor, aber früher oder später wird er ihr die Wahrheit sagen müssen, überlegte Jonas.

„Ja“, antwortete Rome lächelnd. „Ich habe Jonas zum Mittagessen eingeladen“, improvisierte er.

Sekundenlang zögerte Jonas. Doch da er noch nicht gefrühstückt hatte, fand er Romes Vorschlag verlockend.

„Wenn ich Ihnen nicht zur Last falle …?“, begann er.

Sogleich warf Danie ihm einen ärgerlichen Blick zu. „Seit wann interessiert es Sie, ob Sie jemandem zur Last fallen oder nicht?“, fuhr sie ihn an.

Jonas presste die Lippen zusammen, während Rome in sich hineinlachte. Vielleicht findet er die beleidigende Bemerkung seiner Tochter amüsant, ich jedoch nicht, dachte Jonas.

„Du kannst doch Harrie und Quinn jeden anderen Tag besuchen, Liebes.“ Rome legte seiner Tochter liebevoll den Arm um die Schulter.

„Wir hatten uns aber für heute verabredet“, beschwerte Danie sich.

Demnach hatte sie wirklich etwas anderes vorgehabt. Jonas ärgerte sich. Es war nicht seine Schuld, dass sie ihre Pläne hatte ändern müssen. Dafür war ihr Vater verantwortlich.

„Würdest du nicht lieber mit zwei attraktiven Männern zu Mittag essen?“, scherzte ihr Vater.

Danie musterte Jonas ungeniert von oben bis unten. „Nein, das reizt mich nicht“, erwiderte sie schließlich.

Dieser jungen Frau sollte man einmal kräftig den Hintern versohlen, schoss es Jonas durch den Kopf. Wenn ihr Vater es nicht schaffte, dann gab es sicher andere Männer, die es gern für ihn tun würden.

Für Jonas war es jedoch unvorstellbar, eine Frau zu schlagen. Er war in einem reinen Frauenhaushalt aufgewachsen. Seine Mutter war schon sehr früh Witwe geworden und hatte ihn und seine beiden älteren Schwestern allein großgezogen. Obwohl sie eine schöne und warmherzige Frau gewesen war, hatte sie nicht wieder geheiratet. Jonas war von allen verwöhnt und verhätschelt worden.

Seine sorgsam behütete Kindheit hatte er in guter Erinnerung. Er empfand großen Respekt vor seiner Mutter und seinen Schwestern und vor Frauen ganz allgemein.

Danie war eine sehr selbstständige und tüchtige junge Frau, die ihre Arbeit ernst nahm, obwohl sie aus einem reichen Elternhaus kam. Sie musste nur ihre Zunge im Zaum halten.

„Schade“, sagte Jonas und blickte Danie herausfordernd an.

Sie verzog die Lippen. „Das klingt wenig überzeugend“, entgegnete sie.

„Danie!“, mahnte Rome sie. „Jonas ist mein Gast! Muss ich dich daran erinnern?“

Plötzlich war Danie wie verwandelt. Es gab Jonas einen Stich, als sie strahlte und wie die Sonne wirkte, die zwischen grauen Wolken hervorschien. Ohne den Zynismus, mit dem sie ihn behandelte, war Danie Summer eine ungemein liebenswerte und bezaubernde Frau.

„Okay, ich habe nichts gegen ein gemeinsames Mittagessen“, sagte sie schließlich. „Möchten Sie sich zuvor noch erfrischen, Mr Noble?“, fragte sie so höflich, wie Jonas sie noch gar nicht kannte.

Er sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. Nicht eine Sekunde ließ er sich täuschen. Sie hatte ihre Meinung sicher nicht geändert. Und als sie seinen Blick betont unschuldig erwiderte, wusste er, dass er recht hatte. Danie Summer war aus einem ganz bestimmten Grund auf einmal so freundlich. Irgendwie hatte er das Gefühl, sie glaube, von ihm mehr über den Grund für seinen Besuch zu erfahren.

Sie verschwendet nur ihre Zeit, wenn sie annimmt, sie könnte mich mit Höflichkeit, die sowieso selbstverständlich ist, umstimmen, dachte er. Er würde ihr jedenfalls nicht verraten, warum ihr Vater ihn zu sich gebeten hatte. Er hielt sich strikt an seine ärztliche Schweigepflicht.

Das würde Danie rasch merken, wenn sie versuchte, ihm irgendwelche Informationen zu entlocken.

2. KAPITEL

Das ist reine Zeitverschwendung, dachte Danie, während sie lustlos in der Süßspeise stocherte. Nur weil sie hoffte, mehr über den Grund von Jonas Nobles Besuch herauszufinden, war sie bereit gewesen, mit ihm und ihrem Vater zu Mittag zu essen. Aber ihr Vater wollte offenbar über das Thema nicht reden, und Jonas Noble sagte erst recht nichts dazu.

Ihr Vater sah nicht krank aus, höchstens etwas angespannt. Sein Lächeln wirkte manchmal aufgesetzt, doch davon abgesehen war er wie immer.

Danie fühlte sich alleingelassen mit der Sorge um ihren Vater. Mit Andie konnte sie nicht darüber sprechen. Ihre jüngere Schwester hatte sich immer noch nicht von der Grippe erholt, die sie sich vor mehr als vier Wochen zugezogen hatte. Und Harrie, ihre ältere Schwester, hatte vor Kurzem geheiratet. Danie wollte sie nicht beunruhigen und ihr Glück nicht trüben.

Aber sie könnte mit Audrey reden. Audrey arbeitete seit zwölf Jahren für ihren Vater und war seine persönliche Assistentin. Irgendetwas würde sie ihr sicher verraten, wenn auch keine Details.

„Ich verzichte auf den Kaffee, wenn ihr nichts dagegen habt.“ Danie legte den Löffel hin und stand auf. „Ich muss noch etwas erledigen vor dem Rückflug“, fügte sie an ihren Vater gewandt hinzu.

„Natürlich haben wir nichts dagegen, Liebes“, antwortete ihr Vater. „Übrigens, Andie möchte nicht gestört werden, sie ist müde und will schlafen.“

„Vielleicht solltest du Dr. Noble bitten, Andie zu untersuchen, ehe ich ihn zurückfliege“, schlug Danie spöttisch vor.

„Warum das denn?“ Irgendetwas schien ihrem Vater an dieser Bemerkung nicht zu gefallen.

Sie zuckte die Schultern. „Die Grippe zieht sich bei ihr endlos lange hin. Aber vielleicht ist Allgemeinmedizin nicht Ihr Fach, oder?“, fragte sie an Jonas gewandt.

In seinen braunen Augen blitzte es ironisch auf. „Nein, es ist nicht mein Spezialgebiet, doch mit Krankheiten wie Grippe und dergleichen kenne ich mich trotzdem aus. Den Doktortitel können Sie weglassen. Nennen Sie mich einfach Mr Noble oder Jonas“, schlug er vor.

Ich will nur wissen, worauf er sich spezialisiert hat, alles andere ist mir egal, überlegte sie. Ihr war jedoch klar, dass keiner der beiden Männer ihr irgendeine Auskunft geben würde. Hoffentlich hatte sie bei Audrey mehr Glück.

„Dann bis später … Jonas.“ Sie entschied sich, ihn mit seinem Vornamen anzureden, weil er sie einfach Danie nannte, ohne dass sie es ihm erlaubt hatte.

Sie fand Audrey in Romes Arbeitszimmer. Sie war genauso ein Workaholic wie er und war mit seiner Korrespondenz beschäftigt.

Als Danie hereinkam, lächelte Audrey sie freundlich an. Sie war in den zwölf Jahren zu einem Mitglied der Familie geworden. Sie war zweiundvierzig Jahre, hatte blondes Haar, war sehr groß und eine schöne Frau.

„Oh.“ Audrey verzog das Gesicht und legte die Briefe weg. „Wer hat dich denn geärgert?“

Danie setzte sich auf die Schreibtischkante. „Sieht man mir den Ärger so deutlich an?“

„Ja.“ Audrey lachte.

„Kennst du eigentlich Jonas Noble?“, fragte Danie vorsichtig. Obwohl sie wusste, dass Audrey sie alle sehr gern hatte, war die ältere Frau Rome gegenüber absolut loyal. Sie würde niemals sein Vertrauen missbrauchen.

Audrey runzelte die Stirn. „Meinst du den Mann, den du heute in London abgeholt hast?“

Danie betrachtete Audrey aufmerksam. War das nur eine ausweichende Antwort, oder wusste sie wirklich nichts? Letzteres konnte Danie sich kaum vorstellen, denn Rome vertraute seiner Mitarbeiterin rückhaltlos. Aber wenn Audrey auch keine Ahnung hatte, was los war, wurde die Sache immer mysteriöser.

„Genau den“, erwiderte sie betont beiläufig.

„Nein, ich kenne ihn nicht“, sagte Audrey. „Wer ist dieser Jonas Noble?“

„Ich habe gehofft, das könntest du mir verraten“, gab Danie zu.

„Tut mir leid, da kann ich dir nicht helfen.“

Verdammt, es wird ja immer schlimmer, überlegte Danie. Da Audrey alleinstehend war und längst zur Familie gehörte, hatte Rome normalerweise keine Geheimnisse vor ihr. Doch offenbar hatte er noch nicht einmal mit Audrey über sein Problem gesprochen.

„Bis jetzt weiß ich nur, dass er Arzt ist“, erklärte sie.

„Oh“, sagte Audrey nachdenklich.

Bildete Danie es sich nur ein, oder war Audrey wirklich plötzlich auf der Hut? Aber wenn sie Jonas Noble doch gar nicht kannte, wie sie behauptet hatte, weshalb reagierte sie dann so seltsam?

„Kannst du mit der Information etwas anfangen?“, fragte Danie.

Audrey wandte sich ab. „Nein, eigentlich nicht. Rome hat ihn noch nie erwähnt.“

Das glaubte Danie ihr. Andererseits schloss sie aus Audreys Reaktion, dass sie irgendetwas wusste. Sie verbrachte mit Rome mehr Zeit als sonst jemand. Deshalb war sie bestimmt nicht so ahnungslos, wie sie tat. Dass sie mit niemandem über Romes Krankheit reden wollte, war eine andere Sache.

Danie stand auf. Sie würde sowieso nichts erfahren. „Okay, ich lasse dich wieder allein. Jonas Noble will nach London zurückgebracht werden.“ Sie verzog das Gesicht beim Gedanken daran, noch mehr Zeit in seiner Gesellschaft zu verbringen.

„Viel Spaß“, wünschte Audrey ihr geistesabwesend.

Wahrscheinlich ist ihr klar, was dieser Mann hier gewollt hat, dachte Danie, während sie langsam über den Flur ging. Sie seufzte. Wenn ihr Vater krank war, hatte sie das Recht, es zu erfahren. Natürlich würde sie sich aufregen und beunruhigt sein, aber es wäre auf jeden Fall besser als diese Ungewissheit und Geheimniskrämerei.

Plötzlich kam ihr Vater ihr vom anderen Ende des Flures her entgegen. „Warum machst du so ein langes Gesicht, Danie?“

„Was ist eigentlich los, Dad?“ Sie sah ihn aufmerksam an.

„Ich habe keine …“, begann er.

„Versuch nicht, mich abzuwimmeln und zu behaupten, du hättest keine Ahnung, wovon ich rede“, unterbrach sie ihn energisch und mit rebellischer Miene. „Du weißt genau, was ich meine.“

Rome zog vorwurfsvoll die Augenbrauen hoch. „Sicher, Danie“, antwortete er betont sanft. Und das war immer ein Zeichen dafür, dass er sich ärgerte. „Aber ich werde erst darüber sprechen, wenn ich dazu bereit bin.“

Danie atmete tief ein. Ihr Vater war ein harter und konsequenter Geschäftsmann, sonst wäre er nicht so erfolgreich gewesen. Seinen drei Töchtern gegenüber war er jedoch meist sehr geduldig und nachgiebig. Dass er sich jetzt über Danie ärgerte, bewies ihr, wie ernst die Sache war und wie sehr sie ihn belastete.

„Wo ist Jonas Noble?“, wechselte sie das Thema.

Ihr Vater entspannte sich etwas, und in seinen Augen blitzte es spöttisch auf. „Vielleicht habe ich mich ja getäuscht, aber vorhin hatte ich den Eindruck, du würdest ihm lieber aus dem Weg gehen.“

„Das stimmt auch. Aber ich habe wahrscheinlich gar keine andere Wahl, als noch einmal mit ihm zu fliegen.“

„Oh, das habe ich dir erspart.“ Rome lächelte. „Ich habe Charles gebeten, Jonas mit dem Auto nach London zu fahren“, erklärte er.

Danie war überrascht. „Wessen Idee war das?“, fuhr sie ihren Vater an. Natürlich hatte sie keine Lust, noch mehr Zeit mit Jonas Noble zu verbringen. Sie hatte jedoch gehofft, vielleicht irgendetwas von ihm zu erfahren.

„Meine“, antwortete Rome. „Jonas schien es auch für die bessere Lösung zu halten.“

Das glaube ich gern, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte gespürt, dass Jonas Noble sie nicht mochte. Er hielt sie vermutlich für unhöflich und zu direkt. Andererseits war ihr aufgefallen, wie ungeniert er sie gemustert hatte, als sie vor dem Essen ins Wohnzimmer gekommen war. Offenbar war er über ihr verändertes Aussehen überrascht gewesen. Vielleicht hatte er sie sogar attraktiv gefunden, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass sich dieser arrogante Mr Noble überhaupt von jemandem beeindrucken ließ.

„Ich war bei Audrey“, sagte Danie ärgerlich. „Weshalb hast du mir nicht Bescheid gesagt?“

Roms Miene wurde ernst. „Es ist mir lieber, dass Charles ihn fährt“, erklärte er ruhig.

Ja, damit ich keine Möglichkeit mehr habe, mich mit Jonas Noble zu unterhalten, dachte sie. Wenn ihr Vater glaubte, er hätte sie ausgetrickst, dann würde er eine Enttäuschung erleben. Jonas und Charles konnten erst vor wenigen Minuten abgefahren sein und waren bestimmt noch nicht weit gekommen.

„Was hast du vor?“, rief ihr Vater hinter ihr her, als sie sich umdrehte und die breite Treppe hinauflief.

Danie warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Ich muss nach London“, verkündete sie.

„Aber …“

„Entschuldige, Dad“, unterbrach sie ihn und nahm jeweils zwei Stufen auf einmal, „ich habe es eilig.“

Schnell zog sie sich in ihrem Schlafzimmer um und lief wieder nach unten. Als sie an der Wohnzimmertür vorbeikam, hörte sie Romes und Audreys Stimmen.

„… musst es ihnen bald erzählen“, sagte Audrey sanft. „Sehr bald sogar, finde ich. So etwas kannst du nicht noch länger für dich behalten.“

Es war normalerweise nicht Danies Stil zu lauschen. Doch bei Audreys Bemerkung blieb sie wie angewurzelt stehen.

„Das ist mir klar.“ Romes Stimme klang gequält. „Es ist nur so … Ach, es ist einfach kein Thema, das ich morgens beim Frühstück anschneiden kann“, erklärte er ungeduldig.

„Ich weiß. Aber wenn ich es mir schon denken konnte …“

„Ja, ja“, unterbrach Rome sie, „ich spreche mit ihnen, sobald ich dazu bereit bin. Erst muss ich selbst damit zurechtkommen.“

„Das verstehe ich doch, Rome“, antwortete Audrey heiser. „Ich wollte nur … O Rome“, stieß sie beunruhigt hervor, „in einigen Wochen sieht es jeder …“

Danie hatte genug gehört, mehr konnte sie nicht ertragen. Sie eilte aus dem Haus und machte die Tür leise hinter sich zu.

Was hat Audrey damit gemeint, in einigen Wochen würde es jeder sehen? Überlegte sie dann. Sie konnte keine Rücksicht mehr darauf nehmen, dass Jonas Noble sie unsympathisch fand. Nur er konnte ihr momentan weiterhelfen. Es war einen Versuch wert.

Jonas machte es sich auf dem Rücksitz des Rolls-Royce bequem, und schon bald fielen ihm die Augen zu. Glücklicherweise ist morgen Sonntag, und ich kann mich gründlich ausschlafen, dachte er.

Irgendwie hatte er das Gefühl, zu alt für schlaflose Nächte zu sein. Er kam sich vor wie ein Zombie. Doch trotz seiner Müdigkeit hatte er bemerkt, wie schön Danie Summer war und was für eine scharfe Zunge sie hatte.

Er schüttelte den Kopf. Man musste sich bei ihr vorsehen. Sie war offenbar davon überzeugt, er hätte sich über sie lustig gemacht. Und das nahm sie ihm sehr übel.

„Ich fahre am besten auf den Parkplatz“, verkündete in dem Moment Charles und schaute in den Rückspiegel. „Miss Danie will etwas von uns, glaube ich“, fügte er hinzu.

Miss Danie? Jonas richtete sich auf und blickte durch die Heckscheibe. Er konnte jedoch „Miss Danie“ nirgends sehen. Nur ein Motorrad war hinter ihnen, so eine riesige schwarze Maschine. Der Fahrer hatte sich tief über die Lenkstange gebeugt.

Jonas kniff die Augen zusammen und betrachtete den Fahrer genauer. Ja, kein Zweifel, es war Danie! Diese Frau liebte offenbar hohe Geschwindigkeiten und die Gefahr. Er drehte sich wieder um und wartete dann geduldig, was als Nächstes passierte. Charles parkte den Wagen, dann stieg er aus und redete mit Danie. Plötzlich wurde die Tür auf der anderen Seite aufgerissen, und Danie setzte sich neben Jonas auf den Rücksitz.

Er zog die Augenbrauen hoch und betrachtete Danie. Sie hatte den Sturzhelm abgenommen, und ihr rotes Haar fiel ihr über den Rücken. Der schwarze Lederanzug sah aus, als wäre er extra für sie angefertigt worden. Er betonte ihre Rundungen, und sie wirkte ungemein sexy, wie Jonas sich eingestand. Die Reaktion seines Körpers auf so viel weibliche Perfektion war absolut eindeutig.

Jonas ärgerte sich über sich selbst. „Was verschafft mir die Ehre?“, fragte er ironisch.

Sie verzog verächtlich die Lippen. „Sie haben vergessen, sich zu verabschieden“, erwiderte sie heiser.

„Okay, dann auf Wiedersehen, Danie“, sagte er. Ihm war natürlich klar, dass sie ihm aus einem ganz anderen Grund gefolgt war.

Danie lächelte. „Sie sind sehr höflich.“

Er neigte wie zustimmend den Kopf. „Meine Mutter hat sich bemüht, uns gutes Benehmen beizubringen.“

„Ah ja. Aber müssen wir uns jetzt schon verabschieden?“ In ihren Augen blitzte es rätselhaft auf.

Was hatte sie vor? Will sie mich herausfordern oder mit mir flirten? überlegte er. Nein, flirten wollte sie sicher nicht mit ihm, das hielt er für ausgeschlossen. Er war auf der Hut. „Haben Sie einen besseren Vorschlag?“

Sie zuckte die Schultern. „Ja. Lassen Sie uns heute Abend zum Dinner ausgehen.“

Jonas atmete tief ein. Er ließ sich nicht täuschen. Diese junge Frau legte gar keinen Wert auf seine Gesellschaft. Sie hatte ganz andere Gründe für ihren Vorschlag: Sie war von Anfang an neugierig gewesen und hatte wissen wollen, warum er ihren Vater zu Hause besuchte. Doch egal, was sie von ihm wollte, er war von ihr fasziniert.

„Ehrlich gesagt – das geht nicht“, lehnte er rundheraus ab und beobachtete belustigt, dass sie vor Ärger errötete. Offenbar war sie nicht daran gewöhnt, dass man ihr etwas abschlug.

Danie schluckte. „Warum nicht?“ Ihre Stimme klang gereizt.

Er musste lächeln. Sie hatte schon wieder aufgehört, mit ihm zu flirten und sich zu verstellen. Jonas gestand sich ein, dass ihm ihre direkte, oft unhöfliche Art besser gefiel, weil er dann genau wusste, woran er war.

„Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, mit Ihnen auszugehen, Danie. Nur heute Abend ist es unmöglich“, hörte er sich dann selbst sagen. „Sie haben bestimmt schon gemerkt, wie schwer es mir fällt, nicht vor Müdigkeit im Sitzen einzuschlafen.“

Sogleich verschwand ihr Ärger. „Natürlich.“ Sie nickte mit spöttischer Miene. „Sie haben schon erwähnt, dass Sie letzte Nacht nicht geschlafen haben.“

Und sie hatte daraus voreilige Schlüsse gezogen, das war ihm klar. Insgeheim musste er lächeln. Natürlich hatte er Freundinnen gehabt, und es war ganz normal, dass er auch so manche schlaflose Nacht hinter sich hatte. Aber seit einiger Zeit war er allein, denn er war es leid, sich auf etwas einzulassen, was letztlich zu nichts führte.

Während der letzten Monate hatte er viel über sich nachgedacht. Er liebte seine Arbeit, verstand sich gut mit seiner Mutter und seinen Schwestern und deren Familien. Doch irgendetwas fehlte ihm, er war seltsam ruhelos. Vielleicht lag es daran, dass es momentan keine Frau in seinem Leben gab.

Ein Abendessen mit Danie Summer wäre sicher sehr unterhaltsam und eine angenehme Abwechslung.

„Wir können es auf morgen verschieben“, schlug er vor.

Vielleicht habe ich gerade einen großen Fehler gemacht, überlegte er. Auch wenn Danie Summer atemberaubend schön war, war sie ihm bis jetzt nicht besonders sympathisch. Und er hatte den Eindruck, dass sie ihn auch nicht mochte.

Trotzdem könnte es ein interessanter Abend werden, wenn Danie seinen Vorschlag akzeptierte. Momentan schien sie jedoch ein Problem damit zu haben. Aus Romes Bemerkungen hatte Jonas entnommen, dass Danie nicht verheiratet war. Das bedeutete aber nicht, dass sie keinen Partner hatte. In dem Fall könnte es für sie wirklich schwierig sein, mit einem anderen Mann auszugehen. Andererseits war es ihre eigene Idee gewesen, sodass es ihr letztlich egal sein konnte, an welchem Abend sie sich trafen.

Oder gefiel es ihr nicht, dass sie noch vierundzwanzig Stunden warten musste? Das ist durchaus möglich, dachte er. Er hatte Danie Summer als sehr spontan kennengelernt. Was getan werden musste, tat sie am liebsten sogleich. Wahrscheinlich war sie auch deshalb mit dem Motorrad hinter ihm hergefahren.

„Fällt Ihnen die Entscheidung so schwer?“ Jonas wurde langsam ungeduldig. Seine Zeit war nicht weniger kostbar als ihre. Außerdem sehnte er sich danach, sich endlich ins Bett legen und schlafen zu können – allein natürlich.

Sekundenlang blitzte es in Danies Augen ärgerlich auf. Sie hatte sich jedoch rasch wieder unter Kontrolle und zauberte sogar ein Lächeln auf die Lippen. „Morgen Abend ist okay“, erwiderte sie etwas steif. „Das ist wahrscheinlich auch besser so“, fügte sie hinzu, nachdem sie sich mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, dass sie ihren Plan ändern musste. „Ich werde in meinem Lieblingsrestaurant einen Tisch reservieren lassen. Das klappt bestimmt noch, auch wenn morgen Sonntag ist.“

Selbst wenn sie ohne Reservierung in ihr Lieblingsrestaurant gehen würde und alle Tische besetzt wären, würde man noch irgendwo einen Platz für sie finden, überlegte Jonas. Mit ihrem selbstbewussten und leicht arroganten Auftreten setzte sie sich bestimmt überall durch.

Deshalb war es für Jonas auch keine Überraschung, dass sie sich um die Reservierung kümmern wollte, statt es ihm zu überlassen. „Um wie viel Uhr holen Sie mich ab?“, fragte er leicht spöttisch und lachte, als sie ihn verblüfft ansah. „Wenn man jemanden zum Essen einlädt, sollte man ihn auch abholen“, erklärte er und erinnerte sie indirekt daran, dass es ihre Idee gewesen war.

Danie war irritiert. „Ist Ihnen halb acht recht?“, fragte sie angespannt.

„Das hängt davon ab, für wann Sie den Tisch bestellen.“

Sie presste die Lippen zusammen. Ihr war klar, dass Jonas es ihr absichtlich schwer machte. „Für acht Uhr.“

„Dann ist mir halb acht recht.“ Ihr momentanes Unbehagen amüsierte ihn. Er bezweifelte jedoch nicht, dass sie es rasch überwinden würde. „Ich freue mich auf morgen“, fügte er sanft hinzu.

Na, das kann man von ihr wohl nicht behaupten, schoss es ihm durch den Kopf, als er ihre Miene bemerkte. Er musste sich das Lachen verbeißen. Er glaubte nicht, dass Danie ihn von seiner seltsamen Rastlosigkeit würde kurieren können, mit der er sich seit einiger Zeit herumquälte. Aber sie hatte ihm auf jeden Fall den ansonsten eher schwierigen Tag angenehmer gemacht. Schließlich gestand er sich ein, dass er sich wirklich auf den nächsten Abend und die Wortgefechte mit ihr freute.

Er warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. „Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Danie? Ich muss noch eine Patientin besuchen, ehe ich nach Haue fahren und mich ins Bett legen kann.“

Sogleich blitzte es in ihren Augen ungeduldig auf. Aber Danie hatte sich rasch wieder unter Kontrolle. „Sie sind offenbar ein viel beschäftigter Arzt“, stellte sie fest.

„Ja. Leider werde ich nicht oft in Privatjets abgeholt.“

„Wo befindet sich Ihre Praxis?“, fragte sie betont beiläufig.

Wie leicht man sie doch durchschauen kann, dachte Jonas. „Oh, ich arbeite mal hier, mal da“, antwortete er geheimnisvoll und musste an sich halten, um nicht laut zu lachen.

Danie konnte ihren Frust und Ärger kaum noch verbergen. „Dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten“, sagte sie und griff nach dem Sturzhelm und den Lederhandschuhen, die sie auf den Sitz neben sich gelegt hatte.

„Haben Sie nicht etwas vergessen?“, erinnerte Jonas sie, während sie ungeduldig die Tür aufstieß.

Danie drehte sich zu ihm um und sah ihn verblüfft an. „Nein. Wieso?“ Sie schüttelte den Kopf und wirkte ungemein bezaubernd mit dem langen roten Haar, das ihr schönes Gesicht umrahmte.

Sie ist wirklich eine ungewöhnliche Schönheit, dachte Jonas. Schade, dass sie ihn nur deshalb wiedersehen wollte, weil sie hoffte, etwas über den Grund seines Besuchs bei ihrem Vater herauszufinden. Natürlich würde er ihr nichts verraten, aber er war neugierig, wie sie vorgehen würde.

„Wo wollen Sie mich denn abholen? Sie wissen doch gar nicht, wo ich wohne.“ Er zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus der Tasche. Rasch schrieb er seine Adresse auf, riss den Zettel ab und reichte ihn Danie. „Ich bin morgen Abend um halb acht fertig und warte auf Sie.“

Ärgerlich steckte Danie den Zettel in die Tasche der Lederjacke. Wie hatte sie das vergessen können? „Ich bemühe mich, pünktlich zu sein“, stieß sie hervor. Dann stieg sie aus und schlug die Tür hinter sich zu.

Wenige Sekunden später schoss Danie auf dem schwarzen Motorrad mit ohrenbetäubendem Getöse an ihnen vorbei und verschwand in der Ferne.

Jonas lehnte sich entspannt zurück und lächelte. Danie Summer hatte eine scharfe Zunge, und ihre Arroganz grenzte schon an Verachtung. Aber sie war auch ungemein schön und die faszinierendste Frau, die er jemals kennengelernt hatte.

Wirklich schade, dass sie morgen nur mit mir ausgeht, um zu erfahren, warum ich heute bei ihrem Vater war, sagte er sich noch einmal. Und es war schade für Danie, dass sie eine Enttäuschung erleben würde.

3. KAPITEL

Danie betrachtete sich im Spiegel. Das kurze grüne Seidenkleid, unter dem sie keinen BH und nur einen Tangaslip trug, schmiegte sich verführerisch an ihren Körper. Das leicht gewellte rote Haar mit dem goldenen Schimmer fiel ihr über Schultern und Rücken und wirkte wie eine lodernde Flamme.

Das Make-up hatte sie sehr dezent aufgetragen – normalerweise benutzte sie überhaupt keins – und die Augen, die von langen, dichten Wimpern umrahmt wurden, mit Lidschatten betont. Das rote Lipgloss war perfekt auf die Farbe ihres Haares abgestimmt.

Wenn Jonas Noble sie in dieser Aufmachung nicht attraktiv fand, war er kein normaler Mann.

Als er am Tag zuvor ihre Einladung zum Abendessen abgelehnt hatte, war sie irritiert gewesen. Sein Vorschlag, vierundzwanzig Stunden später mit ihr auszugehen, war nur ein kleiner Trost gewesen. Sie konnte es kaum erwarten, zu erfahren, was mit ihrem Vater los war.

Im Nachhinein gestand sie sich jedoch ein, dass es die bessere Lösung war. Sie hatte Zeit gehabt, sich zu beruhigen und die Gedanken zu ordnen. Und sie hatte in Ruhe darüber nachdenken können, wie sie Jonas zum Reden bringen konnte. Ihr Problem war, sie konnte ihr Temperament nicht zügeln und wurde leicht ungeduldig.

Dass Jonas sie attraktiv fand, war ihr klar, denn ihr waren seine bewundernden Blicke nicht entgangen. Da er selbst auch attraktiv war, würde es ihr sogar Spaß machen, mit ihm zu flirten. Andererseits ärgerte sie sich immer wieder über ihn, und dann reagierte sie so heftig, dass er sich provoziert fühlte.

Es war eine schwierige und nicht gerade Erfolg versprechende Situation, wie Danie sich eingestand. Vielleicht sollte sie versuchen, ihn zu überzeugen, dass seine schlechte Meinung über sie falsch war.

Sie hätte sich gern die Informationen, die sie haben wollte, auf andere Art und Weise verschafft. Deshalb war sie am Morgen zu ihrem Vater gefahren, um mit ihm zu reden. Er war jedoch nicht zu Hause gewesen, sondern geschäftlich mit Audrey nach Schottland gefahren. Auch Andie war nicht da gewesen, und Danie nahm an, dass sie in ihrem Apartment in der Stadt war. Aber sie wollte ihre Schwestern nicht beunruhigen, ehe sie sich selbst ein klares Bild gemacht hatte von dem Zustand ihres Vaters.

Wahrscheinlich war Jonas Noble der Einzige, der ihr helfen konnte.

Schließlich war es Zeit zu gehen. Sie nahm ihre kleine Abendtasche mit und legte sich den leichten Kaschmirschal um die Schultern. Um Jonas nicht in seiner schlechten Meinung zu bestärken, wollte sie auf jeden Fall pünktlich bei ihm sein.

Er wohnte in Mayfair, in einer Eigentumswohnung, wie sie zunächst annahm. Doch bei der von ihm angegebenen Adresse handelte es sich um ein beeindruckendes, dreigeschossiges Haus, in dem er offenbar allein lebte. Er scheint gut zu verdienen, schoss es Danie durch den Kopf.

In dem schwarzen Abendanzug und dem weißen Seidenhemd sah er ungemein gut aus, wie Danie wenige Minuten später feststellte, als er ihr die Tür öffnete.

Der Anzug war offenbar maßgeschneidert. Er saß perfekt, und Danie betrachtete bewundernd Jonas’ breite Schultern, die schlanke Taille und die langen Beine. ...

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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