Vier Nächte im Paradies

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Von drei Macho-Brüdern eifersüchtig bewacht, ist Robin mit 21 Jahren noch eine süße Unschuld - aber zu allem bereit, als die Gelegenheit sich bietet! Denn mit einem Mann wie Steve allein auf einer einsamen Insel, ist sie wie Eva mit Adam im Paradies! Sinnliche Spiele in tropischer Sonne, ekstatische Nächte am Strand - Robin kennt an Steve jeden Millimeter seiner Haut, als das Beiboot des Kreuzfahrtschiffs, dessen Abfahrt sie vor fünf Tagen verpasste, auf San Saba Island anlandet und Robin zurück in die Realität bringt. Den Geschmack der Liebe noch auf den Lippen, ahnt Robin nicht, welch dramatische Folgen ihr Abenteuer hat ...


  • Erscheinungstag 10.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759537
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Los Angeles, Kalifornien,

Ende März

Steve Antonelli bewegte sich vorsichtig. Obgleich er noch halb im Schlaf war, wusste er, irgendetwas war nicht ganz in Ordnung.

Er zog sich eines der Kopfkissen über den Kopf und versuchte sich wieder in seinen sehr erotischen Traum zu versenken. Seit er vor ein paar Monaten von seinem exotischen Inselurlaub nach Los Angeles zurückgekehrt war, hatte er jede Nacht den gleichen Traum gehabt. Im Traum befand er sich wieder in dem tropischen Urlaubsparadies und erlebte alles noch einmal.

Aber der Traum war nicht mehr fassbar, und Steve drehte sich unruhig auf die Seite.

Ein unnatürlich helles Licht drang durch seine geschlossenen Augenlider, obgleich er die dichten Vorhänge wie immer zugezogen hatte. Es konnte doch noch nicht morgens sein?

Aber selbst wenn das der Fall war, musste er nicht aufstehen. Er hatte heute frei und konnte weiterträumen. Seit ein paar Wochen arbeitete er bereits wieder bei der Mordkommission von Los Angeles, und der Urlaub war schon lange vorbei. Nur in der Nacht war alles wieder sehr gegenwärtig.

Immer noch halb im Schlaf seufzte er leise. Wenigstens konnte er sicher sein, dass er sich nicht in Gefahr befand. Das Alarmsystem, das er in seiner neuen Eigentumswohnung hatte einbauen lassen, war auf dem neuesten technischen Stand.

Aber woher kam dann das Licht? Er stöhnte, warf das Kissen auf den Boden und rollte sich auf den Rücken. Langsam öffnete er die Augen und blinzelte in ein grelles Licht.

Was er sah, ließ Steve zusammenfahren. Er setzte sich schnell auf und hielt sich die Decke um die nackten Hüften.

Drei Männer standen an seinem Bett, einer auf jeder Seite und der dritte am Fußende. Es kam ihm so vor, als seien alle drei mindestens eins achtzig groß. Sie waren sich überhaupt in der Statur sehr ähnlich.

Alle drei waren breitschultrig und hatten schmale Hüften. Die langen, muskulösen Beine steckten in engen Jeans. Alle drei trugen Gürtel mit einer schweren silbernen Gürtelschnalle, die wirkte, als könnte man damit jemanden erschlagen. Alle drei standen breitbeinig da und hatten die Arme vor dem muskelbepackten Oberkörper verschränkt.

Und alle drei blickten ihn mit einem ganz bestimmten Gesichtsausdruck an, der Steve ein momentanes Unbehagen bereitete.

Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann würde er sagen, die drei sahen aus wie Rächer mit einer ganz bestimmten Mission.

„Was zum …“, begann er und streckte die Hand nach seiner Pistole aus, die er immer griffbereit hatte.

Aber die Waffe war nicht dort, wo er sie hingelegt hatte. Der Mann zu seiner Rechten langte hinter sich und hob schweigend die Pistole von der Kommode hoch.

Jetzt kam Steve sich wirklich nackt vor. Es war eine Sache, keine Kleider anzuhaben, aber etwas völlig anderes, ohne schützende Waffe zu sein.

„Wer, zum Teufel, seid ihr?“

Der Mann am Fußende des Bettes, der etwas älter und entsprechend gefährlicher aussah als die anderen beiden, starrte ihn einen langen Augenblick schweigend an. „Steve Antonelli?“, fragte er schließlich leise und schleppend, so als hätte er alle Zeit der Welt.

Steves Beunruhigung nahm zu. Er versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. „Wie seid ihr hier hereingekommen?“

Der ältere Typ, augenscheinlich der Boss, grinste und sah kurz zu dem Mann rechts vom Bett. „Jim konnte dein Alarmsystem ausschalten. Seiner Meinung nach hast du dir eine sehr raffinierte Anlage einbauen lassen. Alle Achtung.“

Steve stützte die Ellbogen auf die Knie und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Das konnte doch nur ein Albtraum sein! War das die Strafe für den aufregenden erotischen Traum, den er gerade hatte? Er rieb sich das Gesicht und sah dann wieder hoch.

Die drei Männer standen noch genauso da wie vorher. Unter der grellen Deckenlampe fixierten sie ihn wie Jäger ihre Beute. Keiner von ihnen hatte bisher irgendwelche bedrohlichen Bewegungen gemacht, aber Steve war sicher, dass die drei nicht gekommen waren, um ihm einen Staubsauger zu verkaufen. Doch trotz der merkwürdigen Situation, in der er sich befand, hatte er eigentlich keine Angst.

„Werdet ihr mir jetzt endlich sagen, wer ihr seid und was ihr von mir wollt?“

„Sobald du uns bestätigt hast, dass du Steve Antonelli bist“, antwortete der ungebetene Gast am Fußende.

„Natürlich bin ich Steve! Das steht ja schließlich auch an meinem Briefkasten. Wer, verdammt noch mal, seid ihr und was wollt ihr?“

Die drei sahen sich an und blickten dann wieder auf ihn. „Wir sind hier, um dich persönlich zur Hochzeit unserer Schwester nächste Woche in Texas einzuladen“, antwortete der Anführer.

Jetzt war Steve sicher, dass das alles nur ein Traum sein konnte. Drei Fremde erschienen plötzlich in seinem Schlafzimmer, weckten ihn um – er sah auf den Wecker – sieben Uhr und hatten dann noch die Frechheit, von einer Hochzeit zu faseln, zu der er kommen sollte?

Er ließ sich aufs Bett zurückfallen, zog sich das Kissen über den Kopf und brummte: „Macht das Licht aus, wenn ihr wieder geht, okay?“

„So einfach geht das nicht, Freundchen. Wir sind hier, um dafür zu sorgen, dass du die Hochzeit nicht verpasst. Wie wär’s, wenn du jetzt aufstehst, dich anziehst und ein paar Sachen zusammenpackst, damit wir loskönnen?“

Steve öffnete ein Auge so weit, dass er gerade die Beine des Mannes sehen konnte, der neben seinem Bett stand. Dieser Traum schien sich zu einem Albtraum auszuwachsen. Die drei Typen waren immer noch da.

Er setzte sich auf, schlug das Betttuch zurück und stand auf, ohne sich darum zu kümmern, dass er nackt war. „Entschuldigen Sie, meine Herren“, sagte er höflich, ging mit schnellen Schritten ins Badezimmer und machte die Tür hinter sich zu.

Dann beugte er sich über das Waschbecken, starrte in den Spiegel und fand, dass er schon lange nicht mehr so müde ausgesehen hatte.

Was hatte diesen bizarren Traum verursacht? Steve rieb sich das unrasierte Kinn, richtete sich auf und betrachtete seine schlanke Gestalt. Er war von dem Urlaub auf der tropischen Insel immer noch tief gebräunt, bis auf den Streifen um die Hüften, wo die knappe Badehose gesessen hatte. Steve strich sich über den flachen Bauch, kratzte sich nachdenklich die Brust und überlegte. Hatte er plötzlich nach all den Jahren bei der Mordkommission Halluzinationen?

Der dreiwöchige Urlaub hätte ausreichen sollen, um wieder klarzusehen, um sich auszuruhen und zu lernen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit drei Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen. Als er nach Hause zurückgekommen war, war er jedenfalls bereit gewesen, sich wieder dem Alltag zu stellen.

Teil dieses Alltags waren die wöchentlichen Treffen mit seinem Freund Ray. Sie hatten sich für heute Vormittag verabredet. Steve schüttelte leicht den Kopf, drehte die Dusche an und wartete, bis das Wasser warm genug war. Dann drehte er voll auf und versuchte unter dem heißen Strahl vollends wach zu werden.

Nachdem er schließlich geduscht, sich rasiert und Zähne geputzt hatte, musste er über seine frühmorgendlichen Traumvorstellungen lachen. Es war Zeit, den neuen Tag anzugehen.

Er öffnete entschlossen die Badezimmertür und ging zum Kleiderschrank. Auf halber Strecke blieb er abrupt stehen.

Die drei Männer standen Schulter an Schulter und verstellten ihm den Weg.

Was auch immer das bedeuten sollte, es handelte sich offensichtlich um keinen Traum.

„Ich geb’s auf“, sagte er und hob beschwichtigend die Hände. „Ihr habt gewonnen. Verratet mir nur, wer euch für diesen Scherz angeheuert hat. War es Ray? Dem hätte ich so viel Fantasie allerdings nicht zugetraut. Ihr drei seht aus, als seid ihr gerade aus einem Cowboyfilm herausspaziert. Es fehlen nur noch die Colts.“

Der Ältere blickte seine beiden Gefährten an. „Könnt ihr verstehen, warum dieser Typ hier so tut, als kennte er Robin nicht?“

Steve starrte die drei sprachlos an. Schließlich brachte er mit Mühe ein Wort heraus: „Robin?“ Er räusperte sich. „Redet ihr etwa von Robin McAlister?“

Die Männer nickten wohlwollend. „Gut, dass deine Erinnerung dich nicht ganz im Stich lässt“, sagte der, den sie Jim nannten.

„Mein Gedächtnis funktioniert blendend.“ Steve sah stirnrunzelnd von einem zum anderen. „Ich kann nur nicht verstehen, was Robin mit euch zu tun hat.“

„Also, das ist so“, antwortete jetzt der dritte, der bisher noch nichts gesagt hatte. „Wir sind Robins Brüder, und wir wollen nur ganz sichergehen, dass du auch zur Hochzeit unserer Schwester in der nächsten Woche kommst, vor allen Dingen, weil du ja der Bräutigam bist.“

2. KAPITEL

Los Angeles, Kalifornien,

ein Jahr vorher im Dezember

Steven schloss seine Wohnung auf, trat ein und stellte die Alarmanlage aus. Dann ging er mit schleppenden Schritten in die Küche. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt etwas gegessen hatte, und war so müde, dass er auch jetzt keinen Appetit hatte. Er holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Ein Bier auf nüchternen Magen würde ihn schnell schlafen lassen.

Das Signallämpchen seines Anrufbeantworters blinkte. Steve drückte auf den Knopf und wartete.

„Hallo, Steve“, sagte eine sexy weibliche Stimme. Er zog die Augenbrauen zusammen, aber als sie fortfuhr, erkannte er, dass es Alicia war. „Ich habe schon seit Wochen nichts von dir gehört, Darling. Ich weiß, dass du viel zu tun hast, aber du fehlst mir. Ruf mich doch an, jederzeit, tags oder nachts.“ Sie beendete das Gespräch mit einem kurzen dunklen Lachen.

„Steve, alter Junge, hier ist Ray. Ruf mich an.“ Steve nickte leicht. Er hatte ihre letzten beiden Treffen absagen müssen.

Bei der dritten Nachricht richtete er sich unwillkürlich auf. „Steve, ruf mich bitte an, wenn du heute Abend nach Hause kommst.“ Das war sein Vater.

Steve sah auf die Uhr. Es war schon nach elf, aber sein Vater ging nie besonders früh ins Bett. Steve griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer. Sein Vater meldete sich gleich nach dem ersten Klingeln.

„Was ist denn los?“, fragte Steve.

„Das wollte ich eigentlich von dir wissen“, entgegnete Tony Antonelli.

Steve runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht, was du damit meinst, Dad. Deine Nachricht klang so dringend.“

„Das war sie auch. Ich mache mir Sorgen um dich, mein Junge. Die beiden letzten Abendessen im Kreis der Familie hast du in letzter Minute abgesagt. Und heute haben wir wieder vergeblich auf dich gewartet. Ich möchte wirklich wissen, was mit dir los ist.“

Steve ließ den Kopf sinken und lehnte sich gegen den Küchentresen. „Ich habe nur viel zu tun, Dad.“

„Es geht dir alles zu sehr unter die Haut“, sagte sein Vater leise.

Steve rieb sich die Stirn. „Dieses kleine Mädchen war erst fünf Jahre alt, Dad. Fünf. Sie spielte im Garten und geriet in das Kreuzfeuer von zwei Gangs. Ich werde die Schuldigen erwischen, und es ist mir ganz egal, wie lange das dauert.“

„Ich kann dich verstehen, wirklich. Und ich bewundere dich auch dafür, wie sehr du dich einsetzt. Aber du musst einfach mal Urlaub machen, sonst endest du noch in der Statistik – als einer derjenigen, die vorzeitig aufgeben mussten, weil sie ausgebrannt waren, von Schlimmerem ganz zu schweigen. Ich weiß, dass du dich nicht vernünftig ernährst und dass du nicht genug Schlaf bekommst. Du musst diesen ungesunden Kreislauf durchbrechen, bevor er dich umbringt.“

Steve massierte mit einer Hand seine angespannten Nackenmuskeln. „Ja, ich weiß.“

„Heute hattest du doch eigentlich deinen freien Tag, oder?“

„Ja, schon.“

„Wann hast du denn zuletzt mal deinen freien Tag auch wirklich genommen?“

„Ich kann mich nicht erinnern.“

„Soso. Wie ist es denn mit Weihnachten? Das ist schon bald. Können wir mit dir rechnen?“

Steve lächelte. „Ja, ich werde da sein, ich verspreche es.“

Tonys Stimme klang rau. „Gut. Ich liebe dich, mein Sohn.“

„Ich liebe dich auch, Dad.“ Steve legte den Hörer auf.

Er ging die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer und zog sich aus, wobei er seine Sachen achtlos auf den Boden fallen ließ. Als er dann duschte und der heiße Strahl ihm auf den nackten Rücken prasselte, stöhnte er auf. Nach der Dusche fiel er todmüde ins Bett.

Ich sollte an meinem Leben wirklich etwas ändern, dachte Steve noch, bevor er einschlief. Es durfte nicht sein, dass es nur aus Arbeit bestand.

Austin, Texas

„Denk doch nur daran, Robin, zehn Tage weg von allem, zehn Tage raus aus der Tretmühle.“ Cindi Brenham strahlte begeistert. „Zehn Tage in der Karibik, wo wir nichts zu tun haben außer fantastisch essen und mit den toll aussehenden Männern flirten. Wir werden viele Herzen brechen, werden uns bräunen lassen und dann erholt unser letztes Collegejahr zu Ende bringen. Wir haben es wirklich verdient, uns mal so richtig zu amüsieren.“

Cindi saß ihrer Freundin Robin McAlister in einem kleinen Straßencafé gegenüber, das in der Nähe des Campus der Universität von Texas lag. Es war sonnig und warm, obgleich es laut Kalender Mitte Dezember war.

Robin sah ihre überschwängliche Freundin lächelnd an. Manchmal wunderte sie sich selbst, dass zwei Menschen, die so unterschiedlich waren wie sie und Cindi, so nah befreundet sein konnten. Doch sie waren schon seit dem Tag ihrer Einschulung in die Grundschule von Cielo, einer Kleinstadt im westlichen Bergland von Texas, dicke Freundinnen, und niemand war erstaunt, dass sie auch dieselbe Universität gewählt hatten und sich jetzt im Studentenwohnheim ein Zimmer teilten.

Cindi wollte später für eine Computerfirma arbeiten und Robin interessierte sich für Public Relations. In den letzten zwei Jahren hatten sie in den Semesterferien bei Firmen Praktika gemacht, und sie freuten sich darauf, in ein paar Monaten endlich ihren ersten richtigen Job anzutreten.

Robin seufzte. „Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, Cindi. Bist du sicher, dass du deine Mutter nicht missverstanden hast?“

Cindi schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre schwarzen Locken flogen. „Nein. Meine Tante hat diese Kreuzfahrt vom 5. bis zum 15. Januar gebucht. Aber jetzt hat mein Onkel einen Herzinfarkt gehabt und liegt immer noch im Krankenhaus. Sie können auf keinen Fall fahren, und es ist auch zu spät, die Tickets zurückzugeben. Für uns die ideale Gelegenheit.“

Das hörte sich himmlisch an. Robin lächelte. Endlich würde sie einmal hier herauskommen und tun können, was sie wollte. Die Vorstellung, den wachsamen Augen ihrer drei übermäßig um sie besorgten Brüder zu entkommen, wurde immer verlockender, je mehr sie darüber nachdachte.

Sie liebte ihre Familie, keine Frage. Niemand konnte liebevollere und großzügigere Eltern haben als sie. Robin war froh, dass sie die tolle Figur ihrer Mutter geerbt hatte, und deren rotes Haar und die grünen Augen. Ihre Mutter war ein berühmtes Model gewesen, und Robin selbst hatte ein paar Angebote zum Casting bekommen, seit sie hier an der Universität war. Natürlich hatte sie ihrer Familie nichts davon erzählt. Vor allem ihr Vater wäre entsetzt gewesen.

Robin hatte nicht geahnt, dass sich ihr liebevoller und normalerweise gelassener Vater als strenger Wächter entpuppen würde, sobald sie ins Teenageralter gekommen war. Und was noch schlimmer war, er hatte ihre Brüder im Lauf der Jahre dazu angehalten, wie drei grimmige Schutzengel über sie zu wachen.

Jason war mit seinen 28 Jahren der älteste der Brüder und nach dem Vater benannt worden. Jim war gerade 25 geworden, dann kam sie selbst mit 22, und Josh war das Baby der Familie. Er war 19.

Robin hatte gehofft, ihren Brüdern zu entkommen, wenn sie erst einmal aufs College ging, aber da hatte sie sich getäuscht. Anfangs war Jim noch auf demselben College gewesen wie sie. Als er fertig war, hatte Josh angefangen zu studieren und sofort die Rolle des männlichen Beschützers übernommen. Manchmal war sie in Versuchung, gerade wegen dieser strengen Kontrolle etwas ganz Verrücktes zu tun, wie zum Beispiel jetzt, mitten im Winter, eine Kreuzfahrt in die Karibik zu machen.

„Was sagst du denn nun dazu?“, fragte Cindi ungeduldig. „Meinst du nicht auch, dass wir nach all den Jahren diese Abwechslung verdient haben?“

Robin nickte langsam. „Und nicht nur das. Es ist ausgeschlossen, dass einer meiner Brüder jetzt noch ein Ticket bekäme. Ich hätte zum ersten Mal wirklich die Gelegenheit, etwas zu tun, ohne dass mir jemand ständig über die Schulter sieht und sämtliche Verehrer verjagt, wie meine Brüder das in den letzten Jahren so erfolgreich getan haben.“

„Du machst also mit?“ Cindi sah sie gespannt an. „Ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich sie heute anrufe und ihr Bescheid gebe.“

„Und was soll ich meinen Eltern sagen?“, murmelte Robin mehr zu sich selbst. „Mein Vater wird von der ganzen Sache nicht gerade begeistert sein.“

„Dann sag es ihm doch erst kurz bevor wir losfahren. Er will doch immer genau wissen, wo du bist und mit wem du dich triffst. Aber was könnte ungefährlicher sein als eine Kreuzfahrt? Wir werden uns eine Kabine teilen und so gegenseitig davor bewahren, etwas Unüberlegtes zu tun. Außerdem bist du schließlich erwachsen, und das muss er auch mal begreifen.“

„Ja, schon, aber für meinen Vater bin ich immer noch das kleine Mädchen, das er auf seinen Schultern trug oder vor sich auf dem Sattel sitzen hatte. Es ist wirklich ein Wunder, dass meine Brüder mich nicht hassen, wenn man bedenkt, wie sehr er mich als seine einzige Tochter immer vorgezogen hat.“

Cindi lachte. „Ich finde ihn eher rührend. Trotz seines energischen Auftretens ist dein Vater sanft wie ein Lamm. Er hat dir doch noch nie etwas verbieten können. Sobald er Tränen in deinen Augen sieht, gibt er nach.“

„Wenn ich ihm also erst kurz vor unserer Abfahrt von der Kreuzfahrt erzähle, dann wird er das deiner Meinung nach besser aufnehmen?“

„Nicht unbedingt. Aber du musst dir seine Einwände nicht lange anhören. Und in der Zwischenzeit, ich meine, bis wir zurückkommen, wird er sich einigermaßen beruhigt haben. Vielleicht.“

Robin lachte jetzt ebenfalls. „Du kennst ihn wirklich gut.“

„Ja, und jetzt haben wir noch Zeit, uns ein paar Sachen für die Kreuzfahrt zu kaufen. Ach, Robin, es wird wunderbar werden. Wir werden noch lange daran zurückdenken und später unseren Enkelkindern davon erzählen, wie wir die Karibik auf einem Luxusliner durchquert haben.“

„Hoffentlich werden wir nur nicht seekrank.“

Cindi stand entschlossen auf und legte das Trinkgeld auf den Tisch. „Das werden wir bald herausfinden.“

Santa Monica, Kalifornien, 28. Dezember

„Gib es zu, Steve“, sagte Ray, als sie nach ihrem Tennisspiel den Platz verließen. „Du hast zu viel gearbeitet und hast keine Kondition mehr. Den letzten Ball hättest du wirklich kriegen müssen.“ Er klopfte Steve auf den Rücken. „Ich hätte nie gedacht, dass ich dich jemals so leicht schlagen könnte. Du musst zugeben, Antonelli, dass du nicht mehr so gut bist wie früher und kein vollwertiger Gegner mehr für mich bist.“

„Ach, komm Cassidy, ich war heute nur nicht ganz bei der Sache. Warte bis nächstes Mal. Dann werde ich dich ordentlich über den Platz jagen.“

„Kann schon sein, aber wenn du mich fragst, du brauchst mal etwas Zeit nur für dich, musst raus aus dem Laden. Du brauchst Urlaub.“

Steve erwiderte nichts, sondern nahm sein Handtuch, das neben seiner Sporttasche lag, und wischte sich das Gesicht ab. Dann hob er seine Wasserflasche und trank sie bis zur Hälfte leer. Er sah sich um und genoss den strahlend blauen Himmel, gegen den das Grün der Palmen einen wunderschönen Kontrast bildete.

„Du hörst mir ja gar nicht zu“, sagte Ray nach ein paar Minuten.

„Nein, im Gegenteil, ich denke darüber nach, was du gerade gesagt hast. Und ich glaube, du hast recht.“

„Womit? Dass du keine Kondition mehr hast oder dass du urlaubsreif bist?“

„Mit beidem. Zufällig war gerade ein alter Freund meines Vaters da, als ich meine Eltern letzte Woche in Santa Barbara besuchte. Er sprach davon, ein paar Tage Urlaub auf seiner Insel in der Karibik zu machen.“

„Seiner Insel? Meinst du das im Ernst? Der Mann besitzt eine ganze Insel?“

Steve zuckte mit den Schultern. „Er war mit meinem Vater zusammen auf dem College. Später hat er sein Geld geschickt investiert und wollte dann seinen Lebensabend auf einer exotischen Insel verbringen. Es stellte sich jedoch heraus, dass er und seine Frau es dort genau neun Monate aushielten, bevor sie meinten, dass sie für ein solches Paradies auf die Dauer nicht geeignet seien. Es gibt dort keine schicken Geschäfte, keine Sportveranstaltungen, weder Freunde noch Verwandte. Hin und wieder verbringen sie mal ein Wochenende dort, aber die meiste Zeit lebt dort nur eine einheimische Familie, die auf den Besitz aufpasst. Er sagte, dass er sich freuen würde, wenn ich sein Anwesen mal nutzen würde.“

„Wie kommt es, dass meine Familie niemanden kennt, der eine Insel besitzt?“ Ray grinste. „Wirst du sein Angebot annehmen?“

Steve seufzte. „Ich habe gestern mit dem Kapitän darüber gesprochen, ob ich Urlaub nehmen kann. Er wird mir nach den Feiertagen Bescheid sagen. Ich möchte gern drei Wochen haben, und es wird nicht leicht sein, für eine so lange Zeit einen Ersatz zu finden.“

„Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen. Aber vor Mai steht mir kein Urlaub zu.“

Steve hob seine Sporttasche hoch. „Ich freue mich eigentlich darauf, einmal ganz allein zu sein. Je mehr ich darüber nachdenke, umso verlockender kommt mir diese Aussicht vor. Dann muss ich mit niemandem reden, kann schlafen, wann ich will, kann ausführlich lesen, kann in der Sonne faulenzen – einfach wunderbar.“

„Wirst du denn keine weibliche Gesellschaft vermissen, wenn du da so allein wie Robinson Crusoe haust?“

Steve schüttelte lachend den Kopf. „Im Augenblick sehne ich mich überhaupt nicht danach. Ich habe Alicia gestern Abend endlich gesagt, dass es keine Zukunft für uns gibt. Einsamkeit klingt da himmlisch nach den letzten Monaten, in denen sie mich mit ihren Aufmerksamkeiten beinahe erdrückt hat.“

„Schade, dass ich nicht dein gutes Aussehen zusätzlich zu meiner sprühenden Persönlichkeit habe“, erwiderte Ray. „Du musst zugeben, dass dein Sex-Appeal an dich vollkommen verschwendet ist.“

Steve sah seinen sommersprossigen rothaarigen Freund lächelnd an. Ray hatte viel Erfolg bei Frauen und war sich dessen sehr wohl bewusst. „Tu doch nicht so. Dir laufen die Frauen doch sowieso nach.“

„Kann schon sein.“ Ray zuckte mit den Schultern. „Aber es ist dein italienisches Aussehen, und außerdem umgibt dich eine gewisse Unnahbarkeit, von deinen Grübchen und den dunklen Locken ganz zu schweigen. Das zieht Frauen an, selbst wenn du dir dessen nicht bewusst bist.“

Steve zog die Augenbrauen zusammen. „Wovon redest du?“

„Tu doch nicht so. Weißt du was, Steve? Eines Tages wirst auch du dein Herz verlieren, und wenn du dich noch so sehr dagegen wehrst. Und dann wirst du endlich wissen, wie sich der Rest von uns Männern in einer solchen Situation fühlt.“ Ray grinste erneut. „Und ich hoffe sehr, dass ich dabei bin, um es mitzuerleben.“

„Ich hab’s dir doch schon oft gesagt, Ray, es ist schwierig für einen Detective der Mordkommission, eine feste Beziehung zu haben. Jeder meiner Kollegen ist entweder schon geschieden oder seine Frau beklagt sich ständig darüber, dass er so lange arbeitet und zu gefährliche Aufgaben übernimmt. Von der schlechten Bezahlung wollen wir erst gar nicht sprechen.“

„Dann mach doch was anderes.“

„Ich mag meinen Beruf. Wenigstens meistens. Aber in letzter Zeit habe ich doch häufiger mal daran gedacht, Urlaub zu machen.“

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
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