Atemlos vor Verlangen nach dir

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Impulsiv beschließt Kitty, sich in das edle Londoner Stadthaus einzuschleichen, in dem gerade eine Party steigt. Ihr Vater hat es vor Kurzem verkauft und dabei ein wertvolles Diamanthalsband in einem Versteck zurückgelassen. Das will Kitty sich holen! Doch prompt wird sie von dem neuen Besitzer erwischt. Mit einem gefährlichen Lächeln erpresst Alejandro Martinez sie: Entweder sie spielt für zwei Wochen seine Verlobte - oder er holt die Polizei! Was wahrscheinlich besser wäre, denn Alejandros erotische Ausstrahlung weckt in Kitty eine höchst riskante Sehnsucht …


  • Erscheinungstag 27.03.2018
  • Bandnummer 0007
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710057
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Treibende Bässe wummerten durch die dunkle Straße. Das Herz von Kitty Parkes-Wilson schlug im schnellen Rhythmus der Musik mit. Die Nachbarn würden sich nicht über den Lärm beschweren. Sie saßen vermutlich zu Hause und wünschten sich, die Party zu besuchen und den neuen superreichen Nachbarn kennenzulernen.

Alejandro Martinez. Früher Unternehmensberater, heute Kapitalgeber für Risikogeschäfte. Millionär. Playboy. Partylöwe. Und seit drei Tagen neuer Eigentümer des herrschaftlichen Hauses im Herzen Londons, das bis dahin im Besitz von Kittys Familie gewesen war. Kitty war in dem Haus aufgewachsen. Ihre Familie hatte dort seit fünf Generationen gelebt. Doch dann hatte ihr Vater den dicken Scheck genommen, den Alejandro Martinez ihm unter die Nase gehalten hatte, und war mit seiner dritten Frau in die Villa auf Korsika gezogen, in der er seinen Lebensabend zu verbringen gedachte. Er hatte seine Schulden getilgt und die vom Ruin bedrohte Firma aufgegeben – ohne seine Kinder zuvor davon in Kenntnis zu setzen.

Damit konnte Kitty umgehen. So gerne sie es auch getan hätte, sie verfügte nicht über das Vermögen, den Familienstammsitz der Parkes-Wilsons zu kaufen. Aber ihr Vater hatte dort etwas zurückgelassen, das ihm nicht gehörte. Und damit konnte Kitty nicht leben. Sie war auf dem Weg, diesen Gegenstand zu holen, und niemand würde sie aufhalten.

Es war nicht der materielle Wert der Halskette, der sie für Kitty so wichtig machte. Die Kette hatte zum Erbe ihres Zwillingsbruders Teddy gehört. Und es schmerzte Kitty, dass er um seinen Anteil betrogen worden war.

„Du darfst das nicht tun“, sagte Teddy jetzt am Telefon.

„Du kannst mich nicht aufhalten, ich stehe schon vor der Tür“, erwiderte sie leise und drückte das Handy noch fester ans Ohr. „Ich schaffe das schon.“

„Kitty, das ist doch verrückt“, stöhnte Teddy. „Du bist gerade erst aus dem Zug gestiegen. Warum musst du immer alles überstürzen? Komm erst mal zu mir, und wir reden darüber.“

Wenn sie mit ihm über ihren Plan reden würde, verlor sie mit Sicherheit den Mut. „Je schneller ich sie zurückhole, umso besser. Im Haus läuft eine Party, das ist die Gelegenheit.“

„Und wenn du erwischt wirst?“

„Das werde ich nicht“, unterbrach sie ihn. „Er wird mich gar nicht bemerken, weil er viel zu sehr mit seinen ganzen Topmodels beschäftigt ist.“

Alejandro Martinez datete nur wunderschöne Frauen und wechselte seine Freundinnen wie andere Männer ihre Krawatten. Von Teddy, der im Theater arbeitete, wusste Kitty, dass die neueste Gespielin von Alejandro Martinez Saskia hieß und eines der begehrtesten Unterwäschemodels war. Kitty hoffte, die ellenlangen Beine von Saskia würden den neuen Hausherren hinreichend ablenken, sodass er das Erscheinen und Verschwinden eines ungeladenen Gasts nicht bemerkte. Außerdem kannte sie alle Geheimnisse des Hauses und wusste, wie man sich unauffällig in die Bibliothek im ersten Stock schlich.

„Und die Kette liegt auch ganz sicher im Geheimfach in der Bibliothek?“, hakte sie bei Teddy nach.

„Ja.“ Ihr Bruder klang besorgt. „Bitte, Kitty, ich finde, du solltest …“

„Ich ruf dich an, sobald ich in Sicherheit bin, okay? Mach dir keine Sorgen.“ Bevor er noch etwas erwidern konnte, legte sie auf.

Alejandro Martinez würde Großtante Margots Diamanthalsband nicht einer seiner zahllosen Freundinnen umhängen. Lieber würde Kitty ins Gefängnis gehen.

Das Adrenalin beschleunigte ihre Schritte. Vor dem Gartenzaun angekommen, schaute sie sich rasch nach links und rechts um und kletterte dann hinüber. Nachdem sie ihre Umhängetasche unter einem Busch versteckt hatte, machte sie sich ans Werk.

Sie hoffte, dass der Schlüssel zur hinteren Eingangstür noch immer unter dem Stein lag, unter dem sie ihn vor fast zehn Jahren zum ersten Mal versteckt hatte. Außer Teddy und ihr wusste niemand, dass es den Schlüssel überhaupt gab. Nicht einmal ihr Vater. Zum Glück hatte niemand den Stein weggeschafft, und zehn Sekunden später hielt sie den Schlüssel in der Hand.

Teil eins des Plans: geschafft.

Sie holte tief Luft und lief mit schnellen Schritten auf den Hintereingang zu. In der Küche, die gleich neben dem Eingang lag, brannte Licht. Ein Mann stand am Spülbecken.

Kitty straffte die Schultern und schloss die Tür auf. Dann trat sie in die Küche und lächelte den Mann freundlich an. Er hob den Kopf und riss die Augen auf. Kitty wedelte mit dem Schlüssel und legte einen Zeigefinger an die rot geschminkten Lippen. „Verraten Sie ihm nicht, dass ich hier bin. Das soll eine Überraschung werden.“ Mit diesen Worten rauschte sie an der Küchenhilfe vorbei in den Flur.

Der Mann hielt sie nicht auf. Und er sagte auch nichts. Stattdessen wandte er sich wieder dem schmutzigen Geschirr zu.

In all den Jahren, die sie Teddy bei seinen Theaterproben zugeschaut hatte, hatte sie ein paar Tricks gelernt.

Tue immer so, als würdest du vor Selbstbewusstsein nur so strotzen. Gib dich, als würde die Welt dir gehören, und die Leute werden es dir abnehmen.

So selbstbewusst, wie sie gelächelt und den Schlüssel geschwenkt hatte, hätte ihr wohl jeder den gern gesehenen Überraschungsgast abgenommen.

Teil zwei: geschafft.

Jetzt musste sie nur noch in die Bibliothek huschen, die Kette holen und so schnell wie möglich verschwinden.

Wäre da nur nicht ihre Neugier gewesen. Seit Monaten war sie nicht mehr zu Hause gewesen, und bei dem Gedanken an das, was sie verloren hatte, spürte sie einen Stich im Herzen. Was hatte Alejandro Martinez in den drei Tagen verändert?

Offenbar gefiel ihm die Straße so gut, dass er an jede Haustür geklopft hatte, bis er auf jemanden gestoßen war, der ihm sein Haus verkaufen wollte. Und ihr Vater hatte nicht nur verkaufen wollen. Er war so stark verschuldet gewesen, dass ihm der reiche Amerikaner wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein musste. Und der Millionär hatte mit dem Kauf einen richtigen Reibach gemacht. Er hatte nicht nur das Haus bekommen, sondern das gesamte Mobiliar und sämtliche Einrichtungsgegenstände des Vorbesitzers.

Dass ihr Vater die Firma einfach abgewickelt hatte, war eine Sache. Aber dass er das Haus verkauft hatte, ohne seinen Kindern vorher Bescheid zu geben, das war unverzeihlich. Er hatte es mit allem Drum und Dran verkauft und nur seine persönlichen Unterlagen mitgenommen. Weder Teddy noch Kitty waren gefragt worden, ob sie etwas haben wollten. Dass sich im Haus einige wertvolle Gegenstände befanden, war Kitty egal. Sie hatte schon immer gewusst, dass sie als Tochter leer ausgehen würde. Aber dass ihr Vater noch nicht einmal den Alleinerben Teddy gefragt hatte, war neu. Teddy störte das nicht. Er war froh, nicht mehr ständig von seinem Vater daran erinnert zu werden, dass er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hatte. Trotzdem befand sich eine Sache noch in dem Haus, auf die die Zwillinge nicht verzichten wollten.

Die Diamantkette von Großtante Margot.

Von ihrer Tante hatte Kitty nicht nur die Haarfarbe, sondern auch den Humor geerbt. Margot war seit ihrer Kindheit ihr großes Vorbild gewesen.

Kitty folgte der Musik und spähte durch die halb geöffnete Tür in die große Eingangshalle.

Die Beleuchtung war hier wesentlich gedämpfter als in der Küche. Vermutlich dachten die Gäste, der Hausherr hätte den Trick angewendet, damit sie noch attraktiver aussahen. Aber Kitty ahnte den wahren Grund. Das Licht war gedämpft worden, damit der reparaturbedürftige Zustand des Hauses nicht so stark auffiel. Offenbar hatte Alejandro sämtliche antiken Möbel, Vasen und Porzellanvitrinen entfernen lassen. An ihrer Stelle standen jetzt Dutzende aufsehenerregend schöne Frauen. Kittys Herz pochte wie wild. Es war komisch, dass sich all die fröhlichen Frauen benahmen, als wären sie hier zu Hause, während sie selbst es nicht mehr war.

Sie umrundete die Halle und trat selbstbewusst auf die erste Stufe der Treppe. Dann straffte sie die Schultern und ging mit hoch erhobenem Kopf nach oben. Dabei lächelte sie einem Mann zu, der ihr vom anderen Ende der Halle hinterherschaute.

Auf der Treppe wurde die Musik langsam leiser. Als Kitty den ersten Stock erreichte, war sie nur noch ein Hintergrundgeräusch. Oben war niemand zu sehen – Kitty hatte den perfekten Zeitpunkt gewählt. Es waren genug Leute da, um sich unauffällig unter sie zu mischen, aber die Party war noch nicht so ausgelassen, als dass sich die Gäste im ganzen Haus verteilt hätten.

Obwohl ihr der Anblick der leer geräumten Eingangshalle fast die Luft abgeschnürt hatte, konnte Kitty nicht widerstehen, einen Blick ins ehemalige Schlafzimmer ihres Vaters zu werfen. Die Tür stand offen, aber als Kitty hineinspähte, blieb ihr fast das Herz stehen. Das Zimmer war bis unter die Decke mit Möbeln und Kisten vollgestellt. Dort waren also die Sachen aus dem Erdgeschoss gelandet! Sie atmete tief ein und aus, bevor sie zur Bibliothek weiterging. Sie blieb einen Augenblick vor der Tür stehen und lauschte, aber von drinnen war kein Laut zu vernehmen. Nervös legte sie die Hand auf die Klinke und drückte sie langsam herunter. Erleichtert stellte sie fest, dass es im Zimmer dunkel war. Wenn sie die Tür einen Spalt weit offen ließ, würde genügend Licht aus dem Flur hereinfallen, um sich zurechtzufinden. Während sie auf Zehenspitzen zu den Regalen an der hinteren Wand schlich, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Das Haus hatte viele Geheimnisse, von denen der neue Besitzer niemals erfahren würde. Natürlich war es kindisch von ihr, sich darüber zu freuen. Aber war es nicht Alejandro Martinez gewesen, der ihr das alte Zuhause weggenommen hatte?

Schnell stieg sie auf die Leiter, die an dem Bücherregal angebracht war. In Höhe des fünften Regals von oben, hinter dem vierten Buch von links, befand sich ein kleiner Hebel. Sie drückte ihn nach unten und hörte, wie sich die Klappe des Geheimfachs mit leisem Quietschen öffnete. Der Platz darin reichte gerade einmal für ein paar Briefe, die sich zwei Kinder geschrieben hatten, oder für eine mit Diamanten besetzte Halskette, die ihr Bruder dort einmal deponiert hatte.

Kitty schob die Hand in das Loch und stellte erleichtert fest, dass die Kette noch da war und ihrem rechtmäßigen Besitzer übergeben werden konnte. Obwohl die alte Dame jetzt nur noch in ihrer Erinnerung lebte, war ihr der Gedanke, Großtante Margot zu enttäuschen, unerträglich gewesen.

Kitty schluckte schwer, dann band sie sich die Kette um den Hals. Um den Verschluss zuzumachen, musste sie den Kopf weit nach vorne beugen. Aber jetzt saß die Kette fest um ihren Hals. Das Gefühl der kalten Steine auf der Haut war Kitty so vertraut, dass sich ihr Herz zusammenzog.

Es waren die einzigen Diamanten, die Margot jemals getragen hatte. Sie hatte sich die Kette selbst zum Geschenk gemacht. Dafür brauchte sie keinen Mann, wie sie oft beteuert hatte. Margot war ihr Leben lang unabhängig gewesen und hatte sich geweigert, die Erwartungen ihrer Familie zu erfüllen. Sie war ihrer Zeit weit voraus gewesen, und dafür hatte Kitty sie immer bewundert.

Liebend gern hätte sie die Kette behalten. Aber sie gehörte vom Gesetz her nun einmal Teddy.

Im Zug nach London hatte sie die Haare zu einem Knoten zusammengebunden, den sie jetzt löste. Es gehörte zu ihrem Plan, beim Verlassen der Party anders auszusehen als bei der Ankunft. Außerdem konnte sie die funkelnde Kette unter ihren Haaren verstecken. Sie zog den Hebel hoch, und die winzige Tür des Geheimfachs schloss sich wieder.

Teil drei: geschafft.

Zufrieden kletterte sie die Leiter hinunter und drehte sich um. Erst in diesem Moment nahm sie ihn wahr – den Umriss eines Mannes, der im Türrahmen lehnte. Sie erstarrte. Es war viel zu dunkel, um sein Gesicht zu erkennen. Aber sie sah, dass er ein Handy am Ohr hielt. Er war groß. Und kräftig.

„Hallo?“ Sie wünschte sich, ihre Stimme würde fester klingen.

Er gab keine Antwort.

Ihr Herz schien zwei Sekunden lang stillzustehen. Die Bibliothek hatte einen Holzfußboden, und sie hätte jeden Schritt eigentlich hören müssen. Gehörte der Mann zum Sicherheitspersonal? Wie lange hatte er sie beobachtet? Hatte er gesehen, dass sie etwas mitgenommen hatte?

„Vorhin trugen Sie noch keine Kette“, sagte er leise. Seine Stimme klang bedrohlich. „Jetzt schon.“

Kitty erkannte, dass sie bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. „Wenn Sie Ihren Boss holen, werde ich ihm alles erklären“, gab sie mit gespieltem Mut zurück.

„Mein Name ist Alejandro Martinez“, sagte er in diesem bedrohlichen Tonfall, der ihre Haut am ganzen Körper prickeln ließ. „Ich bin der Boss.“

Der Teufel höchstpersönlich. Kittys Herz hämmerte wie verrückt.

Er löste sich aus dem Türrahmen und machte die Tür langsam zu. Für den Bruchteil einer Sekunde war es in der Bibliothek stockdunkel. Dann drückte er auf den Lichtschalter.

Kitty blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit an. Als die tanzenden Punkte vor ihren Augen verschwunden waren, stand der Mann keinen halben Meter vor ihr. Er hatte das Handy weggesteckt, seine Hände waren frei.

Sie schluckte. Aus der Nähe bemerkte sie erst, wie groß er war. Kitty war zwar selbst nicht gerade klein, aber sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er hatte dunkelbraunes, volles Haar und sah so umwerfend gut aus, dass es vom Gesetz her eigentlich verboten gehörte. Ja, Alejandro Martinez mit seiner olivbraunen Haut, den wie gemeißelt wirkenden Gesichtszügen und den dunklen, forschenden Augen war unverschämt attraktiv.

In der Hoffnung, die Kette hinter den dichten Locken verbergen zu können, schüttelte sie leicht den Kopf. So schnell würde sie nicht an ihm vorbeikommen. Die Bibliothek hatte nur eine Tür, und er hatte sie soeben zugemacht.

„Geben Sie sich keine Mühe, die Kette zu verstecken“, sagte er mit leisem Spott. Doch seine Augen funkelten. Er hob die Hand und strich Kitty eine Locke betont langsam hinters Ohr. Sein forschender Blick wanderte über ihren Hals, dann weiter über ihre Brüste, ihre Taille, ihre Beine.

Kitty hatte das Gefühl, seinen Blick förmlich zu spüren.

„Ein Diamanthalsband für eine katzenhafte Einbrecherin“, sagte er. „Wie passend.“

Kitty stellte entsetzt fest, dass ihr Körper auf seine sinnliche Stimme sofort reagierte. Hitze stieg ihr in die Wangen, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht einen Schritt zurückzuweichen.

„Eine rote Katze“, fügte er nachdenklich hinzu und schaute ihr wieder ins Gesicht. „Die findet man eher selten.“

Die Bemerkung ärgerte sie. Schon immer hatte sie ihr rotes Haar gehasst. Vor ein paar Jahren hatte sie es dunkel gefärbt, aber dadurch waren ihre helle, fast durchsichtige Haut und die Millionen Sommersprossen nur noch stärker aufgefallen. Irgendwann war sie zu ihrer natürlichen Haarfarbe zurückgekehrt und hatte sich mit der Tatsache abgefunden, dass sie niemals eine Schönheit sein würde.

„Haben Sie von dem Fach gewusst?“, fragte sie, um ihn von ihrem Äußeren abzulenken. Leider klang ihre Stimme unsicher und heiser.

„Ich weiß es jetzt. Welche Geheimnisse kennen Sie sonst noch?“ Sein Blick schien sie zu durchbohren. „Was wollten Sie als nächstes stehlen?“

Ihr Trotz regte sich. Sie würde ihm nichts verraten – weder über das Haus, noch über sich selbst oder die Kette.

Seine Miene verhärtete sich. „Geben Sie mir die Kette“, befahl er.

Sie schüttelte den Kopf. „In neun von zehn Gesetzen geht es um Besitz“, murmelte sie.

„Wollen Sie mich über Besitz belehren?“ Seine Augen funkelten. Jetzt erinnerte er an ein Raubtier.

Eine zerstörerische Hitze durchflutete ihren Unterleib.

„Das ist ein wertvolles Schmuckstück“, bemerkte er. Sein Blick wurde noch intensiver.

Kitty hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Kette war wertvoll, aber für sie war das Schmuckstück in erster Linie etwas, das sie an ihre Großtante erinnerte. „Sie gehört Ihnen nicht, und das wissen Sie“, erwiderte sie und sah ihm entschlossen in die Augen.

„Und ich wette, Ihnen gehört sie auch nicht“, erwiderte er gelassen.

Kitty durfte sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Dieser Mann hatte sich ihr Zuhause unter den Nagel gerissen. Die Kette durfte er ihr nicht auch noch wegnehmen. Trotzdem konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Wangen sich schuldbewusst rot färbten.

Vielleicht war sie vom Gesetz her nicht die rechtmäßige Besitzerin. Aber ihr Herz hing nun einmal an der Kette. „Ich habe ein Anrecht darauf, sie mir zu holen.“

Alejandro schüttelte den Kopf. „Das Haus ist jetzt in meinem Besitz. Ebenso wie alles, was sich darin befindet.“ Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen. „Und da Sie nicht gehen wollen, gehören Sie jetzt wohl auch mir.“

Was für eine bodenlose Frechheit. Sie gehörte niemandem! „Tatsächlich wollte ich gerade gehen“, gab sie kalt zurück.

„Nein.“ Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, und er packte sie am Handgelenk.

Kitty versuchte, sich loszureißen. Vergeblich.

„Die Kette bleibt in meinem Besitz, bis ich den Eigentümer ermittelt habe“, erklärte er. „Und das gilt auch für Sie.“

Sicher wollte er sie mit diesem Spruch nur provozieren. Allerdings beschlich Kitty der Verdacht, er könne es tatsächlich ernst meinen. Er schien es gewohnt zu sein, Macht über andere zu haben.

Er verstärkte den Druck auf ihr Handgelenk und zog sie näher.

„Was tun Sie da?“, flüsterte sie, als er mit der Hand über ihren Bauch strich.

Alejandro gab keine Antwort, sondern ließ die Hand weiter zu ihrer Taille wandern, wobei er die schöne Einbrecherin genauer musterte. Sie war sehr schlank und hatte im Gegensatz zu den Frauen, die er üblicherweise datete, kaum Kurven. Trotzdem war sie auf ihre Art sehr attraktiv. So anders als die anderen. Sie war ganz in Schwarz gekleidet – schmale, dreiviertellange Hose, dazu ein enger Pullover, der ihre schlanke Figur wunderbar betonte. Ihre Augen funkelten vor Wut, und er musste ein Lächeln unterdrücken, weil sie den Körper anspannte, während er sie abtastete. Sie leistete ihm tatsächlich Widerstand. Das hatte er noch nie erlebt.

„Wollen Sie mir etwa Gewalt antun?“, fauchte sie.

„Ich überzeuge mich nur, dass Sie keine Waffe dabei haben“, gab er lässig zurück. Aber innerlich machte ihn die Anschuldigung wütend. Alejandro Martinez würde niemals einer Frau Gewalt antun. Er war schließlich nicht wie sein … Nein.

Er verdrängte den Gedanken an seine Vergangenheit und konzentrierte sich auf seine hübsche Gefangene. Die einzige Waffe, die sie bei sich trug, waren ihre Augen. Sie trafen ihn wie zwei Dolche. Darüber musste er lächeln. Dann entdeckte er das Handy in ihrem Hosenbund und zog es heraus.

Er ließ sie los und besah sich das Telefon – nicht gerade das neueste Modell. In der Hülle steckten eine Bankkarte und ein Führerschein.

„Catriona Parkes-Wilson“, las er laut.

Ihre blassen Wangen färbten sich dunkelrot, und ihre smaragdgrünen Augen funkelten wieder. Sie war wirklich atemberaubend.

„Ich ziehe Kitty vor.“

Catriona „Kitty“ Parkes-Wilson war, wie er wusste, die Tochter des Mannes, der ihm das Haus verkauft hatte.

Alejandro hätte ihr sofort abgenommen, dass die Diamanten ihr gehörten. Aber sie hatte ihn so schuldbewusst angesehen, dass ihm Zweifel kamen. Bevor er ihr die Kette aushändigte, musste er herausfinden, wem sie tatsächlich gehörte.

Immerhin wusste er jetzt, warum sie sich bei ihm eingeschlichen hatte.

Die Frau machte auf ihn den Eindruck einer verwöhnten Tochter aus gutem Haus. Sie hatte tatsächlich geglaubt, sie könnte einfach bei ihm einbrechen und sich nehmen, was sie wollte. Warum hatte sie ihn nicht höflich um die Kette gebeten? Diese Frau schien es gewohnt zu sein, sich einfach alles zu nehmen.

Er würde ihr eine Lektion in Sachen Höflichkeit und Eigentum erteilen. „Catriona.“ Er ignorierte die Tatsache, dass sie den Namen nicht mochte. „Ich bin entzückt, Sie in Ihrem ehemaligen Haus begrüßen zu dürfen.“

Einer seiner Sicherheitsleute hatte ihn per SMS informiert, als sie sich durch die Hintertür eingeschlichen hatte. Im nächsten Moment hatte Alejandro sie auch schon selbst entdeckt. Sie war die Treppe hinaufgestiegen, als glaubte sie, unsichtbar zu sein. Als ob Haare, die wie Feuer loderten, nicht auffielen. Obwohl sie die Haare hochgesteckt hatte, war er von ihnen sofort fasziniert gewesen. Jetzt hatte sie den Knoten gelöst, und die roten Haare flossen ihr in wilden Locken um die Schultern. Er war versucht, sie mit den Fingern aufzuzwirbeln, und die Frau an sich zu ziehen und zu küssen …

Nein, er würde diesem Impuls ganz bestimmt nicht folgen.

Alejandro konnte sich über einen Mangel an Sex wahrlich nicht beklagen. Aber es war schon eine Weile her, dass ihn eine Frau auf den ersten Blick erregt hatte. Das irritierte ihn. Er musste die Situation so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen und durfte die sexuelle Spannung, die zwischen ihnen deutlich spürbar war, nicht ausnutzen. Wenigstens jetzt noch nicht. Sicherlich würde es noch mehr Spaß machen, diese freche, kleine Prinzessin erst einmal in ihre Schranken zu verweisen. In den Jahren seines gesellschaftlichen Aufstiegs war er zu vielen Menschen begegnet, für die harte Arbeit ein Fremdwort war. Jemand musste Catriona Parkes-Wilson Manieren beibringen. Warum nicht er?

Plötzlich kam ihm eine Idee, und die Vorfreude ließ das Adrenalin durch seine Adern rauschen. „Entweder Sie bleiben heute Abend als mein Date auf der Party“, erklärte er unumwunden. „Oder ich rufe die Polizei. Sie haben die Wahl.“

„Als Ihr Date?“ Sie riss die Augen auf.

Er wusste, dass sie sich von ihm ebenso stark angezogen fühlte. Und auch ihr schien das nicht zu behagen. Merkwürdigerweise hob das seine Laune. Sie würde auf diese Weise für ihre Dreistigkeit büßen. Und wenn sich der Abend als Erfolg entpuppte, würde er sie später vielleicht mit in sein Bett nehmen.

„Oder Sie holen die Polizei“, fügte sie hinzu, als wäre die Aussicht ein Hoffnungsschimmer.

Wollte sie damit andeuten, dass ihr die Polizei weniger Angst machte als die Vorstellung, den Abend mit ihm zu verbringen? Er musste sie noch ein wenig unter Druck setzen. „Ihre Fingerabdrücke sind überall …“

„Natürlich“, warf sie frech ein. „Ich habe hier schließlich mal gewohnt, schon vergessen?“

„Außerdem hat meine Überwachungskamera alles aufgenommen.“

Das brachte sie zum Schweigen.

„Ich kann meine Gäste nicht stundenlang allein lassen“, sagte er. „Deshalb bleiben Sie bei mir, bis ich Zeit habe, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen.“ Während er ihr seine Spielregeln erklärte, schaute sie ihn aus funkelnden Augen an. „Ich werde nicht eine Sekunde von Ihrer Seite weichen. Katzen haben ja die Angewohnheit, sich aus jeder brenzligen Situation zu retten.“ Das trotzige Feuer in ihren Augen heizte sein Blut an. „Und ich erwarte, dass Sie sich gut benehmen.“

Wie erstarrt stand Kitty da. Der Gedanke, den ganzen Abend mit ihm verbringen zu müssen, hätte Entsetzen in ihr auslösen sollen. Stattdessen breitete sich eine prickelnde Vorfreude in ihrem Inneren aus. Was war bloß mit ihr los?

Er beugte sich vor, und seine vollen Lippen formten wieder dieses verführerische Lächeln. Himmel, er sah einfach zu gut aus.

„Catriona“, sagte er leise.

Sie konnte den Blick nicht von seinen schwarzen Augen lösen. Ihre Lippen öffneten sich leicht, weil sie kaum noch Luft bekam. Würde er sie gleich küssen? Würde sie sich von ihm küssen lassen?

Er war jetzt so nahe, dass sie seinen Atem auf der Haut fühlen konnte. Seine Augen schienen sie zu hypnotisieren. Sie konnte sich nicht bewegen. Dann spürte sie die Wärme seiner Finger an ihrem Nacken. Ein Zittern durchlief ihren Körper. Bevor sie begriff, dass es nur ein mieser Trick war, hatte er den Verschluss der Kette geöffnet. Entsetzt sah sie zu, wie er einen Schritt zurücktrat und das funkelnde Diamantband in die Brusttasche seines Jacketts steckte – genau dort, wo sich sein Herz befand. Obwohl dieser Mann bestimmt keins hatte.

Er hatte ihr soeben die Kette entwendet, ohne dass sie Widerstand geleistet hatte. Sie hatte sich von seinem attraktiven Äußeren und seiner sexuellen Anziehungskraft den Verstand vernebeln lassen. Wieso war sie nur so dumm gewesen?

„Ich kann Sie nicht als Ihr Date auf die Party begleiten“, stieß sie wütend hervor.

„Ach, und warum nicht?“

„Weil Sie schon eine Freundin haben.“

„Tatsächlich?“ Er durchbohrte sie mit seinem Blick.

„Saskia Soundso.“ Sie straffte die Schultern. „Falls Sie mal wieder eine Ihrer Freundinnen betrügen wollen – ohne mich.“ Sie wusste aus eigener Erfahrung, wie weh das tat. „Also, nur zu: Rufen Sie die Polizei.“

Ohne zu zögern zog er das Handy wieder aus der Tasche. „Saskia, meine Liebe“, sagte er zu Kittys Verblüffung, nachdem er eine Nummer gewählt hatte. „Ich will ehrlich zu dir sein und es dir selbst sagen, bevor du es von einem anderen erfährst. Ich habe jemanden kennengelernt.“

Kitty fiel die Kinnlade herunter.

„Ich weiß, das ging jetzt sehr schnell. Aber so ist das Leben eben.“

Machte er etwa gerade mit seiner Supermodel-Freundin Schluss?

Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten, und er besaß auch noch die Frechheit, Kitty die ganze Zeit über anzugrinsen.

„Haben Sie sich gerade von Ihrer Freundin getrennt?“, stieß sie hervor, als er das Gespräch beendete. „Am Telefon?“

„Nach vier Dates kann man wohl kaum von meiner Freundin reden.“ Er zuckte die Schultern und steckte das Telefon wieder in die Tasche.

„Über fünf Dates kommen Sie sowieso nicht hinaus.“ Die Information stammte von Teddy. Alejandros Verschleiß an schönen Frauen war berüchtigt.

„Ist das so?“ Er hob amüsiert die Augenbrauen. „Ich zähle nicht mit.“

Meinte er die Dates oder die Frauen? „Das können Sie doch nicht so mir nichts, dir nichts machen!“

„Hab ich aber.“

„Hat sie Ihnen denn nichts bedeutet?“, fragte sie entsetzt.

„Nein.“ Er lachte über ihren Gesichtsausdruck. „Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir wussten beide, worauf wir uns einlassen.“

Und worauf? Auf ein paar bedeutungslose Stunden im Bett? Kitty empfand Mitleid mit der anderen Frau. „Sind Sie sich da auch ganz sicher?“

„Einhundert Prozent.“ Er schaute gelangweilt auf seine Uhr. „Jetzt müssen Sie wegen der Party keine Skrupel mehr haben.“

„Ich komme nicht mit.“ Sie schüttelte den Kopf. Niemals würde sie mit einem Mann auf eine Party gehen, der sich Frauen gegenüber so widerlich benahm. „Sie sind herzlos.“

Autor

Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
Mehr erfahren