Verbotene Sehnsucht in Venedig

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Hochzeitsplanerin Brenda fühlt sich wie im Film. Fährt sie wirklich mit dem aufregenden Modedesigner Lorenzo Rinaldi nach Venedig, um kostbare Stoffe für das Brautkleid ihrer Schwester auszuwählen? Sein sexy Lächeln gibt ihr eine klare Antwort: Gegen jede Vernunft begehrt sie Lorenzo mit allen Sinnen. Dabei wollte sie den Erben einer Tuchdynastie mit ihrem Katz-und-Maus-Spiel auf Abstand halten. Doch als Lorenzo sie in einer Gondel auf dem Canale Grande küsst, wird sie endgültig schwach. Fatal, denn eine böse Lüge lässt ihr Herz in Scherben zurück …


  • Erscheinungstag 20.09.2022
  • Bandnummer 192022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509978
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Gute an einer VIP-Karte war, dass man damit überall reinkam. Allerdings hatte Brenda für die Karte ziemlich tief in die Tasche greifen müssen. Dass sie den Betrag anschließend als Betriebsausgabe auf das Konto ihrer Hochzeitsagentur Bride’s Pride verbucht hatte, tröstete nur wenig, denn es änderte nichts: Die Karte war teuer gewesen. Eigentlich konnte sich ihr Unternehmen keine solche Ausgabe leisten.

Zumindest noch nicht. Andererseits: Wann konnte man das internationale Modegeschehen schon mal dermaßen hautnah miterleben? In den letzten drei Tagen war Brenda einigen Topmodels so nahe gekommen, dass sie ihnen direkt in die unbewegten Gesichter hatte schauen können, mit denen die weltberühmten Schönheiten auf dem Catwalk ständig den Eindruck vermittelten, als beeindrucke sie der ganze Rummel überhaupt nicht.

Im Gegensatz zu ihr. Brenda war zum ersten Mal auf der Fashion Week in Mailand, und sie war begeistert. Was machte es da schon, dass sie seit ihrer Ankunft täglich kreuz und quer durch die Stadt gehastet war, um von einer Location zur nächsten zu gelangen? Mit ihrer VIP-Karte musste sie sich nirgendwo anstellen und hatte automatisch ein Anrecht auf einen Platz in den vordersten Reihen – ganz wie die Vertreter der großen Modeketten und Edelboutiquen. Und so manche Millionärsgattin.

So weit war Brenda zwar noch lange nicht, aber ihre eigene Agentur machte gar nicht mal so schlechte Umsätze – verglichen mit dem Lebensstandard, den Brenda von zu Hause gewohnt gewesen war. Sie stammte aus Galway, einem irischen Küstenort, in dem ihre Mutter zusammen mit Brendas jüngerer Schwester Aislyn eine kleine Pension mit angeschlossenem Reiterhof führte. Das Familienunternehmen hatte bis vor Kurzem gerade mal so viel abgeworfen, dass es nach dem Tod des Vaters nicht verkauft werden musste. Nahe genug dran waren sie gewesen.

Brendas ältere Schwester Sheela verdiente als Reisefotografin auch keine Reichtümer, aber ihr Leben würde sich diesbezüglich bald ändern: In wenigen Wochen heiratete sie, und zwar nicht irgendwen, sondern den höchst erfolgreichen Spross eines griechischen Reeders. Brenda war ihrem zukünftigen Schwager Nikos zwar noch nicht persönlich begegnet, aber auf den Fotos, die Sheela stolz herumgezeigt hatte, machte er ziemlich was her. Attraktiv war gar kein Ausdruck.

Die anstehende Hochzeit würde natürlich Brendas Agentur ausrichten, und genau diesen Umstand hatte Brenda jetzt als willkommenen Anlass für ihren Flug von London nach Mailand vorgeschoben: Sie wollte auf der Fashion Week den Stoff für Sheelas Brautkleid erstehen, und selbstredend war unter den gegebenen Umständen das Beste vom Besten gerade gut genug, darin waren sich die Kavanagh-Schwestern einig.

Im Moment befand sich Brenda im Teatro Manzoni, wo in dreißig Minuten die nächste Show beginnen sollte. Es war noch etwas Zeit – Zeit, die Brenda nutzen wollte, um sich ein wenig genauer an einem Ort umzusehen, zu dem eigentlich auch Besitzer von VIP-Karten keinen Zutritt hatten, zumindest nicht ohne gesonderte Einladung: den Umkleiden der Models.

Brenda brannte darauf, die Atmosphäre unmittelbar vor einer Show mitzuerleben, das hektische Ankleiden, die fieberhafte Suche nach Sicherheitsnadeln und Gummibändern, das Herumgestöckele auf Schuhen in falscher Größe, das geschäftige Hantieren mit Lippenstift und Puder, das aufgeregte Geraschel, Gewisper und Geraune.

Sie war sich auch ziemlich sicher, dass ihr ein Blick in diese fremde Welt gelingen würde, denn mit allzu großer Schüchternheit war sie nicht ausgestattet. Als mittlere Schwester hatte sie frühzeitig gelernt, auf sich aufmerksam zu machen; Durchsetzungskraft und Einfallsreichtum waren ihr in die Wiege gelegt. Den Blick der Eltern auf sich zu lenken war nicht immer leicht gewesen, aber sehr wahrscheinlich verdankte sie ihrer Position zwischen einer jüngeren und einer älteren Schwester ihren jetzigen Hang zu glamouröser Kleidung und theatralischem Auftreten. Diese Mittelstellung war übrigens auch der Grund, warum sie schon seit einigen Jahren in London lebte. In London wurden sie und ihre Agentur wenigstens gesehen.

Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Kurz überprüfte Brenda im Taschenspiegel noch einmal den Sitz ihrer Frisur sowie das Make-up. Ja, alles stimmte. Sie schnappte sich ihren exquisiten Kaffeebecher – ein Werbegeschenk von Versace, das ihr zusammen mit der VIP-Karte überreicht worden war – und machte sich mit einem Gesichtsausdruck, der besagte, dass sie nirgendwo anders hingehörte als genau hierher, auf den Weg hinter die Bühne.

Carissima, bleib doch bitte mal einen Augenblick lang ruhig stehen!“

Lorenzo war genervt. Normalerweise kümmerte sich sein Schwager Franco um diese letzten Augenblicke vor der Show. Aber Franco war mit einer vorgeschützten Sommergrippe in Florenz geblieben, was damit zusammenhing, dass er in wenigen Monaten zum ersten Mal Vater werden würde. Seine Frau Giulia, Lorenzos ältere Schwester, war nach langer Zeit und vielen Enttäuschungen endlich schwanger, wovon bisher niemand außer Lorenzo wusste, denn es war noch nicht klar, ob es nicht doch zu Komplikationen kommen würde.

Verständlicherweise wollte sich Franco deshalb nicht in Mailand mit Problemen herumschlagen, während zu Hause seine im vierten Monat risikoschwangere Frau auf ihn wartete, obwohl die Fashion Week normalerweise der Jahreshöhepunkt seiner Arbeit war. Giulia und er waren bereits seit sieben Jahren verheiratet. Sie hatten sich auf einem Modeevent kennengelernt, denn Francos Familie arbeitete ebenfalls im Bereich Fashion, allerdings hatte sie es im Gegensatz zu den Rinaldis nie zu einem großen Namen gebracht. Franco hatte deshalb nach der Heirat mit Giulia die Option gewählt, in die Firma der Rinaldis einzusteigen, und bisher machte er seine Sache sehr gut.

Eigentlich mochte auch Lorenzo das hektische Treiben, die Rufe und das Gelächter unmittelbar vor einer Show – und vor allem mochte er die Models. Die waren meist groß, schlank und nervös wie Rehe, dazu von einer gespielten Unnahbarkeit, die ihn immer wieder aufs Neue reizte. Gern bot Lorenzo von Zeit zu Zeit seinen gesamten Charme auf, um eine von ihnen in sein Bett zu bekommen. Allerdings hatte er in letzter Zeit den Eindruck gehabt, dass weniger sein Charme als seine näher rückende Übernahme der Firma für diesbezügliche Erfolge verantwortlich war.

Bestimmt versprachen sich einige der Mädchen weitere Auftritte oder gar ein Einheiraten in seine Familie – aber sein Vater hütete das Unternehmen mit Argusaugen. Und Lorenzo war es recht, denn er hatte nicht vor, so früh wie Giulia und Franco eine Familie zu gründen. Was nun allerdings dazu geführt hatte, dass er die alleinige Verantwortung für die Show trug. Und das fühlte sich im Moment so an, als hätte er einen Sack Flöhe zu hüten.

„Bianca, wo ist der Gürtel, der zu diesem Kleid gehört? So kannst du nicht auf den Steg.“

Das angesprochene Model, ein junges Ding mit elfenzarter Gesichtshaut, sah ihn erschrocken an, und plötzlich registrierte Lorenzo etwas Eigenartiges: Ihre großen rehbraunen Augen reizten ihn nicht. Nicht im Geringsten. Auch als sein Blick über die Figur des Models glitt, die kleinen wippenden Brüste, die schmalen Hüften und die langen Beine, regte sich nichts bei ihm. Das Mädchen war schön, keine Frage. Aber irgendwie kam ihm bloße Schönheit plötzlich schal vor. Es fehlte … ja was?

Was war los mit ihm? Er war gerade dreißig geworden, steckte in der aktivsten und vitalsten Phase seines Lebens. Begann womöglich Giulias und Francos Familienidyll auf ihn abzufärben? Das wollte er doch nicht hoffen. Auf dem Standesamt zu versprechen, dass man fortan nur noch mit einer einzigen Person ins Bett ging – denn nichts anderes war ein Eheversprechen in Lorenzos Augen –, kam ihm völlig absurd vor. Dafür war das Dasein viel zu aufregend und die Auswahl viel zu groß.

Auch wenn ihn offensichtlich nicht mehr jede Frau reizte. Aber das heißt ja eigentlich nur, dass ich langsam einen erleseneren Geschmack ausbilde, tröstete sich Lorenzo über die verwirrende Entdeckung hinweg.

Er sah das Model an, das immer noch mit erschrockenen Augen vor ihm stand. Und plötzlich wusste er, was dem Mädchen fehlte. Ganz klar: Charisma! Sie war hübsch, das ja, aber ihr mangelte es eindeutig am gewissen Etwas. Was immer das auch war.

„Wo hast du den Gürtel denn zum letzten Mal gesehen?“, fragte er mit dem geduldigen Ausdruck eines Vaters, der nicht genau weiß, wie viel Disziplin er seinem Kind schon abverlangen darf.

Das Model blinzelte ein paarmal..

„Weiß nicht genau …“

Lorenzo stöhnte innerlich auf. Das waren exakt die Momente, die er an den Shows nicht mochte. Professionalität ging anders. Ohnehin war er eher Unternehmer als Modedesigner. Dieser ganze Rummel hier war eigentlich in erster Linie Francos und Giulias Welt. Lorenzo hielt sich während der Fashion Week am liebsten in den Tuchhallen auf, wo die edlen Stoffe manchmal für Unsummen den Besitzer wechselten. Er war ein brillanter Geschäftsmann, der knallhart kalkulierte und genauso geschickt zu verhandeln wusste. Der Markt war sein eigentliches Revier, dort gehörte er hin. Das sah seine Familie übrigens genauso. Nur der Vater machte ihm in letzter Zeit unerwartete Probleme.

Aber natürlich war Lorenzo Profi genug, sich jetzt nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, weder von dem Model noch von seinen Gedanken an den Vater. Nicht umsonst hielt er in seinem Caravan eine zweite und sogar dritte Garnitur jedes einzelnen Ausstellungsstücks bereit. Das war, neben der Ökobilanz, auch der Grund, warum er zur Fashion Week nie mit dem Flugzeug anreiste. Der Caravan bot ausreichend Platz für all die Kisten, Schränke und Boxen, die er bei so einem Event mit sich führte.

Ein exquisites Hotelzimmer hatte Lorenzo sich aber trotzdem gegönnt, eine Suite in einem ansonsten eher mittelklassigen Hotel, denn derlei Kosten liefen über das Firmenkonto, auf das sein Vater ebenfalls ein strenges Auge hatte.

„Warte kurz hier“, sagte er und öffnete die Tür der Umkleide. Besser, er ging den Gürtel selbst holen. Schließlich wusste er, an welcher Stelle im Caravan er suchen musste.

Dio mio! Wo kommst du denn jetzt noch her?“

Beinahe wäre er gegen eine junge Frau gelaufen, die unmittelbar hinter der Tür gestanden haben musste. Wahrscheinlich ein Model, das zu spät zur Anprobe kam. Mit herausforderndem Blick sah sie ihn an, und Lorenzo registrierte zwei Dinge. Erstens: Er kannte dieses Model nicht. Franco musste es im letzten Moment gebucht haben. Weiß der Himmel wofür, denn eigentlich brauchten sie hier niemanden mehr.

Der zweite Grund war interessanter: Es stimmte nicht, dass ihn Models neuerdings kalt ließen. Ganz im Gegenteil – gerade geriet sein Blut auf eine Art in Wallung, wie es ihm schon lange nicht mehr passiert war. Überrascht bemerkte Lorenzo, wie sich sein Unmut auf der Stelle verflüchtigte und einer interessierten Neugier Platz machte.

Wer war diese Frau? Schlank und aufrecht stand sie vor ihm, in einer Haltung, die Stolz und ungebrochenes Selbstbewusstsein verriet. Ihr mahagonibraunes Haar war hochgesteckt, was ihr fantastisch stand. Es betonte ihre elegante Halslinie, und als sein bewundernder Blick nach wenigen Augenblicken von ihren Brüsten angezogen wurde, begann Lorenzos Herz schneller zu schlagen.

Auch wenn er keine Ahnung hatte, für welches Kleid ihrer Kollektion sein Schwager dieses Model noch engagiert hatte – dass Franco es gebucht hatte, konnte er sehr gut nachvollziehen. Mit geradezu königlicher Haltung stand die junge Frau vor ihm und sah ihn aus faszinierend meergrünen Augen an, die einen ganz leichten Türkisstich aufwiesen. In der Hand hielt sie einen Kaffeebecher von Versace.

Tatsächlich? Versace? Lorenzo kniff die Augen zusammen. Das sprach nun wirklich für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, fast schon für Verwegenheit. Dass ein Model während eines Engagements Werbung für einen anderen Modedesigner machte, kam einer Todsünde gleich. Bisher hatte das auch noch keins der Mädchen gewagt.

Aber was hieß hier Mädchen! Eindeutig stand eine erwachsene junge Frau vor ihm – mit allen dazugehörigen Attributen: sinnlich vollen Lippen, sanft gerundeten Hüften und schmaler Taille, dazu ellenlangen Beinen und mit einem Dekolleté, das ihm jetzt sogar den Schweiß auf die Stirn treten ließ.

Lorenzo räusperte sich. Was hatte er gleich noch gewollt? Ach ja, der Gürtel! Bedauernd riss er sich von dem umwerfenden Anblick los und musste sich noch ein zweites Mal räuspern, ehe ihm seine Stimme wieder gehorchte.

„Geh schon mal rein, bellissima“, sagte er rau, „und mach dich inzwischen mit der Visagistin bekannt.“ Damit nahm er sie beim Arm und schob sie in die Umkleide. „Ich bin gleich wieder da.“

Hallo? Was war das denn eben? Hatte dieser Typ sie tatsächlich erst geduzt und anschließend wie ein kleines Mädchen beim Arm gefasst, um sie in den Raum zu schieben? Zusätzlich hatte er zu verantworten, dass Kaffee auf ihr bestes Kleid geschwappt war, denn unmittelbar bevor er die Tür aufgerissen und in Brenda hineingerannt war, hatte sie den Kaffeebecher aufgeschraubt, um etwas Zucker nachzufüllen.

Na toll! So konnte sie jetzt natürlich nicht zur Show zurückkehren, die in ein paar Minuten begann. Schließlich waren neben der Presse auch internationale Kamerateams zugegen, die mit den Models auf dem Catwalk zwangsläufig auch das Publikum in den ersten Reihen ablichten würden. Wie sollte das denn aussehen: Brenda Kavanagh von der berühmten Londoner Hochzeitsagentur Bride’s Pride im kaffeebefleckten Kleid auf der Fashion Week! Na gut, berühmt war relativ, im Grunde musste ihre Agentur diesen Status erst noch erringen. Aber zumindest in London hatten sie schon einen guten Ruf und wurden immer häufiger auch von einer Klientel in Anspruch genommen, die bei ihren großen Hochzeitspartys nicht jeden Penny zweimal umdrehte.

Und nun das! Verärgert stellte Brenda den Kaffeebecher auf einem kleinen Tischchen ab und sah sich hilfesuchend um. Niemand achtete auf sie. Um sie herum herrschte Hektik, die Models liefen geschäftig hin und her, zupften aneinander herum, wedelten mit den Händen, damit der Nagellack schneller trocknete, oder drehten sich vor großen Spiegeln, während an ihren Kleidern noch schnell Säume abgesteckt und letzte Schwachstellen kaschiert wurden. An allen Wänden standen Schneiderbüsten, auf die verschiedene Ausstellungsstücke aufgezogen waren. Es summte wie in einem Bienenstock.

Hingerissen trat Brenda ein paar Schritte näher an die Aufsteller heran. Die Kleider waren der Hammer! Und erst die Stoffe: Brokat, Taft, Spitze, Chiffon und natürlich Seide. Fasziniert griff Brenda nach der Schleppe eines Kleids und ließ das federleichte Material durch ihre Hände gleiten. Es war echte Naturseide, die aus dem Kokon von Seidenraupen gewonnen wurde. Sie bot ihrer Trägerin bei jedem Wetter einen angenehmen Komfort, da sie bei niedrigen Temperaturen wärmend und im Sommer kühlend wirkte.

Seide war ideal für ein Brautkleid. Und tatsächlich schien das Teil, dessen Stoff Brenda gerade befühlte, ein Hochzeitskleid zu sein. Allerdings kein jungfräulich weißes, sondern ein champagnerfarbenes. Dieser Farbton stand bei Brendas Klientel zurzeit besonders hoch im Kurs, denn er passte sehr gut zu hellen Haaren und blasser Haut – eine Kombination, die im nördlich gelegenen London nicht gerade selten auftrat. Außerdem hatte Champagner einen weiteren Vorteil: Kombinierte man die Farbe mit elfenbeinfarbener Spitze, hob sich das hauchzarte Gewebe vom dunkleren Unterstoff im sogenannten 3-D-Look ab und gab dem Kleid eine gewisse Tiefe, was der Figur seiner Trägerin schmeichelte.

Brenda schürzte anerkennend die Lippen. Hier war ein absoluter Könner am Werk gewesen.

„So, bellissima, nun sag mir kurz deinen Namen und welches Kleid Franco für dich geplant hat“, hörte sie unvermittelt eine tiefe Stimme hinter sich.

Brenda fuhr herum. Da stand dieser Typ schon wieder und sah sie auf eine Weise an, dass ihr eine Antwort glatt im Hals stecken blieb. Hatte sie schon mal irgendwo solche Augen gesehen? Sie waren tiefschwarz und samtig. Aber definitiv war da noch etwas anderes in seinem Blick: ein Aufglimmen, als habe ein Panther unvermittelt eine Fährte aufgenommen.

Brenda zog die Stirn in Falten.

„Fragt wer?“, entgegnete sie und straffte den Rücken.

Sie sah, wie ihr Gegenüber stutzte und sich ein erstaunter Ausdruck in seinen Blick schlich. Gut so. Vermutlich hatte der Typ eine sofortige Antwort erwartet und war Widerspruch nicht gewohnt. In welcher Eigenschaft spielte er sich hier eigentlich so auf? Arbeitete er für einen der Designer im Studio?

Immerhin schaltete er jetzt auf netteres Verhalten um. Amüsiert trat er einen Schritt zurück und deutete sogar eine leichte Verbeugung an.

„Lorenzo, wenn’s beliebt.“

„Aha, Lorenzo also. Angenehm“, antwortete Brenda, neigte den Kopf und hatte kurz ein Bild vor Augen, wie sie ihm die Hand zum Kuss entgegenstreckte. Die Königin gewährt einem attraktiven Verehrer ihre Gunst …

Denn attraktiv war er, keine Frage. Auch wenn er ansonsten keine Manieren zu besitzen schien und offensichtlich davon ausging, dass allein die Nennung seines Vornamens sie vor Andacht erschauern ließ. Lächelnd stand er vor ihr und wartete gelassen auf ihre Reaktion. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich breite Schultern und feste Brustmuskeln ab. Unwillkürlich musste Brenda schlucken.

„Und mit wem habe ich die Ehre?“, fragte er, als sie weiterhin nichts sagte. Inzwischen wirkte seine Miene spöttisch.

„Brenda“, antwortete sie knapp und hoheitsvoll.

„‚Brenda‘ also“, wiederholte er im gleichen Tonfall und zog interessiert die Augenbrauen hoch. „Nun, Brenda, würden Sie mich vielleicht aufklären, welches Kleid Sie heute zu tragen gedenken? Und wann Sie geruhen, es anzuziehen?“

Offensichtlich machte er sich über sie lustig. Brenda wusste selbst sehr gut, wie man sein Gegenüber durch Spott einschüchtern konnte, sodass man die Oberhand behielt, während der andere immer kleiner wurde. Als mittleres Geschwisterkind hatte sie die Taktik öfter angewandt, und auch wenn sie und ihre Schwestern inzwischen zusammenhielten wie Pech und Schwefel: So etwas verlernte man nicht.

Gerade öffnete sie den Mund, um diesem Lorenzo eine gepfefferte Antwort zu geben, als sie verstand: Vermutlich glaubte er, sie gehöre zu den Mädchen. Aber das war doch nicht möglich? Brenda wusste zwar, dass sie hübsch war, aber das hier war schon noch eine andere Nummer. Hielt er sie tatsächlich für ein Model, das auf der Fashion Week mitlaufen konnte?

In diesem Moment bemerkte er den Fleck auf ihrem Kleid.

„Was ist das denn?“, fragte er und deutete mit dem Kinn auf den Kaffeefleck. „Le dernier cri?“

Der letzte Schrei? Brenda verdrehte kurz die Augen.

„Das habe ich nur Ihnen zu verdanken“, zischte sie wütend und lief gleichzeitig rot an. „Wenn Sie mich vorhin nicht so abrupt in den Raum geschoben hätten …“

„Sie sind zu spät gekommen, Teuerste, schon vergessen?“ Amüsiert schaute er sie an, allerdings mit einer gesteigerten Wachsamkeit im Blick.

„Ganz sicher bin ich das nicht“, fauchte Brenda, griff nach ihrer Tasche und hielt ihm die VIP-Karte unter die Nase. „Ich bin überhaupt nichts von dem, was Sie über mich zu wissen glauben.“

Lorenzo warf einen kurzen Blick auf die Karte.

„Autsch.“

„Eben!“, erwiderte Brenda. „Aber so kann ich mich ja wohl nicht mehr unter das Publikum mischen.“

„Da haben Sie natürlich recht“, pflichtete ihr Lorenzo zerknirscht bei. Und nahm sie anschließend schon wieder beim Arm!

„Kommen Sie mal mit“, befahl er und führte sie in einen Nebenraum, in dem weitere Schneiderbüsten standen, alle mit Kleidern bestückt, von denen eins schöner war als das andere.

„Das hier“, erklärte er, „sind unsere Zweite-Wahl-Modelle. Nicht, dass sie schlechter wären als die anderen. Wir haben sie nur mitgebracht, falls irgendetwas schiefgeht und wir improvisieren müssen. Suchen Sie sich eins aus.“

„Wie, ‚aussuchen‘?“, fragte Brenda.

„Probieren Sie eins an. Ein Etuikleid am besten, das kann man auch tagsüber gut tragen. Sie mit Ihrer Figur auf jeden Fall.“

„Das kann ich unmöglich annehmen“, erklärte Brenda mit erhobenem Haupt.

„Das sollen Sie auch nicht“, erwiderte Lorenzo amüsiert. „Natürlich bringen Sie es mir morgen wieder zurück. Wie wäre es zum Beispiel mit diesem hier.“ Er hielt ein Kleid aus Organza und Satin in die Höhe, dessen Oberfläche in mattem Silberblau changierte. „Das könnte Ihnen stehen. Lassen Sie mal sehen.“ Er hielt es neben sie, ließ seinen Blick über ihre Figur gleiten, vom Dekolleté über ihre Taille und die Hüften bis zu ihren Oberschenkeln und zurück, und verweilte dabei einige Sekunden zu lange auf ihren Brüsten. Brenda fühlte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Der Blick war unverschämt, aber irgendwie auch …

„Und das würden Sie mir ausleihen?“, fragte sie mit trockenen Lippen. „Einfach so? Was sagt denn Ihr Boss dazu?“

„Mein ‚Boss‘? Ach, der merkt das gar nicht. Und einfach so leihe ich es Ihnen natürlich nicht.“

„Verstehe. Was wollen Sie dafür haben?“, fragte Brenda und griff zögernd nach ihrer Handtasche. Wenn er die Leihgebühr jetzt nicht astronomisch hoch ansetzte, war sie bereit, dafür auch etwas tiefer ins Portemonnaie zu greifen. So eine Chance bot sich ihr nie wieder. Das Kleid war fantastisch.

Er lächelte und fixierte sie mit wachen Augen. Es war der Blick des Panthers, der die Jagd eröffnet.

„Einen Kuss. Einen richtigen!“

Autor

Ally Evans

Ally Evans kam erst spät zum Schreiben. Als Fremdsprachenlehrerin und Bibliothekarin arbeitete sie zuvor in Berufen, die immer auch mit Sprache oder Büchern zu tun hatten. Heute geht sie zum Schreiben gern in Cafés, genießt dort eine heiße Schokolade und lässt sich für ihre...

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