Weihnachtswunder für den Millionär

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Diese faszinierenden Augen, diese sinnlichen Lippen - auch mit dem weißen Bart erkennt Holly ihn sofort: Clay spielt für das Waisenhaus den Santa Claus! Inmitten der staunenden Kinder verliert sie ihr Herz an den Millionär. Und ahnt nicht, dass er nicht ganz ehrlich ist …


  • Erscheinungstag 24.10.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759643
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Schlechte Nachrichten, Chef.“

Clay Forrester blickte auf, als seine Assistentin sich unter dem Malergerüst duckte und sich dann durch die im Büro kreuz und quer verlegten Elektrokabel wurstelte. Tapetenmuster klebten an einer mit verschiedenen Farbproben bemalten Wand. Seine Ledercouch und Stühle waren durch Abdeckfolie geschützt, aber eine feine Schicht Baustaub bedeckte Clays Mahagonischreibtisch. „Was gibt es denn, Marie?“

Marie Cirillo setzte gerade zu einer Antwort an, als der Elektriker den Schlagbohrer anwarf. Einen Moment lang sah es so aus, als käme das ohrenbetäubende Kreischen aus ihrem Mund. Clay konnte ein Auflachen eben noch unterdrücken, während Marie den Handwerker mit einem wütenden Blick bedachte.

Der Bohrer verstummte, und Clay fragte: „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du eine prima Marionette für einen Bauchredner abgeben würdest?“

„Weißt du, als ich hier reinkam, fühlte ich mich als Überbringerin schlechter Nachrichten richtig mies. Jetzt nicht mehr.“ Sie grinste ihn an. „Doug Frankle ist krank.“

Sein Lächeln erstarb. „In knapp zwei Stunden fängt unsere Weihnachtsfeier an – und unser Santa ist krank?“

Die Bürofeier fand zwei Wochen vor den Feiertagen statt, damit es keine Probleme mit Familientreffen und Urlaubstagen gab. Das Ereignis war der Höhepunkt eines langen, schwierigen Jahres, und Clay war entschlossen, dass nichts schiefgehen dürfte.

„Sag mir, dass wir einen Ersatz haben“, flehte er.

„Seine Ehefrau hat das Kostüm zurückgegeben – falls du also die Rolle übernehmen willst“, schlug Marie ihm mit einem frechen Grinsen vor.

„Sehr lustig!“ Clay zog seine Brieftasche heraus und blätterte zwei 100-Dollar-Scheine auf den Schreibtisch. „Zieh los und klau einen Santa von irgendeinem Supermarkt!“

„Du wagst es tatsächlich, Santa Claus zu bestechen?“, keuchte Marie in gespieltem Entsetzen.

„Warum nicht? Seit zig Jahren legt der gute Alte den überarbeiteten Eltern Daumenschrauben an. Das Annehmen von Bestechungsgeldern wäre nach Konsumterror und emotionaler Erpressung nur der nächste logische Schritt.“

„Als wirklich. Für jemanden, der eine Weihnachtsparty veranstalten will, klingst du nicht gerade besonders festlich.“ Und nachdem der Elektriker, der irgendetwas von Verteilerkästen murmelte, das Büro verlassen hatte, fügte sie hinzu: „Du bist nicht mehr du selbst, seit …“ Wenn seine freimütige Assistentin sich zurückhielt, war es ein Zeichen, dass sie sich große Sorgen machte.

„Seit mein Vater gestorben ist“, vollendete Clay den Satz für sie. „Du kannst es ruhig aussprechen, Marie.“

Sie trat näher zu ihm. „Du hast dich verändert, Clay. Zu der Zeit, als dein Vater das Geschäft geführt hat …“

„Er führt das Geschäft nicht mehr. Das tue ich jetzt.“

Vorsichtig zog Marie sich zurück. „Genau. Und du machst deinen Job verdammt gut. Meinst du nicht, es wird langsam Zeit, dass du wieder in der Gegenwart lebst?“

„Was glaubt du, was ich tue?“

„Du bist völlig auf die Zukunft fixiert, auf das, was du aus der Firma machen willst. Als könntest du damit auslöschen, was sie mal gewesen ist.“

Bei dem Gedanken daran, was und wie diese Firma unter der Leitung seines Vaters gewesen war, schreckte Clay zurück. Erst nach Michael Forresters Tod hatte Clay erkannt, wie skrupellos und unbarmherzig er das Unternehmen geführt hatte.

„So ist das Geschäftsleben, mein Sohn“, hatte sein Vater erklärt, „es geht nur um den Gewinn.“

Allerdings nicht für jeden, dachte Clay grimmig, denn er erinnerte sich an eine Konfrontation, ein paar Wochen, nachdem sein Vater verstorben war. Clay hatte gerade nach Hause gehen wollen, als ihn im Empfang ein älterer Mann in einem abgetragenen Trenchcoat anhielt. Nach einem Blick auf dessen blutunterlaufene Augen und die ungepflegten Haare hatte Clay ihn für einen Obdachlosen von der Straße gehalten. Bis ihn der Mann mit Namen gesprochen hatte.

„Was ist jetzt mit Ihren Versprechungen, Forrester?“, hatte er ihn gefragt. „All Ihre Lügen, die meine Enkel dummerweise geglaubt haben, dass Sie die Firma ‚aus der Krise führen‘? Mit etwas mehr Zeit hätte ich den Kredit bekommen und sie selbst aus dieser Krise geführt. Aber dank Ihnen hatte ich gar keine Chance. Hinter meinem Rücken haben Sie meine eigene Familie ausbezahlt und das Unternehmen Stück für Stück verkauft, bis nichts mehr übrig war. Nichts.“ Seine Stimme war gebrochen. Er hatte Clay beiseitegestoßen und war auf die Straße gehastet.

Clay hatte nicht versucht, ihn aufzuhalten oder mit ihm zu reden. Was gab es da noch zu sagen?

Dass keine Bank einem Unternehmen, das am Abgrund stand, einen Kredit geben würde? Dass es sein Vater gewesen war, der die Firma dieses Mannes zerschlagen hatte?

Erst auf der langen Heimfahrt fiel Clay ein, dass er keine Ahnung hatte, wer der Mann war. Dieses Geschäft hätte eines von Dutzenden sein können.

Jetzt hatte Clay damit angefangen, die Firmenphilosophie umzukehren: Statt angeschlagene Unternehmen endgültig aufzulösen, versuchte er, sie wieder aufzubauen. Als Erstes hatte er Kevin Hendrix, den Chef von „Hendrix Properties“, geschäftlich beraten und die Firma mit einer Finanzspritze vor dem sicheren Bankrott gerettet. Diese Investition hatte ihm, aber auch Kevin, schon nach kurzer Zeit einen ordentlichen Gewinn eingebracht. Auf diesen Erfolg baute Clay bei seinen Bemühungen, das Fir­menimage und Vermächtnis seines Vaters komplett zu verändern.

„Ich versuche das zu machen, was mir richtig erscheint“, erklärte Clay abschließend. „Schluss mit dem Geschäftlichen für heute. Wir müssen eine Weihnachtsfeier retten. Finde jemanden, der den Santa spielt. Im Gegenzug verspreche ich dir, mich auf der Party prächtig zu amüsieren.“

„Tut mir leid, mein Bester, aber das kann ich nicht.“

„Ach, komm“, rief er aus, „erzähl mir nicht, ich hätte deine weihnachtliche Stimmung ruiniert.“

Marie lachte. „Nicht ganz. Die Leute vom Catering-Service haben angerufen. Ihr Lieferwagen hat seinen Geist aufgegeben. Ich muss zwei Dutzend Käsekuchen einsammeln.“

„Also entweder Santa oder Dessert?“

„Genau. Und ich rette den Käsekuchen“, rief sie ihm über die Schulter zu.

Du hast dich verändert, Clay. Dieser Vorwurf beschäftigte ihn noch, nachdem Marie längst gegangen war. Dasselbe hatte ihm Victoria an den Kopf geworfen. In jener Nacht, als sie aus der Wohnung stürmte, aus ihrer Ehe – aus seinem Leben.

Seine Gedanken wurden durch den Elektriker unterbrochen, der mit einem Werkzeugkasten und etlichen Kabeln zurückkehrte. „Tut mir leid, Sie zu stören, Mr Forrester.“

Die Büroumbauten dauerten nun schon so lange, dass Clay sich an die ständige Anwesenheit von Handwerkern und Bauarbeitern gewöhnt hatte. Ohne große Hoffnung fragte er: „Sie wissen nicht zufällig, wo ich einen Santa Claus finde?“ Lieber Himmel, was für eine blöde Frage. Clay schwor sich, den Elektriker auf der Stelle zu feuern, wenn er antworten würde: „Am Nordpol“.

Das war jedoch nicht nötig. Der Mann setzte bedächtig seinen Werkzeugkasten ab und sagte: „In der Eingangshalle ist schon die ganze Woche einer. Vor diesem Blumenladen.“

„Das ist ja wohl ein Scherz!“ Auf dem Weg zum Aufzug kam Clay jeden Morgen an dem Blumengeschäft vorbei. Wie hatte er da einen dicken Mann im roten Samtkostüm übersehen können? Wahrscheinlich hatte Marie doch recht. Offenbar war er tatsächlich nur auf seine Arbeit fixiert.

„Danke für den Tipp!“ Clay schnappte sein Jackett und verließ das Büro.

Der Aufzug stoppte im Erdgeschoss, und Clay trat in die marmorverkleidete Eingangshalle, die mit grünen Girlanden, roten Bögen und Mistelzweigen festlich geschmückt war.

Und tatsächlich: Vor dem Blumengeschäft stand ein rot gewandeter Santa. Nach einer kurzen Begrüßung kam Clay gleich aufs Wesentliche: „Ich habe nachher eine Weihnachtsfeier und einen kranken Santa Claus. Wie sieht’s aus: Würden Sie für hundert Dollar einspringen?“

Clay wedelte mit dem Schein. Santa Claus riss die Augen auf. Sein Blick war allerdings eher gierig als gütig. „Ich habe heute Abend schon einen Auftritt in Aussicht.“

Reine Verhandlungstaktik! Lässig zog Clay einen weiteren Schein aus der Brieftasche. „Wären 200 Dollar genug? Plus eine kostenlose Mahlzeit, die von einem der besten Restaurants in Chicago geliefert wird.“

Santa schnappte sich das Geld aus Clays Hand.

Holly Bainbridge drehte das Schild an der Tür auf „Geschlossen“, trat hinaus und schloss hinter sich ab. Sechs Uhr. Ihr blieb noch eine halbe Stunde, um ins Heim zu kommen. Während sie den Schlüsselbund in ihrer Handtasche verstaute, entdeckte sie zu ihrer Überraschung Clay Forrester – im Gespräch mit Santa Claus.

Da Holly im selben Haus wie „Forrester Industries“ arbeitete, wenn auch 30 Stockwerke tiefer, kannte sie den Ruf des Unternehmens: ein unersättlicher Riese, der gierig kleine Firmen verschlang. Wie skrupellos Clay Forrester war, hatte sie selbst erlebt. Vor einigen Monaten hatte sie unbemerkt beobachtet, wie ein armer älterer Mann von ihm gedemütigt worden war, dessen Firma er kaputt gemacht hatte.

Holly wartete, bis er weggegangen war, bevor sie zu dem verkleideten Santa trat. „Wir müssen uns beeilen, damit wir noch rechtszeitig kommen, Charlie.“

Ein böses Gefühl beschlich sie, als sie sah, wie Charlie dem davoneilenden Forrester nachblickte. „Tja also, Miss Bainbridge, mir ist … äh … etwas dazwischengekommen. Ich muss zu einer anderen Feier gehen.“

Sie konnte es nicht fassen. „Ich habe da ein halbes Dutzend Kinder, die auf Santa Claus warten. Wollen Sie die enttäuschen?“

„Es tut mir leid, Miss Bainbridge.“

Es tut mir leid. Das sagten die Leute immer. Dabei machten Entschuldigungen den Kummer nicht kleiner oder weniger schmerzhaft. Den Pflegekindern aus dem Hopewell House hatte sie einen Santa versprochen – und sie würde die Kids nicht enttäuschen. Besonders nicht in diesem Jahr, denn das Heim würde seine Türen bald für immer schließen.

Entschlossen marschierte Holly zu den Aufzügen, vor denen Clay Forrester immer noch wartete. Eine Glocke ertönte, und die vergoldeten Spiegeltüren öffneten sich. Das Stakkato ihrer Absätze auf dem Marmorboden hallte durch den Raum, als sie losrannte und sich im letzten Moment durch die zugleitenden Aufzugtüren drängte.

Mit einem Hauch von Neugier musterte Clay sie, als der Aufzug losfuhr. Holly war der gut aussehende Geschäftsmann schon vorher aufgefallen, denn sie hätte schon blind sein müssen, um so viel Perfektion zu übersehen: 1,85 Meter, schwarze Haare, blaue Augen. Von Nahem hatte sie ihn bisher allerdings noch nicht begutachten können. Erst jetzt entdeckte sie seine geraden, ernsten Augenbrauen, seinen etwas kantigen Kiefer, seinen sinnlich geformten Mund …

„Mr Forrester …“ Warum klang ihre Stimme bloß so heiser? Vor lauter Nervosität brach Holly mitten im Satz ab.

Er blickte sie wieder an, musterte sie diesmal vom Scheitel ihrer dunklen Haare über ihren Sweater und die Jeans bis zu den Sohlen ihrer Ankle Boots. Aus der Neugier in seinem Blick war plötzlich Interesse geworden. Und irgendwie schien der Aufzug inzwischen eine Höhe erreicht zu haben, die Holly die Luft aus den Lungen presste.

„Entschuldigen Sie bitte. Kenne ich Sie?“

„Holly Bainbridge. Ich arbeite in dem Blumenladen, und Sie haben mir gerade meinen Santa Claus gestohlen.“

„Wie bitte?“

Sie errötete. Wenn er bloß nicht so verdammt gut aussehen würde, könnte sie vielleicht wenigstens einen intelligenten Satz von sich geben. „Charlie hatte mir versprochen, heute Abend als Santa aufzutreten.“

„Er hat einen anderen Job erwähnt, aber …“

Das Wort wurde ihm abgeschnitten, als der Aufzug abrupt stoppte. Holly keuchte auf, verlor das Gleichgewicht und fiel gegen Clay. Er fing sie mit seinem Körper auf, als es plötzlich stockfinster wurde. Sie konnte absolut nichts mehr sehen.

Aber sie konnte fühlen. Oh ja, und wie. Den Druck von jedem seiner Finger, mit denen er ihren Oberarm umklammerte. Das leichte Stocken seines Atems, als ihr Busen seine Brust streifte, die Beschleunigung seines Herzschlags.

Seine starke, männliche Brust unter ihren Händen. Und seine Gürtelschnalle, die sich hart und kalt gegen ihren Bauch presste – ein scharfer Kontrast gegen den Rest von ihm, der definitiv hart und warm war.

Ihre Nervenenden vibrierten, ihr Herz schlug doppelt so schnell wie sonst und übertönte beinahe das Geräusch seines und ihres Atmens.

„Was ist passiert?“, fragte sie, als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. Holly spürte das leichte Beben seiner Brust Sekundenbruchteile, bevor sie ihn lachen hörte. Sie zuckte vor ihm zurück. „Was ist daran so komisch?“

„Irgend so eine Komikertruppe baut gerade mein Büro um, und ich vermute, dass einem von ihnen soeben eine Sicherung durchgebrannt ist.“

Ohne seine Hilfe tastete sie sich aufs Geratewohl durch die Dunkelheit, bis sie die Wand des Aufzugs erreicht hatte. „Das Gebäude hat keinen Strom mehr?“

„Bei dem Glück, das ich derzeit habe, hat ganz Chicago keinen Strom mehr“, erklärte er ironisch.

Ein schwaches elektronisches Summen untermalte seine Worte. Und nach einem kurzen Moment, in dem er schwerelos im Raum zu schweben schien, setzte der Aufzug sich wieder in Bewegung. Mit einem Seufzer der Erleichterung schloss Holly die Augen und sank gegen die Kabinenwand.

„Sind Sie okay?“

Als sie die Augen öffnete, stand Clay unmittelbar vor ihr. Im ersten Moment fürchtete sie, der Aufzug sei doch abgestürzt. Auf jeden Fall hatte sie das Gefühl, jede Bodenhaftung verloren zu haben. Ihr Herz klopfte in der Kehle, und sie griff nach dem Handlauf, um nicht noch näher an Clay heranzutaumeln. „Mir … mir geht’s gut.“

Forschend blickte er sie an, als würde er ihr nicht glauben. Holly hielt seinem Blick stand, krampfhaft darum bemüht, nicht auf seinen Mund zu schauen. Und sich vorzustellen, wie seine Lippen sich auf ihren anfühlen würden.

„Diese Santa-Sache tut mir leid“, sagte Clay. Seine Stimme klang tiefer und heiserer als ein paar Momente zuvor.

Diese lahme Entschuldigung dämpfte den Aufruhr, den seine Anziehungskraft in Holly verursachte hatte. Sie brauchte sich nur vorzustellen, die enttäuschten Kinder mit denselben Worten abzuspeisen: „Hey Kids, tut mir leid, diese Santa-Sache.“

Dieses fast beiläufige Zerstören von Hoffnungen und Träumen erinnerte sie daran, wie leicht ihr Freund sich seinerzeit von ihr getrennt hatte. Immerhin hatte sie Mark genug vertraut, um ihm von ihrer leidvollen Kindheit zu berichten. Und er hatte sie aufs Übelste enttäuscht. „Tut mir leid Holly, ich weiß nicht einmal, ob ich selbst Kinder will – geschweige denn, die Kinder von jemandem anders erziehen.“

Das waren die Worte des Mannes, den sie glaubte zu lieben, den sie heiraten wollte. Diese Worte hatten sie zurück in die Vergangenheit katapultiert, zurück zu ihrem mangelnden Selbstwertgefühl.

Sie war nicht wie andere Leute. Sie hatte keinerlei biologische Bindungen zu irgendjemandem. Sie war nicht Bobs und Carols Tochter, nicht Jimmys kleine Schwester.

„Hören Sie, vielleicht kann ich Ihnen irgendwie helfen“, bot Clay an.

Es dauerte einen Moment, bis Holly sich wieder auf das Gespräch konzentrieren konnte und ihr einfiel, dass sie über die Santa-lose Weihnachtsfeier gesprochen hatten. „Ich wüsste nicht, wie“, antwortete sie, ohne sich große Hoffnungen wegen seines Angebots zu machen. Die Klingel des Aufzugs verkündete ihre Ankunft im obersten Geschoss.

„Lassen Sie uns Charlie anrufen.“

Ohne sich nach ihr umzudrehen, eilte Clay zum Empfangsbereich des Büros. Holly starrte auf den Etagenknopf fürs Erdgeschoss. Es wäre ein Leichtes gewesen, einfach draufzudrücken und schleunigst vor Clays fataler Anziehungskraft zu fliehen …

„Ich habe seine Nummer nicht“, erklärte sie, während sie ihm in das üppig ausgestattete Büro folgte. Ihre Absätze versanken im langflorigen Teppich, sie sah komfortable Bürostühle aus Leder und einen kreisförmigen Arbeitsplatz. Hinter einer Doppeltür befand sich wahrscheinlich Clays inneres Heiligtum.

„Okay. Dann rufe ich jetzt in dem Hotel an, wo meine Feier stattfindet, und sage Charlie, er soll stattdessen zu Ihrer Party gehen.“

Sein Entschluss nahm ihr den Wind aus den Segeln. Schließlich war Charlie derjenige, der sein Versprechen gebrochen hatte. Trotzdem konnte Holly nicht vergessen, dass Clays Geld der entscheidende Faktor gewesen war. Geld war Macht – und Holly diesbezüglich ohnmächtig.

„Wann fängt Ihre Feier an?“, wollte sie wissen.

Clay schaute auf seine Armbanduhr, und Holly erhaschte einen kurzen Blick auf massives Gold und glitzernde Diamanten. „In anderthalb Stunden.“

Erst in anderthalb Stunden würde sie Charlie erreichen, falls er pünktlich war. Dazu kam die Fahrt vom Hotel zum Hopewell House … Holly schüttelte den Kopf. „Das ist zu spät.“

Enttäuschungen waren für die Kinder vom Hopewell House nichts Neues. Aus ihrer eigenen Kindheit konnte Holly sich an das Gefühl nur allzu erinnern. Aber gerade an dieses letzte gemeinsame Weihnachtsfest sollten sich später alle gerne erinnern – das hatte sie sich so sehr gewünscht.

„Zu spät?“, wiederholte Clay. „Wo sollte er denn heute Abend sein?“

„Bei einer Feier im Hopewell House.“

„Was ist das?“

„Ein privates Heim für Pflegekinder.“

Entgeistert starrte er sie an. „Wollen Sie mir damit etwa sagen, ich hätte Waisenkindern Santa Claus gestohlen?“

Holly sah die ehrliche Reue in seinen Augen, als er sich gegen den Rezeptionsschalter sinken ließ. Merkwürdigerweise verspürte sie den dringenden Wunsch, ihm zu helfen, dass er sich wieder besser fühlte.

„Ich werde mir schon etwas ausdenken.“

Vielleicht hatten die beiden Frauen, die die Pflegegruppe leiteten, den Kindern noch gar nichts vom Santas Besuch erzählt. Vielleicht konnte sie in den nächsten Tagen noch einen Ersatz finden. Aber es müsste schnell gehen, bevor die Kinder getrennt und in neue Gruppen verteilt werden würden. Bevor Hopewell House seine Türen für immer schloss.

Als sie gerade gehen wollte, rief Clay: „Warten Sie!“

Einen kurzen Moment hielt er sie an der Hand fest. Kribbelnde Wärme breitete sich in ihrem Arm aus, selbst nachdem sie ihre Hand weggezogen hatte. Holly sehnte sich danach, ihre Handgelenke an seinen Jeans zu reiben, um das Prickeln zu dämpfen. In seinen blauen Augen erkannte sie, dass auch er dieses heiße Aufflackern gegenseitiger Anziehungskraft verspürt hatte. Plötzlich wurde ihr Mund trocken, sie konnte nicht wegschauen. Die gedankliche sexuelle Verbindung war schwieriger zu unterbrechen als jede körperliche.

„Miss Bain … Holly“, er zögerte, „wenn ich irgendetwas tun kann …“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was Sie für meinen Santa bezahlt haben, aber das Problem kann nicht mit Geld gelöst werden.“

Mit ihrem alten, zerbeulten VW-Käfer hielt Holly vor dem Hopewell House. Nach einem Blick auf die mit Lichterketten festlich geschmückte Hausfront holte sie einmal tief Luft.

Normalerweise liebte sie ihre ehrenamtliche Arbeit in dieser Heimgruppe. Im Hinblick auf die Schließung hatte sie jede kostbare Minute ihrer knappen Freizeit hier verbracht. Den Kindern gelang es jedes Mal, sie aufzuheitern. Aber heute Abend fürchtete sie sich fast, das braune Sandsteingebäude zu betreten.

Aus Clays Büro war sie noch einmal in den Blumenladen zurückgekehrt. Sie hatte sich durch alle Kostümverleihe im Branchenverzeichnis telefoniert. Entweder landete sie auf dem Anrufbeantworter, oder ihr wurde mitgeteilt, dass alle Weihnachtskostüme ausgeliehen waren.

Die Autofenster waren schon von ihrem Atem beschlagen, und Holly konnte es nicht länger hinauszögern. Durch die kalte Nachtluft ging sie zum Haus.

Kaum stand sie unter dem Vordach, da öffnete ihr Eleanor Hopewell schon die Tür und winkte sie mit ihren molligen Händen gleich herein. „Komm rein, komm rein. Sonst holst du dir noch den Tod. Die Kinder sind schon ganz aufgeregt.“ Eleanors blassblaue Augen funkelten hinter der Brille.

Beinahe hätte Holly aufgestöhnt. „Eleanor …“

Bevor Holly die schlechte Nachricht überbringen konnte, stürmte Sylvia, Eleanors Schwester, in den Vorraum. „Was trödelt ihr so? Kommt ins Wohnzimmer. Mary Jane kann’s gar nicht erwarten, ihre Lieder zu spielen.“

„Miss Holly?“ Jemand zerrte an Hollys Pullover, sie blickte nach unten. Große blaue Augen unter verstrubbelten Ponyfransen blickten sie an. Sie kniete nieder, bis sie auf der gleichen Höhe wie der Dreijährige war. Sehnsucht und Hoffnung erfüllten sie. Würde man ihr die Chance geben, Lucas zu adoptieren? Um diesem kleinen Jungen, den sie so liebte, mehr zu sein als nur „Miss Holly“? „Hi Lucas!“

Mit sorgenvoller Miene fragte er: „Wie soll’n Santa da reinkommen?“

Vom Kaminsims hingen selbst gestrickte Strümpfe, und im Kamin loderte ein gemütliches Feuer. Die Erwähnung von Santa ließ Holly zusammenzucken. „Also Santa Claus …“

Eleanor unterbrach sie, bevor Holly die Nachricht loswerden konnte.

„Mach dir keine Gedanken, Lucas. Santa muss ganz schön schlau sein, um allen lieben Jungen und Mädchen Spielzeug zu bringen. Der wird sich schon was ausdenken.“

Kaum hatte Eleanor die Worte ausgesprochen, als es an Tür klingelte. Die Kinder jubelten erwartungsvoll auf. Mary Jane sprang vom Klavierstuhl auf. „Santa Claus!“„Nein, wartet!“ Das aufgeregte Trappeln kleiner Schuhe auf dem Holzboden übertönte Hollys Protest. Dass sie für die gleich folgende Enttäuschung verantwortlich war, lastete wie ein schweres Gewicht auf ihr. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, den Kindern in den Vorraum zu folgen.

Sie hörte, wie die Eingangstür geöffnet wurde, und Eleanors Ausruf. „Kinder, guckt mal, wer da ist!!“

Laute Rufe „Santa Claus!“, dazu ein tiefes Lachen. „Ho, ho, ho! Fröhliche Weihnachten!“

Holly sprang auf. War das möglich? Hatte es sich Charlie doch anders überlegt? Überrascht ging sie zur Tür und beobachtete, wie Eleanor und Sylvia die Kinder nacheinander einem bärtigen Mann im roten Kostüm vorstellten. Die Kleinen starrten ihn ehrfürchtig an. Santa Claus sprach mit jedem einzelnen Kind, nannte es beim Namen und zerzauste ihnen die Haare.

Holly runzelte nachdenklich die Stirn. Auch nach zwei Wochen vor dem Blumengeschäft konnte Charlie sich kaum an ihren Namen erinnern. Wieso konnte er sich plötzlich die Namen von einem halben Dutzend Kindern merken?

Als Lucas an die Reihe kam, rannte er nach einem kurzen Blick auf den weißhaarigen, rundlich aufgepolsterten Mann davon und versteckte sich hinter Hollys Beinen. Zum ersten Mal schaute sie sich Santa Claus genauer an.

Überrascht schnappte sie nach Luft, als sie in Clay Forresters unverwechselbare blaue Augen sah.

2. KAPITEL

Fassungslos und mit heftig klopfendem Herzen konnte Holly ihn nur anstarren. Clay im Santa-Kostüm, umgeben von den Kindern – die Szene wirkte wie eine lebendig gewordene Weihnachtskarte.

Jedenfalls solange man nicht allzu genau hinschaute. Dann nämlich entdeckte man seinen flirtenden Blick und sein sexy Lächeln, das der falsche Bart nicht überdecken konnte.

„Na komm, Lucas“, ermutigte Eleanor Hopewell den Kleinen, „begrüße Santa Claus. Du warst die ganze Woche so aufgeregt.“

Lucas umklammerte Hollys Beine noch etwas fester. Dabei hatte sie selbst Hemmungen, sich dem Mann im roten Kostüm zu nähern. Leider hatte Holly niemandem, hinter dem sie sich verstecken konnte. Und sowohl Eleanor als auch Clay warteten. Eleanor mit aufgeregt wedelnden Händen, Clay mit herausfordernd hochgezogener Augenbraue.

Nach einem tiefen Atemzug griff Holly nach Lucas’ Hand und drückte sie beruhigend. „Komm mit mir, Lucas.“

Lucas blieb zwar größtenteils hinter ihrem Bein versteckt, aber sie überredete ihn zumindest, ein leises „Hi“ von sich zu geben.

Und als wäre Holly eines der Kinder, stellte Eleanor sie vor: „Santa, das ist Holly.“

„Aha! Hallo Holly!“ Clays Augen funkelten. „Komm, umarme Santa Claus.“

Da alle Augen auf sie gerichtet waren, hatte sie keine andere Möglichkeit, als auf ihn zuzugehen. Sofort umschlang Clay sie in einer übertriebenen Umarmung. Sie taumelte gegen ihn. Zum Glück verhinderte das Kissen, mit dem seine Jacke ausgestopft war, den direkten Körperkontakt, der ihr im Aufzug den Atem geraubt hatte.

Autor

Stacy Connelly
Als Stacy Connelly ihr erstes Buch veröffentlichte, schenkte ihr eine Freundin ein Armband mit zwei Anhängern: Eine Eins als Symbol für den ersten Verkauf, und einen Brief, symbolisch für den Vertrag. Stacy Connelly beschloss kurzerhand, diese Tradition beizubehalten, und wirklich kommen seitdem regelmäßig neue Anhänger dazu. Denn Stacys Passion ist...
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