Zärtliche Küsse rund um die Welt - 4 traumhafte Sehnsuchtsorte

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WIR ZWEI IN NIZZA
In Südfrankreich will Alice nur eins: für kurze Zeit dem grauen Londoner Alltag entfliehen. Dass sie ihr Ferienhaus überraschend mit dem ebenso attraktiven wie berühmten Architekten Peter Morrison teilen muss, macht den Urlaub nur noch prickelnder. Doch bald wird ihr klar, dass Peter mehr für sie ist als ein harmloser Urlaubsflirt. Unter dem azurblauen Himmel von Nizza entwickelt sich eine wundervolle Sommerromanze, und Alices Herz scheint rettungslos verloren. Aber darf sie ihre Gefühle wirklich zulassen? Schließlich gibt es bereits eine Frau in Peters Leben …

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  • Erscheinungstag 19.10.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528061
  • Seitenanzahl 459
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Wir zwei in Nizza erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© by Cathy Williams
Originaltitel: „A French Encounter“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA , Band 79

Umschlagsmotive: Vector graphic artist/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751506250

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Alice stellte ihre Gucci-Taschen genervt ab und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Wieso war nicht alles fertig?

Der Flug von London nach Nizza an die Côte d’Azur hatte schon mehr als negativ begonnen, mit Verzögerungen beim Abflug und bei der Ankunft. Die Taxifahrt in dieses kleine Dorf, das nur etwa sechs Kilometer außerhalb der Stadt lag, hatte ihr den Rest gegeben, weil die Klimaanlage des Wagens nicht funktionierte. Und ihr letztes bisschen Humor schmolz dahin, als sie vor dem Bungalow stand und feststellte, dass die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.

Er sah zwar auch so schon schön aus, das gab sie ja zu, mit den pinkfarbenen Mauern gegen die grünen Hügel dahinter und mit dem gewundenen Weg hinunter zum Privatstrand, aber wie sollte sie hier leben, wenn noch Bauarbeiter herumwerkelten?

Irritiert rümpfte sie die Nase. Warum hatte ihr Vater sie nicht gewarnt? Stattdessen hatte er ihr fröhlich verkündet, dass die Abwechslung ihr guttun würde. Aber jetzt war sie einfach müde und wollte am liebsten eine warme Dusche nehmen. Wahrscheinlich gab es aber noch kein fließendes Wasser. Was sollte sie nur tun?

Die ganzen zweiundzwanzig Jahre ihres Lebens war sie von größtem Luxus umgeben gewesen, hatte stets alles bekommen, was man mit Geld kaufen konnte. Daher war sie keine tapfere Amazone, die lächelnd mit solchen Malheurs fertig wurde.

Wie sollte sie in ihrer momentanen Situation handeln? Ihr Leben in London, das einem einzigen Wirbelwind von gesellschaftlichen Terminen glich, war ihr in den vergangenen Wochen hohl und leer erschienen. Sie war nach Südfrankreich aufgebrochen, um gründlich darüber nachzudenken, ob sie die Verlobung mit Jonathan lösen wollte und wie sie das am besten bewerkstelligen konnte.

Ihr Vater hatte recht, sie brauchte einen Tapetenwechsel. Tapfer griff sie sich die Taschen und trabte auf das Haus zu. Als Erstes würde sie nach dem Auspacken ins Dorf gehen und ein paar Lebensmittel einkaufen. Nach dem Essen würde sie sich schon wieder besser fühlen.

Sie steckte den Schlüssel in das Schloss und wollte ihn gerade umdrehen, als sie entdeckte, dass gar nicht abgeschlossen war.

Das war das sicherste Zeichen, dass noch Handwerker im Haus waren. Sie war müde, hungrig und würde sich gleich mit einer Horde einheimischer Arbeiter herumschlagen müssen.

Sie zählte bis zehn. Sie würde sich zusammennehmen, wie die Astrologin es ihr geraten hatte. Kurz vor der Abreise hatte sie sich nämlich mit einigen Freunden diesen teuren Spaß geleistet. Die Antwort der Frau, sie solle aufpassen, dass sie nicht in eine unkontrollierbare Situation gerate, hatte sie ein wenig verwirrt.

Sie holte tief Luft und stieß die Tür auf. Sie würde den Arbeitern schon klarmachen, dass man sie in Ruhe zu lassen hatte. Erstaunt sah sie sich einem einzelnen Mann gegenüber, der sie begrüßte. „Ich habe Sie bereits erwartet, Miss Stanley.“

Sie blieb wie erstarrt stehen und warf einen kritischen Blick auf ihr Gegenüber, einen großen athletischen Mann in Jeans und einem T-Shirt, das seine braunen muskulösen Arme freiließ. Wer war das wohl?

Er hatte nichts mit den Männern gemeinsam, mit denen sie normalerweise ausging. Er war eigentlich das genaue Gegenteil. Sein Gesicht wirkte hart und aggressiv. Er sah aus, als berühre es ihn nur wenig, was andere Menschen über ihn dachten.

Aber sie musste feststellen, dass auch dieser Fremde sie aufmerksam musterte, und zwar von Kopf bis Fuß.

Was glaubte er denn, wo er war? Angesichts von so viel Arroganz ballte sie die Hände zur Faust.

„Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“, gab sie betont kühl zurück. „Vielleicht haben ja Sie mich erwartet, ich jedenfalls bin nicht auf Ihre Anwesenheit vorbereitet.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust, bewegte sich aber keinen Schritt von der Stelle. Dieser Mann sah irgendwie gefährlich aus. Und außer ihnen beiden war anscheinend niemand im Haus. Sie durfte kein Risiko eingehen.

Ihr eisiger Tonfall schien ihn nicht zu beeindrucken. Normalerweise kuschte jeder vor ihr, aber er musste wohl Nerven aus Drahtseil besitzen. Sein Gesichtsausdruck hatte beinahe etwas Verächtliches.

„Nun“, fauchte sie ihn an, „sagen Sie mir jetzt endlich, wer Sie sind, oder ich rufe die Polizei!“

„Da müssten Sie aber ganz schön laut rufen, das Telefon ist nämlich noch nicht angeschlossen.“ Er klang sehr amüsiert.

„Was machen Sie hier?“, wiederholte Alice möglichst gelassen.

Er reagierte überhaupt nicht auf ihre Frage, sondern marschierte schnurstracks durch den riesigen Wohnraum hinaus auf die Terrasse.

„Entschuldigung, aber wo wollen Sie denn hin?“, rief Alice ihm hinterher.

Er ging unbeirrt weiter über den Rasen, der umsäumt war mit Mimosen und Rosenbüschen. Dahinter konnte Alice das Meer ausmachen und einen Weg, der hinunter in die Bucht führte.

Sie blieb wie angewurzelt stehen und weigerte sich, ihm noch einen Schritt weiter nachzugehen. Sie würde warten, bis er sich ihr zuwandte.

Er tat das dann auch, aber ganz gemächlich. Wer auch immer er sein mochte, er legte auf jeden Fall nicht die Höflichkeit und Zuvorkommenheit an den Tag, die sie gewöhnt war.

„Nun, Sie sehen hungrig und müde aus, und ich bin der böse Mann, der Ihnen noch nicht einmal Ihre Fragen beantwortet. Wie unhöflich von mir!“

„Ja“, giftete sie mit hoher Stimme zurück.

„Und Sie sind es nicht gewohnt, dass man Sie so ignoriert, nicht wahr?“

Alice öffnete den Mund, wusste aber gar nicht, was sie antworten sollte. Seine Anwesenheit allein bedeutete, dass ihr Vater ihn engagiert haben musste.

„Setzen Sie sich, bevor Sie unter dem Gewicht Ihres Egos zusammenbrechen. Ich erkläre Ihnen dann alles.“

Er deutete auf eine Holzbank.

„Wie können Sie es wagen …“, rief sie empört, befolgte aber dennoch seine Anweisung.

Sie hatte ganz vergessen, wie müde und hungrig sie war. Aber eines wusste sie, dass sie diesen Mann aufs Tiefste verabscheute, von dem sie noch nicht einmal den Namen kannte.

Sie verfolgte ihn genau mit den Augen, nahm seine Bräune und seine aufrechte Haltung wahr, wie er über den Rasen auf sie zukam. Seine dunklen Haare und seine intensiven Augen ließen ihn richtig gefährlich erscheinen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Er sah zu, wie sie auf der Bank Platz nahm, und blickte auf sie hinab.

„Nehmen Sie sich nicht ein wenig zu viel heraus? Sie sind unverschämt, beinahe beleidigend. Ich glaube nicht, dass ich mir das gefallen lassen muss“, beschwerte sie sich. Er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen.

„Wirklich?“ Alice hätte ihn am liebsten geohrfeigt.

„Es sind noch einige Arbeiten im Haus zu erledigen, deshalb bin ich noch länger geblieben.“

„Warum hat mir mein Vater das dann nicht gesagt?“, maulte sie. Nun, sie würde ihm tagsüber aus dem Weg gehen, dann konnte sie wenigstens die Abende genießen.

Er zuckte mit den Schultern. Nichts in seinen Augen verriet, was er wirklich dachte. Auf jeden Fall waren es keine bewundernden Blicke, die er ihr zuwarf. Und sie war es gewohnt, dass ihre Schönheit stets eine Wirkung auf das sogenannte starke Geschlecht hatte. Denn sie war gut gebaut, hatte langes blondes Haar, das in Wellen bis über die Schultern hinabhing, dunkle Augen und Augenbrauen, die ihrem Gesicht einen exotischen Touch verliehen.

„Ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen.“

„Morrison.“ Er steckte die Hände herausfordernd in die Hosentaschen. „Peter Morrison.“

„So, Mr. Morrison, wie lange gedenken Sie noch, hier zu arbeiten? Ich wollte nämlich einmal ganz für mich sein, ich hatte all die Leute um mich herum satt.“

„Warum das?“ Er starrte sie neugierig an.

„Das geht Sie als Arbeiter nichts an, oder?“ Er grinste so spitzbübisch, dass es ihr beinahe den Atem verschlug. Er sah verteufelt gut aus, das musste man ihm lassen. Sie wandte schnell den Blick ab, um ihn ihre Verwirrung nicht spüren zu lassen.

„Wie lange ich noch zu tun habe, kann ich jetzt noch nicht abschätzen“, bequemte er sich dann zu verkünden.

„Gut.“ Die Hitze gab ihr allmählich den Rest, sie war so viel Sonne nicht gewöhnt. Warum hatte sie sich auch zu dieser Fahrt überreden lassen?

Die meisten Frauen würden sie um ihren Lebensstil beneiden. Sie war schön, reich und beliebt. Sie könnte jetzt in London sein und sich mit ihren Freunden auf Partys amüsieren, anstatt sich heimlich an die Côte d’Azur abzusetzen. Aber sie hatte sich richtig eingesperrt gefühlt, hatte darüber nachdenken wollen, wie sie ihre Verlobung mit Jonathan am besten auflösen konnte.

„Dann sollten wir vielleicht ausmachen, dass Sie nur bis fünf Uhr arbeiten, damit ich wenigstens am Abend meine Ruhe habe“, verfügte sie diktatorisch.

„Oh, hat Ihr Vater Ihnen wirklich überhaupt nichts gesagt? Ich wohne nämlich hier.“

„Was tun Sie?“

„Ich brauche mich wohl nicht zu wiederholen. Sie haben das sehr wohl verstanden.“

„Das geht nicht.“ Alice war am Ende ihrer Nerven.

Warum hatte die Astrologin sie nicht vor dieser Begegnung gewarnt? Denn solche negativen Ereignisse musste sie doch vorhersehen können!

„Tut mir leid, damit müssen Sie sich abfinden. Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?“

Noch Fragen? Sie hatte kaum angefangen!

„Mein Vater wird Ihnen sicherlich ein Zimmer im Dorf bezahlen.“

„Ich arbeite meist bis spät in die Nacht. Sie müssen sich schon an meine Gegenwart gewöhnen oder …“

„Oder was …?“, fauchte sie ihn an.

„Oder Sie fahren nach London zurück, wo man Ihre Hoheit vielleicht etwas besser behandelt.“

„Sie unverschämter …“ Sie stand auf und hob die Hand, aber noch bevor sie ihn ohrfeigen konnte, hatte er sie mit eisernem Griff am Handgelenk gepackt.

„Wir sollten vielleicht ein paar Dinge klären“, verkündete er grimmig. „Wir werden dieses Haus teilen, ob Ihnen das passt oder nicht. Ich werde mir jedenfalls Ihr kindisches Benehmen nicht länger gefallen lassen. Sie können sich bei Ihren Freunden aufführen, wie Sie wollen. Aber hier nicht. Wenn Sie sich nicht normal benehmen können, dann gehen Sie mir einfach aus dem Weg.“

Alice fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. So hatte noch kein Mensch mit ihr zu reden gewagt. Es mochte zwar stimmen, dass sie sich ein wenig kindisch benahm, aber eigentlich war er daran schuld. Und außerdem war er ein einfacher Angestellter ihres Vaters.

„Das könnte Sie Ihren Job kosten.“

Er ließ ihre Hand abrupt los, als wäre ihm der bloße Körperkontakt zuwider. „So, wollen Sie alles gleich Ihrem Vater petzen? Hat Sie noch nie jemand kritisiert?“

„Nein“, stieß sie hervor, ärgerte sich aber über sich selbst. Was ging ihn das an?

„Dann tun Sie mir leid. Ich habe nichts übrig für verwöhnte reiche Mädchen. Sie können gern Ihren Vater anrufen, aber vielleicht wird Ihnen seine Antwort nicht gefallen.“ Er hielt kurz inne, schien dann aber nicht weitersprechen zu wollen und marschierte ins Haus.

Alice war wütend. Er war wirklich unerträglich grob und arrogant. Dennoch folgte sie ihm ins Haus, obwohl es wahrscheinlich besser gewesen wäre, einfach auf der Terrasse zu bleiben.

„Ich wusste gar nicht, dass Arbeiter so kluge Töne von sich geben können“, verspottete sie ihn.

Sie hatte sich das lange Haar mit einem hellblauen Band, das genau zu ihrem blauen Sommerkleid passte, zurückgebunden. Jetzt zog sie es heraus und schüttelte die lange blonde Mähne.

Peter wandte sich ihr zu. Einen Augenblick lang glaubte sie, so etwas wie Bewunderung in seinen Augen entdecken zu können, doch schon blickte er sie wieder gleichgültig an.

„Nun, dazu braucht man sich nicht in Philosophie auszukennen. Sie haben Ihr ganzes Leben lang alles bekommen, was Sie haben wollten. Aber alle Menschen fallen eben nicht auf Ihr Geld und Ihr Image herein. Früher oder später werden Sie das lernen müssen.“

„Vielen Dank für den guten Rat“, bedankte sie sich ironisch. „Haben Sie noch mehr schlaue Tipps auf Lager, bevor ich nach oben gehen kann, um mich umzuziehen?“

Er grinste ironisch. „Nun, in einer Stunde gibt es Lunch. Sie sind gern eingeladen, das Mahl mit mir zu teilen, falls sich Ihre Manieren bis dahin etwas gebessert haben.“

Alice ignorierte die Bemerkung. „Oh, Sie sind also auch ein Chefkoch“, gab sie süßlich zurück und schaute hoch zu ihm. Er musste wirklich sehr groß sein, denn er überragte sie mit ihren ein Meter fünfundsiebzig noch beträchtlich.

„Ich bin ein Mann mit vielen Talenten.“

Ihre Augen trafen sich einen Moment lang. Alice blieb förmlich der Atem stehen, dann aber fasste sie sich ein Herz und antwortete beherrscht. „Gut, dann bin ich bis dahin fertig.“

Sie ging an ihm vorbei in die Vorhalle und griff nach ihren Taschen. Ohne noch einmal zurückzuschauen, lief sie behänden Schrittes die Treppe hinauf und wählte sich das Schlafzimmer aus, das am weitesten von seinem entfernt lag.

Sie schloss erleichtert die Tür hinter sich. Die Spannung schien ein wenig von ihr abzufallen. Sie mochte diesen Peter zwar nicht, aber irgendwie hatte er es schon richtig erfasst, dass sie immer sehr verwöhnt worden war und in ihrem Leben nie um etwas hatte kämpfen müssen.

Sie kniff die Augen zusammen. Sie wusste, dass ihr Vater ihren Lebensstil nicht guthieß, aber er ließ sie dennoch gewähren. Sie war nun einmal sein einziges Kind.

Sie ging hinüber zum Fenster und blickte hinaus auf das wunderschöne Panorama, das strahlend blaue Meer, die zackigen Felsen.

Und wieder kam ihr Jonathan, ihr Verlobter, in den Sinn, der hin und wieder im Büro seines Vaters arbeitete, die meiste Zeit aber das Leben eines Playboys führte. Ihr Vater mochte ihn nicht und hatte es ihr auch mehrfach gesagt. Sie hatte allerdings immer gehofft, dass er seine Meinung ändern würde.

Jetzt wusste sie selbst nicht mehr, was sie wollte. In den letzten drei Wochen hatte sie über vieles nachgedacht, Jonathan eingeschlossen. Sie wusste nicht mehr, ob sie ihn liebte oder nicht. Und sie war sich auch nicht mehr sicher, wie seine Gefühle für sie waren.

Was sollte sie tun? Das Bild von Peter tauchte in ihren Gedanken auf, dabei hatte er nichts mit ihrem Leben zu tun. Aber es war erstaunlich, wie sehr er sich in den wenigen Momenten ihres Zusammenseins in ihr Gedächtnis eingegraben hatte.

Was er wohl von Jonathan halten würde? Ihre Freunde in London fanden ja, dass sie ein ideales Paar bildeten. Sie ähnelten sich in vielem, waren beide schlank und blond.

Es würde einen ganz schönen Wirbel geben, falls sie die Verlobung löste. Aber das sollte ihr egal sein. Wenn Jonathan zu Hause gewesen wäre, hätte sie sich vielleicht gar nicht nach Frankreich geflüchtet, sondern hätte ihm alles erklären können. Aber er war auf einer Geschäftsreise unterwegs.

Und es war nur zu verführerisch gewesen, an die Côte d’Azur zu flüchten, eine Gegend, die sie so gut kannte wie ihre Westentasche. Jonathans Vater besaß eine Villa in der Nähe von St. Tropez, wo sie oft mit gemeinsamen Freunden hingefahren waren.

Sie packte ihre Taschen aus. Dabei nahm sie anerkennend alle Details der Einrichtung zur Kenntnis. Sie ging schnell duschen und zog dann bunte Shorts an, die ihre schlanken Beine zur Geltung brachten, und ein kurzes Top.

Von unten drang schon der verführerische Duft von gebratenem Schinken die Treppe hoch. Leichtfüßig hüpfte sie die Stufen hinab.

Peter stand in der Küche über die Arbeitsplatte gebeugt. Irgendwie schien er mit seinem Körper den ganzen Raum zu füllen. Er drehte sich nicht zu ihr um, sondern fragte nur, ob sie etwas zu trinken haben wollte, während er den Schinken in der Pfanne wendete.

„Mm, ja, etwas ganz Kaltes.“

„Bedienen Sie sich.“

Sie nahm einen Krug Limonade aus dem Kühlschrank und schenkte sich ein Glas ein.

„Mir bitte auch, wenn Ihnen das nichts ausmacht“, erklang die ironische Stimme von Peter hinter ihr.

„Und dann wollte ich noch etwas sagen“, fuhr er fort, „ich erwarte natürlich, dass Sie Ihren Teil zu den Mahlzeiten beisteuern. Ich bin nicht Ihr Koch, sondern wir teilen uns höchstens die Aufgaben, verstanden?“

Er deponierte den Schinken und die bereits fertigen Käseomeletts auf die Teller, dazu französisches Weißbrot.

Alice zog die Stirn hoch. „Ich habe nicht verlangt, dass Sie für mich kochen.“ Sie beobachtete ihn skeptisch, wie er am Tisch Platz nahm und vergnügt zu essen begann.

„Nein, aber ich dachte, ich warne Sie schon einmal vor.“ Er ließ einen schnellen Blick über ihren spärlich bekleideten Körper fallen. Sie fühlte, wie sie errötete.

Normalerweise blieb sie kühl und gelassen, was auch immer passierte. Aber bei diesem Mann fühlte sie sich irgendwie linkisch und gegen ihren Willen innerlich berührt.

„Wirklich lecker“, lobte sie seine Kochkünste. Sie war wirklich hungrig nach der langen Reise.

„Sie können das Abendessen machen. Im Kühlschrank sind Steaks und Gemüse.“

„Steaks? Gemüse?“ Sie schaute ihn voller Panik an. „Was soll ich damit tun? Ich kann nicht kochen.“

Ihr ganzes Leben war sie es gewöhnt gewesen, dass man ihr die leckersten Gerichte servierte. Aber wie die zubereitet wurden, hatte sie nie interessiert.

Peter griff nach der Serviette und lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück. Kritisch beäugte er sie.

„Nun, dann haben Sie jetzt Gelegenheit, es zu lernen“, bemerkte er sanft.

„Ich habe nie kochen müssen.“

„Das glaube ich. Ich habe Menschen wie Sie schon häufig genug kennengelernt. Die am liebsten alles auf dem silbernen Tablett serviert bekommen.“

„Nun, Ihr Frauentyp ist wohl eine starke Amazone, die alles kann, angefangen vom Kochen bis zum Gartenumgraben.“

„Glauben Sie?“ Seine grauen Augen musterten sie amüsiert.

Es schien ihm recht gleichgültig zu sein, was sie von ihm dachte. Das verletzte ihren Stolz mehr, als sie für möglich gehalten hätte.

„Nun, eigentlich interessiert es mich überhaupt nicht, zu welchem Frauentyp Sie sich hingezogen fühlen. Ich finde Sie jedenfalls schrecklich.“

Sie blickte ihn direkt an, nahm seine sportliche Figur und die scharfen, klaren Gesichtszüge wahr. Er sah eigentlich schon sehr sexy aus, musste sie sich eingestehen.

„Sicherlich vor allem deswegen, weil ich nicht zu allem Ja und Amen sage, was Sie wollen. Und die meisten jungen Männer sind wohl nur zu bemüht, es Ihnen recht zu machen.“

Alice warf ihre langen Haare zurück und versuchte, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen.

„Wie gut Sie sich doch in Psychologie auskennen! Sie haben Ihren Beruf verfehlt. Und außerdem stimmt es nicht, dass ich stets einen Harem von jungen Männern um mich habe. Es gibt nur einen Mann, der mich interessiert, und das ist mein Verlobter.“

Eigentlich hatte sie gar nicht so viel über sich verraten wollen, aber es war ihr einfach herausgerutscht.

Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und beäugte sie kritisch. „Ich verstehe.“

„Das bezweifle ich.“ Die Unterhaltung würde zu nichts führen, und außerdem hatte sie ihm sowieso schon zu viel verraten. Er war schließlich ein Fremder für sie, außerdem fand sie ihn abscheulich, auch wenn er sie in Rage brachte. Sie stand auf, räumte den Tisch ab und wusch das Geschirr schnell im Spülbecken.

„Wie sind Ihre Pläne für den Nachmittag?“ Sie versuchte, möglichst freundlich zu klingen. Wenn sie wusste, wo er zu finden war, konnte sie ihm mit etwas Geschick aus dem Weg gehen.

Sie fühlte seine Augen auf sich ruhen, was sie unruhig und nervös machte. „Das braucht Sie doch nicht zu interessieren, ich bin doch nur ein Handwerker“, gab er lässig zurück.

Alice warf ihm einen scharfen Blick zu. Ob er erraten hatte, was sie dachte? Und ihr war auch so, als hätte da noch ein Unterton in seiner Stimme mitgeschwungen, so als wüsste er noch irgendetwas, was er ihr verheimlichte. Diese Idee gefiel ihr gar nicht, sie hatte lieber die Dinge, und vor allem Männer, unter Kontrolle. Aber war es das, warum sie viele Männer immer langweiliger fand?

„Und was haben Sie vor?“, unterbrach Peter ihre Gedanken. „Gehen Sie an den Strand? Da stört Sie niemand. Dort können Sie gründlich darüber nachdenken, ob Sie Ihren Freund wirklich lieben.“

„Wie bitte?“ Sie wandte sich zu ihm um und starrte ihm in die grauen Augen. Er war wirklich unerträglich und aufdringlich. „Sie scheinen immer das zu sagen, was Ihnen gerade in den Sinn kommt, nicht wahr? Sie überlegen wohl nie, ob die anderen das hören möchten. Mein Privatleben ist allein meine Sache.“

„Oh, habe ich da einen wunden Punkt berührt?“, gab er mit leicht verächtlichem Ton zurück.

„Nein.“ Alice schrie ihn beinahe an. „Das haben Sie nicht. So, und jetzt entschuldigen Sie mich, ich will hinunter zum Strand.“ Mit hochrotem Kopf löste sie ihren Blick von seinen sie wie Magnete anziehenden Augen. Schnell ging sie auf die Tür zu und rief ihm noch über die Schulter zu: „Dort habe ich hoffentlich meine Ruhe.“

Sie stob aus der Küche. Vergessen waren ihr Selbstbewusstsein und ihre Eleganz. Hastig zog sie sich in ihrem Schlafzimmer einen Bikini an, während ihr noch immer dieser Peter Morrison im Kopf herumschwirrte. Ihre Gedanken waren gar nicht freundlich.

Noch immer verärgert stapfte sie die Stufen in die Bucht hinab. Sie würde mit ihrem Vater ein ernstes Wort über diesen Flegel sprechen müssen. Sobald sie von ihrem Sonnenbad zurück war, würde sie ins Dorf gehen und von der öffentlichen Telefonzelle ihren Vater in London anrufen.

Zufrieden breitete sie das Handtuch auf dem weißen Strand aus und warf einen Blick um sich. Schön war es und so friedlich. Die Grün- und Blautöne von Wasser und Himmel waren ein wunderbarer Kontrast gegen die dunklen Felsen.

Auf ihren normalen Trips an die Côte d’Azur mit Jonathan oder Freunden war stets Action angesagt gewesen. Sie besuchten alle Szene-Kneipen, die Kasinos, wo schöne Frauen mit Gold und Diamanten miteinander um die Wette glänzten. Es war erholsam, diese Gegend einmal ganz anders zu erleben, dachte Alice, bevor sie gestreichelt vom Wind eindöste.

Sie erwachte aus ihrem leichten Schlaf, als eine Stimme wie aus weiter Ferne sie ansprach.

„Wenn Sie so weitermachen, haben Sie bald einen Sonnenbrand.“

Alice fuhr verwirrt hoch und schaute direkt in Peters amüsierte Augen. „Was machen Sie denn hier?“, fuhr sie ihn ungnädig an und zog ihr Handtuch um ihren Körper.

Normalerweise war sie nicht so schamhaft und zeigte ihre Reize unverblümt. Sie hatte eine gute Figur und genoss die bewundernden Blicke der Männer, solange keiner aufdringlich wurde.

Aber bei Peter war das anders. Sie kam sich unter seinen Blicken beinahe nackt vor. Außerdem machte er sie irgendwie nervös, vor allem seine dunklen, unergründlichen Augen, die nie verrieten, was er dachte.

„Nun, was glauben Sie? Ich möchte ein wenig sonnen.“

Er schaute sie wissend an. „Aber Sie brauchen sich nicht vor mir zu verstecken.“

„Das tue ich ja gar nicht“, log sie ihn an.

„Nicht? Nun, Sie brauchen sich Ihres Körpers ganz gewiss nicht zu schämen.“

„Tue ich auch nicht. Aber was bezwecken Sie mit dieser Bemerkung?“ Sie wollte klarstellen, dass sie einen persönlichen Kontakt nicht wünschte.

Peter streckte sich auf seinem Handtuch aus und zog sich die Mütze tief in die Stirn. Er trug nur eine olivfarbene Badehose. Alice ließ ihren Blick über seinen Körper wandern. Er war gut gebaut und sehr muskulös. Seine Bräune hatte er wohl dem ausgedehnten Sonnenbaden zu verdanken. Vielleicht lebte er ja auch ständig hier in Südfrankreich.

Sie wusste, dass es eigentlich nicht schicklich war, ihn so anzustarren. Aber sie konnte kaum ihre Augen von ihm lösen. Dabei gab es unzählige Männer mit Muskeln, und eigentlich stand sie nicht auf solche Naturburschen. Und in ihren Kreisen verkehrte auch ein ganz anderer Schlag Mann.

Sie rückte ein wenig weiter weg mit ihrem Handtuch und fragte noch einmal. „Was wollten Sie mit Ihrer Bemerkung bezwecken?“

Er hatte die Augen geschlossen und ließ sich nicht irritieren. „Nun, da gibt es wenig zu sagen. Sie sind keine Frau, die ihren Körper verstecken muss oder das will. Sie brauchen sich auch hier nicht furchtsam zu bedecken.“

„Das habe ich nicht getan“, gab sie steif zurück. Hoffentlich würde er bald ins Meer hinausschwimmen. Am liebsten wäre ihr, wenn er nicht mehr zurückkäme.

„Nun, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich bin nicht an Ihnen interessiert. Sie sind einfach nicht mein Typ.“

Alice blieb mit offenem Mund da sitzen. Sie sah gut aus. Das hatte ihr bisher jeder gesagt. Und sie hatte das genossen. Aber so etwas wie dieser Mann war ihr noch nicht über den Weg gelaufen.

Irgendwie hatte seine Bemerkung sie dennoch getroffen. Und schon revanchierte sie sich. „Das beruht auf Gegenseitigkeit.“

Sie stand auf und marschierte siegessicher hinunter zum Meeresufer. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie die Konfrontation mit diesem unerträglichen Mann noch weitere dreizehn Tage aushalten würde.

2. KAPITEL

Eine Stunde später wählte Alice im winzigen Postamt des Dorfes die Büronummer ihres Vaters. Nur wenige besaßen seine direkte Durchwahl, die meisten Anrufer wurden durch die Sekretärin abgewimmelt.

Im Alter von fünfundfünfzig Jahren war ihr Vater noch in den besten Jahren und dazu ein viel beschäftigter Geschäftsmann. Er war der Chef einer großen Softwarefirma und spekulierte in letzter Zeit auch ein wenig mit Immobilien. Er besaß den richtigen Riecher dafür und war auch stark genug, um seine Ideen und Pläne durchzusetzen.

Nur ein kleiner Kreis von Menschen kannte auch seine menschlichen Qualitäten. Sie als Tochter hatte er natürlich nach Strich und Faden verwöhnt, seit ihre Mutter vor beinahe achtzehn Jahren gestorben war. Und umgekehrt war auch er die einzige Person, bei der sie ihre verletzliche Seite ehrlich offenbarte.

Nicht einmal Jonathan, so dachte sie, wusste wirklich, was für ein Mensch sie war. Er kannte nur ihre schöne Fassade.

Das Telefon läutete ein paar Mal, bevor ihr Vater abnahm. Er war kurz angebunden.

„Hallo, Dad“, rief sie lächelnd in die Muschel. „Ich hoffe, ich störe dich nicht.“

„Nun, bist du gut angekommen? Wie ist das Wetter? Bei uns ist es ganz scheußlich, du versäumst gar nichts. Na ja, du kennst ja den Regen in England.“ Er lachte leise.

„Das Wetter ist gut“, antwortete sie schnell. Sie wollte zur Sache kommen, das Wetter war jetzt nicht das Thema. „Dad“, griff sie ihn an, „du hast mich gar nicht vorgewarnt, dass ich das Haus mit einem Schreiner teilen muss.“

„Schreiner?“ Ihr Vater klang leicht verwundert.

„Ja, Schreiner. Ein gewisser Peter Morrison.“

„Hat er dir gesagt, er sei Schreiner?“ Er schien sich königlich zu amüsieren. „Er ist ein bekannter Architekt. Er tut mir einen großen Gefallen, indem er dem Haus den letzten Schliff gibt.“

„Wirklich? Aber kannst du ihn nicht überreden, die Arbeiten abzuschließen, wenn ich nicht da bin? Er ist einfach unerträglich …“

„Tut mir leid, mein Schatz“, unterbrach ihr Vater sie. „Er macht das wirklich nur, weil ich seinem Vater einmal geholfen habe. Ich kann ihn wirklich nicht bitten, zwei Wochen wegzubleiben, nur weil du ihn nicht magst. Er ist auch nicht bei mir angestellt. Ihm gehört übrigens ein großes Architekturbüro, das zu den innovativsten seines Bereichs zählt. Normalerweise würde er so einen Auftrag gar nicht annehmen, mit solchem Kleinkram gibt er sich für gewöhnlich nicht ab …“

„Aber, Dad“, protestierte sie verzweifelt. „Ich …“

„Hör mal“, unterbrach ihr Vater sie erneut, „ich möchte dich bitten, ihn nicht zu verärgern. Auch aus finanziellen Gründen wäre es nur wünschenswert, wenn Morrison als Architekt des Hauses gelten kann.“

„Ich soll ihn nicht ärgern?“ Alice explodierte beinahe. „Er mäkelt ständig an mir herum. Er weiß überhaupt nicht, was das Wort ‚höflich‘ bedeutet. Es ist mir egal, ob er bekannt und berühmt ist …“

„Liebling, ich habe nicht länger Zeit“, mischte sich ihr Vater ein. „Ich habe eine Besprechung und darf nicht zu spät kommen. Du managst das schon irgendwie. Pass gut auf dich auf.“

Und schon hatte er aufgelegt. Alice stand verstört mit dem Hörer in der Hand da.

Sie hängte frustriert ein. Mit ihren Vermutungen über Peter Morrison hatte sie völlig danebengelegen. Aber dieser Gedanke machte sie auch nicht glücklicher. Sie mochte ihn nicht und hatte keine Lust, die nächsten beiden Wochen mit ihm zu verbringen. Resigniert ging sie zurück zum Haus.

Peter stand in der Haustür, als sie ankam, und hämmerte am Türrahmen herum. Er schien zu wissen, wo sie gewesen war.

„Nun, haben Sie sich bei Ihrem Vater ausgeweint?“

„Genau das habe ich“, fuhr ihn Alice an. Sie legte so viel Verachtung und Abscheu wie möglich in ihren Gesichtsausdruck. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu und schien sie einfach so stehen zu lassen.

Ignoriert zu werden war etwas, was ihr bisher noch nicht passiert war. Und es gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Warum haben Sie mich glauben lassen, dass Sie ein Angestellter meines Vaters sind?“

„Ich? Sie haben das behauptet. Ich sah keinen Grund, warum ich Ihre Meinung korrigieren sollte.“

„Was meinen Sie damit?“

„Nun, Sie stürmten hier herein, bauten sich selbstgefällig vor mir auf, weil Sie glaubten, dass ein kleiner Schreiner sich erdreistet habe, sich hier einzunisten.“

Alice schaute ihn aus großen Augen an.

Er hielt einen Augenblick lang inne und schaute auf sie hinab. Sie fühlte sich auf einmal recht hilflos.

„Ich habe die Steaks aus dem Gefrierschrank genommen“, erklärte er und hämmerte weiter. „Sie sollten eigentlich schon aufgetaut sein. Sie können sich also schon an die Zubereitung des Abendessens machen.“

Alice stützte die Hände auf die Hüften und starrte wütend auf seinen Rücken. Sie hätte ihn am liebsten angeschrien, dass sie gar nicht daran dächte, das zu tun.

Aber dann hielt sie sich doch zurück. Er machte ihr irgendwie klar, wie wenig sie aus ihrem Leben bisher gemacht hatte. Dass sie einfach in den Tag hineinlebte und ihre Energie mit allerlei Tand vergeudete. Sie hatte zwar schon oft daran gedacht, sich in einem karitativen Hilfsprojekt zu engagieren, war aber bisher immer zu feige gewesen, diese Idee in die Tat umzusetzen.

Also stürmte sie in die Küche, begutachtete die Fleischstücke und das Gemüse, warf alles zusammen in den größten Topf, den sie finden konnte und kochte es. Irgendwie brauchte das Gemüse länger, um weich zu werden, als sie gedacht hatte. Aber als sie den Tisch gedeckt hatte, sah es dann nach ihrem Gutdünken eigentlich ganz vernünftig aus.

Sie verfrachtete alles in eine Suppenschüssel und rief Peter zu, dass das Essen fertig sei.

„Habe ich noch Zeit, um mich zu duschen?“, fragte er und wischte sich den Schweiß mit einer Hand von der Stirn.

„Das wäre vielleicht nicht schlecht. Wir wollen doch das Aroma des Essens nicht völlig verderben, oder?“

Er lachte trocken auf und warf den Kopf zurück. Das ließ ihn eigentlich ganz sympathisch aussehen.

Beinahe sexy, gestand sie sich insgeheim ein. Natürlich nur, wenn man auf diese Art Mann stand.

Sie hörte, wie er die Treppe emporeilte. Schließlich das Geräusch der Dusche. Sie ermahnte sich resolut, keinen Gedanken mehr an diesen Menschen zu verschwenden. Sie würde sich von ihm nicht noch einmal eine Abfuhr erteilen lassen. Distanzierte Höflichkeit war vielleicht am besten, um mit ihm fertig zu werden.

Als er wieder in der Küche auftauchte, hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen und ihre Gefühle unter Kontrolle. Und überhaupt ihr Leben, ihre Gedanken und das Abendessen.

Er hob den Deckel von der Terrine und roch daran.

„Was ist das?“

Die Kontrolle entglitt ihr ein wenig. „Nach was sieht es denn aus?“ Sie nahm sich eine Portion aus der Schüssel und versuchte, gelassen zu bleiben.

„Ich weiß nicht so recht.“ Er beäugte die Zusammensetzung neugierig und versuchte, sich einen Reim aus der merkwürdigen Zusammenstellung von Fleisch und Gemüse zu machen. „Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen.“

„Nun, was haben Sie denn erwartet?“, griff sie ihn an. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich noch nie gekocht habe. Falls Sie ein Gourmetabendessen bevorzugen, müssen Sie sehen, was Sie im Dorf finden können. Vielleicht findet sich ja ein nettes Mädchen, das Sie umsorgt.“

„Sagten Sie nicht, ich würde eher auf Amazonen stehen?“, lautete sein Kommentar hierzu. Entnervt häufte er sich etwas Gemüse auf seinen Teller.

„Was weiß ich, das interessiert mich auch nicht.“

„Nun, wenn das der Fall wäre, würde sie dann Ihre Anwesenheit nicht etwas merkwürdig finden?“

Alice ignorierte diese Bemerkung und konzentrierte sich darauf, ein Stück Fleisch von ihrem Steak abzuschneiden, ohne dass dabei das Gemüse vom Teller purzelte.

„Natürlich war das nur ein Scherz. Wenn ich offen sein darf, es wäre mir egal, wenn Sie einen ganzen Harem von Dorfschönheiten hätten, wo sich alle Frauen darum reißen, Ihnen etwas zu kochen und Ihre Socken zu waschen.“ Endlich, es war ihr gelungen, ein Stück Fleisch zum Mund zu führen. Sie kaute darauf herum und dachte, dass es sich sehr gummiartig anfühlte. Alice schob den Teller weg.

„Das schmeckt ja schrecklich. Ich glaube, wir sollten wirklich eine Köchin engagieren.“

Peter ließ sein Besteck sinken und schaute sie mit erhobenen Augenbrauen an.

„Sie werfen wohl gern mit Geld um sich, oder?“, sagte er gefährlich sanft. „Sie besitzen davon auch viel zu viel für ein Mädchen Ihres Alters …“

„Ich bin zweiundzwanzig.“

„Wie ich schon sagte, Sie haben zu viel Geld für ein Mädchen Ihres Alters. Und lassen Sie mich offen mit Ihnen reden …“

„Bitte, bitte. Lassen Sie sich nicht aufhalten!“

„Ich habe noch nie so etwas Lächerliches gehört. Eine Köchin besorgen? Wir sind hier nicht in London, sondern in einem kleinen Dorf in Südfrankreich. Hier gibt es keinen Partyservice, der sich um unreife, verwöhnte Kinder kümmert.“

„Und wie alt sind Sie?“, brach es aus ihr hervor.

„Ich? Wenn man es in Jahren ausdrückt, dann bin ich zehn Jahre älter. Wenn man in Begriffen wie Erfahrung spricht, dann sind es dreihundert Jahre, die ich Ihnen voraus bin.“

Er beobachtete sie genau über den Tisch hinweg.

Alice spielte mit ihrem Besteck. Er hatte sie wirklich getroffen mit seiner Bemerkung. Wie konnte er es wagen, sie ein Kind zu nennen? Wo sie immerhin schon verlobt war!

Sie versuchte, sich vorzustellen, was Jonathan tun würde, wenn er jetzt hier wäre. Aber irgendwie schienen er und London unendlich weit weg zu sein.

„Ich werde ins Dorf gehen und sehen, ob ich dort etwas zu essen auftreiben kann. Sie können mitkommen, wenn Sie wollen.“

Alice stand auf, ihn hochmütig ignorierend. Sie hätte sein Angebot am liebsten abgelehnt, aber ihr Magen revoltierte. Und der Gedanke schien ihr unerträglich, vor dem nächsten Morgen nichts mehr zu essen zu bekommen.

„Sie sind zu gütig“, murmelte sie verächtlich und marschierte hinter ihm her zur Tür.

Die Luft draußen war viel frischer als am Nachmittag. Über der Landschaft lag ein goldener Glanz. Die einzigen Geräusche, die sie hörten, waren das Rascheln der Blätter in den Bäumen, das Gezwitscher von Vögeln und gelegentlich das Rauschen eines vorbeifahrenden Autos.

Sie lief ein paar Schritte hinter ihm her und musterte ihn kritisch. Er strahlte ein unglaubliches Selbstbewusstsein aus, so als kümmere es ihn überhaupt nicht, was man von ihm dachte.

„Mein Vater erzählte mir, Sie sind Architekt?“ Sie versuchte, eine unkomplizierte Konversation anzufangen, auch wenn es ihr mehr als schwerfiel.

„Ja, obwohl Sie mich ruhig auch weiterhin als einfachen Schreiner sehen dürfen.“

„Ich habe bisher noch keine Architekten kennengelernt“, ignorierte sie seine spöttische Bemerkung.

„Nein? Nun, mit was für Menschen sind Sie denn sonst zusammen?“ Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu.

„Nun, mit normalen Menschen halt.“ Warum brachte sie selbst die kleinste Bemerkung von ihm auf die Palme?

„Und was heißt ‚normal‘, wenn ein reiches junges Mädchen das sagt?“ Ein scharfer Unterton klang in seinen Worten mit. Alles, was sie sagte, würde seine vorgefasste Meinung über sie nur noch verstärken.

„Nun, meist haben sie zwei Arme und zwei Beine. Es sind Menschen, die Spaß am Leben haben.“

„Und was tun Sie, um Spaß zu haben?“

„Oh, wir gehen auf Partys, in Klubs. Aber das kennen Sie ja alles nicht, wo Sie doch dreihundert Jahre älter sind.“

Der leichte Anflug eines Lächelns erschien auf seinen Lippen. Sie presste den Mund zusammen.

„Ich verstehe.“

„Oh, wirklich?“ Alice hielt an und stemmte die Hände auf die Hüften. „Was verstehen Sie? Ich bin wirklich begierig, das zu hören.“ Sie schaute ihn wütend an, während die sanfte Meeresbrise ihr langes blondes Haar durcheinanderwirbelte und es sanft um ihre Schultern wehte.

Peter machte einen Schritt auf sie zu. Sie fühlte, wie sich ihr Körper verspannte und ihr Herz zu rasen begann.

Irgendetwas an diesem Mann irritierte sie zutiefst und brachte sie ganz durcheinander. Sie hatte ihn beobachtet, wie genau er mit seinen Händen die Verzierungen an den Türen hatte entstehen lassen, wie perfektionistisch er alles anging. Er war ein Mann, der bekam, was er wollte. Mit harter Arbeit. Er war ein Mann, der es sich nie leicht machte.

Sie atmete tief ein und zwang sich zur Ruhe. Sie war doch bisher immer spielend mit dem sogenannten starken Geschlecht fertig geworden. Sie war reich und sehr schön, das war eine nicht zu verachtende Kombination.

„Nun, das Bild, das ich so vor mir sehe, ist das einer Gruppe junger Leute, die alle mehr Geld haben als Verstand und glauben, dass sie sich mit Geld alles kaufen können. Und nur zu ihrem Vergnügen leben. Aber nicht sehen, dass es auch Dinge gibt, für die es sich lohnt, all seine Energie einzusetzen.“

„Wirklich?“ Alice kniff die Lippen zusammen und ging schnell weiter. Peter hatte keine Schwierigkeiten, mit ihr Schritt zu halten.

Ich hasse diesen Mann, tobte sie innerlich. Ich möchte ihn am liebsten nie mehr sehen. Er muss ständig an mir herumkritisieren. Aber äußerlich zwang sie sich zu einem perfekt einstudierten Lächeln.

„Ich sollte wohl beeindruckt sein, da Sie alle menschliche Weisheit in sich zu vereinen scheinen. Sie sind Architekt, Philosoph, Chefkoch, ja, und was sonst noch alles? Wahrscheinlich sind Sie ein Geigenvirtuose und sprechen zehn Sprachen fließend.“

Sie bemerkte, wie seine Schultern vor Amüsement zuckten. Er lachte sie auch noch aus!

„Ich finde es schön, dass Sie mich so lustig finden.“

„Irgendeine positive Eigenschaft sollten selbst Sie haben!“

„Das ist mehr, als ich von Ihnen sagen kann.“

„Wirklich?“ Er drehte sich ihr im Dämmerlicht zu. Sein Gesicht hatte einen verwegenen männlichen Ausdruck. „Bisher hat sich noch keine Frau über mich beschwert.“

„So, hier dürfte es sein.“ Sie waren vor einem kleinen Bistro angekommen. Alice fühlte sich mehr als unwohl. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, Peters Nähe zu verdrängen.

Als er sie am Ellbogen fasste, um sie hineinzuführen, zuckte sie förmlich zusammen. Am liebsten hätte sie ihm den Arm völlig entzogen, unterdrückte aber diesen Impuls. Sie würde sich damit nur lächerlich machen. Als er ihren Arm schließlich wieder losließ, war ihr, als hätte seine Berührung ihre Haut verbrannt.

Der Besitzer musste wohl denken, dass sie ein Liebespaar waren, denn er führte sie zu einem ganz versteckten Tisch, während er eifrig auf Peter einsprach. Allerdings konnte sie selbst kein Wort davon verstehen, aber Peter schien sich perfekt verständigen zu können, denn er antwortete in fließendem Französisch.

„Sie sprechen ja sehr gut Französisch“, stellte sie etwas erstaunt fest.

Peter nickte und bestellte für sie beide. „Ich bin zweisprachig aufgewachsen. Meine Mutter war Französin. Ich habe meinen ersten Job in Frankreich angenommen. Heute organisiere ich alles von London aus, ich delegiere so viel wie möglich.“

„Warum sind Sie aus Frankreich weggegangen?“

„Das geht Sie gar nichts an“, wies er sie in ihre Schranken.

Da kam schon der Besitzer mit zwei riesigen Tellern mit Rindfleisch und Waldpilzen. Dazu gab es noch verschiedene frische Salate.

Als Peter wieder das Wort an sie richtete, ging es um etwas ganz Triviales. Alice versuchte, möglichst unverbindlich darauf zu antworten. Aber warum sollte sie eigentlich nicht neugierig sein? Und am Ende des Essens konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, etwas genauer nachzuhaken.

„Warum sind Sie hier?“ Sie nippte an ihrem Kaffee. „Ich meine, warum machen Sie diese Arbeiten für meinen Dad? Er hat mir zwar gesagt, dass Sie ihm einen Gefallen tun, weil er Ihrem Vater einmal geholfen hat. Was hat er getan?“

„Er hat meinem Vater vor langer Zeit in einer Finanzkrise unterstützend zur Seite gestanden“, gab er kurz angebunden zurück.

„Und nach all den Jahren tun Sie jetzt ihm einen Gefallen.“

Peter zuckte mit den Schultern. „Ich vergesse niemals, meine Schulden zu bezahlen. Ich vergesse überhaupt sehr wenig.“

Ein harter Unterton war in seiner Stimme spürbar, aber irgendwie hatte das nichts mit ihr zu tun. Nur mit Mühe schien er wieder in die Gegenwart zurückzufinden. Er richtete seinen Blick auf sie.

„Wieder auf der Erde gelandet? Sie sahen einen Moment lang aus, als wären Sie ganz woanders.“ Alice lächelte ihn zögernd an.

„So, finden Sie? Befolgen Sie meinen Rat und sparen Sie Ihre Neugierde lieber für Ihre Freunde auf. Bei mir könnte das gefährlich werden.“

Er hatte wieder eine Mauer zwischen ihnen errichtet. Sie spürte, wie sie sich innerlich verkrampfte. Die meisten Männer wären geschmeichelt gewesen bei so viel Interesse von ihrer Seite, aber er musste sie natürlich zurückstoßen. Glaubte er etwa, dass sie etwas herausfinden könnte? Sie überdachte kurz den Abend und stellte für sich fest, dass es vielleicht eine bessere Idee gewesen wäre, sich nach dem missglückten Steak einfach ins Bett zurückzuziehen.

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“, verkündete sie nach außen völlig unberührt. „Ich glaube, Sie verwechseln Höflichkeit mit Neugierde. Ihr Privatleben interessiert mich nicht im Geringsten.“

„Gut. Dann verstehen wir uns ja richtig.“

„Oh, sicher. Sie möchten nicht, dass ich Ihr Terrain betrete.“

„Genau.“

„Tut das überhaupt jemand?“ Sie konnte diese Frage nicht mehr zurückhalten, und irgendwie schien es ihn doch zu berühren.

Aber eigentlich brachte es nichts, das Thema immer weiter zu verfolgen. Sie waren Fremde und würden es bleiben, auch wenn das Schicksal sie mutwillig für eine gewisse Zeit zusammengebracht hatte.

„Ich glaube, wir sollten gehen.“ Sie erhob sich. Nicht noch einmal würde sie ihm die Gelegenheit bieten, ihr Vorhaltungen zu machen.

„Sie haben recht.“

Als sie in ihrer Tasche nach dem Geldbeutel suchte, schüttelte er den Kopf.

„Wenn ich mit einer Frau ausgehe, zahle ich.“

Alice schaute ihn überrascht an, obwohl sie es bei ihm eigentlich hätte erwarten können. Den meisten Männern war es ganz recht, wenn sie ihren Teil zahlte. Sie wussten, dass sie genügend Geld besaß.

Nur Jonathan hatte sie immer gern eingeladen, aber er war ja mindestens so reich wie sie selbst.

War das nicht überhaupt ein Grund gewesen, warum sie sich von Anfang an zu ihm hingezogen fühlte? Weil sie bei ihm sicher sein konnte, dass er nicht hinter dem Geld ihres Vaters her war? Wie es bei einer ganzen Reihe ihrer bisherigen Freunde der Fall gewesen war?

Schweigend gingen sie zum Haus zurück. Die Luft roch angenehm nach Rosmarin und Thymian, den typischen Kräutern der Provence. Sie fühlte sich ruhig und zufrieden. Hier gab es keine Zerstreuungsmöglichkeiten, keine laute Musik oder grellen Neonlichter. Oder das Geschnatter von unzähligen Menschen.

Außer natürlich diesen Peter Morrison, aber er war weniger eine Zerstreuungsmöglichkeit, sondern eher ein unvermeidliches Übel.

Sie hatte eigentlich stets gern Männer um sich geschart und sich mit ihnen amüsiert. Sie kam gut mit ihnen aus. Auch wenn ihre Verlobung einen bitteren Nachgeschmack hatte, aber damit würde sie schon fertig werden.

Ihr normales Leben schien meilenweit weg. Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Begleiter und stolperte prompt.

Nichts hielt ihren Fall auf. Sie fühlte ein scharfes Stechen an ihrem Knie und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

Peter beugte sich zu ihr hinab und half ihr wieder auf die Füße.

„Danke, mir geht es gut“, presste sie mühsam durch die Zähne, während sie ihren Fuß vorsichtig auf den Boden setzte.

Vergeblich versuchte sie, sich von Peter loszumachen. Kaum hatte sie sich versehen, fand sie sich schon auf seinen Armen wieder und wurde unzeremoniell nach Hause getragen.

„Es geht mir gut, wirklich.“ Sie versuchte, sich zu befreien, aber Peter hielt sie nur umso fester an sich gepresst.

„Ich werde mir Ihr Knie mal ansehen, wenn wir zu Hause sind.“

„Sie sind doch nicht etwa auch noch Arzt?“, scherzte sie, um ihre Verlegenheit zu verbergen. So eng an seine Brust gepresst durchliefen sie nämlich die merkwürdigsten Gefühle.

Als sie am Haus angelangt waren, wusste sie nicht länger, ob es ihr wirklich gut ging. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und ihr war beinahe schwindelig.

Peter öffnete mühsam die Haustür und setzte dann seine Last sanft auf dem Sofa ab, so als sei sie ein Fliegengewicht.

„So, dann wollen wir doch einmal nachsehen.“ Er schob den Saum ihres Kleides über das Knie. Alice versteifte sich.

„Ich kenne mich ein wenig in Erster Hilfe aus“, protestierte Alice. „Wenn Sie mir vielleicht etwas warmes Wasser bringen könnten.“

„Wollen Sie nicht endlich aufhören, so zu tun, als wollte ich Sie gleich vergewaltigen oder so etwas“, polterte er ungeduldig los. „Bleiben Sie hier sitzen. Ich bin gleich zurück.“

Er lief in Richtung Küche. Sie versuchte, ihr Bein zu strecken, und zuckte bei dem stechenden Schmerz zusammen. Es konnte zwar nichts Ernsthaftes sein, aber die Wunde musste gesäubert waren.

Peter kam mit einer Schüssel lauwarmen Wassers und Verbandszeug zurück und begann, die aufgeschürfte Stelle ebenso sanft wie fachmännisch abzutupfen.

Alice versuchte, ruhig zu bleiben, während sie beobachtete, wie geschickt seine Hände waren. Eine Hand lag leicht auf ihrem Oberschenkel, während er mit der anderen die Wunde säuberte. Wie mochten sich diese Hände wohl anfühlen, wenn sie einen streichelten?

Bei diesem Gedanken zuckte sie unwillkürlich zusammen. Peter schaute erstaunt hoch. „Tut das weh?“

„Nein“, murmelte sie, korrigierte sich dann aber: „Ja.“

„Schon fertig. So schlimm war es doch nicht, oder?“ Die grauen Augen ruhten vielleicht ein wenig zu lang auf ihrem Gesicht.

„Oder soll ich den Schmerz wegküssen?“

Sie warf verdutzt den Kopf nach hinten. Er lachte leise. „Das war doch nur ein Scherz.“

Er marschierte in die Küche zurück, während Alice ihm am liebsten etwas nachgeworfen hätte. Ein Scherz! Sie hatte diese Bemerkung gar nicht lustig gefunden.

Dieser Mann war überhaupt das Allerletzte, wütete Alice innerlich. Sie erhob sich mühsam und wankte nach oben. Sie zog sich ihr Nachthemd über. Erstaunt stellte sie fest, dass es schon sehr spät war. Sie schlüpfte unter die Bettdecke und löschte die Leselampe. Sie durfte über diesen unerträglichen Mann keinen Augenblick länger nachdenken! Aber je mehr sie versuchte, ihn zu vergessen, desto deutlicher stieg das Bild von ihm vor ihren Augen auf, sein besonderes Lächeln, sein selbstbewusster Blick. Er machte den Eindruck, als könnte er in ihr lesen wie in einem Buch, und entdeckte Seiten an ihr, die ihr selbst unbekannt waren.

Jonathan hatte nie versucht, sie wirklich kennenzulernen. Es hatte Spaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein, aber weiter waren sie nie gekommen.

Vielleicht hätte sie ihm doch ein paar Fragen stellen sollen, stellte sie bitterfest, dann hätte sie die Wahrheit vielleicht ein wenig früher herausgefunden. Aber so musste sie sich von Freunden sagen lassen, dass er ein richtiger Casanova war und sich nicht nur für sie interessierte. Die Verlobung schien daran nichts zu ändern.

Voller Wut vergrub sie ihr Gesicht im Kopfkissen, sie wollte von nichts mehr wissen. Sie war einfach weggelaufen, was so gar nicht zu ihrem normalen Verhalten passte.

Aber war sie hier nicht vom Regen in die Traufe geraten? Sie gähnte und lauschte, ob sie Peters Fußschritte nach oben kommen hörte.

Aber erst nach einer schlaflosen Stunde schien er sich zu bequemen, selbst ins Bett zu gehen. Als sie seine Schritte vor ihrer Tür hörte, zog sie die Decke fest an sich und entspannte sich dann wieder.

Vor was hatte sie eigentlich Angst? Er hatte doch gesagt, dass sie nicht sein Typ war. Außerdem hielt er sie für eine verlobte Frau.

Sie hörte die Dusche laufen. Sie stellte sich vor, wie Peter nackt darunter stand. Kopfschüttelnd drehte sie sich auf die andere Seite. Sie sollte wirklich schlafen. Und morgen, ja, morgen würde alles schon anders aussehen.

3. KAPITEL

Alice hatte eigentlich vorgehabt, zwei Wochen an der Côte d’Azur zu bleiben, um sich am Strand zu entspannen und das Leben zu genießen. Aber jetzt schien alles ein wenig anders als geplant, überlegte sie, während sie am nächsten Morgen die Treppe hinuntermarschierte.

Sie kam sich in ihrem eigenen Haus wie ein Eindringling vor, der versuchte, einem gewissen Mann aus dem Weg zu gehen.

Peter verachtete sie und ihren Lebensstil, ihre Lebenseinstellung. Und machte daraus kein Hehl. Sie würde sich heute nicht erneut seiner Kritik aussetzen, sondern nach Nizza fahren und Simone besuchen, eine ihrer besten Freundinnen, vielleicht sogar die beste.

Das war ein geschickter Schachzug, um Peter den ganzen Tag aus dem Weg zu gehen.

Und da stand er schon am Küchentresen, den Rücken ihr zugewandt, und belegte ein Sandwich. Sie schaute die schlanke Gestalt genau an und überlegte, ob er überhaupt je höflich war zu irgendjemandem.

Er schien ihre Gedanken lesen zu können. „Es ist noch Kaffee in der Kaffeemaschine. Schenken Sie uns doch eine Tasse ein, ja?“

„Guten Morgen“, begrüßte ihn Alice vielsagend.

„Oh, guten Morgen.“

„Existiert das Wort ‚bitte‘ nicht in Ihrem Vokabular?“ Sie kam seiner Aufforderung dennoch nach, setzte sich und nippte an ihrem Kaffee. Die Franzosen verstanden es wirklich besser als die Engländer, Kaffee zu kochen, und Peter hatte genau die richtige Mischung erwischt.

„Das Brot ist im Ofen“, informierte er sie, ohne sich zu ihr umzudrehen.

Sie beäugte ihn neugierig, die breiten Schultern, die muskulösen Arme.

„Normalerweise frühstücke ich überhaupt nicht“, gab Alice zurück, obwohl ihr das Wasser im Mund zusammenlief. „Ich habe keine Lust zuzunehmen.“

Er drehte sich zu ihr um und musterte sie von Kopf bis Fuß. Er war einfach unmöglich, aber bei wem sollte sie sich beschweren?

„Warum nicht?“, fragte er. „Sie sind viel zu dünn. Ein paar Pfund mehr würden Ihnen nicht schaden.“

„Nun, solange ich noch in alle meine Kleider passen will, muss ich sehr wohl auf meine Figur achten.“

Sie biss in ihr Croissant und versuchte, seine Gegenwart zu ignorieren.

„Was haben Sie heute vor?“, erkundigte er sich, während er sich ein weiteres riesiges Sandwich machte.

„Das geht Sie eigentlich nichts an.“ Vergessen war die Ermahnung ihres Vaters, sie möchte ihn doch mit Samthandschuhen anfassen. „Aber wenn Sie es unbedingt wissen müssen, ich fahre heute nach Nizza.“

„So, fehlt Ihnen schon die Welt des Glamours?“

„Nein, ich habe nur Lust auf angenehmere Gesellschaft. Ich habe Freunde dort und werde sie besuchen.“

„Gut, ich nehme Sie mit. Ich muss nämlich selbst ein paar Dinge besorgen.“

„Mich mitnehmen?“ Sie starrte ihn entgeistert an. „Ich komme ganz gut allein zurecht. Und wie wollen Sie mich hinbringen? Auf dem Rücken? Ich habe hier kein Auto weit und breit gesehen.“

„Es steht in der Garage, ein wenig weiter oben am Hang.“

„Danke, aber ich kann Ihnen auch etwas mitbringen, wenn Sie mir eine Liste mitgeben.“

„Wir brechen gleich nach dem Frühstück auf. Wie geht es übrigens Ihrem Knie?“

„Gut, danke der Nachfrage.“ Und mir ging es auch gut, bevor ich hier herunterkam, dachte sie insgeheim.

„Freut mich.“ Er aß sein Sandwich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Als er fertig war, stand er auf und wies sie barsch an. „Lassen Sie Ihren Teller ruhig stehen. Und ziehen Sie sich etwas Vernünftiges an.“ Er nahm mit seinen grauen Augen jede Kleinigkeit ihres Aussehens wahr. „Ich erwarte Sie in zehn Minuten draußen vor dem Haus.“

Sie wollte sarkastisch einwerfen, dass er ein echter Sklaventreiber sei, aber er räumte das Geschirr weg und schien keine Notiz mehr von ihr zu nehmen. Und das ärgerte sie mehr, als sie gedacht hatte.

Sie lief nach oben und zog sich schnell um. Ein leichtes buntes Kleid und Sandalen waren wohl das Richtige für diesen Ausflug.

Sie überprüfte ihr Aussehen noch einmal im Spiegel. Ihre langen Haare glänzten mit ihren großen dunklen Augen um die Wette. Sie fand überhaupt nicht, dass sie wie ein Kind aussah.

Er wartete bereits auf sie und führte sie ei...

Autor

Cathy Williams

Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...

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