Baccara Collection Band 462

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

JOB RISKIERT – LIEBE GEWONNEN? von NICKI NIGHT
Eine eigene TV-Show! Für Influencerin Ivy wird ein Traum wahr. Gern würde sie ihrem sexy Producer Jordan Chambers ihre Dankbarkeit zeigen. Darf sie es riskieren, ihm näherzukommen, oder setzt sie dabei ihre neue Karriere gleich wieder aufs Spiel?

ZEHN WOCHEN MIT DEM COWBOY von KATIE FREY
Zehn Wochen soll Studentin Hannah die Cowboys einer Rodeoshow medizinisch betreuen. Besonders Brad Hill, der muskulöse Star der Show, hat es ihr angetan. Doch als er sich bei einem Ritt verletzt, steht Hannah vor einer schwierigen Entscheidung

SCHICKSALSTAGE IN LAS VEGAS von SANDRA MARTON
Ausgerechnet Las Vegas! Anwalt Gray Baron hat die verschollene Enkelin seines Onkels endlich in einem Kasino aufgespürt. Nie hätte er gedacht, dass Dawn ihn auf den ersten Blick verzaubern würde. Doch seine Recherchen bringen sie in höchste Gefahr!


  • Erscheinungstag 09.09.2023
  • Bandnummer 462
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516389
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nicki Night, Katie Frey, Sandra Marton

BACCARA COLLECTION BAND 462

1. KAPITEL

Das Finanzgenie. So wurde sie mittlerweile genannt. Ivy Blackwell war sich noch nicht schlüssig, ob diese Bezeichnung zu ihr passte. Manchmal gefiel es ihr, aber manchmal hatte sie auch das Gefühl, als ob es sich dabei um eine maßlose Übertreibung handelte. Aber schließlich war es nicht weiter überraschend, dass die Leute ihr diesen Spitznamen gegeben hatten.

Was sie allerdings sehr überraschte, war die Geschwindigkeit, mit der sich alles entwickelt hatte. Innerhalb eines Jahres war sie zu einer wichtigen Influencerin auf diesem Gebiet geworden. Und damit stiegen die lukrativen Geschäfte. Natürlich spielte auch der Name Blackwell dabei eine Rolle. Doch die harte Arbeit, die es kostete, den Anforderungen ihres neuen Lebensstils gerecht zu werden, leistete Ivy ganz allein. Es war alles noch neu für sie. Neu und aufregend, aber auch sehr anstrengend.

Ivy drehte sich vor der verspiegelten Wand ihres begehbaren Kleiderschranks hin und her. Das schwarze, trägerlose Abendkleid saß perfekt. Den ausladenden Rüschenbesatz, der von ihrer Brust bis zum Saum des Kleides reichte, fand sie allerdings ziemlich hässlich. Er war weit auffälliger, als sie es für sich selbst ausgewählt hätte. Sie wusste jedoch, dass die Rüschen zum Kleid passten und auf dem roten Teppich viele Blicke auf sich ziehen würden.

Bei der Vorstellung, im Rampenlicht zu stehen, wurde sie ein wenig nervös. Aber es war schließlich nicht das erste Mal. Ihre Cousins arbeiteten in der Unterhaltungsbranche. Sie spielten in Hollywood eine nicht unbedeutende Rolle, produzierten erfolgreiche Shows und hatten prominente Frauen geheiratet. Ivy hatte ihre Cousins auf etliche Veranstaltungen mit großem Staraufgebot begleitet, sich jedoch stets im Hintergrund gehalten. Sie war nicht gerade erpicht auf allzu große Aufmerksamkeit. Wenn zu viele Blicke auf sie gerichtet waren, fühlte sie sich unbehaglich. Heute Abend würde sie sich jedoch kaum im Hintergrund halten können. Denn es handelte sich nicht um ein Privatvergnügen, sondern um Arbeit. Es gehörte zu ihren Aufgaben, gesehen zu werden.

Ihr Kleid stammte von einer aufstrebenden Nachwuchsdesignerin. Die junge Frau war wie ein Wirbelwind über die Modebranche gekommen und hatte die Aufmerksamkeit etlicher Prominenter erregt. Als Ivy von dem Sender zur Premierenfeier von The Real Deal, einer Realityshow mit weiblichen Risikokapitalanlegern, eingeladen worden war, hatte die Designerin ihre Fühler ausgestreckt und darum gebeten, Ivy für das große Ereignis einkleiden zu dürfen. Ivy hatte Erkundigungen über sie eingezogen, sich in ihre Kreationen verliebt und ohne weiteres Zögern zugesagt.

Jade, die Kosmetikerin, die sie für den Abend engagiert hatte, trat auf sie zu und tupfte ihr das Gesicht mit einem kleinen Schwamm ab.

„Nimm das mit“, sagte sie. „Dann kannst du heute Abend dein Make-up selbst auffrischen.“ Sie reichte Ivy ein kleines Etui, in das sie zuvor einen Lippenstift, Gesichtspuder und einen Kosmetikschwamm getan hatte.

„Danke, Jade.“ Ivy holte tief Luft.

„Nervös?“, fragte Jade lächelnd.

„Ein bisschen. Das ist …“ Ivy suchte nach den richtigen Worten. „Das ist ziemlich viel auf einmal. Sie mich an. Das Gesicht voller Make-up. Das Kleid. Es ist viel mehr, als ich sonst trage. Eigentlich ist das eher der Geschmack meiner Mutter.“

„Aber du bist eine Blackwell. Du solltest an so etwas gewöhnt sein.“

„Versteh mich nicht falsch. Wie jeder anderen Frau gefällt es mir, gut auszusehen. Aber das hier ist etwas anderes. Es ist nicht mehr mein Lebensstil, sondern der meiner Cousins. Ich habe sie nie darum beneidet, im Rampenlicht zu stehen.“

„Du hast recht, es ist etwas anderes“, erwiderte Jade und sortierte ihre Haarbürsten in eine Tasche. „Aber du bist dafür wie geschaffen.“

Ivy neigte den Kopf zur Seite. „Glaubst du wirklich?“

„Natürlich.“ Jade stemmte die Hände auf die Hüften. „Du bist in Finanzkreisen die mondänste Person, die ich kenne. Die meisten anderen Frauen wirken in ihren Kostümen und Etuikleidern ultrakonservativ. Deshalb bist du so schnell bekannt geworden. Du hast Grips, ein Händchen für Geld und Esprit. Dein schicker Stil sorgt dafür, dass es cool wirkt, etwas über Finanzen zu lernen. Schick und clever ist heutzutage sehr sexy. Darum bist du das Finanzgenie. Mit dir bekommt man das volle Paket.“

„Oh, danke.“

„Im Ernst. Freu dich einfach darüber und mach was daraus. Jede Frau zieht sich doch von Zeit zu Zeit gern schick an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du da eine Ausnahme bist.“

Ivy biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. „Vielleicht hast du recht.“ Sie betrachtete sich erneut im Spiegel, machte ein paar Schritte, drehte eine Pirouette und warf das Haar über die Schulter, als würde sie auf dem roten Teppich posieren. Sie warf Jade einen herausfordernden Blick zu.

„Genau das habe ich gemeint“, sagte die Kosmetikerin und lachte.

Ivy stimmte in ihr Gelächter mit ein.

Vom anderen Ende der kurzen Treppe ertönte eine männliche Stimme. „Ivy?“

„Ty“, rief Ivy und raffte ihr langes Kleid. „Ich komme.“

Sie ging vorsichtig die Treppe hinunter und schmiegte sich in Tysons ausgebreitete Arme.

Er küsste sie auf die Wange und hielt sie dann auf Armeslänge von sich. „Du siehst atemberaubend aus“, sagte er mit einem anerkennenden Lächeln.

„Danke.“ Sie blickte sich um. „Wo ist Kendall?“

Jade kam mit einer großen Tasche, die ihre Arbeitsutensilien enthielt, gleichfalls die Treppe herunter und blieb auf der untersten Stufe wie erstarrt stehen. „Warte mal, Tyson Blackwell ist dein Cousin?“

„Genau“, erwiderte Ivy und tätschelte ihrem Cousin die Wange.

„Wow!“ Jades Augen weiteten sich. „Das war mir gar nicht klar. Cool.“ Sie wandte sich an Tyson. „Es ist wirklich schön, Sie kennenzulernen. Sie sind mit Kendall Chandler verheiratet, richtig?“

„Stimmt. Das ist die Dame meines Herzens.“

„Ich liebe ihre Musik.“ Jade wandte sich wieder Ivy zu: „Ich wünsche dir einen schönen Abend. Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Und ruf mich bitte an, wenn du wieder in Los Angeles bist.“

„Das werde ich“, versprach Ivy und warf ihr eine Kusshand zu.

Als Jade sich zum Gehen wandte, kam Kendall herein. Wieder blieb Jade abrupt stehen und starrte Tys Frau fassungslos an. Sekunden später brachen sie alle in Gelächter aus. Eine solche Reaktion war nicht ungewöhnlich, wenn Kendall auftauchte.

„Hi“, sagte Kendall lächelnd und streckte Jade die rechte Hand entgegen.

„Oh …, äh …, du meine Güte. Kendall Chandler.“ Jade ergriff die angebotene Hand und schüttelte sie kräftig. „Das ist so cool. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen.“ Jade schüttelte immer noch Kendalls Hand. „Ich würde Sie zu gern einmal vor einem Auftritt schminken.“

Kendall schaute auf ihre Hand hinunter, die Jade noch immer nicht losgelassen hatte. Dann richtete sie den Blick auf Jade.

„Oh“, machte Jade betreten und ließ hastig die Hand sinken. „Es tut mir leid.“

Kendall lachte. „Kein Problem. Ivy hat ja sicher Ihre Telefonnummer.“

„Wow! Ja, natürlich. Äh … ich sollte jetzt wohl gehen. Wow. Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend.“ Jade ging hinaus. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, hörte Ivy ihr aufgeregtes Kreischen. Erneut brachen sie alle drei in Gelächter aus.

Kendall schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich mich irgendwann daran gewöhnen werde.“

„Ich gebe dir Jades Ratschlag an mich weiter: Freu dich einfach darüber und mach was daraus.“

Wieder mussten sie lachen.

„Danke, dass ihr mich heute Abend begleitet“, sagte Ivy. „Es hieß, ich dürfe jemanden mitbringen. Aber als ich Tyson erwähnte, meinten sie, dann müsste Kendall Chandler doch bitte auch mitkommen. Ich bin froh, dass du Zeit hast.“

Tyson warf einen Blick auf die Uhr. „Es ist Zeit zu gehen.“

Ivy holte tief Luft. „Okay, dann lasst uns die Sache in Angriff nehmen.“

Sie gingen zu dem Wagen, der vor dem Haus wartete. Der Fahrer hielt ihnen zuvorkommend die Tür auf.

Die nächsten Stunden nahm Ivy seltsam verschwommen wahr. Ehe sie es sich versah, stand sie auf dem roten Teppich. Die Luft war erfüllt von den ploppenden Geräuschen eines Blitzlichtgewitters. Journalisten, Kameraleute und Blogger umlagerten die geladenen Gäste.

„Da ist das Finanzgenie! Hallo, drehen Sie sich doch bitte einmal um“, hörte Ivy jemanden rufen. Aber wegen der vielen Blitzlichter konnte sie nicht erkennen, woher der Ruf kam.

Dennoch blieb sie stehen und posierte lächelnd.

„Danke“, rief einer der Journalisten.

Ivy lächelte noch einmal und setzte sich dann wieder in Bewegung. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Tyson und Kendall langsam über den roten Teppich gingen und die Fragen der Journalisten beantworteten. Sie wirkten völlig entspannt, während sie selbst immer noch gegen die Blitzlichter anblinzelte.

Drinnen wurden sie zum Empfangsbereich geführt. Servicekräfte trugen Tabletts mit Champagner, Wein und Häppchen herum. Ivy nahm sich ein Champagnerglas und nippte daran. Jemand stieß heftig gegen ihren Rücken, und der Champagner schwappte über den Rand des schmalen Glases. Sie sprang gerade noch rechtzeitig zurück, um zu verhindern, dass die Flüssigkeit ihr Abendkleid befleckte.

Ärgerlich drehte sie sich zu dem Übeltäter herum, der sie am Ellenbogen festhielt, um sie zu stützen. Sie blickte in sein Gesicht, und die scharfen Worte, die ihr auf der Zunge lagen, wollten plötzlich nicht mehr heraus. Sie entwand sich seinem festen Griff und wollte auf ihn losgehen, aber sein unverschämt gutes Aussehen verschlug ihr die Sprache. Außerdem war ihr bewusst, dass sie hier keine Szene machen konnte. Sie war für ihr Erscheinen gut bezahlt worden. Ihre Aufgabe war es, in kurzen Videos aufzutreten und diese in den sozialen Medien zu posten. Überall lauerten Kameras. Also schluckte sie ihre unfreundlichen Worte herunter und quittierte seine zerknirschte Entschuldigung mit einem steifen Nicken.

„Es tut mir furchtbar leid. Ich war in Eile und habe Sie gar nicht gesehen. Das war sehr unachtsam von mir. Habe ich Ihr Kleid ruiniert?“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß, und ihr wurde plötzlich sehr heiß.

Sie schnaubte und verdrehte die Augen. „Nein, zum Glück nicht.“

„Da bin ich erleichtert. Ich hoffe wirklich, Sie können mir verzeihen.“

Ivy sah ihn nur schweigend an. Sie konnte ihrer Stimme nicht trauen. Außerdem war sie noch immer wütend, gleichgültig wie attraktiv und selbstsicher dieser Mann sein mochte. Auch jetzt noch spürte sie die Stelle zwischen ihren Schulterblättern, wo er sie angerempelt hatte. War er etwa gerannt?

Nach ein paar peinlichen Sekunden wünschte er ihr einen schönen Abend, entschuldigte sich ein letztes Mal und ging weiter. Sein geschmeidiger Gang war ebenso attraktiv wie er selbst. Ivy konnte nicht anders, als ihn zu beobachten. Natürlich konnte sie nicht unter seinen Smoking schauen, aber seine Haltung und Bewegungen verrieten ihr, dass er stark und muskulös sein musste. Seine Schritte waren schnell und zielstrebig. Es war offensichtlich, dass er irgendwo hinwollte. Er hielt sich nicht damit auf, sich mit einem aufgesetzten Lächeln zu unterhalten, Champagner zu trinken und Häppchen zu verspeisen, wie alle anderen Gäste es taten. Ivy wandte den Blick erst ab, als er hinter einer Flügeltür verschwunden war.

„Alles in Ordnung?“, fragte Tyson.

Ivy zuckte erschrocken zusammen. „Ja, alles bestens.“

„Miss Blackwell?“ Ein schlanker Mann mit einer Kamera in der Hand trat zu ihr.

Sie nickte.

„Ich bin Dillon von der Agentur. Meine Aufgabe heute Abend ist es, dafür zu sorgen, dass wir genügend Bildmaterial bekommen.“

„Hallo, Dillon. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

„Die Freude ist ganz meinerseits. Sie müssen nichts weiter tun, als sich unter die Gäste zu mischen und sich zu amüsieren. Ich nehme so viel wie möglich auf. Zeigen Sie einfach nur, wie gut Sie sich fühlen und wie sehr Sie den Abend genießen.“

Ivy holte tief Atem. „In Ordnung. Vielen Dank. Und nennen Sie mich bitte einfach Ivy.“

„Gern, vielen Dank. Dann lassen Sie uns loslegen.“

Ivy leerte ihr Glas und wandte sich an Tyson und Kendall. „Vielleicht fangen wir am besten mit diesem schönen Paar an.“ Sie stellte sich zwischen die beiden, damit Dillon Aufnahmen machen konnte.

Ivy brauchte ein weiteres Glas Champagner, um sich daran zu gewöhnen, dass Dillon ihr überallhin folgte. Aber nach einer Weile entspannte sie sich und begann tatsächlich, sich zu amüsieren. Bekanntschaft mit einigen Stars zu machen und sich dann später mit den anderen Gästen die neue Staffel der Show anzuschauen, waren die Höhepunkte ihres Abends. Danach wurden sie in den Ballsaal geführt, um an der Afterparty teilzunehmen.

Einige Male ertappte sie den Kerl, der beinah ihr Kleid ruiniert hätte, dabei, wie er sie ansah. Sie ignorierte ihn geflissentlich, aber sie beobachtete ihn unauffällig aus den Augenwinkeln. Eine Zeit lang unterhielt er sich mit Tyson, und es schien, als würden sie einander gut kennen. Aber sie fragte ihren Cousin nicht, wer dieser Mann war. Schließlich war sie nicht hier, um Männer kennenzulernen. Obwohl sie vorgab, ihn nicht zu bemerken, kreisten ihre Gedanken unablässig um diesen Fremden.

2. KAPITEL

„Wir brauchen etwas Neues“, sagte Jordan Chambers und lehnte sich in seinem Stuhl am Kopfende des langen Tisches im Konferenzraum der Produktionsfirma zurück.

Er wusste, unter welchem Druck sie standen. Der Konkurrenzkampf in der Fernsehindustrie war gewaltig. Die Firma, die er leitete, musste ständig neue und qualitativ hochwertige Sendungen liefern. Einige ihrer besten Optionen waren kürzlich von anderen Firmen aufgegriffen worden. „Unsere derzeitigen Shows laufen gut, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Die Konkurrenz schläft nicht.“

„Du hast recht“, erklärte Anderson Parks, der Vizeprogrammdirektor. Er stand auf und ging in dem großen Raum auf und ab. „Soweit ich weiß, sind einige andere Firmen auf der Suche nach Büchern, die sich dafür eignen, verfilmt zu werden. Es gibt da ein paar Autoren, die ich auch schon eine Weile im Auge habe.“

„Das ist gut. Darüber sollten wir ernsthaft nachdenken. Aber wir brauchen auch eine neue Realityshow, und zwar eine, die garantiert ein Superhit wird“, sagte Jordan zu Anderson.

Die restlichen Mitglieder seines kleinen Teams saßen an dem weißen Marmortisch und machten nachdenkliche Gesichter.

„Lasst uns auf jeden Fall einen Blick auf die Bestsellerlisten werfen“, sagte Jordan und kratzte sich am Kinn.

Anderson nickte zustimmend. „Vergiss nicht die sozialen Medien. Flix TV hat vor Kurzem eine Influencerin unter Vertag genommen, und ihre Show ist ein großer Erfolg.“

Jordan stand auf, ging zu dem Whiteboard an der Wand und zeichnete eine Tabelle mit vier Spalten. Bücher, Realityshows, Dramen und Influencer. „Also gut“, sagte er und drehte sich zu seinem fünfköpfigen Team um. „Dann wollen wir mal ein paar Ideen sammeln.“

Aus dem Team kamen verschiedene Vorschläge für jede Kategorie, die Jordan an die Tafel schrieb.

„Ich habe Freunde in den sechs größten Verlagshäusern“, sagte er dann. „Ich kann herausfinden, welche Bücher in den nächsten Monaten veröffentlicht werden sollen. So können wir prüfen, ob etwas für uns dabei ist.“

„Was denkst du über das Finanzgenie?“, fragte Anderson. „Ihre Posts und Auftritte werden viel beachtet. Ich habe gerade einen Artikel über sie gelesen. Demnächst wird ein Buch von ihr erscheinen. Sie versteht etwas von ihrem Fach. Und außerdem ist sie echt heiß.“ Er zückte sein Telefon und wischte über das Display. „Das ist sie“, sagte er und hielt das Handy hoch, damit alle das Foto sehen konnten. „Sie hat jetzt über eine Million Follower. Wir könnten eine Realityshow mit ihr machen.“

„Lass mich mal sehen“, bat Jordan und nahm das Telefon, um das Foto und die Kurzbiografie zu studieren.

Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Dann fiel ihm ein, wo er sie gesehen hatte. Es war die junge Frau, die er neulich auf der Party angerempelt hatte. Sofort erinnerte er sich an das zornige Funkeln in ihren Augen, als sie sich zu ihm umgedreht hatte. Zum Glück hatte er ihr Kleid nicht ruiniert. Jordan erinnerte sich auch daran, wie schön sie war.

„Kennst du sie?“, fragte Anderson in seine Gedanken hinein.

„Nein. Ich habe sie neulich auf der Party nur versehentlich angerempelt.“ Er hielt inne und gab Anderson das Telefon zurück. Er hatte das Gefühl, diese Frau einigermaßen einschätzen zu können. Nach ihrer Reaktion zu urteilen, gehörte sie nicht gerade zu den sanftmütigen Vertreterinnen ihres Geschlechts. Obwohl er in Hollywood arbeitete, fand er übergroße Egos nicht attraktiv. Er musste mit ihnen zurechtkommen, weil das zu seiner Arbeit gehörte. Aber er mochte es nicht.

Er runzelte die Stirn und rief sich diesen Abend ins Gedächtnis. Obwohl er sehr beschäftigt gewesen war, hatte er diese Frau hin und wieder beobachtet. Er war auf der Party gewesen, um die Wege für einige anstehende Geschäftsabschlüsse zu ebnen. Aber irgendetwas an ihr hatte ihn magisch angezogen. Ohne es eigentlich zu wollen, hatte er sich immer wieder in ihrer Nähe aufgehalten und versucht, sie nicht zu auffällig anzuschauen. Ein- oder zweimal hatte sie ihn bemerkt, aber ihre Miene war ausdruckslos geblieben. Er konnte nicht einschätzen, was sie dachte. Vermutlich war sie immer noch ärgerlich über seine Unachtsamkeit gewesen. „Frauen“, murmelte er und schob den Gedanken an sie beiseite.

Doch plötzlich fiel ihm etwas ein. „Wisst ihr was? Ich glaube, ich habe sie in Tyler Blackwells Nähe gesehen.“

„Das ist kein Wunder“, sagte Anderson. „Ich glaube, sie ist mit ihm verwandt.“ Erneut reichte er Jordan sein Handy. „Hier, sieh mal. Sie war geschäftlich dort. Sie hat einiges über diesen Abend gepostet.“ Er blinzelte, während er sich gleichzeitig mit Jordan durch ihr Instagram-Konto arbeitete. „Sie heißt Ivy Blackwell. Und da sind etliche Fotos von ihr zusammen mit Tyler und seiner Frau Kendall Chandler.“

„Hat sie etwas mit Tylers Firma zu tun?“, fragte eines der Teammitglieder.

„Möglicherweise. Aber BMG produziert Filme und Serien. Realityshows sind meines Wissens nicht ihr Ding“, sagte Jordan nachdenklich. „Wir sollten sie trotzdem auf die Liste schreiben.“ Er ging zur Tafel und notierte Ivys Namen. Daneben schrieb er den von Tyler in Klammern.

„Gute Idee“, sagte Anderson. „Ich werde über ihr neues Buch recherchieren und herausfinden, wer in ihrem Team ist.“

„Perfekt.“ Jordan lächelte. Trotz ihres holprigen Starts hatte er nichts dagegen, mit dieser Frau zusammenzuarbeiten. Er hatte das Gefühl, als ob es sich für die Firma auszahlen könnte. Und er musste sich selbst eingestehen, dass er sie absolut umwerfend fand. Er konnte nur hoffen, dass er mit seinem ersten Eindruck von ihr falschlag. Sie war nicht gerade freundlich gewesen, und die Vorstellung, es wieder mit einer anspruchsvollen, egoistischen Promi-Göre zu tun zu haben, war nicht gerade verlockend.

Jordans Telefon klingelte. Die Nummer seiner Mutter erschien auf dem Display. Charisse Lane rief ihn eigentlich nie während der Geschäftszeiten an. Also musste es um etwas Wichtiges gehen.

„Entschuldigt mich kurz“, bat er und verließ den Konferenzraum, bevor er das Gespräch entgegennahm.

„Wie geht es meinem Lieblingsmädchen?“, meldete er sich.

„Hallo, Liebling. Mir geht es … ganz gut.“

Ihre zögerliche Antwort entging Jordan nicht. Er warf einen kurzen Blick auf sein Team, das noch immer mit Brainstorming beschäftigt war, und ging ein Stück weiter den Flur entlang. Er wollte nicht, dass jemand dieses Gespräch mit anhörte. „Ist alles in Ordnung, Mom?“

„Na ja, eigentlich nicht.“

Jordans Herzschlag beschleunigte sich. „Was ist los? Kann ich dir helfen?“

„Es … es geht um Timothy.“

Jordan stieß den angehaltenen Atem aus. Er war seiner Mutter sehr zugetan. Mit seinem Stiefvater Timothy verhielt es sich allerdings ganz anders. Um seiner Mutter willen versuchte er, ihm mit Höflichkeit zu begegnen. „Was ist los mit ihm?“, fragte er schärfer, als er beabsichtigt hatte.

„Er braucht ein wenig Hilfe.“

„Bei allem gebotenen Respekt, Mom, du rufst mich an, um meine Hilfe für diesen Mann zu erbitten?“

„Liebling, ich weiß, was du von Timmy hältst. Aber diese Sache hat Auswirkungen auf uns beide.“

Jordan schnaubte abfällig. Eigentlich hätte er am liebsten kategorisch abgelehnt. Aber es war seine Mutter, die ihn um Hilfe bat. Er musste sich zumindest anhören, was sie zu sagen hatte. Es gab nichts, was er nicht für sie getan hätte.

„Kannst du mich bitte nach der Arbeit anrufen?“

„Um was …“ Er brach ab und schluckte die Frage, um was es ging, hinunter. Es spielte keine Rolle. Was es auch sein mochte, es würde ihm nicht gefallen.

„Bitte, Jordan.“

„Also gut“, sagte er nach kurzem Zögern. „Ich rufe dich um halb sechs an. In Ordnung?“ So hatte er Zeit, um nach Hause zu fahren. Und angesichts des Zeitunterschieds von drei Stunden zwischen Los Angeles und New York wäre es für seine Mutter nicht zu spät.

„Das wäre großartig. Danke, mein Schatz.“

„Bis dann also, Mom“, sagte er und beendete das Gespräch.

Bevor er in den Konferenzraum zurückkehrte, ging er noch eine Weile auf und ab. Er musste seine aufgewühlten Gedanken sammeln. Was mochte sein Stiefvater von ihm wollen? Er war noch nie gut mit diesem Mann ausgekommen. Als Timothy seine Mutter geheiratet hatte, waren Jordan und sein Bruder Dorian Teenager gewesen. Ihr Stiefvater war der Grund gewesen, weshalb Jordan und Dorian nach dem College nicht nach Hause zurückgekehrt waren. Sie weigerten sich beide, mit diesem Mann zusammenzuleben. Allerdings hatte es den Anschein, als ob es Timothy gelang, dass es ihrer Mutter besser ging, nachdem sie zuvor an einem Tiefpunkt ihres Lebens angekommen war. Trotz ihrer Gefühle für diesen Mann fiel es ihnen leichter, ihn zu tolerieren, weil ihre Mutter in ihrer Ehe offensichtlich glücklich war. Um dieses Glück nicht zu trüben, gaben sich die beiden Brüder große Mühe, nett zu ihrem Stiefvater zu sein.

Jordan holte tief Luft und kehrte zu seinem Team zurück. Die nächste Viertelstunde verbrachte er mit dem Versuch, sich auf die Besprechung zu konzentrieren. Aber es wollte ihm nicht gelingen.

„Lasst uns das Ganze auf morgen vertagen“, sagte er schließlich. „So haben wir alle etwas Zeit, um neue Ideen zu entwickeln.“

„In Ordnung“, pflichtete Anderson ihm bei. „Wir machen morgen weiter.“

Jordan war der Erste, der den Konferenzraum verließ. Anderson folgte ihm auf den Fersen. Aber er hüllte sich in Schweigen, bis sie die Tür von Jordans luxuriösem Büro hinter sich geschlossen hatten. Die Glaswände boten einen Ausblick auf den Wilshire Boulevard und sorgten dafür, dass der Raum von Tageslicht durchflutet war.

Jordan trat hinter seinen Schreibtisch und blickte nach draußen. Anderson setzte sich auf das blaue Sofa und schlug die Beine übereinander. Für eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort. Anderson kannte Jordan lange genug, um zu spüren, wenn seinen langjährigen Freund etwas umtrieb.

„Meine Mutter hat mich angerufen“, sagte Jordan schließlich.

„Ist mit ihr alles in Ordnung“?

Er zuckte die Schultern. „Ich denke schon.“

„Was ist es dann?“, hakte Anderson nach.

„Es geht um ihn.“

Anderson seufzte. Er kannte die Geschichte. Er wusste, wie sehr sein Freund seinen Stiefvater verabscheute. Und er wusste auch, wie tief diese Abneigung ging. „Was ist mit ihm?“

„Ich weiß es noch nicht.“ Jordan drehte sich um und sah seinen Freund an. „Ich werde es wohl heute Abend erfahren. Meine Mutter hat darum gebeten, dass ich sie heute noch anrufe. Ich habe keine Ahnung, worum es geht. Aber es ist bestimmt nichts Gutes.“

Anderson schüttelte betrübt den Kopf und stand auf. „Lass es mich wissen, wenn du mich brauchst.“

„Danke, aber das wird wohl nicht nötig sein. Ich spreche am besten mit Dorian darüber.“

„Dann gib mir Bescheid, wenn du nach dem Gespräch einen Drink brauchst.“

„Das mache ich.“

Anderson verließ das Büro, und Jordan schaute weiter aus dem Fenster. Er versuchte, sich auf das Telefonat mit seiner Mutter vorzubereiten. Er brauchte entweder einen Kaffee oder einen Drink. Er entschied sich für den Kaffee vor dem Gespräch und den Drink danach.

Er arbeitete noch ein paar Stunden, bevor er die Firma verließ. Er fuhr zu seinem bevorzugten Coffeeshop, der einem guten Freund gehörte. Die Augen auf das Telefon in seiner Hand gerichtet, öffnete er die Ladentür – und stieß mit einer Frau zusammen, die auf dem Weg nach draußen war.

Der Deckel des Bechers, den sie in der Hand hielt, fiel ab, und die kochend heiße Flüssigkeit ergoss sich über sie beide. Das alles schien in Zeitlupe zu geschehen, bis Jordan die Hitze auf seiner Brust spürte. Die Frau keuchte und sprang zurück, bevor noch mehr von dem heißen Gebräu sie treffen konnte. Sie zog den durchtränkten Stoff ihrer Bluse nach vorn, um den Hautkontakt zu vermeiden. Jordan blickte fassungslos in ihr zorniges Gesicht und konnte nicht glauben, dass es schon wieder passiert war.

„Es tut mir furchtbar leid, Miss.“

Die Frau blickte ihn aus geweiteten Augen an und stieß die Luft aus. Das Wiedererkennen setzte bei ihnen beiden gleichzeitig ein. Es war die Frau, die er neulich auf der Party versehentlich angestoßen hatte.

„Verfolgen Sie mich etwa?“, zischte sie wütend.

Jordan konnte sich nicht entscheiden, was heißer war. Der Kaffee auf seiner Haut oder der Zorn, der in ihren Augen funkelte. Er schüttelte den Kopf. „Es tut mir wirklich unendlich leid. Bitte lassen Sie mich Ihnen helfen.“ Er machte einen Schritt auf den Serviettenhalter neben der Tür zu.

„Nein.“ Die Frau hob beide Hände. „Nein, vielen Dank. Ich will Ihre Hilfe nicht.“ Sie drehte sich um und verschwand in der Damentoilette.

Jordan nahm sich ein paar Servietten aus dem Halter, betupfte sein Hemd und bestellte sich schwarzen Kaffee und einen Becher von dem Getränk, das die Frau gekauft hatte. Eine ganze Weile wartete er, bis sie wieder aus dem Waschraum kam. Als der Barista ihr den Becher überreichte, deutete sie fragend in Jordans Richtung. Jordan hob seinen Becher und nickte. Die Frau erwiderte das Nicken, blickte ihn noch einmal eindringlich an und verließ den Coffeeshop.

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, zweimal mit derselben Frau zusammenzustoßen und sie mit Flüssigkeit zu übergießen? Jordan hoffte, dass dieser Tag nicht noch schlimmer werden würde.

3. KAPITEL

Ivy konnte es immer noch nicht fassen. Wie konnte es sein, dass innerhalb von ein paar Tagen derselbe Mann sie anrempelte und ihre Getränke verschüttete? Und diesmal war sie nicht so glimpflich davongekommen. Gleichgültig, wie lange sie im Waschraum auch die Vorderseite ihres weißen T-Shirts schrubbte, die braunen Flecken ließen sich nicht auswaschen. Sie musste also vor ihrem Treffen mit Tyler noch einmal in ihr Hotel zurück, um sich umzuziehen. Dabei war sie so müde. Noch ein weiterer Zwischenstopp in ihrem ausgefüllten Tag war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Angesichts ihres Schlafmangels und des übervollen Terminkalenders wusste sie nicht, wie sie die nächsten Stunden überstehen sollte.

Sie schrieb ihrem Cousin eine Nachricht, dass sie sich zu ihrem gemeinsamen Abendessen verspäten würde. Danach verließ sie die Damentoilette, empfing ihren Ersatz für den verschütteten Kaffee und speiste den Herrn, der offensichtlich dafür bezahlt hatte, mit einem Nicken ab. Zumindest hatte er dafür gesorgt, dass sie in dieser Hinsicht entschädigt wurde. Das war immerhin eine nette Geste. Sie erwischte ein Taxi und ließ sich in ihr Hotel fahren. Mit einer Verspätung von einer halben Stunde betrat sie das Restaurant, in dem Tyler und Kendall schon auf sie warteten.

„Ich entschuldige mich für die Verspätung“, sagte sie und ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Ihr werdet nicht glauben, was mir passiert ist.“

„Ist schon gut, kein Problem“, erwiderte Kendall mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Wir haben schon für dich bestellt.“ Sie zeigte Ivy auf der Speisekarte, was sie ausgesucht hatten. „Ist das gut?“

„Ja, perfekt.“

„Großartig“, sagte Tyler und blickte Ivy neugierig an. „Und was ist dir passiert?“

Ivy berichtete von dem zweiten Zusammenstoß mit diesem Mann und ihrem fleckigen T-Shirt.

„Machst du Witze?“, fragte Kendall ungläubig. „Wie hoch stehen die Chancen für so etwas?“

Tyler schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dieser Kerl verfolgt mich“, schnaubte Ivy.

„Jedenfalls ist es schön, dass wir uns vor deiner Abreise noch einmal sehen“, sagte Kendall. „Wenn du das nächste Mal nach Los Angeles kommst, sind wir nicht da.“

„Ich weiß. Bist du schon aufgeregt wegen der Tournee? Wie lange wirst du unterwegs sein?“, fragte Ivy.

„Tyler und ich sind ein paar Wochen in Schottland, um das neue Video zu drehen. Die Tournee beginnt danach.“

„Dein neues Album ist ein voller Erfolg. Ich bin so stolz auf dich. Wie schaffst du das nur alles?“

„Ich sammele in meiner Freizeit neue Energie. Nach der Tournee habe ich zwei ganze Monate, bevor ich wieder arbeiten muss.“

„Genau“, sagte Tyler und küsste seine Frau auf die Stirn. „Und dann habe ich meine Frau ganz für mich allein.“

„Wir werden eine Reise machen.“ Kendalls Gesicht strahlte vor Freude und Aufregung. Sie legte eine Hand auf die ihres Mannes.

„Wir verbringen ein paar Wochen in unserem Haus in Montana, und dann reisen wir nach Übersee“, berichtete Tyler.

„Das klingt gut“, sagte Ivy und legte den Kopf schief. „Aber bis dahin habt ihr alle Hände voll zu tun. Wirklich, wie schafft ihr das nur?“

Das hätte Ivy zu gern gewusst. Ihr neues Leben verlangte ihr sehr viel ab. Immer wieder tauchte in ihr der vage Wunsch auf, dem allen zu entfliehen.

Es war schon viel Arbeit gewesen, eine Frauengruppe in der Firma ihrer Familie zu gründen, die sich mit dem Finanzwesen beschäftigte. Sie hatte zahllose Stunden damit verbracht, Veranstaltungen und Workshops zu planen und zu organisieren und die Mitglieder der Gruppe zu unterrichten. Dabei waren auch ihre Abende und die Wochenenden nicht ausgespart worden. Aber diese Arbeit war auch sehr erfüllend, und ihr Vater hatte nahezu ekstatisch darauf reagiert, dass seine Firma durch die vielen neuen Kundinnen noch weiter gewachsen war. Aber dann hatte Ivys Popularität bei etlichen Frauenorganisationen unaufhaltsam zu ihrer jetzigen Situation geführt. Eine Situation, mit der ihre Eltern ganz und gar nicht einverstanden waren.

Nachdem eine Servicekraft ihnen das Essen serviert hatte, wandte sich Ivy erneut an Kendall: „Ich würde wirklich gern wissen, wie du das alles bewältigst. Ich arbeite nur halb so viel wie du und bin immerzu todmüde. Und es ist kein Ende in Sicht. Ich bin natürlich sehr dankbar für all die Chancen, die sich mir eröffnen. Aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte.“

Kendall und Tyler tauschten einen Blick und schauten dann zu Ivy. „Dann hör auf“, sagten sie wie aus einem Mund.

Ivy sank das Herz. Ja, daran hatte sie auch schon gedacht. Aber sie gehörte nicht zu den Menschen, die so leicht das Handtuch warfen. Außerdem fühlte es sich viel zu gut an, so vielen Frauen neue Perspektiven zu eröffnen. Es kam ihr vor, als würde sie der Welt etwas von dem zurückgeben, was sie selbst erhalten hatte. Und nicht zuletzt war sie stolz auf das, was sie erreicht hatte. Sie musste an ihre Eltern denken. Was würden sie sagen, wenn sie aufgab? Noch eine Blackwell, die alldem, was sie für die Familie geschaffen hatten, den Rücken kehrte?

„Ivy?“

„Ja?“ Ivy warf Tyler und Kendall einen schuldbewussten Blick zu. Sie hatte sich in ihren Gedanken verloren und die Anwesenheit der beiden fast vergessen. „Tut mir leid.“

„Du willst die Firma deiner Eltern nicht verlassen, oder?“, fragte Tyler.

Sie seufzte. „Nein.“

„Ist es das, was du willst, oder möchtest du nur deine Eltern nicht enttäuschen?“

Ivy ließ die Schultern sinken. „Beides.“

„Was denken sie über all das, was du außerhalb der Firma tust?“

„Sie sind nicht besonders beeindruckt. Sie finden, dass ich damit meinem Image schade. Und natürlich auch dem der Firma.“

„Das dachte ich mir“, gab Tyler zurück.

Kendall nickte verständnisvoll. „Meine Familie ist deiner ziemlich ähnlich. Irgendwann musst du die Entscheidung treffen zwischen dem, was deine Familie will, und dem, was du selbst möchtest. Und dabei solltest du nicht vergessen, dass du dir inzwischen selbst einen Namen gemacht hast.“

„Genau das ist laut meinem Vater Teil des Problems. Er sagt, ich hätte auch vorher schon einen Namen gehabt, auf den ich stolz sein konnte.“

„Darf ich dir einen Rat geben?“, fragte Kendall.

„Natürlich. Deshalb habe ich dich ja gefragt, wie du es machst.“

„Nimm dir Zeit, darüber nachzudenken, was du wirklich willst. Genau wie wir wirst du es auch lernen, dein anstrengendes Leben zu bewältigen. Es ist ja noch alles ziemlich neu für dich. Aber du musst auch dafür sorgen, dass du Zeit hast, abzuschalten und dich zu erholen. Und am wichtigsten ist: Fast jede Entscheidung, die du triffst, birgt die Gefahr in sich, jemanden unglücklich zu machen. Wer wird das sein? Du oder deine Eltern?“

Kendalls letzte Bemerkung traf Ivy bis ins Mark. Sie musste wirklich gründlich über alles nachdenken. In ihrem Kopf kreisten zahllose Fragen. Wessen Glück musste sie opfern, um das Leben zu führen, das sie am meisten wollte? Und was wollte sie überhaupt?

4. KAPITEL

Jordan versuchte, sich zu konzentrieren, aber seine Gedanken kehrten immer wieder zu dem Gespräch zurück, das er am gestrigen Abend mit seiner Mutter und seinem Stiefvater geführt hatte. Bis jetzt war es ihm nicht gelungen, Dorian ans Telefon zu bekommen. Daher hatte er mit niemandem über die Bitte seines Stiefvaters reden können. Als er endlich ein Lebenszeichen seines Bruders erhalten hatte, besagte die Nachricht nur, dass der ihn im Laufe des Abends anrufen würde.

Anderson klopfte an die Bürotür, bevor er eintrat. „Du bist heute ziemlich früh hier.“

Jordan nickte. „Ich konnte nicht schlafen. Deshalb habe ich beschlossen, heute früher anzufangen.“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Und was machst du schon hier?“

„Ich habe großartige Neuigkeiten“, erwiderte Anderson und klatschte in die Hände. „Ich glaube, wir haben das große Los gezogen, aber wir müssen schnell reagieren. Ich wollte eine kurze Präsentation für unsere Besprechung heute zusammenstellen, damit alle es erfahren.“

„Ich kann gute Neuigkeiten gebrauchen“, sagte Jordan und wies einladend auf den Besuchersessel vor seinem Schreibtisch.

Anderson setzte sich und grinste breit. „Bist du bereit und aufnahmefähig?“

„Bin ich. Schieß los.“

„Einer von meinen Verlagskontakten hat mir erzählt, dass sie in einigen Wochen ein Buch des Finanzgenies herausbringen. Ivy Blackwell ist gerade sehr angesagt. Ich sagte ihm, dass wir auf der Suche nach etwas Neuem sind. Und dass eine Show mit ihr, wie sie den Leuten hilft, reich zu werden und finanzielle Probleme zu lösen, ein Riesenerfolg werden könnte. Wir könnten schon bei der Markteinführung zusammenarbeiten und das Buch als Werbung für die Show nutzen. Dieses Buch schafft es vielleicht auf die Bestsellerliste der New York Times. Der Verlag, die Autorin und wir könnten alle von einer Kooperation profitieren.“ Er räusperte sich. „Ihm gefiel die Idee. Er meinte, er würde heute mit seinem Team sprechen und so bald wie möglich einsteigen. Der Verlag hat auch die Filmrechte an diesem Buch. Wir können die Verlagsleute nächste Woche treffen, wenn wir in New York sind.“

Jordan nickte. „Ich glaube, sie wohnt dort. Wir sollten versuchen, uns mit ihr zu treffen, bevor wir nach New York fliegen. Sieh zu, dass du ihre Kontaktdaten bekommst.“

„Geht klar.“

Jordan fand die Idee seines Vizeprogrammdirektors ziemlich gut. Er fragte sich allerdings, wie diese Ivy Blackwell auf ein Angebot seiner Firma reagieren würde. Hoffentlich veranlassten ein verschütteter Champagner und Kaffee sie nicht, ihnen die kalte Schulter zu zeigen. Wenn er ganz ehrlich mit sich war, musste er sich eingestehen, dass er Ivy gern wiedersehen würde.

Als Anderson aufstand, um sich an die Arbeit zu machen, nickte Jordan ihm anerkennend zu. Diese unverhoffte Entwicklung erfüllte ihn mit neuer Energie, und für einen Moment hatte er seine familiären Sorgen ganz vergessen. Als die Erinnerung an den gestrigen Abend zurückkehrte, verdrängte er sie und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Er notierte ein paar Ideen für eine Pilotsendung. Dann durchsuchte er mit seinem Handy die Accounts des Finanzgenies in den sozialen Medien. Ihm war klar, dass dort immer nur die halbe Wahrheit stand, aber er wollte so viel wie möglich über sie herausfinden. Sie stammte aus einer Familie, die in New York ein Finanzimperium lenkte. Allein ihre familiären Verbindungen sprachen Bände. Er hatte sie auf der Party neulich zusammen mit Tyler Blackwell gesehen. Jetzt verstand er ihre Beziehung. Sie waren Cousin und Cousine.

Ivys Internetauftritte waren hervorragend gestaltet und sehr professionell. Sie strahlten Reichtum und Luxus aus, aber sie schaffte es trotzdem, bodenständig, bescheiden und sympathisch zu wirken. Ihre kurzen Videos, in denen sie dem Publikum Finanztipps gab, zeigten deutlich, wie viel Sinn für Humor sie besaß. Jordan verstand, warum ihre Follower sie so sehr verehrten. Sie wollten so sein wie sie.

Obwohl er längst gefunden hatte, was er suchte, scrollte er weiter durch ihre Profile. Je mehr er über Ivy erfuhr, desto besser gefiel ihm die Idee, mit ihr zusammenzuarbeiten. Er betrachtete die Aufnahmen von der Party. Sie war genauso schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihm war aufgefallen, dass es in ihrem Leben offenbar keinen Mann gab. Jedenfalls war in den zahllosen Einträgen nicht davon die Rede. Aber vielleicht hielt sie ihr Privatleben ja auch unter Verschluss.

Jordans letzte Freundin Mya war geradezu süchtig nach sozialen Medien gewesen. Ständig postete sie Fotos und Texte und überprüfte ihre Accounts auf Kommentare und Likes. Er stand in ständiger Konkurrenz mit ihrem Handy, wenn es um ihre Aufmerksamkeit ging. Sie konnten nicht einmal zu einem gemeinsamen Abendessen ausgehen, ohne dass sie zahllose Fotos davon postete. Mya schien sich von der Aufmerksamkeit, die ihre Fans ihr schenkten, sozusagen zu ernähren. Das war alles ein bisschen viel für Jordan gewesen.

Schließlich gerieten sie in eine Sackgasse. Mya beklagte sich über die vielen Stunden, die er in seiner Firma verbrachte, und er beklagte sich darüber, wie viel Zeit sie für ihr Hobby aufwendete. Eines Abends kehrte er in das große Haus zurück, das sie gemeinsam bewohnten, um es leer vorzufinden. Obwohl ihm klar war, dass sie viele Probleme hatten, liebte er sie. Und nun hatte sie ihn verlassen. Er blockierte sie auf seinen Medienkonten. Er hätte es nicht ertragen, ihre ständigen Posts zu sehen, ohne direkten Kontakt zu ihr zu haben. Sie gehörte nun ihren Freunden und Fans und nicht länger zu ihm.

Ungefähr ein Jahr später traf er sie zufällig. Ihr Verlobungsring schockierte ihn fast ebenso sehr wie ihr deutlich sichtbarer Babybauch. Er verspürte einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend. Doch durch ihre kurze, peinliche Begegnung konnte er mit der Sache abschließen. Sie war vor ihm geradewegs in die Arme eines anderen Mannes geflohen. Jordan fragte sich, ob es diesen Mann möglicherweise schon gab, als sie noch bei ihm gewohnt hatte.

Ein Blick auf die Uhr zeigte Jordan, dass mehr als eine halbe Stunde vergangen war. Er setzte seine Nachforschungen über Ivy fort. Einige Interviews, die er abspielte, gaben ihm Gelegenheit, ihre Stimme zu hören. Sie war voll und doch sanft. Jordan hätte ihr den ganzen Tag lang zuhören können.

Nachdem er sich wieder seinen Pflichten zugewandt hatte, kam ihm die Bitte seines Stiefvaters erneut in den Sinn. Jordan nahm sein Telefon zur Hand und wählte zum wiederholten Mal die Nummer seines Bruders. Dorian nahm das Gespräch nicht an, schrieb ihm aber eine Nachricht, dass er sich abends melden würde. Jordan seufzte. Er hätte zu gern mit seinem Bruder gesprochen.

Als sein Telefon eine halbe Stunde später klingelte, ergriff er es eilig in der Hoffnung, dass dies Dorians ersehnter Rückruf wäre. Aber es war seine Mutter.

„Hallo, Mom.“ Er bemühte sich um einen möglichst fröhlichen und unbeschwerten Tonfall.

„Ich möchte nur wissen, wie es dir geht.“

„Gut, Mom. Und dir?“

„Ebenso. Ich wollte dir auch sagen, wie sehr ich zu schätzen weiß, dass du gestern Abend mit deinem Stiefvater gesprochen hast.“

„Gern geschehen“, erwiderte Jordan nach kurzem Zögern.

„Ich habe nachgedacht, Liebling. Es ist schon eine ganze Weile her, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Wann kommst du mich wieder einmal besuchen?“

„Mein Team und ich haben vor, für einige Besprechungen nächste Woche nach New York zu fliegen.“

„Oh, wunderbar“, sagte seine Mutter begeistert. „Wann genau wirst du hier sein?“

„Eigentlich ab Sonntag. Aber ich kann auch einen Tag früher fliegen.“

„Das wäre schön. Dann könnten wir am Sonntag zusammen zum Brunch gehen.“

„Nichts würde mich glücklicher machen, als mein Lieblingsmädchen zum Brunch auszuführen.“ Jordan hoffte im Stillen, dass sie nicht vorschlagen würde, seinen Stiefvater mitzunehmen.

„Freut mich zu hören. Aber ich werde dich einladen.“

„Kommt nicht infrage. Ich hole dich am Sonntag um zwölf Uhr ab, Mom.“

„Das passt perfekt. Ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.“

Jordan verabschiedete sich von seiner Mutter und legte auf.

Er musste an den Tag denken, als Tim Lane in ihr Leben getreten war. Das war zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters gewesen. Jordan, Dorian und ihre Mutter waren noch immer in tiefer Trauer. Tim kam ihnen wie ein Ritter in schimmernder Rüstung vor. Jordan war damals überzeugt, dass er die Lücke füllen würde, die der Verlust seines Vaters in ihrer aller Leben hinterlassen hatte. Doch so war es nicht gekommen. Tim betete ihre Mutter an, aber Jordan und Dorian schienen für ihn nur eine Last zu sein. Sie waren ihm im Weg. Und nun wollte dieser Mann seine Hilfe.

5. KAPITEL

„Warte mal. Wie bitte?“ Ivy sprang auf und warf dabei beinah ihren Bürostuhl um. „Eine Fernsehshow?“ Sie ging eilig zu ihrer Bürotür, um sie zu schließen. Sie wollte nicht, dass jemand dieses Gespräch mit anhörte. „Du meine Güte.“

„Ja“, sagte ihre Agentin Jamie. „Das ist eine wirklich große Sache.“

„Wow.“ Ivy hatte weiche Knie und ließ sich auf das Sofa sinken. „Das hätte ich nie zu träumen gewagt.“

„Und doch ist es wahr geworden. Die Produzenten werden nächste Woche in der Stadt sein. Sie wollen sich mit dir treffen.“

„An welchem Tag?“ Ivys Magen zog sich zusammen. Ihr Terminkalender war völlig ausgebucht. Aber irgendwie musste sie Platz für dieses Treffen schaffen. Zu einer Fernsehshow konnte sie unmöglich Nein sagen.

„Am Dienstag um halb elf. Geht das?“, fragte Jamie.

„Einen Moment.“ Ivy blätterte durch den Kalender auf ihrem Handy. „Unglücklicherweise habe ich da schon einen Termin.“

„Verdammt.“ Jamie seufzte. „Sie wollen sich vor der Besprechung mit dem Sender mit uns treffen. Ich fürchte, es gibt keine anderen Optionen. Kannst du da etwas tun? Ich frage natürlich nach, ob sie den Termin verschieben können.“

Ivy rieb sich die Schläfe. „Ja, bitte mach das. Wenn es nicht möglich ist, sag einfach zu. Dann muss ich versuchen, meinen Termin zu verschieben.“

„Gut. Ich melde mich wieder bei dir.“

„Wow. Meine eigene Show“, flüsterte Ivy.

„Genau. Deine ganz eigene Show.“

„Danke, Jamie. Bis bald.“

Nach dem Telefonat saß Ivy eine Weile da und schaute blicklos ins Leere. Sie musste den Schock erst einmal verkraften und darüber nachdenken, wie sie es einrichten sollte, dass dieses Treffen stattfinden konnte. Ihr Termin am Dienstag war eine Besprechung mit Dale Billington, einer steinreichen Erbin aus New York. Wenn Ivy Erfolg hatte, wäre Dale die wichtigste Kundin, die sie je an Land gezogen hatte. Es hatte Monate gedauert, bis Dale sich zu einem Treffen bereit erklärte. Sie war offenbar eine etwas schwierige Person und wollte mit niemand anderem als mit Ivy reden, seit sie etwas über sie in einem Zeitungsartikel gelesen hatte.

Wieder einmal kamen ihre Aktivitäten als Influencerin ihrem Berufsleben in die Quere. Dabei hatte sie ihrem Vater versprochen, dass genau das nicht passieren würde. Sie hatte ihm die Idee verkauft, dass Blackwell Wealth mehr Frauen in hohen Positionen brauchte, um weibliche Kunden zu gewinnen. Und bis jetzt hatte das sehr gut funktioniert. Sie hatte der Frau ihres Bruders, Zoe, davon erzählt. Zoe war von der Idee sehr angetan und hatte zugestimmt, in die Firma zurückzukehren und Ivy dabei zu unterstützen, die Frauenabteilung zu leiten. Es war ihnen gelungen, eine beachtliche Anzahl von wohlhabenden Frauen an die Firma zu binden. Ivy war stolz auf ihre Leistungen, aber ihr zunehmender Bekanntheitsgrad hatte Konflikte innerhalb der Firma und ihrer Familie verursacht.

Ivy wählte Zoes Nummer.

Als die sich meldete, stand sie auf und ging im Raum auf und ab. „Kannst du bitte in mein Büro kommen? Jetzt gleich?“ Ivy versuchte, möglichst ruhig zu klingen. Dabei war sie so aufgewühlt, dass sie hätte schreien können.

Kurz darauf spähte Zoe in ihr Büro. Als sie sah, wie Ivy nervös durch ihr Büro ging, trat sie vorsichtig ein und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Also. Was ist los?“

„Komm“, sagte Ivy, nahm ihre Schwägerin beim Arm und führte sie zu dem Sofa. „Setz dich bitte.“ Ivy ließ sich nieder und zog Zoe neben sich.

„Schieß los“, sagte Zoe.

„Mir wurde eine Fernsehshow angeboten.“

„Was?“, kreischte Zoe.

Ivy legte eine Hand auf den Mund ihrer Schwägerin. „Pst.“ Sie vergewisserte sich mit einem Blick, dass ihre Tür geschlossen war.

„Eine Fernsehshow?“, flüsterte Zoe.

Ivy musste lachen. Sie wollte nicht, dass noch jemand davon erfuhr, aber es war nicht nötig zu flüstern. „Ja. Ich kann es immer noch nicht fassen.“ Sie stand auf und ging zum Fenster. Einige Sekunden lang beobachtete sie den regen Verkehr auf der Sixth Avenue. Dann drehte sie sich zu Zoe um.

„Erzähl mir alles darüber“, bat Zoe ungeduldig.

Ivy setzte sich wieder neben sie. „Das ist alles, was ich bis jetzt weiß.“ Sie berichtete über das Gespräch mit Jamie und das Problem mit den sich überschneidenden Terminen.

„O nein.“ Zoe lehnte sich zurück und holte tief Atem. „Wir müssen uns etwas ausdenken. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis wir den Termin mit Dale hatten. Ich nehme an, du hast noch nicht mit Pop gesprochen?“ So nannte Zoe ihren Schwiegervater.

„Natürlich nicht. Erst muss ich die Sache regeln. Mir ist klar, dass es keine Option ist, den Termin mit Dale zu verschieben. Ich hoffe, Jamie kann den Termin mit diesen Produzenten verlegen.“

„Du meine Güte, Ivy.“ Zoe schüttelte den Kopf und lachte. „Eine eigene Fernsehshow. Das ist einfach unglaublich. Aber wie willst du das alles schaffen?“

„Ich habe keine Ahnung. Aber dieses Angebot ist zu gut, um es abzulehnen. Es ist, als ob ein Traum wahr würde.“

Zoe lächelte nur und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ivy hob einen Zeigefinger. „Wir müssen das allerdings vorerst für uns behalten. Du musst es mir versprechen.“

„Ethan würde nie …“

„Zoe“, sagte Ivy eindringlich. „Versprich mir, dass du auch Ethan nichts davon sagst. Ich will auf jeden Fall verhindern, dass Dad etwas davon erfährt, bis ich sicher weiß, ob aus der Sache wirklich etwas wird.“

„Also gut.“ Zoe ließ die Schultern sinken. „Ich verspreche es dir.“

Ivy sah ihre Schwägerin misstrauisch an. Sie bezweifelte, dass Zoe sich an ihr Versprechen halten und ihrem Ehemann tatsächlich nichts davon erzählen würde. Die beiden waren nicht nur ein Ehepaar, sondern auch beste Freunde. Sie hatten nie Geheimnisse voreinander.

„Guck mich nicht so an. Ich werde Ethan kein Sterbenswort verraten. Aber sobald es in Ordnung ist, darüber zu reden, musst du mir Bescheid sagen. Ethan wird bestimmt völlig durchdrehen.“

„So wie ich“, sagte Ivy trocken.

„In der Zwischenzeit müssen wir dafür sorgen, dass beide Treffen stattfinden können“, sagte Zoe, während sie zur Tür ging. „Lass es mich wissen, wenn du etwas von deiner Agentin hörst.“

„Aber sicher“, gab Ivy zurück.

Ihre Schwägerin öffnete die Tür und drehte sich noch einmal um. „Du bist doch nächste Woche hier, oder?“

Ivy nickte.

„Kannst du zu Ethans Geburtstagsdinner am Dienstagabend kommen?“

„Mit Vergnügen.“

„Und ich bin gezwungen, die ganze Zeit diese aufregenden Neuigkeiten für mich zu behalten.“

Ivy hob die Augenbrauen. „Wehe, du verlierst nur ein Wort darüber.“

Zoe hob eine Hand zum Mund und tat so, als würde sie einen Schlüssel umdrehen. „Du wirst ein Star werden“, flüsterte sie und verließ kichernd das Büro.

Ivy warf den Kopf zurück und lachte. Aber ihre Freude währte nicht lange. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und warf einen Blick in den Spiegel, der dort stand. Sie hatte dunkle Ränder unter den Augen. Das leichte Make-up konnte ihre Müdigkeit nicht kaschieren. Wie sollte sie das alles bloß schaffen? Und was würde es für ihre Position im Familienbetrieb bedeuten?

6. KAPITEL

Bis Jordan seine Mutter von ihrem Haus in Queens abholte, kreisten seine Gedanken um Ivy Blackwell. Sie wäre perfekt für die Show, die er im Sinn hatte. Ihm gefiel, wie sehr sie sich für andere einsetzte und vielen Frauen dabei half, Vermögen zu bilden. Seine Mutter hätte nach dem Tod ihres Mannes jemanden wie Ivy gebrauchen können.

Der Grad ihrer Präsenz in den sozialen Medien verursachte ihm allerdings ein wenig Unbehagen, weil seine ehemalige Freundin Mya so besessen davon gewesen war. Wie viel von den Einträgen und Posts machte Ivy wohl selbst, und wie groß war der Anteil, den ihr Team vornahm? Der Wunsch, die Frau hinter der öffentlichen Person kennenzulernen, wurde immer stärker.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er die Einfahrt zum Haus seiner Mutter entlangfuhr. Charisse hatte schon auf ihn gewartet. Sie lief mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Jordan stieg aus dem Wagen und schmiegte sich in ihre Umarmung.

„Oh, mein Baby ist zu Hause.“ Charisse drückte ihn überschwänglich an sich.

Jordan legte im Gegenzug die Arme um sie, hob sie hoch und wirbelte sie einmal im Kreis um sich herum. „Wie geht es dir, schöne Dame?“ Behutsam stellte er sie wieder auf die Füße.

„Viel besser, seit mein kleiner Junge wieder da ist.“

Jordan lachte leise und verdrehte die Augen.

Seine Mutter hob die Hände und legte sie ihm auf die Brust. „Es spielt keine Rolle, wie alt du bist. Du wirst immer mein kleiner Junge sein.“ Sie trat einen Schritt zurück, nahm seine Hände in ihre und musterte ihn eindringlich. Dorian und Jordan hatten die Körpergröße ihres Vaters geerbt und überragten ihre zierliche Mutter um Haupteslänge. „Du bist viel zu dünn“, stellte Charisse fest. „Wir müssen ein nettes Mädchen für dich finden. Nicht wieder so ein hinterhältiges Biest, das dich einfach im Stich lässt.“

„Ma!“, protestierte Jordan lachend.

Für seine Mutter führte jedes Problem, das er oder Dorian haben mochten, zu der Tatsache, dass es kein nettes Mädchen in ihrem Leben gab. Ob sie ab- oder zunahmen, sich einen Schnupfen eingefangen oder beim Sport einen Muskel gezerrt hatten, alles passierte in ihren Augen nur deshalb, weil sie eine gute Frau brauchten. Charisse nutzte jede Gelegenheit, um sie daran zu erinnern. Ob es nun einen Sinn ergab oder nicht. Das war längst zu einem Familienwitz geworden.

„Dann wollen wir uns auf den Weg machen“, sagte sie, bevor Jordan weitere Einwände erheben konnte. Sie kehrte zum Haus zurück, um die Tür zu schließen, und ließ sich dann von Jordan auf den Beifahrersitz helfen. „Es gibt ein neues Restaurant in Long Beach, direkt am Wasser. Da möchte ich hin.“ Sie beugte sich vor und gab die Adresse in das Navigationssystem ein.

„Hast du denn in letzter Zeit eine nette Frau kennengelernt?“, fragte sie, während Jordan den Wagen zu Straße lenkte.

Er schüttelte den Kopf, aber das Bild von Ivy in dem atemberaubenden Abendkleid erschien vor seinem geistigen Auge. Zwar würde er sie nicht unbedingt als nett bezeichnen, aber er fand sie sehr anziehend. Und vielleicht wäre sie ja auch viel netter zu ihm gewesen, wenn er sie nicht mit seiner Tollpatschigkeit verärgert hätte. Und das gleich zweimal.

„Ma, bitte“, protestierte er lachend. „Jetzt mach aber mal einen Punkt. Keine netten Mädchen oder Frauen mehr heute. Okay?“

„Okay. Ich höre ja schon auf. Ich will doch nur, dass du und dein Bruder glücklich seid. Ich mache mir Sorgen um euch.“

„Es gibt absolut nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.“

„Schon gut.“ Charisse lachte fröhlich. „Ich bin so glücklich, dich zu sehen. Du musst öfter nach Hause kommen. Oder länger bleiben, wenn du mal da bist. Du fehlst mir.“

Charisse tätschelte den Arm ihres Sohnes, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und begann, Jordan hinsichtlich der Ereignisse seit seinem letzten Besuch auf den neuesten Stand zu bringen. Auch im Restaurant redete sie noch ohne Unterlass und bemerkte Dorian erst, als er direkt an ihrem Tisch stand.

„Oh!“, rief sie entzückt und sprang auf die Füße. „Soll das etwa bedeuten, dass ich heute Zeit mit meinen beiden Babys verbringen darf?“ Sie zog Dorian in die Arme und drückte das Gesicht an seine Brust.

„Hallo, Ma“, sagte Dorian lächelnd, erwiderte die Umarmung und küsste sie auf den Scheitel.

„Was für eine wunderbare Überraschung. Das muss gefeiert werden. Wie wäre es mit einer Runde Mimosas?“ Sie hob die Hand, um den Kellner heranzuwinken, und sie lachten alle drei.

Dorian begrüßte seinen Bruder mit einer Umarmung. Dann gingen sie zum Büfett, um ihre Teller zu füllen. Für eine Weile waren sie nur damit beschäftigt, zu essen und ihr Zusammensein zu genießen. Aber niemand von ihnen konnte vergessen, warum Jordan seinen Bruder zu diesem Essen eingeladen hatte. Ja, sie hatten ihre Mutter lange nicht gesehen und standen ihr sehr nah. Doch weder Jordan noch Dorian trafen eine wichtige geschäftliche Entscheidung, ohne sich vorher miteinander abzusprechen, zumal sie beide in die Firma des anderen viel investiert hatten.

Dorian war ein begeisterter Sportler. Obwohl ihm eine professionelle Karriere versagt geblieben war, trainierte er nach wie vor fast täglich. Sein athletischer Körperbau war der Beweis dafür. Nach dem College hatte er eine Firma gegründet, die Energiedrinks herstellte und vermarktete. Viele seiner Freunde, die es sehr wohl in die Profiliga geschafft hatten, unterstützten ihn und empfahlen seine Produkte weiter. Es dauerte nur ein Jahr, bis Dorians bescheidene Firma sich in ein Milliardenunternehmen verwandelt hatte.

Schließlich tupfte Charisse sich die Lippen mit einer Serviette ab, lehnte sich zurück und seufzte zufrieden. „Das war wirklich köstlich.“

„Stimmt“, pflichtete Dorian ihr bei.

Jordan, der immer noch kaute, nickte stumm.

„Lasst uns jetzt dieses Gespräch hinter uns bringen, damit ich danach mein Dessert in Ruhe genießen kann“, sagte Charisse. Sie hatte nie zu den Menschen gehört, die etwas vor sich herschoben. „Ich erkläre euch erst einmal, warum wir für Tims Firma um eure Hilfe gebeten haben.“

Jordan und Dorian tauschen einen kurzen Blick.

Charisse sah ihre Söhne liebevoll an. „Ich weiß, dass ihr ihn nicht leiden könnt. Und ihr habt mir nie geglaubt, dass ihr ihm wirklich viel bedeutet.“

Diesmal tauschen die beiden Brüder einen sehr zweifelnden Blick.

„Ich weiß, dass ihr darüber nachdenken und es miteinander besprechen wollt. Aber ihr dürft es ihm nicht abschlagen.“

„Warum nicht?“, fragte Jordan.

„Weil der Grund für die Schieflage seiner Firma ich bin. Er wäre von allein nie auf die Idee gekommen, euch zu bitten, ihm aus der Klemme zu helfen. Er hat genauso seinen Stolz wie ihr. Und er würde euch auch niemals sagen, dass ich dieses Problem verursacht habe.“

Jordan sah seine Mutter abwartend an. Dorians Miene zeigte deutlich, dass auch er darüber nachdachte, was seine Mutter wohl getan haben könnte.

Ihr Gesicht verfinsterte sich plötzlich.

Dorian ließ die Gabel sinken. „Was ist los, Ma?“

Charisse stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. „Ich hatte den Einfall, eine Firma zu gründen. Tim hat all die Jahre sehr gut für mich gesorgt, aber ich fand, dass ich auch eigenes Geld verdienen sollte.“

„Was für eine Firma?“, wollte Dorian wissen.

Charisse zuckte die Schultern. „Eine Spedition.“

Dorian und Jordan runzelten die Stirn, sahen sich an und wandten den Blick dann wieder zu ihrer Mutter.

„Eine Spedition?“, wiederholte Jordan ungläubig. Obwohl ihm diese Idee seltsam vorkam, war Jordan stets bewusst gewesen, dass Dorian und er den Geschäftssinn von ihrer Mutter geerbt hatten.

„Jetzt bin ich wirklich gespannt“, sagte Dorian trocken.

„Ich wollte etwas anderes machen. Auch wenn es euch gewagt vorkommen mag. Wir haben unsere Ersparnisse dafür genutzt, und Tim hat Geld aus seiner Firma abgezogen und in mein Geschäft investiert. Wir haben eine kleine Flotte von Lastkraftwagen erworben, Büroräume angemietet, Fahrer angeworben und Auftraggeber gewonnen. Zuerst lief alles wie geschmiert. Es hat mir einen Riesenspaß gemacht. Aber kurz darauf erhielt Tim die Diagnose Prostatakrebs.“ Sie hielt kurz inne und holte tief Luft. „Die Ärzte rieten uns zu einer aggressiven Therapie und meinten, damit könnte er vollständig gesund werden. Wir haben niemandem davon erzählt, weil wir den Ärzten Glauben schenkten. Wir haben uns darauf konzentriert, Tim die beste Therapie zu verschaffen, damit er wieder auf die Beine kommt und alles gut wird. Laut den Ärzten sollte es nicht länger als ein paar Monate dauern. Aber es ging nicht so schnell, wie wir gehofft hatten. Und seine Behandlung war sehr kostspielig.“ Charisse berichtete weiter, wie die Kosten für die medizinische Behandlung und die Investition in ihre Firma bei Tims Bauunternehmen ernsthafte finanzielle Probleme ausgelöst hatten. Innerhalb kurzer Zeit waren sie hoch verschuldet.

„Warum hast du uns nichts davon gesagt?“, fragte Jordan fassungslos. Dorian und er hatten von Anfang an alles darangesetzt, so viel Vermögen wie möglich anzuhäufen. Denn sie beide wollten nie wieder so ein Leben, zu dem sie nach dem Tod ihres Vaters gezwungen gewesen waren. Jeder von ihnen hatte mehr als genug, um ihrem Stiefvater aus der Klemme zu helfen. Trotz ihres angespannten Verhältnisses zu Tim waren sie sich immer bewusst gewesen, dass er und sein Bauunternehmen ihnen beiden und ihrer Mutter aus einer schweren Krise geholfen hatten.

„Bis vor Kurzem konnten wir das noch allein bewältigen“, erwiderte Charisse. „Aber dann haben seine wichtigsten Auftraggeber Wind von seinem schlechten Gesundheitszustand bekommen. Daraufhin haben sie ihn von allen Ausschreibungen ausgeschlossen. In ihren Augen bestand die Möglichkeit, dass Tim bald nicht mehr da sein würde, um neue Aufträge zu erfüllen. Und sie wollten wohl kein Risiko eingehen. Tim wollte nicht, dass ich euch um Hilfe bitte. Er ist ein sehr stolzer Mann. Genau wie ihr, Jungs. Er will euch nicht zur Last fallen. Und er will auch nicht, dass ihr erfahrt, dass ich etwas mit seinen Schwierigkeiten zu tun habe. Ich habe Jordan zum Brunch eingeladen, um ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Es trifft sich gut, dass du heute dabei sein kannst, Dorian. Mit dir hätte ich als Nächstes gesprochen.“

„Verdammt“, sagte Dorian. „Wie geht es Tim?“

Charisse ließ die Schultern sinken. „Er erholt sich langsam.“

Jordan sagte nichts, aber er war erleichtert. Tim gehörte nicht zu seinen Lieblingsmenschen, aber er war gut zu seiner Mutter.

„Wie viel braucht ihr?“, wollte Dorian wissen.

Charisse hob abwehrend die Hände. „Ich will kein Darlehen oder gar eine Schenkung. Ich möchte ein Angebot über eine Teilhaberschaft an Tims Firma machen.“

„Weiß Tim etwas davon?“ Jordan lehnte sich zurück. „Ist er bereit, mit seinen Stiefsöhnen eine geschäftliche Beziehung einzugehen?“ Er konnte an Dorians Gesicht nicht ablesen, was der darüber dachte. Er selbst wollte jedenfalls nicht, dass Tim leiden musste.

„Noch nicht“, erwiderte seine Mutter. „Es hat ihn sehr viel Überwindung gekostet, euch eventuell um Hilfe in Form eines Darlehens zu bitten. Aber ich dachte, eine Teilhaberschaft wäre eine bessere Idee. Dann kann ich ...

Autor

Nicki Night
Mehr erfahren
Katie Frey
Mehr erfahren
Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
Mehr erfahren