Baccara Collection Band 447

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SKANDAL UM DEN BAD BOY von KIRA SINCLAIR
Alle halten Dominic für einen gewissenlosen Playboy. Umso besser! So kann der Nachtclubbesitzer undercover sein geheimes Hilfsprogramm für Frauen in Not betreiben. Doch ausgerechnet die aparte Journalistin Meredith, die ihn reizt und erregt wie keine andere, wittert eine heiße Story und bringt sein Geheimnis in Gefahr …


MIT JEDEM HERZSCHLAG MEHR von DONNA HILL
Als Herzchirurg ist Franklin eine Koryphäe. Dass bei seinem verantwortungsvollen, anstrengenden Beruf sein eigenes Herz zu kurz kommt, zählt für ihn nicht. Bis er ein Date für eine Party braucht und seine junge Kollegin Dina fragt. Denn Dinas femininer Sex-Appeal erinnert ihn daran, dass er nicht nur ein Mediziner ist. Sondern auch ein Mann …


SÜNDIGE TRÄUME VON DIR von DEBBI RAWLINS
Wie weit darf er für die Leidenschaft gehen? Lucas hatte gehofft, dass Melanie ihn bei seinem Wild-Horse-Projekt unterstützt. Dass es zwischen ihm und der ehrenamtlichen Helferin des Tierheims lichterloh brennt, kommt für ihn unerwartet. Nichts würde er lieber tun, als sie zu erobern! Aber damit würde er garantiert den Ruf der Dorfschönheit ruinieren …


  • Erscheinungstag 12.07.2022
  • Bandnummer 447
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508315
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kira Sinclair, Donna Hill, Debbi Rawlins

BACCARA COLLECTION BAND 447

KIRA SINCLAIR

Skandal um den Bad Boy

Alle halten Dominic für einen gewissenlosen Playboy. Umso besser! So kann der Nachtclubbesitzer undercover sein geheimes Hilfsprogramm für Frauen in Not betreiben. Doch ausgerechnet die aparte Journalistin Meredith, die ihn reizt und erregt wie keine andere, wittert eine heiße Story und bringt sein Geheimnis in Gefahr …

DONNA HILL

Mit jedem Herzschlag mehr

Als Herzchirurg ist Franklin eine Koryphäe. Dass bei seinem verantwortungsvollen, anstrengenden Beruf sein eigenes Herz zu kurz kommt, zählt für ihn nicht. Bis er ein Date für eine Party braucht und seine junge Kollegin Dina fragt. Denn Dinas femininer Sex-Appeal erinnert ihn daran, dass er nicht nur ein Mediziner ist. Sondern auch ein Mann …

DEBBI RAWLINS

Sündige Träume von dir

Wie weit darf er für die Leidenschaft gehen? Lucas hatte gehofft, dass Melanie ihn bei seinem Wild-Horse-Projekt unterstützt. Dass es zwischen ihm und der ehrenamtlichen Helferin des Tierheims lichterloh brennt, kommt für ihn unerwartet. Nichts würde er lieber tun, als sie zu erobern! Aber damit würde er garantiert den Ruf der Dorfschönheit ruinieren …

1. KAPITEL

Dominic Mercado hielt sich die schmerzende Wange. Überrascht stellte er fest, dass er eben gerade zum ersten Mal von einer Frau geohrfeigt worden war.

Vermutlich hatte es in seinem Leben schon viele Momente gegeben, in denen er es verdient hätte, geohrfeigt zu werden. Überraschenderweise war es aber bisher noch nie passiert.

Dass es jetzt geschehen war, nervte ihn aus zwei Gründen: Erstens hatte er es nicht verdient. Zweitens war es Meredith Forrester gewesen, der zauberhafte, temperamentvolle Rotschopf, der sein Leben in der Vergangenheit mehr als anstrengend gemacht hatte.

Meredith funkelte ihn böse an. In ihrem Gesicht spiegelten sich Wut, Enttäuschung und selbstgerechte Empörung. Dominic war klar, dass sie heute in seinen Club gekommen war, um Streit zu suchen. Das war wirklich merkwürdig, zumal sie sich seit fast zwei Jahren weder gesehen noch gehört hatten.

Was wollte sie von ihm? Was hatte er getan?

Im Grunde spielte es eigentlich keine Rolle. Er hatte es zwar immer ganz anregend gefunden, sich mit Meredith Auseinandersetzungen zu liefern, aber heute Abend gab es wichtigere Dinge zu tun. Er hatte ohnehin durch den Besuch seines alten Freundes Gray Lockwood schon Zeit verloren.

Dominic entschloss sich also zu einer neuen Strategie. Statt ebenfalls aggressiv zu reagieren, schenkte er Meredith ein breites, entspanntes Lächeln.

„Wie schön, dich zu sehen, Meredith“, verkündete er.

„Bemüh dich nicht, Dominic. Ich kenne dich schon, seit du Akne hattest.“

Dominics Grinsen vertiefte sich. Diese Frau hatte wirklich Power. Jedes Mal, wenn er sie traf, haute es ihn wieder um. Wenn sie jemand anders gewesen wäre, hätte er sie längst verführt.

Aber sie war nun einmal Meredith, die beste Freundin seiner Schwester. Und damit war sie tabu.

„Du hast dich wirklich kein bisschen verändert, Meredith“, bemerkte er.

Sie wischte seine Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite. „Du auch nicht, wenn man den neuesten Informationen trauen darf.“

In Anbetracht dessen, dass er den heißesten Nachtclub von Las Vegas betrieb und ständig mit den Reichen und Schönen zu tun hatte, war es schwer zu sagen, was sie damit meinte. Dominics Name tauchte andauernd in Zusammenhang mit irgendwelchen Prominenten auf, und auch wenn höchstens die Hälfte der Klatschgeschichten der Wahrheit entsprach, konnte er unmöglich sagen, was Meredith so aufgeregt hatte. Und sie sogar zu Tätlichkeiten veranlasste.

Normalerweise mied sie seinen Club wie der Teufel das Weihwasser. Das Excess war ihrer Meinung nach absolut unter ihrem Niveau.

Dominic trat ein bisschen näher an Meredith heran und musterte jede Kurve, die sich in ihrem engen silberfarbenen Abendkleid abzeichnete, bevor er antwortete.

„Ehrlich gesagt ist es mir egal, was du über mich gehört hast“, sagte er schließlich. „Aber du bist kein kleines Mädchen mehr und solltest nicht jedes Gerücht glauben, das erzählt wird.“

Seine Taktik verfing nicht bei ihr. Anstatt sie zu verunsichern, hatte er ihren Zorn noch mehr angeheizt. Ungeduldig stieß sie ihn ein Stück von sich weg, während ihr Kleid, das ihren Körper wie flüssiges Metall umhüllte, die Lichter der schwirrenden Scheinwerfer in der Bar reflektierte. Der Stoff reichte nur bis zum Oberschenkel, während Merediths lange schlanke Beine nackt in dem dämmrigen Licht schimmerten.

Sie war eine einzige Verlockung. Aber er war klug genug, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.

„Hier geht es nicht um bloßes Gerede, Dominic“, zischte sie, während sie vehement von sich stieß. „Aber ich hätte mir ja denken können, dass du mich nicht ernst nimmst. Wie immer.“

Dominic lachte. „Dafür nimmst du das Leben so ernst, dass es für uns beide reicht“, erklärte er. Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass Meredith schon einmal gegen irgendwelche Regeln oder Gesetze verstoßen hatte. Nein, sie war immer perfekt und kontrolliert.

Das genaue Gegenteil von ihm. So ein Leben hätte ihn längst umgebracht.

„Und das ist dein Problem“, fuhr er fort. „Ich wette, du kannst überhaupt keinen Spaß haben.“ Spielerisch ließ er eine Strähne ihres rotgoldenen Haares durch seine Finger gleiten.

„Oh doch“, fauchte sie. „Aber nicht mit dir.“ Damit schlug sie seine Hand weg.

Dominic holte tief Luft. Er wusste schon lange, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Also war es besser, die Funken, die er in ihrer Nähe spürte, zu ignorieren und sich von ihr fernzuhalten.

„Ich habe gehört, dass du und dein Club in Menschenhandel verwickelt seid.“ Ihre Stimme war eisig.

Nicht gut.

Das hatte er nicht erwartet. Blitzschnell setzte er sein Pokerface auf. Es fiel ihm nicht schwer, seine Gedanken und Gefühle zu verbergen, das hatte er im Umgang mit seinem gewalttätigen Stiefvater von klein auf gelernt.

Bei jedem anderen hätte er es jetzt mit seinem berühmten Charme probiert, aber er wusste, dass Meredith dagegen immun war. Also wählte er den direkten Weg.

„Ich hätte gedacht, dass du zwischen Fakten und Gerüchten unterscheiden kannst, Meredith“, sagte er kühl.

Ihre Lippen wurden schmal. „Glaub mir, das kann ich. Es gibt Beweise, Dominic. Spätestens morgen Abend weiß jeder in Amerika Bescheid über deine Geschäfte. Es wird ein Fest für die Medien werden.“

Verdammt. Den Namen Meredith Forrester kannte jeder im Land. Sie hatte ihren großen Durchbruch gehabt, als sie einen Korruptionsskandal aufdeckte, der bis in die höchsten politischen Kreise reichte. Und dann war sie die Karriereleiter noch höher geklettert, als sie einen weiteren großen Skandal in der Musikbranche nachweisen konnte.

Wenn sie kurz vor Mitternacht in seinen Club rauschte und ihm so eine Szene hinlegte, musste sie stichhaltige Beweise haben.

Zwar hatte Dominic immer damit gerechnet, dass ihm seine guten Taten eines Tages um die Ohren fliegen könnten, aber auf diesen Zeitpunkt war er nicht vorbereitet gewesen.

Natürlich hatte er auch nicht geahnt, dass Meredith irgendwie davon Wind bekommen würde, was er zusammen mit Gray Lockwood, Anderson Stone und Stone Surveillance betrieb.

Wie sollte er ihr erklären, dass sie dafür sorgten, Frauen zur Flucht zu verhelfen, die Opfern von Missbrauch waren? Und heute Nacht sollte Tessa, eine junge Frau, die dringend Hilfe brauchte, in Sicherheit gebracht werden.

Dominic stöhnte unterdrückt auf. Es ging ihm nicht um sein eigenes Wohlergehen, aber wenn er beobachtet wurde, konnte er nicht für Tessas Sicherheit garantieren. Weder heute noch morgen.

Meredith lehnte sich vor. „Kannst du dir vorstellen, wie Annalise das finden wird? Deine Schwester wird am Boden zerstört sein.“

Dominic wurde es einen Moment lang ganz übel. Seine Schwester würde einen Riesenaufstand machen. Und es würde dauern, bis er ihr die Lage in Ruhe erklären konnte. Das fehlte ihm alles gerade noch.

„Eigentlich gilt man doch als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist, oder?“ Dominic hob eine Braue.

Das leise Lachen von Meredith verursachte ihm eine Gänsehaut.

„Ich bin keine Anwältin, sondern Journalistin“, sagte Meredith. „Wenn meine Recherchen richtig sind, werden deine Komplizen und du das bald am eigenen Leib zu spüren bekommen.“

Dominic schluckte. Am liebsten hätte er Meredith spontan in die Arme gezogen und sein Gesicht in ihrem dichten rotgoldenen Haar vergraben, hätte ihre Lippen geküsst und die Wärme ihres Körpers an seinem gespürt.

Seit Ewigkeiten begehrte er die beste Freundin seiner Schwester, die jetzt zornbebend vor ihm stand, aber ebenso lange hatte er geübt, die Hände von ihr zu lassen. Das Letzte, was er brauchte, war ein Konflikt mit seiner Schwester.

Meredith war einfach zu gut und viel zu perfekt für ihn.

Jetzt schüttelte sie angewidert den Kopf. „Ich wusste ja schon immer, dass du ein vergnügungssüchtiges, selbstgefälliges und egoistisches Arschloch bist, aber so etwas Widerliches hätte ich dir nicht zugetraut“, erklärte sie.

Ebenso gut hätte sie ihm ihre High Heels in den Magen rammen können.

Ihre Worte schmerzten viel mehr als die Ohrfeige, die sie ihm versetzt hatte. Dominic versuchte verzweifelt, sein Gleichgewicht wiederzufinden, während der sinnliche Duft von Merediths Parfüm seine Sinne bis zum Zerreißen anspannte.

„Stopp, jetzt wirst du ungerecht“, protestierte er. „Außerdem hat dich keiner darum gebeten, hier aufzukreuzen, um meiner Schwester zur Seite zu stehen. Bestimmt findet sie es ganz toll, dass du dir solche Sorgen machst, aber ich habe jetzt einfach keine Zeit mehr für dich und deine dramatischen Auftritte. Der Club wartet auf mich.“

Und ein Missbrauchsopfer, das ich beschützen muss, fügte er in Gedanken hinzu.

Spätestens jetzt hätte er sich umdrehen und verschwinden sollen, doch stattdessen legte er seine Hand auf die Schulter von Meredith und zog mit den Fingern langsam eine Linie bis zu ihrem Ellbogen.

Ihre Haut fühlte sich wie Seide an, und er spürte, wie Meredith unter seiner sanften Berührung erschauerte. Dominic wusste, dass sie sich später für ihre Reaktion hassen würde, aber es war ihm egal. Er brauchte jetzt etwas anderes von ihr als Feindseligkeit.

Natürlich spielten sie dieses Spiel nicht zum ersten Mal.

Er neigte sich ganz nah zu Meredith und drückte einen Kuss auf ihre Wange, als seien sie alte Freunde.

„Deine Drinks gehen natürlich auf’s Haus“, flüsterte er ihr zu. „Sag bitte an der Bar Bescheid.“ Dann grinste er sie mit jenem unwiderstehlichen Lächeln an, das er sich schon mit fünfzehn zugelegt hatte.

„Sei brav, und tu nichts, was ich nicht tun würde“, raunte er ihr zu, bevor er ging.

Meredith verzog das Gesicht. Typisch Dominic. Immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Gott, wie sie den Gedanken hasste, dass die Vorwürfe gegen ihn wahr sein könnten. Es durfte einfach nicht wahr sein.

Sie kannte Dominic seit ihren Teenagerjahren, die sie ebenso wie er und Annalise auf einer exklusiven Privatschule verbracht hatte. Und obwohl sie ihn nie besonders gemocht hatte, verstand sie gut, weshalb sich besonders die Mädchen um ihn scharten.

Dominics Charme war überwältigend, während sein Humor und seine Intelligenz dafür sorgten, dass sich alle in seiner Gegenwart wohl fühlten. Er sprühte vor Witz, und seine Begeisterung für andere Menschen kannte kaum Grenzen.

Immerhin hatte er aus dieser Begabung ein profitables Geschäft gemacht.

Und er liebte es zu flirten. Jede Frau kam sich in seiner Gegenwart wie eine ganz besondere Person vor, der Dominic seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Dabei ging es ihm wahrscheinlich gar nicht um Taktik, sondern darum, die Menschen um sich herum glücklich zu sehen.

Meredith seufzte. Es war ihr oft genug schwergefallen, sich Dominics Charme zu entziehen, aber sie wusste, dass es gefährlich war, ihn zu nah an sich heranzulassen.

Dominic lebte in einer Traumwelt, nicht in der Wirklichkeit. Die reale Welt war hässlich und gemein, das sah sie an den Geschichten, die sie immer wieder aufdeckte.

Ihr eigenes Leben war von Pflichtgefühl, Verantwortungsbewusstsein und den hohen Erwartungen ihrer alleinerziehenden Mutter geprägt gewesen. Nur weil sie dort Lehrerin war, durfte Meredith die teure Privatschule besuchen. Ihre Leistungen mussten exzellent sein, denn nur dann konnte sie das Stipendium bekommen, das ihr den Zugang zum College ermöglichte.

Meredith musste sich immer vor Augen halten, dass Dominic Mercados Leben das genaue Gegenteil zu ihren eigenen Werten darstellte. Der Mann war die Versuchung in Person. Sie durfte nie vergessen, dass ihre Welt ganz anders aussah.

Und doch hätte sie ihm nie zugetraut, dass er in derartige Machenschaften verwickelt sein könnte. Menschenhandel. Sie hatte die Unterlagen, die mit der anonymen E-Mail gekommen waren, stundenlang durchforstet. Tatsächlich konnten die Beweise echt sein.

Andererseits … Ob sich jemand an ihm rächen wollte? Oder benutzte jemand das Excess für kriminelle Geschäfte, ohne dass Dominic davon etwas ahnte?

Sie war in den Club gefahren, um Dominic mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Bestimmt gab es eine plausible Erklärung.

Aber als sie ihn dann gesehen und seine spöttischen Worte gehört hatte, war es mit ihr durchgegangen. Er hatte nicht die geringste Spur von Verantwortung gezeigt und stattdessen nur gelangweilt gelächelt. Das brachte sie endgültig auf die Palme.

Trotzdem bereute sie es, dass sie so außer sich geraten war. Was hatte sie sich bei der Ohrfeige nur gedacht?

Natürlich war der Ruf von Dominic Mercado noch nie makellos gewesen. Er hatte die Grenzen des Erlaubten schon immer ausgetestet und viele Regeln gebrochen. Wenn sie an die Party auf dem Schulgelände dachte, zu der Dominic damals alle eingeladen hatte, musste sie jetzt noch grinsen. Alle waren gekommen und hatten wie wild gefeiert. Keiner war ausgegrenzt worden.

Und er war bis zum Schluss geblieben und hatte die Schuld auf sich genommen, als der Direktor mit der Polizei anrückte.

Auch in Vegas war er für seine ausschweifenden Partys und den einen oder anderen Skandal berühmt. Sein Name erschien regelmäßig in den Klatschspalten, Videos von seinen Partys wurden regelmäßig ins Netz gestellt, und die Prominenz gab sich im Excess die Klinke in die Hand. Alle, die etwas auf sich hielten, schauten im Excess vorbei, wenn sie in Las Vegas waren.

Für ihn war das alles nur ein Spiel. Meredith wusste seit Langem, dass er die Regeln dazu in frühester Jugend gelernt hatte, aber es fiel ihr schwer, sein Verhalten zu akzeptieren.

Vielleicht war er jetzt einfach zu weit gegangen und in etwas hineingeraten, das er gar nicht wollte? Man konnte viel über ihn sagen, aber Menschenhandel passte einfach nicht zu Dominic. Bis sie diese ominöse E-Mail bekommen hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass er tatsächlich ein mieses Schwein sein konnte.

Ihr war übel. Sie sollte das wirklich alles nicht so persönlich nehmen. Schließlich hatte sie doch nichts mit Dominic zu tun.

Klar, Annalise war ihre beste Freundin und ein überaus wichtiger Mensch in ihrem Leben. Die Neuigkeit würde sie am Boden zerstören, zumal sie Dominic schon immer angebetet hatte. Und natürlich konnte Meredith alles noch ein paar Tage zurückhalten, aber die Botschaft, die mit der E-Mail kam, war eindeutig: Wenn sie es nicht veröffentlichte, tat es ein anderer.

Für Annalise war Dominic ein Idol. Meredith hatte den Grund dafür nie ganz verstanden, aber sie wusste, dass es so war.

Meredith schüttelte den Kopf. Noch nie war sie derart aus der Haut gefahren, dass sie jemanden geschlagen hatte. So ein Verhalten war einfach völlig inakzeptabel. Dominic selbst schien allerdings davon wenig beeindruckt gewesen zu sein.

Wahrscheinlich hatte er einen Riesenspaß daran, dass er genau wusste, wie sie tickte. Er konnte beliebig die richtigen Knöpfe drücken.

Frustrierend. Aber auch wenn er immer so tat, als sei ihm alles egal, wusste es Meredith besser. Sie hatte erlebt, wie er sich um Annalise kümmerte.

Am wenigsten kam Meredith damit zurecht, dass Dominic sich noch nie um die Konsequenzen seines Verhaltens geschert hatte. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es ihm völlig gleichgültig, was ihn danach erwartete.

Bei ihr war es genau andersherum. Jahrelang war ihr Leben von Angst und Sorgen geprägt gewesen, und auch jetzt hing alles von ihrem guten Ruf ab. Sie konnte es sich nicht leisten, ihren Job zu verlieren, denn es gab weder einen reichen Vater noch eine andere einflussreiche Person in ihrem Leben, die für sie sorgen würde, wenn etwas schiefging.

Seufzend drehte sich Meredith zur Bar um. Ob ein Tequila helfen würde? Nach kurzem Zögern entschied sie sich dagegen. Das Excess war sowieso nicht gerade ihr Lieblingsort, und die laute Musik, die in ihrem Körper vibrierte, verursachte ihr schon jetzt Kopfschmerzen.

Zielstrebig schlängelte sie sich zwischen den vollbesetzten Tischen hindurch, ohne die Leute zu beachten, die dort saßen. Doch bevor sie die Tür erreichte, die nach draußen führte, schloss sich plötzlich eine Hand wie ein Schraubstock um ihren Arm und hinderte sie am Weitergehen.

„Wohin so schnell, schöne Frau?“

Irritiert sah Meredith hoch. Vor ihr stand ein Mann, den sie noch nie gesehen hatte. Er sah gut aus, aber der glasige Blick seiner Augen verriet, dass er viel zu viel getrunken hatte. Rasch musterte sie seinen teuren Anzug, die protzige Uhr und die handgenähten Lederschuhe. Reich und betrunken. Genau deshalb mied sie den Club.

Ungeduldig versuchte Meredith, die Hand des Mannes abzuschütteln, aber sein Griff verstärkte sich nur noch.

„Lassen Sie mich los“, sagte Meredith ruhig, nachdem sie tief Luft geholt hatte.

„Ach komm schon, Süße, ich will mich doch nur ein bisschen unterhalten. Was willst du trinken?“, lallte er, während er sie näher zu sich zog.

Er nutzte sein Gewicht und seine Größe, um sie zu umarmen. Eine Welle von Zorn überkam Meredith, doch sie riss sich zusammen. Um sie herum waren Massen von Leuten, und der Kerl war so betrunken, dass er sowieso kaum etwas mitbekam.

Also musste es anders gehen. Meredith streckte die freie Hand aus, um den Mann an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen und dann abzuhauen, doch so weit kam sie nicht.

Bevor sie loslegen konnte, legte sich ein Arm um ihre Taille. Eine Hand hielt ihre fest, und jemand zog sie an eine breite starke Brust, die Wärme und Männlichkeit ausstrahlte. Dann hörte sie eine bekannte Stimme an ihrem Ohr.

„Wie machst du das bloß?“, lachte Dominic leise. „Man lässt dich fünf Minuten allein, und schon gibt es Ärger.“

Seine Stimme war warm und tief. Meredith spürte, wie sich auf ihrem Hals und den Armen eine Gänsehaut bildete.

„Und Sie“, wandte sich Dominic an den Mann, der vor ihnen stand, „belästigen gefälligst keine Lady in meinem Club, es sei denn, sie möchte es ausdrücklich. Ist das klar?“

Der Mann stammelte eine Entschuldigung, die Dominic ignorierte. Stattdessen beorderte er einen seiner Securityleute zu sich.

„Der Gentleman möchte gehen. Begleiten Sie ihn bitte nach draußen.“

„Aber ich bin mit Freunden hier“, protestierte der Gast. „Wie soll ich nach Hause kommen?“

„Keine Ahnung“, gab Dominic ungerührt zurück. „Mit einem Taxi vielleicht? Oder Sie erklären Ihnen Freunden, warum Sie rausgeschmissen wurden. Ganz wie Sie wollen.“

Der Mann von der Security sah den Gast schweigend an, während der offensichtlich überlegte, ob er sich wehren sollte oder nicht. Schließlich war die Entscheidung gefallen.

Schweigend sahen Meredith und Dominic den beiden Männern nach, die den Club durch die großen Türen am anderen Ende des Raums verließen.

Okay, nun konnte sie gehen.

Doch statt sie endlich loszulassen, verstärkte sich Dominics Griff um die Taille von Meredith, die kaum noch wagte zu atmen. Dieser Moment fühlte sich allerdings so verdammt gut an, dass sie wünschte, er würde nie enden.

Shit, dass hatte ihr gerade noch gefehlt.

Sie war froh, dass sie wenigstens sein Gesicht nicht sehen musste. Vielleicht war er immer noch sauer wegen vorhin … dann wäre er im Recht gewesen. Aber entschuldigen wollte sie sich trotzdem nicht.

Oder aber er hatte seinen berühmten Schlafzimmerblick aufgesetzt, dem sie dann widerstehen müsste.

Wenn sie es nicht tat, würde sie sich dafür hassen, denn sie wusste, dass Dominic diesen Blick so inflationär einsetzte, dass sie höchstens eine Nummer in seiner Sammlung sein würde. Auch wenn sich ein Teil von ihr wünschte, es wäre anders …

In dem Moment drehte er sie zu sich um und sah sie an. Nicht zornig und nicht verführerisch. Sie war enttäuscht. Nichts war von dem Versprechen in seiner Stimme übrig geblieben.

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich.

Meredith schluckte. Wo waren die Enttäuschung und die Wut geblieben, die sie in sich getragen hatte, als sie hierhergekommen war?

„Natürlich. Ich hätte deine Hilfe nicht gebraucht. Schließlich bin ich schon ein großes Mädchen und komme allein zurecht.“

Dominic kniff die Augen zusammen. Seine Kiefer mahlten. Meredith erkannte, dass er seinen Ärger nur mit Mühe verbergen konnte.

„Warum sagst du so etwas Dummes? Du weißt doch am besten, wie verletzlich Frauen sind. Schließlich hast du genügend Storys über sexuelle Übergriffe aufgedeckt, oder?“

Meredith nickte schweigend. Natürlich hatte er recht.

Dominic öffnete den Mund, überlegte es sich dann aber offensichtlich anders. „Leider habe ich keine Zeit, mich weiter mit dir zu unterhalten“, sagte er kopfschüttelnd. „Das war’s für dich heute Abend im Club. Auf Wiedersehen.“

„Wie bitte? Heißt das, du wirfst mich hinaus?“

„Natürlich nicht. Ich kann mich bloß nicht weiter um dich kümmern.“

„Ich brauche keinen Babysitter“, gab Meredith verärgert zurück.

Er hob die Brauen, während er einer auffallend schönen jungen Frau zuwinkte, die ebenfalls die schwarze Kleidung der Security trug.

„Bitte begleiten Sie Miss Forrester zu ihrem Wagen, und warten Sie, bis sie gefahren ist.“

Meredith war sprachlos, was bei ihr nur ganz selten vorkam. Schließlich verdiente sie mit Worten ihren Lebensunterhalt. Nun sah sie sie Dominic zum zweiten Mal an einem Abend nach, wie er in der Menge verschwand.

Am liebsten hätte sie ihrem Ärger deutlich Luft gemacht, aber das nützte niemandem. Am wenigsten der jungen Frau, die nichts dafürkonnte, was ihr Chef angeordnet hatte. Also ließ sie sich nach draußen bringen und stieg in ihren SUV, der auf dem Parkplatz des Clubs stand.

Nachdenklich lehnte sie sich in den weichen Ledersitz. Was sie jetzt tun musste, fiel ihr unendlich schwer. Sie drückte einen Knopf und wies das Telefon an, sie mit ihrer besten Freundin zu verbinden.

Zum Glück konnte sie nur die Mailbox erreichen.

„Annalise, bitte ruf mich zurück. Wir müssen etwas besprechen.“

2. KAPITEL

Dominic fühlte noch immer das Adrenalin durch seinen Körper pulsieren, während er aus dem großen Fenster seines Büros auf die Clubanlage sah, die sich unter ihm erstreckte.

Am liebsten hätte er den Kerl zu Boden geschlagen, der Meredith belästigt hatte, aber es kam nicht gut, wenn der Besitzer des Nachtclubs so eine Szene hinlegte. Dafür hatte man schließlich hochbezahltes Personal. Der Boss war für gute Laune, Shots und Small Talk zuständig.

Dominic ballte die Fäuste. Jahrelang hatte er am Image des Mannes gearbeitet, der seine Gäste unterhielt, immer strahlte und sich von nichts beeindrucken ließ. Ein Teufelskerl.

Aber Meredith in dieser Situation zu sehen, hätte ihn fast die Kontrolle verlieren lassen.

Es war ihm extrem wichtig, dass sich die Gäste in seinem Haus sicher fühlen konnten. Jeder seiner Angestellten hatte ein spezielles Training durchlaufen, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern, dass zum Beispiel Drogen verkauft oder K.o.-Tropfen in Drinks geschmuggelt wurden. Selbstverständlich gehörte sexuelle Belästigung auch dazu.

Schon oft hatte es Situationen wie die von heute gegeben, doch so heftig hatte er noch nie reagiert. Über die Gründe dafür wollte er jetzt lieber nicht nachdenken.

Gedankenverloren blickte er auf die Menschen, die sich unten tummelten. Glitzer, Glamour und Ausgelassenheit. Er hatte einen Ort erschaffen, wo Menschen so sein konnten, wie sie waren, wo sie sich amüsieren und auch neu erfinden konnten. Sich gehen lassen und das Leben in den Facetten auskosten, die er ihnen im Rahmen seines Clubs bot.

Die Realität hatte keinen Platz in seinem Club. Alle Sorgen, schlechten Erfahrungen und Angst vor den Erwartungen anderer blieben vor der Tür. Dominic sorgte dafür, dass jede Nacht eine neue Party stattfand.

Bei ihm gab es eine Fünf-Sterne-Küche, die besten Drinks, die neuesten Trends. Hier durfte sich jeder für ein paar Stunden als Teil der Elite von Las Vegas fühlen.

Jake stellte sich neben ihn. „Es kann losgehen, Boss“, sagte er.

Dominic nickte. Ein paar Sekunden lang verfolgte er noch das Treiben unten auf der Tanzfläche, bevor er sich abwandte. Der Club war das eine, die Realität eine ganz andere Sache.

„Es gibt ein paar Änderungen“, erklärte er.

„Ach ja? Haben die etwas mit dem Abdruck auf deiner Wange zu tun?“

Dominic zwang sich zu einem Lächeln. Es war normal, dass sie sich gegenseitig aufzogen, aber heute war Dominic nicht in der richtigen Laune dafür.

Allerdings sollte Jake das gar nicht merken. Seit Dominic den Club vor acht Jahren eröffnet hatte, kannten sich die beiden Männer und waren im Lauf der Zeit zu guten Freunden geworden. Er, der umtriebige Geschäftsmann, und Jake, der nach seiner Karriere beim Militär einen Job bei der Security suchte. Inzwischen leitete er die gesamte Security für die Clubs, die Dominic besaß.

Vegas war Jakes Heimatort, und als Dominic ihn gefragt hatte, ob er bei seinem Projekt zum Schutz bedrohter Frauen mitmachen wollte, hatte er keine Sekunde gezögert.

Obwohl die Mauern zum ersten Stock dick waren, konnte Dominic immer noch von unten die Beats der Musik hören und den Rhythmus unter seinen Fußsohlen spüren. Das Leben ging eben immer weiter, ganz egal, mit welchen Schwierigkeiten man gerade zu kämpfen hatte.

Heute Nacht würden sie sich um Tessa kümmern und dafür sorgen, dass sie in Sicherheit gebracht wurde. Morgen war immer noch Zeit genug, sich um den Mist zu kümmern, der bald auf ihn zukommen würde.

„Aber das besprechen wir später“, fuhr Dominic fort. „Jetzt geht es um Tessa. Du musst sie heute begleiten.“

Normalerweise übernahm Dominic diese Aufgabe, weil die Frauen ihn kannten und ihm vertrauten, aber zum Glück hatte Jake an den Besprechungen mit Tessa einige Male teilgenommen. So würde sie es nicht mit einem völlig Fremden zu tun haben.

„Ist das klug?“

„Wir haben keine Wahl, Jake.“

Dominic hatte sofort nach seiner Begegnung mit Meredith seinen besten Hacker, Joker, auf ihren Computer angesetzt und herausgefunden, dass irgendjemand Dominic genau beobachtete. Er konnte es sich also nicht leisten, in irgendeiner Weise auffällig zu werden.

„Tessa kommt in ein paar Stunden“, sagte Dominic.

„Alles klar. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bringe sie in Sicherheit.“

Dominic betete, dass es so sein würde. Tessa war mehr als nur eine Frau, die geschlagen wurde. Sie war eine alte Freundin von Meredith und Annalise, mit denen sie viele Jahre zur Schule gegangen war.

Es war wirklich der denkbar schlechteste Zeitpunkt für sie, jetzt zu verschwinden, falls man sie irgendwie mit ihm und Excess in Verbindung bringen konnte.

Aber das war nicht mehr zu ändern. Seit Monaten versuchte er sie davon zu überzeugen, dass sie ihren Mann Ben verlassen musste. Und vor fünf Tagen hatte sie sich endlich dazu durchgerungen.

Plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Nichts war von seiner Energie übrig geblieben, die er vorhin noch in sich gespürt hatte.

Dabei hatte er so viel zu tun. Er musste Papiere durchsehen, Dokumente unterschreiben, sich um Bestellungen für seine Clubs kümmern. Lauter Dinge, die er sonst nebenbei erledigte. Aber heute brachte er kaum die Energie auf, sich auch nur um eine dieser Kleinigkeiten zu kümmern.

Wieder und wieder sah er Meredith vor sich, die in ihrem silbernen Kleid atemberaubend schön gewesen war. Das Kleid war einfach der Wahnsinn gewesen. Normalerweise trug sie so etwas gar nicht, auch wenn er sie natürlich schon öfter im Abendkleid gesehen hatte.

Eine Erinnerung, die er lange verdrängt hatte, stieg mit einem Mal in ihm hoch. Es war im letzten Schuljahr seiner Schwester. Ein Ball war in der Schule geplant, und einige Mädchen waren zu ihnen nach Hause gekommen, um sich gemeinsam für den Tanzabend herzurichten. Sie kicherten und schwatzten, während er versuchte, für eine wichtige Prüfung zu lernen. Schließlich hatte er es nicht mehr ausgehalten und war auf der Suche nach einem ruhigen Ort auf die Terrasse gegangen.

Vor ihm erstreckten sich die endlosen Ländereien seines Vaters, und er atmete tief die Luft der kühlen Wüstennacht ein. In jenem Moment hatte er gewusst, dass er eines Tages etwas Eigenes haben wollte, dass er seinen Weg finden musste. Er war aufs College gegangen, weil man es von ihm erwartet hatte, und er war ein guter Schüler. Aber er hasste dieses Leben.

Ein leises Geräusch schreckte ihn aus seinen Gedanken. Und da sah er sie. Sie stand nicht weit von ihm entfernt und schaute in die Ferne. Die Arme hatte sie eng um den Körper geschlungen, aber nicht, weil ihr kalt war. Meredith Forrester war sichtbar unglücklich.

Wäre er seinem Instinkt gefolgt, dann hätte er das Mädchen, das ihn schon so lange faszinierte, in die Arme genommen und getröstet.

Aber das hätte sie nicht gewollt. Nicht von ihm.

Also blieb er stehen, wo er war.

„Wieso bist du nicht bei den anderen?“

Als sie herumfuhr und ihn anstarrte, sah er die Furcht in ihren Augen.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte er.

„Hast du nicht“, erwiderte sie und presste die Lippen zusammen.

Das war eine glatte Lüge, für die er sie normalerweise so lange geneckt hätte, bis sie rot wurde und ihre Augen Funken sprühten. So war es sonst immer. Aber heute sah sie irgendwie … zerbrechlich aus.

Spätestens jetzt hätte er sie in Ruhe lassen und gehen sollen, doch stattdessen kam er noch einen Schritt näher, bis er den Duft von Vanille riechen konnte, den ihre Haut verströmte.

Meredith schlang die Arme noch enger um den Körper und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere.

„Was ist los?“

„Nichts.“

„Wir wissen beide, dass du lügst. Nun sag schon.“

Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an. Eine Träne löste sich von ihren Wimpern und lief über ihr Gesicht. Dominic zerriss es das Herz bei dem Anblick.

Wenn er den erwischte, der ihr das angetan hatte, würde er zum Tier werden.

„Mein Tanzpartner hat eben abgesagt“, flüsterte sie und sah in den Himmel. „In der allerletzten Minute. Es ist eigentlich egal. Er bedeutet mir nichts. Ich sollte mich nicht so dumm benehmen.“

„Aber es tut trotzdem weh“, stellte er fest.

„Ja, vor allem, weil die anderen die ganze Zeit darüber reden, wie sie dann irgendwann mit ihren Kerlen verschwinden wollen, um auf dem Rücksitz ihrer Autos Sex zu haben …“ Sie schüttelte den Kopf.

Da war es mit Dominic durchgegangen. Er wusste genau, dass er sich falsch verhielt, aber das, was er seit Jahren wollte, war plötzlich greifbar geworden. Also nutzte er seine Chance.

Er zog Meredith an sich und suchte mit den Lippen ihren Mund. Doch was als tröstender Kuss gedacht war, wurde innerhalb von Sekunden zu einem brennenden Verlangen, das er nicht mehr kontrollieren konnte. Und statt ihr zu zeigen, dass sie attraktiv und begehrenswert war, verhielt er sich wie ein egoistischer Macho.

Die einzige Entschuldigung für sein unmögliches Benehmen war, dass er noch nie so gefühlt hatte. Wie ein Ertrinkender ohne einen Schluck Wasser weit und breit. So ging es ihm, als er sie berührte. Er war verloren, ohne Orientierung und atemlos. Nichts spielte mehr eine Rolle als der Geschmack ihrer Haut und der Duft, den sie verströmte. Gleichzeitig fühlte er sich dort angekommen, wo er hingehörte.

Als Meredith ihn heftig von sich stieß, stolperte er verwirrt einige Schritte zurück.

„Was soll das?“ Zornig starrte sie ihn an.

Er ließ sich nicht anmerken, wie verletzt er war. Im Gegenteil. Sein sorgfältig einstudiertes Lächeln verbarg seine Gefühle, sodass er mit einem Schulterzucken über die Situation hinweggehen konnte.

„Na was wohl. Ich wollte dich trösten, Süße, das ist alles. Und falls du Lust hast, können wir gerne auf den Rücksitz von unserem SUV zurückkommen.“ Er grinste breit. „Mit mir würdest du sowieso mehr Spaß haben. Ich weiß nämlich, wie es geht.“

Meredith schenkte sich eine Antwort. Sie drehte sich wortlos um und ging davon. Seit damals hatte sich an ihrer Abneigung gegen Dominic anscheinend nichts geändert.

An jenen Tag hatte er jahrelang nicht gedacht. Dennoch brannten seine Lippen, als würde er immer noch den Kuss von damals spüren.

Jetzt erst merkte Dominic, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Es war höchste Zeit, sich abzulenken. Am besten mit Arbeit. Viel Arbeit.

Aber er hatte sich kaum an den Schreibtisch gesetzt, als sein Handy vibrierte. Ein Blick auf das Display bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Der Anruf kam von seiner Schwester.

Diese verdammte Meredith.

Wie blind starrte Meredith auf den blinkenden Cursor, der darauf wartete, in Bewegung gesetzt zu werden. Durch ihren Kopf jagten Hunderte von Wörtern, aber sie konnte sich nicht dazu entschließen, auch nur eins davon niederzuschreiben.

Dieser verdammte Dominic.

Sie rief eine andere Seite auf und las sich die Unterlagen über verschwundene Frauen durch, die man ihr geschickt hatte. Keiner der Berichte hatte in den Medien zu Aufsehen geführt. Es war erschreckend zu erkennen, wie wenig Interesse an diesem Thema bestand. Manchmal schämte sie sich, Teil dieses Systems zu sein.

Wer auch immer ihr die Sachen geschickt hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Es gab jede Menge Bilder von Überwachungskameras, die belegten, dass die Frauen in den Tagen und Wochen vor ihrem Verschwinden regelmäßig im Excess gewesen waren.

Das allein war allerdings noch kein Beweis dafür, dass Dominic in die Sache verwickelt war. Immerhin war es möglich, dass jemand den Club benutzte, um potenzielle Oper zu finden. Einsame oder abenteuerlustige Frauen ließen sich hier problemlos abschleppen.

Wenn es denn so einfach gewesen wäre. Nein, Meredith hatte noch mehr Informationen bekommen. Fotos, auf denen zu sehen war, wie Dominic mit einigen der Frauen in ein schickes schwarzes Auto stieg.

Meredith fühlte die Eifersucht wie einen Stachel in sich. Ob er mit ihnen geschlafen hatte?

Rasch verdrängt sie den Gedanken wieder. Es war nicht Dominics Art, sich mehr als ein- oder zweimal mit derselben Frau zu treffen, und diese hier waren oft im Club aufgetaucht. Sie sollte wirklich einen kühlen Kopf bewahren, statt sich wie ein dummer Teenager auf die Fantasien zu konzentrieren, die sie seit Jahren nicht aus dem Kopf bekam.

Meredith stützte den Kopf in die Hände. Was genau hielt sie eigentlich davon ab, sich wie sonst in die Recherchen zu stürzen? Da war natürlich Annalise, die furchtbar leiden würde, wenn man den Namen ihres Bruders durch den Schmutz ziehen würde. Doch wenn Meredith ehrlich war, steckte noch etwas anderes hinter ihrem Zögern.

Sie wollte einfach nicht glauben, dass Dominic in solche Machenschaften verstrickt war, auch wenn die Dokumente direkt vor ihr lagen. Und das war überhaupt das Problem mit diesem Mann. Während ihr Kopf in seiner Nähe ständig Alarmzeichen sendete, sprach ihr Herz eine andere Sprache. Ganz zu schweigen von ihrem Körper, der nichts anderes wollte, als Dominic zu umarmen und ihn zu küssen, bis er keine Luft mehr bekam.

Vielleicht sollte sie das tun? Und wenn sie sich damit nur beweisen konnte, dass der Kuss von damals lediglich in ihrer Erinnerung so unglaublich gewesen war.

Genau. Das war die Lösung.

Aber erst einmal musste sie etwas finden, um zu beweisen, dass sie recht hatte.

Bis jetzt war Dominic offensichtlich noch nicht den Behörden ins Visier geraten. Warum hatte jemand die ganzen Beweise an sie geschickt statt an die Polizei? Sie war doch nur eine Reporterin.

Irgendetwas war hier faul.

Vielleicht ging es um einen persönlichen Rachefeldzug gegen Dominic, und man verwickelte sie in die Angelegenheit, weil ihre Beziehungen zu Annalises Familie bekannt waren?

Ob jemand hoffte, Dominic in der Öffentlichkeit kompromittieren zu können, bevor die Polizei mit der Sache zu tun bekam? Um dafür zu sorgen, dass die Medien ihn fertigmachen würden?

Eine persönliche Feindschaft konnte man nicht ausschließen.

Sie musste jemanden finden, der sich die Fotos näher anschauen würde, um herauszufinden, ob sie echt waren. Oder jemanden, der Zugang zu den entsprechenden technischen Möglichkeiten hatte. Ein IT-Spezialist.

Annalise war die Managerin von Magnifique, dem Casino der Familie, und ihre Security hatte Zugang zu Technologien, von denen die CIA nur träumen konnte.

Bis jetzt hatte sich Annalise leider noch nicht bei Meredith gemeldet. Wahrscheinlich hatte sie heute Abend jede Menge zu tun.

Obwohl es schon nach Mitternacht war, griff Meredith, ohne zu zögern, nach dem Handy und gab die Nummer ihrer besten Freundin noch einmal ein. Diesmal war sie gleich am Apparat.

„Du bist aber heute lange auf“, sagte Annalise überrascht.

Es stimmte. Während Annalise oft nachts arbeitete, ging Meredith lieber etwas früher zu Bett. Nach Mitternacht war sie gewöhnlich längst schlafen gegangen. Aber heute, nach dem Zusammentreffen mit Dominic und mit den vielen Gedanken, die ihr im Kopf herumspukten, würde sie keine Ruhe finden.

„Ja, ich weiß. Hör mal, ich brauche deine Hilfe.“

Annalise antwortete nicht sofort. Entweder war sie so überrascht über die Bitte ihrer Freundin oder durch irgendetwas abgelenkt.

„Okay, worum geht es?“, fragte sie schließlich.

„Ich muss ein paar Fotos untersuchen lassen, die vielleicht gefälscht sind. Da dachte ich, dass deine Leute mir vielleicht helfen könnten.“

„Unbedingt. Geht es um eine brisante Story?“

Meredith holte tief Luft. Es half nichts, Annalise musste die Wahrheit kennen, auch wenn Meredith dadurch genau in die Schusslinie zwischen Schwester und Bruder geriet.

„Ja. Ich erzähle dir alles, wenn ich komme.“

Diese Unterhaltung würde sie besser nicht am Telefon führen.

3. KAPITEL

Die Nacht nahm einfach kein Ende. Lange stand Dominic an der Glasscheibe in seinem Büro und sah auf die zuckenden Körper unten auf der Tanzfläche.

Endlich vibrierte das Handy, das hinter ihm auf dem Schreibtisch lag. Auf diesen Anruf hatte Dominic gewartet. Es war Gray Lockwood.

„Es gibt also ein Problem, Boss?“

Kein Austausch von Nettigkeiten, keine überflüssigen Floskeln. Gray kam immer sofort auf den Punkt. Wie Dominic, der das überaus schätzte.

„Ja, allerdings.“

„Was genau ist los?“

Offensichtlich hatte Joker seinem Partner einiges erzählt, aber für die Einzelheiten war natürlich Dominic zuständig.

„Man hat einer Reporterin Material zugespielt, in dem das Excess mit dem Verschwinden von fünf Frauen in den letzten anderthalb Jahren in Verbindung gebracht wird.“

Eine Flut von Schimpfwörtern und Flüchen ergoss sich durch die Leitung.

„Du hast vollkommen recht“, meinte Dominic trocken.

„Wie stehen unsere Chancen, das zu regeln?“, fragte Gray.

Die Frage war berechtigt. Normalerweise suchte man nach der leichtesten Lösung, und wenn es sich nicht gerade um Meredith Forrester handeln würde, wäre das eine echte Option. Doch da er die beste Freundin seiner Schwester ziemlich gut kannte, war da leider nichts zu machen.

Dominic schüttelte den Kopf. Bei Meredith gab es kein Entkommen.

„Null. Diese Frau ist weder an Geld noch an sonst etwas interessiert.“

„Und wenn wir sie einweihen?“

Auch daran hatte Dominic schon gedacht. Es hätte ihnen viel nützen können, jemanden wie Meredith an ihrer Seite zu haben, aber er fand es einfach zu gefährlich.

„Nein. Das geht nicht.“ Er war Gray keine Erklärung schuldig. „Sie darf nichts wissen.“

Gray erwiderte nichts. Hier hatte Dominic das Sagen.

„Vielleicht könnten wir es ihr ein bisschen schwer machen, sodass sie die Sache fallen lässt?“

„Das wird nicht funktionieren. Wenn es um gute Storys geht, ist sie wie ein Terrier. Sie lässt nicht los. In dieser Hinsicht hat sie einen ziemlich eindeutigen Ruf. Und sie ist furchtlos.“

„Wir könnten es doch zumindest probieren“, wandte Gray ein.

Dominic zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, wenn es dich glücklich macht. Ich glaube aber nicht, dass es klappt.“

„Irgendwie scheint es mir, dass diese Sache ziemlich persönlich ist, oder?“

„Na ja, sie ist die beste Freundin meiner kleinen Schwester. Ich kenne sie, seit ich fünfzehn war.“

„Und sie mochte dich nie, richtig?“

Dominic grunzte. „Die beiden sind seit vielen Jahren wie eineiige Zwillinge. Da war für mich nicht viel Platz.“ Er schwieg einen Moment und dachte wieder an jene Nacht, als Meredith ihn mit angsterfülltem Gesicht und voller Abscheu von sich gestoßen hatte. „Sagen wir mal, sie hat keine besonders gute Meinung von mir.“

„Tja, du hast es wohl verpasst, sie rechtzeitig zu verführen“, meinte Gray lachend. „Frauen haben ein Faible für den ersten Mann in ihrem Leben.“

„Ach, halt die Klappe“, gab Dominic zurück. Gray hatte eindeutig einen wunden Punkt getroffen.

„Bingo.“ Jetzt schüttelte sich Gray vor Lachen.

„Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst“, erwiderte Dominic frostig.

„Na schön, lassen wir das. Was ist denn mit deiner Schwester? Könnte die ihre Freundin nicht überreden, die Sache fallen zu lassen?“

Dominic wollte Annalise nicht in seine Angelegenheiten hineinziehen. Als vorhin sein Telefon geklingelt hatte, war er zwar davon überzeugt gewesen, dass Meredith schon mit Annalise gesprochen hatte, aber das war ein Irrtum gewesen. Annalise hatte wegen ihres Vaters angerufen.

Wenn er ihr von dem Artikel erzählte, würde er sie auch über seine geheimen Aktivitäten aufklären müssen.

„Wahrscheinlich nicht. Sie weiß, wie wichtig Meredith ihre Prinzipien sind, und respektiert das. Am liebsten möchte ich Annalise aus allem heraushalten, solange es geht.“

„Dann müssen wir noch mal mit Miss Forrester sprechen“, sagte Gray entschieden. „Wir rufen sie an. Mal sehen, ob uns das weiterbringt. Wir kriegen das schon hin. Mach dir keine Sorgen, Dominic.“

Das war leicht gesagt. Wahrscheinlich würde Meredith nach dem Telefonanruf von Gray wieder hier in seinem Büro auftauchen. Gray war weit weg in South Carolina, während sich in Vegas eine Katastrophe anbahnte.

„Das hatten wir doch immer mit eingeplant“, fuhr Gray fort. „Es musste eines Tages passieren. Und daher wissen wir, was wir zu tun haben.“

Das stimmte, doch sie hatten nie damit gerechnet, dass man bei allen Frauen die Verbindung zu Excess herstellen würde. Hätte die Polizei das Verschwinden einer einzelnen Frau untersucht, wäre das kein Problem gewesen. Darauf waren sie vorbereitet.

„Vertrau mir, Dominic.“

Das war nicht das Problem. Dominic vertraute jedem aus dem Team von Stone Surveillance. Außerdem hatte er sowieso keine andere Wahl.

„Klar. Halt mich auf dem Laufenden.“

Als das Telefon im Auto klingelte, warf Meredith einen raschen Blick auf die Anzeige. Unbekannter Anrufer.

Normalerweise nahm sie solche Anrufe nicht an, aber in dieser Situation …

„Hallo?“

„Spreche ich mit Meredith Forrester?“, fragte eine männliche Stimme.

„Ja. Worum geht es denn?“

„Hier ist Anderson Stone.“

Um ein Haar wäre Merediths Wagen auf der Gegenfahrbahn gelandet, so einen Schlenker machte sie vor Schreck. Natürlich wusste sie genau, mit wem sie da gerade sprach. Jeder kannte Anderson Stone. Vor Jahren war er wegen des Mordes am Sohn einer reichen Familie aus dem Süden ins Gefängnis gegangen, jedoch nach kurzer Zeit wieder freigekommen. Es hatte sich herausgestellt, dass er seine Jugendfreundin beschützt hatte, nachdem sie vergewaltigt worden war.

Die Story hatte die ganze Nation bewegt, zumal die beteiligten Familien reich und mächtig waren. So wie Stone selbst. Inzwischen hatte er sein eigenes Unternehmen und saß im Vorstand von Anderson Steel.

Was wollte er von ihr?

„Was kann ich für Sie tun, Mr. Stone?“

„Ich möchte mit Ihnen über Dominic Mercado sprechen.“

„Was ist mit ihm?“

„Sie machen einen Fehler, Miss Forrester.“

Kopfschüttelnd fuhr Meredith an den Straßenrand und hielt an. Sie würde ihre ganze Konzentration für das Telefongespräch brauchen.

„Wie bitte?“

„Manchmal sehen die Dinge anders aus, als sie sind, Miss Forrester. Ich weiß, dass die Dokumente, die man Ihnen geschickt hat, Dominic Mercado zu belasten scheinen.“

„Wieso scheinen?“

Offenbar hatte Dominic seinen mächtigen Freund zu Hilfe gerufen in der Hoffnung, Meredith würde die Sache dann fallen lassen. Typisch. Sie hätte es wissen müssen. Dennoch fühlte sie sich maßlos enttäuscht.

Aber er hatte sich getäuscht. So eine brisante Geschichte, die möglicherweise ernste Konsequenzen nach sich ziehen würde, würde Meredith nicht einfach ignorieren.

Gerade als sie das sagen wollte, fiel ihr ein, dass sie Dominic gegenüber überhaupt keine Einzelheiten wie beispielsweise Fotos erwähnt hatte.

„Woher wissen Sie, dass ich Fotos erhalten habe?“, fragte sie irritiert.

Stone lachte leise. „Sagen wir mal, für mich arbeiten nur die besten Leute.“

„Sie haben sich in meinen Computer gehackt?“, sagte Meredith ungläubig.

„Das habe ich nicht gesagt.“

Natürlich war es so. Eine andere Erklärung gab es nicht.

„Tun Sie das nie wieder, und sagen Sie Mr. Mercado, dass er mich in Ruhe lassen soll.“

„Wirklich? Ich dachte, Sie beide sind alte Freunde.“

Die Art, wie er es sagte, brachte Meredith in Rage.

„Keine Ahnung, was er Ihnen erzählt hat, aber diese Art von Freunden sind wir nicht.“

Stone lachte wieder. „Sie sind doch zu ihm gegangen und haben ihn geohrfeigt. Also ist es Ihnen nicht egal, was er tut. Und eigentlich wollen Sie die Story gar nicht schreiben.“

Meredith war sprachlos. Sie fühlte sich in die Ecke gedrängt und wusste nicht, was sie dem Mann entgegenhalten sollte. Es kam ihr vor, als hätte Anderson Stone alle Trümpfe in der Hand und sie gar keine. Zu allem Überfluss hatte er auch noch recht. Sie wollte die Geschichte nicht schreiben.

„Das wird mich aber nicht davon abhalten, es zu tun“, erklärte sie so ruhig wie möglich.

„Ja, das hat Dominic auch gesagt.“

Meredith dachte fieberhaft nach. Sie war doch sonst immer hervorragend in ihrem Job. Warum kam sie nicht endlich in die Gänge? Es musste einen triftigen Grund dafür geben, dass Anderson Stone mitten in der Nacht bei ihr anrief und ihr all das erzählte. Quasi als Warnung. Also lag hier die einmalige Chance, mehr zu erfahren. Sie musste es nur richtig anstellen.

„Da Sie ja offenbar wissen, was man mir geschickt hat, können Sie auch einschätzen, wie explosiv die Informationen sind“, meinte sie.

„Und deshalb haben Sie bisher auch noch kein Wort darüber geschrieben?“, meinte Stone. „Weil so viel Sprengstoff darin liegt?“

Natürlich wusste er das auch, wenn sie Zugang zu ihrem Computer hatten. Verdammt.

„Nein, das liegt einfach daran, dass ich als gute Journalistin gewohnt bin, meine eigenen gründlichen Recherchen durchzuführen, bevor ich derart schwerwiegende Anschuldigungen gegen einen Menschen in die Welt setze.“

„Oh, das ist ja etwas ganz Neues“, höhnte Stone. „Die Medienvertreter, mit denen ich bisher zu tun hatte, haben keinen großen Wert auf solche Feinheiten gelegt.“

„Ich tue das aber. In meinem Job trage ich eine Verantwortung. Und die nehme ich sehr ernst.“

„Um so besser. Dann vergessen Sie jetzt einfach, was man Ihnen zugeschickt hat.“ Stone hatte jetzt den Ton eines Mannes, der es gewohnt war, dass man seinen Anordnungen folgte.

Aber sie war nicht eine von seinen Angestellten.

„Das werde ich sicher nicht tun.“

Stone seufzte. „Dominic kennt Sie wirklich sehr gut. Hören Sie, ich kann Ihnen versprechen, dass die Dinge ganz anders liegen, als Sie denken.“

„Aha. Und darauf soll ich mich jetzt verlassen? Ich kenne Sie ja nicht einmal persönlich.“

„Aber den Unterlagen, die Ihnen jemand zugespielt hat, vertrauen Sie einfach so?“

„Ich habe doch schon gesagt, dass ich sie genau prüfen werde“, erklärte Meredith erschöpft. „Aber Sie müssen zugeben, dass die Beweislast ziemlich erdrückend ist. Und Sie haben mir bisher nichts Konkretes angeboten.“

„Das kann ich nicht.“

„Dann ist diese Unterhaltung jetzt beendet.“

„Miss Forrester, ich habe den Eindruck, dass Sie sehr viel Wert auf Ehrlichkeit legen. Ihr Ziel ist es, die wirklich Schuldigen zu überführen. Stimmt das?“

„Ja“, erwiderte Meredith zögernd. Worauf wollte er hinaus?

„Dann hören Sie mir gut zu. Wenn Sie die Verbindung der verschwundenen Frauen zu Dominic und dem Club öffentlich machen, werden Sie sehr viele Menschen in Gefahr bringen.“

Er klang so aufrichtig, dass Meredith erschrak.

„Was meinen Sie damit, Mr. Stone? Können Sie nicht genauer werden?“

„Leider nicht. Aber glauben Sie mir, Sie werden Menschenleben zerstören, wenn Sie bei Ihrem Standpunkt bleiben. Abgesehen davon, dass Dominic und seine Familie in große Schwierigkeiten geraten werden. Natürlich verstehe ich, dass Sie kriminelle Machenschaften aufdecken wollen.“

„Ich will den Frauen helfen, die verschwunden sind“, gab Meredith zurück. „Anscheinend macht sich keiner über ihr Schicksal Gedanken.“

„Da täuschen Sie sich gewaltig. Wissen Sie eigentlich, dass ich Teilhaber von Stone Surveillance bin, einem Ermittlungsunternehmen, das seinen Sitz in Charleston hat?“

„Nein. Müsste ich?“

„Natürlich nicht. Ich will damit nur sagen, dass sich nicht nur die Polizei für vermisste Personen interessiert.“

„Sie wollen mir weismachen, dass sich ein Unternehmen unten im Süden für vermisste Frauen in Las Vegas interessiert?“

„Und wenn es so wäre?“

„Dann würde ich sagen, Sie machen Ihre Sache ziemlich schlecht, wenn man bedenkt, dass keiner etwas über den Verbleib der Frauen weiß. Und dass das Ganze ziemlich nach Kumpanei mit Ihrem Freund Dominic klingt.“

Wieder lachte Gray. „Er hat mich gewarnt. Er sagte, Sie seien dickköpfig, geradlinig wie ein Pfeil und unbelehrbar.“

Das hatte Dominic gesagt? Meredith runzelte die Stirn.

„Vielleicht hätten Sie auf ihn hören sollen.“

„Ach wissen Sie, ich dachte, ich probiere es wenigstens mal. Aber jetzt will ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Denken Sie einfach über das nach, was ich Ihnen gesagt habe. Und denken Sie vor allem über die Konsequenzen nach, die Ihr Handeln für alle haben wird.“

„Ich fürchte, Sie können mich nicht überzeugen“, bemerkte Meredith.

„Wie Sie wollen“, grunzte Stone. Dann brach die Verbindung ab.

Mehrere Minuten saß Meredith regungslos in ihrem Wagen und starrte auf ihr Handy. Alles, was Anderson gesagt hatte, ging ihr durch den Kopf, doch sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Natürlich hatte er sie angerufen, um sie zu verunsichern und ihre Entscheidungen zu beeinflussen. Es war in ihrer Karriere nicht das erste Mal, dass jemand so etwas versucht hatte, nur, dass es sich diesmal anders anfühlte. Irgendwie persönlicher.

Wahrscheinlich lag es daran, dass Dominic beteiligt war. Was er selbst nicht geschafft hatte, versuchte er über andere zu erreichen.

Es gab kaum etwas, das Meredith mehr verabscheute. Menschen, die ihre Macht und ihren Einfluss dafür einsetzten, andere zu manipulieren. Und die glaubten, dass alle nach ihrer Pfeife tanzen würden, nur weil sie genügend Geld hatten.

Eigentlich hatte sie Dominic anders eingeschätzt, aber nun wurde sie eines Besseren belehrt.

Noch eine Enttäuschung.

Doch das Ganze hatte auch etwas Gutes. Sie war mehr denn je entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

4. KAPITEL

„Wie bitte? Was erzählst du denn da?“

Der Ärger in Annalises Stimme war nicht zu überhören.

Meredith hob die Schultern. Sie konnte verstehen, dass ihre Freundin fassungslos war, hoffte aber, dass der Ärger nicht an ihr abgelassen würde.

„Ich weiß, dass das schwer zu verdauen ist.“

„Meredith, wir sprechen über Dominic. Natürlich ist er flatterhaft und liebt Frauen. Aber das ist doch eine andere Geschichte. Glaubst du im Ernst, dass Dominic Frauen entführen müsste, um sie sich gefügig zu machen? Er braucht doch nur sein berühmtes Lächeln aufzusetzen, damit ihm jede zu Füßen liegt.“

Das saß. Aber natürlich hatte Annalise recht. Dominic musste nur mit dem kleinen Finger winken, um die Frauen in sein Bett zu kriegen.

Meredith hatte das Schauspiel mehr als einmal erlebt.

„Es muss eine andere Erklärung geben“, sagte Annalise. „Was brauchst du von mir? Einen IT-Spezialisten?“

„Genau. Ich muss wissen, ob die Fotos manipuliert worden sind. Hast du jemanden, der das feststellen kann?“

„Natürlich.“ Annalise drehte sich um, schnappte sich das Telefon auf ihrem Schreibtisch und wartete einen Augenblick.

„Schick mir Mav rüber. Ich habe einen speziellen Auftrag, für den ich ihn brauche.“

Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Atem ging schwer.

„Das kann doch alles nicht wahr sein, Meredith“, sagte sie schließlich. Dabei sah sie unendlich traurig aus.

Natürlich nicht, hätte Meredith gern gesagt. Sie wusste, dass Dominic für seine Schwester der Fels in der Brandung war. Ihr Beschützer. Er war der ältere Bruder, der sich um alles kümmerte, immer da war und bei jedem Event eine Rede hielt.

Manchmal hatte Meredith das alles nicht richtig verstanden. Wieso stellte Dominic seine eigenen Bedürfnisse immer hinter die seiner Schwester? Das war doch nicht die Haltung, die er normalerweise an den Tag legte. Sie fand das sehr verwirrend. Zu oft hatte sie erlebt, wie Dominic anscheinend gleichgültig Menschen aus seinem Leben entlassen hatte.

Der Mann konnte wirklich sehr frustrierend sein.

Wie gern hätte Meredith ihrer Freundin gesagt, dass alles gut werden würde, aber das brachte sie nicht fertig. Einige Stunden später war sie sehr froh, ihrem Impuls nicht nachgegeben zu haben.

„Es tut mir leid, Madam“, sagte der Mann, der am Computer vor ihnen saß. „Die Fotos sind alle echt.“

„Sicher?“ Die Stimme von Annalise zitterte.

„Absolut.“

„Ich bringe ihn um“, sagte Annalise, rannte ein paar Schritte hin und her, stürmte dann zur Kommode und wühlte in einer Schublade nach ihrer Handtasche. Wütend riss sie sie heraus.

Bevor Meredith überhaupt reagieren konnte, war ihre Freundin schon an der Tür.

„Wo willst du denn hin?“

„Meinen Bruder fertigmachen.“

Das war vermutlich keine gute Idee. Andererseits sollte sich Meredith wirklich heraushalten und die Geschwister das untereinander klären lassen. Wenn sie sich nur nicht so verantwortlich gefühlt hätte.

Ein Teil von ihr hoffte außerdem, dass Dominic sich vielleicht zu einer Erklärung durchringen würde, wenn er Annalises Wut und Enttäuschung erleben würde.

Dominic schaute durch die schalldichten Fenster auf die Partygänger, die sich lautlos unter ihm auf der Tanzfläche bewegten und im Schein der zuckenden Lichter ausgelassen feierten.

„Wir sind so weit, Dominic.“

Dominic drehte sich zu Jake um, der hinter ihn getreten war.

„Sie ist also bereit?“

Jake nickte. „Ich bin froh, dass du ihr trotz der Situation noch helfen willst. Viele andere würden lieber ihre eigene Haut retten.“

Dominic zuckte mit den Schultern. „Ich komme schon klar. Aber Tessa nicht. Das nächste Mal hätte ihr der Kerl vielleicht nicht nur ein paar Rippen und das Handgelenk gebrochen.“

Er wusste, dass jetzt gleich die Erinnerungen kommen würden, und wappnete sich dagegen. Es hatte keinen Sinn, ihnen entgehen zu wollen. Er konnte sie nur kommen und über sich ergehen lassen, bis sie wieder verblassten.

Jakes Stimme unterbrach seine Gedanken. „Sie möchte dich sehen, bevor wir fahren.“

Dominic öffnete die Tür zum Hinterhof, wo die schwarze Limousine mit laufendem Motor wartete. Geschmeidig glitt er auf den Hintersitz.

„Wie fühlst du dich?“, fragte er die zierliche blonde Frau, die neben ihm saß.

„Ich bin okay“, antwortete sie und deutete ein Lächeln an. Sie war hübsch, und in einem anderen Leben hätte er sich vielleicht für sie interessiert.

Dominic nahm ihre Hand. „Ich verspreche, dass er dich niemals finden wird.“

„Das kannst du nicht“, widersprach sie. „Ben ist wahnsinnig einflussreich und hat beste Verbindungen auf der ganzen Welt. Für ihn bin ich ein kostbarer Gegenstand, den er gekauft hat, wie seine Häuser und Autos.“

Dominic schüttelte den Kopf. „Und wir haben viele einflussreiche Männer, die auf dich achtgeben. Ben wird dich niemals finden.“

Tessas Hände waren eiskalt. Sie zitterte am ganzen Leib. Dominic wusste, dass er nichts gegen ihre Angst tun konnte. Nur die Zeit konnte ihr helfen.

Ein Schlag auf das Autodach ließ Tessa zusammenzucken.

„Es ist so weit, ihr müsst los.“ Er zog Tessa in die Arme und drückte sie fest. Sie fühlte sich so unglaublich zerbrechlich an.

„Und glaub mir, du wirst in Sicherheit sein.“

„Danke. Danke für alles“, flüsterte Tessa, bevor sie ihn losließ.

Dominic stieg aus, checkte noch einmal alle Punkte zusammen mit Jake und ging wieder in den Club, während sich der Wagen entfernte. Er drehte sich nicht noch einmal um.

Sein Team würde ihm Bescheid sagen, wenn Tessa die erste Station der Reise erreicht hatten. Nach einem weiteren Tag würden sie am Ziel sein. Dann erhielt Tessa eine völlig neue Identität, die Joker für sie vorbereitet hatte.

Während Dominic durch die dunklen Flure der Geschäftsräume ging, pfiff er leise vor sich hin. Er war stolz auf das, was er erreicht hatte, vor allem, weil er sich alles allein und ohne die Hilfe seines Vaters aufgebaut hatte.

In seinem Büro stellte er sich wieder ans Fenster und sah auf sein kleines Imperium hinunter.

Eigentlich müsste er sich jetzt unter die Gäste mischen und seinen Angestellten zeigen, dass er da war, aber er konnte sich nicht dazu durchringen. Dabei wäre es gerade heute gut gewesen, sich zu zeigen. Vielleicht brauchte er dieses Alibi schon bald.

Das war wirklich das Letzte, worauf er Lust verspürte.

Nein, er wollte jetzt nicht den charmanten Sonnyboy spielen. Er hatte keine Lust auf Small Talk und die glühenden Blicke irgendwelcher Verehrerinnen, die sich etwas von ihm erhofften.

Deshalb stand er noch immer am Fenster, die Hände in die Hosentaschen vergraben, um die Früchte seiner Arbeit zu bewundern, als sich die Tür zu seinem Büro öffnete. Ohne Vorwarnung ging Annalise auf ihn los.

„Was, verdammt noch mal, treibst du eigentlich, Dominic Mercado?“

Meredith folgte ihrer Freundin langsam durch den leeren Korridor der Geschäftsräume von Excess. Der Club in Las Vegas war das Flaggschiff von Dominic, aber er besaß weitere Clubs rund um den Globus. Atlanta, Seattle, Miami, Rio, London Paris … Und überall waren seine Nachtclubs äußerst beliebt.

Meredith ließ ihren Blick durch die Verwaltungsetage schweifen. Links und rechts befanden sich Büros, die mit halbhohen gläsernen Wänden voneinander abgetrennt waren, was ihnen gleichzeitig eine gewisse Privatsphäre und moderne Offenheit verlieh. Die Möblierung war elegant und teuer, doch jeder Arbeitsplatz war ganz individuell ausgestaltet. Offensichtlich konnten alle Mitarbeiter selbst entscheiden, wie sie sich ausstatten wollten.

Nur der Büroraum mit den Doppeltüren am Ende des Korridors war komplett geschlossen. Dort residierte der König von Excess und beanspruchte seine Privatsphäre, während er von seinen Angestellten Offenheit verlangte.

Meredith war noch nie hier oben und schon gar nicht im Allerheiligsten gewesen. Und das war auch gut so.

Ihre Freundin kannte sich natürlich bestens aus und nahm sich nicht einmal die Zeit, bei Dominic anzuklopfen, bevor sie in seine Festung stürmte.

„Was, verdammt noch mal, treibst du eigentlich, Dominic Mercado?“, hörte Meredith ihre Freundin wütend rufen, während sie selbst vorsichtig eintrat und leise die Türen hinter sich zumachte.

Dominic stand am Fenster seines Büros. Er hatte sein Jackett abgelegt und die Ärmel seines blütenweißen Hemdes hochgerollt, sodass man seine muskulösen Arme mit den perfekten schwarzgrauen Tattoos sehen konnte.

Die waren definitiv noch nicht dagewesen, als sie jünger waren und manchmal alle drei im Pool herumgetollt hatten.

Verstohlen musterte Meredith die dunklen Linien auf Dominics Haut, konnte aber nicht erkennen, was sie bedeuteten. Gern hätte sie gewusst, wie es sich anfühlte, mit den Fingerspitzen über Dominics warme Haut zu gleiten und den Linien zu folgen … Was sie wohl bedeuteten?

Verdammt. Warum konnte sie nicht damit aufhören, Dominic attraktiv zu finden?

Der sah sie gerade mit hochgezogenen Brauen an.

„Aha. Du hast also gepetzt“, stellte er mit einem Blick auf Meredith fest. „Vielen Dank.“

„Ach, werd doch einfach mal erwachsen“, gab Meredith giftig zurück.

Statt einer Antwort grinste er nur.

„Was ist denn so komisch?“, bellte Annalise. „Im Ernst, Nic, was ist hier los? Sag mir einfach, dass Meredith sich irrt.“

Dominic musterte Meredith wie die Schlange das Kaninchen, doch sie wich seinem Blick nicht aus. Schließlich hatte sie nichts zu verbergen und war sich keiner Schuld bewusst. Und wenn sie auch der Auslöser für das Drama zwischen den Geschwistern war, so konnte sie schließlich nichts dafür, in welche Machenschaften Dominic verstrickt war. Sie hatte lediglich ein Licht auf die ganze Angelegenheit geworfen.

Irgendwann senkte er den Blick, ging zu seiner Schwester und zog sie in die Arme.

Aber Annalise wollte nichts davon wissen. Sie wehrte ihren Bruder ab und starrte ihn wütend an.

„Lass das!“, rief sie aus. „Ich will jetzt sofort wissen, was hier los ist! Mit einer brüderlichen Umarmung kommst du nicht davon. Hier geht es doch nicht um ein aufgeschlagenes Knie oder irgendwelchen belanglosen Liebeskummer. Mach endlich den Mund auf!“

Dominic seufzte. „Was hat sie dir denn gesagt?“, erkundigte er sich mit einem Blick auf Meredith.

Annalise wippte ungeduldig auf den Fersen. „Das spielt keine Rolle. Ich will die Geschichte von dir hören.“

„Okay. Was immer man dir gesagt hat, ich kann dir versichern, dass die Dinge anders sind, als sie aussehen.“

„Das dachte ich auch. Deshalb habe ich die Fotos auch einem unserer Experten gegeben, aber leider sind sie keineswegs bearbeitet.“

Meredith hielt sich im Hintergrund. Sie wollte aus der Entfernung beobachten, wie Dominic sich verhalten würde, wenn er seiner Schwester erklärte, was vor sich ging. In zahlreichen Interviews über die Jahre hatte sie die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich vor allem durch das verrieten, was sie nicht sagten. Und durch ihre Körpersprache.

Zweifellos hatte Dominic kein Problem damit, Meredith anzulügen. Bei seiner Schwester sah die Sache aber vermutlich schon ganz anders aus.

Dominic seufzte. „Natürlich nicht. Sie sind ja echt.“

5. KAPITEL

Dominic war vom ersten Moment klar gewesen, dass er diese Unterhaltung nicht vermeiden konnte. Ein Glück wenigstens, dass Tessa schon unterwegs war und niemand mitbekommen hatte, dass sie von hier aus verschwunden war …

Weder Annalise noch Meredith sollten in seine Aktionen verwickelt werden. Nicht so sehr, weil die Frauen, denen er half, aus einem gefährlichen Umfeld flüchteten, sondern weil es da draußen offensichtlich jemanden gab, der ihm schaden wollte. Irgendjemand spielte ein hinterhältiges Spiel, für das er Meredith benutzte.

Und nun hatte Meredith dummerweise Annalise in alles hineingezogen, und er musste zusehen, dass den beiden Frauen nichts passierte. Er hatte keine Ahnung, wie er das hinkriegen sollte, besonders da er es mit besonders dickköpfigen und intelligenten Frauen zu tun hatte.

„Wie meinst du das?“, fragte Annalise verblüfft.

„Na ja, die Fotos sind echt.“

Annalise sah ihn ein paar Sekunden schweigend an. „Du gibst also zu, dass du einer der Letzte gewesen bist, der die Vermissten gesehen hat?“

„Ich sage nur, dass die Frauen Gäste in meinem Club waren. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht genau daran erinnern, ob ich mit ihnen gesprochen habe oder nicht.“

„So ein Zufall, dass sie immer genau in der Nacht im Excess waren, als sie verschwunden sind“, mischte sich Meredith ein. Er hatte sich schon gewundert, dass sie bisher nichts gesagt hatte. Solange er sie kannte, blieb sie immer am Ball, wenn sie eine Story verfolgte. Bis alles aufgeklärt war.

„Damit kommst du nicht durch, Dominic“, fuhr sie fort. „Man sieht auf mehreren Fotos, wie du mit den Frauen redest. Eure Körpersprache wirkt ausgesprochen intim, als würdet ihr euch ziemlich gut kennen.“

Ihr Blick war so voller Abscheu, dass Dominic innerlich zusammenzuckte, obwohl er sich nach außen hin nichts anmerken ließ. Mit einem anzüglichen Lächeln um den Mund musterte er Meredith intensiv.

„Eifersüchtig, mein Engel?“

„Wohl kaum“, fauchte sie. „Und nenn mich nicht so.“

Sie konnte ja nicht wissen, dass Dominic sie insgeheim schon seit seiner Jugend so nannte. Wie ein Engel war sie ihm immer vorgekommen, perfekt und unerreichbar.

Außerdem erinnerte ihn dieser Spitzname daran, sich von Meredith fernzuhalten. Engel hatten in seinem chaotischen Leben keinen Platz.

Momentan erinnerte ihn Meredith vor allem an einen Racheengel. Da stand sie mit geballten Fäusten und flammendem Blick vor ihm, während die Lichtpunkte, die vom Club durch die Glasscheiben geworfen wurden, auf ihrer blassen Haut tanzten.

Der Anblick machte ihn atemlos. Sie war einmalig. Überwältigend.

„Dominic, das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn“, erklärte Annalise kopfschüttelnd.

Er sah seiner Schwester an, wie verängstigt und durcheinander sie war. Diesen Blick kannte er noch aus Kindertagen, wenn sein Stiefvater wieder einmal der Auslöser dafür gewesen war.

Es zerriss ihm fast das Herz, aber er konnte ihr die Wahrheit nicht erzählen, ohne sie in Gefahr zu bringen.

„Lise“, sagte er, während er seine Schwester an sich zog, „du kennst mich doch und weißt, dass ich niemals anderen Menschen etwas antun würde. Was Meredith mir unterstellt, ist völlig abwegig.“

Er ignorierte den Protest, der von Meredith kam.

Diesmal würde er nicht versagen, wenn es um das Wohl seiner Schwester ging. Er musste sie beschützen, nicht umgekehrt. Niemals durfte er zulassen, dass sie für ihn in die Bresche sprang, wenn es so gefährlich war.

Er wollte ihr so gern die Wahrheit erzählen, aber er konnte nicht. Jedenfalls nicht, wenn er sie ernsthaft beschützen wollte.

„Ich kann es dir nicht erklären, Meredith. Du musst mir einfach glauben. Ich schwöre dir, dass ich diesen Frauen nichts angetan und sie nicht gefährdet habe. Vertrau mir. Bitte.“

Er sah seiner Schwester fest in die Augen. Sie musste die Wahrheit erkennen. Und sie musste akzeptieren, dass sie keine Fragen stellen sollte, denn er konnte ihr nicht die Antworten geben, die sie haben wollte.

Man konnte ihr ansehen, wie sie mit sich rang. Schließlich holte sie tief Luft.

„Okay. Ich verstehe das alles zwar nicht, aber du hast recht. Du bist mein Bruder, und ich kenne dich vielleicht besser als du dich selbst. Natürlich bist du dazu nicht fähig. Das habe ich doch gleich gesagt, als Meredith mir von den Unterstellungen erzählt hat.“

Dominic war so erleichtert, dass er für einen Moment die Augen schließen musste. „Danke“, flüsterte er.

Jetzt fühlte er sich stark genug, die nächste Hürde zu nehmen. Allerdings war ihm jetzt schon klar, dass es mit Meredith nicht so einfach war.

Wenn sie mit der Geschichte an die Öffentlichkeit ging, würde sie Teil in einem Spiel sein, das nicht nur ihm das Leben schwermachen, sondern sie einem unkalkulierbaren Risiko aussetzen würde.

„Bitte sei vorsichtig, Nic“, bat Annalise ihren Bruder. „Irgendjemand hat es auf dich abgesehen.“

„Ich weiß.“

„Sagst du mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst?“

„Natürlich“, log er.

Annalise strich mit den Fingern über seine Wange, drehte sich um und verließ schnell das Büro.

Gedankenverloren lauschte er auf das Geräusch, das ihre Absätze auf dem Fußboden machten, als sie mit schnellen Schritten den Flur hinunter lief.

Meredith blieb.

„Mich kannst du nicht so leicht überzeugen“, erklärte sie, während sie mit leicht geneigtem Kopf vor seinem Schreibtisch stand und offensichtlich überlegte, was hier eigentlich vor sich ging.

Er lachte leise. „Das habe ich auch nicht angenommen. Schließlich kenne ich dich ziemlich gut und derjenige, der dir die Sachen geschickt hat, anscheinend auch.“

Irgendwie hoffte er, sie damit aus der Reserve locken zu können.

Meredith verzog das Gesicht. „Mir ist klar, dass ich benutzt werde, Dominic. Aber das ändert nichts.“

„Tatsächlich? Ist dir eigentlich klar, dass es hier um mein Leben geht?“

„Absolut“, gab sie kühl zurück. „Aber es geht auch um das Leben von fünf verschwundenen Frauen.“

Autor

Kira Sinclair
Wenn Kira Sinclair gerade nicht als Büro – Managerin arbeitet oder neue Zeilen für eine Geschichte schreibt, verbringt sie Zeit mit ihrem Ehemann, zwei bezaubernden Töchtern und jeder Menge Tieren auf ihrer kleinen Farm im Norden Alabamas. Egal in welcher Form, Schreiben war schon immer ein Teil ihres Lebens.
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