Wie sexy darf ein Milliardär sein?

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Kein Sex! Darauf einigen sich die schöne Trish und ihr neuer Boss Nate Longmire. Was nicht leicht ist, denn seit ihrer ersten Begegnung in San Francisco knistert es heiß zwischen ihnen. Und als Nanny für seine kleine Nichte ist Trish schließlich Tag und Nacht in der Nähe des sexy Milliardärs! Schon wenn Nate morgens verstrubbelt aus seinem Schlafzimmer kommt und sie anlächelt, könnte sie schwach werden. Aber Trish muss unabhängig bleiben, um weiter für ihre sozialen Projekte kämpfen zu können, sobald dieser Job vorüber ist. Sie darf ihr Herz nicht an Nate verlieren …


  • Erscheinungstag 23.02.2016
  • Bandnummer 1913
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721138
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Auditorium füllte sich, was genau das war, was Trish wollte. An die vierhundert Leute drängten sich dort, und neben den Journalisten der Unizeitung hatten sich auch ein paar Reporter der lokalen Fernsehsender von San Francisco eingefunden. Hervorragend. Wenn genügend Publikum da war, würde das zusätzlichen Druck auf ihr Zielobjekt ausüben. Kein Milliardär würde einer Wohltätigkeitsorganisation eine Absage vor einem derart großen Publikum erteilen und damit riskieren, als herzlos zu gelten.

Trish saß nun schon seit über einer Stunde auf ihrem Platz am Ende der dritten Reihe. Sie war so früh gekommen, damit keiner sah, wie sie den Scheck hereinschmuggelte.

Jetzt galt es, den geeigneten Moment abzupassen. Einen der reichsten Männer dieses Planeten zu überrumpeln erforderte präzises Timing.

Trish hatte alles im Detail geplant, bis hin zu ihrem T-Shirt, einem tollen Fundstück aus dem Secondhandshop. Es handelte sich dabei um ein verwaschenes blaues Shirt im Retrostil mit einem Wonder-Woman-Logo auf der Brust. Es war ihr ein wenig zu klein, doch sie trug ihre schwarze Samtjacke darüber, von daher war es okay. Elegant, mit einer leicht exzentrischen Note.

Genau wie ihr Zielobjekt Nate Longmire.

Immer mehr Leute strömten in den Saal. Alle waren sie hier, um Longmire zu sehen, den neuesten Milliardär des Silicon Valley. Longmire war achtundzwanzig und nicht ganz so jungenhaft, wie die Presse ihn darstellte.

Er war an die eins fünfundachtzig, kräftig gebaut und, wie ihre Internetrecherche ergeben hatte, Single. Aber sie hatte nicht vor, ihn anzugraben. Vielmehr wollte sie ihm das Gefühl vermitteln, sie läge in allen Computer- und Wohltätigkeitsangelegenheiten auf derselben Wellenlänge wie er. Sie hatte vor, ihn so in die Ecke zu drängen, dass er sich nur mit einer Spende retten konnte.

Schließlich gingen die Lichter aus, und dann trat die Vorsitzende des studentischen Veranstaltungsausschusses in einem bemerkenswert engen Rock auf die Bühne. Trish stieß einen verächtlichen Laut aus.

„Willkommen zum heutigen Gastvortrag an der San Francisco State University. Ich heiße Jennifer McElwain und moderiere den heutigen Abend …“

Trish schaltete ab, während Jennifer über die ehrwürdige Unterhaltungskultur an der Uni und die vielen distinguierten Gäste schwadronierte, bla, bla, bla. Statt zuzuhören, sah Trish sich in der Menge um. Mehr als die Hälfte des größtenteils weiblichen Publikums sah aus, als hoffte sie, innerhalb der nächsten Stunde in einer Limousine davonzubrausen.

Beim Anblick der vielen jungen, schönen Frauen wurde Trish unbehaglich zumute. Das hier war nicht ihre Welt, dieses College voller junger, schöner Menschen, die sich problemlos treffen oder miteinander ausgehen konnten, ohne sich wegen einer ungewollten Schwangerschaft Sorgen zu machen oder wie man dieses Baby dann ernähren sollte. Trishs Welt bestand aus bitterer Armut, aus einem nicht enden wollenden Strom von Babys, die ungeplant waren und um die sich daher auch niemand kümmerte. Niemand außer ihr.

Nicht zum ersten Mal kam sie sich vor wie ein Eindringling. Obwohl sie kurz vor ihrem Abschluss in Sozialarbeit stand und sich schon seit fünf Jahren auf diesem Campus bewegte, wusste sie, dass es einfach nicht ihre Welt war.

Augen zu und durch, dachte sie sich, als sie die laufenden Fernsehkameras zählte. Es waren fünf. Die Veranstaltung stieß auf lebhaftes Medieninteresse.

Und sie war eine Frau mit einem großen Scheck und einem gebrauchten Wonder-Woman-Shirt, die sich anschickte, einen der reichsten Männer der Welt zu überrumpeln. Kurz gesagt, Trish Hunter.

„… und nun freuen wir uns, Mr Nate Longmire bei uns zu begrüßen, den Gründer von SnAppShot, der mit uns über gesellschaftliche Verantwortung und Philanthropie sprechen will.“

Das Publikum begann fast zu johlen, als der junge Milliardär auf die Bühne kam.

Die Leute sprangen auf, und auch Trish erhob sich. Longmire kam direkt an ihr vorbei, sie konnte ihn aus nächster Nähe betrachten.

Oh. Oh, wow. Sie hatte zwar gewusst, wie Nate Longmire aussah, hatte über ihn recherchiert und auch diesen albernen Artikel gelesen, in dem er als einer der zehn heißesten Junggesellen des Silicon Valley gehandelt wurde. Doch kein Foto, kein einziges, wurde dem Mann gerecht.

Er war einfach ungeheuer attraktiv. Groß und breitschultrig, bewegte er sich mit einer geschmeidigen Kraft, bei der ihr ganz heiß wurde. Er hatte enge Jeans und Boots von Fluevog an, kombiniert mit einem weißen Oberhemd, einer fachmännisch gebundenen lila gestreiften Krawatte und einem lila Pulli. Dazu trug er Vollbart und Hornbrille, was ihm etwas Streberhaftes verlieh.

Longmire wandte sich an die Menge, und Trish glaubte zu sehen, wie er angesichts des nicht enden wollenden Tumults errötete. Er sonnte sich nicht im Applaus, im Gegenteil, er wirkte eher, als fühlte er sich unwohl. Als ob er da oben nicht recht hinpasste.

„Danke“, sagte er, als der Lärm nicht enden wollte. „Bitte“, fuhr er dann leicht verzweifelt fort und bedeutete allen mit einer Geste, sich zu setzen. Das zumindest klappte. „Na also. Einen guten Abend an die State University von San Francisco.“

Wieder brandete Applaus auf, und Trish hätte schwören können, dass Nate zusammenzuckte. Er setzte sich auf einen Hocker in der Bühnenmitte, die Lichter gingen aus, ein einzelner Spot ruhte auf ihm. Hinter ihm senkte sich eine Leinwand herab, und dann begann eine Diashow.

„Technologie“, fing er an, während hinter ihm Bilder von attraktiven Menschen mit Tablets und Smartphones erschienen, „kann Berge versetzen. Instant Messaging hat die Macht, Regierungen zu stürzen und Gesellschaften umzugestalten, und das in einem Tempo, von dem unsere Ahnen – Steve Jobs und Bill Gates – nur träumen konnten.“ Das Publikum lachte über den Scherz. Longmire lächelte angespannt.

Trish beobachtete ihn. Offenbar hatte er seine Ansprache auswendig gelernt, was bei einem IQ von 145 – an der Schwelle zum Genie – kein Wunder war. Doch sobald das Publikum reagierte, schien er sich in sich zurückzuziehen, als wüsste er nicht, was er tun sollte, wenn etwas Unvorhergesehenes passierte. Hervorragend. Ein Mann wie er würde nicht wissen, wie er sich aus einem direkten Spendenaufruf herauswinden sollte.

„Und Sie nehmen hautnah teil an dieser technologischen Revolution, diese Macht steht Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.“ Longmire trank einen Schluck Wasser und räusperte sich. Trish hatte den Eindruck, dass er sich diese Ansprache förmlich abrang. Interessant.

„Das Problem liegt im Ungleichgewicht“, fuhr Longmire fort. „Wie soll man mit dem Rest der Menschheit kommunizieren, wenn ihr diese Dinge nicht zur Verfügung stehen?“ Auf der Leinwand erschienen Bilder von afrikanischen Kulturen, australischen Aborigines, verarmten Einwohnern Südasiens und … Verdammt, hat er da wirklich ein Foto von … Trish betrachtete das Dia. Nein, das war nicht ihr Reservat in South Dakota, aber vielleicht war es das Rosebud.

Na gut. Prima, dass er die Reservate der amerikanischen Ureinwohner für fünf Sekunden auf der Leinwand hatte, auch wenn die Montage sie verärgerte. Alle Nichtweißen waren auf den Teil der Rede verwiesen worden, in dem es um die Armut ging.

„Wir tragen Verantwortung, wir müssen diese Macht, diesen Reichtum dafür einsetzen, das Los unserer Mitmenschen zu verbessern …“

Longmire redete noch eine Dreiviertelstunde, rief das Publikum dazu auf, über den eigenen Bildschirm hinauszublicken und Technologie bewusst zu konsumieren. „Engagieren Sie sich“, sagte er. „Wenn wir anderen helfen, ist uns allen geholfen. Solarbetriebene Laptops können Kinder aus der Armut befreien. Sorgen Sie dafür, dass die nächste große Entwicklung nicht spurlos an Armut und Krankheit vorbeigeht. Es liegt nun an Ihnen.“ Diesmal lächelte er die Menge an, war sehr viel selbstsicherer. „Enttäuschen Sie mich nicht.“

Auf der Leinwand hinter ihm erschien das offizielle Logo der Longmire Foundation mit dem Link zur Twitter-Seite und zur eigenen Website. Das Publikum brach in sechsminütige Standing Ovations aus, während Longmire auf seinem Hocker saß, sein Wasser trank und aussah, als wünschte er sich meilenweit fort.

Endlich trat die Moderatorin wieder auf die Bühne, dankte Longmire für seine „wahrhaft brillante“ Ansprache und wies dann auf die Mikrofone in den Gängen. „Mr Longmire hat sich bereit erklärt, Fragen zu beantworten.“

Timing war alles. Trish wollte nicht den Anfang machen, aber auch nicht warten, bis die Reporter zusammenpackten. Sie musste den idealen Zeitpunkt abpassen, an dem sie ihren Scheck hervorziehen und ans Mikrofon treten konnte, bevor irgendwer sie aufhalten konnte.

In den Gängen standen jeweils an die zehn Studenten. Einige Fragen befassten sich mit den Anfängen von Longmires Firma im Studentenwohnheim und wie ein normaler Student auf eine Milliarden-Idee kommen konnte.

„Man muss etwas finden, was die Leute brauchen“, erwiderte Longmire. „Ich habe nach einem Weg gesucht, auch von unterwegs Zugriff auf meine Digitalbilder zu haben, damit ich sie meinen Eltern zeigen kann – und um meinen Eltern eine Möglichkeit zu geben, sie anderen zu zeigen. Und so habe ich die SnAppShot-App mit allen erdenklichen Betriebssystemen und Plattformen verbunden. Das waren zehn Jahre harte Arbeit. Glauben Sie nicht, was die Medien verbreiten. In dieser Branche gibt es keine Blitzerfolge. Entdecken Sie eine Marktlücke, und schließen Sie sie.“

Wenn er Fragen beantwortete, wirkte er viel sicherer. Vielleicht weil er dabei nur mit einer Person redete? Er sprach flüssiger und klang selbstbewusster. Die Kraft seiner Worte erfüllte den Saal. Dieser Stimme hätte sie den ganzen Abend zuhören können – sie war wie hypnotisiert.

Das war ein Problem. Trish rieb sich die Hände an der Jeans, versuchte sich zu beruhigen. Okay, aus dem Stegreif sprach er ziemlich gut – was besonders deutlich wurde, als ein paar Leute kritische Fragen stellten.

Statt sich in die Ecke gedrängt zu fühlen, begann Longmire listig zu lächeln – ein Lächeln, das ganz anders war als das schwache Grinsen, das er während seiner vorbereiteten Rede aufgesetzt hatte. Danach sezierte er die Frage mit erstaunlicher Geschwindigkeit und widerlegte sie in allen Punkten.

Er galt als harter Geschäftsmann, der Leute aus purem Spaß an der Freude auf Schadenersatz verklagte. Nate Longmire steckte nie zurück und gab vor Gericht niemals klein bei. Seine ehemalige Studienfreundin und Mitgründerin von SnAppShot hatte er vollkommen ruiniert.

Trish ertappte sich dabei, wie sie mit ihren Ohrringen herumspielte. Okay, ja, es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihre kleine Einlage nicht gut ankam. Doch sie war fest entschlossen, es zu probieren. Die einzigen Verlierer waren doch die Leute, die es nicht einmal versuchten.

Schließlich wartete auf ihrer Seite nur noch eine Person. Longmire hörte gerade konzentriert jemandem in der anderen Schlange zu. Trish schaute sich um und sah, dass sich niemand anschickte aufzustehen. Das war ihre Chance. Sie schob den Scheck hinter ihrem Stuhl hervor und stellte sich dann an, den Scheck immer in Reichweite, damit sie ihn hochheben konnte.

Die Person vor ihr stellte irgendeine alberne Frage darüber, was Longmire zu seinem Status als Sexsymbol sagte. Trish verdrehte die Augen, doch Longmire lief knallrot an. Die Bemerkung hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Prima!

„Wir haben noch Zeit für eine letzte Frage“, verkündete Jennifer, nachdem sich das nervöse Gelächter gelegt hatte. „Ja? Treten Sie vor, und nennen Sie Ihren Namen.“

Trish bückte sich und nahm ihren Scheck. Er war lächerlich groß – ein Stück Karton, sechzig mal eins zwanzig. „Mr Longmire“, sagte sie und hielt den Scheck wie einen Schutzschild vor sich. „Mein Name ist Trish Hunter. Ich habe One Child, One World gegründet, eine gemeinnützige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, unterprivilegierte Kinder aus den Reservaten amerikanischer Ureinwohner mit Schulmaterialien zu versorgen.“

Longmire beugte sich vor und fixierte sie. Die Welt schien … nun ja, sie versank nicht darin, wie es in Romanen gern hieß. Aber das Stimmengewirr und die Scheinwerfer schienen zu verblassen, als Longmire alle Aufmerksamkeit auf sie richtete und meinte: „Eine großartige Sache. Fahren Sie fort, Ms Hunter, wie lautet Ihre Frage?“

Trish schluckte nervös. „Vor Kurzem wurde ich für meine Arbeit von der Glamour zu den Top Ten College Women gewählt.“ Sie hob den Scheck. „Damit verbunden war ein Geldpreis von zehntausend Dollar, den ich komplett an One Child, One World spenden werde. Sie haben sehr eloquent davon berichtet, wie man mit Hilfe von Technologie Leben verändern kann. Würden Sie ebenfalls zehntausend Dollar spenden, um Kinder mit Schulmaterialien zu versorgen?“

Die Stille, die sich auf das Publikum herabsenkte, war ohrenbetäubend. Trish rauschte das Blut in den Ohren. Sie hatte es getan. Sie hatte genau das getan, was sie sich vorgenommen hatte – eine Szene zu machen und hoffentlich einen der reichsten Männer der Welt dazu zu bringen, ein wenig von seinem hartverdienten Geld abzugeben.

„Danke, Ms Hunter“, sagte die Moderatorin scharf. „Es gibt jedoch ein festes Verfahren, nach dem Leute sich um Spenden bei Mr Longmire bewerben …“

„Moment“, unterbrach Longmire sie. „Es stimmt schon, bei der Longmire Foundation gibt es ein Bewerbungsverfahren. Allerdings …“, und dabei war sein Blick so unverwandt auf Trish gerichtet, dass ihr ganz heiß wurde, „… muss man eine so unverblümte Herangehensweise auch bewundern. Ms Hunter, vielleicht könnten wir nach der Veranstaltung darüber sprechen, was Ihre Organisation braucht?“

Trish hörte die Seufzer im Publikum kaum, so laut rauschte ihr das Blut in den Ohren. Das war kein Nein. Ein Ja war es aber auch nicht – er hatte sich sehr gut um eine direkte Antwort herumgewunden. Vielleicht gelang es ihr, genug Unterstützung zu bekommen, um jedem Kind im Reservat einen Ranzen voller Schulsachen zu kaufen.

Außerdem würde sie sehen können, ob Nate aus der Nähe ebenso attraktiv war wie von Weitem. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte. Natürlich nicht. „Es wäre mir eine Ehre“, sagte sie in das Mikrofon, und nicht einmal ihr entging, dass ihre Stimme ein wenig zitterte.

„Bringen Sie Ihren Scheck mit“, sagte er und grinste verschmitzt. „Ich glaube nicht, dass ich je einen so großen gesehen habe.“

Das Publikum lachte. Immer noch grinsend, hob Longmire eine Augenbraue und nickte zum Bühnenausgang hinüber. Die Botschaft war eindeutig. Ob sie zu ihm hinter die Bühne kommen wolle?

Die Moderatorin dankte Longmire, alle applaudierten, und dann war der Abend vorbei. Trish nahm ihre Tasche und kämpfte sich gegen den Strom der Studierenden voran, die nicht hinter die Bühne eingeladen worden waren. Mit ihrer kleinen Tasche und dem großen Scheck in der Hand schlüpfte sie durch den Vorhang nach hinten.

Dort stand die Moderatorin und betrachtete sie erbost. „Da hast du ja eine ganz schöne Show abgezogen“, wisperte sie bösartig.

„Danke!“, erwiderte Trish heiter. Bestimmt hatte Jennifer für die Zeit nach dem Interview große Pläne geschmiedet, und nun hatte Trish ihr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.

„Ah, Ms Hunter. Hallo.“ Plötzlich stand Nate Longmire vor ihr. Trish war an die eins fünfundsiebzig, doch um ihm in die Augen zu sehen, musste sie den Kopf in den Nacken legen. „Prima“, fuhr er fort und sah auf sie herab, als freue er sich, sie zu sehen. „Sie haben den großen Scheck dabei. Jennifer, würden Sie ein Bild von uns machen?“

Sein Handy klingelte. Er sah auf das Display, verzog das Gesicht und rief seine SnAppShot-App auf. Dann reichte er es der Moderatorin, die sich ein Lächeln abrang. „Halten Sie ihn hoch“, sagte er und nahm den Scheck an einer Ecke. Dann legte er Trish den Arm um die Schultern und flüsterte: „Lächeln.“

Trish war sich nicht sicher, ob es ihr gelang. Sein Arm fühlte sich warm und schwer an, und sie hätte schwören mögen, dass sie ihn an Stellen spürte, wo er sie gar nicht berührte.

Sie fühlte sich nicht zu ihm hingezogen. Gar nicht. Das konnte sie sich nicht leisten. Sie musste ihren Plan verfolgen.

Die erste Phase – den Milliardär in die Falle locken – hatte sie gut hinter sich gebracht. Nun ging es weiter mit Phase zwei – ihm eine Spende abzuschwatzen.

Jennifer schoss zwei Bilder und gab das Handy zurück. Longmire ließ den Arm sinken, und Trish konnte nicht anders – sie fröstelte ein wenig, als sie seine Wärme nicht mehr spürte.

„Mr Longmire …“, säuselte Jennifer, „… wie Sie sich vielleicht erinnern, habe ich Sie nach dem Vortrag zum Essen eingeladen. Wir sollten gehen.“

Darauf trat eine Pause ein, die man nur als verlegen beschreiben konnte. Einen Augenblick stand Longmire wie erstarrt – als hätte ihn diese Behauptung völlig unvorbereitet getroffen und als wüsste er bei aller Geschäftstüchtigkeit und Intelligenz keine Antwort darauf.

Jennifer fasste ihn am Arm. „Gehen wir?“, sagte sie und klimperte mit den Wimpern.

Trish verdrehte die Augen – gerade als Longmire sie ansah.

Hoppla. Ertappt.

Doch Longmire wirkte eher erleichtert. „Ach je – ich erinnere mich, aber ich finde, dass ich mich erst noch Ms Hunters Frage widmen sollte.“ Er rückte von Jennifer ab, fast als wolle er sich in Sicherheit bringen. Jennifers Hand hing einen Moment in der Luft, dann zog sie sie abrupt zurück. „Rufen Sie in meinem Büro an“, sagte Longmire und wandte sich ab. „Wir schauen, ob wir einen Termin finden. Ms Hunter? Kommen Sie?“

Trish presste den Scheck an die Brust und eilte Longmire hinterher.

Das war entschieden kein Nein.

Nun musste sie nur noch ein Ja bekommen.

Nate machte es sich im Apollo Coffee Shop bequem. Er mochte Coffee Shops. Normalerweise war dort so viel los, dass er nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregte, und gleichzeitig war es ruhig genug zum Denken. Er dachte gern nach. Denken war für ihn eine einträgliche, befriedigende Erfahrung.

Im Moment dachte er über die junge Frau nach, die ihren lächerlich großen Scheck ins Taxi geschoben und dann in den Coffee Shop getragen hatte, als wäre es das Normalste der Welt.

Trish Hunter. Sie trank einen kleinen schwarzen Kaffee – sicher das Billigste, was auf der Karte zu finden war. Außerdem hatte sie darauf bestanden, selbst zu bezahlen. Sie hatte sich rundheraus geweigert, dass er das für sie übernahm.

Das war … anders. Es faszinierte ihn.

Der große Scheck war hinter ihren Stuhl geklemmt und sah schon etwas mitgenommen aus. „Das ist nicht der ursprüngliche Scheck, oder?“

„Nein. Ich habe einen ganz normalen erhalten, den ich sofort zur Bank gebracht habe. Aber der hier macht mehr her, finden Sie nicht?“, erwiderte sie leichthin und ohne den koketten Ton, den Frauen ihm gegenüber anschlugen, seit er seine erste Million verdient hatte.

„Nicht viele Leute hätten den Mumm, mich auf diese Art in die Enge zu treiben“, meinte er und beobachtete sie aufmerksam. Sie war attraktiv – langes dunkles Haar, das ihr auf den Rücken fiel, zarte Haut, hohe Wangenknochen. Mit ihren klassischen Zügen und dem athletischen Körper – der war nicht zu übersehen – sah sie tatsächlich aus wie Wonder Woman.

Sie benahm sich nicht wie die Frauen, die versuchten, ihn mit ihren weiblichen Tricks in die Falle zu locken. Stattdessen saß sie ihm gegenüber, trank billigen Kaffee und wartete darauf, ihm zu erklären, warum er ihr einen Scheck ausstellen sollte.

Einen Augenblick wäre Nate beinahe in Panik verfallen. Er war bei Frauen nicht sehr geschickt, was sich zum Beispiel darin zeigte, wie er mit Jennifers Essenseinladung umgegangen war oder dass er Dianas Nachricht – die dritte in diesem Monat – einfach ignorierte.

Seit die Sache mit Diana den Bach hinuntergegangen war – und in einen üblen Trennungskrieg gemündet hatte –, wählte er den einfachen Weg und ließ sich einfach auf nichts mehr ein. Was hieß, dass er schrecklich aus der Übung war.

Trish Hunter tat nichts von den Dingen, die ihn sonst so nervös machten – zum Beispiel ihn wie einen Sexgott zu behandeln, den sie insgeheim seit Jahren anbetete.

Sie grinste, und dieses Grinsen hatte auf ihn eine überraschende Wirkung: Es stärkte sein Selbstbewusstsein. Was lächerlich klang, aber so war es nun einmal. „Hat es funktioniert? Sie in die Enge zu treiben, meine ich.“

Nate erwiderte das Lächeln. Im Umgang mit dem anderen Geschlecht war er ziemlich ungeschickt, doch über Geld konnte er verhandeln. Und der Umstand, dass ihn diese junge Frau nicht anflirtete, beruhigte ihn. Alle Karten lagen auf dem Tisch. Mit dieser Art der Interaktion kam er klar. „Kommt darauf an.“

Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Unschuldig sah sie aus, fast süß. „Worauf?“

„Erzählen Sie mir von Ihrer Organisation.“

Sie atmete erleichtert auf, das fiel ihm auf, obwohl es keine große Geste war. Er fragte sich, was sie wohl erwartet hatte. „Natürlich. One Child, One World ist eine eingetragene gemeinnützige Organisation. Wir halten die Kosten so niedrig wie möglich.“ Nate seufzte. Er hasste diese Aspekte der Wohltätigkeit. Sie waren schlichtweg langweilig. „Ungefähr 93 Cent eines jeden gespendeten Dollars werden direkt für Schulsachen …“ Sie verstummte. „Ist das nicht die richtige Antwort?“

Er richtete sich ein wenig auf, was sie interessiert beobachtete. Sie schenkte ihm Aufmerksamkeit. Zu behaupten, dass ihm das nicht schmeichelte, wäre gelogen gewesen. „Diese Daten brauchen wir beim Bewerbungsverfahren“, erwiderte er und winkte ab. „Die Anwälte haben darauf bestanden. Aber es ist nicht das, was ich wissen wollte.“

Sie hob eine Augenbraue und beugte sich vor. Ja, er hatte ihre volle Aufmerksamkeit – und sie seine. „Sie haben aber doch nach meiner Organisation gefragt.“

Oh ja – ihre Worte waren eine einzige Herausforderung. Sie würde ihm nicht nach dem Mund reden. Auch wenn er Geld hatte und sie den billigsten Kaffee trank.

Das machte sie nur noch interessanter.

Und solange er sich sagte, es ginge um Macht und Geld – und nicht darum, wie hübsch sie war, wie sie ihn ansah und vor allem er sie ansah –, würde er schon klarkommen.

„Erzählen Sie mir davon, warum eine junge Frau eine Organisation gründet, um Kinder mit Schulmitteln zu versorgen. Erzählen Sie mir …“ Von Ihnen. Aber das sagte er nicht, denn dann würde er vom Geschäftlichen zum Persönlichen wechseln. Und vermutlich anfangen zu stammeln und ihr den Kaffee in den Schoß schütten. „Erzählen Sie mir davon.“

„Ah.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee. „Sie sind in Kansas City aufgewachsen, nicht?“

„Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.“

„Wenn man jemanden in die Enge treiben will, muss man sich gut vorbereiten“, erwiderte sie zufrieden.

Er nickte anerkennend. „Ja, ich bin in Kansas City aufgewachsen. Mittelschicht-Haushalt. Mein Vater war Buchhalter, meine Mutter Lehrerin.“ Das mit seinem Bruder ließ er aus. „Es war ein sehr angenehmes Leben.“ Er hatte gar nicht gewusst, wie angenehm, ehe er so viel Geld verdient hatte und sich damit zu beschäftigen begann, wie andere Leute lebten.

Trish lächelte ermutigend. „Sicher haben Sie jeden August einen neuen Schulranzen bekommen, neue Schuhe, neue Kleider und alles, was die Lehrerin gesagt hatte, das Sie brauchen, stimmt’s?“

„Ja.“ Er riskierte es. Zwar war nicht gesagt, dass sie, nur weil sie schwarzes Haar und kupferfarbene Haut hatte und Kindern aus den Reservaten half, indianischer Herkunft war, doch es war ziemlich wahrscheinlich. „Sie demnach nicht?“

Etwas in ihrer Miene veränderte sich – ihr Blick schien hart zu werden. „In der sechsten Klasse hat mir die Lehrerin einmal zwei Bleistifte gegeben. Mehr konnte sie sich nicht leisten.“ Sie senkte den Blick und fing an, an einem Ohrring herumzuspielen. „Es war das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe.“

Das machte Nate erst einmal sprachlos. Seine Mom hatte ihm hin und wieder von Schülern erzählt, die ein wenig „zusätzliche Unterstützung“ brauchten, wie sie es ausdrückte. Dann hatte sie Essen und ein paar Schulsachen in einen Ranzen gepackt, und damit hatte es sich. Das war noch, bevor sie bei seinem Bruder Joe zu Hause bleiben musste.

„Tut mir leid“, sagte er leise. Er hätte er nicht gedacht, dass es eine Welt gab, in der zwei Bleistifte ein kostbares Geschenk waren. Doch nun wusste er es besser. „Und Sie wollen das jetzt ändern?“

„Ja. Zuerst einmal möchte ich, dass jedes Kind einen Ranzen bekommt mit allem, was es für die Schule braucht.“ Ihr Blick wurde weicher. „Das ist nur der erste Schritt. Aber er ist wichtig.“

Er nickte. „Sie haben größere Pläne?“

Ihre Augen begannen zu leuchten. „Aber natürlich. Das hier ist nur der Anfang.“

„Erzählen Sie mir, was Sie noch tun möchten.“

„Für viele Kinder ist die Schule wie eine … Oase in der Wüste. Die Schulen müssten früher aufmachen, länger offen sein. Sie müssten ein größeres Frühstück servieren, ein größeres Mittagessen, und nachmittags braucht jeder einen Snack. Viele Kinder bekommen zu Hause nicht regelmäßig zu essen, und es ist so schwer, mit knurrendem Magen zu lernen.“ Bei der letzten Bemerkung senkte sie den Kopf.

Sie sprach aus Erfahrung, erkannte er. Zwei Bleistifte, und zu Hause nichts zu essen.

„Die Leute im Reservat lieben Basketball und Skateboard fahren“, fuhr sie fort. „Wenn die Schulen da bessere Plätze anbieten würden, würde das die Kids davon abhalten, sich Gangs anzuschließen.“

„Sie haben eine Bandenproblematik?“ Er hatte gedacht, dass sich das auf die innerstädtischen Drogenkartelle beschränkte.

Sie warf ihm einen Blick zu, in dem sich Belustigung und Herablassung die Waage hielten. „Manche Leute haben unsere kriegerische Vergangenheit zu einer Bandenmentalität pervertiert. Wir verlieren die Kids auf diese Weise und bekommen sie selten zurück.“

Er dachte über ihre Wunschliste nach. „Von Computern haben Sie noch nichts gesagt.“

Sie hielt inne, warf ihm wieder dieses angespannte Lächeln zu. „Darauf arbeite ich hin, aber dafür brauche ich weitaus mehr als zehn- oder zwanzigtausend Dollar. Die meisten Schulen haben nicht mal Internet. Ich will, dass erst mal die Grundbedürfnisse erfüllt werden. Das verstehen Sie doch, nicht?“

Er nickte. Er hatte schon eine Reihe von üblen Schulen gesehen – Schimmel an den Wänden, notdürftig mit Klebeband reparierte Fensterscheiben, uralte modrige Schulbücher. Aber was sie da beschrieb …

„Was wollen Sie dann von mir? Nur zehntausend?“

Sobald er es ausgesprochen hatte, erkannte er, dass er es vielleicht anders hätte formulieren sollen. Sie lehnte sich zurück und sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick wirkte herausfordernd. Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung.

Gott, sie war schön, und in ihrem Blick lag noch etwas anderes – ein Interesse, das über sein Bankkonto hinausging. Er sollte sie um ein Date bitten. Schließlich ließ sie sich nicht von ihm einschüchtern und warf sich ihm nicht an den Hals. Sie wollte Geld von ihm, und das sagte sie auch offen und ehrlich, versteckte es nicht hinter irgendwelchen erotischen Spielchen. Lieber Himmel. Ihm begegneten nicht oft Frauen, mit denen er sich einfach nur unterhalten konnte.

Nur … Verabredungen waren nicht seine Stärke, und bestimmt übertrat er irgendeine Grenze, wenn er sich mit einer Frau verabreden wollte, die ihn eben um eine Spende gebeten hatte.

Verdammt.

„Natürlich würde One Child, One World sich über jede Spende freuen, die die Longmire Foundation zu geben bereit wäre“, sagte sie. Sie klang wie jemand, der schon öfter um Gelder geworben hatte.

„Wie sind Sie unter die Top Ten College Women geraten?“

„Eine meiner Dozentinnen hat mich vorgeschlagen. Ich wusste gar nichts davon. Kurz davor habe ich versucht, einen Kuchenverkauf zu organisieren, um hundert Dollar für Briefmarken zu bekommen, und plötzlich fliege ich nach New York und kriege dort eine Menge Geld.“ Sie errötete. „Also, für meine Verhältnisse war es eine Menge. Für Sie sind zehntausend sicher nicht viel.“

„Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, als es für mich auch eine Menge Geld war.“ Er verzog das Gesicht. Was für eine miese Bemerkung.

Er wollte sich schon entschuldigen, als sie sagte: „Erzählen Sie mir doch von Ihrer Organisation.“

Einen Augenblick betrachtete er sie einfach nur. „Wollen Sie damit fragen, wieso ich Geld verschenke?“

„Na ja, auch Sie mussten es erst mal verdienen“, meinte sie.

Er zuckte mit den Achseln. „Wie gesagt, ich hatte eine angenehme Kindheit. Wir haben nicht immer gekriegt, was wir wollten – zum sechzehnten Geburtstag habe ich zum Beispiel kein Auto bekommen –, aber es ging uns gut.“

Wie sehr hatte er sich doch ein Auto gewünscht. Sein älterer Bruder Brad besaß einen halb verrosteten Jeep, den er sich selbst zusammengespart hatte, und schwor, dass es damit ein Kinderspiel sei, sich mit Mädchen zu verabreden.

Damals hatte Nate keinerlei Aussicht auf ein Date gehabt. Er war groß und schlaksig, trug eine hässliche Brille und hatte schlechte Haut. Ein Auto wäre der einzige Weg gewesen, doch noch ein Mädchen abzubekommen.

Tja. Kein Auto, kein Date.

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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