Baccara Exklusiv Band 209

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  • Erscheinungstag 23.07.2021
  • Bandnummer 209
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501804
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maureen Child, Ann Major, Yvonne Lindsay

BACCARA EXKLUSIV BAND 209

1. KAPITEL

Amanda Altman ist wieder da.

Die ganze Stadt sprach über nichts anderes, und Sheriff Nathan Battle war schrecklich genervt. Nichts hasste er mehr, als Gegenstand von Klatsch und Tratsch zu sein. Das hatte er bereits einige Jahre zuvor durchgemacht. Dadurch, dass er nach Houston gegangen war, hatte er das Schlimmste vermieden. Dort hatte er die Polizeiakademie besucht und ein paar Jahre gearbeitet.

Aber dann war er wieder in seine Heimatstadt Royal zurückgekehrt, hatte sich ein Heim eingerichtet und war fest entschlossen zu bleiben. Schließlich gehörte er nicht zu den Leuten, die Problemen aus dem Weg gingen. Irgendwann würden die Bewohner von Royal sich schon wieder beruhigen und ein anderes Opfer finden.

So war das in der kleinen texanischen Stadt nun einmal. Es passierte einfach zu wenig, und deshalb wärmte man gern die alten Klatschgeschichten wieder auf.

Selbst hier, in den heiligen Hallen des Texas Cattleman’s Club, konnte Nathan dem Gerede nicht entkommen – oder den genüsslichen Spekulationen. Leider hatte sein bester Freund besonders viel Vergnügen daran.

„Na, Nathan“, fing Chance grinsend an, „hast du Amanda eigentlich schon gesehen?“

Nathan blickte den Mann, der ihm gegenübersaß, düster an. Chance McDaniel hatte den ererbten Besitz zu einer Ferienranch mit Hotel ausgebaut, und Nathan musste zugeben, dass ihm mit McDaniel’s Acres etwas ganz Besonderes gelungen war. „Nein“, stieß er grimmig hervor.

„Du kannst ihr nicht ewig aus dem Weg gehen“, sagte Chance fröhlich und trank einen Schluck von seinem Scotch. Seine grünen Augen funkelten vergnügt. Offenbar machte es ihm großen Spaß, den Freund aufzuziehen.

„Warum nicht? Hat doch bisher ganz gut geklappt.“ Auch Nathan nahm einen Schluck.

„Aber sicher!“ Chance war kurz davor, laut loszuprusten. „In den letzten Wochen warst du deshalb ja auch die Ruhe selbst!“

„Sehr witzig!“

„Allerdings.“ Jetzt konnte Chance sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Als er sich wieder beruhigt hatte, fragte er: „Wo holst du dir eigentlich jetzt deinen Kaffee? Ich meine, wo du den Royal Diner nicht mehr betreten kannst?“

„Bei der Tankstelle.“

„Was? Dir muss es ja wirklich dreckig gehen, wenn du Charlies Brühe trinkst. Vielleicht ist es an der Zeit, dass du lernst, dir selbst Kaffee zu kochen.“

„Und vielleicht ist es an der Zeit, dass du endlich die Klappe hältst!“, fuhr Nathan den Freund gereizt an. Warum war Amanda auch nach Royal zurückgekommen? Sie hatte sein ganzes Leben durcheinandergebracht. Normalerweise begann er den Tag mit einem guten Frühstück im Royal Diner, wobei Amandas Schwester Pam immer schon den frisch gebrühten Kaffee für ihn bereithielt. Aber seit Amanda wieder zurück war, musste er sich mit Charlies schlechtem Kaffee und irgendwelchen abgepackten süßen Teilchen zufriedengeben.

„Nun sei doch mal ehrlich, Nate“, fuhr Chance ruhig fort. „Auf die Dauer kannst du Amanda nicht aus dem Weg gehen. Sie soll entschlossen sein hierzubleiben. Margie Santos hat gesagt, dass sie sich sogar nach einem eigenen Haus umsieht.“

Das war auch Nathan schon zu Ohren gekommen. Wie auch nicht, wenn jeder im Umkreis von zehn Meilen scharf darauf war, ihn auf Amanda Altman anzusprechen. Margie war nicht nur die schlimmste Klatschtante, sondern auch die erfolgreichste Maklerin der Stadt. Also stimmte wohl, was Chance sagte. Amanda hatte die Absicht, in Royal zu bleiben.

Und das bedeutete, dass er sich damit abfinden musste und sie nicht länger ignorieren konnte. Zu ärgerlich, wo er doch gerade über sie hinweggekommen war, es zumindest geschafft hatte, nur noch selten an sie zu denken. Vor Jahren war das noch ganz anders gewesen. Während ihrer leidenschaftlichen Affäre war sie ihm Tag und Nacht im Kopf herumgegangen. Verständlich, wenn man bedachte, dass sie damals sogar verlobt gewesen waren.

Die Zeiten ändern sich eben. Er starrte in sein Glas. „Lass uns über was anderes sprechen.“

„Okay.“ Während Chance ihm erzählte, was in der letzten Zeit auf der Ranch passiert war, ließ Nathan den Blick durch den großen Raum wandern. Immer wenn er hier im Texas Cattleman’s Club war, dem TCC, wie der Club allgemein genannt wurde, hatte er den Eindruck, die Zeit sei stehen geblieben. Obwohl seit Kurzem auch Frauen Zutritt hatten, hatte sich nicht viel geändert.

Die Tradition war überall spürbar – in den mit Holz getäfelten Wänden, den schweren Ledersesseln und den Bildern, die allesamt Jagdszenen darstellten. Lediglich der große TV-Flachbildschirm war in den letzten Jahren hinzugekommen. Auch jetzt lief das Sportprogramm, wenn auch ohne Ton, denn Sport war den Texanern sehr wichtig.

Es herrschte eine wohltuende Stille, die nur vom Rascheln der Zeitungen und dem Klingen der Gläser unterbrochen wurde. Kurz war ein helles Frauenlachen zu hören, und Nathan grinste unwillkürlich, als er sah, wie Beau Hacket zusammenzuckte. Beau war fast sechzig, schob einen Bauch vor sich her und konnte sich nicht damit abfinden, dass neuerdings auch Frauen als Mitglieder aufgenommen wurden. Für ihn gehörten Frauen in die Küche und hatten in dem ehrwürdigen Herrenclub nichts zu suchen. Empört sah er sich um, als wollte er sagen: Habt ihr das gehört? Das geht doch nicht!

Keiner sagte ein Wort, aber Nathan konnte an vielen verklemmten Mienen ablesen, dass besonders die alte Garde mit dieser Neuregelung nicht einverstanden war.

„Hört sich an, als hätte Abigail viel zu lachen“, meinte Chance leise.

Nathan grinste. „Abigail hat immer viel zu lachen.“

Abigail Langley Price war mit Brad Price verheiratet und das erste weibliche Mitglied des Clubs. Diese Mitgliedschaft hatte sie gegen starken Widerstand, wenn auch mit Nathans Unterstützung, durchgesetzt, und Nathan bewunderte sie dafür noch immer.

„Findest du es merkwürdig, dass wir jetzt schon so viele weibliche Mitglieder haben?“ Fragend sah Chance den Freund an.

„Nein.“ Nathan leerte das Glas und stellte es auf den blank polierten Holztisch. „Im Gegenteil. Ich halte das für total normal.“

„Ich eigentlich auch. Aber Männer wie Beau sind nicht gerade glücklich darüber.“

„Männer wie Beau haben immer was zu meckern. Aber er wird sich schon daran gewöhnen.“ Und ironisch lächelnd fügte Nathan hinzu: „Die Zeiten ändern sich eben.“

„Das kann man wohl sagen. Wenn ich daran denke, worüber wir heute Abend abstimmen müssen.“ Besorgt schüttelte Chance den Kopf.

„Du meinst die Kinderbetreuung?“ Darüber wurde schon seit Tagen geredet. Seit Abigail und andere Frauen Mitglieder des TCC waren, brachten auch sie ihre Vorstellungen und Wünsche ein.

„Ja. Das wird den konservativen Mitgliedern gar nicht gefallen.“

„Fürchte ich auch“, stimmte Nathan ihm zu. „Obwohl so eine Einrichtung für Kinder sinnvoll ist, während die Eltern im Club sind. Wir hätten schon längst daran denken sollen.“

„Vollkommen richtig. Da wird Beau nur leider anderer Meinung sein“, gab Chance zu bedenken.

„Beau ist immer anderer Meinung.“ Nathan lachte leise. Als Sheriff hatte er häufig mit Beau zu tun, der sich über alles und jeden beschwerte.

„Stimmt.“ In diesem Augenblick schlug die Uhr über dem gewaltigen Kamin, und Chance stand seufzend auf. „Es wird Zeit. Die Versammlung fängt gleich an.“

„Ja, leider.“ Auch Nathan erhob sich. „Ich fürchte, es wird hoch hergehen.“

Und so war es auch. Nach einer Stunde hitziger Diskussionen hatten die Gemüter sich immer noch nicht beruhigt. Beau Hacket hatte sogar Unterstützung für seine steinzeitliche Einstellung gefunden. Sam Gordon, dem zusammen mit seinem Zwillingsbruder Josh das Bauunternehmen Gordon Construction gehörte, wehrte sich genauso hartnäckig wie Beau gegen die geplanten Neuerungen.

„Kommt mir das nur so vor“, flüsterte Nathan seinem Freund Alex Santiago zu, „oder denkt Sam Gordon immer mehr wie Beau Hacket?“

„Nein“, gab Alex leise zurück. „Das Gefühl haben andere auch. Selbst sein Bruder scheint überrascht zu sein, wie sehr sich Sam in die Sache verbissen hat.“

Obgleich Alex noch nicht lange in Royal lebte, hatte er sich bereits gut integriert und eine Menge Freunde gewonnen. Als Finanzberater und erfolgreicher Investor hatte er viel Geld verdient, und manchmal fragte sich Nathan, warum sich jemand wie Alex ausgerechnet in einer kleinen Stadt wie Royal niedergelassen hatte. Aber wahrscheinlich wunderten die Einwohner sich auch, warum Nathan Battle in die Stadt zurückgekommen war, um hier Sheriff zu werden. Obgleich er es gar nicht nötig hatte zu arbeiten, da ihm die Hälfte der Battlelands Ranch gehörte.

Mit einem schnellen Blick vergewisserte sich Nathan, dass die Anzahl der Anwesenden ausreichte, um zu einer gültigen Abstimmung zu kommen. Der frühere Rodeostar Ryan Grant war das erste Mal dabei und schien nicht so ganz ernst zu nehmen, was hier ablief. Dave Firestone, dessen Land an die Battlelands Ranch grenzte, hatte sich weit zurückgelehnt und betrachtete das Ganze wie ein Tennismatch. Beau war purpurrot vor Erregung und schrie jeden nieder, der nicht seiner Meinung war. Chance saß neben Shannon Morrison, die aussah, als würde sie jeden Augenblick aufspringen und Beau Hacket überdeutlich die Meinung sagen. Offensichtlich war sie entsetzt über seine altmodischen Ansichten.

Gil Addison, der Präsident des TCC, war am Ende seiner Geduld. Er stand am Kopfende des langen Tisches, seine schwarzen Augen funkelten vor Zorn, und er schlug mit dem kleinen Holzhammer so lange auf den Tisch, bis endlich Ruhe einkehrte. „Schluss mit der Diskussion. Wir sollten jetzt abstimmen. Alle, die für eine Kinderbetreuung und damit für den Anbau an das Billardzimmer sind, heben die Hand.“

Viele Hände reckten sich in die Höhe.

„Und alle, die dagegen sind, heben jetzt die Hand.“ Nur wenige Hände zeigten sich. Gil schlug wieder auf den Tisch. „Okay, dem Antrag wird stattgegeben“, sagte er lächelnd. „Der Anbau ist genehmigt.“

Beau und ein paar andere Mitglieder saßen kurz da wie versteinert. Erst wurden Frauen in den ehrwürdigen Männerclub aufgenommen, und nun auch noch das! Doch sie konnten nichts dagegen tun. Dann erhoben sie sich alle gleichzeitig und stürzten aus dem Raum.

Mitfühlend lächelnd sah Nathan ihnen hinterher. Er konnte sich vorstellen, wie ihnen zumute war, aber es hatte keinen Sinn, eisern an der Vergangenheit festzuhalten. Die Welt drehte sich schnell, und entweder man drehte sich mit ihr, oder man wurde überrollt. Sosehr auch er an manchen Traditionen hing, wusste er doch, dass man mit der Zeit gehen musste. Ob er wollte oder nicht, die Dinge änderten sich, und man musste flexibel sein. Vielleicht auch in seiner Haltung Amanda gegenüber?

„Sieg auf der ganzen Linie“, verkündete Abigail Price stolz und sah ihre Freundinnen strahlend an. „Und unsere Julia wird die Erste sein, die von dem neuen Betreuungszentrum profitiert. Wenn es denn erst einmal gebaut ist.“

„Das stimmt, Liebste.“ Brad Price legte seiner Frau den Arm um die Schultern. „Tut mir leid für Beau und die anderen, aber sie werden schon darüber hinwegkommen.“

„So wie du“, sagte Abigail leise und lächelte ihn an.

Recht hat sie, dachte Nathan. Vor gar nicht langer Zeit waren Abigail und Brad wütend aufeinander losgegangen, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergab. Auch Brad war strikt dagegen gewesen, dass Frauen in den TCC aufgenommen wurden. Und nun? Sie waren verliebt wie die Turteltauben, verheiratet und hatten eine entzückende kleine Tochter.

Während sich alle gegenseitig beglückwünschten, sagte Alex plötzlich: „Lasst uns doch rüber zum Diner gehen und den Sieg mit Kaffee und Kuchen feiern.“

„Gute Idee“, stimmte Chance zu und warf schnell einen Blick auf Nathan.

Freunde! Manchmal können sie wirklich eine Pest sein, dachte Nathan. Seit er in Royal war, bemühten sich Chance und Alex, ihn mit Amanda zusammenzubringen. Aber er ließ sich nicht drängen. Irgendwann würde er sich mit ihr treffen, aber wenn, dann dort, wo er wollte, und keinesfalls jetzt in aller Öffentlichkeit. „Ohne mich“, sagte er und stand auf, ohne die anderen anzusehen. „Ich muss wieder ins Büro. Habe noch einiges aufzuarbeiten.“

„Du willst ihr doch nur aus dem Weg gehen“, brummte Alex.

„Ach was!“, brauste Nathan auf. „Als ob das in einer Stadt wie Royal möglich ist.“

„Eben. Darüber solltest du vielleicht mal nachdenken“, mischte sich Chance ein.

Idioten! Wütend verließ Nathan den Raum.

Amanda hatte so viel um die Ohren, dass sie kaum Zeit hatte, sich um Nathan Gedanken zu machen. Kaum, aber eben doch ein bisschen.

Denn obwohl ihre Tage ausgefüllt waren, da sie das Familienrestaurant mit ihrer Schwester Pam zusammen führte, nach einem neuen Haus suchte und Probleme mit ihrem Auto hatte, musste sie leider immer wieder an Nathan Battle denken. „Das war klar“, sagte sie leise vor sich hin. Sowie sie nach Royal zurückgekehrt war, waren auch die Erinnerungen an Nathan wieder da. Darüber sollte sie sich nicht wundern.

Fast ihr ganzes Leben hatte sie ihn gekannt. Seit sie dreizehn war, hatte sie heftig für ihn geschwärmt. Sehr gut erinnerte sie sich noch an dieses erregende Gefühl, als er sie, die kleine Sechzehnjährige, zum Schulball einlud. „Und wenn es dabei geblieben wäre“, murmelte sie, „dann hätte ich nur wunderschöne Erinnerungen.“ Sie füllte Wasser in die Kaffeemaschine, maß das Kaffeepulver ab und drückte auf den Startknopf.

Gedankenverloren sah sie sich in dem großen Raum um. Auch wenn sie in den letzten Wochen ein paar Änderungen vorgenommen hatte, war eigentlich alles noch wie früher. Dies war ihr Zuhause. Hier war sie aufgewachsen, hatte zuerst als Aushilfe in der Küche und dann als Kellnerin für die Eltern gearbeitet. Der Royal Diner war so etwas wie eine Institution in Royal und sollte in dem Sinn weitergeführt werden. Deshalb war sie nach dem Tod des Vaters in die Stadt zurückgekehrt und hatte zusammen mit ihrer Schwester Pam das Lokal übernommen.

Genau. Nicht wegen Nathan Battle war sie zurückgekommen, sondern um den Diner der Familie zu erhalten. Obwohl sie jedes Mal erschauerte, wenn sie nur an ihre frühere große Liebe dachte. Aber das war vorbei. Sie hatte sich geändert, und Nathan Battle war nicht Teil ihrer Lebensplanung.

„Meine angebetete Amanda, wann heiratest du mich endlich und ziehst mit mir nach Jamaica?“

Eine vertraute Stimme riss Amanda aus den Gedanken, und sie drehte sich lächelnd um. „Hallo, Hank.“

Hank Bristow war achtzig, lang und dünn und hatte eine von der Sonne gegerbte Haut. Seit seine Söhne die Ranch übernommen hatten, war er oft im Royal Diner anzutreffen, wo es immer jemanden gab, mit dem er sprechen konnte. Er zwinkerte Amanda zu und hielt ihr seinen Kaffeebecher hin.

„Sei ehrlich, Hank, du liebst mich doch nur wegen meines Kaffees.“ Amanda schenkte ihm ein.

„Na und? Eine Frau, die guten Kaffee kochen kann, ist nicht mit Gold aufzuwiegen.“ Er schmunzelte vergnügt.

„So, so.“ Amanda nickte ihm zu und versorgte dann auch die anderen Gäste mit frischem Kaffee. Fast alle waren ihr vertraut. Wie überhaupt das Leben in Royal. Sie hatte sich hier so problemlos wieder eingefügt, als sei sie nie weg gewesen.

„Warum hast du denn neue Speisekarten bestellt?“

Vielleicht nicht ganz so problemlos … Amanda wandte sich zu ihrer Schwester um. Offenbar hatte Pam wieder etwas an ihrer jüngeren Schwester auszusetzen. Leider hatten die beiden sich schon als Kinder nicht besonders gut verstanden. Und das war nicht besser geworden. Dabei war Amanda im Wesentlichen deshalb nach Royal zurückgekommen, weil Pam sie brauchte. Aber das musste nicht unbedingt bedeuten, dass sie über Amandas Hilfe froh war.

Amanda stellte die Kaffeekanne wieder auf die Wärmeplatte. „Weil die alten ersetzt werden mussten. Sie waren kaputt, und die Hälfte der Gerichte bieten wir gar nicht mehr an.“

Streng sah Pam sie an und stemmte die Hände in die Hüften. „Na und? Unsere alten Kunden wissen das. Sie brauchen keine eleganten neuen Speisekarten.“

Geduld, Amanda, Geduld … „Sie sind nicht elegant. Sie sind nur nicht mehr schäbig.“

„Pah …“

„Nun hör mir mal gut zu, Pam.“ Amanda zwang sich zur Ruhe. „Wir sind beide für das Lokal verantwortlich. Du hast gesagt, du brauchst Hilfe, und ich bin gekommen. Die Schwestern Altman führen den Diner gemeinsam.“

Sekundenlang starrte Pam beleidigt vor sich hin, dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe dich aber nicht gebeten, den Laden hier zu übernehmen.“

„Das ist auch nicht der Fall. Ich will nur helfen.“

„Indem du alles änderst? Erst die Einrichtung und jetzt auch noch die Speisekarten?“ Pam senkte die Stimme, da einige Gäste neugierig in ihre Richtung sahen. „Hast du vergessen, wie wichtig Tradition für einen Ort wie Royal ist? Wahrscheinlich hast du zu lange in der Großstadt gelebt.“

Sofort meldete sich Amandas schlechtes Gewissen. In den letzten Jahren war sie kaum hier gewesen, das stimmte und tat ihr auch sehr leid. Denn nach dem Tod ihrer Mutter hätte sie den Vater und Pam unterstützen sollen. Stattdessen hatte sie sich kaum gekümmert. Und nun war es zu spät. Der Vater war tot, und sie würde sich ihr Leben lang Vorwürfe machen, dass sie nicht mehr Zeit mit ihm verbracht hatte.

Dennoch, das Leben ging weiter. Und sosehr sie auch an gewissen Traditionen hing, man musste mit der Zeit gehen. „Auch Dad hat eine Menge hier in dem Diner verändert, nachdem er ihn von seinem Vater übernommen hatte. Und die alten Möbel mussten ersetzt werden, sie waren verschlissen und ausgeblichen. Das ist dir doch bestimmt auch aufgefallen.“

„Darum geht es gar nicht!“

„Worum denn dann?“ Amanda seufzte leise. „Du hast mich gebeten, zu kommen und dir zu helfen. Oder nicht?“

„Das schon. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass du alles an dich reißt.“

Hm, da war was dran. Vielleicht hatte sie zu übereilt gehandelt. Vielleicht hätte sie nicht allein entscheiden, sondern die Schwester in die Überlegungen mit einbeziehen sollen. „Stimmt, Pam, das war nicht richtig.“ Überrascht sah die große Schwester sie an. Offenbar hatte sie ein solches Zugeständnis nicht erwartet. „Ich hätte mit dir über die neuen Speisekarten reden sollen. Und auch über die neue Ausstattung. Ich weiß, das war falsch. Ich … ich hatte nur vorher selbst nicht gewusst, wie sehr ich an dem Diner hänge, an unserem Zuhause. Und als ich dann wieder hier war, habe ich mich sofort in die Arbeit gestürzt.“

„Du hängst an dem Lokal? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“

Amanda lachte. „Ich mir eigentlich auch nicht. Wir beide haben hier doch oft ziemlich schuften müssen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich eines Tages danach zurücksehnen würde.“

Kopfschüttelnd lehnte sich Pam gegen den Tresen und warf dann Hank einen scharfen Blick zu. Der alte Mann hatte alles mit angehört und wandte sich verlegen ab. „Es ist gut, dass du da bist“, gab Pam schließlich leise seufzend zu. „Und wenn wir uns die Arbeit teilen, sollte auch noch genug Zeit für Privatleben sein.“

„Ja, davon bin ich überzeugt.“ Amanda lächelte erleichtert. Vielleicht konnten sie und Pam doch noch zueinanderfinden.

„Aber wir beide führen den Diner, nicht du allein“, sagte Pam nachdrücklich. „Es geht nicht, dass du die Entscheidungen fällst und ich hinterher vor vollendeten Tatsachen stehe.“

„Nein, du hast vollkommen recht. Das wird nicht wieder vorkommen.“

„Gut.“ Zufrieden nickte Pam. „Dann lasse ich dich nachher allein. Es gibt neuerdings einige Bauern, die Biogemüse anbauen. Die will ich mir mal ansehen, denn wir sollten …“

Während Pam ihr begeistert von den neuen Anbaumethoden erzählte, hörte Amanda ihr lächelnd zu und ließ dabei den Blick über die Gäste schweifen, die regelmäßig im Royal Diner frühstückten. Dann blickte sie aus dem Fenster. Auch was sie da sah, war ihr vertraut. Die Mainstreet. Bürgersteige voll Menschen, die nach einem frühen Schnäppchen Ausschau hielten. Autos parkten am Straßenrand. Der Sheriff trat aus seinem Büro und ging in Richtung des Diners.

Der Sheriff … Nathan kam auf sie zu …

Amandas Herz schlug plötzlich wie verrückt. Der Mund wurde ihr trocken, und sie starrte den Mann an, den sie einfach nicht vergessen konnte.

Höchste Zeit, endlich Amanda aufzusuchen. Nathan verließ das Büro und trat auf die Hauptstraße. Sein Hilfssheriff Red Hawkins würde ihn für ein paar Stunden vertreten. Nathan blieb kurz stehen und sah hoch. Der Morgen war klar, wahrscheinlich würde es wieder ein heißer Tag werden. Schon jetzt stand die Sonne gleißend am Himmel. Das war Texas, wie er es liebte.

Während er den Bürgersteig entlang in Richtung Diner ging, nickte er immer wieder den Leuten zu, die ihm entgegenkamen. Kurz blieb er stehen, um Macy Harris die Haustür aufzuhalten. Sie hatte ihr Zweijähriges an der Hand und den Kleinsten auf dem Arm. „Danke, Sheriff.“

Er lächelte. Dies war seine Welt. Hier gehörte er hin. Offenbar hatte er erst ein paar Jahre in der Großstadt als Polizist arbeiten müssen, um das Leben in Royal würdigen zu können. Und er würde hier bleiben, das war ihm absolut klar. Dies war sein Zuhause, und das konnte ihm auch jemand wie Amanda Altman nicht vermiesen.

Entschlossen überquerte er die Straße und näherte sich dem Royal Diner. Dieses Lokal gab es schon seit ewigen Zeiten. Bereits als Kind war er mit seiner Familie hier gewesen. Und später als Teenager hing er oft mit seinen Freunden dort herum, weil in der kleinen verschlafenen Stadt, wie er damals fand, einfach nichts los war. Der Diner war so etwas wie der Mittelpunkt des Städtchens, er war eigentlich zu jeder Tageszeit gut besucht. Und so würde Nathans erste Begegnung mit Amanda nach langer Zeit viele Zuschauer haben.

„Sei’s drum“, murmelte er vor sich hin. Irgendwann musste es sein, und es wurde Zeit, es endlich hinter sich zu bringen. Er zog die Tür auf, trat ein und blieb erstaunt stehen. Vieles war so wie immer, und doch hatte sich einiges verändert.

Die Wände waren frisch gestrichen. Der Tresen war immer noch rot, allerdings restauriert und leuchtete in einem dunklen Burgunderton. Auch ein Großteil der Möbel war ersetzt worden, und der Fußboden aus schwarz-weißen Fliesen glänzte wie frisch poliert.

Das alles nahm Nathan zwar wahr, aber eher unbewusst. Er machte einen Schritt vorwärts und blieb dann wieder stehen. Denn hinter dem Tresen war die Frau, wegen deren er gekommen war. Amanda Altman. Mann, sieht sie gut aus …

Sie blickte ihn an, und es überlief ihn siedend heiß. Damit hatte er nicht gerechnet. Er war so sicher gewesen, dass er über sie hinweg war und mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte.

Was für ein Irrtum …

„Hallo, Nathan.“

„Amanda.“

Augenblicklich war es totenstill im Raum. Offenbar hielten alle den Atem an, um kein Wort zu verpassen. Aber das war Nathan egal. Er sah nur Amanda.

Sie ging zum Ende des Tresens und setzte sich hinter die Kasse. Fühlte sie sich da sicherer? Irgendwie erleichterte es ihn, dass sie sich bei dieser Begegnung in aller Öffentlichkeit genauso unbehaglich fühlte wie er. Es entspannte ihn und machte ihm Mut. Schließlich war sie diejenige, die neu in der Stadt war. Sicher, sie war hier aufgewachsen, aber erst ein paar Wochen zuvor nach Royal zurückgekehrt, während er schon seit drei Jahren in der Stadt lebte und längst Fuß gefasst hatte.

Er war also in einer sehr viel besseren Position. Entschlossen folgte er ihr. Als er vor ihr stand, warf sie kämpferisch den Kopf zurück. Wie gut kannte er diese Geste.

„Morgen, Nathan“, flötete Pam, die aus der Küche kam. „Du bist ja lange nicht hier gewesen.“

„Hatte viel zu tun.“

„Das Übliche?“

„Ja, danke, Pam.“ Dabei ließ er Amanda nicht aus den Augen. Sie sah so aus wie immer und doch irgendwie anders. Vielleicht weil sie ihn nicht bewundernd anhimmelte, so wie früher? Und wenn schon, sagte er sich. Warum sollte sie? Ihre Affäre war längst vorbei, auch wenn er spürte, dass Amandas Anblick ihn noch immer erregte. Er lächelte freundlich. „Und? Wirst du länger hierbleiben? Oder besuchst du nur deine Schwester?“ Immer noch war es mucksmäuschenstill im Raum.

Pam kam auf ihn zu und reichte ihm einen mit einem Deckel verschlossenen Pappbecher Kaffee. Er griff in die Hosentasche, holte Kleingeld und ein paar Scheine heraus, blickte Amanda dabei aber unentwegt an.

„Geht auf Kosten des Hauses“, sagte sie schnell.

„Nicht nötig.“ Er legte das Geld auf den Tresen. „Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Bleibst du, oder bist du nur auf der Durchreise?“

„Ich bleibe hier, Nathan“, sagte sie leise. „Ich hoffe, das stört dich nicht.“

Er lachte übertrieben laut, wie er selbst fand, nahm den Deckel ab und trank einen Schluck. „Warum sollte mich das stören?“ Er hatte seine Stimme erhoben, sodass alle ihn hören konnten. „Wir sind doch schon ewig nicht mehr zusammen.“

Alle spitzten die Ohren.

„Stimmt. Schließlich sind wir keine Kinder mehr.“ Auch Amanda sprach jetzt lauter. Was er kann, kann ich schon lange … „Weshalb sollten wir nicht freundschaftlich miteinander umgehen können?“

Freundschaftlich? Nur mit Mühe konnte er seine körperliche Erregung verbergen, und sie meinte, sie könnten Freunde sein? Nie und nimmer. Doch das würde er ihr gegenüber nicht zugeben. „Selbstverständlich.“

„Gut. Ich bin froh, dass wir uns einig sind.“

„Ich auch. Wiedersehen.“ Nathan drehte sich um und ging zur Tür.

„Bringst du mich zum Auto?“

Das war Pam. Nathan drehte sich um, aber er hatte nur Augen für Amanda. Wieder überlief es ihn heiß. Vielleicht gehörte wirklich alles, was sie mal miteinander gehabt hatten, der Vergangenheit an. Und doch war da noch immer etwas, das ihn an dieser Frau fesselte und nicht zur Ruhe kommen ließ.

„Komm, Nathan.“ Energisch hakte Pam sich bei ihm unter, und gemeinsam verließen sie das Lokal.

2. KAPITEL

„Nicht schlecht für den Anfang.“ Amanda war damit zufrieden, wie die erste Begegnung mit Nathan verlaufen war. Seufzend warf sie ihren Schlüssel auf das Tischchen in dem winzigen Vorflur des kleinen Apartments. Es lag direkt über dem Diner und war vorläufig ihr Zuhause.

Den ganzen Tag hatte sie über die Begegnung mit Nathan nachdenken müssen. Bestimmt hatte er mit Absicht diese frühen Vormittagsstunden gewählt, in denen das Lokal voll war. Bei so vielen Mithörern hatten sie gar keine Gelegenheit, offen miteinander zu sprechen. Das war ohne Frage in seinem Sinn gewesen.

Offenbar hatte er sich überhaupt nicht verändert – immer noch stur wie ein Maulesel. Wieder hatte er diesen harten, unbeweglichen Gesichtsausdruck gehabt, den sie so gut an ihm kannte. Und noch bevor er den Mund aufgemacht hatte, war ihr klar gewesen, dass es kein klärendes Gespräch geben würde.

Leicht frustriert ließ sie sich auf die durchgesessenen Polster des großblumigen Sofas fallen, das bestimmt älter war als sie, und legte die Füße auf den kleinen Couchtisch. Die Margeriten und Glockenblumen in dem Tonkrug verströmten einen zarten Duft. Amanda wischte sich über die Stirn. Es war heiß in diesem Raum. Zwar gab es eine Klimaanlage, aber die war sicher dreißig Jahre alt und schaltete sich ohne erkennbaren Grund immer wieder ab.

Amanda lehnte den Kopf zurück und blickte auf den Deckenventilator, der sich langsam drehte. In diesem Apartment hatten ihre Eltern gewohnt, als sie jung verheiratet waren und gerade den Diner nach dessen Umbau eröffnet hatten. Nachdem sie in ihr eigenes Haus gezogen waren, hatten sie das Apartment möbliert vermietet. Pam hatte hier mal ein paar Jahre verbracht und auch Amanda, während sie im College war und nicht mehr zu Hause wohnen wollte. Aus dieser Zeit stammten die intensivsten Erinnerungen an Nathan, denn hier hatten sie sich oft getroffen. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, und schon hörte sie seine leise dunkle Stimme, der sie nie hatte widerstehen können …

Schluss jetzt! Sie riss die Augen auf und konzentrierte sich auf das, was er am Morgen gesagt hatte. Das heißt, eher auf das, was er nicht gesagt hatte. Er hatte gar nichts mit ihr abklären, sondern ihr nur zu verstehen geben wollen, dass er keine Probleme damit hatte, sie wiederzusehen. So wie früher machte er seinen Standpunkt klar und überließ es ihr, ihn zu akzeptieren oder nicht.

Du wirst dich noch wundern. So ließ sie sich nicht mehr behandeln. Wenn sie daran dachte, wie sie ihm früher immer nachgegeben und sich ihm untergeordnet hatte, wurde sie immer noch schamrot. Aber sie war zu jung gewesen und zu verliebt, als dass sie sich gegen Nathan hätte behaupten können. Sie hatte immer getan, was er wollte – bis zu ihrem letzten gemeinsamen Abend. Er bestimmte, in welchen Film sie gingen. Immer suchte er Actionfilme aus, die sie hasste, aber sie hatte ihm nie widersprochen. Auch nicht, wenn er sie zu Autorennen mitnahm oder zum Angeln, was sie zu Tode langweilte.

Nein, sie war immer brav mitgegangen, und wenn sie heute daran dachte, konnte sie kaum fassen, wie abhängig sie von Nathan gewesen war. Wie sehr sie sich stets nach ihm gerichtet hatte. Und als ihre Beziehung dann zerbrach, hing sie vollkommen in der Luft und wusste nicht, wie ihr Leben weitergehen sollte.

Es hatte ziemlich lange gedauert, bis sie wieder auf die Füße gekommen war, bis sie sich selbst gefunden hatte und wusste, was sie wollte. Doch die alte Amanda gab es nicht mehr.

„Ich bin erwachsen geworden, Nathan“, sagte sie leise vor sich hin. „Mein Leben gehört mir. Ich brauche dich nicht mehr.“ Sie lächelte ironisch. Hörte sich gut an. Wenn es nur auch so wäre.

Sicher, sie brauchte Nathan nicht mehr in dem Sinn wie früher. Damals hatte sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen können. Aber immer noch waren die Erinnerungen an ihn viel zu lebendig. Wenn es gut zwischen ihnen gelaufen war, war sie die glücklichste Frau der Welt gewesen. Und wenn nicht …

Sie sprang auf. Genau, sie musste sich an die schlechten Zeiten erinnern, an das, was ihr nicht gefiel. Zum Beispiel an Nathans diktatorische Art und die Angewohnheit, jede Entscheidung an sich zu reißen. An den Mann, der sie unbedingt hatte heiraten wollen, als sie schwanger geworden war, sie aber in dem Augenblick verließ, als sie das Kind verlor. An den Schmerz darüber, dass sie sich ganz fürchterlich in dem Mann getäuscht hatte, den sie über alles liebte.

Als ob das so einfach wäre.

Sie ging in die winzige Einbauküche, öffnete den Kühlschrank und suchte nach irgendwelchen Resten. Da sie den ganzen Tag mit Essen zu tun hatte, hatte sie abends oft keine Lust, für sich zu kochen. Viel war nicht da, ein Behälter mit irgendeinem Chiligericht und ein Teller mit gefüllten Backkartoffeln, die sie am Abend zuvor aus dem Diner mitgenommen hatte.

Besser als gar nichts. Sie griff nach dem Teller mit den Kartoffeln und nahm eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank. Die Kartoffeln schob sie in den Backofen und goss sich ein Glas Wein ein. Dann duschte sie kurz, zog sich Shorts und Tanktop an und ließ sich auf das Sofa fallen. Während sie auf die Kartoffeln wartete, genoss sie den kühlen herben Wein. Das tat gut. Entspannt lehnte sie sich zurück. Selbst der Gedanke an Nathan störte sie nicht mehr so sehr. Im Gegenteil. Obwohl sie wütend auf ihn war, spürte sie doch so etwas wie … wie … Sie wusste es selbst nicht, spürte nur, wie ihr Herz schneller klopfte, wenn sie an ihn dachte.

Dabei hatte sie in den Jahren nach ihrer Trennung nicht gerade wie eine Nonne gelebt. Sie hatte durchaus nette Männer kennengelernt. Aber immer wenn sie an die Zukunft dachte, stand ihr die Vergangenheit zu lebendig vor Augen. Bei jedem Mann, mit dem sie zusammen war, wartete sie auf dieses ganz bestimmte und unglaublich erregende, ja berauschende Gefühl, das sie bei Nathan empfunden hatte. Aber es hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nie eingestellt. Doch mit weniger konnte und wollte Amanda sich nicht zufriedengeben, und so hatte sie alle Bindungen nach kurzer Zeit wieder gelöst.

Ohne Nathan zu sehen, hatte sie gewusst, dass er es war, der das Lokal betrat. Auch nach der langen Trennung konnte sie seine Gegenwart immer noch spüren. Und als sie ihm in die Augen sah, durchfuhr es sie wie ein Blitz, und sie konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten. Bei keinem anderen Mann war ihr das jemals passiert.

Nur bei Nathan Battle.

Seufzend griff sie wieder nach dem Glas und trank einen Schluck. Seit Jahren hatte sie Nathan nicht mehr gesehen und nicht berührt. Und dennoch reagierte sie, als hätten sie sich gerade erst tags zuvor getrennt. Sie sehnte sich nach ihm, wollte ihn küssen, streicheln, mit ihm schlafen …

Nein, das durfte nicht sein, nie mehr. Sonst würde sie sich nie von ihm lösen können, obwohl sie wusste, dass ein Mann wie er nicht gut für sie war. Ruhelos stand sie auf und trat ans Fenster. Nur wenige Autos waren auf der Hauptstraße zu sehen und so gut wie kein Fußgänger. Der Himmel war schwarz und sternenklar. Das Leben in einer kleinen Stadt war wirklich total anders als in einer Großstadt wie Dallas. Dort war auch nachts noch viel los. Auf den Straßen herrschte ebenso reges Treiben wie tagsüber. Läden und Restaurants waren geöffnet, und wegen der hellen Lichter der Stadt waren kaum Sterne zu sehen.

Dieses so vollkommen andere Leben hatte Amanda anfangs gutgetan, vor allem weil es sie von ihrem Kummer ablenkte. Doch mit der Zeit hatte sie sich in dieser anonymen Umgebung nicht mehr wohlgefühlt. Sie war nur eine namenlose und unbekannte Person wie jeder andere auch, der von seinem Apartment zur Arbeitsstelle und wieder zurück pendelte. Die Nächte waren hektisch und laut, und irgendwann wurde Amanda bewusst, dass sie nicht glücklich war.

Ihr Leben drehte sich im Wesentlichen um einen Beruf, der sie nicht ausfüllte, und Unternehmungen in der Freizeit, die ihr keine Freude machten. Sie hatte nur wenige Freundinnen und ein paar Männerbekanntschaften, die immer unglücklich endeten. Die Trennung ging fast immer von ihr aus, weil sie die Männer mit Nathan verglich, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.

Dann starb ihr Vater, und ein paar Monate später rief Pam sie an und bat um Hilfe. Amanda überlegte nicht zweimal. Obwohl ihr klar war, dass sie Nathan nicht aus dem Weg gehen konnte, zog sie nach Royal zurück. Ohne Schwierigkeiten hatte sie sofort in ihr altes Leben zurückgefunden. Denn im Grunde ihres Herzens fühlte sie sich nur in einer Kleinstadt wohl.

Sie liebte es, dass sich abends Stille über die Stadt senkte und sich die Familien zu Hause um den Esstisch versammelten. In Royal brauchte sie keine Angst zu haben, selbst wenn ihre Apartmenttür nicht mit drei Schlössern gesichert war. Sie hätte auch in ihr Elternhaus ziehen können, das Pam jetzt bewohnte. Aber Amanda war daran gewöhnt, allein zu leben. Außerdem hatten Pam und sie sich nie besonders gut verstanden, sondern sich höchstens toleriert. Und da sie schon die meiste Zeit des Tages miteinander verbrachten, war es sicher besser, wenigstens abends ein wenig Abstand voneinander zu haben.

Wieder nippte sie an ihrem Wein. Ihr Blick fiel auf das Sheriffbüro. Alle Fenster waren dunkel. Offenbar war keiner mehr da, aber warum auch? In einer Stadt wie Royal musste das Büro nicht rund um die Uhr besetzt sein. Und wenn etwas passierte, waren Nathan und sein Hilfssheriff sehr schnell zu erreichen. Ob Nathan wohl noch auf der Ranch seiner Familie lebte? Aber das ging sie nichts mehr an. Sie sollte sich ihn endlich aus dem Kopf schlagen …

Bei dem Duft nach gerösteten Kartoffeln und heißem Käse lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Offenbar war sie doch hungriger, als sie gedacht hatte. Schnell wandte sie sich um – und erschrak.

Es hatte geklopft!

Zögernd machte sie einen Schritt in Richtung Tür, blieb dann aber wieder stehen. Wer konnte das sein? Hastig stürzte sie den Rest des Weins herunter und stellte das Glas ab. Ihr Herz klopfte wie verrückt – weil sie genau wusste, wer vor der Tür stand …

„Wer ist da?“, fragte sie überflüssigerweise, und ihre Stimme zitterte leicht.

„Ich bin’s.“ Selbstverständlich war es Nathans tiefe Stimme. „Mach auf.“

Wow! Ihr stockte der Atem, und die Knie wurden ihr weich. Erstaunlich und auch bedrohlich, welche Wirkung bereits seine Stimme auf sie hatte. Während sie sich bemühte, tief durchzuatmen, legte sie die Hände flach auf die Tür. Konnte sie wirklich seine Wärme durch das Türblatt fühlen, oder bildete sie sich das nur ein? „Was willst du?“

„Auf keinen Fall mich hier durch die Tür mit dir unterhalten, wo jeder mich sehen und hören kann.“

Ach so. Zwar waren nicht mehr viele Leute unterwegs. Aber wenn auch nur ein Mensch sie belauschte, wusste es morgen die ganze Stadt. Nathan hat gestern Abend Amanda besucht! Schnell öffnete sie die Tür.

Da stand er. Im Licht der Außenbeleuchtung wirkte sein Haar heller als sonst, die Schultern schienen breiter und die Augen …? Schlecht zu erkennen, aber sie konnte sich auch so vorstellen, was ihm durch den Kopf ging. Er hatte die Zähne zusammengebissen, seine Haltung war angespannt, und er sah aus, als hätte es ihn groß Überwindung gekostet hierherzukommen.

Selber schuld, dachte sie. Sie hatte ihn nicht eingeladen. „Warum bist du hier?“

Er warf ihr einen finsteren Blick zu und trat ein.

„Aber bitte!“, sagte sie sarkastisch. „Komm nur herein.“ Sie schloss die Tür.

„Wir müssen miteinander reden“, stieß er hervor. „Und zwar nicht unten bei euch im Lokal, wo die ganze Stadt zuhören kann.“

„Du hättest ja nicht zu kommen brauchen.“

„Vielleicht nicht“, brummte er und schob die Hände in die Hosentaschen. „Aber ich musste unbedingt mal wieder einen ordentlichen Kaffee trinken.“

Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber er sah so genervt und frustriert aus, dass sie laut lachen musste. „Tatsächlich? Dann bist du wegen des Kaffees gekommen?“

„Ja … Ich hatte ihn in der letzten Zeit immer an der Tankstelle geholt.“

„Armer Mann!“

„Du hast gut lachen. Der Kaffee ist fürchterlich. Wahrscheinlich hat Charlie den Kaffeetopf seit zwanzig Jahren nicht ausgespült.“ Bei dem Gedanken verzog er angeekelt das Gesicht, und wieder lachte Amanda los.

Verärgert schüttelte er den Kopf und wies dann auf das Weinglas. „Ist davon noch was da?“

„Ja. Aber ich habe auch Bier, wenn du das lieber möchtest.“

„Gern ein Bier.“

Die Anspannung schien etwas von ihm abzufallen, ja, er lächelte sogar kurz, oder hatte sie sich getäuscht? Sie öffnete den Kühlschrank und nahm das Bier und die Weinflasche heraus. Nun war er also da, der Augenblick, den sie seit Jahren ersehnt, aber auch gefürchtet hatte. Nathan und sie waren allein. Und nun? Was auch immer als Nächstes geschah, es war gut, dass überhaupt etwas passierte. Alles war besser, als die Leere der letzten Jahre weiter ertragen zu müssen. Besser als das belastende Schweigen zwischen ihnen, das sie quälte, seit sie wieder nach Royal gezogen war.

Sie ging zurück ins Wohnzimmer, reichte ihm die Flasche, schenkte sich selbst noch einmal nach, setzte sich aufs Sofa und griff nach ihrem Glas. Über den Glasrand hinweg beobachtete sie, wie er die Flasche öffnete, einen kräftigen Schluck nahm und sich dann aufmerksam im Raum umschaute. Er sah immer noch so gut aus wie früher, groß und muskulös und gebräunt von der texanischen Sonne. Ob er sich noch an die Nächte erinnerte, die sie gemeinsam in diesem Raum verbracht hatten? An die leidenschaftlich geflüsterten Zärtlichkeiten? Wahrscheinlich nicht. Und bestimmt wollte er auch nicht an die Vergangenheit erinnert werden, die für ihn und sein jetziges Leben ohne Bedeutung war.

Zwar war er nicht im Dienst, aber so wie er dastand in seinen Stiefeln, der Jeans und dem dunkelgrünen Hemd, aufrecht und mit ernster Miene, konnte er nur Polizist sein. So war er eben, ein pflichtbewusster Mann, der chaotische Zustände hasste und davon überzeugt war, dass Regeln eingehalten werden mussten. Er ging immer den geraden Weg, während Amanda Umwege bevorzugte, die oft interessante Überraschungen bereithielten. Kein Wunder, dass sie nicht zusammenpassten.

Doch obwohl sie das alles wusste, fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Sosehr sie sich auch wünschte, immun gegen ihn zu sein, sie war es nicht. Noch nicht. Und bevor sie diesen Zustand erreicht hatte, konnte sie kein selbstbestimmtes Leben führen, sondern würde weiterhin darüber nachdenken, was wäre, wenn …

Wieder trank Nathan einen Schluck und blickte dann auf die Flasche in seiner Hand. „Tat mir leid um deinen Vater.“

Zu ihrer eigenen Überraschung traten ihr die Tränen in die Augen. Mitgefühl – das hatte sie nicht erwartet. „Danke. Er fehlt mir sehr.“

„Das glaube ich. Er war ein guter Mann.“

„Ja.“ Familie, okay, das war ein unverfängliches Thema. Doch bevor sie weiter ausholen konnte, brachte er sie völlig aus dem Konzept: „Weshalb bist du zurückgekommen?“

„Warum fragst du?“

„Ist doch klar, Amanda.“ Missbilligend sah er auf sie hinunter. „Schließlich warst du jahrelang weg. Weshalb bist du wieder nach Royal gezogen?“

„Warum nicht? Ist das verboten, Sheriff?“, gab sie scharf zurück. „Muss man dich um Erlaubnis bitten?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Sie stand auf und stellte sich dicht vor ihn hin. „Ich bin in Royal genauso zu Hause wie du, Nathan Battle.“

„Was du offenbar einige Jahre lang vergessen hast.“

„Und du? Hast du nicht eine ganze Zeit in Houston gelebt? Hat man dich auch verhört, als du zurückkamst?“

„Das ist doch kein Verhör, Amanda. Nur eine einfache Frage.“

„Die du dir selbst beantworten kannst! Pam hat die Arbeit im Diner nicht allein geschafft. Also bin ich gekommen, um ihr zu helfen. Das ist alles. Und es ist allein meine Sache und geht dich nichts an.“

„Doch.“ Bewegungslos stand er vor ihr und sah sie kalt an.

„Wieso denn das?“

„Ich bin der Sheriff hier. Und wenn du hier auftauchst und Unruhe stiftest …“

„Ich stifte Unruhe? Wie kommst du denn darauf?“ Amüsiert sah sie, dass er es wohl immer noch hasste, unterbrochen zu werden. Früher hatte sie dann ganz schnell den Mund gehalten und ihn weiterreden lassen. Doch diese Zeiten waren vorbei. „Ich arbeite in einem Lokal, das zur Hälfte mir gehört.“

„Und bist schuld daran, dass der Klatsch blüht.“

„Aber Nathan. Die Leute klatschen doch immer. Auch wenn ich nicht hier wäre, würden sie über mich reden.“

„Sie reden nicht über dich“, stellte er grimmig fest. „Sie reden über uns.“

„Es gibt kein uns“, sagte sie etwas zu schnell.

„Das weiß ich, und das weißt du. Aber die Leute in der Stadt …“

„Hör doch einfach nicht hin“, unterbrach sie ihn wieder.

„Du hast gut reden. Als Sheriff dieser Stadt bin ich darauf angewiesen, dass die Leute Respekt vor mir haben. Und sich nicht das Maul über mich zerreißen.“

„Dann sag das den Leuten. Warum erzählst du es mir?“

„Weil sie damit aufhören, sowie du die Stadt verlässt.“

Am liebsten hätte sie ihm das Weinglas an den Kopf geworfen. Aber sie beherrschte sich und stellte es betont ruhig ab. Dann wandte sie sich wieder zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bleibe hier. Und eins ist sicher: Man wird immer über uns reden.“

Verzweifelt strich er sich durchs Haar. „Verstehst du nicht, Amanda? Du kannst nicht bleiben!“

„Und du musst endlich begreifen, dass du dich um das Gerede der Leute nicht kümmern darfst.“

Hart stellte er die Flasche auf dem Tisch ab, trat dann dicht an Amanda heran und sah sie drohend an. Aber das wirkte nicht mehr, so wie es das noch sieben Jahre zuvor getan hatte. Amanda war jetzt erwachsen, traf ihre eigenen Entscheidungen und war durchaus bereit, mit den Folgen zu leben. Sie ließ sich nicht einfach aus der Stadt vertreiben, auch nicht von einem beeindruckend großen und leider sehr attraktiven Sheriff, der sie eiskalt ansah. Amanda legte den Kopf in den Nacken und erwiderte ruhig seinen Blick. „Wenn du glaubst, mir Angst machen zu können, hast du dich geirrt.“

„Ich will dir keine Angst machen.“

„Gut, denn …“

„Du interessierst mich nämlich nicht mehr.“

Zack, das traf sie wie ein gezielter Schlag in den Magen. Aber sie ließ sich nichts anmerken. „Du mich auch nicht, Nathan, darauf kannst du Gift nehmen. Ich bin nämlich nicht mehr das kleine dumme Mädchen, das vor Ehrfurcht in die Knie geht, weil Nathan Battle ihr seine Aufmerksamkeit schenkt. Das ihm wie ein Hund folgt und sich nach seinem Lächeln sehnt …“

Da packte er sie bei den Schultern, riss sie an sich und küsste sie voller Verlangen, Verzweiflung, Zorn, Hilflosigkeit … Das spürte sie genau, als sie seinen Kuss leidenschaftlich erwiderte, denn sie empfand genau das Gleiche. Erinnerungen stiegen in ihr auf, und Vergangenheit und Gegenwart wurden eins. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, nach ihm, nach seiner Berührung, seinem Kuss, danach, seinen schlanken muskulösen Körper ganz dicht an sich zu spüren.

Seufzend schlang sie ihm die Arme um den Hals und öffnete leicht die Lippen. Stöhnend intensivierte er den Kuss, und ihre Zungen fanden sich zu einem erotischen Tanz. Amanda drängte sich ihm entgegen, wie betäubt von der Hitze und der elektrisierenden Spannung, die zwischen ihnen knisterte. War das alles auch damals so intensiv gewesen, dass sie sich hatten trennen müssen, einfach weil sie ausgebrannt waren?

Mit seinen kräftigen Händen strich er ihr über den Rücken, presste sie an sich, hob kurz den Kopf, sah sie verwirrt an und küsste sie dann wieder. Es war Wahnsinn. Wie sehr hatte er ihr gefehlt. Kein anderer Mann konnte diese Leidenschaft in ihr entfachen …

Genau, deshalb steckte sie auch in großen Schwierigkeiten. Tausend Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf. Wie konnte sie nur! In Nathans Armen zu liegen und ihn zu küssen, war keine besonders gute Methode, sich von ihm abzunabeln und ihn zu vergessen. Und doch war es so wunderbar, zu spüren, dass ihr Körper auf diesen Mann reagierte, als würde er nach siebenjährigem Schlaf wieder erwachen. Ihre Haut glühte, das Herz schlug kräftig und schnell, und tief in ihr meldete sich süße, drängende Sehnsucht.

War das denn wirklich so schlimm?

3. KAPITEL

Als Nathan Amanda plötzlich losließ und einen Schritt zurücktrat, hatte sie Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Die Lippen brannten ihr von seinen Küssen, und sie zitterte am ganzen Körper.

„Begreifst du nun?“, fuhr er sie an. „Genau deshalb hättest du nicht zurückkommen sollen.“

„Was …?“ Verwirrt starrte sie ihn an. Sein Gesicht war wieder unbeweglich und wie in Stein gemeißelt, verriet nicht, dass er sie eben noch leidenschaftlich geküsst hatte. Wie war das möglich? Konnte er sein Verlangen an- und abschalten wie die Zimmerbeleuchtung? Wenn ja, musste er ihr das unbedingt beibringen.

„Ich habe dich geküsst, und du bist in meinen Armen förmlich dahingeschmolzen.“

Diese Bemerkung war wie ein Schlag in die Magengrube, und Amanda erstarrte. Vielleicht brauchte sie doch keine Nachhilfestunden. „Was soll das heißen?“ Aufgebracht trat sie näher an ihn heran und stieß ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. „Wer hat wen besucht und an sich gerissen? Und wer hat wen zuerst geküsst?“

„Darum geht es doch gar nicht.“

„Doch, genau darum geht es!“ Amanda war wütend, vor allem auf sich selbst. Warum hatte sie sich auch nicht zusammenreißen können. „So wie früher. Du warst hinter mir her. Du hast das Ganze angefangen, damals genauso wie jetzt.“

„Dann werde ich es auch beenden.“

Das tat weh. Aber der Zorn war stärker. Natürlich, der große Nathan Battle entschied, wann anzufangen und wann aufzuhören war. Und sie hatte alles geduldig hinzunehmen. Doch so lief das nicht mehr. „Welch Überraschung! Schluss zu machen, ist wohl ein Hobby von dir, was?“

Aus leicht zusammengekniffenen Augen sah er sie an, die Kiefer fest aufeinandergepresst. Wahrscheinlich mahlt er aus Wut seine Zähne zu Staub, schoss es ihr durch den Kopf. Gut, dann war sie wenigstens nicht die Einzige, die zornig war. „Ich habe nicht vor sieben Jahren Schluss gemacht“, stieß er schließlich hervor.

„Das erinnere ich aber ganz anders“, konterte Amanda schnell. Immer noch spürte sie den Schmerz, als sei das alles gerade erst geschehen. „Du hast mich verlassen.“

„Weil du es so wolltest.“ Sein Blick schien sie geradezu zu durchbohren.

„Woher wusstest du das? Du hast mich doch nie nach meiner Meinung gefragt.“

„Ach, das hat doch alles keinen Zweck …“ Wieder fuhr er sich aufgebracht durchs Haar.

Eine schier endlose Minute starrten sie einander an, dann klingelte der Kurzzeitwecker, und beide zuckten zusammen. Nathan wandte sich abrupt ab und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. „Die Leute in dieser Stadt genießen den Klatsch. Aber ich lasse mich nicht zum Hanswurst machen.“

„Sehr gut!“ Sie griff nach ihrem Glas und nahm einen tüchtigen Schluck. Glaubte er etwa, dass ihr das Gerede gefiel? Dann war er verrückt …

„Meine Familie hat einen Ruf zu verlieren. Die Battles waren immer …“

„Und meine Familie?“, unterbrach sie ihn scharf. „Die Altmans gehören wohl nicht zu deinen Kreisen.“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Das war auch nicht nötig.“ Schnellen Schrittes ging Amanda auf ihn zu. „Ich wundere mich noch heute, dass du dich damals dazu herabgelassen hast, mir einen Heiratsantrag zu machen.“

Für einen kurzen Moment schien etwas in seinen Augen aufzulodern, dann blickte er wieder kühl geradeaus. „Du warst mit meinem Kind schwanger“, sagte er nur.

Sie zuckte zusammen. Seit Nathan sie verlassen hatte, hatten sie die Fehlgeburt nie wieder erwähnt …

„Das war mies“, brachte sie leise hervor.

„Ja, wahrscheinlich.“ Nervös rieb er sich das Kinn. „Verdammt, Amanda, wir wollen beide in dieser Stadt leben. Das muss doch irgendwie möglich sein.“

„Ja …“ Fröstelnd strich sie sich über die Arme. Seine Gegenwart, der Kuss, die Erinnerung an die Fehlgeburt, das alles hatte sie sehr aufgewühlt. Der Verlust des Kindes, das sie sich so sehr gewünscht hatte … Sie musste allein sein, brauchte Zeit, um sich zu fassen und wieder klar denken zu können. „Hast du schon eine Idee, wie?“

„Ja. Wir haben beide unseren Beruf, der uns ziemlich ausfüllt. Wenn wir uns begegnen, gehen wir zivilisiert und freundlich miteinander um. Keine Treffen zu zweit. Keine privaten Unterhaltungen. Keine …“

„Küsse?“

„Keine Küsse.“

„Okay. Einverstanden. Das sind Nathans Benimmregeln. Druckst du mir eine Kopie aus, die ich unterschreiben kann? Soll das Ganze noch notariell beglaubigt werden?“

„Sehr witzig.“

„Verdammt noch mal, Nathan, du hast dich wirklich nicht geändert. Du gibst die Anweisungen und erwartest, dass sie befolgt werden. Elender Macho!“

„Ich … ein Macho?“

„Allerdings. Was ich damit sagen will, ist, du kommst zu mir. Du küsst mich. Und dann stellst du Regeln auf, wie ich mein Leben zu leben habe, und gehst davon aus, dass ich strammstehe und salutiere.“

„Das wäre nett“, murmelte er.

Trotz der angespannten Situation musste Amanda lachen. „Tut mir leid, aber da wird nichts draus.“

„Du verwirrst mich total“, sagte er leise. „So wie früher.“ Er sah sie an, und seine Augen drückten dieses ganz bestimmte sexuelle Verlangen aus, das sie nur zu gut kannte. Doch diesmal würde sie nicht nachgeben, sondern stark bleiben.

„Das freut mich.“ Vorsichtshalber machte sie einen Schritt zurück. „Immerhin ein schwacher Trost.“

Kurz murmelte er etwas vor sich hin, das sie nicht verstehen konnte. Dann holte er tief Luft. „Okay. Also keine Regeln. Alles bleibt wie bisher. Wir gehen uns aus dem Weg.“

„Einverstanden.“

„Irgendwann werden die Leute schon aufhören, über uns zu reden. Oder darauf zu warten, dass etwas zwischen uns …“

„Du tust es schon wieder“, unterbrach ihn Amanda.

„Was denn?“

„Stellst Regeln auf beziehungsweise legst fest, wie sich alles entwickeln wird.“ Frustriert schüttelte sie den Kopf. „Du kannst die Zukunft nicht bestimmen, Nathan. Und auch nicht das Leben. Es kommt, wie es kommt.“ Und wenn es noch so schmerzlich ist, so wie der Verlust des Kindes, auf das sie sich so sehr gefreut hatte.

„Das kann ich einfach nicht akzeptieren.“

„Du wirst es müssen“, sagte sie leise.

„Nein. Du irrst dich. Mein Leben verläuft genau so, wie ich es will. Ohne Ausnahme.“ Er schwieg kurz. „Zumindest künftig.“

Sie lächelte traurig. Es war klar, sie war die Ausnahme gewesen, die Nathans sorgfältig geplante Zukunft durcheinandergebracht hatte. Doch das war vorbei. Sie war jetzt älter und hoffentlich auch ein wenig weiser und würde sich aus Nathans Leben heraushalten. Sicher, so etwas wie heute könnte wieder passieren, seine Küsse würde sie sowieso nie vergessen. Die Erinnerung daran quälte sie schon jetzt. Aber das war immer noch besser, als ein Leben zu führen, in dem es keine Überraschungen gab und alles gleichmäßig und wohlgeordnet verlief.

„Royal ist zwar nicht sehr groß“, ergriff Nathan erneut das Wort, „aber auch nicht so klein, als dass wir uns nicht aus dem Weg gehen könnten.“

„So willst du es haben? Wir tun so, als würde der andere nicht existieren?“

„Ja, das scheint mir besser zu sein.“

„Für wen?“

Abrupt wandte Nathan sich ab und öffnete die Tür. „Auf Wiedersehen, Amanda.“

Sie konnte hören, wie er die Treppe hinunterlief, dann klappte eine Autotür, ein Motor sprang an – und Nathan war weg.

Langsam schloss Amanda die Tür, ging in die Küche und holte die Kartoffeln aus dem Ofen, die etwas zu stark gebräunt, aber noch essbar waren. Mit dem Teller in der Hand trat sie ans Fenster und starrte in die dunkle Nacht. „Mist, Mist, Mist!“, stieß sie wütend hervor. Da stand sie nun, das Essen war verbrannt, ihr war übel, und ihre Hormone spielten verrückt. Nathan wirkte auf sie wie eine Naturgewalt. Er drang in ihr Leben ein und verschwand wieder, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Er ist gegangen, er hat mich stehen lassen. Wie vor sieben Jahren. Das ärgerte sie am meisten.

Sie goss sich noch ein Glas Wein ein, zwang sich, die leicht verkohlten Kartoffeln zu essen, und schwor sich, dass Nathan ihr nie wieder derart vor den Kopf stoßen würde.

Auch im Dunkeln war die Battlelands Ranch schon von Weitem zu sehen. Jedes Fenster war erleuchtet, und selbst die Scheune, das Cottage des Vorarbeiters und auch Nathans Haus waren durch das Außenlicht über dem Eingang gut zu erkennen.

Wie immer fiel alle Spannung von Nathan ab, als er durch die Eichenallee auf das Anwesen zufuhr und schließlich in seine Einfahrt einbog. Nachdem er nach Royal zurückgekehrt war, hatte er sich sein eigenes Haus gebaut. Er war zwar kein Rancher, aber er liebte das Land genauso wie sein jüngerer Bruder Jacob. Seit über einhundertfünfzig Jahren war dieses Land im Besitz der Battles, die es auch in schwierigen Zeiten nicht aufgegeben hatten.

Das Haupthaus war noch im viktorianischen Stil erbaut, inzwischen aber durch großzügige Seitenflügel erweitert worden. Auch wenn neuere Ranchhäuser größer und moderner waren, Nathan liebte das alte Haus, weil es so unverwechselbar war. Die Battles hatten eben nicht jede Modeerscheinung mitgemacht und das Alte einfach abgerissen, sondern es liebevoll renoviert. Auch um sich immer wieder an den Ursprung ihres Reichtums erinnern zu können und dankbar dafür zu sein.

Schon beim Aussteigen hörte er fröhliches Kinderlachen, das vom Haupthaus herüberdrang. Unwillkürlich musste er lächeln. Viel hatte sich verändert, seit Jacob mit seiner Frau Terri hier wohnte. Durch sie und ihre drei Kinder war das alte Haus wieder zum Leben erwacht. Nathan warf kurz einen Blick auf den Kinderpool und den kleinen Spielplatz mit Schaukeln und Klettergerüsten, die er und Jacob gebaut hatten. Wenn er seinem Bruder das Glück nicht von ganzem Herzen gönnen würde, könnte er direkt neidisch werden. Jacob hatte eine Familie, die er liebte, und die Ranch, an der er hing. Sein Leben konnte nicht schöner sein.

Dass gerade sein jüngerer Bruder Frau und Kinder hatte, verblüffte Nathan immer noch, denn Jacob hatte sein Junggesellenleben sehr genossen. Aber erstaunlicherweise hatte er die Rolle des Familienvaters genauso selbstverständlich angenommen wie die des Ranchers. Das war gut, denn Nathan liebte die Ranch, die er immer als sein Zuhause betrachten würde, sehr. Aber sie war ihm nie so wichtig gewesen wie Jacob. Nathan hatte immer Polizist werden wollen, während Jacob es liebte, übers Land zu reiten, und sich ein Leben in der Stadt nicht vorstellen konnte. Und da Terri wieder schwanger war, würde die Battlelands Ranch ganz sicher auch in Zukunft von Battles bewirtschaftet werden – ein sehr beruhigender Gedanke, wie Nathan fand.

Wie wohl sein eigenes Leben weitergegangen wäre, wenn Amanda ihr Kind ausgetragen hätte? Wären sie dann noch zusammen? Vielleicht hätten sie noch mehr Kinder … In diesem Augenblick öffnete sich die große geschnitzte Tür des Haupthauses, und Jacob trat auf die Veranda. Gut, dachte Nathan. Ein Gespräch mit dem Bruder würde ihn endlich ablenken. Er musste sich unbedingt von den Gedanken an Amanda frei machen. Der Kuss … ihr Duft … wie sie sich an ihn geschmiegt hatte … ihr warmer Atem auf seiner Haut … Verdammt, das musste aufhören!

Jacob lehnte sich gegen einen Pfosten und blickte dem Bruder lächelnd entgegen. „Du bist heute aber spät dran.“

„Ja, ich musste noch einiges erledigen.“

Jacob kam die Verandatreppe herunter und reichte ihm eine Dose Bier. „Hier.“ Er war so groß wie Nathan, aber nicht so muskulös, sondern schmal und drahtig. Die ausgeblichene Jeans hing ihm tief auf den Hüften, und er strahlte Ruhe und Selbstvertrauen aus. Er war vollkommen mit sich im Reinen, und das bewunderte Nathan, wenn er ihn nicht sogar ein bisschen darum beneidete. „Danke“, sagte er und nahm einen tiefen Schluck. Dann folgte er dem Bruder zu den beiden Schaukeln, und beide setzten sich. Offenbar wollte Jacob etwas mit ihm besprechen, und Nathan wusste, dass er ihm Zeit lassen und Geduld haben musste.

So trank er wieder einen Schluck und blickte in den Sternenhimmel. Hier, weit weg von Amanda, fühlte er sich sicher. Er war überzeugt gewesen, dass er es geschafft hatte, sich von ihr zu lösen. Er hatte sich ganz auf seine Arbeit konzentriert und auch einige Frauen kennengelernt. Allerdings hatte keine einzige ihn nachhaltig beeindruckt. Und als Amanda wieder in Royal aufgetaucht war, hatte er geglaubt, ihr mit freundlicher Gleichgültigkeit begegnen zu können. Was für ein Irrtum.

Die letzte Stunde hatte ihm gezeigt, dass er noch längst nicht mit ihr fertig war. Wieder beherrschte sie seine Gedanken, wieder wurde er hart, wenn er sich ihren Körper auch nur vorstellte. Er versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, zum Beispiel darauf, wie Jacob und er den Spielplatz für die Kinder geplant und gebaut hatten. Doch vergeblich. Neugierig sah sein Bruder ihn an. „Wie geht es Amanda?“

Nathan verschluckte sich, hustete, und als er wieder zu Atem gekommen war, blickte er sein Gegenüber stirnrunzelnd an. „Woher weißt du, dass ich sie besucht habe?“

Jacob grinste. „Mona Greer hat behauptet, ihren winzigen Hund Gassi führen zu müssen. Und natürlich ausgerechnet in der Nähe des Diners. Da hat sie dich auf der Treppe zu Amandas Apartment gesehen. Darauf hat sie sofort Sarah Denvers angerufen und die dann ihre Tochter. Und Amelia hat Terri informiert.“

„Das ging ja schnell …“ Fassungslos schüttelte Nathan den Kopf. Von Privatsphäre konnte in Royal wirklich nicht die Rede sein. Und er hatte sich extra noch umgesehen und keine Menschenseele entdecken können.

„Hast du denn tatsächlich geglaubt, du könntest Amanda besuchen, ohne dass es jemand merkt? Ganz schön naiv, Bruderherz.“ Jacob beugte sich vor und schlug ihm lachend aufs Knie.

„Freut mich, dass du dich so gut amüsierst“, stieß Nathan schroff hervor.

„Wirklich?“ Jacob zwinkerte ihm zu. „Und ich freue mich, dass Amanda wieder da ist. Und dass sie dir unter die Haut geht.“

„Von meinem Bruder hätte ich eigentlich etwas anderes erwartet.“ Nathan war genervt. Seit drei Jahren war er wieder in der Stadt und wurde von allen als Sheriff respektiert. Und nun war er nur noch eine Lachnummer?

„Was denn? Unterstützung um jeden Preis? Wenn du das willst, musst du mit deinen Freunden Alex und Chance sprechen. Die Familie wird dir gegenüber immer ehrlich sein, ob du es willst oder nicht.“ Jacob hob die Bierdose und prostete dem Bruder zu.

„Nein, das will ich nicht.“ Nathan starrte düster vor sich hin. Er hätte nicht zu Amanda gehen sollen. Aber er hatte es einfach tun müssen. Sie hatten miteinander reden müssen. Wenn es doch nur dabei geblieben wäre …

„Du willst es nicht hören, ich weiß, aber ich muss es trotzdem sagen.“ Jacob schwieg kurz und sah den Bruder dann ernst an. „Du hast damals deine Chance mit Amanda verpasst.“

„Ich habe gar nichts verpasst!“, fuhr Nathan ihn an.

„Doch. Sei ehrlich, du hast sie gehen lassen.“

„Das stimmt überhaupt nicht. Sie wollte unbedingt weg.“

Jacob blieb ruhig. „Das kann ja sein. Aber du hast auch nicht versucht, sie zurückzuhalten.“

„Warum hätte ich das tun sollen?“ Verdammt! Wütend sprang Nathan auf. Es konnte doch nicht sein, dass die Vergangenheit alles zerstörte, was er sich in den letzten Jahren hier aufgebaut hatte. Sein Bruder hatte gut lachen. Er hatte alles, was er wollte – die Ranch, eine glückliche Ehe und drei wunderbare Kinder. Sein Leben verlief in geordneten Bahnen, und natürlich gönnte Nathan ihm sein Glück. Aber etwas mehr Verständnis hatte er sich schon erhofft. „Ich flehe doch keine Frau auf Knien an, bei mir zu bleiben.“

„Wer redet denn von anflehen? Du hättest sie einfach fragen können.“

„Nein.“ Nathan schüttelte den Kopf und wich dem Blick des Bruders aus. „Das ging nicht. Es gab gewisse … Gründe …“ Über die er mit seinem Bruder nie gesprochen hatte, obwohl Jacob ihm von allen am nächsten stand.

„Warum hast du den Gerüchten geglaubt, anstatt mit Amanda darüber zu reden?“, fragte Jacob ruhig.

„Gerüchte? Was für Gerüchte?“ Nathan sah den Bruder scharf an.

„Chance hat mir erzählt, was damals Sache war, und das solltest du ihm nicht übel nehmen. Ich war sehr enttäuscht, dass du nicht zu mir gekommen bist. Ich bin doch dein Bruder, Nate. Warum hast du dich mir nicht anvertraut?“

Heftig schüttelte Nathan den Kopf. „Ich wollte nicht darüber sprechen. Und … ich will es immer noch nicht.“ Wie er es hasste, an die Vergangenheit erinnert zu werden. Daran, wie elend ihm zumute gewesen war, als Chance ihm erzählte, worüber die Leute redeten. Er war damals in Houston auf der Polizeiakademie gewesen und hatte nicht einmal Zeit gehabt, mit Amanda zu telefonieren. Aber mit alldem hatte er abgeschlossen. Oder nicht?

„Du warst immer der schlimmste Sturkopf der Familie.“ Jacob seufzte leise.

Etwas gezwungen lächelte Nathan ihn an. „Da wird Terri vielleicht anderer Meinung sein.“

„Kann sein.“ Jacob lächelte kurz. „Nate, ich weiß nicht, was damals zwischen Amanda und dir gelaufen ist …“ Abwehrend hob er die Hand, „… und du musst es mir nicht erzählen. Ich will nur sagen, dass sie ja nun mal hier ist und hier bleiben wird. Du musst einen Weg finden, über das hinwegzukommen, was damals geschehen ist. Vielleicht solltet ihr beide mal in Ruhe darüber sprechen und euch ohne Scheu sagen, wie euch ums Herz ist.“

Verächtlich verzog Nathan das Gesicht und nahm noch einen Schluck Bier. „Was soll diese ganze Gefühlsduselei? Miteinander sprechen, wie euch ums Herz ist … Ist das Terris Einfluss?“

„Vielleicht ein bisschen. Aber du weißt doch genauso gut wie ich, dass du deinen Frieden mit Amanda machen musst, wenn ihr beide in der Stadt bleiben wollt.“

Da war was dran. Sofort sah er Amanda wieder vor sich, spürte, wie sie sich an ihn schmiegte, ihn küsste … Sein Blut geriet in Wallung. „Ich fürchte, das kannst du nicht beurteilen, Jacob“, sagte er leise. „Ich habe schon vor sehr langer Zeit lernen müssen, dass es keinen Frieden gibt, wenn es um Amanda geht.“

4. KAPITEL

Den großen Wochenendmarkt in Royal hatte Amanda immer besonders geliebt. Aus der ganzen Umgebung kamen die Bauern auf den großen Rasenflächen des Gemeindeparks zusammen und verkauften ihre Waren, meist Obst und Gemüse, Marmeladen und Chutneys. Aber es gab auch Stände mit Kunsthandwerk, wo Schmuck, Töpferwaren und Spielzeug angeboten wurden.

Es war erst kurz vor neun, aber schon stand die Sonne wie ein Feuerball am Himmel. Dennoch schien ganz Royal auf den Beinen zu sein, wobei die Händler, die im Schatten der großen Eichen standen, den meisten Zulauf hatten.

Amanda hatte sich den Tag freigenommen und freute sich auf den Bummel über den Markt. Doch sehr bald wurde ihr klar, dass man hinter ihrem Rücken über sie redete. Man warf ihr verstohlene Blicke zu, und die Unterhaltungen erstarben jäh, sowie sie in die Nähe kam. Ohne Frage hatte irgendjemand Nathan gesehen, als er am Abend zuvor vor ihrer Tür gestanden hatte.

Na wenn schon! Davon würde sie sich nicht beeindrucken lassen. Sie blieb vor einem Stand mit handgefertigten Töpferwaren stehen und hob einen leuchtend blauen Krug hoch. Sofort kam eine junge Frau mit langem blonden Haar und grünen Augen auf sie zu. „Das blaue Geschirr ist heute im Sonderangebot“, sagte sie eifrig und lächelte.

Und wenn ich einen erdfarbenen Krug in die Hand genommen hätte, wäre der sicher heute besonders günstig. Aber Amanda konnte gut verstehen, dass die Töpferin ein Geschäft machen wollte. „Er ist sehr hübsch. Was soll er kosten?“

„Fünfunddreißig Dollar.“

„Gut. Ich nehme ihn.“ Wahrscheinlich hätte sie handeln und den Preis ein wenig drücken können, aber der Krug war es wert. Sie bezahlte, tat den eingewickelten Krug in ihre Tasche und schlenderte zum nächsten Stand.

„Amanda! Hallo!“

Amanda drehte sich um. Piper Kindred winkte ihr strahlend zu. Sie hatte ihre roten Locken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und freute sich sichtlich, Amanda zu sehen. „Wir haben ja noch gar nicht miteinander sprechen können, seit du wieder hier bist!“

„Ich weiß. Ich habe momentan viel um die Ohren, aber wir müssen uns unbedingt bald mal zusammensetzen.“ Amanda kannte Piper schon lange, und als sie sie jetzt wiedersah, wurde ihr bewusst, wie sehr ihr die alten Freundinnen gefehlt hatten.

„Ich habe gehört, dass wieder etwas zwischen dir und Nathan läuft …“

Natürlich, wie auch nicht … „Klar hast du was gehört.“ Amanda war genervt. Seit Nathan in ihrem Apartment gewesen war und sie sich geküsst hatten, schienen die Gäste im Diner sie noch intensiver zu beobachten. Leider auch Nathan, der mindestens einmal täglich kam, sich mit seinem Kaffee in eine Ecke setzte und sie nicht aus den Augen ließ.

„Und?“ Neugierig sah Piper die Freundin an. „Gibt’s was Neues?“

„Nein.“ Wie um ihre Aussage zu bekräftigen, schüttelte Amanda den Kopf. „Was treibt dich auf den Markt?“, wechselte sie dann schnell das Thema.

„Ich hoffte, dich hier zu treffen. Außerdem verkaufe ich Lose. Wir wollen Geld sammeln, um den Bau des neuen TCC-Kindergartens zu unterstützen.“

„Gute Idee. Ja, ich habe gehört, dass dem Antrag stattgegeben wurde. Beau Hacket war doch wahrscheinlich knallrot vor Wut.“

„Das kann man wohl sagen. Leider habe ich das nicht miterlebt. Ich war nicht bei der Abstimmung, aber Shannon Morrison hat mir erzählt, wie unmöglich Beau sich aufgeführt hat.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Amanda lachte. Beau war wahrscheinlich der schlimmste Chauvi auf der ganzen weiten Welt. Wie hatte die nette Barbara nur einen solchen Mann heiraten können? „Das hätte ich auch gern gesehen.“

„Seit Abby Price es durchgesetzt hat, wollen immer mehr Frauen Mitglied im TCC werden. Ich bin es noch nicht, aber ich möchte gern bei dieser Spendenaktion helfen. Wie viele Lose möchtest du?“

Schmunzelnd griff Amanda nach ihrem Portemonnaie. „Überredet. Gib mir fünf.“

„Gern.“ Piper riss fünf Lose von dem Block ab, gab sie Amanda und steckte die Duplikate in ihre Sammelbox. „In einer Woche ist die Ziehung. Wer weiß, vielleicht kriegst du den Hauptgewinn.“

„Und der ist?“

„Ein Wochenende in Dallas.“ Piper zuckte kurz mit den Schultern. „Ich persönlich würde lieber das Dinner bei Claire’s gewinnen.“

„Versteh ich. Claire kocht fantastisch. So was kann ich dir nicht bieten. Aber komm doch morgen zum Lunch. Unter anderem gibt es unser berühmtes Zitronensoufflé.“

„Hört sich gut an. Dann haben wir hoffentlich mal ein bisschen Zeit für uns, und du kannst mir erzählen, was an den Gerüchten dran ist.“

„Ich muss dich enttäuschen. Es gibt nichts zu erzählen.“ Bis auf die Küsse …

„Ich sehe dich dann morgen.“ Amanda winkte der Freundin lächelnd hinterher und wandte sich dem nächsten Stand zu. Als ihr der Duft von frisch gebackenen Zimtschnecken in die Nase stieg, wurde ihr plötzlich bewusst, wie hungrig sie war. Offenbar hatte Marge Fontenot ihrem Mann gerade ein Blech mit dem noch warmen Gebäck gebracht. Die beiden hatten einen Kaffeeausschank hier auf dem Markt, vor dem sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte.

„Auch hier?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter Amanda, und sie wandte sich um. Es war Nathans Freund Alex Santiago.

„Hallo, Alex. Ja, ich gehe sehr gern auf den Markt. In der Großstadt gibt es so was ja selten.“

Lächelnd sah er sich um. „Ja, mir macht das auch Spaß. Ich habe sogar schon was gekauft, nämlich ein Glas Blaubeermarmelade, die die beste auf der Welt sein soll.“

„Wenn du sie bei Kaye Cannarozzi gekauft hast, ist das nicht übertrieben. Sie hat schon mehrere Preise gewonnen.“

„Gut zu wissen. Und du, was hast du gekauft?“

„Einen blauen Tonkrug.“

„Sehr schön. Ja, man kriegt hier beinahe alles.“ Wieder ließ er den Blick über die Menge schweifen. Warum kann ich mich nur nicht in Alex verlieben, ging Amanda durch den Kopf, während sie ihn musterte. Er sah sehr gut aus, war intelligent und witzig, ja geradezu perfekt, wenn er nicht diesen seltsamen Geschmack hätte, was Freunde betraf … Aber leider fand sie ihn einfach nur nett.

„He, Amanda.“

Sie schrak zusammen.

Alex sah sie nachdenklich an. „Bedrückt dich was? Du machst ein so ernstes Gesicht.“

Schnell setzte sie ein Lächeln auf. „Nein, alles in Ordnung. Ich wollte mir gerade einen Kaffee holen. Möchtest du auch einen?“

„Ja, gern.“ Gemeinsam stellten sie sich in der Schlange an. „Ich bin schon sehr auf die Feier zum Unabhängigkeitstag gespannt “, fing Alex wieder an. „Am 4. Juli soll hier ja ordentlich was los sein.“

„Das kann man wohl sagen. Im Park wird dann den ganzen Tag gefeiert. Es gibt Wettbewerbe und Spiele, Umzüge und viel zu essen und zu trinken. Und abends natürlich ein tolles Feuerwerk.“

„Das hat dir in der großen Stadt doch sicher gefehlt, was?“

„Ja.“ Sie nickte, fügte dann aber schnell hinzu: „Da wird natürlich auch gefeiert, aber das ist nicht so persönlich. In einer kleinen Stadt ist das etwas ganz anderes.“ Sie wies lächelnd auf die Menschenmenge, die sich vor den Ständen drängte. Wieder wurde ihr bewusst, dass sie sich nur in Royal zu Hause fühlen, nur hier glücklich sein konnte. „Ich habe mir zwar einzureden versucht, dass das Leben in einer großen Stadt aufregender und interessanter ist und dass ich mich wohlfühle, aber da habe ich mir was vorgemacht. Mir ist, als sei ich nie weg gewesen, so lieb und vertraut ist mir alles.“

„Das geht nicht jedem so“, meinte Alex. „Aber ich bin froh, dass du so empfindest.“

Er blickte abwesend in die Ferne. Irgendetwas schien ihn zu bedrücken. Aber Amanda kannte ihn nicht gut genug, um ihn so direkt danach zu fragen. Sekunden später hatte er sich wieder gefangen und sah sie an. „Glücklicherweise scheint dich dieser ganze Klatsch nicht sehr zu belasten.“

Also auch er … Sie seufzte leise. Das war der Nachteil am Kleinstadtleben, nichts blieb geheim. Nathan und sie waren nun mal Stadtgespräch, und bevor irgendetwas wirklich Wichtiges passierte, würden sie es bleiben. „Dann hast du es auch gehört?“

Er lächelte mitfühlend. „Es bleibt einem nicht erspart. Sofern man nicht gerade auf dem Mond lebt.“

„Kennst du irgendjemanden, der mich dahin mitnehmen kann?“

„Leider nicht“, sagte er lächelnd. „Aber eine hübsche Frau wie du sollte sich aus diesem Gerede nichts machen. Außerdem gibt es sicher bald etwas anderes, das die Gemüter erhitzt.“

„Wahrscheinlich hast du recht.“ Die meisten Leute hier kannte sie schon lange. Kein Wunder, dass sie an ihrem Privatleben interessiert waren. So war das nun mal in kleinen Städten. Auch jetzt wurde sie wieder sehr genau beobachtet. Vermutlich fragten sich alle, warum sie denn mit Alex auf den Markt ging, wo sie doch eigentlich wieder mit Nathan zusammen war … Der Gedanke schmerzte. „Sosehr ich an Royal hänge, hier zu leben bringt auch einige Probleme mit sich.“

„Die findet man in jeder Stadt“, erwiderte Alex und hatte wieder diesen abwesenden Gesichtsausdruck, als nagte etwas an ihm.

Irgendwie muss ich einen wunden Punkt berührt haben, dachte Amanda und hakte sich spontan bei ihm unter. „Ist alles in Ordnung, Alex?“

Er sah sie an und lächelte. „Ja, mach dir keine Sorgen, es geht mir gut. Aber lieb von dir, dass du fragst.“

„Darf ich euch mal eben unterbrechen?“

Diese dunkle Stimme kannte Amanda nur zu genau. Sie gehörte Nathan, der geradewegs auf sie zusteuerte. Der goldene Sheriffstern glänzte an seiner Brust, das Uniformhemd hatte er in die schwarze Jeans gesteckt. Mit der Pistole im Halfter wirkte er noch einschüchternder als sowieso schon. Er sah Alex scharf an und ließ dann Amanda nicht aus den Augen.

Unter seinem intensiven Bick wurde ihr heiß, aber sie ließ sich nichts anmerken. „Würdest du uns allein lassen, wenn ich Nein sage?“, forderte sie ihn heraus.

„Nicht bevor ich weiß, worüber ihr gesprochen habt.“

„Worüber schon?“ Alex grinste. „Über Kleinstädte und ihre Spießer.“

„Also über die Gerüchte.“

„Ja, auch.“ Amanda kannte Nathan gut genug, um zu wissen, wie sehr ihn der Klatsch aufregte. „Was willst du?“

„Kaffee, eine von Margies Zimtschnecken und mit dir reden. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“

Sie runzelte die Stirn. War das eine Kampfansage? Zumindest war sein Tonfall nicht gerade freundlich. Wahrscheinlich ärgerte er sich noch immer über den Kuss und versuchte, die ganze Szene aus seinem Gedächtnis zu streichen. „Ich habe jetzt keine Zeit“, sagte sie ebenso knapp. „Alex und ich haben noch allerlei zu besorgen.“

Verlegen sah Alex sie an. „Tut mir leid, Amanda, mir ist gerade eingefallen, dass ich dringend ein paar Dinge erledigen muss. War schön, dich zu sehen. Wiedersehen!“ Dann warf er dem Freund einen kurzen Blick zu. „Bis später, Nathan.“

Amanda hielt ihn am Arm fest. „Aber du brauchst nicht zu gehen.“ Hätte sie sich ja denken können, dass er seinem Freund nicht in den Rücken fallen würde …

„Oh, doch …“, stieß Nathan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Alex lachte. „Vielleicht solltet ihr euch erst mal einigen. Ich geh dann schon mal. Auf Wiedersehen.“

Obwohl um sie herum Stimmengewirr und Gelächter zu hören waren, wusste Amanda, dass sie und Nathan sehr genau beobachtet wurden. Aber das war ihr jetzt egal. Alex hatte recht. Irgendwann würde das Interesse abflauen, und bis dahin sollte sie sich einfach nicht um das Gerede kümmern.

Gemeinsam mit ihr schloss Nathan auf, als die Schlange vor dem Kaffeeausschank langsam vorrückte. „Mona Greer hat mich gesehen, als ich dich vor ein paar Tagen besuchte“, flüsterte er ihr zu.

„Hm, das erklärt einiges“, sagte sie nur.

Autor

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