Baccara Exklusiv Band 135

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  • Erscheinungstag 20.11.2015
  • Bandnummer 0135
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721879
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Paula Roe, Diana Palmer, Vicki Lewis Thompson

BACCARA EXKLUSIV BAND 135

1. KAPITEL

„Jake … James?“

In dem großen getäfelten Konferenzraum von Blackstone Diamonds waren Reichtum und Macht geradezu spürbar. Von den Panoramafenstern aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf die Innenstadt von Sydney, darunter auch auf die Kuppel des historischen Queen-Victoria-Gebäudes. Um den polierten Konferenztisch herum standen schwere schwarze Lederstühle, von denen momentan nur vier besetzt waren.

Als Jake Vance in den Raum trat, hatten sich eine Frau und drei Männer erhoben: Kimberley Perrini, geborene Blackstone, ihr Ehemann Ric Perrini, geschäftsführender Direktor des Unternehmens, Ryan Blackstone, verantwortlich für die Finanzen, und Garth Buick, rechte Hand des Vorstands und Vertrauter des verstorbenen Gründers Howard Blackstone.

Die Situation war die Gleiche wie die wenige Tage zuvor, als Jake Vance die Bombe hatte platzen lassen und damit für sprachlose Verwirrung gesorgt hatte. Auch jetzt waren Ablehnung und Feindseligkeit spürbar, wenn auch alle sich um Haltung bemühten und Kimberley Jake sogar mit großer Neugier entgegensah.

Offensichtlich hatten sie den Beweis in den Händen.

Herauszufinden, dass der Bruder, der seit über dreißig Jahren für tot gehalten wurde, doch noch am Leben war, hatte Ryan und Kimberley tief erschüttert. Zwar gab es seit Monaten entsprechende Gerüchte, aber jetzt stand er leibhaftig vor ihnen, er, dem der größte Anteil des Blackstone-Vermögens zustand …

Jake hatte nicht erwartet, von den Geschwistern mit offenen Armen empfangen zu werden, aber ihre ablehnende Haltung enttäuschte ihn doch. Schließlich war das Ganze nicht seine Schuld. In seiner Lebensplanung war diese Situation nicht vorgesehen gewesen. Seine erste Million hatte er sich aus eigener Kraft erarbeitet. Er war kurz davor, den amerikanischen Markt zu erobern, und hatte seiner Mutter endlich ein sorgenfreies Leben ermöglichen können. Als nächstes Lebensziel hatte er Frau und Kinder angepeilt, obgleich er in diesem Punkt nicht ganz sicher war, denn er war eigentlich kein Familienmensch. Aber dass er der verlorene Sohn des Gründers der Blackstone-Diamanten-Dynastie war, über den in Australien in den letzten Jahrzehnten so viel spekuliert worden war wie seinerzeit in den USA über das Lindbergh-Baby, damit hätte er nie gerechnet.

„James?“, wiederholte Kimberley zögernd.

Er nickte knapp.

Kimberley setzte sich wieder. Mit ihrem perfekt sitzenden taillierten Kostüm und dem straff zurückgenommenen Haar wirkte sie kompetent und unnahbar, eben wie eine Tochter aus altem Geldadel, die im Luxus aufgewachsen war und sich nie um die nächste Monatsmiete hatte Gedanken machen müssen.

Er dagegen … Doch darum ging es jetzt nicht. Jake straffte sich und sah die Anwesenden der Reihe nach an. Es kam jetzt darauf an, herauszufinden, wo ihre Schwächen lagen, um sie zu seinem eigenen Vorteil nutzen zu können.

Schon komisch, das erste Mal seiner Schwester gegenüberzustehen. Seiner Schwester. Ein warmes Gefühl regte sich in ihm, doch er unterdrückte es schnell. Das konnte er sich nicht leisten, noch nicht. Erstaunlich, wie ähnlich sich Ryan und Kimberley waren. Beide hatten dunkles Haar, diesen markanten Haaransatz und grüne Augen, die jedoch etwas Gegensätzliches ausdrückten. Während Kimberley ihn neugierig und beinahe freundlich ansah, wirkte Ryan verschlossen und feindselig.

Jetzt warf Jake Garth Buick einen prüfenden Blick zu, der sich auch wieder gesetzt hatte. Ric und Ryan jedoch waren stehen geblieben, eine bewährte Taktik, um dem „Eindringling“ Jake auf Augenhöhe zu begegnen.

„Wir haben uns die Dokumente, die April Kellerman zusammengestellt hat, genau angesehen und auch die Ergebnisse der DNA-Tests überprüfen lassen“, ergriff Ric Perrini das Wort und wies auf einen Stuhl.

„Und?“ Jake setzte sich, und nun nahmen auch Ric und Ryan Platz.

„Es sieht so aus, als seist du James Hammond Blackstone.“

Jakes Gesicht blieb unbewegt. Auf keinen Fall durfte er zeigen, was in ihm vorging. Denn wer Gefühle zeigte, war verletzlich und damit angreifbar.

„Dann hatte Howard also doch recht“, sagte Kimberley schließlich, als Jake keinerlei Reaktion zeigte.

„Sieht so aus.“ Betont gleichgültig zuckte Ric die Schultern.

Ryan, der sich zurückgelehnt hatte und mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte, richtete sich auf und sah Jake an. „Wir haben dich kommen lassen, weil wir ein paar Dinge mit dir besprechen möchten.“ Auch wenn er sich um einen gelassenen Tonfall bemühte, so spürte jeder im Raum, dass er vor Wut kochte. „Was hast du mit dem Unternehmen vor? Wir möchten dir nämlich deine Aktien abkaufen. Wie sehen deine Bedingungen aus?“

Erstaunt hob Jake die Augenbrauen. Interessant, sie wollten also sofort über Geschäftliches sprechen. Das konnten sie haben. „Ich verkaufe nicht.“

„Du kennst doch unser Angebot noch gar nicht.“

„Das brauche ich auch nicht.“

„Nun hör mir mal gut zu, Vance. Wenn es dir hier um Rache oder Vergeltung geht …“

„Warum sollte es?“, fragte Jake und lächelte.

Als die Männer sich ratlos ansahen, ergriff Kimberley das Wort. „Bitte, Vance, sieh die ganze Sache doch mal von unserer Warte. Wir wissen, dass du eng mit Quinn Everard befreundet bist. Da Quinn und Howard sich nie leiden konnten …“

Wieder grinste Jake, wohl wissend, dass er damit die anderen nervös machte. „Das ist nicht meine Sache. Ihr habt mich doch sicher genau überprüfen lassen. Da solltet ihr wissen, dass persönliche Gefühle für mich kein Gewicht haben, wenn es um das Geschäft geht.“

„Und was ist mit Jaxon Financial?“, fragte Ric.

Volltreffer. Doch Jake ließ sich nichts anmerken. „Das ist mehr als acht Jahre her. Außerdem war es nicht meine Firma.“

„Aber man hat dir doch ein paar üble Insider-Geschäfte vorgeworfen. Ging das Ganze nicht sogar bis vor Gericht?“ Lauernd sah Ryan Jake an.

Lächelnd lehnte Jake sich zurück und streckte die langen Beine aus. „Die Anklage wurde abgewiesen.“

„Immerhin hast du ein paar Millionen verloren. Man hat dich entlassen.“

„Und achtzehn Monate später habe ich die Firma gekauft.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Von mir aus können wir stundenlang meine Vergangenheit durchforsten. Allerdings ändert das nichts an den Tatsachen. Meiner Meinung nach gibt es für euch nur zwei Möglichkeiten. Entweder ihr fechtet das Testament an, was zur Folge hätte, dass wir auf Jahre hinaus die Anwälte beschäftigen und die Aktien in den Keller gehen. Oder ihr arbeitet in dieser Sache mit mir zusammen. Ihr könnt doch nicht leugnen, dass Blackstone Diamonds Probleme hat. Da ist einmal das Informationsleck, das ihr bisher noch nicht gefunden habt. Und die Tatsache, dass sich das Unternehmen seit Howards Tod in Schwierigkeiten befindet. Die Aktien haben gefährlich nachgegeben, und die Machtkämpfe zwischen euch“, er nickte Ric und Ryan zu, „machen nicht nur den Vorstand, sondern auch die Anleger nervös.“

„Woher willst du das wissen?“, fuhr Ryan ihn an.

Wieder grinste Jake. „Informiert zu sein ist eins meiner Erfolgsgeheimnisse.“ Und bevor Ryan reagieren konnte, hob Jake die Hand und fügte hinzu: „Ich will die Probleme innerhalb des Unternehmens lösen.“

„Warum?“ Ryan sah ihn misstrauisch an.

„Weil ich es kann.“

„Ich wollte sagen …“

„Ich weiß, was du sagen wolltest. Ob es euch nun passt oder nicht, Howard hat mich als Erben eingesetzt. Ihr macht euch Sorgen um das Unternehmen? Ich kann es retten. Und das hat nichts mit der Familie zu tun. Es geht mir nur ums Geschäft.“

„Dann ist das alles für dich nur Business?“, fragte Kim leise.

„Na ja, es geht nicht gerade ums Knüpfen von Familienbanden, oder?“

Erschreckt warf sie Ric einen Blick zu, was Jake nicht entging.

„Okay. Was hast du vor?“ Rics Stimme hörte sich schon sehr viel freundlicher an.

Jake taxierte ihn kurz. Ric Perrini war gewiss ein harter Brocken. Auf alle Fälle hatte der alte Blackstone ihn dem eigenen Sohn vorgezogen, weil er nur Ric zutraute, das Unternehmen in seinem Sinn zu führen. Aber wahrscheinlich fühlte sich auch Ric bedroht. Wie sie alle.

Das war eigentlich nicht verwunderlich. Denn Jake war dafür bekannt, hart zu verhandeln und sehr schwer einzuschätzen zu sein. Das machte ihn so erfolgreich.

Wieder sah er Kimberley an, die ihn mit ihren grünen Augen furchtlos fixierte. „Du bist Howard wirklich erstaunlich ähnlich“, sagte sie ruhig.

Jake runzelte die Stirn. Meinte sie das positiv? Sollte er ihr danken? Die Bemerkung einfach übergehen? „Das sind wohl die Blackstone-Gene“, erwiderte er nur.

„Ja, das glaube ich auch. Weißt du, dass wir alle Howard für komplett verrückt erklärt hatten, weil er immer noch an deine Rückkehr glaubte? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du jetzt leibhaftig vor uns stehst …“ Sie stockte.

„Du wolltest noch etwas sagen?“ Auffordernd sah Jake sie an. „Nur heraus damit.“

„Ich wundere mich, dass du uns gar nicht nach der Familie fragst. Nach Howard oder Sonya oder Vince.“

„Nicht nötig. Dafür habe ich meine Leute.“

„Aha. Und wo warst du die letzten dreißig Jahre über?“, mischte Ryan sich ein.

„Erst in Queensland. Mit etwa zehn kam ich dann nach Südaustralien.“

„Und? Was war nun eigentlich passiert?“, fragte Kim.

Jake ließ sie ein wenig zappeln. „Ich wurde von Howards Haushälterin und ihrem Freund entführt“, sagte er dann. „Zwei Monate später auf dem Weg zur Übergabestelle des Lösegeldes hatten die beiden einen schweren und tödlichen Autounfall. Lediglich ich war aus dem Wagen herausgeschleudert worden und überlebte. So fand mich April Kellerman, nahm mich mit und gab mich als ihr eigenes Kind aus.“

Kim nickte. „So stand es auch in dem Polizeibericht. Aber wir müssen noch mehr Details kennen, bevor wir uns der Presse stellen.“ Als sie sah, dass Jake den Blick senkte und die Lippen aufeinanderpresste, fügte sie leise hinzu: „Du hast kein Vertrauen zu uns, oder?“

„Ich traue niemandem.“

„Das ist ja eine reizende Eigenschaft“, sagte Ryan mit gedämpfter Stimme.

Jake warf ihm einen wütenden Blick zu. „In meinem Unternehmen gibt es keine undichte Stelle.“

Jetzt schaltete sich Ric ein. „Erfahrungsgemäß ist es leider so, dass die Medien sich ihre eigenen Geschichten ausdenken, wenn sie keine Informationen bekommen. Der Wahrheitsgehalt ist ihnen egal.“

„Ich weiß.“ Dennoch war Jake entschlossen, nichts preiszugeben. Als Kim leise seufzte, wusste er, dass er gewonnen hatte. Dass sie ihn nicht zwingen konnten und das auch wussten. Dennoch wollte sich kein Gefühl des Triumphs einstellen.

„Dein Geburtsdatum ist falsch“, sagte Kim schließlich, die das Schweigen nicht länger aushielt.

„Wieso?“

„James ist am 4. August 1974 geboren. Das bedeutet, dass du vierunddreißig wirst. Als Jake Vance hast du deinen Geburtstag offiziell am 1. September 1973, wirst also fünfunddreißig.“

„Na und? Dann bin ich statt Löwe eben Jungfrau.“

Selbst Ryan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber nun stand Garth auf und zog ein Blatt Papier aus einem Aktendeckel. „Als Howards Erstgeborener haben Sie Anspruch auf ein beträchtliches Vermögen.“ Er reichte Jake das Blatt. „Sie wissen sicher, dass Ihnen ein Drittel von Howards Anteilen zusteht, die sich auf Ryan, Ric und Sie aufteilen. Außerdem gehört Ihnen der Familiensitz Miramare in dem Sonya Hammond jedoch lebenslanges Wohnrecht besitzt. Alles andere von Wert wie Howards persönliche Wertgegenstände, Bargeld und Kunstwerke werden zwischen Ihnen und Ryan geteilt.“

Jake las sich alles in Ruhe durch. Nur einmal hob er den Blick und sah Kimberley forschend an. Seltsam, da vermacht der alte Howard dieser Marise Hammond eine siebenstellige Summe und seiner eigenen Tochter keinen Cent. Man sprach zwar davon, dass Marise seine Geliebte gewesen war, aber Kim war doch immerhin mit Ric Perrini verheiratet, den er sozusagen als Ersatzsohn gefördert hatte. Auch das Strandhaus, bei dem sich ihre Mutter das Leben genommen hatte, hatte er Ryan vermacht, was Kim als öffentliche Demütigung auffassen musste.

Aber erstaunlicherweise wirkte Kim nicht im Geringsten gedemütigt, sondern erwiderte seinen Blick kühl.

„Außerdem“, fuhr Garth fort, „ist vorgeschrieben, dass immer drei Blackstones dem Vorstand angehören müssen. Momentan sind es Kimberley, Ryan und Vincent Blackstone, Howards Bruder.“

„Ich bin nicht an einem Vorstandsposten interessiert.“

„Den bieten wir dir auch gar nicht an. Vorläufig wenigstens nicht“, bemerkte Ric trocken. „Aber Vince hat andere Pläne und spricht in letzter Zeit immer mal wieder davon, sich aus der aktiven Firmenpolitik zurückzuziehen.“ Er musterte Jake genau und versuchte herauszufinden, was in ihm vorging. „Es kommt also darauf an, was du entscheidest.“

„Noch ist es viel zu früh, eine Entscheidung zu treffen.“

„Aber du hast doch sicher Vorstellungen, wie du dem Unternehmen helfen willst.“ Allmählich wurde Ryan ungeduldig.

Jake sah ihn lange an und war nur wenig erstaunt, dass Ryan ebenso wie seine Schwester seinem Blick nicht auswich.

Diese Blackstones waren wirklich hart im Nehmen. „Erst einmal muss ich mich mit allem vertraut machen, was Blackstone Diamonds betrifft, das heißt besonders mit der Unternehmensstruktur und der finanziellen Situation. Dann denke ich an eine Versammlung von Vorstand und Aktionären, um sie von meiner Entschlossenheit zu überzeugen, mich für die Firma einzusetzen.“

„Hast du das wirklich vor?“ Ric musterte den Schwager misstrauisch. „Oder willst du das Unternehmen in seine Einzelteile zerlegen und verkaufen, sowie sich die Kurse erholt haben?“

„Wie sollte ich? Ich habe doch gar nicht die erforderliche Aktienmehrheit.“

„Das hat dich doch bisher nie davon abgehalten.“

Donnerwetter, der Mann wusste Bescheid. Jake betrachtete ihn mit neu gewonnenem Respekt. Wusste er, dass Matt Hammond zehn Prozent der Anteile hielt und Jake unterstützen würde, wenn es darauf ankam? Weil er die Blackstones hasste?

Und Ric hatte recht. Diese Situation war nicht ganz neu für Jake. Auch früher schon hatte er mit Familienunternehmen zu tun gehabt, bei denen es auch immer um Tradition und Gefühle ging. In diesen Fällen musste er sehr diplomatisch vorgehen.

„Momentan bin ich entschlossen, mich für die Firma einzusetzen.“

„Das reicht nicht, junger Mann.“ Entschieden schüttelte Garth den Kopf. „Howard hat Blackstone aus eigener Kraft aufgebaut. Er war kein Heiliger, aber er liebte sein Unternehmen. Er hat ihm sein ganzes Leben gewidmet und so Blackstone Diamonds international bekannt gemacht. Und er wollte, dass alles so weitergeht und dass die Familie auch in Zukunft an der Spitze steht!“ Er stand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Nie hat er die Hoffnung aufgegeben, dass Sie am Leben sind, und er hat es immer abgelehnt, für Sie einen Grabstein zu errichten. Stur wie er nun mal war. Und er hatte recht. Glauben Sie nicht, dass Sie es ihm und seiner Familie schuldig sind, sich zu mehr zu verpflichten, als sich nur kurzfristig für die Firma einzusetzen?“

Diese leidenschaftliche Ansprache machte nicht den geringsten Eindruck auf Jake. All das kannte er nur zu gut von früheren Fällen her, dieses Bitten und Flehen und Drohen. Deshalb zuckte er nur leicht mit den Schultern und hielt dem Blick des erregten Mannes so lange stand, bis Garth sich resigniert setzte.

„Durch einen DNA-Test werden Fremde nicht plötzlich zu einer Familie“, sagte er leise, aber deutlich. Kim wurde blass, aber Jake achtete nicht darauf, sondern fuhr fort: „Mir ist das alles hier genauso unangenehm wie euch. Aber in einem Punkt solltet ihr euch keinen Illusionen hingeben. Es geht hier nicht darum, dass ich plötzlich Gefühle für den verstorbenen Howard Blackstone, meinen biologischen Vater, hegen würde. Diese Art von Komplikationen kann ich nämlich nicht gebrauchen.“

„Aber warum willst du dich dann für die Firma einsetzen?“, fragte Ryan.

„Um Geld zu verdienen.“

„Du hast doch schon Milliarden. Wo ist da der Reiz?“ Kim sah ihn kopfschüttelnd an.

Das war eine viel zu persönliche Frage. Jake sah ihr direkt in die Augen. „Ich habe euch mein Angebot gemacht. Ihr könnt es annehmen oder auch nicht. Wenn nicht, bleibt alles beim Alten. Die Informationen sickern ungehindert an die Presse durch, die Aktien fallen, und die Anteilseigner verkaufen …“

„Oder wir versuchen es mit dir“, vollendete Ric seinen Satz.

„Genau.“ Um ihnen Bedenkzeit zu geben, stand Jake auf, holte sich ein Glas Wasser und trat ans Fenster. Vor seinen Augen erstreckte sich Sydney, und auf der anderen Seite der Bucht erkannte er den vertrauten Schriftzug der eigenen Firma AdVance Corp, die er innerhalb von acht Jahren aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte.

Er hatte gehofft, dass Ryan nach seiner Hochzeit etwas umgänglicher geworden wäre, aber dessen stählerner Blick verriet das Gegenteil. Das konnte auch damit zu tun haben, dass Ryan wegen Ric keine Schwäche zeigen wollte. Denn immer noch wollte er beweisen, dass sein Vater sich geirrt hatte, als er Ric Perrini mehr Verantwortung übergab als dem eigenen Sohn. Auf alle Fälle waren diese innerfamiliären Zwistigkeiten gefährlich, wenn es um Entscheidungen ging, die das Unternehmen betrafen. Was Jakes Position wiederum stärkte.

Eine Woche lang hatte er sich in alles vertieft, was mit der Familie und der Firma zu tun hatte. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ war immer sein Leitspruch gewesen. Nach dem Tod der Mutter gab es sowieso nur drei Menschen auf der Welt, denen er voll vertraute: seiner Sekretärin, seinem Sicherheitschef und dem Freund Quinn, der ihn vor den Blackstones gewarnt hatte.

„Einverstanden“, sagte Ric schließlich, und Jake trat wieder näher an den Tisch heran. „Unter einer Bedingung.“

„Und die wäre?“

„Keine offiziellen Verlautbarungen über deine Herkunft, bevor wir nicht dazu bereit sind.“

„Von mir erfährt keiner etwas.“ Kurz verzog Jake die Lippen zu einem bösen Lächeln. „Die undichte Stelle müsst ihr wohl woanders suchen.“ Dabei musterte er die vier Anwesenden nachdrücklich.

Ric brauste auf, und Kim legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „Wer du bist, wird erst bekannt gegeben, wenn wir vier mit dem Zeitpunkt einverstanden sind. Selbst die Assistentin, die wir dir zugeteilt haben, weiß nichts.“

Zögernd nickte Jake. „Na gut. Dann will ich sehen, ob ich nicht die undichte Stelle finden kann, bevor wir alles offiziell machen. In ein bis zwei Wochen sollte das doch möglich sein.“

„Aber wenn die Leute dich hier sehen, wird man sofort Vermutungen anstellen“, meinte Kim nachdenklich.

„Deshalb bekommt Jake auch ein Büro in der Chefetage. Nur wenige haben da Zutritt. Außerdem wird das Stockwerk streng überwacht.“

„Ich brauche kein Büro. Aber ich brauche Zugang zu euren Akten.“

„Das wurde bereits veranlasst.“

An Ryans bitterem Ton erkannte Jake, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen war. Beinahe tat er ihm leid, aber dann begegnete er Ryans hasserfülltem Blick, und sein Mitleid verschwand. Dieser Mann war sein Feind.

„Nur die engste Familie kennt die Wahrheit“, fing Kim wieder an. „Und natürlich möchte sie dich gern kennenlernen. Vincent zum Beispiel. Er ist …“

„Howards Bruder“, unterbrach Jake sie schnell. „Besitzt eine Opalmine, lebt in Adelaide und hält zehn Prozent der Aktien.“

„Und ist dein Onkel“, sagte Kim sanft. „Und dann ist da noch Sonya …“

„Ich weiß, aber es ist nicht nötig, dass ich die alle kennenlerne.“

Entsetzt sah Kim ihn an.

Hm, das hätte er vielleicht nicht sagen sollen. Aber, verdammt noch mal, er hatte sich diese Situation auch nicht ausgesucht!

Perrini räusperte sich. „Du hast Zugang zu den internen Ordnern im Computer, außerdem zu dem E-Mail-System. Du bekommst einen Hauptschlüssel zum Gebäude. Selbstverständlich dürfen die Akten nicht das Gebäude verlassen und keine unautorisierten Kopien gemacht werden.“

„Versteht sich von selbst.“

„Der Fahrstuhl ganz rechts darf nur von der Firmenleitung benutzt werden. Er führt bis in die Tiefgarage, sodass du kaum anderen Mitarbeitern begegnen wirst. Deine Assistentin Holly McLeod wartet draußen.“

Das heißt wohl, dass die Sitzung vorbei ist. „Ich brauche noch die neuesten Bilanzen.“

„Ich lasse sie dir schicken.“ Ryan stand auf und nickte Jake knapp zu. „Willkommen bei Blackstone.“

Holly McLeod stand neben der Tür, als erst Kim und dann Ryan, Ric und Garth den Konferenzraum verließen, wie immer in ein Gespräch vertieft.

Als Letzter folgte Jake Vance, und sofort wurde ihr das Dilemma wieder bewusst, in dem sie sich befand. Ihr wurde flau im Magen.

Ich bin nur nervös, das ist alles, versuchte sie sich zu beruhigen.

Dann hatte Jake Vance sie entdeckt und trat auf sie zu. „Miss McLeod.“

Bei dem Ton seiner dunklen Stimme spürte sie ein erregendes Kribbeln, und sie packte die Akte fester. „Mr Vance …“, sie streckte die Hand aus, „ich bin Holly McLeod, Ihre Assistentin für die Zeit Ihres Hierseins.“

Als er die Hand ergriff und mit seinen warmen Fingern umschloss, überlief es sie heiß. Es war nicht die Aura der Macht, die eindeutig zu spüren war, sondern etwas anderes. Selbstbewusstsein? Männliche Überlegenheit?

Nein, etwas Intimeres.

Gefühle, die ausgelöst wurden durch die Art und Weise, wie er sie von oben bis unten musterte. Wie er dann wieder ihr Gesicht anschaute, bis sein Blick auf dem kleinen Diamanten hängen blieb, den sie um den Hals trug.

Hastig entzog sie ihm die Hand, schlug die Mappe auf, nahm die Schlüsselkarte heraus und reichte sie ihm, ohne seine Finger zu berühren. „Damit können Sie alle Türen öffnen einschließlich der zur Tiefgarage. Dort steht Ihnen für die Dauer Ihres Aufenthalts ein Parkplatz zur Verfügung. Und jetzt zeige ich Ihnen Ihr Büro, wenn es Ihnen recht ist.“

„Nein.“

„Sir?“

„Jake. Ich bleibe nicht hier.“ Er zog ein Handy aus der Jacketttasche und klappte es auf. Nach einem Blick auf das Display steckte er es wieder ein. „Sie können mir einen Überblick über die Firmengeschichte geben, jetzt gleich im Auto. Holen Sie die Finanzunterlagen von Ryan Blackstone, und treffen Sie mich dann in der Tiefgarage.“

Verblüfft sah sie ihm hinterher, als er mit langen Schritten den Flur entlangging. Dann wollte er also nicht sein Büro sehen, wollte nicht vom Fenster aus den atemberaubenden Blick auf die Stadt genießen. Aber dann fiel ihr ein, dass das für ihn nichts Neues war, denn von seinem Unternehmenskomplex auf der anderen Seite der Bucht war die Aussicht mindestens genauso gut. Dennoch, sie hatte mit Fragen gerechnet und hatte ihm die Unterlagen, die ihn interessieren könnten, auf den Schreibtisch gelegt. Und nun wollte er noch nicht einmal …

„Kommen Sie, kommen Sie, Miss McLeod“, rief er ungeduldig und drückte bereits auf den Fahrstuhlknopf.

Holly zuckte zusammen und beeilte sich, ihn einzuholen, während sie die Mappe fest an sich presste. „Außerdem sind Sie nicht autorisiert, die Unterlagen mitzunehmen“, sagte sie und erwiderte unerschrocken seinen kühlen Blick. „Aber ich werde dafür sorgen, dass sie in Ihrem Büro für Sie bereitliegen.“

Oh, ich weiß, auf welche Weise Sie mit Menschen umgehen, Mr Midas, der Sie alles zu Gold machen, was Sie berühren. Dieses Anstarren war Teil seiner Strategie, ebenso die Emotionslosigkeit, mit der er seine Anordnungen traf. Zähneknirschend bewunderten ihn die meisten Männer, obgleich sie unter ihm litten. Sie wollten sein wie er. Die Frauen dagegen wollten ihn.

„Im Übrigen“, fuhr sie fort, „würde ich gern wissen, wie Ihr Arbeitsrhythmus ist, damit ich mich darauf einstellen kann.“

„Ich erwarte nicht, dass Sie für mich irgendwelche Assistenztätigkeiten erledigen. Ich habe bereits eine Assistentin.“

„Aber Holly ist ein unschätzbarer Quell an Informationen, was Blackstone betrifft“, sagte Kimberley, die hinter sie getreten war. „Das solltest du nutzen, damit du weißt, worauf du dich einlässt.“

Sofort spürte Holly die Spannung, die zwischen beiden herrschte. Normalerweise war Kimberley gelassen und freundlich, zumindest hatte Holly sie nie anders erlebt. Aber heute wirkte sie beinahe gereizt.

„Ich muss unbedingt mit dir sprechen, Jake. Später“, sagte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Doch davon ließ Jake Vance sich nicht beeindrucken. „Wahrscheinlich kann ich dich morgen irgendwo einschieben.“

Kimberley stutzte. „Gut … ich sag Holly Bescheid, wann ich Zeit habe.“ Offenbar wollte sie nicht länger auf den Fahrstuhl warten, denn sie drehte sich um und öffnete die Tür zum Treppenhaus.

Leicht verärgert blickte Jake Holly an. „Hm, sieht ja doch so aus, als hätte ich hier plötzlich eine Assistentin. Also, meine Arbeitsweise ist einfach zu durchschauen. Ich stelle Fragen, und Sie beantworten sie.“

Holly straffte sich. „Und wie sieht Ihr Zeitplan aus?“

„Ich gehe davon aus, dass ich Sie nicht länger als eine Woche brauche, höchstens zehn Tage. Jeden Morgen werde ich Sie informieren, was für den Tag anliegt. Ich erwarte, dass Sie um acht Uhr anfangen und so lange bleiben, bis alles erledigt ist. Sie müssen sich da schon nach mir richten. Außerdem gehe ich davon aus, dass Sie auch bereit sind, mir im Büro meiner Firma zur Verfügung zu stehen. Haben Sie noch andere Aufgaben?“

„Nein, Sie haben absolute Priorität.“

„So?“ Kurz wirkte sein Blick amüsiert, und er presste die Lippen aufeinander, als hätte er eigentlich etwas sagen wollen. Doch dann sah er zur Seite. „Wir wollen mit den Gebäuden anfangen und den anderen Aktiva.“

Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Jake ließ Holly vorangehen.

„Unser Erdgeschoss ist mit einem hochempfindlichen Sicherheitssystem ausgerüstet und mit einer Sicherheitsschleuse, wie Sie sicher schon bemerkt haben“, fing Holly sofort an, sowie sich der Fahrstuhl in Bewegung gesetzt hatte. „Die Angestellten können das Gebäude nur mit einem speziellen Ausweis betreten und müssen außerdem die Schleuse passieren. Besucher müssen sich eintragen und werden von einem Angestellten abgeholt.“

„Und die Blackstones?“

„Die Geschäftsleitung hat ihre Büros im 43. Stockwerk und benutzt den privaten Fahrstuhl. Die Finanzabteilung sitzt im 35. Stockwerk, die PR-Abteilung auf dem 20. In diesem Gebäude gibt es außerdem einen Fitnessraum für die Angestellten, einen Kindergarten und eine Cafeteria. Dem Unternehmen gehört das ganze Gebäude mitsamt dem Ballsaal, den Geschäften, der Bar und den drei Restaurants. Die Angestellten erhalten überall einen großzügigen Rabatt, und in den Restaurants ist generell ein Tisch für die Geschäftsleitung reserviert. Hin und wieder wird der Ballsaal vermietet, oft an Wohltätigkeitsorganisationen.“

Lächelnd hielt sie Jake eine Hochglanzbroschüre hin, doch er warf nur einen kurzen Blick darauf und schüttelte dann den Kopf. „Keine Firmenpropaganda, bitte. Ich bin nur an den Fakten interessiert.“

Richtig. Das hätte sie sich denken können. Schnell steckte sie die Broschüre wieder in die Mappe. „Die übrigen Stockwerke sind von unserem Presseteam und den anderen Abteilungen besetzt.“

„Als da sind?“

„Einzelhandel, Exportabteilung, Bergbau, Schmuckdesign und – herstellung, Rechtsabteilung. Wenn es Sie interessiert, ich habe eine Aufstellung über die einzelnen Abteilungen und ein Organigramm.“

„Das müssen Sie mir per E-Mail schicken.“

Sie nickte nur und richtete den Blick auf die Stockwerkanzeige.

Was für ein hübsches Profil sie hat, dachte Jake. Und das schöne kräftige dunkle Haar. Der Pferdeschwanz steht ihr gut … Er wurde plötzlich von einem so heißen Verlangen ergriffen, dass er tief durchatmen musste, um es zu unterdrücken. Dennoch ließ er den Blick weiter über sie schweifen, bewunderte die schlanke Taille in dem figurbetonten Blazer, den tiefen V-Ausschnitt, der viel von der zarten hellen Haut entblößte, die schmal geschnittene marineblaue Hose und die Sandaletten, die einen Blick auf ihre pfirsichfarben lackierten Zehennägel erlaubten.

Versonnen ließ er den Blick darauf ruhen. Dann wurde ihm bewusst, was er tat, und er hob schnell den Kopf. Genau in diesem Augenblick wandte Holly sich zu ihm um, und wieder durchfuhr es ihn heiß. Dabei waren es weder ihr großzügig geschnittener Mund noch die blauen Augen, die ihn wie magisch anzogen. Es war der kleine Leberfleck links über ihrer Oberlippe, wie von einem Maler hingetupft, um das Interesse des Mannes auf den Mund zu lenken.

Als sie schnell zur Seite blickte, betrachtete er wieder ihr klares Profil. Warum ärgerte es ihn, dass sie so cool und gelassen wirkte?

Jake war selbst mit allen Tricks vertraut, um bei Geschäften möglichst viel herauszuholen. Doch dies war etwas Neues. Dass sie ihm keine ältere, erfahrene Assistentin zugeteilt hatten, sondern diese bildhübsche Brünette, hatte offensichtlich einen Grund. Wahrscheinlich kannten sie die Geschichte mit Mia.

Diese Holly sollte ihn nicht nur ausspionieren, sondern auch verwirren. Doch dazu gehörten immer noch zwei. Er hatte aus seinen Fehlern gelernt. Wenn sie wirklich glaubten, dass er sich von einem hübschen Gesicht mit einem süßen kleinen Leberfleck von seinem eigentlichen Ziel ablenken ließ, dann hatten sie sich getäuscht.

Er war in der Branche allgemein als jemand bekannt, der vor nichts zurückschreckte. Wenn die Blackstones mit falschen Karten spielen wollten, bitte schön. Aber dann würden sie ihn kennenlernen.

2. KAPITEL

Das war also der berühmte Jake Vance, Mr Midas, wie er allgemein genannt wurde, weil er wie der König in der alten Sage alles zu „Gold“ werden ließ, was er berührte. Er war Eigentümer der milliardenschweren AdVance Corp, ein gewissenloser Geschäftsmann und Australiens drittreichster Junggeselle unter vierzig.

Schnell legte Holly die Finanzunterlagen auf den Schreibtisch in ihrem provisorischen Büro, dann kehrte sie zum Fahrstuhl zurück.

Auf seine Arroganz war sie vorbereitet gewesen, auch auf seine Intoleranz und Ungeduld denjenigen gegenüber, die seiner Meinung nach unter ihm standen. Unkonventionell und risikofreudig, wie er war, traf er Entscheidungen, die klügere Köpfe als absolut tödlich für eine gesunde Geschäftsentwicklung bezeichnet hätten. Aber bis jetzt war die Rechnung immer für ihn aufgegangen.

Doch der Artikel, der in der letzten Sonntagausgabe der Zeitung über ihn erschienen war, hatte sie nicht auf seine Ausstrahlung vorbereitet, bei der ihr fast die Knie weich geworden wären. Er besaß eine Aura von Reichtum und Macht, die sie nervös machte.

Bei Blackstone waren ihr schon viele einflussreiche Männer begegnet. Aber Jake Vance war anders … Es hatte mit seinem Gesicht zu tun, mit der Art und Weise, wie er sie musterte, auch wenn er dabei kühl und abwartend wirkte. Vielleicht war sie nicht ganz bei Verstand, aber irgendetwas lag in der Luft, die vor undefinierbarer Erwartung zu knistern schien.

Der Fahrstuhl kam, und sie drückte den Knopf für die Tiefgarage. Als sie sich wenige Sekunden lang in die Augen gesehen hatten, hatte sie so etwas erkannt wie einen Jagdtrieb, die Lust an der Eroberung, aber auch eine Art Schuldgefühl. Sehr kurz hatte er die Mundwinkel verzogen, aber als Lächeln konnte man das eigentlich nicht bezeichnen. Doch dann war seine Miene wieder undurchschaubar gewesen.

Tatsächlich war er der einzige Mann in ihrem bisherigen Leben, der sein Interesse an ihr zu verdrängen schien.

Kein Wunder, dass er als unwiderstehlich galt. Wer seine Gefühle so gut kontrollieren konnte, stellte eine dunkle, wilde Gefahr dar, ein Raubtier, getarnt durch einen italienischen Maßanzug. Wehe der Frau, der dieser Mann ein echtes Lächeln zuwarf.

Andererseits, und bei diesem Gedanken verzog sie verächtlich den Mund, ließen Machtmenschen wie er sie völlig kalt. Menschen, die sich anderen gegenüber als Götter aufspielten. So wie Max Carlton, ihr Boss, der hoffentlich bald ihr Ex-Boss sein würde.

Als er eineinhalb Jahre zuvor mit ihrem vorübergehenden Wechsel in die PR-Abteilung einverstanden gewesen war, hatte sie sich nichts dabei gedacht. Schließlich war Blackstones Jubiläum vorzubereiten gewesen, und so war sie gar nicht auf die Idee gekommen, dass bestimmte Bedingungen damit verknüpft waren. Monate später gehörte sie zu dem Team, das Blackstones Teilnahme an der Australischen Modewoche vorbereitete. Endlich hatte sie die Möglichkeit, vor allem Kimberley Perrini zu beweisen, was in ihr steckte. Und dann hatte man sie in der letzten Woche von dieser Aufgabe abgezogen, um den Babysitter für Jake Vance zu spielen. Was für eine Enttäuschung!

Holly seufzte leise und strich sich das Haar zurück. Leider war dieser Job alles andere als einfach.

Ein Mann wie Jake war auch in der Tiefgarage nicht zu übersehen. Er stand neben einem silbernen Commodore, telefonierte und strahlte Reichtum und Klasse aus. Während sie versuchte, langsamer zu atmen und sich so zu beruhigen, ging sie auf ihn zu. Offenbar hatte er sie gehört, denn er klappte sein Telefon zu und hielt ihr die hintere Wagentür auf.

„Zurück ins Büro, Steve“, sagte er, während er sich neben sie auf den Sitz schob.

Steve startete den Motor, lenkte den Wagen die Rampe hoch und fädelte sich in den Verkehr ein. Und plötzlich wurde Holly bewusst, dass Jake seine Aufmerksamkeit jetzt ganz auf sie konzentrieren konnte, hier in dem Wagen, wo noch weniger Raum als im Fahrstuhl war.

Während sie den Sicherheitsgurt schloss, versuchte sie zu ignorieren, dass Jake sie sehr genau mit seinen grünen Augen musterte. Als sie ihm das erste Mal gegenübergestanden hatte, hatte sie noch relativ schnell die Verwirrung abschütteln können, die seine bloße Erscheinung in ihr auslöste. Aber jetzt, in dieser intimen Enge, war es schon sehr viel schwieriger, die Hitzewellen zu unterdrücken, die seine Nähe in ihr auslöste.

Jake Vance war eindeutig ein Mann, der normalerweise das erreichte, was er wollte. Er erwartete, dass man sich ihm unterwarf, und wer ihm in den Weg kam, wurde vernichtet.

„Was brauchen Sie denn noch außer den Finanzunterlagen?“, fragte Holly schließlich, weil sie die Spannung nicht mehr aushielt.

„Wie wäre es, wenn Sie mir etwas von der Geschichte der Blackstones erzählen?“

Neugierig sah sie ihn an. „Sind Sie an etwas Bestimmtem interessiert?“

„Nein, fangen Sie nur an.“ Er grinste kurz. „Und keine Sorge, wenn es zu langweilig wird, melde ich mich.“

Dabei sah er sie so unschuldig an, dass sie bei den eigenen nicht ganz so unschuldigen Gedanken errötete. Schnell beugte sie sich über ihre Mappe. Langweile und Jake Vance passten so gar nicht zusammen.

Während Holly sprach, hörte Jake aufmerksam zu. Dabei achtete er nicht nur auf ihre Worte, sondern auch auf das, was unausgesprochen blieb. Dass sie von den Blackstones beeindruckt war, merkte er an der Lebhaftigkeit, mit der sie von der Familie erzählte. Selbstverständlich war Jake das meiste vertraut. Seine Leute hatten ihn bereits informiert und ihm auch einen schriftlichen Bericht hinterlassen. Aber von Holly in die Einzelheiten der Familiengeschichte eingeführt zu werden war viel interessanter. So konnte er auch Fragen stellen, die sie ohne Zögern beantwortete.

Ja, sie ist wirklich intelligent und sehr hübsch. Aber sie arbeitet für die Blackstones.

Er war schon zweimal bitter enttäuscht worden. Erst von Lucy, die ihn verließ, als er sie besonders brauchte. Und sieben Jahre später hatte Mia ihre Position als seine persönliche Assistentin missbraucht und ihn verraten. Er hatte seine Lektion gelernt. Nach der Sache mit Mia hatte er sein Privatleben total abgeschirmt. Zwar gab es auch in seinem Unternehmen strenge Sicherheitsvorkehrungen, die für sein Privatleben aber waren quasi unüberwindbar.

„Anders als andere Juwelierfirmen gibt Blackstone nur zwei Kataloge pro Jahr heraus.“

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. „Nur zwei Kataloge?“, wiederholte er schnell.

„Ja. Im Oktober und im Januar.“

„Nicht zu Weihnachten?“

„Nein. Im Februar um den Valentinstag herum haben wir am meisten zu tun. Und im Oktober fangen viele Kunden schon an, sich um Weihnachtsgeschenke zu kümmern. Außerdem wird ein Blackstone-Diamant oft auch als reine Geldanlage gekauft.“ Sie klappte ihre Mappe auf. Ein schmales Heft fiel heraus, und bevor sie es wieder einstecken konnte, wies Jake darauf und fragte: „Was ist denn das?“

„Ach, das ist unser allererster Katalog.“ Sie lachte leise. „Der ist übrigens mittlerweile ein echtes Sammlerstück. Es gibt nämlich nur noch zwanzig Exemplare auf der ganzen Welt.“ Sie wies auf den Umschlag. „Das sind Howard und Ursula. Sie trägt die Blackstone Rose.“

Jake nahm ihr das Heft aus der Hand und starrte auf das Foto. Es war ein typisches Bild aus den siebziger Jahren und zeigte ein junges Paar in Abendkleidung vor dem Eingang der Oper. Howard Blackstone trug einen Smoking und lächelte triumphierend. Neben ihm stand Ursula in einem trägerlosen bodenlangen Abendkleid. Ihr Haar war der damaligen Mode entsprechend hochtoupiert. Die Kette, die sie um den Hals trug, war groß und sehr auffallend. Sie bestand aus fünf großen Diamanten, vier runden Steinen und einem in Tropfenform. Das Collier lag eng an und wirkte beinah wie ein Halsband, ein Symbol dafür, dass sie dem Diamantenkönig gehörte.

Dieser Eindruck wurde durch Ursulas Miene noch unterstrichen. Zwar lächelte sie, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Es wirkte aufgesetzt.

Aber sie war doch reich, schön und berühmt. Warum sah sie dann so traurig aus? „Von wann ist die Aufnahme?“, fragte Jake.

„Dezember 1976.“

Zwei Monate nachdem er entführt worden war. Kein Wunder, dass sie so unglücklich aussah. Und Howard, dieser Egoist, hatte sie wahrscheinlich gezwungen, sich fein zu machen, damit er mit ihr und den Diamanten angeben konnte.

Das Herz wurde ihm schwer. Mit einem leisen Fluch warf er das Heft beiseite, verärgert, dass er Gefühle verspürte, die er nicht zulassen wollte. Denn Emotionen und Geschäftliches passten nicht zusammen. Als er sich Holly zuwandte, war seine Miene wieder vollkommen ausdruckslos.

„Die Diamanten der Blackstone Rose“, fuhr Holly leise fort, „stammen von einem einzigen Stein, dem ‚Heart of the Outback‘. Jeb Hammond, das ist Kimberleys und Ryans Großvater und Howards Schwiegervater, hatte diesen Stein seiner Tochter Ursula zur Geburt von James, seinem ersten Enkelkind, geschenkt. Howard hatte daraus das Collier anfertigen lassen.“ Holly hob den Kopf und sah Jake an. „Was wissen Sie über Diamanten?“

„Nur, dass alle Frauen verrückt danach sind.“

Mit einem etwas herablassenden Lächeln schüttelte sie den Kopf. „Irrtum. Ich zum Beispiel nicht.“

„Nein? Ich dachte, jede Frau liebt Diamanten.“

„Ich mag Saphire sehr viel lieber“, sagte sie ruhig. „Bei Diamanten sind Schnitt, Größe, Farbe und Klarheit entscheidend. Aber das wissen Sie wahrscheinlich, denn Sie sind ja bestens mit Quinn Everard bekannt.“

„Ja, ich weiß einiges über Diamanten. Aber wenig über die Blackstone Rose. Bitte, fahren Sie fort.“

Sie schlug eine andere Broschüre auf und zeigte ihm eine Studioaufnahme des berühmten Colliers, das auf schwarzem Samt gebettet war.

Obgleich Jake nie verstanden hatte, warum Frauen so verrückt nach Diamanten waren, musste er zugeben, diese waren wirklich … „Beeindruckend. Das ist also die sagenhafte Blackstone Rose. War das Collier nicht an Ursulas dreißigstem Geburtstag gestohlen worden?“

„Um die Zeit herum wurde es als vermisst gemeldet“, korrigierte sie ihn.

„So oder so. Das ist jetzt unwichtig, nachdem die Steine wieder aufgetaucht sind. Aus welchen Gründen auch immer, Howard vermachte die Steine Marise, und nach ihrem Tod gehören sie jetzt Matt Hammond.“

Matt Hammond … Auch Holly kannte natürlich die Geschichte von der Erzfeindschaft zwischen den beiden Diamantendynastien, den Hammonds und den Blackstones. Obgleich Matt Hammonds Vater und Kimberley Blackstones Mutter Bruder und Schwester waren, war aus Habgier, Machtstreben und Eifersucht ein tiefer Graben zwischen den Familien entstanden, der sich bisher nicht hatte überwinden lassen. In den letzten Monaten hatte er sich sogar noch vertieft. Denn das Gerücht, dass Matts Frau Marise ein Verhältnis mit dem notorischen Schürzenjäger Howard gehabt hatte, weil sie mit ihm zusammen im Flugzeug abgestürzt war, wollte nicht verstummen. Das war für Matt und auch für seinen kleinen Sohn Blake besonders bitter.

Als Holly nicht antwortete, sah Jake sie neugierig an. „Und?“

„Was und?“, fragte sie unwillig. „Ich weiß wirklich nicht, was Sie jetzt hören wollen.“

„Etwas über die Dynamik.“

„Dynamik?“

„Ja, über die Familiendynamik. Wie gehen die Familienmitglieder miteinander um? Der Erfolg eines Familienunternehmens hängt davon ab, dass alle vertrauensvoll zusammenarbeiten.“

„Das beweist doch wohl der Erfolg von Blackstone Diamonds.“

„Aber es geht hier nicht nur um den finanziellen Erfolg. Es geht um Anerkennung und Respekt, den man sich auf allen Ebenen eines Unternehmens entgegenbringen sollte.“

„Wie kommen Sie auf die Idee, dass das bei Blackstone Diamonds nicht der Fall ist?“

„Howard Blackstone war ein Diktator, das weiß ich genau. Er war kleinlich, rachsüchtig und behandelte seine Familie und die Angestellten wie den letzten Dreck. Er spielte einen gegen den anderen aus und hatte sie so alle in der Hand.“ Plötzlich beugte sich Jake vor, und Holly wich automatisch zurück. „Was mich interessiert, ist Folgendes: Warum haben alle weiterhin für ihn und mit ihm gearbeitet, obwohl er sie so übel behandelte?“

„Keine Ahnung.“ Holly sah ihn kühl an. „Warum arbeitet man weiter für Sie?“

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

Holly hielt den Atem an, das Herz sank ihr in die Hose. Sie hatte es getan, sie hatte den großen Jake Vance beleidigt. Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Reaktion, wartete darauf, dass er sie harsch in ihre Grenzen verwies. Doch …

Er lächelte.

Die kleinen Lachfältchen um seine Augen vertieften sich, seine Gesichtszüge entspannten sich und zeigten … ein Grübchen. Als hätte der Mann nicht ohnehin schon eine Ausstrahlung, der jede Frau leicht verfiel. Er hatte auch noch ein Lächeln, das ihn liebenswert und vollkommen unwiderstehlich machte.

„Ich finde es sehr interessant, dass ich Sie so irritiere“, erwiderte er. „Hat das damit zu tun, wie ich meine Geschäfte führe?“

„Nein.“

„Dann hat es eher persönliche Gründe.“

Um Himmels willen, nein! So nah war er ihr, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Und sie wusste, dass er nur an das eine dachte, während er mit den Augen ihr Gesicht erforschte und sein Blick schließlich an dem kleinen Leberfleck hängen blieb, der ihrem Mund so nah war … „Ich mache hier nur meinen Job, Mr Vance“, stieß sie schließlich hervor.

„So? Tatsächlich?“

Offenbar misstraute er ihr genauso wie sie ihm. Inzwischen hatte sie sich wieder gefasst. „Ja. Doch nun wieder zu Ihren Fragen. Was wollten Sie wissen, Mr Vance?“

„Jake. Ich muss wissen, wie die Familienmitglieder miteinander umgehen. Auf keinen Fall werde ich in das Unternehmen investieren, wenn die Blackstones sich untereinander bekämpfen. Außerdem muss ich berücksichtigen, dass schließlich auch noch Matt Hammond eine Rolle spielt. Der Mann macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er hasst die Blackstones und besitzt doch zehn Prozent der Aktien.“

Hin- und hergerissen zwischen Ehrlichkeit und Loyalität, wusste Holly nicht gleich, was sie sagen sollte. Das war wieder so eine Fangfrage, das war ihr klar. Jake kannte die Antworten und wollte nur wissen, wie sie reagierte.

Mist!

„Ihnen ist sicher nicht entgangen“, fing sie schließlich langsam an, „dass die Hammonds und die Blackstones eine lange und tragische Geschichte verbindet. Marise hat früher mal für Blackstone gearbeitet, hat dann aber Matt Hammond geheiratet, also jemanden aus der Familie, die Howard verachtete. Und nach ihrem Tod …“

„… fiel Ursulas Schmuck Matt und dem gemeinsamen Sohn Blake zu. Ja, ich weiß.“ Als sei er gelangweilt, blickte Jake aus dem Fenster, gerade als sie die Harbour Bridge verließen. „Aber ein Stein der Blackstone Rose wird immer noch vermisst.“

„Ja, so wie …“ James Blackstone, wollte Holly sagen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten.

Jake runzelte die Stirn. Auch ihm war der Vergleich durch den Kopf gegangen. Ein Diamant wurde vermisst. Ein Blackstone wurde vermisst.

Plötzlich musste er an seine „Mutter“ auf dem Sterbebett denken. Sie hatte mit ihren schwachen Händen seinen Arm umklammert und geflüstert: „Bitte, Jake, du darfst mich nicht hassen. Du warst mein Ein und Alles. Ich habe dich so geliebt.“

Und nun wurde er nicht mehr „vermisst“. Er hatte seine Familie wiedergefunden. Warum fühlte er sich trotzdem wie ein Schiffbrüchiger, der jede Orientierung verloren hatte?

Zwei Stunden später ließ eine schwangere und strahlende Jessica Cotter Blackstone Jake und Holly durch die Hintertür in das exklusive Juweliergeschäft ein, das Blackstone Diamonds in Sydney unterhielt. Sofort führte sie sie in den privaten Ausstellungsraum, der besonderen Besuchern vorbehalten war.

Holly setzte sich und schlug nervös die Beine übereinander. Bisher hatte sie sich in diesem Raum immer wohlgefühlt, weil er so hell und groß war. Aber mit Jake Vance so dicht neben sich wirkte alles irgendwie beengt. Seine Gegenwart schien ihr die Luft zum Atmen zu nehmen.

Um sich abzulenken, blickte sie auf das große Foto von Briana Davenport, das über einer Glasvitrine hing. Briana, das Topmodel von Blackstone Diamonds, lächelte verführerisch in die Kamera, und die großen Diamantohrringe funkelten mit Brianas wunderschönen Augen um die Wette.

Holly war aufgefallen, dass Jessica Jake einen entschuldigenden Blick zugeworfen hatte, als sie den Raum betraten. Obgleich er lediglich mit den Schultern gezuckt hatte, schien er jetzt die Augen nur schwer von dem Porträt seiner früheren Flamme lösen zu können. Dabei hatte er mit jeder jungen Frau der besseren Gesellschaft etwas gehabt. Doch er war ein eingefleischter Junggeselle, wie Hollys Mitbewohnerin Miko meinte, die über diese Dinge genauestens informiert war.

„Reiche Männer angeln sich immer irgendwann die schönsten Models“, hatte Miko lachend gesagt, und so war es auch gewesen. Als schon alle Welt über eine bevorstehende Hochzeit von Jake und Briana tuschelte, hatte Briana sich in den erfolgreichen Anwalt Jarrod Hammond verliebt und Jake sitzen gelassen. Das war sicher ein harter Schlag für Jakes Ego gewesen, denn Jarrod war dazu auch noch Matts Bruder. Ein paar Wochen lang schien Jake wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Und nicht zum ersten Mal stellte Holly einen Vergleich zwischen Howard und Jake an. Beide hatten ihre Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut. Aber während Jake immer allein arbeitete, hatte Howard seine Familie dort eingesetzt, wo es ihm nützlich erschien, wenn er auch, ebenso wie Jake, nie Verantwortung abgegeben hatte. Und trotz oder vielleicht auch wegen seines Erfolgs hatten die Menschen mit wenigen Ausnahmen Howard gehasst. Auch Jake Vance war alles andere als beliebt. Beide hatten diesen rücksichtslosen kalten Blick. Und beide würden gnadenlos jeden abstrafen, der sich gegen sie stellte.

Wie also würde Jake reagieren, wenn er herausfand, dass sie als Spionin von dem Unternehmen auf ihn angesetzt war? Bei dem Gedanken wurde ihr kalt vor Angst. Allerdings, noch wusste er nichts …

Als Jessica mit einem Samttablett wiederkam, das sie vor ihnen abstellte, versuchte Holly, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Sie beobachtete Jake, was schließlich ihre Aufgabe war, wie sie sich tröstete. Während Jessica ihnen etwas über das Besondere der einzelnen Steine erzählte, nahm Holly kaum etwas auf, sondern vertiefte sich in den Anblick des Mannes, der sich ganz auf die Steine zu konzentrieren schien. Was für schönes Haar er hatte, dunkel und glänzend. Und in dem teuren Anzug wirkte er so beeindruckend, dass sie am liebsten ein paar Meter mit ihrem Stuhl von ihm abgerückt wäre, um sich seiner unglaublichen Ausstrahlung zu entziehen. Aber auch das hätte nicht geholfen, das wusste sie genau.

„Was sind rosa Diamanten denn eigentlich wert?“, wandte Jake sich plötzlich an Holly.

An der Art und Weise, wie sie ihr Haar zurückstrich, erkannte er, dass sie nervös war. Wahrscheinlich war sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen, und er hatte sie dabei ertappt. Aber sie fasste sich schnell, und ihr Blick war klar und sachlich, als sie antwortete: „Bei einer Auktion von Sotheby’s im Jahre 2004 wurde ein dunkelrosa Diamant für gut 143.000 Dollar pro Karat verkauft. Das Anfangsgebot lag bei 100.000 Dollar pro Karat.“

„Und so was wie die Blackstone Rose, was würde die …“

„Die vier runden Diamanten haben je sieben Karat, der tropfenförmige Mittelstein zehn. Damals war das Collier also Millionen wert. Heute … wer weiß?“

Der kühle und nüchterne Tonfall reizte Jake und machte ihn neugierig. Noch nie hatte er eine Frau gekannt, die so cool blieb, wenn es um einige der teuersten und schönsten Diamanten der Welt ging. Erstaunlich, bereits innerhalb eines einzigen Tages hatte diese junge Frau sein Interesse geweckt.

„Probier ihn doch ruhig einmal auf.“ Jessica nickte Holly auffordernd zu und wies mit dem Kopf auf einen besonders schönen Saphirring. Zögernd streifte Holly ihn über, und Jake hatte das ganz bestimmte Gefühl, dass beide Frauen dieses Spiel häufiger spielten. Gespannt beobachtete er Holly, und als sie mit einem schwärmerischen Ausdruck in den Augen ihre schmale Hand betrachtete, drängte sich ihm plötzlich ein Bild auf. Holly, nackt und nur mit einem Ring „bekleidet“. Der Mund wurde ihm trocken. Unwillig versuchte er zu schlucken und das Verlangen zu unterdrücken, das sich wieder meldete. Was war nur mit ihm los? Er war doch sonst nicht so leicht zu erregen.

„Das bringt Unglück“, stieß er leise hervor. Als sie ihn fragend ansah, erläuterte er: „Wenn man einen Ring auf den Ringfinger steckt, wo der Ehering hingehört, ohne verlobt zu sein.“

Bevor Holly noch antworten konnte, lachte Jessica laut los. „Sie glauben doch wohl nicht an diese Ammenmärchen?“

„Meine Mutter hat fest daran geglaubt.“

„Ihre Mutter?“ Jessica wurde ernst. „Ist sie nicht kürzlich gestorben? Mein herzliches Beileid.“

„Schon gut.“ Er machte eine abwehrende Handbewegung und griff dann nach einem der rosa Diamanten.

Als hätte sie sich verbrannt, legte Holly den Ring hastig wieder auf das Samttablett zurück. Ohne dass sie es wollte, wurde ihr Blick wie magisch von Jake angezogen. War es sein herbes Aftershave, dessen Duft ihr betörend in die Nase stieg, oder der wache Ausdruck in seinen grünen Augen? Wie auch immer, sie spürte, wie ihr Körper reagierte und ihr die Hitze bis in die Wangen stieg. Auch das noch …

Jake dagegen schien absolut cool zu sein, die grünen Augen wirkten gelassen, beinahe kalt. Wenn sie ihn am Vormittag nicht anders erlebt hätte, hätte sie ihn glatt für einen gefühllosen Roboter halten können.

Darüber sollte ich jetzt nicht nachdenken. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen.

Dennoch folgte sie wie hypnotisiert seinen Bewegungen, als er erst einen Stein hochnahm, dann einen zweiten. Aber war das nicht auch ihre Pflicht als moderne Mata Hari? Sie sollte ihn doch genau beobachten, um hinter seine dunklen Geheimnisse zu kommen. Doch gab es überhaupt noch irgendetwas zu entdecken, was nicht schon längst über Mr Midas bekannt war? Als ob ausgerechnet sie mehr als das herausfinden könnte, was er freiwillig zugab.

Während sie sich von Jessica verabschiedeten und den Laden verließen, wurde ihr klar, dass Jake so ganz anders war, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Und das verwirrte sie. Er hatte Jessica herzlich begrüßt und gleich einen bequemen Sessel für sie herangezogen. Aufmerksam hatte er zugehört, als sie ihm von Diamanten im Allgemeinen und von dem Geschäft im Besonderen erzählt hatte, hatte intelligente Fragen gestellt und sich auch für die Mitarbeiter interessiert. Warum aber hatte er unbedingt die rosa Diamanten sehen wollen? Im Grunde war es ihm doch gleich, wie sie aussahen. Für ihn zählte nur, dass Blackstone Diamonds viel Geld damit verdiente. Wenn das Unternehmen mit Kuhdung Profit machen würde, dann wäre Jake Vance sicher genauso daran interessiert.

Auf der Rückfahrt blickte sie aus dem Fenster und versuchte, sich immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, wie rücksichtslos Jake Vance war. Sie hatte viel über seine rasche Entschlussfreudigkeit gelesen, über sein sagenhaftes Verhandlungsgeschick. Aber ein Kommentar war ihr besonders in Erinnerung geblieben. Nach dem Interview hatte sich ein Journalist vollkommen unbeeindruckt von Jakes Erfolg gezeigt und Jake als kalt und herrschsüchtig bezeichnet.

Jake hatte offenbar das Talent, Menschen auf unterschiedliche Art und Weise zu vernichten. Das allein sollte sie abschrecken. Warum reagierte sie dann so sehr als Frau, wenn er in der Nähe war?

Als ahnte er, was in ihr vorging, warf er ihr einen schnellen Blick von der Seite her zu. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und wirkte ausgesprochen genervt. So als wäre sie der letzte Mensch auf der ganzen weiten Welt, den er sehen wollte.

Ich weiß, wie sich das anfühlt.

Ihr Handy klingelte, und sie fuhr zusammen. Nach einem Blick auf das Display rückte sie noch weiter in die Ecke. „Entschuldigen Sie, aber das muss ich annehmen.“ Es war jemand von der Bank ihrer Mutter, der ihr schonungslos mitteilte, in welchem Dilemma sie steckte. Holly wurde das Herz schwer, gleichzeitig überkam sie ein wilder Zorn über die Ungerechtigkeit in der Welt. Der Mann hier neben ihr war so unanständig reich, und ihre Eltern kämpften um ihr finanzielles Überleben, nur weil sie ein Mal eine falsche Entscheidung getroffen hatten.

Hinzu kam, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, da sie selbst damals als Teenager die Eltern zu dieser Entscheidung überredet hatte. Hätte sie das nur nie getan. Aber nun war es zu spät, und sie musste stark sein und den Eltern helfen.

Und deshalb muss ich unbedingt meinen Job behalten. Das heißt, ich muss versuchen, Jake Vance auszuhorchen.

Wieder starrte sie aus dem Fenster. Sie durfte sich nicht in irgendwelchen Träumereien verlieren, sondern musste nüchtern der Wirklichkeit ins Auge sehen. Das bedeutete, dass sie nicht vergessen durfte, wer sie war, was sie getan hatte und was sie tun musste, um ihren guten Ruf zu wahren und die Eltern zu retten.

Jake hatte indessen einige Unterlagen studiert, aber als ihm auffiel, dass er einen Absatz bereits zum dritten Mal las, hob er den Kopf und sah Holly an. Während des kurzen Telefongesprächs hatte sie die Schultern verkrampft hochgezogen. Immer wieder hatte er die Worte „Geld“, „Zahlung“, „Versäumnis“ und „Frist verstrichen“ gehört.

Was bedeutete das? Misstrauisch sah er sie an und öffnete schon den Mund, schwieg dann aber doch. Denn ihre Haltung drückte eindeutig eine tiefe Niedergeschlagenheit aus.

War das ein Seufzen? Es hörte sich eher so an, als versuche sie, tief Luft zu holen, um Kraft zu tanken. Aber es gelang ihr nicht. Unwillkürlich hob Jake die Hand, um sie zu trösten, bemerkte aber noch rechtzeitig, was er im Begriff war zu tun, und ließ den Arm hastig wieder sinken.

Holly hatte die Bewegung aus dem Augenwinkel wahrgenommen und wandte sich ihm zu. „Entschuldigen Sie.“ Sie schob sich schnell das Haar aus der Stirn und lächelte kurz. „Wo waren wir stehen geblieben?“

„Ihr Haar.“

„Was?“

Er wies auf ihren Kopf. „Die Spange hat sich gelöst.“

„Oh …“ Schnell strich sie das Haar zurück und befestigte die Spange, die Wangen gerötet. Jake grinste leicht, wurde aber plötzlich ernst, als ihm wie aus heiterem Himmel ein Gedanke durch den Kopf schoss. Wie sie wohl aussieht, das offene Haar auf meinem Kopfkissen ausgebreitet?

Als sie den Saphirring an den Finger steckte, hatte er etwas in ihren Augen aufleuchten sehen. Sehnsucht. Verlangen. Als wünschte sie sich verzweifelt etwas, von dem sie wusste, dass sie es nie würde haben können.

Wieder musterte er ihr Profil. Für ihn gab es nichts, was er nicht erreichen könnte. Er konnte alles haben, was er wollte.

Heiße Begierde überfiel ihn. Er lächelte zynisch, denn er wusste, was er wollte. Er begehrte Holly. Sein Körper sehnte sich nach ihr, und normalerweise bekam er das, was er wollte. Aber dieses Mal …

Obgleich er sich bei Entscheidungen immer auf seine Intuition und seinen messerscharfen Verstand hatte verlassen können, ließ ihn diesmal sein sechster Sinn im Stich. Also musste er sich auf das besinnen, was seine Erfahrung ihn gelehrt hatte.

Lass die Finger davon.

„Es ist nach fünf. Ich bringe Sie schnell nach Hause.“

„Das ist nicht nötig.“

„Schon okay, das macht keine Mühe.“

Holly seufzte leise. Sie sah ein, dass es keinen Sinn hatte, ihm zu widersprechen.

Zehn Minuten später hielt der Wagen vor dem Apartmentblock, in dem Holly wohnte. Jake stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Als er ihr heraushelfen wollte, zögerte Holly kurz, reichte ihm dann aber doch die Hand.

Ganz schlecht. Hätte ich nicht tun sollen.

Denn sowie sie seine Finger spürte, stieg sie zwar aus, blieb aber dann wie angewurzelt stehen. Sie konnte nicht anders. Sie spürte nicht die Kühle des Nachmittags, sondern nur die Wärme seiner Hand. Ihr Atem beschleunigte sich, ihr Herz schlug wie verrückt. Jake sah auf sie herunter, sie standen eng beieinander, und plötzlich hatte sie die Vorstellung, er würde sich zu ihr herunterbeugen und ihr einen Abschiedskuss auf die Wange geben.

Das war natürlich Unsinn, schalt sie sich insgeheim, und dennoch sehnte sie sich danach.

Hastig entzog sie ihm die Hand und trat einen Schritt zurück. Wie kalt es plötzlich war.

„Wie ist Ihre Telefonnummer?“, fragte er.

„Warum wollen Sie die wissen?“

Er lächelte. „Für den Fall, dass ich Sie anrufen muss.“

„Ach so … ja, natürlich.“ Schnell gab sie ihm die Nummer, die er gleich in sein Handy eingab.

„Steve wird Sie morgen früh um sieben abholen. Wir fliegen zu einem Termin in Lighting Ridge.“ Jake steckte das Telefon wieder ein. Und als er Hollys verblüfften Gesichtsausdruck sah, fügte er hinzu: „Ich muss mir einen neuen Gebäudekomplex ansehen, den ich gerade errichten lasse.“

„Das machen Sie selbst? Haben Sie für so etwas nicht Ihre Leute?“

„Manches sehe ich mir lieber selbst an.“ Er lehnte sich gegen den Wagen und hob zum Abschied die Hand. „Gute Nacht, Holly.“

Nachdenklich sah er ihr hinterher, wie sie die Stufen zum Eingang emporstieg. Sie hielt sich kerzengerade, bewegte die Hüften jedoch in aufreizender Art und Weise, was ihr wahrscheinlich nicht einmal bewusst war. Als sie die Tür aufgeschlossen hatte, wandte sie sich noch einmal um und nickte ihm lächelnd zu.

Sowie sie im Treppenhaus verschwunden war, stieg Jake wieder ins Auto. Eins war ihm klar: Er musste dringend mehr über Holly McLeod herausfinden.

3. KAPITEL

„Ihre Mutter hat das Krisenzentrum für Jugendliche ins Leben gerufen?“, fragte Holly, während sie an Bord der kleinen Cessna gingen, die sie nach Sydney zurückbringen sollte.

„Ja.“ Jake reichte der Flugbegleiterin seinen Mantel.

„Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihre Mutter verloren haben, Mr Vance.“

Diese Floskel hatte er in den letzten Wochen tausendmal gehört, aber instinktiv wusste er, dass Holly meinte, was sie sagte.

„Meine Mutter hat sich gern für einen guten Zweck eingesetzt.“

„Ja, das habe ich gehört. Sie müssen sehr stolz auf sie sein.“

Leise erwiderte er etwas, was sie nicht verstand. Dann sagte er: „Vergessen Sie nicht, sich anzuschnallen.“

„Nein.“ Ihr Platz war nicht direkt neben seinem, und sie ging den schmalen Gang hinunter.

Stolz? Jake lehnte den Kopf gegen die lederne schwarze Stütze. Der Gedanke kam ihm eigentlich nicht, wenn er an April Vance Kellerman dachte. Im letzten Monat hatte er sie beerdigt, was jetzt schon eine Ewigkeit zurückzuliegen schien. Obgleich er sich dagegen sträubte, musste er an die letzten Stunden mit der Mutter zurückdenken, an ihre hastige, drängende Beichte, die er anfangs einer Überdosis von Schmerzmitteln zugeschrieben hatte.

Nur aus Angst hatte sie sich ihm geöffnet, weil ihre Lebenslüge kurz davor war, aufgedeckt zu werden. Wenn der Privatdetektiv, den Howard Blackstone noch kurz vor seinem Tod mit der Suche nach seinem Sohn James betraut hatte, ihr nicht schon so gefährlich nah gekommen wäre, hätte sie dem Sohn nie etwas gesagt. Und er hätte heute noch keine Ahnung, wer seine richtigen Eltern waren.

Unwillkürlich ballte Jake die Hände zu Fäusten. Anfangs hatte ihn dieses Geständnis total verwirrt. Dann war er zornig geworden. War nicht sein ganzes bisheriges Leben eine einzige Lüge? War zumindest auf einer Lüge aufgebaut? Vieles, was er sich nie hatte erklären können, ergab plötzlich einen Sinn. Warum sie wie die Nomaden gelebt hatten, sich nie lange an einem Ort aufgehalten hatten. Warum April ihm nie etwas von der Familie erzählte. Und warum er bis zu seinem zehnten Lebensjahr von Albträumen gequält wurde, deren Ursprung er nie hatte herausfinden können.

Tief durchatmend zwang er sich, die Augen zu schließen und sich zu entspannen. Aprils Geständnis und ihr Tod hatten etwas in ihm ausgelöst, das ihn erst beunruhigte, dann aber in zunehmendem Maße akzeptieren konnte. Er hatte angefangen, über sein Leben nachzudenken, über den Sinn dessen, was für ihn bisher so wichtig gewesen war. Dieser Zehnjahresplan, den er für sich aufgestellt hatte, was beinhaltete der eigentlich wirklich? Waren Reichtum und Einfluss wirklich so erstrebenswerte Ziele? Mittlerweile hatte er mehr Geld, als er jemals würde ausgeben können. Alles, was den Blackstones bereits in die Wiege gelegt worden war und wonach seine Mutter sich immer gesehnt hatte, war vorhanden. Jetzt musste er nur noch Blackstone Diamonds sanieren, dann konnte er sich dem letzten Punkt auf seiner Lebensliste zuwenden. Frau und Kindern.

Schnell warf er einen Blick auf Holly, die ein paar Reihen vor ihm saß. Mit Kopfhörern auf den Ohren starrte sie auf das Rollfeld. Und wieder reagierte sein Körper auf ihren bloßen Anblick mit einem plötzlichen Verlangen, das ihm die Luft aus den Lungen presste.

Was war das? Mit wachsendem Verdruss musste er sich eingestehen, dass seine Rechnung, sie mit seinem Reichtum einzuschüchtern, nicht aufgegangen war. Es war erstaunlich, wie gelassen sie auf alles reagierte. Weder der Flug in seiner luxuriösen Privatmaschine noch die Tatsache, dass alle Welt sich seinen Befehlen unterordnete, schienen sie zu beeindrucken. All seine Fragen hatte sie ruhig und kompetent beantwortet und keinerlei Ungeduld gezeigt, als er sich längere Zeit mit dem Rohbau beschäftigte.

Diese junge Frau aus der Provinz schien in seine Welt der Reichen und Schönen zu passen, als sei sie dort hineingeboren. Und sie war eine verführerische Person, seine kleine Blackstone-Assistentin mit ihren schmal geschnittenen Kostümchen und den nahezu durchsichtigen Blusen. Als er sich an die vergangene Nacht erinnerte, war er augenblicklich erregt. Er hatte von ihr geträumt. Irgendwie ging sie ihm mehr unter die Haut als andere Frauen. Sie reizte ihn, einerseits sexuell, andererseits aber auch, weil er sie nicht einschätzen konnte. War sie eine Spionin? Sollte sie ihn aushorchen? Perverserweise erregte ihn diese Ungewissheit.

Leise fluchend starrte auch er aus dem Fenster, allerdings ohne etwas wahrzunehmen. Wenn er nicht aufpasste, konnte diese Faszination ihn verwundbar machen. Bereits einmal hatte er zugelassen, dass eine Frau ihm das Herz brach, und ein zweites Mal war er in seinem Vertrauen tief enttäuscht worden. Das durfte nie wieder geschehen.

Aber, verdammt noch mal, er begehrte sie! Wahrscheinlich weil er sie nicht haben konnte, die alte Geschichte eben.

Glücklicherweise klingelte sein Handy und riss ihn aus diesen gefährlichen Gedanken.

Es war Quinn. „Na, wie ging es mit den Blackstones?“

„Was denkst du denn? Bei dem DNA-Ergebnis mussten sie mich akzeptieren. Und nun haben sie mir eine lebende Blackstone-Werbebroschüre mitgegeben, die mich auf Schritt und Tritt mit Jubelpropaganda verfolgt.“ Er lehnte sich zurück, das Leder quietschte leise.

„Ist sie hübsch?“

„Was spielt das für eine Rolle?“

„Dann ist sie hübsch.“

„So?“

„Ja. Ein Mann muss so was wissen.“

Jake lachte leise. „Was ist denn mit dir los? Wirst du langsam sentimental?“

„Es gibt im Leben wesentlichere Ziele, als Geld zu verdienen.“

„Aha, es spricht der weise Quinn. Als Nächstes predigst du mir noch, dass Liebe das Wichtigste auf der Welt ist.“

Jetzt musste auch Quinn lachen. „Wer weiß? Vielleicht brauchst du nur so etwas wie diese Kleine.“

„Von wegen! Hast du meine Erfahrungen mit Mia vergessen?“

„Allerdings. Du bist der Einzige, der sich mit dieser Sache noch belastet.“

„Ich? Ich habe mit meiner Vergangenheit längst abgeschlossen.“

„Das soll ich dir glauben?“ Quinn war ernst geworden. „Die Sache mit Lucy. Dein Stiefvater? All diese kleinen schäbigen Orte, an denen du aufgewachsen bist? Das hast du alles vergessen? Ich glaube, du schleppst noch eine ganze Menge mit dir herum, mein Lieber.“

„Hm, kann sein.“ Jake rieb sich nervös den Nacken. „Aber jetzt zu etwas anderem. Hast du den fehlenden Diamanten der Blackstone Rose auftreiben können?“

„Du hast Nerven! Eher findet man den Stein der Weisen. Aber immerhin will … Matt Hammond … schon … mir … es …“

„He, Quinn, was ist? Kannst du mich noch hören? Quinn?“

Die Verbindung war unterbrochen. Mist.

Plötzlich ruhelos geworden, stand Jake auf und ging die paar Schritte zu Hollys Platz. Sie hatte den Kopf über eine Art Tabelle gebeugt und notierte eifrig irgendetwas. Als sie ihn bemerkte, schob sie schnell ein Blatt Papier über die Aufstellung. Doch die Überschrift hatte Jake noch entziffern können. Es ging um irgendwelche Finanzen.

„Ist es nicht noch ein bisschen zu früh für die Steuererklärung?“, fragte er lächelnd.

Sie sah zu ihm hoch. „Ich erledige meine Sachen eben lieber zu früh als zu spät!“ Das klang beinahe trotzig. Doch dann wechselte sie schnell das Thema. „Kurz zu Ihren Terminen. Um vier treffen Sie sich mit Kimberley. Außerdem habe ich die letzte Vierteljahresabrechnung von unseren Abteilungschefs angefordert.“ Sie hielt ihm ein paar Papiere hin. „Und dann habe ich das Organigramm ausdrucken lassen, auf dem Sie auch die Durchwahlnummern der leitenden Angestellten finden. Nach fünf werde ich Sie durchs Haus führen und Ihnen die einzelnen Abteilungen zeigen.“

Mit unbewegter Miene sah Jake auf sie herab.

Der Mann ist einfach zu selbstbewusst, dachte Holly. Das ärgerte sie. Andererseits war er leider ziemlich unwiderstehlich. Das fiel ihr jetzt wieder auf, als er sich vorbeugte und die Papiere entgegennahm. Dieser männlich herbe Geruch nach Moschus und teuren Stoffen. Um ihre Nervosität zu verbergen, sah sie auf ihre Uhr.

Er hatte den Blick bemerkt. „Würden Sie mit mir zum Mittagessen gehen?“

Trotz der sanften Stimme meinte sie so etwas wie einen herausfordernden Tonfall wahrzunehmen. „Nein, danke.“

„Warum denn nicht?“

„Weil ich mir mein Essen mitgebracht habe.“

„Und das essen Sie lieber als mit mir im Restaurant?“

„Ja“, sagte sie nach kurzem Zögern.

Er lachte leise. „Aber es geht doch nur ums Essen, Holly. Wir gehen in eins der Blackstone-Restaurants. Ein reines Geschäftsessen.“

Mit leicht schräg gelegtem Kopf sah sie ihn an. „Hat man Ihnen eigentlich noch nie etwas abgeschlagen?“

„Nicht, wenn man seinen Job behalten wollte.“

Empört holte sie tief Luft. „Sie feuern mich, wenn ich nicht mit Ihnen essen gehe?“

„Nein.“ Er grinste, aber das beruhigte sie nicht. „Außerdem kann ich Sie gar nicht feuern. Sie sind bei Blackstone angestellt.“

„Aber warum wollen Sie denn mit mir zum Essen gehen?“

„Vielleicht mag ich gern mit Ihnen zusammen sein.“

Dabei lächelte er so gewinnend, dass Holly innerlich aufstöhnte. Sicher, er war ausgesprochen attraktiv, aber sie durfte nie vergessen, wer er war. Ihr Boss. Wenigstens momentan.

Was auch immer sie ihm gegenüber empfand, sie musste da durch. Es war bestimmt nicht sinnvoll, daraus eine große Sache zu machen, zumal sie am kürzeren Hebel saß.

„Okay, aber ich muss eben noch mal telefonieren.“

Eine Stunde später wurden sie zu dem Tisch geführt, der der Blackstone-Geschäftsleitung ständig zur Verfügung stand.

„Wenn ich an Ihren Terminkalender denke, wundere ich mich, woher Sie die Zeit nehmen, zum Lunch zu gehen“, meinte Holly und vertiefte sich in die Speisekarte.

„Zum Essen nehme ich mir immer Zeit. Ein gutes Essen und eine Flasche Wein, und die Welt sieht gleich sehr viel freundlicher aus. Außerdem habe ich eine Schwäche für …“, er musterte ihr Gesicht, wobei sein Blick schließlich auf dem kleinen Leberfleck hängen blieb, „… Gnocchi.“

Verlegen goss sie sich schnell ein Glas Wasser aus der Karaffe ein, die auf dem Tisch stand. „Und dazu laden Sie immer Mitarbeiter ein?“

„Wer sagt Ihnen, dass ich bezahle?“

Erschreckt sah Holly ihn an. Seine grünen Augen funkelten amüsiert. Ich bin auch zu dumm, schoss es ihr durch den Kopf, und sie senkte schnell den Blick. Doch noch mehr verwirrte sie die Tatsache, dass er lächelte. Ausgerechnet Jake Vance lächelte. Auf keinem der zahlreichen Fotos, die sie bisher gesehen hatte, hatte er ein Lächeln aufgesetzt, obgleich ein Mann in seiner Situation doch allen Grund dazu hatte.

„War es immer schon Ihr Wunsch, bei Blackstone zu arbeiten?“, fragte er sie und half ihr durch den Themenwechsel aus der Verlegenheit.

Dankbar hob sie den Kopf. „Eigentlich nicht. Aber da, wo ich herkomme, sieht es mit Arbeitsplätzen schlecht aus. So musste ich mir woanders etwas suchen.“

„Wo kommen Sie denn her?“

War es schlau, ihm mehr von sich zu erzählen? Holly war unsicher. „Ach, das kennen Sie sowieso nicht.“

„Vielleicht doch.“

„Aus Kissy Oak.“ Sie errötete, als sein Blick sofort auf ihre Lippen fiel. „Das ist ein kleines Städtchen ein paar Meilen von Dubbo entfernt.“

„Dann sind Sie also ein Mädchen aus der Provinz“, sagte er leise. „Haben Sie mit Ihrem Weggang vielleicht auch einen Jungen aus der Provinz unglücklich gemacht?“

„Warum wollen Sie das wissen?“

„Aus keinem bestimmten Grund. Ich möchte nur meine Assistentin etwas besser kennenlernen.“ Dabei lächelte er wieder charmant, und Hollys Misstrauen wuchs. Der Mann wusste genau, wie er auf Frauen wirkte. Aber bei ihr hatte er sich geschnitten.

„Das wissen Sie doch sicher längst. Sie haben Ihre Leute bestimmt auch auf mich angesetzt.“

„Kann sein. Aber die Auskünfte sind oft sehr lückenhaft.“

„Aha.“ Sie lehnte sich zurück und fixierte ihn kühl. „Dann erzählen Sie mir mal, was Sie über mich wissen.“

Ohne zu zögern, begann er seinen Bericht, wobei er ihrem Blick nicht auswich. „Sie sind am 13. April im Krankenhaus von Dubbo als Tochter von Martin und Maureen McLeod geboren. Ihr Zwillingsbruder Daniel ist zwei Tage nach der Geburt gestorben. Ihre Eltern besaßen ein Geschäft für landwirtschaftliches Zubehör. Als Sie siebzehn waren, hat MacFlight ihren Eltern das Geschäft abgekauft und ging dann pleite. Sie zogen in die Stadt und fingen bei Blackstone in der Personalabteilung an. Vor Kurzem haben Sie Ihren Master an der Universität gemacht. Das Studium hat Blackstone finanziert. Ihre offizielle Position ist Assistentin des Personalchefs. Momentan aber sind Sie gerade in der PR-Abteilung eingesetzt worden. Ihre Mutter bekommt eine Sozialrente und ihr Vater eine Invalidenpension.“

Donnerwetter! Holly starrte ihr Gegenüber mit großen Augen an, während sie langsam die Speisekarte zuklappte. Wie gradlinig sich ihr Werdegang in den letzten neun Jahren anhörte, wenn jemand wie Jake unsentimental die Fakten aufzählte. Dabei war es ein gefühlsmäßiges Auf und Ab gewesen. Wenn sie daran dachte, wie sie versuchte, ihre vor Angst hysterische Mutter im Krankenhaus zu beruhigen, als ihr Vater einen Schlaganfall hatte. Dann die Monate in der sehr teuren Reha-Klinik, deren Kosten nur zum geringen Teil von ihrer Krankenversicherung übernommen worden waren. Hinzu kamen die üblichen Ausgaben für Strom, Wasser und Essen. Diese ständige Sorge hatte sie so geprägt, dass sie auch jetzt davon nicht frei war, sondern immer irgendwie ein schlechtes Gewissen hatte, wenn sie an die Eltern dachte. Sollte sie sich mehr kümmern? Aber hatte sie nicht auch ein Recht auf ihr eigenes Leben?

Wenn sie verärgert ist, wird sie rot, stellte Jake fest, während er beobachtete, wie sich ihre Wangen dunkelrosa färbten. Die Familie war offenbar in finanziellen Schwierigkeiten. Vielleicht war Holly die undichte Stelle in dem Unternehmen, weil sie Geld brauchte? Um Weihnachten herum, also noch vor Howards Tod, hatte man bei Blackstone das erste Mal bemerkt, dass Firmeninterna nach außen drangen.

Jetzt wandte sie den Kopf und tat so, als betrachte sie interessiert die Menschen, die in dieses Restaurant zum Lunch kamen. Aber Jake ließ sich nicht täuschen. Da sie sich seiner genauen Musterung nur zu bewusst war, wirkte ihre Miene verkrampft. Als sie die Hand hob und mit ihren Ohrsteckern spielte, musste er lächeln. Sie war nicht nur verärgert, sie war auch nervös.

Sehr interessant.

„Während Ihres Studiums an der Shiply Universität hatten Sie eine Teilzeitstelle“, fuhr er in seinem Report fort.

„Ja. In der Abteilung Business Management und Marketing.“

„In der Uni-Zeitschrift wurde Ihr außerordentliches Talent erwähnt. Man bot Ihnen eine Stelle an.“

„Ja, stimmt.“

„Warum haben Sie die nicht angenommen?“

„Blackstone hatte für mein Studium bezahlt. Warum sollte ich weggehen? Aber dass ich blieb, hatte weniger mit Pflichtgefühl zu tun. Es gefiel mir dort. Außerdem konnte ich bei Blackstone mehr verdienen, und die Aufstiegsmöglichkeiten waren sehr viel besser.“

Er beugte sich vor und legte die Unterarme auf den Tisch. „Viel Privatleben können Sie ja nicht gehabt haben in der Zeit. Entweder haben Sie Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet und nebenbei noch studiert.“

„Hatte ich auch nicht. Ich habe mich ganz auf meine Arbeit konzentriert.“

„Und weshalb haben Sie sich um den Job als meine Assistentin beworben?“

„Das habe ich nicht. Ich wurde abkommandiert.“

Aha. Dann war sie vielleicht immer noch ein bisschen sauer darüber.

Der Kellner kam und nahm ihre Bestellungen auf. Danach wollte das Gespräch nicht mehr recht in Gang kommen. Als Holly nach dem Brotkorb griff, hatte Jake die gleiche Idee, und ihre Finger berührten sich. Als habe sie einen Schlag bekommen, zuckte Holly zurück und sah Jake mit großen Augen an.

Und wieder kam ihr der Gedanke, den sie in den letzten Tagen immer zu verdrängen versucht hatte. Könnte es sein, dass sie eines Tages, wenn sie es denn zuließ, mehr waren als Chef und Assistentin? „Kann ich Sie etwas fragen?“, platzte sie heraus.

Er lehnte sich wieder zurück und griff nach seinem Wasserglas. „Fragen können Sie alles. Ob ich antworte, ist eine andere Sache.“

„Wie lange werden Sie hierbleiben?“ Wann kann ich endlich mein normales Leben wieder aufnehmen? Wann hört mein Herz endlich auf, schneller zu schlagen, nur weil Sie mich ansehen, als wollten Sie mir mein letztes Geheimnis entreißen?

Und warum musste er jetzt so sinnlich lächeln, als er sagte: „Haben Sie es denn so eilig, wieder in die Personalabteilung zurückzukommen?“

„Nein. Ich habe zuletzt in der PR-Abteilung ausgeholfen und werde in Zukunft ganz dort arbeiten.“

„Soso.“ Wieder lächelte er, und Holly hätte beinah laut aufgestöhnt. Warum hatte sein Lächeln nur eine solche Wirkung auf sie? Dabei wusste sie doch, dass er das Lächeln und seine warme tiefe Stimme ganz bewusst einsetzte. Keine Frau konnte ihm widerstehen, wenn er es darauf anlegte. Das war ihr selbst bei Jessica aufgefallen.

Und dabei ist er mir noch nicht einmal sympathisch.

Vergnügt beobachtete Jake, wie sie wieder nervös mit ihrem Ohrstecker spielte. „Wollten Sie nicht etwas sagen?“

Hastig ließ sie die Hand sinken. „Mr Vance …“

„Jake. Sagen Sie doch Jake zu mir.“

Autor

Vicki Lewis Thompson

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