Baccara Exklusiv Band 149

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SEX MIT DEM EX? von CELMER, MICHELLE
Seit zehn Jahren hat Ivy ihren Exmann nicht mehr gesehen - jetzt taucht er als Überraschungsgast bei der Hochzeitsfeier ihrer Cousine auf und sieht immer noch so gut aus wie damals. Gut, dass Ivy über ihn hinweg ist. Jedenfalls ziemlich. Oder etwa doch nicht ..?

DIESE NACHT GEHÖRT NUR UNS! von GOLD, KRISTI
Sheriff Gavin O’Neal ist ganz hingerissen von Valerie Raines, die neu in die Stadt gezogen ist. Ganz unverhofft bekommt er eine Chance auf eine leidenschaftliche Nacht mit ihr - und entdeckt, dass sie möglicherweise in kriminelle Machenschaften verwickelt ist …

BLICKE WIE FEUER von DREW, JENNIFER
Fünf Jahre ist die Affäre von Draufgänger Steve und PR-Managerin Olivia jetzt her. Und nun betritt er ausgerechnet in dem Moment ihr Büro, als sie sich für einen Termin umzieht. Er sieht zarte, nackte Haut, spürt ein Knistern in der Luft und hat nur einen sinnlichen Wunsch …


  • Erscheinungstag 16.12.2016
  • Bandnummer 0149
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724337
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Celmer, Kristi Gold, Jennifer Drew

BACCARA EXKLUSIV BAND 149

1. KAPITEL

Lungert Ihr Exmann in der Gegend herum und gibt Ihnen zu verstehen, dass er sich wieder mit Ihnen versöhnen möchte? Glaubt er, er könnte sich wieder bei Ihnen einschmeicheln? Lassen Sie sich nicht hereinlegen! Und wiederholen Sie – Männer ändern sich nicht.

Der Scheidungsratgeber für die moderne Frau

Ivy Madison war von Natur aus nicht gewalttätig, aber als die „Überraschung“, von der sie in den letzten drei Monaten ständig gehört hatte, gemächlich aus der Limousine stieg, spielte sie in Gedanken damit, ihre Cousine Deirdre zu ermorden.

Das konnte doch nicht wahr sein!

Blake, Deirdres Verlobter, hatte seinen Trauzeugen vom Flughafen abgeholt. Es konnte unmöglich sein, dass dieser wie ein Staatsgeheimnis gehandelte Trauzeuge, den Ivy – Deirdre zufolge – lieben würde, ausgerechnet Dillon Marshall war. Deirdre würde doch sicher nicht von ihr erwarten, an einer Hochzeit teilzunehmen und noch dazu vor der Zeremonie eine ganze Woche in der mexikanischen Villa zusammen mit dem größten Fehler ihres Lebens zu verbringen.

Oder etwa doch?

Vielleicht war die Überraschung ja, dass der Trauzeuge nur wie Dillon aussah. Das musste es sein. Sie würden herzhaft darüber lachen, dann würde Ivy sich entspannen und die ersten richtigen Ferien seit der Herausgabe ihres Buches genießen.

Es musste einer dieser eigenartigen Zufälle sein.

Der Mann, der unmöglich ihr steinreicher Exmann sein konnte, nahm seine Sonnenbrille ab und enthüllte ein vertrautes Paar herausfordernder stahlblauer Schlafzimmeraugen. Früher hatte ein Blick aus diesen Augen genügt, dass Ivys Knie weich wurden und ihr Verstand aussetzte.

Fast wäre ihr ein herzhafter Fluch herausgerutscht, aber sie hielt sich mühsam zurück, während in ihr die widerstreitendsten Gefühle tobten.

Sie wandte sich vom Fenster ab und drehte sich zu ihrer Cousine um. Auf deren Erklärung war sie sehr gespannt, wenn sie auch insgeheim immer noch hoffte, dass Deirdre ihr versichern würde, der Mann in der Auffahrt wäre natürlich nicht der, für den sie ihn hielt.

Deirdre lächelte schuldbewusst und brachte ein schwaches „Überraschung!“, heraus.

Ivys Herz schien einen Schlag auszusetzen und ihre Knie fühlten sich zittrig an. Sie fühlte, wie Übelkeit in ihr hochstieg. Das konnte nicht wirklich passieren. Schließlich hatte sie einen sehr guten Grund gehabt, warum sie Dillon in den letzten zehn Jahren aus dem Weg gegangen war.

Ihr war ein wenig schwindlig, und sie ließ sich langsam auf das Sofa sinken. Dann sah sie wieder aus dem Fenster. Die Männer holten gerade Dillons Gepäck aus der Limousine. Bald würden sie ins Haus kommen.

Deirdre setzte sich auf das andere Ende des Sofas, weit genug entfernt, um vor eventuellen Übergriffen geschützt zu sein. „Ich weiß, du willst mich jetzt wahrscheinlich umbringen, aber ich kann es dir erklären.“

Oh ja, Deirdre würde auf jeden Fall sterben müssen, und es würde ein langsamer schmerzhafter Tod sein. „Was hast du getan, Deirdre?“

„Ich habe wirklich eine sehr gute Erklärung.“

So gut konnte keine Erklärung sein. Ivy wusste, was sie zu tun hatte. Sie musste ihre Sachen packen, sich aus dem Hinterausgang schleichen und den nächsten Flug nach Texas nehmen. In Gedanken machte sie eine Liste ihrer Habseligkeiten und versuchte sich auszurechnen, wie lange sie brauchen würde, um sie in ihrem Koffer zu verstauen.

Ach, zum Teufel mit ihren Sachen. Zu Hause hatte sie mehr als genug. Sie brauchte eigentlich nur ihren Laptop und ihre Handtasche. In zwei Minuten könnte sie schon aus dem Haus sein. Dillon würde gar nicht merken, dass sie hier gewesen war. Es sei denn …

„Das war doch auch für ihn eine Überraschung, oder?“, fragte sie Deirdre mit angehaltenem Atem.

Deirdre biss sich auf die Unterlippe und wich ihrem Blick aus. Ivy spürte, wie ihr wieder übel wurde. „Deirdre, sag mir bitte, dass er nicht weiß, dass ich hier bin.“

Deirdre wurde blass.

„Deirdre! Sag was!“

„Er weiß es.“

Na, das wurde ja immer schöner. Das hieß, dass Flucht ausgeschlossen war. Auf keinen Fall durfte Dillon merken, dass er sie verscheucht hatte. Aber das besonders Unfaire war, dass er Zeit gehabt hatte, sich auf ihre Begegnung vorzubereiten. Er würde nur das Richtige sagen und tun. Andererseits musste sie zugeben, dass Dillon nicht zu den Leuten gehörte, die Zeit brauchten, um sich auf irgendetwas vorzubereiten.

Gott, sie saß wirklich in der Klemme.

In diesem Moment wurde die Haustür geöffnet, und Ivys Herz schlug schneller. Deirdre sprang auf und lief den Neuankömmlingen entgegen, um sie zu begrüßen. Ivy blieb allein zurück.

Verräterin.

Sie war einfach nicht bereit für diese Begegnung. Wenn man sie nicht dazu zwingen würde, würde sie wahrscheinlich nie bereit sein, Dillon wiederzusehen. Es gab zu viel böses Blut zwischen ihnen, zu viel Kummer.

Aus dem anderen Zimmer hörte sie Stimmen, die sich begeistert und erfreut anhörten. Darunter erkannte sie eindeutig Dillons sonoren Bariton. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie bekam kaum noch Luft. Was auch geschah, sie konnte diesem Mann unmöglich in diesem Zustand gegenübertreten.

Mit zittrigen Beinen stand sie auf und sah aus dem Fenster der davonfahrenden Limousine nach. Sie hörte, wie die anderen davon sprachen, das Gepäck ins Schlafzimmer zu bringen. Als sie die Treppe hinaufgingen, wurden ihre Stimmen leiser. Ivy schloss die Augen und hielt den Atem an, bis ihr schwindlig wurde. Insgeheim betete sie, dass Deirdre Dillon zu seinem Zimmer führte. So würde sie die unvermeidliche Begegnung wenigstens ein bisschen hinausschieben können.

Sie brauchte etwas mehr Zeit. Zehn oder fünfzehn Minuten – allerdings wäre eine Woche besser gewesen.

Mehrere Sekunden lang herrschte völlige Stille. Ivy spürte, wie ihr Herz sich allmählich zu beruhigen begann.

Plötzlich erfüllte sie ein vertrautes Gefühl, etwas Warmes, Beunruhigendes. Ohne sich umdrehen zu müssen, wusste sie ohne jeden Zweifel, dass Dillon den Raum betreten hatte. Sie spürte seine Gegenwart, seinen Blick auf ihrem Rücken, als hätte sie einen sechsten Sinn, wenn es um ihn ging. Sie bekam eine Gänsehaut und straffte unwillkürlich die Schultern. Jetzt war es also so weit.

Ivy nahm jeden Funken Mut zusammen, den sie aufbringen konnte, setzte eine, wie sie hoffte, gleichgültige Miene auf und drehte sich um, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen, von der sie bis heute geglaubt hatte, sie würde sie nie wiedersehen müssen – den Mann, der vor Kurzem als einer der begehrtesten Junggesellen des Landes bezeichnet worden war.

Er lehnte am Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Arme waren muskulös, aber nicht zu sehr, seine Brust kräftig, ohne übertrieben zu wirken. Alles an ihm hatte genau die richtigen Proportionen. Ivy dachte daran, wie oft eben diese Arme sie umschlungen hatten, wie oft sie den Kopf an diese breite Brust gelehnt und den Duft seines Rasierwassers eingeatmet hatte. Die Erinnerung daran drohte ihr den Atem zu nehmen.

Mit seiner Jeans, dem weißen T-Shirt und den Cowboystiefeln sah der milliardenschwere Öltycoon genauso aus wie damals auf dem College. Aber jetzt strahlte er eine natürliche Autorität aus, das Wissen um seine Bedeutung war so sehr ein Teil von ihm, dass es ganz selbstverständlich für ihn war. Er war eindeutig ein Mann, der genau wusste, was er wollte, und keine Angst hatte, es auch zu bekommen. Wer sich ihm in den Weg stellte, würde es am Ende bedauern.

Sein Blick glitt langsam von ihren pink lackierten Zehennägeln immer höher. Er zeigte keine Verlegenheit und keine Zurückhaltung, als hätte er jedes Recht der Welt, sie mit den Augen auszuziehen.

Ivy verschränkte die Hände hinter dem Rücken, damit er nicht sah, wie sie zitterten. Was war nur los mit ihr? Sie war nicht mehr das naive wohlbehütete Mädchen, das sich von einem aufregenden jungen Rebellen beeindrucken ließ. Sie war eine starke selbstbewusste Frau, die den Scheidungsratgeber für die moderne Frau geschrieben hatte. Sie stand auf der Bestsellerliste der „New York Times“, Himmel noch mal. Sie würde doch wohl mit Dillon Marshall fertig werden.

Hoffte sie jedenfalls.

Sein Blick glitt über sie und verweilte schließlich auf ihren Brüsten, als wollte er sie liebkosen. Ivy spürte, wie die Spitzen kribbelten. Der Wunsch, die Arme zu verschränken, war fast unerträglich, aber sie wollte ihm nicht den Gefallen tun und Schwäche zeigen. Diese Begutachtung war doch nur Teil eines Spielchens, das er mit ihr spielte.

Sie kniff die Augen zusammen und hob leicht das Kinn an, als wollte sie ihn warnen, sich nicht mit ihr anzulegen. Als er ihr ins Gesicht sah, und ihre Blicke sich trafen, verzog er den Mund zu einem nur allzu vertrauten frechen Grinsen.

Er schüttelte den Kopf und sagte anerkennend: „Süße, du siehst wirklich zum Anbeißen aus.“

Wenn Blicke töten könnten, würde Dillon im nächsten Moment an Petrus’ Himmelstor klopfen. Die hellbraunen Augen seiner Exfrau schienen ihn aufspießen zu wollen. Was ihn an einen ganz bestimmten Tag in der Vergangenheit erinnerte. An dem Tag vor zehn Jahren, als sie ihn verließ, hatte Ivy ihn genauso angesehen.

An die Einzelheiten jenes Tages konnte er sich noch immer nur verschwommen erinnern. Nach einer durchzechten Nacht mit seinen Kumpeln war er morgens um sieben sturzbetrunken ins Haus getorkelt. Das dritte Mal in der Woche, dabei war es erst Mittwoch gewesen. Dillon hatte versucht, sie ins Bett zu locken, um ihr zu zeigen, wie leid es ihm tat – früher hatte es schließlich auch funktioniert, verdammt – und sie hatte ihm eine leere Bierflasche an den Kopf geworfen. Zu seinem Glück war ihre Treffsicherheit genauso schlecht gewesen wie ihre Laune.

Wie gut sie aussah, groß und schlank und mit verführerischen Kurven. Sie besaß die Art von Schönheit, die ein Mann nicht sofort erkannte, die ihn dann aber nicht mehr losließ und für immer zum Sklaven machte.

Wie schade, dass sie eine solche Nervensäge war.

Er legte noch mehr Charme in sein Lächeln und wusste, dass es sie bis aufs Blut reizen musste. Aber genau das war der Grund für seine Reise hierher. Er hatte die Absicht, sie leiden zu sehen. „Was denn, kein Kuss?“

Und wie erwartet, erschien eine winzige Falte zwischen ihren Augenbrauen. Sie hatte alles schon immer zu ernst genommen. Früher hatte er ihr Selbstvertrauen und ihre Entschlossenheit bewundert. Ivy wusste genau, was sie wollte, und hatte keine Angst, auch dafür zu kämpfen. Schade nur, dass sie nie gelernt hatte, auch ein wenig Spaß im Leben zu haben. Er hatte sein Bestes getan, es ihr beizubringen, aber was hatte es ihm am Ende eingebracht?

Nur eine Menge Kummer.

Was für eine Befriedigung es ihm verschaffen würde, endlich ihren Widerstand zu brechen.

„Du siehst gar nicht glücklich aus, mich zu sehen“, sagte er spöttisch.

Sie kniff die Augen zusammen, als glaubte sie, sie bräuchte sich nur ein bisschen zu konzentrieren und er würde sich in Luft auflösen.

„Alles klar, du denkst immer noch, dass ich ein … wie hast du es noch in deinem kleinen Büchlein formuliert?“ Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Sinngemäß, ein egoistischer, sturer Schwachkopf, oder?“

Sie hob herausfordernd das Kinn. „Ich habe kein einziges Mal deinen Namen erwähnt in meinem kleinen Büchlein, also kannst du gar nicht wissen, auf wen ich mich bezog.“

Sie hatte vielleicht nicht seinen Namen genannt, aber es war nur zu offensichtlich gewesen. Für ihn auf jeden Fall, aber auch für seine Familie und seine Freunde, genauso wie für Millionen von Frauen, die in den Buchläden Schlange standen, um an den neuesten Ratgeber zu kommen, der überall in Rekordzeit zum Bestseller geworden war.

Fast jede negative kleine Geschichte und Anekdote, die sie im Buch erwähnte, hatte Ivy direkt ihrer gemeinsamen Ehe entnommen. Die Folgen waren für ihn verheerend gewesen. Die Art von Frauen, mit denen er normalerweise ausging, hatten keine Zeit mehr für ihn, und die Frauen, die er vielleicht hätte haben können, würde er nicht einmal seinem schlimmsten Feind an den Hals wünschen.

„Außerdem benutzte ich die Begriffe egozentrisch und Dickkopf“, fügte sie hinzu. „Von Schwachkopf war nie die Rede, obwohl du es verdient hättest, so genannt zu werden.“

Mit einer theatralischen Geste legte er sich die linke Hand auf die Brust. „Mein Liebling, du brichst mir das Herz.“

„Das Süßholzraspeln kannst du dir sparen. Ich glaube nicht, dass du glücklicher darüber bist als ich, eine ganze Woche hier mit mir zusammengepfercht zu sein.“

Es sah ihr so ähnlich, alles Unwichtige beiseitezuschieben und gleich zum Punkt zu kommen. Aber wie üblich irrte sie sich mal wieder. Er hätte gar nicht glücklicher sein können.

„Deirdre und Blake zuliebe werde ich versuchen, das Beste daraus zu machen“, sagte sie in ihrem herrischen Ton. „Ich erwarte von dir dasselbe.“

Darauf würde er wetten. Glaubte sie etwa, sie würden genau dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten? Dass er springen würde, sobald sie einen Befehl aussprach? Hatte sie vergessen, dass er nicht mehr auf Befehle reagierte?

„Und wie meinst du, sollten wir das tun?“, fragte er mit honigsüßer Stimme, da er genau wusste, dass sie das auf die Palme brachte.

„Ich finde, wir sollten uns, so gut es geht, aus dem Weg gehen. Ich werde dich nicht stören, und du störst mich nicht. Nach dieser Woche brauchen wir uns nie wiederzusehen.“

Der letzte Teil klang zu gut, um wahr zu sein. Aber es war sogar noch besser. Er hatte nach einem Weg gesucht, sie zu ärgern, sie so unglücklich zu machen wie nur möglich, und sie hatte ihm gerade einen sozusagen auf dem silbernen Tablett serviert. Das Schlimmste, was er einem Kontrollfreak wie Ivy antun konnte, war natürlich, ihr diese Kontrolle zu entreißen.

Er unterdrückte den Impuls, zu lächeln und tat so, als würde er über ihre Forderung nachdenken. Dann nickte er feierlich. „Klingt mir wie ein sehr guter Vorschlag.“

Sie betrachtete ihn misstrauisch. „Also ist es okay?“

„Sicher.“ Es klang wirklich wie ein guter Vorschlag. Was ja nicht bedeutete, dass er sich daran halten musste.

Sie ahnte ja nicht, was seine Familie durchgemacht hatte, als ihr Buch erschienen war. Man konnte es ruhig kindisch und unreif nennen, aber Dillon fand, dass er absolut im Recht war, wenn er ein wenig Rache nehmen wollte.

Wenn Ivy sich wirklich wünschte, dass er Abstand zu ihr hielt, dann würde es ihm ein besonderes Vergnügen sein, in der nächsten Woche ständig an ihr zu kleben, als wären sie siamesische Zwillinge.

2. KAPITEL

Sie fühlen sich hilflos, hoffnungslos? Wehren Sie sich, und übernehmen Sie die Kontrolle! Zeigen Sie dem Mann, wer der Boss ist.

Der Scheidungsratgeber für die moderne Frau

Ivy saß auf dem süßen kleinen Balkon ihres Schlafzimmers und las den Roman, den sie im Flugzeug angefangen hatte. Die Sonne fühlte sich warm auf ihrer Haut an, und die feuchte salzige Meeresbrise spielte mit ihrem Haar.

Wo könnte man sich besser entspannen, die Füße hochlegen und an nichts Unangenehmes denken? Und trotzdem war sie so nervös, dass sie denselben Absatz etwa ein halbes Dutzend Mal gelesen hatte und immer noch nicht wusste, was darin stand.

Sie legte das Buch zur Seite und rieb sich die schmerzenden Schläfen. Eigentlich hätte das hier eine Art Urlaub für sie werden müssen. Es hätte ihr Freude machen müssen.

Die Tür zu ihrem Schlafzimmer wurde geöffnet und Ivys Cousine kam herein. „Bist du da?“

Ivy sah auf ihre Armbanduhr. Deirdre hatte eine ganze Stunde gebraucht, um genug Mut zusammenzunehmen und Ivy gegenüberzutreten.

„Ich bin hier draußen“, rief sie.

Ein paar Sekunden später kam Deirdre zu ihr heraus auf den Balkon. „Bist du böse auf mich?“

Böse? Das drückte nicht einmal ansatzweise aus, was Ivy empfand. Sie fühlte sich verletzt und verraten und gedemütigt. Deirdre war eigentlich ihre beste Freundin, die Schwester, die sie nie gehabt hatte. Und jetzt stellte sie Ivy eine solche Falle? Wie hatte sie ihr so etwas verheimlichen können?

Ivy drehte sich zu ihr um. Deirdre sah aus wie die Personifizierung des schlechten Gewissens. Wochenlang war sie mit den Nerven am Ende gewesen, weil sie sicher war, Blakes Eltern würden ihn überzeugen, dass er als Spross einer reichen einflussreichen Familie eine bessere Frau finden könnte als Deirdre, die weder schön noch reich war.

Ivy hatte gerade heute Morgen einige Tafeln Schokolade und eine halb leere Schachtel Pralinen in Deirdres Zimmer gefunden und konfisziert. Wenn ihre Cousine nämlich nicht aufpasste, würde sie nicht mehr in ihr zehntausend Dollar teures Designer-Hochzeitskleid passen. Zu allem Überfluss zeigte sich Deirdres Nervosität auch in einem Ausschlag am Kinn, der sie verständlicherweise noch nervöser machte.

All das entschuldigte jedoch nicht ihren Verrat.

„Wie konntest du mir das antun?“

„Es tut mir so leid. Aber ich wusste, du wärst nicht gekommen, wenn ich es dir gesagt hätte. Und ohne dich als Brautjungfer wäre alles unerträglich für mich.“

Deirdre gehörte zu den Frauen, die schon anfingen, ihre Hochzeit zu planen, wenn sie kaum sprechen können. Als sie zwölf war, hatte sie bereits einen deckenhohen Stapel Hochzeitsmagazine angehäuft. Und nach einigen missglückten Versuchen hatte sie schließlich doch ihren Traumprinzen gefunden. Ivy hatte das Gefühl, dass Deirdre dies als ihre allerletzte Chance ansah und dass, wenn nicht alles genau so verlief, wie sie es geplant hatte, sie den Rest ihres Lebens allein und kinderlos verbringen und als alte Jungfer sterben würde.

„Ich habe dir gesagt, dass der Trauzeuge ein alter Freund vom College ist, und du wusstest, dass er und Blake zusammen zur Schule gingen.“

Ivy wusste, dass sie sich in Harvard eine Wohnung geteilt hatten, bis Dillon hinausgeworfen worden war, aber sie hatte nicht gewusst, dass die beiden Männer so eng befreundet waren. Ivys und Dillons Hochzeit in Las Vegas war so plötzlich passiert, dass keine Zeit für einen Trauzeugen oder eine Brautjungfer gewesen war. Oder für eine Hochzeitstorte oder gar ein Hochzeitskleid.

Es war eher eine Trotzreaktion gewesen, als ihre Eltern versucht hatten, sich in ihre Beziehung einzumischen. Und das Einzige, was sie wirklich damit bewiesen hatten, war, dass Liebe nicht nur blind macht, sondern auch völlig dumm.

Die traurige Wahrheit war, dass sie und Dillon sich kaum gekannt hatten, als sie heirateten. Erst am nächsten Tag, als es bereits zu spät war, hatte Ivy ihren Fehler erkannt.

„Ich weiß, du wirst es wahrscheinlich nicht glauben“, sagte Deirdre, „aber Dillon hat sich geändert.“

„Du hast recht. Ich glaube es nicht.“ Männer wie Dillon änderten sich nie.

„Vielleicht ist es Zeit für dich …“ Deirdre hielt inne und biss sich auf die Unterlippe.

„Zeit für mich, was zu tun?“

Sie zuckte die Achseln. „Nun ja, dass du darüber hinwegkommst.“

„Über was hinwegkomme?“

„Ich meine, vielleicht wird es Zeit, dass du ihm vergibst.“

Ihm vergeben? Machte Deirdre Witze? Hatte die Aufregung vor der Hochzeit ihr den Verstand benebelt? Hatte sie vergessen, was Dillon ihr angetan hatte?

Welche Frau kam darüber hinweg, dass man ihr das Herz in eine Million Stücke zerbrach? Wie sollte sie vergessen, dass sie ein Stipendium verloren hatte, aus dem College geworfen worden war und man ihren Ruf ruiniert hatte? Und wie sollte sie jemandem verzeihen, der keinen Hauch von Reue zeigte und einfach lächelnd dabei zusah, wie ihre Welt zusammenbrach? Dabei hatte er geschworen, sie zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod sie schied. „Was Dillon mir angetan hat, ist unverzeihlich, und das weißt du.“

Deirdre setzte sich auf einen Stuhl neben Ivy. „Ich ertrage es nur nicht, dass du so unglücklich bist.“

Ihre Worte trafen Ivy wie ein Schlag. „Wovon redest du da? Mein Buch wird mir förmlich aus den Händen gerissen, meine Privatpraxis floriert. Warum in aller Welt sollte ich unglücklich sein?“

„Du bist doch die Psychologin. Sag du es mir.“

Ivy hatte alles, was sie sich je erträumt hatte – eine gut laufende Karriere und ein beeindruckendes Aktienpaket, also persönliche und finanzielle Unabhängigkeit. Sie war nicht unglücklich, sondern im Gegenteil wahnsinnig glücklich. „Zu deiner Information, ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben.“

„Wann hattest du das letzte Mal eine ernsthafte Beziehung? Wann hast du das letzte Mal mit einem Mann geschlafen? Wann hattest du überhaupt mal ein Date in letzter Zeit?“

„Ich brauche keinen Mann, um mich gut zu fühlen.“ Ihre Worte kamen automatisch aus ihrem Mund. Es war ihr Mantra und der Basisgedanke ihres Buchs.

„Vielleicht nicht, aber es macht Spaß, sie um sich zu haben.“

Aber sie waren die Mühe nicht wert. Ivy hatte ihre Karriere und ihre Freunde, und das reichte ihr. Wenigstens vorübergehend. „Die Falle, in die du mich hier gelockt hast, bringt mich in eine entsetzliche Lage. Bei all den Leuten, die zur Hochzeit geladen sind, wird es sich herumsprechen, dass ich das Wochenende mit meinem Ex in Mexiko verbracht habe. Du weißt, wie rücksichtslos die Presse sein kann. Wenn sie nun das Gerücht verbreiten, dass wir wieder zusammen sind? Was, glaubst du, wird das für Folgen für meinen Ruf haben?“

„Ich gebe ja zu, dass ich nicht so weit gedacht habe.“ Deirdres Unterlippe zitterte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich wollte nur helfen. Wenn du abreisen willst, kann ich das verstehen.“

Ivy seufzte. So wütend sie auch auf ihre Cousine war, sie wusste, dass sie nur ihr Bestes wollte. Deirdre war der gutmütigste Mensch auf der Welt. Wenn sie sagte, dass sie nur hatte helfen wollen, dann stimmte das auch, und sie hatte es aus Liebe und Sorge um ihre Cousine getan.

Ivy drückte Deirdres Hand. „Ich gehe nirgendwohin. Es ist die wichtigste Woche deines Lebens, und ich möchte sie um nichts auf der Welt verpassen.“

Jetzt konnte Deirdre sich nicht länger zurückhalten, und die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Danke.“

„Außerdem habe ich mit Dillon gesprochen, und wir sind zu einer Art Übereinkunft gekommen. Ich gehe ihm aus dem Weg, und er mir.“ Sie drückte wieder Deirdres Hand, um sie zu beruhigen, und zwang sich zu einem Lächeln. „Wie schlimm kann es schon werden?“

Sehr schlimm, erkannte Ivy etwa fünfzehn Minuten später, nachdem Deirdre gegangen war, um nach dem Abendessen zu schauen. Wirklich sehr, sehr schlimm.

Ivy hatte wieder dieses seltsame Gefühl von vorhin, als sie Dillons Anwesenheit gespürt hatte. Jetzt sah sie auf und entdeckte ihn auf seinem Balkon am entgegengesetzten Ende des Hauses. Er sah ihr direkt in die Augen, und es schien, als hätte er die ganze Zeit geduldig abgewartet, bis Ivy ihn bemerkte.

„Hi!“, rief er und winkte ihr zu. Er sah aufs Meer hinaus und atmete tief ein, wobei seine breite Brust sich noch mehr weitete. „Fantastische Aussicht, was?“

Oh ja, musste sie insgeheim zugeben, während ihr Blick wie gegen ihren Willen über Dillons Körper glitt. Und schon spürte sie es, das erregte Herzklopfen, das sie immer überkam, wenn Dillon in ihrer Nähe war.

Nein. Sie senkte den Blick hastig wieder auf ihr Buch. Sieh ihn nicht an. Ermutige ihn nicht auch noch. Vielleicht begreift er ja den Wink mit dem Zaunpfahl und lässt dich allein.

Aber er tat nichts dergleichen. „Was machst du gerade?“

„Lesen“, antwortete sie leicht gereizt, weil das eigentlich offensichtlich sein musste. Vielleicht würde es ja reichen, wenn ihre Antworten kurz und knapp blieben. Dann würde er sie vielleicht in Ruhe lassen, wie er es immerhin versprochen hatte.

Sie hatte sich zu viel erhofft.

Sie spürte seinen Blick regelrecht auf sich, und ein Schauer überlief sie. Ignorier ihn, und er wird schnell das Interesse verlieren, sagte sie sich. Lies einfach weiter, und er wird sich langweilen und verschwinden.

„Gutes Buch?“ Sein Ton deutete an, dass er nur freundliche Konversation machen wollte, wahrscheinlich um das Eis zu brechen und damit die Situation nicht zu unbehaglich für beide wurde.

Aber er verschwendete nur seine Zeit. Ivy wollte weder das Eis brechen noch hatte sie den Wunsch, die Situation zu entschärfen. Sie wollte ganz einfach, dass er wegging.

Immerhin bestand die Möglichkeit, dass er trotz seines Versprechens, sie in Frieden zu lassen, es darauf anlegte, ihr auf die Nerven zu gehen.

Allmählich begann sie sich immer unbehaglicher zu fühlen. Sie atmete mehrere Male tief und befreiend ein und versuchte, sich auf ihr Buch zu konzentrieren und nicht auf den Mann.

Nach ein paar spannungsgeladenen Momenten sagte er: „Muss ein wirklich sehr gutes Buch sein.“

„Ist es auch.“ Allerdings nur bis vor ein paar Minuten. Jetzt ergaben die Worte, die vor ihren Augen tanzten, nicht den geringsten Sinn. Sie wollte doch nur ein wenig Ruhe haben. War das denn zu viel verlangt? Ein paar weitere Minuten gingen still vorüber, aber Ivy wusste, dass Dillon sie immer noch beobachtete. Die Frage war nur, warum er das tat.

Als sie es nicht länger aushielt, sah sie entschlossen auf. „Wolltest du irgendetwas?“

„Nein, Ma’am“, sagte er sofort. „Ich genieße ganz einfach nur die schöne Aussicht.“

Dabei sah er allerdings Ivy an. Dillon fing an, ihr beachtlich auf die Nerven zu gehen, und sie hatte das ungute Gefühl, dass genau das seine Absicht war.

„Meinst du, du könntest sie auch woanders genießen?“, fragte sie so höflich sie konnte.

„Was ist denn los, Ivy?“ Er beugte sich vor und lehnte sich mit beiden Ellbogen auf das Balkongeländer. „Fühlst du dich in meiner Gegenwart unbehaglich?“

Das wäre das Letzte, was sie zugeben würde. Er hatte keine Macht mehr über sie, denn sie war stark und unabhängig. Also antwortete sie kühl: „Nein, aber ich würde vor dem Abendessen gern noch ein paar Kapitel lesen. Wenn es dir nichts ausmacht.“

„Nicht im Geringsten. Lies ruhig weiter.“

„Danke.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Buch zu, und Dillon blieb mehrere Minuten stumm. Aus den Augenwinkeln allerdings sah Ivy, dass er nicht ging, sondern sie immer noch beobachtete. Er machte das absichtlich, darauf würde sie ihren letzten Penny verwetten. Es gab einfach keine andere logische Erklärung.

„Ich habe deine Mutter vor ein paar Wochen gesehen“, sagte er schließlich.

Sie seufzte laut und zwang sich zur Ruhe. Ihren Versuch, friedlich auf dem Balkon zu sitzen, zu lesen und den Ausblick zu genießen, konnte sie ja wohl vergessen.

Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben, als sie einen akkuraten Knick in die Seite machte, die sie gerade gelesen hatte, schloss das Buch und sah Dillon finster an. Vor zehn Jahren hätte sie gedacht, dass er einen umwerfenden Anblick bot, wie er da am Geländer lehnte und die Sonne sein blauschwarzes Haar aufleuchten ließ. Dillon besaß jenes gewisse Etwas, eine körperliche Anziehungskraft, die keine Frau einfach übersehen konnte. Und der sie meistens leider auch nicht widerstehen konnte.

Aber gutes Aussehen war schließlich nicht alles. Es musste auch von einer angenehmen Persönlichkeit begleitet werden, und von keiner, die sie so wütend machte wie Dillons.

„Du machst immer noch Eselsohren in deine Bücher“, sagte er. „Obwohl du unzählige Lesezeichen gekauft haben musst, hast du sie immer wieder verloren.“

Einen Moment lang war sie sprachlos. Wie hatte er sich an eine so nüchterne unwichtige Einzelheit über sie erinnern können? Ivy hätte wirklich nicht geglaubt, dass er auf so etwas geachtet hatte.

„Wie auch immer“, fuhr er fort, „ich war in der Innenstadt von Dallas für ein Meeting, und ich sah deine Mutter durch die Vitrine ihres Geschäfts. Sie sieht aus, als ginge es ihr gut.“

„Das tut es auch.“ Es hatte eine Weile gedauert, aber ihre Mutter hatte am Ende doch Ordnung in ihr Leben gebracht.

„Ich wollte kurz hineingehen, um mir von ihr das Haar schneiden zu lassen, war aber leider schon spät dran.“

Nur ein völliger Esel würde sich von seiner ehemaligen Schwiegermutter das Haar schneiden lassen. Dillon mochte zwar eine große Nervensäge sein, aber dumm war er nicht.

„Dann wollte ich direkt nach dem Meeting zu ihr gehen, aber dann fiel mir ein, dass sie vielleicht nicht die beste Meinung von mir hat.“

„Ach, glaubst du wirklich?“ Ihre Mutter hatte Dillon noch nie gemocht, nicht einmal als es zwischen ihnen noch nichts Ernstes war. Sie hatte immer gesagt, dass er sie zu sehr an Ivys Vater erinnerte, der auch arrogant und unzuverlässig gewesen war.

Nachdem Ivys Vater verschwand, waren Ivy und ihre Mutter gezwungen gewesen, bei Deirdre und ihren Eltern zu bleiben, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen konnten.

Ivys Vater war vor der Verantwortung zurückgeschreckt, die es bedeutete, eine Familie zu haben, und ihre Mutter war sicher gewesen, dass Dillon auch nicht anders gehandelt hätte. Sie hatte Ivy immer wieder davor gewarnt, das Schicksal so herauszufordern. Und Ivy hatte sich so sehr gewünscht, sie könnte ihrer Mutter beweisen, dass sie sich irrte. Aber ihre Mutter hatte natürlich recht behalten, und bis zum heutigen Tag wies sie Ivy regelmäßig darauf hin.

Was würde ihre Mutter sagen, wenn sie sie jetzt sehen könnte, wie sie gezwungen war, eine ganze Woche mit Dillon im selben Haus zu verbringen? Sie würde sich wahrscheinlich Sorgen machen, dass Ivy dumm genug sein könnte, sich wieder in ihn zu verlieben. So wie sie selbst sich wiederholt von Ivys Vater hatte herumkriegen lassen.

Aber Ivy war klüger. Wenn sie eins von ihrer Mutter gelernt hatte, dann vor allem, dass man keinen Fehler zweimal beging.

Über die Reaktion ihrer Mutter könnte sie sich immer noch Gedanken machen, wenn sie am Samstag zur Hochzeit kam. Im Moment hatte Ivy andere, dringlichere Probleme, wie zum Beispiel diesen Mann, der sie nicht aus den Augen ließ.

Es war nur allzu klar, dass Dillon sie nicht in Frieden lassen wollte. Statt also bis zum Abendessen noch ein wenig die Sonne zu genießen, würde sie im Zimmer bleiben müssen, wo Dillon sie nicht ärgern konnte.

Ivy stand auf und griff nach ihrem Buch. „Dann sehen wir uns also beim Abendessen.“

„Ich dachte, du wolltest lesen.“

„Es war ein langer Tag. Ich glaube, ich halte lieber ein kleines Nickerchen.“ Was natürlich schamlos gelogen war, aber sie würde auf keinen Fall zugeben, dass er sie so nervös gemacht hatte, dass sie ihm tatsächlich das Feld überließ. Insgeheim hoffte sie sehr, dass dies einfach nur seine seltsame Art war, sich von seiner versöhnlicheren Seite zu zeigen. Aber vielleicht tat er es auch nur, um sie zu ärgern.

„Bis später dann“, rief er ihr noch zu, und als sie die Tür etwas zu heftig hinter sich zuschloss, hätte sie schwören können, dass sie ihn leise lachen hörte.

3. KAPITEL

Man kann auf vielerlei Weise mit Bitterkeit fertig werden. Die schlechteste wäre, sich vorzumachen, es gäbe sie gar nicht. Gestehen Sie sie sich ein, erfassen Sie ihr ganzes Ausmaß. Und dann überwinden Sie sie.

Der Scheidungsratgeber für die moderne Frau

Dillon war ein gemeiner Lügner.

Die Sonne ging gerade unter und tauchte die Veranda in ein blasses Rosa. Ivy nippte an ihrem Champagner und sah zu Dillon auf. Er erwiderte ihren Blick ungerührt, und seine blauen Augen, die so sehr an die Farbe des Meeres erinnerten, gaben Ivy das Gefühl, sich hilflos darin verheddert zu haben, ohne sich befreien zu können, wie ein Fisch im Netz.

Ein Schauer überlief sie mit einer Heftigkeit, die sie erschreckte. Innerlich kämpfte sie gegen diese unvermeidliche Anziehungskraft an, die Dillon auf sie ausübte, aber sie konnte nichts dagegen tun. Das Einzige, was ihr blieb, war, seinem Blick standzuhalten und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie aus der Ruhe brachte.

Er hatte doch versprochen, ihr aus dem Weg zu gehen. Er war einverstanden gewesen, sie in Frieden zu lassen, oder etwa nicht? Und doch war es sonnenklar, wie sie schon vorhin auf dem Balkon vermutet hatte, dass er nicht die geringste Absicht hatte, sein Versprechen zu halten. Stattdessen tat er alles, was in seiner Macht lag, damit sie sich so unbehaglich wie nur möglich fühlte.

Und er war sogar verdammt geschickt darin.

Bisher hatte er sie während des gesamten Abendessens kaum aus den Augen gelassen und sich nicht einmal bemüht, dabei diskret vorzugehen, der blöde Kerl. Wenn das so weiterging, würde sie am Ende der Woche ein einziges Nervenbündel sein.

Blake lächelte sie ständig schuldbewusst an, und Deirdre aß in ihrer Nervosität wieder viel zu viel. Sie hatte ihren Teller geleert und nahm sich jetzt immer wieder ein wenig von Blakes Teller, wenn sie glaubte, dass gerade niemand hinsah. Blakes Brüder Calvin und Dale beobachteten alles mit offener Neugier.

Und dann waren da noch Deirdres Brautjungfern. Die Zwillinge, die Deirdre nur Tweedle Dee und Tweedle Dum nannte, waren zu sehr damit beschäftigt, heimlich miteinander zu tuscheln, um Ivy zu bemerken – oder sonst irgendjemanden.

Sie waren nicht wirklich Zwillinge, hatten aber das gleiche platinblonde Haar und offensichtlich auch den gleichen Schönheitschirurgen. Und sie teilten offenbar ein tiefes Interesse an hirnloser oberflächlicher Unterhaltung.

„Auf Deirdre und Blake“, sagte Dillon und hob sein Glas, während er Ivy weiterhin unverwandt anschaute. „Möge euer Leben glücklich und erfüllt sein.“

Was unseres nicht gewesen ist, schien er sagen zu wollen. Wollte er damit etwa andeuten, dass das ihre Schuld gewesen war? Ivy schluckte die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, schnell hinunter.

Nach dem Anstoßen nippten alle an ihrem Champagner. Ivy leerte ihr Glas in einem einzigen Zug. Sie trank sonst nie viel, aber der Champagner schmeckte einfach köstlich. Er prickelte angenehm auf der Zunge und ließ etwas von der Anspannung von ihr abfallen.

Dillon lächelte spöttisch. Seine Augen leuchteten boshaft. Der Kerl machte sich über sie lustig! Ivy setzte sich gerader hin und straffte die Schultern. Jetzt war sie erst recht entschlossen, die Sache durchzustehen. Auf keinen Fall würde sie ihn gewinnen lassen.

Mit der Champagnerflasche in der Hand kam Dillon betont lässig zu ihr herübergeschlendert. Dabei bewegte er sich mit einer solchen Geschmeidigkeit und Eleganz, dass Ivy ganz heiß wurde. Selbst die beiden Quasselstrippen unterbrachen ein zweifellos sinnloses Gespräch und betrachteten ihn mit unverhohlenem Interesse.

Ivy saß regungslos da und widerstand dem Wunsch, sich umzudrehen, als Dillon hinter ihrem Stuhl stehen blieb. Plötzlich fühlte sie sich ganz benommen und schwindlig.

Er beugte sich vor, eine Hand auf ihrer Stuhllehne, wobei seine Finger ihrer Haut gefährlich nah kamen, und füllte ihr Glas auf. Während er ihr einschenkte, berührte sein Arm leicht ihre nackte Schulter.

Der Moment schien sich wie in Zeitlupe abzuspielen. Ivy erstarrte und wurde von so verwirrenden Gefühlen überwältigt, dass sie nicht sagen konnte, was genau mit ihr geschah. Sie wusste nur, dass ihr alles völlig unwirklich vorkam.

Warum tat sie nichts, um ihn aufzuhalten? Warum schlug sie nicht seine Hand beiseite und stieß ihm mit dem Ellbogen in den Bauch? Warum saß sie einfach regungslos da? Jedenfalls bestimmt nicht, weil sie die Situation etwa genoss.

Allerdings konnte sie nicht abstreiten, dass seine Nähe ihr seltsam vertraut vorkam – nicht nur vertraut, sondern sogar selbstverständlich. Was vollkommen verrückt war, denn es gab nichts Selbstverständliches daran, dass Dillon in ihrer Nähe war.

Plötzlich war es am Tisch ganz still geworden. Alle hatten ihre Gespräche unterbrochen und sahen zu ihr und Dillon herüber.

Schlagartig wurde Ivy klar, dass Dillon genau das auch beabsichtigt hatte. Sie musste sich zusammenreißen, um ihm keine Ohrfeige zu geben. Gleichzeitig brachte sie all ihre Kraft auf, sich zu entspannen und vorzugeben, dass es ihr gleichgültig war.

Nach einem Moment, der Ivy wie eine Ewigkeit erschien, trat er zurück, wobei er wieder an ihrer Schulter entlangstrich und die Hand auf ihrer Stuhllehne sanft ihren Nacken streichelte. Vielleicht sollte sie einfach nichts mehr trinken, dann wäre sie wenigstens vor seinen Berührungen sicher, wenn schon nicht vor seinen Blicken.

„Noch jemand?“, fragte er und hob die Champagnerflasche.

Dee hielt ihm ihr Glas hin. „Ich hätte noch gern welchen.“

Während er ihr einschenkte, stand er weder so bedrohlich nahe neben ihrem Stuhl noch berührte er ihren Arm, wie er es bei Ivy getan hatte. Diese Show hatte er nur abgezogen, um Ivy erneut wütend zu machen. Hatte er nicht schon genug Kummer verursacht? Konnte er sich nicht wie ein Erwachsener benehmen und sie in Ruhe lassen? Wie befürchtet, hatte er sich kein bisschen verändert.

„Dale hat uns gesagt, ihr beide wart mal verheiratet“, sagte Dee, als Dillon sich wieder gesetzt hatte.

Er nahm seine Serviette vom Tisch und faltete sie sorgfältig über seinem Schoß aus. „Das stimmt.“

Dee riss die blauen Augen auf und sah Ivy fragend an. „Wirklich?“

„Ja“, bestätigte Ivy. „Etwa ein Jahr lang. Aber das war vor sehr, sehr langer Zeit.“

Er hat dich geheiratet?“, fragte Dum und schüttelte den Kopf, als könnte sie ihren Ohren nicht trauen. „Wow. Ich dachte, Dale hätte einen Witz gemacht.“

Vielen Dank, du kleine Hexe. Sprich dich ruhig aus, nimm keine Rücksicht auf meine Gefühle.

„Sie hat mich verlassen und hat mir das Herz gebrochen“, sagte Dillon und lächelte Ivy unverhohlen frech an.

Sie hat dich verlassen?“ Dee, die offenbar nicht den Sarkasmus in Dillons Stimme mitbekommen hatte, schüttelte mitfühlend den Kopf und sah Ivy verächtlich an. Dann tätschelte sie Dillon die Hand und versicherte ihm: „Sie haben Besseres verdient.“

Ach, du meine Güte, dachte Ivy und hätte am liebsten die Augen verdreht. Selbst wenn sie sich ihm gegenüber falsch verhalten hätte, was sie natürlich nicht getan hatte, war es doch inzwischen zehn Jahre her.

„Kein Wunder“, sagte Dum. „Blake, hast du nicht gesagt, dass sie Männer hasst?“

Deirdre warf Blake einen wütenden Blick zu.

„Nein, das habe ich nicht gesagt“, warf Blake hastig ein. „Ich schwöre, Ivy, so was habe ich nicht gesagt. Ich habe ihnen nur von deinem Buch erzählt. Um Hass auf Männer ging es dabei überhaupt nicht.“

Ivy glaubte ihm. In all der Zeit, die sie Blake kannte, hatte er kein einziges Mal ein geringschätziges Wort über irgendjemanden verloren. Aber sie konnte sehen, dass Deirdre sich immer unbehaglicher fühlte. Sie sah verstohlen auf die unberührte Schokoladenmousse der Zwillinge und fragte: „Möchte jemand noch Nachtisch?“

„Ich nicht“, sagte Dillon und strich sich über seinen festen Bauch mit den Waschbrettmuskeln, an die Ivy sich noch so gut erinnerte. „Ich bin satt.“

„Als ob sie sich Nachschlag leisten könnte“, sagte Dee leise, aber nicht leise genug, um nicht von jedem am Tisch gehört zu werden. Dum kicherte, und Blakes Brüder tauschten einen Blick, der andeutete, dass Deirdres Gewichtsprobleme schon oft das Gesprächsthema gewesen sein mussten.

Das überraschte Ivy nicht. Die Tweedles waren nicht gerade Deirdres erste Wahl für ihre Brautjungfern. Nur waren Blakes Brüder auf Wunsch des steinreichen Vaters die offiziellen Begleiter des Bräutigams und hatten sich geweigert, diese Aufgabe ohne ihre Freundinnen auszuführen.

Die ganze Angelegenheit gefiel Ivy ganz und gar nicht, aber sie hielt lieber den Mund. Deirdre schien glücklich zu sein, und Ivy wollte ihr nicht ihren schönsten Tag zerstören. Es gab immerhin die ganz kleine Hoffnung, dass alles gut gehen würde, und Ivy klammerte sich daran.

In der folgenden Stille senkte Deirdre den Blick und errötete heftig. Blake sah verlegen so ziemlich in alle Richtungen, nur nicht zu der Frau, die er eigentlich verteidigen müsste. Ivy war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihrer Cousine zu helfen, und der Angst, dass sie damit nur alles schlimmer machen würde.

Blake war ein wirklich sehr netter Kerl, und er liebte Deirdre von Herzen. Leider besaß er nicht sehr viel Rückgrat. Er war der jüngste der drei Brüder, und obwohl er nicht gerade hässlich war, drehten sich die Frauen auf der Straße auch nicht unbedingt nach ihm um. Er war irgendwie nichtssagend, und er ließ es zu, dass alle ihn schikanierten, besonders seine Familie.

Und deswegen fürchtete Ivy auch, dass Deirdre sich von jetzt an und bis an das Ende ihres Lebens den Wünschen ihrer Schwiegereltern würde unterordnen müssen.

„Wie ich höre, Ivy, bist du jetzt praktizierende Psychologin“, sagte Dillon.

Ivy schluckte mühsam. Jetzt war sie an der Reihe. Aber wenigstens wurde so die Aufmerksamkeit von Deirdre abgelenkt. Das war das bisschen Demütigung wert.

„Ja, stimmt“, antwortete sie etwas zu gereizt. Dillon lächelte zufrieden, und sie hob herausfordernd das Kinn und wappnete sich für alles, was kommen mochte.

„Ich finde das wirklich faszinierend“, fuhr er fort.

Dee gähnte hinter vorgehaltener Hand, und Dum schaute demonstrativ auf ihre Armbanduhr. Dale und Calvin allerdings schien die Situation eher zu amüsieren. Lieber Himmel, die beiden waren ja schlimmer als Dillon. Sie sollten sich allmählich wie Erwachsene benehmen.

„Ihr Buch war doch monatelang auf der Bestsellerliste der New York Times“, warf Deirdre stolz ein. „Sie ist richtig berühmt.“

Die Tweedles verdrehten die Augen.

„Ich interessiere mich besonders für Studien über Selbstachtung“, sagte Dillon. „Ich habe mal irgendwo gelesen, dass Menschen mit besonders niedriger Selbstachtung andere Menschen beleidigen oder herabsetzen, um ihrem eigenen Ego Auftrieb zu geben.“ Er sah vielsagend zu den Tweedles hinüber und dann wieder zu Ivy. „Stimmt das?“

Es vergingen ein paar Sekunden, bevor Ivy klar wurde, was er damit sagen wollte. Sie war so überrascht, dass sie fast laut gelacht hätte. Dillon wollte gar nicht sie selbst angreifen. Seine Bemerkungen richteten sich direkt an die Zwillinge.

„Das stimmt“, antwortete sie in ihrem Therapeutinnentonfall, den sie anwandte, wenn sie völlig neutral wirken wollte.

Dale und Calvin sahen plötzlich nicht mehr so anmaßend aus, und ein dankbares Lächeln erschien um Deirdres Mundwinkel.

Die Tweedles allerdings brauchten noch eine Weile, bis sie begriffen.

Ivy beobachtete sie und musste zugeben, dass sie den verblüfften Ausdruck der Empörung auf ihren Gesichtern genoss, als endlich ein Licht bei ihnen aufging. Sie war noch nie eine Befürworterin der „Auge-um-Auge“-Methode gewesen und zog es vor, sich nicht auf das Niveau der Tweedles zu begeben, aber es war ein großartiges Gefühl, diesen beiden unhöflichen Hohlköpfen einen Dämpfer zu verpassen.

„Tatsächlich gehört die Selbstachtung oder Selbsteinschätzung zu den am meisten untersuchten Gebieten der Psychologie“, fuhr sie fort.

„Warum ist das so?“, fragte Dillon, während die Tweedles allmählich immer unruhiger wurden.

„Weil unsere Selbsteinschätzung bei so ziemlich allem eine Rolle spielt, was wir tun“, erklärte Ivy. „Der Mangel daran kann schlimme Auswirkungen haben. Menschen, die sich ihrer selbst nicht sicher sind, haben Schwierigkeiten, gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten. Da sie oft verlegen sind oder sich schämen, ohne dass ein echter Grund besteht, ist es leider meist so, dass ihr irrationales Benehmen die Menschen verwirrt oder ihnen entfremdet.“

„Das ist wirklich sehr interessant“, sagte Deirdre.

„Aber auch tragisch“, sagte Dillon und sah Blakes Brüder an. „Meint ihr nicht auch?“

Dale und Calvin sagten nichts. Offenbar waren beide der Meinung, dass es besser wäre, dem millionenschweren Ölmagnaten nicht zu widersprechen. Wenigstens einmal in seinem Leben hatte Dillon seine Macht und seine Autorität für einen anderen Menschen als sich selbst eingesetzt. Ivy würde ihm nachher danken müssen.

„Nun, ich denke, ich mache einen kleinen Spaziergang am Strand“, sagte Dillon und stand auf. „Möchte mir jemand Gesellschaft leisten?“ Er sah Ivy an.

So dankbar war sie ihm nun auch wieder nicht.

„Ich!“, rief Deirdre und sprang mit einer Begeisterung von ihrem Stuhl auf, dass sie drohte den Tisch umzuwerfen. Blake griff nach ihrem Champagnerglas, bevor es auf den Boden fiel. Deirdre lächelte ihn an. Vielleicht hatte er Glück, und sie würde ihm sein enttäuschendes Verhalten von eben verzeihen.

Er stand ebenfalls auf und wischte sich ein paar Krümel von der Hose. Es spielte keine Rolle, wie elegant er sich anzog, an seinem dünnen Körper hingen die Sachen wie auf einem Kleiderbügel, und er sah immer ein wenig unordentlich aus. „Ich komme mit.“

„Wir fahren in die Stadt, die Bars abklappern“, sagte Dale. Er, Calvin und die Tweedles sahen so aus, als könnten sie einen Drink gebrauchen. Oder vielleicht auch gleich fünf.

Ivy stand auf. „Ich gehe auf mein Zimmer. Ich muss mal nach meinen E-Mails sehen.“

„Du hast doch versprochen, diese Woche nicht zu arbeiten“, wandte Deirdre ein.

„Ich weiß, aber ich erwarte eine Nachricht von meinem Herausgeber“, log Ivy. In Wirklichkeit hatte sie ihrer Herausgeberin, Agentin und Co-Autorin gesagt, dass sie sich diese Woche nur entspannen wollte.

Was für ein Witz! Es würde alles andere als entspannend werden. Ivy würde von Glück sagen können, wenn sie bei ihrer Rückkehr nach Texas nicht selbst eine Therapie brauchen würde.

Deirdre griff nach ihrer Hand und drückte sie fast schmerzhaft. „Komm mit uns. Bitte.“

Ivy wusste, was ihre Cousine zu tun versuchte, allerdings würde es nicht funktionieren. Sie wollte, dass Ivy Dillon verzieh und über „es“ hinwegkam, was immer das auch sein mochte.

Sicher, Dillon hatte etwas sehr Nettes getan und gezeigt, dass er auch an andere denken konnte, aber das entschuldigte nicht die Art, wie er Ivy den ganzen Abend über geärgert hatte. Ebenso wenig entschuldigte es, dass er sie wahrscheinlich auch den Rest der Woche ärgern und reizen würde, bis zu dem Moment, da sie am Sonntagmorgen endlich ins Flugzeug steigen konnte.

Sie löste ihre Hand aus Deirdres Griff. „Das nächste Mal. Versprochen.“

Deirdre sah aus, als würde sie noch etwas dazu sagen wollen, ließ es dann aber doch.

Auf dem Weg die Treppe hinauf fühlte sich Ivy unbehaglich, ohne zu wissen, warum eigentlich. Etwas ganz Seltsames hatte sich eben da unten abgespielt, etwas Beunruhigendes, das sie aber nicht genau benennen konnte.

Sie betrat ihr Zimmer, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.

Eine Katastrophe war abgewendet worden, und das dank Dillon. Obwohl die Situation zwar kindisch war, hatte es doch irgendwie Spaß gemacht.

Moment mal. Spaß? Mit Dillon?

Es war zwar hart, es zuzugeben, aber es stimmte.

Für einen kurzen Moment hatte sie der heutige Abend daran erinnert, dass sie und Dillon einmal ein wirklich gutes Team abgegeben hatten – und sie hatten Spaß zusammen gehabt.

Was noch schlimmer war, sie war ziemlich sicher, dass sie ihn weniger verabscheute als noch heute Morgen.

Das war gar nicht gut.

Ihr Hass auf Dillon war ihre einzige Verteidigung, ihre einzige Munition. Ohne diesen Hass, würde sie nicht vergessen können, dass er ihr für immer das Herz gebrochen hatte.

Ivy lernte zwei wichtige Lektionen an diesem Abend.

Die erste Lektion war, dass nur eins schlimmer war als deinem Ex wieder gegenübertreten zu müssen, nämlich es mit nassem, unordentlichem Haar in einem schäbigen alten T-Shirt mit abgerissenen Ärmeln tun zu müssen.

Die zweite, noch wertvollere Lektion war, nie zu vergessen, die Schlafzimmertür abzuschließen.

„Oje“, sagte Dillon, der an der offenen Tür stand und Ivy auf dem Bett liegen sah, den Laptop neben sich.

Sie kam hastig auf die Knie und zog das Hemd über ihre blassen Beine. Innerlich nannte sie sich einen Idioten. Warum sollte es ihr etwas ausmachen, was Dillon von ihren Beinen hielt, die leider in letzter Zeit kaum Sonne abbekommen hatten? „Was machst du hier?“

Er sah ehrlich verblüfft aus. „Ich muss das falsche Zimmer erwischt haben.“

Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das passiert sein konnte, da Deirdre wenigstens genügend Feingefühl besessen hatte, sie in Zimmern unterzubringen, die nicht nur nicht aneinander angrenzten, sondern sich an entgegengesetzten Enden des Hauses befanden.

„Na ja“, meinte er und sah den Flur hinunter, den er gerade entlanggekommen war. „Ich muss an der Treppe falsch abgebogen sein.“

Ivy fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar und ärgerte sich insgeheim, dass sie es nach dem Waschen nicht gebürstet hatte. Allerdings hatte sie ja keinen Besuch erwartet – oder, in Dillons Fall, keine Eindringlinge. Und ihre Mutter hatte ihr geraten, es erst zu bürsten, wenn es trocken war.

Es ist dir egal, was er denkt, sagte sie sich grimmig.

„Wie du siehst, bist du nicht in deinem Zimmer, also … gute Nacht.“

Er sah sich lässig um, als hätte er jedes Recht, sich hier aufzuhalten. „Sehr hübsch.“

Dillon kam herein und steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans. Eine Bewegung, die überhaupt nicht bedrohlich wirkte, aber Ivy spannte sich unwillkürlich an. „Ich glaube, dein Zimmer ist größer als meins. Und sieh dir diese Aussicht an.“

Typisch für seine arrogante Überzeugung, er wäre überall willkommen, ging er durch das Zimmer und trat auf den Balkon hinaus, ohne auf eine Einladung zu warten. Der Mann war einfach unerträglich!

Ivy dachte nicht mehr an ihre unattraktiv weiße Haut, sprang aus dem Bett und folgte ihm. Es war eine Sache, sie von einem anderen Balkon aus anzustarren. Ivy konnte auch mit seiner sadistischen Neckerei leben, aber das hier war ihr Zimmer, die einzige Zuflucht für sie in diesem Haus, und Dillon hatte kein Recht, einfach so hier hereinzuplatzen. „Was machst du denn da?“

Die Sonne war halb hinter dem Horizont verschwunden, und nur ein schwachroter Streifen war von ihr geblieben. Ivy konnte die Wellen gegen die Klippen schlagen hören, und eine kühle Brise wehte vom Meer zu ihnen herüber. Es war eine vollkommene Nacht. Wenn Dillon nicht aufgetaucht wäre.

Er pfiff leise und schüttelte den Kopf. „Oh ja, ein Wahnsinnsblick.“

„Dein Zimmer geht auf denselben Ozean hinaus, also bezweifle ich ganz einfach mal, dass der Blick hier so anders sein soll. Weißt du was, Dillon? Ich habe eine Idee. Warum gehst du nicht in dein Zimmer und schaust nach?“

Der Sarkasmus in ihrem Ton schien ihn nicht zu berühren. Dillon stützte einfach die Hände auf das Balkongeländer und machte es sich gemütlich. „Oh nein, solche Sterne kann man in Dallas nicht sehen.“ Er atmete tief und genüsslich ein und atmete langsam wieder aus. „Und kein Smog.“

Sie wusste nicht, was das alles sollte, es fing jedoch allmählich an, sie sehr zu ärgern. „Dillon, ich möchte, dass du gehst.“

Er drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht lag halb im Schatten, aber sie konnte sein so vertrautes schiefes Lächeln sehen. „Nein, das ist nicht wahr.“

Zum Teufel mit ihm. Er wusste immer noch, wie er sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Dieses Mal allerdings würde sie den Köder nicht schlucken. Sie war nicht mehr das junge unreife Mädchen, das er in Erinnerung hatte. Sie würde völlig ruhig bleiben. „Doch.“

„Es ist zehn Jahre her. Wir haben viel aufzuholen.“ Sein Blick glitt über ihre Brüste, die sich deutlich unter dem dünnen T-Shirt abzeichneten, und sein Lächeln war nicht mehr amüsiert, sondern sinnlich.

„Du hast damals immer in T-Shirts geschlafen. Meistens in meinen.“ Er hakte lässig die Daumen in seine Jeanstaschen. „Es gefiel dir, dass sie noch meinen Geruch an sich hatten.“

Ivy verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte ihn mit einem eisigen Blick.

Aber Dillon ließ sich nicht einschüchtern, sondern betrachtete sie weiterhin voller Verlangen. „Und ich sehe, dass du immer noch wartest, bis dein Haar trocken ist, bevor du es bürstest.“

Sie hasste es, dass er sich noch an so viele Einzelheiten erinnerte. Der einzige Grund, weswegen er sich überhaupt die Mühe machte, sich zu erinnern, war doch, weil er die Informationen gegen sie einsetzen wollte. Er wollte, dass sie sich unbehaglich fühlte, er wollte sie aus dem Gleichgewicht bringen und dann zum endgültigen Schlag ausholen.

Aber diese Freude würde sie ihm nicht machen.

„Ich wette, dein Unterbewusstsein diktiert dir, was du machen sollst“, fuhr er fort. „Denn in Wirklichkeit liebst du mich immer noch und willst mich zurückhaben.“

Sie wurde immer wütender und presste die Lippen zusammen, um die sarkastische Bemerkung zu unterdrücken, die ihr sofort in den Sinn kam.

Du wirst diesem Mann gefälligst nicht zeigen, wie böse er dich immer noch machen kann, ermahnte sie sich. Du wirst dich nicht von ihm herausfordern lassen.

„Gibt es dafür nicht irgendeinen Begriff?“, fragte er.

Oh ja, den gab es sehr wohl. Verrückt. Und genau das war er, wenn er wirklich glaubte, dass sie noch etwas Positives für ihn empfand.

„Was für eine hohe Meinung du doch von dir hast“, sagte sie geringschätzig.

Er lachte leise. „Vielleicht, aber du musst zugeben, dass ich konsequent bin.“

Ja, das musste sie wohl zugeben. Er hatte nie eine Gelegenheit ausgelassen, sie zu enttäuschen.

„Hör zu, ich bin dir dankbar für die Art, wie du Deirdre beim Essen gegen die Tweedles in Schutz genommen hast, aber lass uns nicht so tun, als wüsste ich nicht genau, was du tust und warum du es tust.“

Er lächelte amüsiert. „Tweedles?“

Ivy schlug sich mit der Hand vor den Mund. Ach herrje, hatte sie es wirklich laut ausgesprochen?

„Wie in Tweedle Dee und Tweedle Dum?“ Sein Lachen war ansteckend, sodass Ivy ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.

Hastig riss sie sich zusammen. Sie durfte sich nicht von ihm hereinlegen lassen. Er war so geschickt darin, sie um den kleinen Finger zu wickeln, da musste sie vorsichtig sein.

„Du musst jetzt gehen“, sagte sie. „Ich muss meine Arbeit beenden.“

Er rührte sich nicht. „Ich nehme an, du hast die E-Mail von deiner Herausgeberin erhalten, oder?“

„Genau“, bestätigte sie ihm. „Und ich habe im Moment wirklich sehr viel zu tun.“

„Warum habe ich das Gefühl, dass du schwindelst?“ Er ließ das Balkongeländer los, und Ivy musste an sich halten, um nicht vor Dillon zurückzuweichen. „Du weißt doch, dass ich immer gemerkt habe, wenn du nicht ehrlich zu mir warst.“

„Offenbar sind Lügner besonders geschickt darin, einen Lügner zu erkennen“, fuhr sie ihn an.

Seine Miene wurde sofort ganz ernst, und Ivy merkte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Sehr schön. Er hatte es schließlich herausgefordert. Warum kam sie sich trotzdem wie eine miese Hexe vor?

Er kam einen Schritt näher. „Habe ich dich je angelogen, Ivy?“

„Vergiss es, Dillon.“ Sie drehte sich um und ging zum Schrank, aus dem sie ihren Morgenmantel nahm. „Ich weigere mich, mich zu einem Gespräch über eine Beziehung zwingen zu lassen, die schon seit zehn Jahren vorbei ist.“

Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel und zog den Gürtel fest um die Taille, dann drehte sie sich um und wäre fast mit Dillon zusammengestoßen, weil er genau hinter ihr stand.

„Die Wahrheit, Ivy.“ Jeder Anflug von Belustigung war verschwunden. „Habe ich dich auch nur ein einziges Mal angelogen?“

Ihr Herz klopfte schneller. Sie erinnerte sich an diesen Mann, an Dillons ernstere andere Seite. Er hatte sie nur sehr selten gezeigt, aber wenn doch, dann hatte er sie jedes Mal damit einschüchtern können. Und das wusste er natürlich sehr gut.

Hatte er die ganze Zeit auf den passenden Moment gewartet, um sie damit zu quälen?

„Ich bin dir nichts schuldig.“

Er kam näher, den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet, und mit jeder Faser ihres Körpers ging sie in Alarmbereitschaft.

„Habe ich dich jemals angelogen?“

Hör auf damit, warnte eine innere Stimme sie. Wage es ja nicht, zu sagen, was du gerade denkst. Es ist sowieso nicht mehr wichtig und würde alles nur schlimmer machen. Sag kein einziges Wort.

Er kam noch einen Schritt näher und war jetzt nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Das Haar war ein wenig zerzaust von seinem Strandspaziergang, und Ivy konnte den Duft des Meeres auf seiner Haut und seiner Kleidung riechen. Der Blick seiner stahlblauen Augen schien sie festhalten zu wollen, und tatsächlich brachte sie nicht die Kraft auf, vor ihm zurückzuweichen.

Sie konnte sich nicht rühren.

„Ivy?“

„Nein!“, schrie sie ihn plötzlich an, denn sie konnte die Wut und die Enttäuschung und den Schmerz nicht länger unterdrücken, die schon viel zu lange in ihr gärten. „Du hast mich nie angelogen, Dillon. Tatsächlich hast du es mir nur allzu deutlich gezeigt, wie wenig dir an unserer Ehe lag.“

Sie bedauerte ihre Worte, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte, aber es war zu spät. Sie war immer noch verbittert und verletzt von der Scheidung, und jetzt wusste er es. Und Ivy war sicher, dass er es irgendwie gegen sie verwenden würde.

Mehrere Sekunden lang, die Ivy wie eine Ewigkeit vorkamen, starrte er sie nur an, und sein Gesichtsausdruck verriet nichts von seinen Gefühlen. Schließlich sagte er mit tonloser Stimme: „Ich bin es nicht gewesen, der das Haus verlassen hat.“

Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, und Ivy trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Er wollte ihr doch wohl nicht damit sagen, dass ihre fehlgeschlagene Ehe ihre Schuld war, oder? Nur einen Menschen traf die Schuld, und dieser stand genau vor Ivy.

Wer war denn jeden Abend ausgegangen und betrunken nach Hause gekommen, während sie ihr Bestes getan hatte, um ihr Studium zu beenden? Wer hatte wochenlang sein Geld beim Kartenspiel verprasst? Und wer hatte seinen Vater, der Mitglied der Hochschulkommission war, dazu aufgehetzt, ihr Stipendium rückgängig zu machen?

Er hatte vielleicht nicht gelogen, aber was er getan hatte, war sehr viel schlimmer gewesen. Er hatte sie enttäuscht.

Sekundenlang standen sie nur da und sahen sich finster an, dann schüttelte er den Kopf.

„Gute Nacht, Ivy.“ Er drehte sich um und ging, die Tür leise hinter sich schließend. Und aus irgendeinem albernen Grund war Ivy zum Weinen zumute.

Es war ihr völlig egal, was er sagte. Dass ihre Ehe ein Reinfall geworden war, war nicht ihre Schuld. Sie war es vielleicht gewesen, die das Haus verlassen hatte, aber emotional hatte sich Dillon schon viel früher von ihr entfernt.

4. KAPITEL

Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Mann Sie anlügt? Vertrauen Sie Ihrer Intuition. Die Wahrscheinlichkeit, dass er es wirklich tut, ist groß.

Der Scheidungsratgeber für die moderne Frau

Ivy tauchte in den Swimmingpool. Mühelos glitt ihr schlanker Körper durch das klare Wasser. Dank Dillon und seinem Gerede – „Ich habe dich nie angelogen“ – hatte sie schlecht geschlafen und war schon beim Morgengrauen aufgewacht. Aber mit jeder Bewegung spürte sie, wie der Stress der vorigen Nacht Stück für Stück von ihr abfiel.

Eigentlich war sie nicht der Typ, der sich gern körperlichem Training hingab. Sie hatte von Natur aus einen schlanken Körper, der ihr trotz seltener Besuche im Fitness-Studio erhalten blieb. In den vergangenen paar Jahren allerdings war ihr aufgefallen, dass es ihr nicht mehr ganz so mühelos gelang, ihr Gewicht zu halten. Also hatte sie sich angewöhnt, jeden Morgen schwimmen zu gehen. Es war das Einzige, das sich nicht wie richtiger Sport anfühlte. Sie würde vielleicht nie mehr die Figur zurückgewinnen, die sie mit Anfang zwanzig gehabt hatte, aber sie hatte ein gutes Gleichgewicht gefunden.

Sie wünschte nur, das dazugekommene Gewicht hätte ihren leider nicht besonders eindrucksvollen Brustumfang zumindest etwas vergrößert.

Als sie die letzte Bahn geschwommen war und den Kopf hob, sah sie Dillon nur wenige Meter entfernt in einem Klubsessel neben dem Pool sitzen, einen Kaffeebecher in der Hand. Und natürlich sah er Ivy unverwandt an.

Jetzt ging das schon wieder los.

Mit nacktem Oberkörper räkelte er sich in der Sonne und lächelte Ivy träge an. Man sah ihm richtig an, dass er dachte: Wie kann ich Ivy heute ärgern?

Plötzlich klopfte ihr Herz schneller, ihr Magen zog sich nervös zusammen und sie unterdrückte ein Stöhnen.

„Morgen“, sagte er. Er war unrasiert, und sein Haar sah aus, als wäre er gerade eben erst aus dem Bett gefallen.

Sie fragte sich, wie lange er da schon saß und sie beobachtete. Soweit sie sich erinnern konnte, war er niemals vor zehn Uhr morgens aus dem Bett gekrochen. Meistens schaffte er es knapp vor Mittag.

Ivy schwamm zur Leiter und kletterte heraus, ohne zu ihm hinzusehen. Die Situation war ihr peinlich, obwohl sie einen dezenten Schwimmanzug trug. Er war trotzdem zu offenherzig und würde die Veränderungen ihres Körpers ganz deutlich enthüllen. Dillon schien sich in den Jahren nur zu seinem Vorteil verändert zu haben.

Aber was sollte ihr das schon ausmachen?

Sie wickelte sich in ein Badetuch und drückte das Wasser aus dem Haar. „Du bist früh wach.“

„Ich bin neuerdings ein Frühaufsteher.“

Das sah ihm ähnlich, etwas zu tun, was sich nur zu ihrem Nachteil auswirken konnte. So würde er noch mehr Zeit damit verbringen können, sie zu quälen. Allerdings wäre es nicht gut, ihn merken zu lassen, wie sehr er sie ärgerte. Der gestrige Abend war ein unglücklicher Ausrutscher gewesen, und umso wichtiger war es, dass sie heute völlig gelassen blieb. Sie musste geduldig sein.

Als wäre ihr nichts gleichgültiger als die Tatsache, dass sie ihren Ex so früh begrüßen musste, griff sie nach ihrem Eiskaffee und wollte über etwas Harmloses sprechen. Dann bemerkte sie plötzlich, wie er angezogen war, und das Glas wäre ihr fast aus der Hand gerutscht.

Sie wusste natürlich, dass er es darauf angelegt hatte, sie zu schockieren, und dass es sehr viel klüger von ihr wäre, sich einfach nichts anmerken zu lassen. Leider war dieser Anblick selbst für sie zu viel, und sie platzte heraus: „Was hast du denn da an?“

Er sah an sich herunter. „Boxershorts“, meinte er gelassen, als wäre es überhaupt nichts Seltsames, in einem fremden Haus in der Unterwäsche herumzulaufen. „Außerdem hast du mich schon oft so gesehen. Das kannst du doch nicht vergessen haben.“

„Es sind außer mir noch sechs andere Leute im Haus.“

„Die alle tief und fest schlafen.“

„Ganz zu schweigen von der Haushält…“ Sie hielt abrupt inne und wandte sich ab. „Himmel noch mal, hab wenigstens den Anstand und mach alle Knöpfe zu.“

„Oh“, hörte sie ihn sagen, aber sein Ton war eher amüsiert als verlegen. Was würde Dillon schon so schnell in Verlegenheit bringen? Der Mann kannte keine Grenzen, wenn es darum ging, bei Ivy Unbehagen zu verursachen. „Kein Wunder, dass die Haushälterin mich komisch ansah, als sie mir den Kaffee einschenkte.“ Nach einer Sekunde fuhr er fort: „Der Hengst ist wieder im Stall. Du kannst dich wieder umdrehen.“

Aber wenn sie das tat, würde er sehen, dass sie knallrot geworden war. Wenn sie es allerdings nicht tat, würde es noch schlimmer sein, weil Dillon wissen würde, dass er sein Ziel erreicht hatte.

Also wandte sie sich um, den Blick entschlossen auf sein Gesicht gerichtet. Wenn sie seine nackte Brust ansehen würde, würde sie das nur daran erinnern, wie gern sie sie früher gestreichelt hatte, und an viel zu viele andere Dinge, die sie dann zusammen getan hatten. Und dann würden ihre Wangen noch mehr erröten.

„Seit wann schwimmst du?“, fragte er. „Du hast doch Sport immer gehasst.“

„Das tue ich auch immer noch, aber ich kann mich schließlich nicht völlig vernachlässigen. Einige Leute müssen eben hart darum kämpfen, fit zu bleiben.“

„Willst du damit andeuten, dass ich das nicht brauche? Wärst du überrascht, wenn ich dir sage, dass ich jeden Morgen vor der Arbeit ins Fitness-Center gehe?“

Sie war vielleicht nicht überrascht, nur war das nicht der springende Punkt. Sie wollte einfach nichts über sein Leben erfahren. Das ließ ihn viel zu menschlich erscheinen, als wäre er ein ganz normaler Mann wie alle anderen. Ivy zog es vor, ihn sich als das vorzustellen, was er ja auch war – ein arroganter, hochmütiger, völlig unangenehmer Kerl.

„Allerdings habe ich nie schwimmen gelernt“, sagte er, was sie kaum glauben konnte. Irgendwo hatte sie einmal gelesen, dass er sich inzwischen ein großes schickes Haus zugelegt hatte – ein, zwei Mal war sie auch daran vorbeigefahren, natürlich nur zufällig – in dem es einen Swimmingpool olympischer Ausmaße gab. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, warum ließ er sich also einen Swimmingpool bauen, wenn er gar nicht vorhatte, ihn zu benutzen?

„Du solltest es mal probieren“, riet sie ihm.

„Gehst du heute zum Golfspielen?“, fragte er. Blake und Deirdre hatten für heute einen Golfausflug geplant.

Aber offenbar wusste Dillon doch nicht alles über sie, sonst würde er sich daran erinnern, dass sie nicht Golf spielen konnte. Sie wollte schon verneinen, da hielt sie sich im letzten Moment zurück. Es gab nur eins, was Dillon noch lieber tat als trinken und spielen, und das war Golf spielen. Wenn sie ihm aber sagte, dass sie nicht mitgehen würde, würde er vielleicht auch zu Hause bleiben, um Ivy ungestört von allen anderen zu schikanieren.

„Ja, ich gehe mit“, log sie.

„Blake sagt, wir sollen uns um Viertel nach zehn im Foyer treffen.“

Das könnte sich als Problem herausstellen. Wenn sie nicht erschien, würde Dillon natürlich merken, dass sie ihn angelogen hatte. Wenn sie allerdings um die Zeit schon verschwunden war, würde er nicht wissen, wo er nach ihr suchen sollte. Und so schwierig dürfte es eigentlich nicht sein, sich davonzuschleichen. „Dann gehe ich wohl besser auf mein Zimmer und bereite mich vor.“

„Zieh etwas Leichtes an!“, rief er ihr nach. „Es wird ziemlich heiß heute.“

„Mach ich!“, antwortete sie. Sie könnte sich um zehn aus dem Haus stehlen, ohne dass Dillon es mitbekam, und dann würde sie endlich den ganzen Tag Ruhe vor ihm haben.

Jetzt war er auch noch so tief gesunken, ihr heimlich hinterherzulaufen.

Dillon ging mehrere Meter hinter Ivy, während sie durch die Fußgängerzone schlenderte. Er war ihr gefolgt, seit sie heute Morgen aus dem Haus geschlüpft war. Es war ihm nur allzu bewusst, dass es weit unter seiner Würde lag, was er hier tat, aber er musste sein Ziel im Auge behalten – Ivy sollte ihn um Vergebung anflehen, und wenn es das Letzte war, was er in diesem Leben erreichte.

Die Sonne brachte die rotgoldenen Strähnchen in ihrem Haar zum Leuchten, und eine kühle Meeresbrise spielte mit dem weiten luftigen Rock, den sie trug, sodass ab und zu ein paar verlockende Zentimeter mehr von ihren langen schlanken Beinen zu sehen waren.

Ivy trug ein schlichtes hellblaues T-Shirt, das an den meisten anderen Frauen langweilig gewirkt hätte, aber bei Ivy schien alles perfekt zu sein. Und Dillon war auch nicht der Einzige, dem das auffiel. Während sie die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße entlangging, ernst und sogar ein wenig zurückhaltend, drehten sich viele Männer voller Interesse nach ihr um.

Allerdings wusste er etwas, was sie nicht wussten. Er wusste, was für ein lebhaftes leidenschaftliches Wesen sich hinter dieser Fassade ruhiger Anmut verbarg. Es gab Momente, da fehlte ihm diese Seite ihres Charakters, aber sie war auf Nimmerwiedersehen verschwunden, kaum dass sie sich das Jawort gegeben hatten. Er fragte sich, was geschehen musste, um diese Seite wieder zum Leben zu erwecken. Wenn sie überhaupt noch existierte, was er sehr bezweifelte.

Andererseits würde es Spaß machen, es herauszufinden.

Ivy nahm ein Fläschchen von einem Stand, wahrscheinlich Parfum, und hielt es an die Nase. Sie schloss die Augen und atmete tief ein, einen verträumten Ausdruck auf dem Gesicht.

Der Verkäufer sagte etwas, und sie lächelte und schüttelte den Kopf. Dieses ehrliche freundliche Lächeln hatte Dillon schon lange nicht mehr zu sehen bekommen. Selbst auf dem Foto in ihrem Buch, in dem er widerwillig geblättert hatte, konnte man ihr Lächeln nur geschäftstüchtig nennen. Gegen Ende ihrer Ehe hatten sich beide kaum noch zu einem Lächeln aufraffen können, jedenfalls nicht für ihren Ehepartner.

Das war schon immer Ivys Problem gewesen. Sie war zu gehemmt und zu ehrgeizig. Sie hatte nie gelernt, einfach nur Spaß zu haben, wenn es nicht gerade die Art Spaß war, die man im Schlafzimmer erleben konnte. Und es war nicht etwa so, dass Dillon nicht versucht hätte, es ihr beizubringen. Sie hatten am Anfang große Fortschritte gemacht, dann hatten sie geheiratet und Ivy hatte sich völlig verändert.

Jetzt sah er sie mit dem Verkäufer feilschen, und nach einer Weile griff sie in ihr Gürteltäschchen, und reichte dem Mann einige Geldscheine. Dann steckte sie das Fläschchen ein und ging weiter. Sie sah so gelassen und ruhig aus. Als wäre sie mit sich und der Welt im Reinen.

Unwillkürlich musste Dillon lächeln. Welcher Augenblick wäre besser als dieser, um auf sie zuzuschlendern und Hallo zu sagen?

„Na, so was. Welch ein Zufall“, sagte er, als er genau hinter ihr stand, und näselte dabei absichtlich auf eine Weise, die Ivy schon immer auf die Nerven gegangen war.

Sie hielt mitten in der Bewegung inne, die Hand in der Luft schwebend, mit der sie gerade nach einem bunten Seidenschal hatte greifen wollen. Jeder Zentimeter ihres Körpers schien zu Eis zu erstarren.

Es war schon fast zu einfach und sogar noch besser als sein Einfall, sie heute Morgen in seiner Unterwäsche zu begrüßen, obwohl das schon großen Spaß gemacht hatte.

Ivy holte tief Luft, als müsste sie all ihre Kräfte sammeln, und drehte sich dann langsam zu ihm um. Sie hatte erfolgreich jeden verräterischen Ausdruck auf ihrem Gesicht unterdrückt, aber sie hatte wohl vergessen, mit wem sie es hier zu tun hatte. Dillon bemerkte selbst den leisesten Hauch eines Zeichens, der anderen Menschen entging, wie zum Beispiel die Art, wie Ivy ganz leicht die Stirn runzelte und ganz kurz die Zähne zusammenbiss.

Wahrscheinlich war sie selbst sich gar nicht bewusst, was sie tat. Sie konnte ruhig vorgeben, dass sie nicht verärgert war, aber er ließ sich nichts vormachen.

„Warum fällt es mir schwer, an einen Zufall zu glauben?“, fragte sie.

Er zuckte die Achseln. „Hat es womöglich etwas damit zu tun, dass du ein ziemlich misstrauischer pessimistischer Mensch bist? Was meinst du?“

„Was machst du hier?“

Er lächelte unbekümmert und hielt eine Papiertasche hoch. „Souvenirs. Für meine Sekretärin.“

„Unterwäsche?“, riet sie.

„Aber nein. Ich ziehe es außerdem vor, wenn eine Frau weite T-Shirts trägt, wenn sie schläft.“ Er beugte sich leicht vor und senkte die Stimme. „Oder gar nichts.“

Ivy verdrehte die Augen.

„Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass meine Sekretärin achtundsechzig Jahre alt ist.“

„Solltest du jetzt nicht auf dem Golfplatz sein?“

„Ich hatte größere Lust zum Einkaufen.“

Ivy schnaubte. „Jetzt weiß ich, dass du lügst. Du spielst für dein Leben gern Golf, und du bist immer nur widerwillig einkaufen gegangen.“

„Das stimmt. Die Gesellschaft, die mich beim Golfen erwartet hätte, hat mir wahrscheinlich die Lust genommen. Wie hast du sie noch genannt? Die Tweedles?“

Das war die absolute Wahrheit. Er hatte gestern Abend schon mehr von den beiden Frauen genossen, als ihm lieb gewesen war. Außerdem konnte selbst ein schönes Golfspiel nicht besser sein als die seltene Gelegenheit, Ivy zu quälen. Er musste ihr ganz einfach nur „zufällig“ begegnen, so wie er ganz „zufällig“ in ihrem Zimmer aufgetaucht war. Allerdings hatte er gestern Abend nicht damit gerechnet, in eine heikle Diskussion über ihre zerstörte Ehe verwickelt zu werden.

Ivy versuchte immer noch, ihm die Schuld an allem zu geben. Andererseits war das vielleicht gar nicht so überraschend. Sie war schließlich schon immer die Perfekte gewesen, eine Frau, für die nichts gut genug sein konnte. Vielleicht hatte er ja wirklich ein paar Fehler gemacht, solche, die nicht weiter ins Gewicht fielen natürlich, aber wenn jemand verantwortlich war für ihre Scheidung, dann war das Ivy.

Und warum hatte sie angenommen, dass sein Verhalten gestern beim Abendessen irgendetwas mit ihr zu tun gehabt hatte? Er hatte ganz einfach einem Freund geholfen. Blake war ein lieber Kerl, der einem sein letztes Hemd schenken würde, ohne auch nur einen Moment überlegen zu müssen. Solange Dillon ihn jedoch kannte, hatte Blake sich widerspruchslos von seiner Familie herumkommandieren lassen.

Deirdre war die perfekte Frau für ihn. Freundlich und zurückhaltend und vielleicht ein wenig tollpatschig, aber Dillon spürte, dass sehr viel mehr an ihr war, als man auf den ersten Blick sehen konnte, eine Art verstecktes Selbstbewusstsein. Und wenn das stimmte, dann würde sie sich nicht mehr sehr viel von Blakes Familie gefallen lassen.

Was Dillon sehr hoffte. Sonst würden sie sie zum Frühstück verspeisen.

„Nun“, sagte Ivy mit einem gezwungenen Lächeln. „Es war … nett, dich wiederzusehen.“

Er lachte. „Wenn das keine Lüge war!“

„Du hast recht. Es war eine. Mach’s gut.“ Und damit wandte sie sich ab und ging weiter, sich einen Weg durch die Menge bahnend, die die engen Straßen verstopfte. Glaubte sie wirklich, er würde sie so leicht davonkommen lassen? Er war im Urlaub und fest entschlossen, sich zu amüsieren.

Ivy ging im Zickzack durch die Menge. Sie hielt sich nur mit Mühe zurück, in Laufschritt zu verfallen und Dillon merken zu lassen, wie groß ihre Verzweiflung war.

Der Markt war heiß und lärmend, die Luft erfüllt vom würzigen Duft fremder köstlicher Gerichte, die sie so gern gekostet hätte. Es gab Millionen von verschiedenen Dingen zu sehen und zu tun und Orte zu erkunden.

Und sie hatte das alles allein tun wollen.

Knapp dreißig Sekunden waren vergangen, als sie Dillon neben sich sagen hörte: „Ist hier irgendwo ein Feuer ausgebrochen?“

Sie unterdrückte ein Stöhnen. Er würde sie also nicht in Frieden lassen. Er würde ihr den ganzen Nachmittag auf den Fersen bleiben wie ein Blutegel, der ihr zusammen mit dem Blut auch jede Freude aussaugte. Wie hatte er sie überhaupt gefunden? Sie hatte gewartet, bis niemand mehr in der Nähe war, bevor sie sich aus dem Haus geschlichen hatte, und sie hatte niemandem gesagt, wohin sie gehen wollte, nicht einmal Deirdre.

Hatte Dillon gelogen, was das Golfspiel anging? Hatte er sich irgendwo versteckt und auf sie gewartet und war ihr dann gefolgt? Konnte er denn so verschlagen sein?

Dumme Frage. Natürlich konnte er. Was hatte sie nur getan, um das zu verdienen?

Jetzt blieben ihr eigentlich nur zwei Wege offen. Sie konnte so tun, als würde es ihr nichts ausmachen, oder sie konnte ihm offen sagen, dass er sie gefälligst in Ruhe lassen sollte. Aber sie kannte Dillon. Wenn sie eingestand, dass er ihr auf die Nerven ging, würde das seine Entschlossenheit nur verdoppeln. Der beste Weg, um ihn vielleicht doch noch loszuwerden – im Grunde der einzige Weg –, war, ihm vorzumachen, dass es ihr völlig egal war, ob er blieb oder ging. Am Ende würde er anfangen, sich zu langweilen, und sich ein anderes Opfer suchen, das er quälen konnte. Hoffte sie jedenfalls.

Aber den Rest des Nachmittags würde sie ihn wohl auf dem Hals haben, wenn nicht länger.

Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. Er ging neben ihr, die Hände in den Hosentaschen, lässig wie immer, und einen Moment lang blieb Ivy die Luft weg. Er trug Jeans, glänzend polierte Cowboystiefel und ein weißes T-Shirt, das seine sonnengebräunten Schultern und die muskulösen Oberarme betonte. Sein Haar war immer noch leicht zerzaust, wie vor ein paar Stunden am Pool, ganz so, als wäre er beim Aufstehen nur kurz mit der Hand durchgefahren. Vor zehn Jahren war das jedenfalls schon eine Angewohnheit von ihm gewesen. Aber wenn man ihn ansah, richtig ansah, wurde einem klar, dass sehr viel mehr an ihm war als nur ein attraktives Gesicht.

„Und du bist jetzt also eine berühmte Schriftstellerin geworden“, sagte er.

„Wenn du es sagst.“ Sie blieb gelassen und fast gleichgültig. Sie wollte nichts Falsches sagen, das Dillon Munition für einen neuen Angriff liefern könnte.

„Und wie ich höre, planst du eine Fortsetzung deines kleinen Büchleins.“

„Ach ja?“ Er konnte so herablassend sein wie er wollte, aber dieses „kleine Büchlein“ hatte immerhin mehr Geld eingebracht, als sie und ihre Mitautorin sich je hätten träumen lassen.

Autor

Michelle Celmer

Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...

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