Baccara Collection Band 460

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

EINE NACHT IM HOTEL DER LUST von MAISEY YATES
Um ein Hotel zu kaufen, muss Geschäftsfrau Cara eine Nacht dort verbringen. Doch allein ist es ihr in dem leeren, möglicherweise verfluchten Gebäude zu unheimlich. Deshalb bittet sie ihren besten Freund Jace Carson, sie zu begleiten. Dass sie sich ein Bett teilen müssen, ist nicht die einzige Überraschung, die sie dort erwartet …

DIE CINDERELLA-MASKERADE von LAQUETTE
Auf einem Maskenball wagt die unscheinbare Zanai das Undenkbare: Unerkannt küsst sie den umwerfend attraktiven Jayden Lattimore mitten auf der Tanzfläche. Kurze Zeit später taucht Jayden von ihrer Tür auf und behauptet, sie nicht vergessen zu können. Dabei hat er sie früher nie beachtet! Kann sie ihm wirklich glauben?

IM DUETT MIT DIR von KIANNA ALEXANDER
Als der R&B-Star Cambria das Aufnahmestudio von Miles Woodson betritt, weiß er sofort: diese oder keine! Die temperamentvolle Sängerin erobert sein Herz im Sturm. Doch Cambria will nur eine Affäre. Wie soll Miles sie davon überzeugen, dass ein Leben im Duett dauerhaft viel erfüllender ist als ein ewiges Solo?


  • Erscheinungstag 11.07.2023
  • Bandnummer 460
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516365
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, LaQuette, Kianna Alexander

BACCARA COLLECTION BAND 460

1. KAPITEL

„Man muss eine Nacht im Hotel verbringen, bevor man ein Angebot macht, weil die bisherigen Interessenten alle einen Rückzieher gemacht haben. Ist das nicht total irre, Grandpa? Ich meine, da drin spukt es doch ganz bestimmt, so alt, wie der Kasten ist“, sagte Cara Summers zu ihrem Großvater … im Regal hinter dem Tresen.

Er befand sich in einer leeren Jack-Daniels-Flasche. Auf eigenen Wunsch.

Cara hatte ihm all seine letzten Wünsche erfüllt, unter anderem den, eingeäschert zu werden, um anschließend vom Regal hinterm Tresen aus alles beobachten zu können, was in seiner früheren Bar vor sich ging.

Er gab jedoch keine Antwort, zumindest nicht hörbar. Cara erwartete natürlich auch keine, hatte jedoch oft das Gefühl, seine Gegenwart zu spüren, wenn sie mit ihm sprach. Sie wusste einfach, dass er bei ihr war, und deshalb redete sie mit ihm. Fast so entspannt wie zu Lebzeiten. Na ja, eher noch entspannter, weil er sie nicht mehr ständig unterbrach.

„Die Bar ist doch leer. Mit wem sprichst du da?“

Cara erkannte die männliche Stimme, auch ohne sich umzudrehen. Und das lag nicht nur an dem unverwechselbaren Tonfall, den sie nach all den Jahren ihrer Freundschaft natürlich kannte, sondern an der Reaktion, die nur seine Stimme in ihr auslöste. Die sechs Carson-Brüder mit ihren tiefen männlichen Stimmen klangen zwar alle ähnlich, aber bei den anderen bekam Cara keine Gänsehaut. Und ihr wurde auch nicht verdächtig heiß, wenn sie mit ihnen sprach. Das wäre ja auch viel zu einfach.

Kit Carson flirtete nämlich gern mit ihr oder hatte das zumindest getan, bevor er Shelby Sohappy geheiratet hatte. Und Flint flirtete schon allein deshalb mit ihr, um Jace zu ärgern. Ernst meinten es jedoch beide nicht. Okay, vielleicht hätten sie sogar etwas mit ihr angefangen, wenn sie sich darauf eingelassen hätte. Die Carson-Brüder waren nämlich nicht gerade wählerisch, was Frauen anging.

Bis auf Jace. Quatsch, Jace war auch nicht wählerisch. Es war nur so … Er interessierte sich einfach nicht auf die Art für sie. Schon allein die Andeutung machte ihn stinksauer. Sie waren nämlich Freunde. Beste Freunde, und zwar schon seit der Mittelstufe.

Irgendwie war es eine seltsame Freundschaft. Jace fühlte sich nämlich gewissermaßen für Cara verantwortlich und war daher manchmal etwas bevormundend. Wie ein großer Bruder.

Wahrscheinlich war es so, weil sie für ihn eine Art Schwesterersatz war. Für seine jüngere Schwester Sophia, die nicht mehr am Leben war. Cara hatte das immer gewusst und machte sich daher keinerlei Illusionen. Trotzdem störte es sie in letzte Zeit immer öfter.

Denn leider stand sie auf ihn, er aber nicht auf sie.

„Ich erzähle Grandpa gerade von meinem neuen Hotelplan.“

„Aha.“ Jace sah sich demonstrativ um. „Ist er denn hier?“

Sie zeigte auf die provisorische Urne. „Er ist immer hier.“

„Cara …“

Sie seufzte ungeduldig. „Ich weiß, du glaubst nicht an so etwas, aber ich schon. Ich bin überzeugt, dass er mich hört, wenn ich mit ihm rede.“

„Das ist bestimmt eine sehr tröstliche Vorstellung.“

„Ist dir eigentlich bewusst, wie herablassend das klingt?“

„So ist das gar nicht gemeint. Ich bin einfach skeptisch. Obwohl ich gut nachvollziehen kann, dass du das Gefühl brauchst.“

So war Jace. Durch und durch nüchtern und bodenständig.

Dabei war er für sie eher ein Wunder. Ein Wunder von einem Mann nämlich: eins neunzig groß, breitschultrig, durchtrainiert und ohne ein Gramm Fett zu viel. Er hatte ein markantes Kinn und einen unwiderstehlichen Mund mit einer schmalen weißen Narbe auf der Oberlippe. Bestechend waren außerdem seine jeansblauen Augen.

Die Carson-Brüder besaßen optisch alle unterschiedlichen Kombinationen von sehr ähnlichen und attraktiven Merkmalen, die sich in allen sechs Fällen zu einem geradezu überwältigenden Abbild männlicher Schönheit zusammenfügten. Der weiblichen Bevölkerung gegenüber war das natürlich sehr unfair, aber das ließ sich leider nicht ändern.

Am unfairsten fand Cara noch, dass die Schönheit von Jace’ Brüdern sie kaltließ. Denn sie stand nur auf ihn.

Bei ihrer ersten Begegnung, als sie noch ein Teenie gewesen war, hatte sein Anblick sie schier umgehauen. Sie wusste es noch, als wäre es erst gestern gewesen. Sie war so unglaublich wütend und verletzt gewesen. Sie hatte eins ihrer zu großen T-Shirts angehabt, die Armbanduhr ihres Großvaters, gebrauchte Sneakers und eine Jeans mit Löchern in den Knien.

Außerdem hatte sie den brandneuen rosa Ordner dabeigehabt, den ihr Großvater ihr gekauft hatte – etwas, das nicht oft vorkam. Seine Bar namens The Thirsty Mule hatte damals kaum Gewinn abgeworfen. Anfang des zweiten Jahrtausends war in der praktisch verwaisten Innenstadt von Lone Rock nämlich nicht viel Geld in Umlauf gewesen. Dass er ihr einen heiß ersehnten rosa Ordner von Trapper Keeper geschenkt hatte, hatte ihr daher unglaublich viel bedeutet.

Aber damals hatte es in ihrer Klasse eine Gruppe von Mädchen gegeben, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, Cara zu ärgern, weil sie so uncoole Klamotten trug und die Hälfte ihrer Garderobe aus alten Männersachen bestand. Wegen ihrer langen blonden Haare, ihrer Sommersprossen und großen Vorderzähne. Und weil sie groß, dünn und flachbrüstig war.

Bei der Erinnerung daran musste sie lächeln, denn mit sechzehn hatte sie plötzlich doch Brüste bekommen, die sich als wahrer Segen herausgestellt hatten. Inzwischen war sie so gut proportioniert, dass ihr das in der Bar Abend für Abend ein stattliches Trinkgeld einbrachte.

Ab und zu bekam sie zwar ein schlechtes Gewissen, wenn sie extra deswegen ein tief ausgeschnittenes Oberteil trug, aber dann dachte sie wieder an die siebte Klasse und die Aufschrift Präsidentin des Itty-bitty-titty-Komitees auf der Tür ihres Schulspinds, und sie zog ihr Tanktop noch etwas tiefer und beugte sich lächelnd über den Tresen. Jeder hatte schließlich sein Kindheitstrauma.

Aber segensreiche Brüste oder nicht – sie hatte nie vergessen, wie besagte Mädchengruppe ihr den schönen rosa Ordner mit den hübschen weißen Schmetterlingen weggenommen und in den Sand geworfen hatte, um darauf herumzutrampeln. Einer der Jungs aus dem Footballteam hatte Cara dabei festgehalten, damit sie sich nicht wehren konnte.

Sie hatte jedoch nicht geweint. Stattdessen hatte sie sich umgedreht und dem Jungen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, woraufhin sie ins Büro des Schuldirektors gebeten worden war.

„Was hätte ich den tun sollen? Er hat mich festgehalten“, hatte sie sich empört verteidigt, als der Mann ihr vorgeworfen hatte, sich zu prügeln.

„Du hättest einen Lehrer rufen müssen“, hatte er mit irritierender Selbstverständlichkeit geantwortet.

„Es war aber keiner da!“

„Die Lehrer können nun mal nicht überall gleichzeitig sein. Trotzdem darfst du nicht einfach zuschlagen. Das geht so nicht.“

Cara war so wütend geworden, dass sie dem Schulleiter deutlich ihre Meinung gesagt hatte. Als er sich daraufhin ihren Tonfall und ihre Wortwahl verbeten hatte, hatte sie ihn noch heftiger beschimpft und war anschließend für mehrere Tage von der Schule suspendiert worden.

Damals hatte sie nirgendwo richtig reingepasst. Alles an ihr schien verkehrt gewesen zu sein. Sie hatte sich falsch ausgedrückt und, schlimmer noch, die falschen Dinge gesagt. Sie war einfach kein normales Mädchen gewesen, was auch immer das sein sollte.

Wie dem auch sei, nach dem Gespräch mit dem Direktor war sie weinend zum Bach hinter der Schule gegangen, um ihren ruinierten Ordner zu säubern und weil sie nicht gewusst hatte, wie sie ihrem Großvater zu Hause erklären sollte, dass sie für eine Woche von der Schule verwiesen worden war.

Genau in dem Moment war er aufgetaucht, ein großer, schmaler blonder Junge aus dem Jahrgang über ihr. Er hatte erst zwei Jahre in der Stadt gelebt, aber da seine Eltern noch Land besaßen, das schon seit den Gründertagen im Besitz ihrer Familie war, galten sie trotzdem als alteingesessen.

„Hey“, hatte er bei ihrem Anblick überrascht gesagt. „Was ist los?“

„Nichts. Na ja, alles. Schule ist echt scheiße.“

„Da kann ich nicht widersprechen. Aber warum weinst du?“

„Ich wurde für eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen, weil ich einen Jungen ins Gesicht geboxt habe. Er hat mich festgehalten, als die Mädchen in meiner Klasse meinen Ordner kaputt gemacht haben.“

Der Junge nickte verständnisvoll. „Da würde ich auch weinen.“

„Der Direktor hat gesagt, ich hätte den Jungen nicht schlagen dürfen, und da habe ich gesagt, dass er Schwachsinn redet.“

„Und deshalb hat er dich vom Unterricht ausgeschlossen?“

„Ja.“

„Das finde ich total unfair. Wenn du mich fragst, hast du alles richtig gemacht. Ich bin übrigens Jace Carson. Und wie heißt du?“

Cara war plötzlich ganz verlegen gewesen. Weil der Junge älter war als sie und irgendwie total … süß. Normalerweise redeten ältere Jungs oder überhaupt Jungs nicht mit ihr.

„Ich heiße Cara Summers. Aber ich muss dich warnen – ich bin hier total unbeliebt. Man nennt mich Pferdegebiss. Wenn du mit mir redest, wird man dich wahrscheinlich damit aufziehen.“

„Was interessiert mich das Gerede irgendwelcher Siebtklässler?“

Jace hatte sie nach Hause begleitet und ihr geholfen, ihrem Großvater die Situation zu erklären. Anschließend hatte er sogar ein paar Reparaturen in der Bar erledigt.

Als er zwei Tage später noch mal vorbeigekommen war, um den Rest zu erledigen, hatte er Cara beiläufig erzählt, dass sie ihn irgendwie an seine Schwester erinnerte, ohne das näher auszuführen. Erst ein halbes Jahr später hatte sie von ihm erfahren, dass diese Schwester schon vor Jahren gestorben war.

Seitdem waren sie beste Freunde. Sie hatte ihn förmlich angehimmelt und zu ihm aufgesehen wie zu einem Gott und war immer total eifersüchtig gewesen, wenn er Freundinnen gehabt hatte. Gott sei Dank hatten seine Beziehungen nie lange gehalten. Sie waren genauso flüchtig gewesen wie seine Bettgeschichten in der Rodeo-Saison.

Sie musste daran denken, wie sie zum ersten Mal mitbekommen hatte, wie Jace eine Frau verführte. Es war eines Abends in der Bar passiert, als Cara ihrem Großvater hinterm Tresen geholfen hatte. Jace hatte der Frau die Hände auf die Hüften gelegt und langsam zu ihrer Taille gleiten lassen, und Cara hatte körperlich so heftig auf den Anblick reagiert, dass es ein richtiger Schock für sie gewesen war. Erst da war ihr bewusst geworden, dass sie ihn nicht nur als Freund betrachtete, sondern sich auch körperlich zu ihm hingezogen fühlte.

Und sich wünschte, er würde sie so berühren.

In den Wochen danach hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, ihm das zu sagen. Ihn zu bitten, sie zu entjungfern, so unangenehm die Vorstellung auch war. Immerhin vertraute sie ihm, da lag es irgendwie nahe, ihn das zu fragen.

Doch dann war plötzlich ihr Großvater gestorben, was ihr so den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, dass sie in den vier Jahren danach erst mal damit beschäftigt gewesen war, wieder auf die Beine zu kommen, emotional und auch sonst. Sie hatte zum Beispiel die Bar übernommen und modernisiert. Gott sei Dank boomte Lone Rock seit einiger Zeit wieder ein bisschen, weil das Internet die Leute mehr und mehr zu Ausflügen in die nähere Umgebung anregte.

Es gab ständig neue Posts mit Fotos von idyllischen Kleinstädten, und Lone Rock als Goldgräberstadt von 1800 mit Original-Westernfassaden und jeder Menge Banditen-Legenden war als Motiv fast immer dabei. Inzwischen zog die Stadt so viele Touristen an, dass Cara beschlossen hatte, das Hotel neben der Bar zu kaufen und wieder zu eröffnen. Außerdem sollte es darin spuken, und Geisterhäuser waren bei Touristen unglaublich beliebt.

Das Problem war nur, dass wegen des Rufs schon drei Interessenten einen Rückzieher gemacht hatten, sodass der Verkäufer, der nicht in Lone Rock wohnte, seit Neuestem von potenziellen Käufern verlangte, mindestens eine Nacht dort zu schlafen, um zu beweisen, dass sie dem Projekt auch gewachsen waren. Dass sie wussten, worauf sie sich einließen.

Angst hatte Cara nicht vor dem Spuk, im Gegenteil sogar. Sie liebte Geistergeschichten. Nur die Vorstellung, eine Nacht ganz allein in dem großen Haus verbringen zu müssen, war wenig verlockend.

Aber noch war es nicht so weit. Jetzt musste sie erst mal arbeiten.

Und sich um Jace kümmern.

„Was bringt dich her?“

„Bier. Und ein Burger. Ich dachte, ich komme lieber früh. Es ist nicht einfach, sich mit dir zu unterhalten, wenn du ständig von irgendwelchen Typen belagert wirst, denen bei deinem Anblick praktisch die Zunge heraushängt.“

Cara verdrehte die Augen. Eins der Merkmale ihrer Freundschaft war, dass sie offen über solche Dinge reden konnten. Er zog sie ständig mit ihren Verehrern auf, während sie Witze über die Frauen machte, die in seiner Gegenwart keinen zusammenhängenden Satz herausbrachten. Sie wurden jedoch nie so persönlich, dass er viel über ihr Liebesleben wusste.

Na ja, streng genommen hatte sie auch keins.

Ach, egal.

„Niemandem hängt in meiner Gegenwart die Zunge raus“, widersprach sie. „Und selbst wenn – Hauptsache, ich kriege mein Trinkgeld.“

„Das dürfte kein Problem sein, so viel, wie hier inzwischen los ist.“

„Die Bar ist ja auch erheblich attraktiver als früher.“

Jace nickte. „Schade, dass Mitch sie nicht sehen kann.“

„Natürlich sieht er sie. Er ist schließlich immer hier.“

Jace schüttelte den Kopf. „Willst du allen Ernstes behaupten, dass sein Geist in dieser Bar herumspukt?“

„Klar. Ich habe ihm noch gerade eben von dem Hotel erzählt.“

„Willst du es immer noch kaufen?“

„Ja, aber vorher muss ich erst mal eine kleine Hürde überwinden. Die Interessenten vor mir haben alle einen Rückzieher gemacht, weil ihnen das Hotel irgendwie unheimlich war, als sie sich darin umsahen, und jetzt verlangt der Eigentümer, dass man eine Nacht darin schläft, bevor man ein Angebot macht. Also … werde ich dort übernachten.“

„Warum verlangt er denn so etwas?“

„Weil es dort spukt. Wahrscheinlich stand er schon mehrfach kurz vor dem Vertragsabschluss, und dann ist irgendetwas Gruseliges passiert. Also …“

„Also musst du dort eine Nacht schlafen, um zu beweisen, dass du nicht auch vom Kauf zurücktreten wirst?“

Sie nickte lächelnd. „Richtig.“

Er seufzte ungeduldig. „Das ist das Lächerlichste, das ich je gehört habe! Wie kann man nur an so einen Schwachsinn glauben?“

„Mir soll’s recht sein, denn in der Zwischenzeit konnte ich schon mal die Finanzierung klären. Außerdem will ich, dass es dort spukt. Dann kann ich das Hotel nämlich auf die Liste der bekanntesten Geisterhotels in den Staaten setzen lassen. Manche Menschen nehmen lange Strecken in Kauf, um an solchen Orten zu übernachten.“

„Also, für mich wäre das nichts. Weil das nämlich darauf schließen lässt, dass der Eigentümer nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“

„Autsch!“

Er zuckte die Achseln. „Tut mir leid, wenn meine Meinung dir nicht passt.“

„Ich bezweifle, dass dir das leidtut. Du hast noch nie mit deiner Meinung hinter dem Berg gehalten.“

„Du provozierst es ja auch geradezu. Hast du meine Bestellung schon an die Küche weitergeleitet?“

Schimpfend tippte sie seine Bestellung in das Kassensystem ein und ging zum Zapfhahn. Als sein Bier fertig war, setzte er sich an den Tresen. Bisher waren nur drei weitere Gäste gekommen, die jedoch am Ecktisch neben der Jukebox saßen und daher nicht mitbekamen, worüber am Tresen geredet wurde.

„Es wäre schön, nicht mehr täglich hinterm Tresen stehen zu müssen“, sagte Cara. „Wenn das Hotel etwas Gewinn abwirft, kann ich vielleicht zusätzlich Personal einstellen.“

„Ist die Modernisierung denn nicht ganz schön teuer?“

„Ja, aber ich habe etwas Geld gespart und kann es mir leisten. Außerdem gibt es hier in der Gegend nicht viele Übernachtungsmöglichkeiten. Das Hotel müsste daher richtig gut laufen.“

„Falls du mehr Geld brauchst …“

Cara schüttelte den Kopf. „Ich will kein Geld von dir. Du bist schon seit der siebten Klasse mein Wohltäter. Irgendwann ist mal Schluss.“

„Mein Angebot hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun, sondern ist rein freundschaftlich gemeint. Wann willst du denn in dem Hotel übernachten?“

„Morgen. Es gibt anscheinend keine Möbel, sodass es etwas spartanisch werden könnte“, sagte sie naserümpfend.

Er schüttelte den Kopf. „Irgendwie gefällt mir die Vorstellung nicht, dass du allein in einem so großen ungesicherten Gebäude übernachtest.“

„Ich schlafe sonst doch auch immer allein!“

„Trotzdem. Irgendwie ist das nicht das Gleiche. Vielleicht sollte ich dir Gesellschaft leisten.“

Ihr Herz machte einen nervösen Satz. Früher hatten sie öfter zusammen übernachtet, meistens im Zelt. Eigentlich wäre es im Hotel nicht viel anders. Sie würden genauso auf Schlafsäcken schlafen und vielleicht ein Heizgerät mitnehmen. Es wäre fast wie früher. „Okay, warum nicht? Der Burger geht übrigens aufs Haus.“

„Du brauchst mich nicht dafür zu bezahlen. Ich will nur vermeiden, dass dir etwas passiert.“

„Du kriegst den Burger, weil du freiwillig einen Fuß in ein Geisterhaus setzt, obwohl du so etwas total albern findest.“

„Bitte sag, du glaubst nicht wirklich, dass es dort spukt!“

„Ich würde das zumindest nicht ausschließen. Das Haus ist über zweihundert Jahre alt. Damals gab es hier in der Stadt so viele Schießereien …“

„Ich fass es nicht! Sogar dir muss doch bewusst sein, wie lächerlich das ist.“

Sie schüttelte den Kopf. „Es gibt nun mal Dinge, die man nicht mit Vernunft und Logik erklären kann, Jace. Warten wir doch einfach ab, was passiert.“

Gar nichts wird passieren.“

„Falls nicht, dann bestimmt nur, weil du den Geist mit deinem Skeptizismus vertrieben hast.“

„Umso mehr Grund für dich, mich mitzunehmen. Dann kannst du mir die Schuld geben, wenn du keinen Geist siehst.“

Sie musste lachen. „Das mach ich doch sowieso.“

„Sie glaubt wirklich, dass es dort spukt“, sagte Jace zu seinen Brüdern auf der Ranch seiner Eltern. Ihre Mutter hatte Essen von der Grillstation außerhalb der Stadt bestellt, dass sie jetzt alle gemeinsam im Garten verzehrten. Na ja, alle bis auf Buck, der seit fast zehn Jahren nicht mehr nach Hause gekommen war. Aber der Rest von ihnen war gekommen, auch Chance und Kit und deren Frauen. Nur Callie war nicht da, weil sie mit ihrem Mann in Gold Valley lebte, aber das war etwas anderes als bei Buck.

Callie war nicht zu Hause, weil sie ein eigenes Leben hatte. Ein gutes, normales Leben. Buck war nicht hier, weil er total verkorkst war.

Irgendwie teilten seine Brüder sich gerade in Zweierteams auf, wie Jace auffiel. Kit und Chance waren beide verheiratet und hatten Rodeo an den Nagel gehängt, während Flint und Boone glückliche Singles und noch lange nicht mit dem Sport durch waren. Alle vier wussten genau, was sie wollten.

Jace wusste es jedoch aus irgendeinem Grund immer weniger.

Früher war das noch anders gewesen, aber beim Bullenreiten konnte man sich auch keine Unsicherheit erlauben. Man brauchte gute Augen, eine feste Hand und verdammt große Eier, und das hatte er Gott sei Dank alles. Eigentlich war er auch nicht direkt unsicher. Es war eher so, dass sich im Moment so viel veränderte und er das ständige Hin und Her zwischen Lone Rock und den Rodeos allmählich satthatte.

Vielleicht hatte sein Zustand ja etwas mit Caras Hotelplänen zu tun. Damit band sie sich nämlich für immer an diese Stadt.

„Und deshalb verbringst du morgen die Nacht mit ihr?“, fragte Boone anzüglich grinsend.

„Das ist doch nichts Besonderes. Wir übernachten öfter zusammen.“ Er ignorierte die belustigten Blicke seiner Brüder. Und die Tatsache, dass er log. Die Zeiten, in denen Cara und er zusammen übernachtet hatten, waren nämlich schon längst vorbei. Die Vorstellung war ihm daher etwas unangenehm, auch wenn er selbst nicht wusste, wieso. Schließlich war sie für ihn wie eine Schwester.

Er konnte sich noch genau an ihre erste Begegnung erinnern. Sie hatte damals geweint, aber vor Wut. Sie war förmlich außer sich vor Wut und Empörung gewesen, und genau das hatte ihm an ihr gefallen. Dass sie einen so ausgeprägten Kampfgeist hatte. Er hatte sich sofort zu ihr hingezogen gefühlt.

Und seitdem wollte er sie … beschützen. So, wie er Sophia nie hatte beschützen können …

„Du meinst eine Pyjamaparty für Erwachsene?“, fragte Kit süffisant, woraufhin ihm seine Frau einen Ellenbogen in die Seite rammte.

„Ihr wisst genau, dass Cara und ich nur Freunde sind. Anders als ihr bin ich nämlich zu einer platonischen Freundschaft mit einer Frau imstande. Weil ich sie als Mensch betrachte und nicht als Sexobjekt.“ Seine Schwägerinnen Juniper und Shelby applaudierten lautstark, und er nickte ihnen zu. „Danke.“

„Unsere Männer sind Schweine“, sagte Shelby.

„Und Idioten“, fügte Juniper hinzu.

„Ich weiß. Es ist mir schleierhaft, wie ihr es mit ihnen aushaltet.“

„Na ja, sie sind ziemlich heiß“, antwortete Shelby lächelnd.

Jace verzog das Gesicht. „So genau wollte ich es gar nicht wissen.“

„Sorry“, sagte Shelby grinsend.

„Um zum Thema zurückzukommen – Cara glaubt wirklich allen Ernstes, dass es im Hotel spukt.“

„Und du nicht?“, fragte Flint.

„Natürlich nicht! Kein normaler Mensch glaubt so etwas!“

„Es gibt immer wieder Phänomene, die man sich nicht erklären kann“, wandte Kit ein. „Ich würde mir nie anmaßen zu sagen, dass es keine Geister gibt.“

„Ich schon, ich maße mir das problemlos an. Es gibt nämlich absolut keinen greifbaren Beweis für die Existenz von Geistern.“

„Aber auch keinen Gegenbeweis“, konterte Boone.

„Halt die Klappe, Boone, du weißt genau, dass ich recht habe. Außerdem solltet ihr langsam mal damit aufhören, mich wegen Cara aufzuziehen. Sie ist schließlich schon seit der Schulzeit meine beste Freundin.“

„Wir ärgern dich doch nur, weil du dich dann jedes Mal so schön aufregst“, sagte Boone lachend. „Das macht einfach zu großen Spaß, um damit aufzuhören.“

Jace zog finster die Augenbrauen zusammen. Manchmal war es echt Mist, der jüngste Bruder zu sein.

Vielleicht hatte er Cara ja deshalb so schnell ins Herz geschlossen. Sie hatte irgendwie eine Lücke gefüllt. Er liebte seine Schwester Callie, aber sie war so viel jünger als er, während Sophia fast in seinem Alter gewesen war. Sie hatten sich sehr nahegestanden. Kein Wunder, dass er sie so vermisst hatte.

Die anderen konnten seine Beziehung zu Cara einfach nicht verstehen. Sie war der wichtigste Mensch in seinem Leben, so sehr er seine Familie auch liebte. Vielleicht lag es daran, dass sie ihn gebraucht hatte. Denn der Rest seiner Familie …

Seine Eltern hatten Callie gebraucht, um über Sophias Verlust hinwegzukommen. Und sie hatten Buck gebraucht, und nachdem der ihnen den Rücken zugekehrt hatte, hatten ihre nächsten Söhne den Verlust weitestgehend aufgefangen. Noch dazu waren sie alle Rodeoreiter. Als Einzelner ging man in dieser Familie praktisch unter.

Nur für Cara war Jace etwas Besonderes.

Nachdenklich schaute Jace Richtung Scheune und sah einen leuchtend weißen Schmetterling auf dem rot getünchten Holz landen, eine Weile mit den Flügeln flattern und wieder davonfliegen.

In diesem Augenblick traf er eine Entscheidung.

Er würde Cara helfen und … Verdammt, es machte ihm Sorgen, dass sie ganz allein ein so großes geschäftliches Risiko einging. Das Hotel war wahrscheinlich total marode, sodass man eine Menge Geld würde hineinstecken müssen.

Sie brauchte ihn, und irgendwie brauchte er anscheinend das Gefühl, gebraucht zu werden. Nur deshalb hatte er sich auf diese lächerliche Geistersache eingelassen, wegen der seine Brüder ihn so erbarmungslos aufzogen. Aber seine Brüder konnten ihm gestohlen bleiben. Wichtig war nur Cara und dass es ihr gutging.

Also würde er genau dafür sorgen.

2. KAPITEL

Cara fand das alte dreigeschossige Hotel am Ende der Main Street mit seinen Balkonen, der Holzveranda und dem Namen Lone Rock Hotel in großer Westernschrift auf der Fassade wunderschön. Die Buchstaben würden wieder wie neu aussehen, wenn man den Goldrand etwas auffrischte.

Sie konnte das Hotel förmlich vor sich sehen, in neuem Glanz erstrahlend, mit in der Dunkelheit leuchtenden Fenstern und den Zimmern voller Gäste … Fast, wie bei einer großen Familie.

Während sie diesen so unerwarteten wie unerwünschten Gedanken verdrängte, hörte sie den Motor eines Trucks in der Einfahrt und drehte sich um. Jace war gekommen.

„Hi“, rief sie, obwohl er noch im Wagen saß und sie gar nicht hören konnte. Rasch winkte sie ihm zu, damit er wusste, dass sie ihn begrüßte, wobei sie sich etwas albern vorkam.

Sich verlegen räuspernd strich sie sich das Haar hinters Ohr. In Jace’ Gegenwart fühlte sie sich immer noch manchmal wie ein schlaksiger Teenager, so lächerlich das auch war. Andererseits war ihre ganze Beziehung irgendwie lächerlich. Sie fühlte sich zwar sehr wohl in seiner Gegenwart – wohler als bei jedem anderen Menschen –, aber trotzdem wurde sie manchmal extrem verlegen. Meistens dann, wenn ihr ihre Gefühle für ihn bewusst wurden.

Sie war dann immer total unsicher. Bei anderen Männern ging ihr das nicht so, da war es genau anders herum, obwohl sie sich noch nicht mal viel Mühe mit ihrem Aussehen gab. Trotzdem reichte es, um die Aufmerksamkeit ihrer männlichen Gäste auf sich zu ziehen. Wegen des Trinkgelds war ihr das nur recht, aber ansonsten machte sie sich keine Gedanken darüber, ob Männer sie hübsch fanden oder nicht. Falls ja, freute sie sich darüber, und falls nicht, war ihr das auch egal.

Bei Jace jedoch flammte ihre jugendliche Unsicherheit immer wieder auf. Sie wusste selbst nicht, woran das lag, denn es machte einfach keinen Sinn. Schließlich hatte sie ihre unsichere Jungend schon längst hinter sich gelassen und fühlte sie eigentlich sehr wohl in seiner Gegenwart.

Nur manchmal eben nicht.

Als er aus dem Truck stieg, verdrängte sie diesen Gedanken. „Ich hoffe, du hast einen Schlafsack mitgebracht?“

„Klar.“

„Ich habe ein Heizgerät mitgenommen. Geister können die Temperatur in Häusern nämlich manchmal ganz schön senken“, witzelte sie. Sie sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, ihre Bemerkung zu ignorieren.

„Treffen wir uns hier noch mit jemandem?“

„Abgesehen von Geistern, meinst du?“

„Cara!“

Sie grinste. „Nein, ich habe den Code für das Schließfach neben der Hintertür zugeschickt bekommen. Da ist der Schlüssel drin.“

Als Cara ums Haus herumging, hörte sie Jace’ Schritte hinter sich. Die Vorstellung, dass er sie vielleicht gerade beobachtete, verunsicherte sie schon wieder, doch sie verdrängte auch dieses Gefühl. Er war schließlich Jace. Ihr bester Freund.

Vielleicht war sie ja nur deshalb so unsicher, weil sie die Nacht miteinander verbringen würden. Das wäre zwar nicht das erste Mal, aber das letzte Mal war halt schon verdammt lange her. Seit sie erwachsen waren, hatten sie nicht mehr zusammen übernachtet.

Andererseits hatten sie das früher so oft gemacht, dass es eigentlich nichts Besonderes war.

„Und? Wie war der gestrige Abend in der Bar noch?“

„Gut, wie immer. Ich weiß, es fällt dir schwer, das zu glauben, Jace, aber mein Leben läuft auch dann weiter, wenn du nicht da bist.“

Er fing ihren Blick auf und sah sie auf eine Art an, die sie ganz nervös machte. Irgendwie hatte sie plötzlich das dumpfe Gefühl, dass er genau wusste, was sie nach ihrer Heimkehr letzte Nacht gemacht hatte.

Aber das konnte nicht sein! Schon allein die Vorstellung war total abwegig. Er konnte unmöglich wissen, dass sie um drei Uhr morgens beim Duschen die Hände über ihre Kurven hatte gleiten lassen, während ihr das Wasser über den Körper strömte, und sich dabei vorgestellt hatte, dass Jace derjenige war, der sie berührte. Und dass sie danach nicht sofort eingeschlafen war, weil sie ihre erotischen Fantasien mit ins Bett genommen und noch weiter ausgeschmückt hatte …

Normalerweise hatte sie sich besser im Griff. Es war okay für sie, ihn scharf zu finden, aber es war absolut nicht okay, ausgiebige Sexfantasien von ihm zu haben, weil das einfach total unpassend war und viel zu weit ging und sie sich hinterher immer schuldig fühlte. Gott sei Dank passierte ihr das nur in Nächten, in denen sie richtig erschöpft war und daher nicht mehr klar denken konnte und …

Ach was, sie konnte ihr Tun vor sich rechtfertigen, bis sie schwarz wurde! Leider änderte das nichts an der Tatsache, dass es völlig daneben war, schmutzige Fantasien von seinem besten Freund zu haben.

Und schon wieder beherrschte Jace ihre Gedanken. Und das, während er direkt neben ihr stand.

Mit unnötiger Heftigkeit tippte sie den Sicherheitscode ins Schließfach, das sofort aufklappte. Beim Anblick des Schlüssels darin seufzte sie glücklich. Sie konnte es kaum erwarten, sich das Hotel von innen anzusehen. Bisher war sie nur einmal als Kind hier gewesen, zusammen mit ihrem Großvater.

Damals waren seine Kaufpläne noch völlig illusorisch gewesen, weil sie erstens nicht genug Geld gehabt hatten und sich zweitens kaum je ein Tourist in die Stadt verirrt hatte. Trotzdem hatte Grandpa seinen Traum nie aufgegeben, und jetzt war er eben ihrer.

Sie schloss die Hintertür auf und betrat die Lobby. Natürlich war alles etwas schäbig, aber trotzdem fand sie, dass sie noch nie einen schöneren Raum gesehen hatte. Der Fußboden bestand aus hochwertigen Holzdielen, und die dunkelroten Samtvorhänge waren wunderschön. Sogar die Tapete war hübsch, aber leider so fleckig, dass sie vermutlich nicht mehr zu retten waren. Na ja, vielleicht fand Cara ja etwas, das stilistisch zur Bauzeit passte.

Ihr Blick fiel auf den geschnitzten Empfangstresen, der offensichtlich noch der Originaltresen war. Er brauchte nur geölt zu werden, um wieder in neuem Glanz zu erstrahlen. Damit kannte Cara sich aus, denn in The Thirsty Mule stand ebenfalls noch der Originaltresen von 1800, den sie regelmäßig pflegte.

Der große Kronleuchter an der Decke gefiel ihr jedoch am besten. Das Hotel war in den Zwanzigerjahren komplett mit Elektrik und Wasserleitungen ausgestattet worden. Cara liebte die Spuren der Zeit, die man hier überall sah. Sie war so verzaubert, dass sie für einen Moment sogar Jace vergaß. Aber nur für ein paar Sekunden.

Als sie sich zur Tür umdrehte, war er nirgendwo zu sehen, doch kurz darauf tauchte er mit ihren beiden Schlafsäcken, dem Heizgerät und der Tüte mit Lebensmitteln auf, die sie besorgt hatte, damit sie heute Abend etwas zu essen hatten.

Er spähte in die Tüte. „Das sieht ja vielversprechend aus“, sagte er. „Snacks für eine Übernachtungsparty.“

Cara fiel keine witzige Bemerkung ein. Vielleicht, weil das Wort „Übernachtungsparty“ sie irgendwie nervös machte. „Du kennst mich, ich kriege schlechte Laune, wenn ich nichts zu essen bekomme.“

„Wer kriegt das nicht?“

„Stimmt, aber nicht jeder wird dann so unausstehlich wie ich.“ Sie räusperte sich, als er lachte. „So, das hier ist es. Ist es nicht wunderschön?“

Jace sah sich skeptisch um. „Es ist jedenfalls sehr groß. Schon allein dieser Raum hier ist riesig. Und leer.“

„Ich bin nicht ganz mittellos, Jace. Ich habe eine Menge Geld zusammengespart. Abgesehen davon hat Grandpa vor seinem Tod eine Lebensversicherung abgeschlossen, die ich gut angelegt habe. Ich habe den Gürtel in den letzten Jahren extra enger geschnallt, um dieses Hotel kaufen zu können. Ich habe alles genau durchgerechnet.“

„Wenn du meinst. Warum hast du mir eigentlich nie etwas davon erzählt?“

„Weil ich genau wusste, dass du dann … so reagieren würdest.“ Sie zeigte mit einer Hand in seine Richtung.

Plötzlich machte er etwas, das sie total überrumpelte – er nahm ihre Hand und drehte sie so, dass er damit auf sich selbst zeigte. „Und was genau heißt so?“

Das Gefühl seiner warmen rauen Finger an ihrem Handgelenk verschlug ihr für einen Moment den Atem. Sie bekam buchstäblich keine Luft mehr. Ihr Verstand setzte aus. Sie vergaß komplett, was sie hatte sagen wollen. Und das nur, weil Jace sie berührte und sie nicht darauf gefasst gewesen war.

Dabei hatten sie sich schon oft berührt, wenn auch nur flüchtig. Aber das hatte sich immer ganz zwanglos ergeben und war von ihnen beiden ausgegangen. Seine jetzige Berührung jedoch, so unmittelbar nach Caras nächtlichen Fantasien, während sie ganz allein in diesem Hotel waren …

„Du bist nun mal ein Skeptiker“, stieß sie hervor, als sie die Sprache endlich wiederfand. „Und zwar durch und durch. Aber ich wollte erst mal in Ruhe träumen. Wenn ich Ernüchterung brauche, frage ich danach, aber ich wollte mir meine Vision nicht kaputtmachen lassen. Ich will meinem Großvater posthum seinen Lebenstraum erfüllen, da muss ich hundertprozentig an dieses Hotel und an mich selbst glauben.“

„Du klingst ja fast wie einer dieser schrecklichen Selbsthilfegurus. Du hast dir ein Ziel gesetzt und hart gearbeitet. Das hat absolut nichts mit irgendwelchen Wünschen ans Universum oder so zu tun.“

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was so verkehrt daran sein soll, seine Träume zu visualisieren.“ Jace ging ihr allmählich gewaltig auf die Nerven mit seiner negativen Einstellung. „Du siehst auch wirklich alles negativ. Was soll daran gut sein? Ich ziehe positives Denken vor. Ja, ich habe hart gearbeitet, aber dazu konnte ich mich nur motivieren, indem ich an meine Vision glaube. Während du …“

Da sie es nur fair fand, ihn zu berühren, nachdem er das Gleiche mit ihr gemacht hatte, stieß sie ihn gegen die Brust. „… während du nichts weiter als ein Miesepeter bist.“

Als sie ihn losließ, kribbelten ihre Finger so heftig von der kurzen Berührung seiner muskulösen Brust, dass sie sich damit anscheinend mehr bestraft hatte als ihn. Verstohlen rieb sie die Fingerspitzen an ihren Handflächen. Obwohl, streng genommen war das gar keine Strafe. Es fühlte sich gut an, ihn zu berühren. Aber das weckte nur wieder irgendwelche Fantasien, die nirgendwohin führten. Das war das eigentlich Qualvolle daran.

„Tut mir leid, dass du das so empfindest. Ich hätte dich natürlich trotzdem unterstützt, so wie ich dich auch jetzt unterstütze. Ich will ja nur vermeiden, dass du vor lauter Begeisterungsfähigkeit ein böses Erwachen erleben musst, okay?“

Sie zuckte die Achseln. „Okay. Ich verstehe ja, was du damit bezweckst, wirklich. Aber du behandelst mich manchmal wie ein kleines Kind. Dabei sind wir nur anderthalb Jahre auseinander, Jace. Es gibt keinen Grund, so mit mir umzugehen.“

„Doch, den gibt es“, sagte er brüsk. „Wo soll ich den Kram hinbringen?“

Sie wusste genau, warum er das sagte, aber damit kam er bei ihr nicht mehr durch. „Keine Ahnung. Wir müssen uns erst ein Zimmer aussuchen. Lass uns mal nach oben gehen.“

Sie gingen die Treppe hoch. Eine Stufe quietschte, aber nicht allzu laut. Nur der Treppenläufer sah ziemlich fadenscheinig aus. Wahrscheinlich wäre es das Beste, ihn zu entfernen und das Eichenholz darunter abzuschleifen. Das würde zwar nicht ganz billig werden, aber das Ergebnis war die Extraausgabe bestimmt wert. Außerdem konnte sie es sich leisten. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie es sich erlauben, einen Traum zu verwirklichen. Ein tolles Gefühl.

Der Flur oben war sehr lang, mit nummerierten Türen zu beiden Seiten. Zehn insgesamt. „Okay, sehen wir uns die Zimmer mal an.“

Das erste war bis auf ein Paar Spitzenvorhänge vor dem Fenster komplett leer. Hier konnten sie schon mal nicht schlafen. Das nächste Zimmer war mit Nachttischen, Kleiderschränken und anderen Möbelstücken vollgestopft.

„Tja, gut zu wissen, dass es hier doch noch ein paar Möbel gibt“, sagte Cara. „Ein paar davon sind vielleicht sogar noch zu gebrauchen. Ansonsten kann man das Holz noch nutzen. Bestimmt gibt es in der Umgebung ein paar Künstler, die etwas damit anfangen können.“

„Klar.“

Cara merkte Jace deutlich an, dass es ihm sehr schwerfiel, nichts Negatives zu sagen. Na ja, wenigstens gab er sich Mühe. „Lass uns weitergehen, bevor du noch einen Krampf kriegst“, sagte sie spöttisch und öffnete zwei weitere Türen.

Hinter der dritten gab es tatsächlich ein Bett. Ein großes Himmelbett sogar mit Brokat-Überdecke, Bettvorhängen und dazu passenden Samtvorhängen vor dem Fenster. Zusätzlich mit einem Nachttisch, Kleiderschrank und Toilettentisch ausgestattet war es ideal für Übernachtungsgäste. „Das sieht doch gut aus“, sagte sie erfreut.

„Also, ich glaube ja nicht an diese ganze Geistersache, aber eins weiß sogar ich: Wenn es irgendwo in diesen Räumen spukt, dann hier.“

„Das kann dir doch egal sein, wenn du sowieso nicht an Geister glaubst.“ Sie nahm ihm ihren Schlafsack ab und sah sich um. „Ich hoffe, du hast keine Stauballergie?“

„Nein, ein bisschen Staub macht mir nichts aus.“

„Dann darfst du gern das Bett nehmen, wenn du willst.“

„Nein danke.“

Während sie das Bett betrachtete, schoss ihr plötzlich eine Fantasie von ihnen beiden nackt umschlungen durch den Kopf. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, hier zu übernachten. Es war eine Sache, in Schlafsäcken auf dem Fußboden zu liegen – was sie absolut tun würden –, aber Tatsache war nun mal, dass hier ein großes Doppelbett stand. Schon allein bei der Vorstellung begann sie zu schwitzen.

Gott sei Dank reagierte sie nicht oft so. Das passierte ihr nur manchmal, und das auch nur in bestimmten Situationen. Zum Beispiel, wenn er sie etwas anders berührte, als sonst, und sie das irgendwie erregend fand. Nur dann kamen ihr peinliche Fantasien.

Andererseits verbrachten sie normalerweise nicht die ganze Nacht in einem Zimmer …

„Okay“, sagte sie in dem verzweifelten Versuch, sich von ihren Gedanken abzulenken. „Du bereitest schon mal unser Lager vor, während ich nach unten gehe und ein paar Snacks mache. Ich habe auch ein paar Filme runtergeladen.“

„Toll. Siehst du, wir brauchen gar keine Geister zur Unterhaltung. Wir sorgen selbst für unseren Zeitvertreib.“

Jace erstarrte, kaum dass die Worte aus seinem Mund gekommen waren. Irgendwie klangen sie ganz seltsam in seinen Ohren.

Wir sorgen selbst für unseren Zeitvertreib …

Ihm fiel auch auf, dass seine Brust immer noch von Caras Berührung vorhin kribbelte. Irgendwie war diese Situation gerade etwas schräg.

Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und einfach zu machen, was Cara ihm aufgetragen hatte. Also breitete er ihre Schlafsäcke vor dem Fußende des Bettes auf dem Fußboden aus und stellte den Heizlüfter dazwischen. Bei dem Anblick musste er grinsen. Es sah fast ein bisschen aus wie am Lagerfeuer.

Als sein Blick jedoch auf das Bett fiel, wurde er wieder nervös. Dabei gab es absolut keinen Grund, nervös zu sein. Daran waren bestimmt nur seine dämlichen Brüder schuld, die ihn ständig wegen Cara aufzogen. Warum wollten sie einfach nicht kapieren, dass Cara ihm heilig war? Und mit dem Göttlichen baute man nun mal keinen Mist.

Nein, er hatte nicht das Recht, die Rolle umzuschreiben, die er Cara vor all den Jahren zugewiesen hatte. Sie war seine beste Freundin. Die Frau, für die er sorgen und die er beschützen wollte, weil sie es früher so schwer gehabt hatte. Im Grunde sah er sie gar nicht als Frau. Hatte sie noch nie so gesehen.

Okay, es hatte mal einen unglückseligen Moment während ihrer Schulzeit gegeben, als sie plötzlich Oberweite bekommen hatte. Aber damals war er noch keine achtzehn gewesen und sexuell ziemlich unerfahren – ein Teenager mit Teenager-Hormonen. Kein Wunder, dass es ihm so schwergefallen war, ihr nicht auf den Busen zu starren.

Inzwischen war er jedoch ein erwachsener Mann.

Seit er bei Rodeos mitmachte, kannte er sich mit Frauen aus. Zumindest sexuell. Ansonsten hatte er nicht viele Erfahrungen mit ihnen. Wenn man seinen Glauben an Wunder schon in einem sehr frühen Alter verlor, fiel es einem vermutlich sehr schwer, an ewige Liebe zu glauben.

Zumindest war das bei ihm so. Seine Eltern hingegen waren nach Sophias Tod eher noch mehr zusammengerückt und hatten schließlich Callie bekommen. Sie hatten die Hoffnung auf Wunder und die Liebe nie ganz aufgegeben. Callie selbst war noch nicht auf der Welt gewesen, als Sophia gestorben war, und war daher nicht so von ihrem Tod geprägt.

Und Chance und Kit … Die beiden hatten sich in extrem starke Frauen verliebt, die nicht davor zurückschreckten, ihnen gründlich die Meinung zu sagen, falls nötig, was Jace immer total lustig fand. Aber dann gab es da noch Buck, der die Stadt mit Anfang zwanzig verlassen hatte. Er hatte eindeutig nicht mehr an Wunder geglaubt. Und Flint und Boone waren genauso frei und ungebunden wie Jace.

Flint hatte sich zwar kurz auf eine Beziehung eingelassen, hatte aber schnell wieder Schluss gemacht. Seine Ex-Freundin war kurz darauf eine berühmte Countrysängerin geworden und hatte ihn in einem Song verewigt, der ziemliches Aufsehen erregt hatte, als er im Radio angelaufen war. Natürlich erwähnte sie ihn nicht namentlich, aber sie alle wussten, dass er gemeint war, auch wenn sie das für sich behielten.

Okay, ab und zu suchten Boone und er in Onlineforen nach neuen Infos, um ihren Bruder damit aufzuziehen. Mit dem Tuch von ihr zum Beispiel, das er angeblich behalten hatte. Flint stritt das natürlich jedes Mal genervt ab.

So oder so war er der Einzige von ihnen dreien, der es zumindest mal mit einer festen Beziehung versucht hatte, und es war nicht gut ausgegangen. Jace verspürte daher keinerlei Bedürfnis, Flints Beispiel zu folgen. Beziehungen waren einfach nichts für ihn. Man musste schon verrückt sein, um ein solches Risiko einzugehen. Oder extrem blauäugig, und er war weder das eine noch das andere. Er hatte seine Familie und Cara, das reichte ihm.

Kurz darauf kehrte sie mit einem Tablett mit Wurst, Käse, zwei Weingläsern und einer Flasche Wein aus dem Erdgeschoss zurück. „Also, ich habe noch einiges Nützliches in der Küche gefunden.“

„Ist das etwa Rosé?“, fragte er, als er das Etikett sah.

„Ja. Hast du etwa ein Problem damit?“

„Du hast wirklich nur langweilige Käsewürfel und eine Flasche Mädchenwein mitgebracht?“

Empört schniefend setzte sie sich im Schneidersitz auf ihren Schlafsack und stellte das Tablett vor sich auf den Fußboden. „Deine toxische Männlichkeit wird dir noch mal zum Verhängnis werden.“

„Das bezweifle ich.“ Jace setzte sich ebenfalls und griff nach einem Stück Käse. „Das wäre nur dann der Fall, wenn ich mich in meinem Männlichkeitswahn weigern würde, etwas hiervon zu mir zu nehmen. Aber in diesen heiligen Hallen …“

„Du bist manchmal ein richtiger Vollidiot, weißt du das?“

„Schon möglich.“

Sie schwiegen ein paar Sekunden kauend. „Wirst du wieder an Rodeos teilnehmen?“, fragte Cara irgendwann.

In den letzten Wochen war Jace dieser Frage immer geschickt ausgewichen. Noch nicht mal seine Brüder wussten, dass er mit dem Gedanken spielte aufzuhören. Jace war zwar noch relativ jung – jünger als Boone und Flint jedenfalls –, aber allmählich kam er in ein Alter, in dem man sich gut überlegte, ob der Ruhm es wirklich wert war, sich irgendwelchen körperlichen Dauerschäden einzuhandeln.

Jace liebte den Erfolg, wusste es aber auch mehr und mehr zu schätzen, dass er noch nicht humpelte, und je länger man beim Rodeo blieb, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit für chronische Beschwerden. Er könnte natürlich den Job seines Vaters übernehmen, der Geschäftsführer der Pro Rodeo Association war, aber irgendwie hatte er keine Lust dazu. Allmählich fassten sie hier alle Fuß in Lone Rock, und wer weiß – vielleicht war das ja etwas Positives.

„Keine Ahnung“, antwortete er wahrheitsgemäß.

Überrascht sah sie ihn an. „Weißt du das wirklich nicht?“

„Nein“, sagte er kopfschüttelnd.

„Das sieht dir gar nicht ähnlich.“

Er verdrängte einen Anflug von Unbehagen. „Ich weiß auch nicht, aber im Moment ist gerade so viel im Umbruch. Es fing mit Callies Hochzeit vor zwei Jahren an und jetzt … Keine Ahnung, aber wir haben uns hier inzwischen alle ziemlich gut eingelebt. Früher hielt mein Vater es nie lange an einem Ort aus, aber er baut die Ranch immer mehr aus. Allmählich habe ich den Eindruck, er will sich hier endgültig niederlassen.“

„Und deshalb denkst du auch darüber nach, mit dem Rodeo aufzuhören?“

Er zuckte die Achseln. „Zumindest frage ich mich immer öfter, ob ich wirklich weitermachen will. Meine Geschwister und ich haben sämtliche Preise gewonnen, die man beim Rodeo gewinnen kann. Ab einem gewissen Punkt kann es nur noch bergab gehen.“

„Ich dachte immer, du liebst Rodeos.“

Ehrlich gesagt war Jace sich da gar nicht so sicher. Seine Familie war gewissermaßen eine Rodeo-Dynastie, sodass es sich irgendwie wie von selbst ergeben hatte, dass sie alle ritten. Sogar Callie ritt Wildpferde mit Sattel. Sie machte gerade nur deshalb Pause, weil sie ein Baby erwartete, aber vorher hatte sie vielen anderen Frauen den Weg in den Männersport geebnet.

Jace war da keine Ausnahme. Klar hatte ihm das Reiten immer Spaß gemacht, aber ob er den Sport tatsächlich so liebte, dass er unbedingt weitermachen wollte … Andererseits wusste er auch nicht, was er stattdessen machen sollte. Die Ranch bewirtschaften vielleicht?

Wahrscheinlich war es eher ungewöhnlich, in einer Familie aufzuwachsen, in der man sich nie fragen musste, was man mal werden wollte, wenn man groß war, weil man einfach in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten konnte. Aber gerade Cara sollte das eigentlich wissen. Er bezweifelte nämlich, dass sie die Bar betrieb, weil sie sich nichts Schöneres vorstellen konnte. Und was dieses Hotel anging …

Er zeigte um sich. „Ist das hier etwas, das du tatsächlich willst, oder machst du das nur wegen Mitch?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich liebe dieses Hotel schon seit meiner Kindheit. Klar mach ich das auch für ihn, weil er immer für mich da war, mehr, als jeder andere in meiner Familie. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, und meine Mutter wohnt zugedröhnt in irgendeinem Wohnwagenpark und hat eine toxische Beziehung nach der nächsten. Aber es geht mir nicht darum, ihn stolz auf mich zu machen oder so. Ich will das Hotel selbst.“

„Okay.“

„Ich könnte dir übrigens die gleiche Frage stellen. Nimmst du nur deshalb an Rodeos teil, weil dein Vater das von dir erwartet hat?“

Jace schüttelte den Kopf. „Nein. Ehrlich gesagt glaube ich, dass es meinem Dad egal ist, was wir machen. Vielleicht wäre er sogar froh, wenn wir unser Leben nicht ständig in der Arena aufs Spiel setzen würden. Er liebt Rodeos, aber die Risiken sind ihm trotzdem bewusst, vor allem seit dem Tod dieses Jungen vor ein paar Jahren … Seitdem ist er nicht mehr derselbe, und seine Einstellung dem Rodeosport gegenüber hat sich auch verändert.“

Was insofern schade war, weil das Rodeo Dad davor bewahrt hatte, in die Verzweiflung abzurutschen. Jace wusste das deshalb, weil es ihm ähnlich gegangen war. Monatelang im Jahr unterwegs zu sein, hielt einen davon ab, zu viel zu grübeln.

Aber irgendwie schien auch er allmählich an einen kritischen Punkt zu kommen. So oder so wollte er nicht mehr weitermachen wie bisher. Auch wenn er den Schmerz geradezu einlud, wenn er hierblieb.

Eine Alternative wäre natürlich, ihn zu verarbeiten, aber dieser Option wich er schon seit Jahren aus. Und in all der Zeit hatte er Cara als Ersatzschwester benutzt.

Mit anzusehen, wie sie ihr Leben in die Hand nahm und sich einfach nahm, was sie wollte, beschämte ihn daher fast ein bisschen.

„Tut mir leid, dass du so unsicher bist. Ich dachte immer der Rodeo-Sport sei total dein Ding.“

Wieder schüttelte Jace den Kopf. „Nein, aber es bot sich halt irgendwie an. Irgendetwas mussten wir schließlich machen, und Rodeoreiter zu werden, war das Naheliegendste. Nur Callie musste darum kämpfen, weil Dad anfangs absolut dagegen war, dass sie aufs Pferd steigt. Sie hat extra Jake Daniels geheiratet, um an ihren Treuhandfonds zu kommen.“

Ihm persönlich war sein Treuhandfonds egal. Geld interessierte ihn nicht besonders. Andererseits hatte er bisher auch nie Geldsorgen gehabt.

Auch diese Erkenntnis beschämte ihn ein bisschen.

„Ich habe dich das noch nie gefragt, aber habt ihr alle so einen Treuhandfonds?“, fragte Cara neugierig.

Jace nickte. „Ja. Aber wir kommen erst mit dreißig ran.“

„Dann ist es bei dir ja bald so weit.“

„Stimmt.“

Jace hatte allerdings keine Ahnung, was er mit dem Geld anfangen sollte. Im Grunde hatte er alles, was er brauchte. In der Arena hatte er nicht schlecht verdient und noch dazu ein paar sehr lukrative Werbeverträge abgeschlossen, sodass er finanziell ausgesorgt hatte.

„Weißt du schon, was du mit dem Geld machst?“

„Eigentlich nicht.“

Dass er auch diese Frage nicht beantworten konnte, war ihm sehr unangenehm. Andererseits hatte er sich noch nie groß Gedanken über die Zukunft gemacht. Wahrscheinlich war es genau so, wie Cara vorhin gesagt hatte – dass sie ihm nichts über ihre Träume hatte erzählen wollen, weil er die unglückselige Neigung hatte, sie wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. Denn er selbst … Eigentlich hatte er keine Träume.

„Aber ich plane sowieso nie im Voraus. Ich lebe lieber im Augenblick. Dann ist man irgendwie fokussierter. In der Hinsicht liebe ich Rodeo vielleicht tatsächlich. Kaum etwas gibt einem einen größeren Kick, außer Sex vielleicht.“

Cara errötete bis in die Haarspitzen, was Jace etwas überraschte. In einer Bar hörte man ständig derbe Sprüche, da durfte man nicht prüde sein. Außerdem schreckte sie auch nicht davor zurück, sich manchmal bewusst aufreizend zu kleiden. Er hätte daher nicht damit gerechnet, dass ihr schon die bloße Erwähnung des Wortes „Sex“ das Blut ins Gesicht schießen ließ.

Unwillkürlich sah er an ihr vorbei Richtung Bett, und prompt kehrte das seltsame Gefühl der Anspannung zurück. Er räusperte sich verlegen. „Wie dem auch sei, ich habe mir noch nicht konkret überlegt, was ich machen will, wenn ich mit dem Rodeo aufhöre. Vielleicht mache ich auch einfach noch ein paar Jahre weiter.“

„Aber das willst du nicht.“ Cara nahm sich ein Stück Käse. Sie schien sich wieder von ihrer Verlegenheit erholt zu haben.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich weiß das deshalb, weil du dich gerade nicht festnageln lässt. Du zögerst, bevor du antwortest, und wirkst ziemlich unsicher.“

Ihre Beobachtungen verunsicherten ihn nur noch mehr.

Wahrscheinlich hing seine derzeitige Unsicherheit mit den Hochzeiten seiner Brüder zusammen. Das war eine ganz schöne Veränderung. So etwas konnte einen schon mal dazu bewegen, sich Gedanken um seine eigene Zukunft zu machen.

Irgendwie war es ihm ziemlich unangenehm, dass Cara merkte, was mit ihm los war. Normalerweise war es eher anders herum – er war derjenige, der sie durchschaute. Der ihr half. Der darauf achtete, dass es ihr gutging. Seit dem Tod ihres Großvaters hatte Cara praktisch keine Familie mehr. Im Grunde war er der einzige Mensch, den sie noch hatte. Das war eine ganz schöne Verantwortung, aber er machte das gern.

Dass sie ihn anscheinend genauso gut kannte wie er sie … Er wusste nicht, was er davon halten sollte.

„Weißt du, es stehen noch mehr Häuser in der Main Street zum Verkauf.“

„Willst du mir etwa vorschlagen, in Immobilien zu investieren?“, fragte er überrascht.

Sie zuckte die Achseln „Warum nicht? Das wäre doch eine Möglichkeit, dein Geld anzulegen.“

Da hatte sie nicht ganz unrecht. Außerdem würde das seine Stellung hier etablieren. Und letztlich hatte er sowieso nicht vor, von hier wegzuziehen.

Aber bisher war er aus gutem Grund davor zurückgeschreckt, sich räumlich an einen Ort zu binden.

Und welcher Grund soll das sein?

Er verdrängte diese Frage rasch. „Mit welchem Film fangen wir an?“

„Oh, das wird dich freuen.“ Sie nahm ihr Tablet und legte sich bäuchlings auf ihren Schlafsack. „Ich dachte, wir schwelgen ein bisschen in Erinnerungen.“

Er stöhnte. „Mir schwant Übles!“

„Weißt du noch, wie wir die Schule geschwänzt haben und nach Bend gefahren sind, um unseren Lieblings-Cop-Buddy-Film zu sehen?“

„Oh, nein!“

„Oh, doch!“

„Du kannst die Dialoge doch längst auswendig. Musst du dir den Film wirklich noch mal ansehen?“

„Klar muss ich. Denn wär ich ein Löwe und du ein Thunfisch …“

„Du bist albern!“

Aber irgendwie fand er das auch ganz süß. Es gefiel ihm, dass sie genauso auf schlüpfrige Komödien stand wie er. Obwohl Die etwas anderen Cops nicht gerade zu seinen Lieblingskomödien gehörte.

„Keine Sorge. Ich habe auch den schrecklichen runtergeladen, den du so liebst.“

„Danke.“

„Und eine Auswahl an Teenager-Filmen, von Girls Club bis Einfach zu haben.“

„Die gefielen mir nicht.“

„Ich weiß, aber was soll’s. Wahrscheinlich schlafen wir sowieso vorher ein. Wir sind schließlich nicht mehr achtzehn – wir sind alt.“

„Auf mich trifft das noch nicht zu.“

„Wie bitte? Du bist älter als ich!“

„Nur biologisch.“ Spielerisch stieß er sie mit einem Ellenbogen in die Seite.

Als sie die Nase rümpfte, wanderte sein Blick instinktiv zu ihren Sommersprossen. Irgendwie fand er sie total niedlich. Sie betonten ihre schönen grünen, fast katzenhaften Augen so gut. Ihm fiel auf, dass sie die Wimpern heute nicht getuscht hatte, was ihren Augen einen goldenen Schimmer verlieh.

Seine innere Anspannung kehrte wieder zurück.

„Okay, fangen wir an“, schlug er vor.

„Gern.“ Sie füllte ein Glas mit Wein und reichte es ihm, bevor sie sich selbst eins einschenkte.

Er legte sich ebenfalls auf seinen Schlafsack und beschloss, sich auf den Film zu konzentrieren statt auf Caras Augen.

3. KAPITEL

Cara war sich Jace’ körperlicher Nähe nur allzu bewusst. Sie nahm praktisch jeden Quadratzentimeter seines lang auf dem Schlafsack ausgestreckten Körpers wahr, die Art, wie er sich bewegte, wenn er einen Schluck Wein trank oder ein Stück Käse nahm.

Ihr wurde schon ganz schwummrig vor lauter Anstrengung, ihn zu ignorieren. Eigentlich sollte sie sich darauf konzentrieren, zum Wein ausreichend zu essen, statt ihn viel zu schnell runterzuschütten.

Diese Situation war wirklich schräg.

Die Filme aus ihrer gemeinsamen Highschoolzeit machten die Situation leider nicht besser. Sie erinnerten Cara nämlich wieder daran, dass sie schon damals angefangen hatte, für ihn zu schwärmen. An Sex hatte sie zwar noch nicht gedacht, aber das Kribbeln im Bauch, wenn er ihren Arm im Kino zufällig mit seinem streifte … Ja, das war ganz klar die Highschoolzeit.

Dabei sehnte sie sich weiß Gott nicht danach zurück. Und trotzdem lag sie jetzt viele Jahre später allein mit demselben Mann in einem leeren Haus – abgesehen vielleicht von irgendwelchen Geistern – und hatte genau die gleichen Gefühle wie damals.

Es wäre lachhaft, wenn es nicht so erbärmlich wäre.

Genauso lachhaft war, dass Jace Carson nach wie vor keine Anstalten machte, sie ins Bett zu kriegen, obwohl sie inzwischen beide erwachsen waren und komplett allein und unbeaufsichtigt vor einem großen Doppelbett lagen. Wenn je etwas zwischen ihnen laufen sollte, musste sie anscheinend die Initiative ergreifen.

Bei der Vorstellung wurde ihr so heiß, dass es ihr schwerfiel, sich auf den nächsten Film zu konzentrieren. Er gefiel ihr nicht besonders. Sie zog Filme vor, bei denen es am Schluss irgendeine Auflösung gab, vorzugsweise ein Happy End. Wenn das nicht passierte, machte sie das irgendwie rastlos.

Kurz entschlossen stand sie auf. „Ich gehe nach unten und hole noch eine Flasche Wein.“

„Was, noch eine?“

„Ja. Ist doch eine gute Idee, oder?“

„Wenn du meinst.“

Natürlich war es keine gute Idee. Cara war schon jetzt ziemlich beschwipst, aber diese Situation war irgendwie so merkwürdig … Andererseits war sie schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr mit diesem Mann befreundet. Was konnte schon groß passieren, wenn sie sich betrank?

Als sie in die Küche ging, um eine Packung Cupcakes und eine Flasche Wein zu holen, hörte sie plötzlich ein Krachen zu ihrer Linken. Erschrocken blieb sie stehen und wartete, ob sich das Geräusch wiederholte, hörte jedoch nur ihre flachen und viel zu schnellen Atemzüge.

„Großer Gott“, murmelte sie, angewidert von sich selbst. Sie war wegen Jace und der Geister anscheinend völlig durch den Wind. Vielleicht sollte sie in ihrem Zustand nicht noch mehr Wein trinken. Andererseits würde der Alkohol sie vielleicht entspannen …

Sie lauschte noch ein paar Sekunden. Als sie kein Geräusch mehr hörte, nahm sie die Cupcakes und den Wein und ging wieder nach oben.

Jace lag inzwischen auf dem Rücken auf seinem Schlafsack, einen Arm über dem Gesicht. Sein T-Shirt war dadurch etwas nach oben gerutscht, sodass sie ein Stück von seinem flachen, muskulösen Waschbrettbauch erkennen konnte.

Sie brauchte anscheinend dringend Hilfe. Oder ein Wunder.

Oder einfach nur mehr Wein.

Vor seinem Kopf blieb sie stehen. „Hier ist der Nachschub.“

Sie sah, dass sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Der Anblick war so faszinierend, dass sie gar nicht mitbekam, dass er den freien Arm hinter ihre Kniekehlen hakte, um sie zu Fall zu bringen. Erschrocken aufschreiend landete sie der Länge nach auf ihm. „Jace!“

Er fühlte sich warm unter ihr an. Und hart. Und … Oh nein, sie lag direkt auf seiner Brust! Panisch versuchte sie, sich aufzurichten, wobei ihre Hand jedoch in direkten Kontakt mit seinem ziemlich festen Arsch kam.

Hastig rollte sie von ihm weg und griff wieder nach dem Wein und den Cupcakes. „Wie kann man nur so kindisch sein?“ Errötend wich sie seinem Blick aus, als er sie belustigt anfunkelte.

„Ich bin keineswegs kindisch.“

„Dann eben unreif. Ich habe übrigens gerade ein Geräusch unten gehört“, fügte sie hinzu, um sich davon abzulenken, dass er eindeutig kein Kind, sondern ein Mann war. „Vielleicht war das ja ein Geist.“

„Nie im Leben. Es gibt nämlich keine Geister. Aber die Cupcakes sehen ziemlich real aus. Gib mir einen.“

Cara hatte sich immer noch nicht von ihrem Ganzkörperkontakt mit Jace erholt. „Ich weiß nicht, ob ich dir einen geben soll, nachdem du so fies zu mir warst.“

„Ich könnte dir die Packung auch einfach wegnehmen.“

Das glaubte sie ihm sofort. Aber wenn es etwas gab, das ihr jetzt den Rest geben würde, dann ein Handgemenge wegen des Kuchens. Also gab sie nach und reichte ihm einen, wenn auch nur widerwillig. Anschließend schenkte sie sich noch etwas Wein ein und versuchte, sich wieder zu beruhigen.

Sie sahen sich seinen Lieblingsfilm zu Ende an und begannen dann mit ihrem. Als sie schließlich die letzte Komödie über eine Gruppe Oberstufenschüler anklickten, die unbedingt ihre Jungfräulichkeit verlieren wollten, war Cara mehr als nur ein bisschen beschwipst, aber wegen des Themas leider kein bisschen entspannter. Dabei hatten sie den Film schon ungefähr hundert Mal gesehen. Wie hatte sie das bisher nur hingekriegt, ohne sich dabei extrem unbehaglich zu fühlen?

„Mann, die Highschoolzeit vermisse ich echt nicht“, sagte Jace und trank einen Schluck Wein.

Beim Anblick seines hüpfenden Adamsapfels beschleunigte sich ihr Herzschlag so heftig, dass sie wieder den Blick abwandte. „Stimmt, ich habe auch nicht gerade sentimentale Erinnerungen daran.“

„Wie lächerlich diese Jugendlichen damals waren. Hielten sich für wer weiß was. Und dann all diese Hormone. Hätte ich nicht auch unbedingt meine Jungfräulichkeit verlieren wollen, hätte ich mir vielleicht schon damals überlegt, was ich später mal machen will.“

Sie blinzelte schockiert. Wie kam er denn jetzt auf das Thema? „Davon habe ich ja gar nichts mitbekommen.“ Ihre Zunge fühlte sich seltsam schwer und locker zugleich an. Warum ging sie überhaupt auf seine Bemerkung ein? Und vor allem – warum redete er ausgerechnet jetzt darüber?

„Hätte ich dir etwa erzählen sollen, dass ich mir einen gefälschten Ausweis besorgt und damit in die nächste Stadt gefahren bin, ...

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
Mehr erfahren
Kianna Alexander
Mehr erfahren