Baccara Exklusiv Band 212

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SINNLICHE GLUT DER WÜSTE von KRISTI GOLD
Wenn Kira an die Nacht vor sechs Wochen denkt, wird es ihr ganz heiß: Sie sollte sich um einen Gast des Scheichs kümmern – und hat sich dem faszinierenden Tarek hemmungslos hingegeben! Nun soll sie für ihn arbeiten, aber das ist unmöglich. So wird er bestimmt merken, was sie vor ihm verbirgt …

LUST, INTRIGEN UND EIN TRAUMMANN von BARBARA DUNLOP
Hals über Kopf verliebt Kalissa sich in den attraktiven Riley Ellis. Bis sie eine schreckliche Entdeckung macht: Ihr Traummann ist der berufliche Erzfeind von Shane Colborn, dem Ehemann ihrer Zwillingsschwester. Hat Riley sie nur erobert, um der Familie Colborn nah zu sein – und endlich zu siegen?

ÜBERZEUGE MICH MIT HEISSEN KÜSSEN von SARA ORWIG
Die schöne TV-Moderatorin Destiny Jones möchte über das geheimnisvolle Wrenville-Haus berichten, was für Rancher Wyatt Milan schon aus persönlichen Gründen nicht infrage kommt! Bei ihrem Sex-Appeal könnte er schwach werden. Aber um das Geheimnis zu lüften, muss sie sich schon ein bisschen mehr anstrengen …


  • Erscheinungstag 15.10.2021
  • Bandnummer 212
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501835
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kristi Gold, Barbara Dunlop, Sara Orwig

BACCARA EXKLUSIV BAND 212

1. KAPITEL

Als Hausdame des königlichen Palasts von Bajul war Kira Darzin es gewohnt, jederzeit auf Abruf bereitzustehen. Aber als sie das Büro des Königs betrat, fuhr sie beim Anblick des gut aussehenden Mannes, der in der Besucherecke saß, erschrocken zusammen.

Das dunkle Haar war sorgfältig frisiert, der graue Anzug saß perfekt, und die Schuhe waren mit Sicherheit teure italienische Maßarbeit. Damit entsprach er ganz dem Klischee des erfolgreichen Milliardärs. Die eleganten und doch kräftigen Hände ruhten gelassen auf den mit rotem Brokat bezogenen Armlehnen. Das leicht vorgeschobene Kinn verlieh ihm einen Anflug von Arroganz und Machtbewusstsein.

Als Kira Tarek Azzmars charismatischem Blick begegnete, vergaß sie alles um sich herum. Genau wie in jener folgenschweren Nacht vor einigen Wochen …

Kira spürte das ungebrochene Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, und seine geheimnisvolle Aura. Sofort fühlte sie sich wieder unwiderstehlich zu ihm hingezogen – obwohl sie sich geschworen hatte, nie wieder in ihrem Leben dem Sog dieser Gefühle nachzugeben.

Mit seiner Persönlichkeit und männlichen Präsenz dominierte Tarek den Raum. Man hätte meinen können, dieses Büro gehörte ihm und nicht Rafiq Mehdi, dem offiziellen Monarchen von Bajul.

Im Hintergrund nahm Kira Mr. Deeb wahr, den persönlichen Assistenten des Königs. Sie registrierte seine höfliche Begrüßung kaum, denn jetzt stand Tarek auf, und der Anblick seiner hochgewachsenen Gestalt ließ sie erschauern.

Reiß dich zusammen, Kira! Tu so, als ob du ihn nur flüchtig von einem Empfang im Palast kennst.

Eine dreiste Lüge. „Es freut mich, Sie wiederzusehen, Mr. Azzmar“, brachte sie hervor. Ihr Lächeln war gezwungen, und ihre Stimme klang belegt.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Miss Darzin“, erwiderte er mit Betonung auf dem Wort Vergnügen.

Heiße Bilder fluteten ihr Bewusstsein: leidenschaftliche Küsse, zwei nackte Körper zwischen zerwühlten Laken, eine Nacht voll unbeschreiblicher Leidenschaft.

Und sechs Wochen nach dieser Nacht immer noch kein einziges Wort von Tarek.

Die bittere Erinnerung an ihre Enttäuschung holte Kira rasch in die Realität zurück. „Was kann ich für Sie tun?“

Tarek schenkte ihr sein unwiderstehliches Lächeln, das sie vom ersten Augenblick an zu Wachs in seinen Händen hatte werden lassen. „Das erklärt Ihnen am besten Mr. Deeb.“

Der persönliche Assistent des Königs, ein Mann in mittleren Jahren mit beginnender Stirnglatze, trat vor und rückte seine randlose Brille zurecht. „Ich spreche im Namen Seiner Exzellenz. Er und Mr. Azzmar brauchen Ihre Unterstützung.“

Sie sah sich schon eine aufwendige Soiree organisieren. Na, toll. „Tut mir leid, ich habe den offiziellen Terminkalender nicht dabei. Wahrscheinlich treffen wir uns am besten noch einmal, dann kann ich gleich mit der Planung des Events beginnen.“

„Kein Event“, sagte Tarek. „Sie müssten mir zehn, vielleicht auch vierzehn Tage zur Verfügung stehen.“

„Worum geht es denn genau?“, hakte sie irritiert nach. Vierzehn Tage? So lange dauerte doch kein gesellschaftliches Ereignis.

„Mr. Azzmar braucht Unterstützung bei einem Projekt“, meldete sich Mr. Deeb zu Wort. „König Mehdi hat ihm Ihre Dienste angeboten.“

Das konnten sie doch unmöglich ernst meinen! Aber ein Blick in Tareks geschäftsmäßige Miene bedeutete ihr, dass er es sogar sehr ernst meinte. Egal, sie würde sich auf keinen Fall darauf einlassen. In Gedanken erfand sie bereits ein halbes Dutzend Ausreden, um sich aus der Affäre zu ziehen.

„In Anbetracht der großen Verantwortung und vielfältigen Pflichten, die meine Position im Palast mit sich bringt, fürchte ich, dass ich ablehnen muss. In drei Tagen kommt Prinz Zain mit seiner Familie zurück. Und nächste Woche erwarten wir Prinz Adans Schwägerin und Scheich Rayad. Jemand muss sich darum kümmern, alles für ihre Ankunft vorzubereiten.“

„Dieses Problem konnten wir bereits aus der Welt schaffen“, informierte sie Mr. Deeb. „Elena hat sich bereit erklärt, für Sie einzuspringen, solange Sie Mr. Azzmar zur Verfügung stehen.“

Elena? Die ehemalige Gouvernante der Mehdis und leibliche Mutter des jüngsten Prinzen Adan? Das konnte sich Kira beim besten Willen nicht vorstellen. „Elena hat mich als Hausdame eingestellt, damit sie sich zur Ruhe setzen kann. Es erscheint mir nicht fair, einen solchen Gefallen von ihr zu erbitten.“

Deeb zog die Brauen zusammen. „Es handelt sich nicht um einen Gefallen, sondern um einen Befehl des Königs, dem auch Elena untersteht.“

„Und meine Meinung ist in dieser Angelegenheit nicht gefragt?“

Bevor Deeb etwas erwidern konnte, wandte Tarek sich an den königlichen Attaché. „Erlauben Sie, dass ich kurz allein mit Miss Darzin rede?“

Deeb neigte leicht den Kopf. „Selbstverständlich. Ich bin in meinem Büro, falls Sie etwas wünschen.“

Nachdem Deeb die Tür hinter sich geschlossen hatte, funkelte Kira Tarek wütend an. „Es hätte sich gehört, Rafiqs Angebot höflich abzulehnen, als er einfach über mich bestimmt hat. Würdest du mir bitte erklären, warum du das nicht getan hast?“

Tarek lehnte sich lässig gegen den Schreibtisch und verschränkte die Arme. „Es war meine Idee, nicht Rafiqs.“

Unglaublich! „Ach, wirklich? Und warum wolltest du ausgerechnet mich, wo dir doch ganz sicher sämtliche weiblichen Palastangestellten liebend gerne zu Diensten sein würden?“

„Keine andere kommt für diese Aufgabe infrage.“

Kira ging zum Fenster und wandte Tarek den Rücken zu. Als sie sich wieder umdrehte, sagte sie: „Du meinst, keine der anderen hat schon mit dir geschlafen, stimmt’s?“

„Ich kann mich nicht erinnern, in jener Nacht überhaupt geschlafen zu haben“, erwiderte er süffisant.

Kira auch nicht. Aber an eines erinnerte sie sich ganz genau. „Du warst sehr plötzlich verschwunden. Ich nahm an, du seist nach Marokko zurückgekehrt.“

„Nicht sehr wahrscheinlich, oder? Wo ich doch gerade erst meinen Wohnsitz hierher nach Bajul verlegt habe.“

Er hatte recht, ihre Schlussfolgerung ergab keinen Sinn. Aber das war eigentlich auch völlig egal. Wäre sie bloß nicht so leichtsinnig gewesen, sich auf diesen gefährlich attraktiven Mann einzulassen, dann bräuchte sie diese Unterhaltung jetzt gar nicht zu führen.

„Ich finde es nur seltsam, dass du während der letzten sechs Wochen wie vom Erdboden verschluckt warst.“ Und ziemlich verletzend, aber das würde sie natürlich nicht zugeben.

„Nun, ich war auf Reisen in Übersee.“

Fast hätte sie gefragt, ob Übersee auch einen Namen hatte, besann sich dann aber anders. „Als Rucksacktourist in Europa?“, sagte sie sarkastisch.

Auf ihre Frage erntete sie einen leicht irritierten Blick. „Nein, es ging um einen milliardenschweren geschäftlichen Deal.“

Genau das, was er brauchte – noch mehr Geld. Kira verkniff sich eine weitere sarkastische Bemerkung. „Wie auch immer, ich fände es klüger, wenn wir nicht mehr Zeit miteinander verbringen als unbedingt nötig. Schon gar keine zwei Wochen. Natürlich bin ich gerne bereit, dir zu helfen, eine passende Assistenzkraft zu finden.“

Er stieß sich vom Schreibtisch ab und kam langsam auf sie zu. Sein Blick hielt ihren gefangen. „Du widersetzt dich einer Anordnung deines Königs?“

Wenn er noch einen Schritt näher kam, würde sie sich wahrscheinlich gar nichts mehr widersetzen … „Ich bin sicher, er hätte Verständnis, wenn ich ihm erkläre, warum ich dir nicht behilflich sein kann.“

Ein listiges und gleichzeitig sehr sinnliches Lächeln umspielte Tareks Lippen. „Du würdest ihm wirklich erzählen, dass wir auf dem Marmorfußboden im Ballsaal Liebe gemacht haben?“

Wieder stiegen heiße Bilder in ihrer Erinnerung auf. „Natürlich nicht. Außerdem hatten wir nur Sex, Liebe war nicht im Spiel. Darüber hinaus würde ich meinen Job riskieren, wenn jemand erfährt, dass ich ein flüchtiges sexuelles Intermezzo mit einem Palastgast hatte. Und glaub mir, meinen Job möchte ich nicht verlieren. Also werde ich dem König einfach erzählen, dass mein Terminkalender bis zum Anschlag voll ist.“

Dicht vor ihr blieb Tarek stehen. „Du bildest dir doch nicht etwa ein, dass Rafiq Mehdi diese Ausrede akzeptiert?“

Nicht wirklich. „Einen Versuch ist es wert. Falls er sich querstellt, überlege ich mir etwas anderes.“

Tarek hob die Hand und strich ihr eine Strähne ihres kinnlangen Haars hinters Ohr. „Deine Augen faszinieren mich. Diese dunkelblaue Farbe ist ganz außergewöhnlich und unterstreicht deine Schönheit.“

Jetzt geht das wieder los. Schon einmal war es ihm gelungen, sie mit seinem Charme einzuwickeln. Trotzdem schaffte Kira es nicht, sich auch nur einen Schritt von der Stelle zu rühren. „Spar dir die Komplimente. Du hast dein Ziel bei mir doch bereits erreicht.“

„Oh, gegen eine Wiederholung hätte ich nichts einzuwenden.“

Jetzt begriff sie. „Ist es das, worum es hier geht?“

Zum Glück zog er seine Hand zurück. Erst da wurde Kira bewusst, dass sie den Atem angehalten hatte.

„Nein. Ich brauche wirklich eine Assistenzkraft, der ich vertrauen kann. Du bist intelligent und vorzeigbar, außerdem stehst du bei den Mehdis hoch im Kurs. Und ich sehe keinen Grund, warum wir uns nicht eine schöne Zeit machen sollten, wenn du mich zu meiner Strandvilla begleitest.“

Sie schnappte überrascht nach Luft. Bajul lag in den Bergen, nicht am Meer. „Du hast vor, mich ins Ausland mitzunehmen?“

„Ja. Genauer gesagt nach Zypern. Dort bereite ich meinen nächsten unternehmerischen Coup vor, eine exklusive Hotelanlage. Dafür brauche ich deine Unterstützung.“

Zypern … Kira hatte sofort Bilder von lauschigen Buchten, romantischen Sonnenuntergängen und Mitternachtsschwimmen im Kopf. „Was genau wäre meine Aufgabe bei diesem Coup?“

„Ich möchte, dass du die Pläne für die Küchenausstattung und das Innendekor abnimmst. Außerdem könntest du den Hotelmanager beim Einstellen des Personals beraten.“

„Ich bin aber kein Profi im Bereich Innenausstattung.“ Obwohl das eine geheime Leidenschaft von ihr war.

„Hm, ich dachte, du bist mit der Aufsicht über die Renovierungsarbeiten im Palast betraut, die in ein paar Monaten beginnen? Und organisierst du nicht jede Veranstaltung im Palast, Essen und Dekor mit eingeschlossen?“

„Ja, aber …“

Sanft legte er ihr den Zeigefinger auf die Lippen. „Du sollst wissen, ich werde dich nicht zwingen, mich zu begleiten. Wenn du davon überzeugt bist, meine Gegenwart keine zwei Wochen ertragen zu können, finde ich eine andere Lösung für mein Problem. Ich bitte dich nur, wenigstens darüber nachzudenken.“

Das würde sie tun. Sie würde sowieso an nichts anderes denken können. Und dann würde sie ihm eine Abfuhr erteilen. „Wann erwartest du meine Antwort?“

„Morgen Vormittag. Morgen Nachmittag ist mein Privatjet zum Abflug bereit.“

Völlig durcheinander warf sie einen hektischen Blick auf ihre Armbanduhr. „Gut. Ich sage dir so bald wie möglich Bescheid. Jetzt entschuldige mich bitte, ich werde dringend woanders erwartet.“

Seine Miene verdüsterte sich. „Ein neuer Liebhaber?“

„Ein Termin beim Arzt.“ Als ob ihn das überhaupt etwas anging.

Sofort wirkte er besorgt. „Fühlst du dich nicht wohl?“

Sie fühlte sich müde und reizbar, aber gesund genug, um zu funktionieren. „Nur eine Nachuntersuchung. Ich hatte letzte Woche einen kleinen Infekt“, informierte sie ihn und rauschte an ihm vorbei Richtung Tür.

Sie hatte die Hand schon auf der Klinke, da sagte Tarek: „Kira, warte bitte.“ Seine Stimme klang dunkel und samtig und ließ sie erschauern.

Seufzend drehte sie sich noch einmal um. „Was denn?“

„Vielleicht musst du dich noch ein bisschen von diesem Infekt erholen. Und dafür gibt es keinen besseren Ort als Zypern.“

„Hast du keine Angst, dass ich krank darniederliege, anstatt zu arbeiten?“

In seinen Augen blitzte ein mutwilliges Lächeln auf. „Oh, keine Sorge. Ich habe es schon einmal sehr genossen, als du darniedergelegen hast.“

Sie verdrehte genervt die Augen. „Wenn dir wirklich daran gelegen ist, dass ich dich bei deinem Projekt unterstütze, spar dir bitte solche Zweideutigkeiten und die unterschwellige Anmache, ja?“

Er setzte eine Unschuldsmiene auf, die sie wenig beeindruckte. „Ich kann nur versprechen, dass ich es versuchen werde. Außerdem verspreche ich dir, dass du diesen Trip nicht bereuen wirst.“

Genau darum machte sie sich am meisten Sorgen. „Okay, ich denke darüber nach. Jetzt muss ich gehen.“

Sekunden später war er bei ihr, nahm ihre Hand und drückte einen sanften Kuss darauf. „Bis bald“, murmelte er verheißungsvoll.

Kira floh regelrecht aus dem Zimmer. Der gesunde Menschenverstand sagte ihr – er schrie es geradezu heraus –, dass sie Tareks Vorschlag auf keinen Fall annehmen durfte. Sie durfte ihn nirgendwohin begleiten und schon gar nicht in eine luxuriöse Villa auf einer traumhaften Insel, wo sie alle ihre Bedenken – und wahrscheinlich sogar sich selbst – auf der Stelle vergessen würde.

Tarek war genau der Typ Mann, dem sie dringend aus dem Weg gehen sollte. Morgen würde sie ihm mitteilen, dass er sich jemand anderen suchen musste. Und danach bestand dann absolut kein Grund mehr, jemals wieder ein Wort mit ihm zu wechseln.

„Du bist schwanger.“

Kira versuchte, auf der unbequemen Untersuchungsliege das Gleichgewicht zu halten, und starrte Dr. Maysa Mehdi ungläubig an. Maysa war Königin von Bajul und gleichzeitig Hofärztin. „Wie bitte?“, krächzte Kira.

„Das Ergebnis des Bluttests, den ich letzte Woche angeordnet habe, ist eindeutig.“

„Das kann nicht sein.“

„Ich fürchte, doch. Wie es aussieht, freust du dich nicht über die Nachricht.“

Kira atmete tief durch. „Ich bin geschockt. Erstens nehme ich schon ewig die Pille. Und zweitens hatte ich während der letzten Jahre nur ein einziges Mal Sex.“ Und was für welchen …

Maysa überflog Kiras Patientenakte. „Hier steht, dass du kein neues Rezept für die Pille angefordert hast. Das letzte ist zwei Monate her.“

Schuldig. „Wahrscheinlich war ich so beschäftigt, dass ich es einfach vergessen habe. Und ich brauchte die Pille ja auch nicht wirklich.“ Bis Tarek Azzmar aufgetaucht war und sich ihre selbst auferlegte Enthaltsamkeit in Luft aufgelöst hatte.

„Vielleicht warst du so beschäftigt, dass du vergessen hast, die Pille zu nehmen?“

Wieder schuldig. „Ja, aber höchstens für zwei oder drei Tage.“

„Das reicht schon, Kira.“

Plötzlich kam sie sich wie ein ausgemachter Dummkopf vor. „Glaub mir, ich hatte wirklich nicht geplant, mit diesem Mann zu schlafen.“ Sie seufzte schwer.

Maysa lächelte verständnisvoll. „So ist das Leben. Leider lässt sich nicht alles vorausplanen. Kannst du dir vorstellen, wie der Mann die Nachricht von der Schwangerschaft aufnehmen wird?“

Kira hatte keinen Schimmer, wie Tarek reagieren würde. Und ob sie es ihm überhaupt erzählen sollte. „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Tatsächlich kenne ich ihn kaum. Wir waren wohl beide ziemlich überrascht von dem, was passiert ist.“

„Wenn er ein Ehrenmann ist, wird er sich anständig verhalten.“

War Tarek ein Ehrenmann? Alle Anzeichen sprachen dagegen. „Das wird sich mit der Zeit erweisen.“

Maysa stand auf. „Nun, ich denke, das wirst du schon recht bald merken. In der Zwischenzeit empfehle ich dir, ein bisschen kürzerzutreten und auf dich aufzupassen.“

Zwar hatte Kira sich immer gewünscht, irgendwann einmal ein Kind zu haben, aber doch bitte nicht jetzt! Was war mit ihrer Arbeit? „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich die Schwangerschaft mit meinem Job vereinbaren soll. Und ich mag gar nicht daran denken, wie meine Eltern auf die Nachricht reagieren.“

„Sie würden sich nicht über ein Enkelkind freuen?“

„Meine Mutter sicher schon, sie ist Kanadierin und denkt modern. Aber mein Vater stammt aus Bajul und ist ein ziemlicher Traditionalist. Er wird nicht gerade begeistert sein, zu erfahren, dass seine ledige Tochter ein Kind erwartet.“

Maysa legte Kira tröstend die Hand auf die Schulter. „Wenn du wirklich glaubst, dass der Zeitpunkt für ein Baby völlig unpassend ist, bleibt dir immer noch eine Möglichkeit: Du könntest das Kind zur Adoption freigeben.“

Da sie selbst ein Adoptivkind war, was kaum jemand wusste, betrachtete Kira diese Option mit gemischten Gefühlen. „Ich weiß nicht, ob ich mein Baby fremden Menschen anvertrauen könnte.“

„Du musst das nicht jetzt entscheiden. Denk in Ruhe über alles nach und pfleg dich. Ich verschreibe dir noch ein paar Vitamintabletten.“

Kira stand auf und presste die Hand auf ihr schmerzendes Kreuz. Wenigstens hatte sich jetzt eine Erklärung für die Müdigkeit und die Anfälle von Übelkeit gefunden, die sie in letzter Zeit geplagt hatten. Und dafür, weshalb ihre Periode ausgeblieben war. Sie wusste jetzt, woran sie war, und konnte Pläne für die Zukunft schmieden. Und entscheiden, ob diese Pläne den Vater des Kindes mit einbezogen.

Plötzlich überlegte sie ernsthaft, ob es nicht das Beste war, Tareks Angebot anzunehmen. Auf diese Weise würde sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie könnte sich ein bisschen ausruhen und ihn etwas kennenlernen. Nach vierzehn Tagen in seiner Gesellschaft konnte sie bestimmt besser beurteilen, ob er zum Vater taugte.

„Miss Darzin wünscht Sie zu sprechen, Sir.“

So rasch schon? Tarek blickte erstaunt von seinem Schreibtisch auf. „Bitten Sie sie herein, Adara.“ Er legte die Quartalsberichte auf den Beistelltisch und erhob sich aus seinem Stuhl. Wie schon beim ersten Mal, als er Kira auf dem Empfang gesehen hatte, fand er sie auch heute einfach hinreißend.

Nervös zupfte sie am Saum ihres blauen Blazers und fuhr sich mit der Hand durch das kinnlange goldbraune Haar.

„Ich hatte nicht erwartet, dich so schnell wiederzusehen“, begrüßte Tarek sie.

Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. „Hier hat sich ja einiges verändert seit meinem ersten Besuch.“

Ein Besuch, den Tarek nie vergessen würde. Geendet hatte das Ganze auf dem Fußboden im Ballsaal. „Die Suiten im dritten Stock sind noch nicht ganz fertig. Entschuldige meine Neugier, aber wie war der Termin beim Arzt?“

„Alles bestens, ich bin kerngesund.“ Sie durchquerte den Raum, um das prall gefüllte Bücherregal an der Wand hinter ihm zu inspizieren. „Du hast wirklich einen außergewöhnlichen Büchergeschmack. Ich wusste gar nicht, dass du dich für Krimis interessierst.“

Die Hände in die Hosentaschen geschoben, gesellte er sich zu ihr. „Du bist doch sicherlich nicht gekommen, um meine Bücher zu begutachten.“

Endlich sah sie ihn an. „Nein, natürlich nicht. Ich bin hier, weil ich noch ein paar Fragen zu dem Trip nach Zypern habe, bevor ich mich entscheide.“

Sie dachte also tatsächlich darüber nach? Das hatte er nach ihrem letzten Zusammentreffen gar nicht erwartet. „Was möchtest du wissen?“

„Bist du sicher, dass wir nicht länger als zwei Wochen weg sein werden?“

„Ja, falls nicht gerade etwas völlig Unvorhergesehenes passiert. Und selbst wenn, brauchst du nicht länger als vierzehn Tage zu bleiben, das verspreche ich dir. Für den Fall, dass du früher abreisen möchtest, bin ich bereit, dir entgegenzukommen.“

„Dann hast du also nicht vor, mich gegen meinen Willen dort festzuhalten?“, konterte sie mit einem gezwungenen Lächeln.

Ihre Bemerkung ärgerte ihn. „Ich würde nie auf die Idee kommen, eine Frau gegen ihren Willen irgendwo festzuhalten.“ Das hatte er auch gar nicht nötig.

„Nun, das beruhigt mich.“

„Hast du noch weitere Fragen?“

„Allerdings. Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen über deine wahren Motive.“

Das konnte er sogar verstehen. „Hast du Angst, ich will dich verführen? Zu Sex am Strand? In meinem Pool? Oder unter der Dusche?“

„Genau darüber mache ich mir Sorgen.“

Er gab sich unschuldig. „Als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben …“

„Das einzige Mal“, korrigierte sie ihn scharf.

Eine Tatsache, die er bald zu ändern hoffte. Allerdings mit sanfter Überzeugungskraft, nicht mit Gewalt. „Wie ich bereits sagte, ich würde dich niemals zwingen, etwas zu tun, was du nicht tun möchtest. Und ich versichere dir, mir geht es einzig und allein ums Geschäftliche. Wobei ich dem Vergnügen allerdings nicht abgeneigt bin, das gebe ich zu.“

„Das ist mir schon klar, und genau das bereitet mir Kopfschmerzen.“ Sie rauschte an ihm vorbei und setzte sich in einen Clubsessel.

Tarek ließ sich lässig auf das Ledersofa ihr gegenüber fallen. Fasziniert beobachtete er, wie sie sich über die festen Schenkel strich, um ihren Rock zu glätten. Sofort stellte er sich vor, wie sie die Hand über seinen Körper gleiten ließ. Energisch verdrängte er die verlockende Fantasie. „Keine Sorge, ich werde auf Distanz bleiben, wenn du das wünschst.“

„Das wünsche ich“, behauptete sie, doch ihr unsicherer Blick strafte sie Lügen. Was Tarek natürlich nicht entging.

„Selbstverständlich werde ich deine Wünsche respektieren.“ Es sei denn, das heiße Prickeln zwischen ihnen würde so übermächtig, dass er es nicht länger ignorieren konnte …

Sie wirkte nicht überzeugt. „Tarek, du bist ein sehr leidenschaftlicher Mann. Wenn es drauf ankommt, müsstest du dich wirklich zusammenreißen können.“

Da wollte er ihr nicht widersprechen. „Du wirst selbstverständlich deine eigenen Räume haben und musst dich nur während der Arbeitszeit mit mir abgeben.“

Nervös drehte sie den silbernen Ring an ihrer linken Hand. „Weißt du, ich genieße deine Gesellschaft, das war von Anfang an so. Nur möchte ich sie diesmal nicht allzu sehr genießen.“

Äußerst zufrieden über dieses Geständnis neigte er leicht den Kopf und fixierte sie aufmerksam. „Dann hat dir unser … Intermezzo also Spaß gemacht?“

Sie zögerte kurz. „Ja, das gebe ich zu. Bis auf die Sache mit dem Marmorfußboden.“

„Deswegen habe ich dir erlaubt, oben zu sein.“

„Nachdem du mich auf dem Rücken hattest.“

„Weil ich dich so leichter ausziehen und mit meinem Mund …“

„Nicht nötig, ins Detail zu gehen.“ Sie wurde rot.

Jetzt konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Nicht? Ich dachte, du erinnerst dich gerne daran. Nach deinen lustvollen Seufzern zu schließen habe ich dich nicht enttäuscht.“

Abrupt stand sie auf. „Ich bin nicht in der Stimmung, in Erinnerungen zu schwelgen. Ich muss zum Palast zurück.“

Tarek erhob sich ebenfalls. „Also sehe ich dich morgen im Flieger?“

Sie antwortete nicht sofort. „Ich sage dir heute Abend beim Dinner im Palast Bescheid.“

Nachdem Kira gegangen war, setzte sich Tarek wieder hinter seinen Schreibtisch, um seinen täglichen Anruf bei der anderen Frau in seinem Leben zu machen. Wenn er das nicht sofort erledigte, würde er die Nachlässigkeit später bereuen, das wusste er. Wenige Sekunden später hörte er das vertraute „Ahlan?“

Er beschloss, ihr nicht auf Arabisch, sondern auf Englisch zu antworten, um ihre Fortschritte beim Erlernen dieser Sprache zu testen. „Hast du mein Geschenk bekommen, Yasmin?“

„Oh ja!“, jubelte sie mit der typischen Begeisterung eines fünfjährigen Mädchens. „Er ist so süß.“

Süß? Sehr schmeichelhaft für die zerzauste Promenadenmischung. „Schön, dass du dich gefreut hast. Wirst du auch gut auf ihn aufpassen?“

„Ja. Ich verspreche dir, ihn immer zu füttern und ihm Wasser zu geben und ihn Gassi zu führen. Wie sollen wir ihn nennen?“

„Das darfst du ganz allein entscheiden, Yasmin.“

„Ich überlege mir einen Namen. Wann kommst du nach Hause? Hoffentlich bald.“

Da musste er sie leider enttäuschen. „Ich habe dir doch von dem neuen Hotel erzählt. Da wartet noch eine Menge Arbeit auf mich.“

„Immer musst du arbeiten. Kannst du mich nicht mitnehmen?“

Unmöglich. Jedenfalls im Moment noch. Kaum jemand wusste von Yasmin, und das sollte auch so bleiben. „Vielleicht später mal. Inzwischen pass gut auf dich auf.“

„Das mach ich.“

„Ich sehe dich in einem Monat, wenn ich nach Hause komme.“

Schweigen am anderen Ende. Dann ein leises Wispern: „Ich vermisse dich.“

„Ich vermisse dich auch, Yasmin.“ Das tat er wirklich. Obwohl Sentimentalität ihnen beiden nicht guttat.

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, kehrten seine Gedanken zu Kira zurück. Wie sie wohl reagieren würde, wenn sie von Yasmin wüsste? Er würde es ihr natürlich nicht sagen, so wie er im Grunde nichts über sein Privatleben preisgab. Sie bildete sich ein, dass sie perfekt über die Gäste informiert war, die im Palast ein und aus gingen. Kira ahnte ja nicht, dass sie absolut gar nichts über ihn wusste.

Nicht nur in Bezug auf Yasmin. Niemand wusste, dass er den Schlüssel zur Lösung des Mehdi-Puzzles in den Händen hielt. Ohne das schlechte Gewissen und die überwältigenden Schuldgefühle eines alten Mannes wäre das Geheimnis wohl mit seinen Eltern begraben worden.

Aus Respekt vor dem Andenken seiner Mutter fühlte sich Tarek dazu verpflichtet, das Geheimnis weiterhin zu bewahren, obwohl er diese Verstellung allmählich leid war. Er wollte endlich Antworten haben. Und er hatte sich geschworen, alles zu tun, um diese Antworten zu bekommen. Kira Darzin konnte ihm dabei behilflich sein, das hoffte er wenigstens.

Ihre Position brachte es mit sich, dass sie eine Menge über die Mehdis wusste. Er wollte ihr Vertrauen gewinnen, damit sie dieses Wissen mit ihm teilte. Eigentlich war das von Anfang an sein Ziel gewesen, bis sein leidenschaftliches Verlangen seine Pläne durchkreuzt hatte. Kein kluger Schachzug, aber es war nun einmal passiert.

Von nun an musste er sich zusammenreißen. Musste versuchen, in ihrer Gegenwart kühlen Kopf zu bewahren. Er durfte sich nicht von seinen Gefühlen steuern lassen.

Falls sein Plan scheiterte, mithilfe von Kira der Lösung des Rätsels ein Stück näherzukommen, würde er alles auf eine Karte setzen. Er würde sich in die Gunst der Mehdi-Söhne einschleichen und dann die Bombe platzen lassen und sich ihnen als ihr Bruder zu erkennen geben: der uneheliche Sohn des ehemaligen Königs von Bajul.

2. KAPITEL

Pünktlich um sechs Uhr bereitete sich Kira darauf vor, der königlichen Familie wie jeden Abend ihre Aufwartung zu machen. Es gehörte zu ihren Aufgaben, sich davon zu überzeugen, dass es ihnen an nichts fehlte.

Nur, dass heute alles anders war. Heute musste sie dem Vater ihres Kindes gegenübertreten.

Im Speisezimmer saß die Familie bereits um den großen Mahagonitisch versammelt: König Rafiq und seine Frau Maysa sowie das frisch verheiratete Paar Adan und Piper. Und ein gut aussehender Gast, der den Ehrenplatz neben dem König innehatte. Wer die Mehdis nicht kannte, hätte ihn für ein Mitglied der Familie halten können. Dabei waren Big Business und sein verschwenderisch gutes Aussehen alles, was ihn mit dem Königshaus verband.

Tarek sah sie an, und sofort fühlte sie sich von seinem Blick wie hypnotisiert, konnte nicht wegschauen. Es war wie ein magischer Fluch …

Ja, genau, magisch. Das war die passende Beschreibung für seine leidenschaftlichen Küsse, die geschickten Hände, seine beeindruckende Potenz …

„Gibt es noch Brötchen, Kira?“

Adans Frage katapultierte sie unsanft ins Hier und Jetzt zurück. Mit brennenden Wangen wandte sie sich dem jüngsten Prinzen zu. „Wie bitte?“

Er hielt den leeren Brotkorb hoch. „Wir haben kein Brot mehr.“

„Ich kümmere mich sofort darum.“

„Und, Kira, wenn es keine Umstände macht, hätte ich gerne noch mehr Wasser“, bat Adans Frau. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, wobei Kira einen Blick auf ihren runden Babybauch erhaschte. „Ich habe so schrecklichen Durst, dass man meinen könnte, ich bin mit einer Forelle schwanger.“

Als Adan und Piper einen verliebten Blick wechselten, durchzuckte Kira ein eifersüchtiger Stich. Piper würde ihr Kind nicht allein aufziehen müssen, sie hatte einen treuen Partner an ihrer Seite.

Ob das bei ihr selbst auch der Fall sein würde, musste sich erst noch herausstellen. „Ich werde gleich dafür sorgen, dass das Mädchen eine ganze Karaffe Wasser holt. Das hätte sie eigentlich längst tun sollen, aber sie ist neu und noch unerfahren.“

„Ich glaube, sie ist ganz geblendet von unserem heutigen Gast“, meinte Piper mit einem Augenzwinkern in Tareks Richtung.

Gelassen nahm Tarek die neckende Bemerkung zur Kenntnis, erwiderte aber nichts darauf. Kira richtete ihre Aufmerksamkeit auf den ältesten Mehdi-Sohn. „Ist das Dinner nach Ihrem Geschmack, Hoheit?“

„Es schmeckt wie immer köstlich“, erwiderte Rafiq, bevor er sich an seinen Gast wandte: „Möchten Sie vielleicht noch etwas Hühnchen-Kebab, Mr. Azzmar?“

Der schob seinen leeren Teller zur Seite und sah Kira an. „Danke, im Moment nicht. Es war wirklich sehr delikat, besonders die Joghurt-Knoblauch-Soße. Bitte richten Sie dem Koch meine Komplimente aus.“

„Willst du dich nicht lieber persönlich bedanken? Und bei der Gelegenheit gleich noch mal die hübsche Bedienung mit deiner Anwesenheit beglücken?“, schlug Adan mit einem jungenhaften Grinsen vor.

Piper stupste ihren Mann in die Seite. „Hör auf damit, Adan. Wenn jemand keine Unterstützung beim Daten braucht, dann Tarek.“

„So war das doch gar nicht gemeint, Weib“, meinte Adan lachend. „Ich wollte nur noch mal darauf hinweisen, wie entzückt das neue Mädchen über Tareks Anwesenheit zu sein scheint.“

„Deine Frau hat recht“, sagte Tarek. „Ich bin ziemlich wählerisch bei meinen Damenbekanntschaften. Obwohl das Mädchen zweifellos sehr hübsch ist, ist sie viel zu jung für mich. Außerdem interessiere ich mich nicht für sie.“

Wieder warf er Kira einen heißen Blick zu. Rasch schnappte sie sich den Brotkorb vom Tisch und trat den Rückzug an. „Gerne richte ich dem Küchenchef Ihr Lob aus, Mr. Azzmar. Und ich schicke jemanden mit Brot und einer Karaffe Wasser. Gute Nacht.“

Damit verschwand sie in die Küche. „Bringen Sie sofort mehr Brot und Wasser hinein“, wies sie das neue Mädchen streng an. „Es ist wichtig, dass Sie sich ganz auf die Bedürfnisse der Familie und ihrer Gäste konzentrieren. Prinz Adan zum Beispiel braucht mehr Brot als die anderen. Und es muss immer eine Karaffe mit frischem Wasser auf dem Tisch stehen.“

Die junge Frau beeilte sich, das Gewünschte ins Speisezimmer zu bringen. Seufzend lehnte sich Kira gegen den großen Arbeitstisch aus Edelstahl, während der Küchenchef am Herd hantierte. Dort, wo früher immer ihre Mutter gestanden hatte, um letzte Hand an das Dessert zu legen, während die anderen schon anfingen, die Küche aufzuräumen.

Mit den Fingerspitzen rieb sich Kira die Schläfen, um den Kopfschmerz zurückzudrängen, der sich anbahnte. Der Grund für ihre Kopfschmerzen saß im Speisezimmer und benahm sich, als gehörte ihm der Palast.

Ein arroganter Kerl. Ein umwerfender Egomane. Eine Schwäche, die sie sich nicht erlauben durfte.

„Könnte ich vielleicht kurz allein mit Ihnen reden, Miss Darzin?“

Wenn man vom Teufel sprach …

Kira drehte sich zu Tarek um. „Ich fürchte, ich bin im Moment ziemlich beschäftigt, Mr. Azzmar.“

Selbstbewusst kam Tarek in die Küche geschlendert, die Hände lässig in den Hosentaschen. „Dann erlauben Sie mir, Ihnen Gesellschaft zu leisten, während Sie Ihre Pflichten erledigen. Gleichzeitig könnten wir über unsere Pläne sprechen.“

Hier vor dem Personal? Auf keinen Fall. „Ich denke, wir könnten uns kurz auf dem Flur über Ihre Bedürfnisse unterhalten.“ Ups, wie klang das denn? Kira wurde rot. „Ich meine, die Bedürfnisse an Ihre persönliche Assistentin.“

„Ah ja, diese Bedürfnisse.“ Er deutete einladend zum Durchgang Richtung Flur. „Nach Ihnen bitte.“

Kira floh förmlich aus dem Raum, wobei sie sich der neugierigen Blicke des Personals nur zu bewusst war. Ihren Quälgeist im Schlepptau, marschierte sie den Flur entlang und stieß die Tür zum Innenhof auf. Dort fuhr sie herum, wobei sie beinahe mit Tarek zusammenstieß. „Würde es dir etwas ausmachen, mir Luft zum Atmen zu lassen?“

Bedächtig trat er einen Schritt zurück. „Besser so?“

Besser wäre es, der aufdringliche Kerl würde ans andere Ende der Welt verschwinden! „Es geht schon. Aber komm bitte nicht näher.“

Seine Miene wurde ernst. „Hast du Angst vor mir, Kira?“

„Natürlich nicht.“ Sie hatte nur Angst vor den Gefühlen, die er in ihr weckte.

„Du weißt doch, dass ich nie etwas tun würde, um dich zu verletzen, oder?“

„Ja, das weiß ich.“ Körperlich würde er ihr nie wehtun, aber was war mit ihrem Herzen?

Er seufzte erleichtert. „Ich gestehe, dass mich dein Verhalten in letzter Zeit ziemlich irritiert. Als wir uns kennengelernt haben, gab es genug Gelegenheit, dich zu verführen. Aber ich habe es nicht getan. Stattdessen haben wir viele anregende Stunden damit verbracht, uns zu unterhalten. Bis zu jener einen Nacht, in der wir zusammen waren. Eigentlich ging ich davon aus, dass wir einander vertrauen.“

„Das dachte ich auch. Bis zu jener Nacht.“

„Hm, habe ich da etwas falsch gedeutet? Ich könnte schwören, dass es dir gefallen hat.“

„Das hat es auch. Wir sind schließlich beide erwachsene Menschen, die wissen, was sie tun.“

„Warum behandelst du mich dann wie einen Aussätzigen?“

Er hatte nichts verstanden, und Kira bezweifelte, dass sie es ihm begreiflich machen konnte. Trotzdem musste sie es versuchen.

„Das ist nicht meine Absicht. Was zwischen uns passiert ist, war ein Fehler. Zum einen hätte ich mich nie mit einem Gast des Palasts einlassen dürfen. Zum anderen bist du nicht der Typ Mann, der einer Frau treu sein kann. Das habe ich begriffen, nachdem du einfach verschwunden warst, ohne wieder von dir hören zu lassen. Du hast mich weggeworfen wie ein altes Kleidungsstück.“

Verärgerung blitzte in seinen dunklen Augen auf. „Das ist eine heftige Unterstellung, Kira. Wie ich schon sagte, ich musste wegen dringender Geschäfte abreisen. Außerdem behandle ich Frauen nicht wie eine Ware.“

„Warum hast du mir dann nicht einfach gesagt, dass du abreisen musst?“

„Ich habe nur deinen Wunsch respektiert, mich von dir fernzuhalten.“

„Okay, aber ich meinte nicht, dass wir komplett den Kontakt abbrechen sollten. Durch dein Verhalten habe ich mich benutzt gefühlt.“

Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Dann muss ich mich wohl bei dir entschuldigen. Ich finde es sehr schade, dass du mir unterstellst, unsere Begegnung hätte mir überhaupt nichts bedeutet. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich dich in diesem Moment nicht will. Und ich möchte nicht versprechen, dass ich mein Verlangen in Zukunft einfach abstellen kann. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, solltest du mich besser nicht nach Zypern begleiten. Die Entscheidung liegt bei dir.“

Damit wandte er sich zum Gehen. Kira wurde schmerzlich bewusst, dass sie die vielleicht einzige Gelegenheit, ihn besser kennenzulernen, verpassen würde, wenn sie sein Angebot ablehnte. Ihrem Baby zuliebe durfte sie das nicht riskieren. „Tarek, warte. Wir müssen reden.“

Mit einem frustrierten Blick drehte er sich noch einmal um. „Ich habe alles gesagt, was es in dieser Angelegenheit zu sagen gibt“, bemerkte er steif.

„Aber ich nicht.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Tut mir leid, dass ich voreilige Schlüsse gezogen habe. Schon klar, du hast nur versucht, meine Wünsche zu respektieren. Vielleicht sollten wir einfach noch mal von vorn anfangen und unsere ursprüngliche Beziehung wiederbeleben?“

„Und die wäre?“

„Freundschaft.“ Als er die Stirn runzelte, fügte sie hinzu: „Es sei denn, du kannst mit einer Frau nicht einfach nur befreundet sein.“

„Ich finde es ein bisschen schwierig nach dem, was zwischen uns passiert ist. Aber ich werde es versuchen.“

„In dem Fall werde ich dich nach Zypern begleiten.“

„Tatsächlich?“ Das klang ungläubig.

„Ja. Wir können die Zeit nutzen, einander ein bisschen besser kennenzulernen.“

Seine Miene wurde skeptisch. „Du musst wissen, dass ich nicht gerne über mein Privatleben rede.“

„Ich erwarte ja keinen Seelenstriptease oder Einblick in deine Geschäftskonten. Und ich will auch gar nicht all deine Geheimnisse kennen“, versuchte sie zu scherzen.

Abrupt verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in eine undurchdringliche Maske. „Wie kommst du darauf, dass ich Geheimnisse habe?“

Seine barsche Reaktion alarmierte Kira. Das sah ja ganz so aus, als ob er tatsächlich etwas vor ihr verheimlichte. Genau wie sie vor ihm. „Jeder Mensch hat Geheimnisse, Tarek“, erwiderte sie leichthin. „Also, steht dein Angebot noch?“, fragte sie, wobei sie sich bemühte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie plötzlich fürchtete, er könnte es sich anders überlegt haben.

„Ja. Mein Fahrer holt dich morgen um vier Uhr nachmittags ab und bringt dich zum Flughafen.“

Also blieben ihr weniger als vierundzwanzig Stunden für die Vorbereitungen. Genau gesagt, zweiundzwanzig Stunden, um ihre Meinung doch noch zu ändern. Aber dazu war es im Grunde zu spät, sie hatte sich schon zu weit aus dem Fenster gelehnt. „Dann bis morgen Nachmittag.“

„Ich freu mich darauf. Schlaf gut, Kira.“

„Du auch, Tarek.“

Keiner von ihnen rührte sich von der Stelle. Die Atmosphäre war plötzlich aufgeladen mit einem elektrisierenden Prickeln.

Ihr Wunsch, ihn zu küssen, wurde beinahe übermächtig. Sicherheitshalber trat Kira den Rückzug Richtung Tür an. Als sie an Tarek vorbeigehen wollte, umfasste er ihr Handgelenk und hielt sie zurück.

„In diesen vierzehn Tagen möchte ich wenigstens dein Vertrauen zurückgewinnen, Kira“, bekannte er ernst. „Mehr erwarte ich gar nicht.“

Sie antwortete mit einem unsicheren Lächeln und ließ ihn dann einfach stehen, ohne noch etwas zu sagen.

Vertrauen – das war ein heikles Thema. Denn wenn Tarek Azzmar erst erfuhr, was sie vor ihm verheimlichte, würde er ihr wahrscheinlich nie wieder vertrauen.

„Bist du beschäftigt, cara?“

Kira blickte von dem geöffneten Koffer auf ihrem Bett auf und sah Elena Battelli im Türrahmen stehen. Die in Italien geborene Frau kam herein, wobei sie sich gedankenverloren über das sorgfältig frisierte graue Haar strich. Wie alle anderen trug sie die Standarduniform des Palasts, ein marineblaues Kostüm.

„Für dich habe ich immer Zeit, Elena“, begrüßte Kira ihren Gast freundlich.

„Schön. Es dauert auch nur ein paar Minuten.“

Kira schloss den Koffer und stellte ihn auf den Boden. „Fertig. Habe ich etwas vergessen, als wir vorhin zusammen den Terminplan durchgegangen sind?“

„Nein, jedenfalls nichts, was die Arbeit betrifft. Aber ich habe eine wichtige Frage.“

„Ja?“

Elena hockte sich auf die Bettkante. „Wie gut kennst du diesen Tarek Azzmar?“

Das hatte Kira nicht erwartet. Sie beschloss, Elena eine Halbwahrheit aufzutischen. „Ich bin ihm ein paarmal bei gesellschaftlichen Anlässen begegnet. Warum?“

„Unter dem Personal kursiert das Gerücht, dass du und Mr. Azzmar … Wie soll ich sagen? Dass ihr ein Liebespaar seid.“

Kira traf fast der Schlag. „Ach, du weißt doch, was die Leute immer reden, Elena“, meinte sie leichthin, nachdem sie die Sprache wiedergefunden hatte. „Typischer Palasttratsch eben. Du darfst nicht alles glauben, was du hörst.“

„Warum wirst du dann rot, cara?“

Automatisch flogen ihre Hände zu ihren brennenden Wangen. „Es ist mir peinlich, dass du so etwas über mich denkst.“

„Dann hast du keine Affäre mit Mr. Azzmar?“

„Nein, habe ich nicht.“ Jedenfalls nicht mehr.

„Er ist also auch nicht der Vater deines ungeborenen Kindes?“

Geschockt ließ sich Kira auf die Bank neben ihrem Bett fallen. Sah man ihr die Schwangerschaft etwa schon an? Hatte Maysa die ärztliche Schweigepflicht gebrochen und es Elena erzählt? Beide Vorstellungen waren absurd. „Wie kommst du bloß auf die Idee, ich könnte schwanger sein?“

Elena zog ein weißes Plastikröhrchen aus ihrer Blazertasche. „Das ist dir aus der Tasche gefallen, als du es nach unserem Meeting so eilig hattest.“

Die Vitamintabletten! Speziell für werdende Mütter. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können? Hektisch zermarterte sich Kira das Hirn nach einer Ausrede. „Ich habe irgendwo gelesen, man kriegt davon glänzende Haare und feste Fingernägel.“

So leicht ließ sich die ältere Dame nicht hinters Licht führen. „Mir kannst du nichts vormachen, meine Liebe, also versuch es gar nicht erst“, kommentierte sie trocken.

Nein, natürlich nicht. Dazu war Elena viel zu klug und lebenserfahren. Seufzend sackte Kira in sich zusammen. Aus der Nummer kam sie nicht mehr raus. Außerdem war sie es inzwischen leid, eine Tatsache zu leugnen, die sie eigentlich mit Freude erfüllen müsste.

„Na gut, ich bin schwanger. Aber ich möchte auf keinen Fall, dass das bekannt wird, bevor ich es nicht dem Vater des Babys erzählt habe.“ Und ihren armen, ahnungslosen Eltern.

Elena nahm Kiras Hand. „Du bist nicht verpflichtet, den Namen des Mannes preiszugeben, der dich flachgelegt hat.“

Flachgelegt? Das aus dem Mund der vornehmen Elena? Kira konnte nicht anders, sie musste lachen. Aber schnell ging das Lachen in Schluchzen über, und die Tränen begannen zu fließen. Als Elena ihr ein Taschentuch in die Hand drückte und tröstend ihren Arm tätschelte, wurde es nur noch schlimmer.

„Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll. Ich habe solche Angst davor, wie Tarek auf die Nachricht reagieren wird.“ Ups … jetzt hatte sie doch glatt den Namen ausgeplaudert. „Tut mir leid, dass ich dich angelogen habe.“

„Das verstehe ich doch, cara“, erwiderte Elena mitfühlend. „Eine solche Nachricht posaunt man nicht in der Gegend herum, besonders, wenn derjenige, den es betrifft, noch gar nichts von seinem Glück weiß. Ich nehme an, du willst es ihm sagen, wenn ihr zusammen unterwegs seid, oder?“

Kira wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob ich es ihm überhaupt erzählen soll. Ich habe mich nur bereit erklärt, ihn zu begleiten, um ihn ein bisschen besser kennenzulernen. Um einschätzen zu können, wie er die Neuigkeit aufnimmt. Wahrscheinlich auch, um herauszufinden, ob er überhaupt als Vater meines Kindes taugt.“

„Dann willst du das Baby also behalten?“

Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. „Maysa und ich haben uns kurz über die Möglichkeit einer Adoption unterhalten, aber ich weiß nicht, ob ich es fertigbringe, mein Baby wegzugeben. Findest du das sehr egoistisch von mir?“

„Aber nein, cara mia. Ich finde das sehr mütterlich gedacht.“

Ein versonnenes Lächeln legte sich um Elenas Lippen, und Kira fragte: „Woran denkst du?“

„An den Tag, als deine Eltern dich nach einem längeren Aufenthalt in Kanada mit nach Bajul zurückgebracht haben. Alle nahmen an, Chandra hätte ihre Schwangerschaft geschickt vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen. Mir war das gleich suspekt, und ich habe vermutet, dass sie dieses kostbare Geschenk in Kanada erhalten haben. Was deine Mutter mir dann auch wenig später bestätigt hat.“

Kira hielt den Atem an. „Du weißt, dass ich adoptiert bin?“ Elena wurde ihr allmählich unheimlich.

„Ja, ich wusste es von Anfang an und habe das Geheimnis die ganze Zeit bewahrt. Keine Angst, ich behalte auch dein Geheimnis für mich.“

Daran zweifelte Kira keinen Augenblick. Sie fragte sich nur, welche Geheimnisse die alte Dame wohl noch hüten mochte. „Weißt du vielleicht etwas über meine leiblichen Eltern, außer dass sie sehr jung waren? Mutter und Vater weigern sich partout, meine Fragen zu diesem Thema zu beantworten. Und als ich mal versucht habe, Kontakt zu meiner leiblichen Mutter aufzunehmen, wollte die nicht mit mir sprechen.“

Elena schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Tut mir leid, dass deine Eltern dir nichts erzählen wollen, in gewisser Weise kann ich sie allerdings verstehen. Mein Sohn ist das beste Beispiel. Adan hat die meiste Zeit seines Lebens geglaubt, eine andere Frau sei seine Mutter.“

Kira legte Elena einen Arm um die Schultern und drückte sie sanft. „Dir blieb ja gar keine andere Wahl, Elena. Du hast nur König Aadils Befehl gehorcht. Wenigstens habt ihr beide jetzt noch Gelegenheit, euch als Mutter und Sohn kennenzulernen.“

„Na ja, aber nicht in der Öffentlichkeit. Nur sehr wenige Menschen kennen die Wahrheit, und das ist auch gut so. Einen weiteren Skandal kann Rafiq nicht gebrauchen. Die Leute haben ja gerade erst geschluckt, dass er eine geschiedene Frau geheiratet hat.“

Das stimmte. Und es wäre ein weiterer Skandal, wenn durchsickerte, dass Tarek der Vater ihres Kindes war. Vielleicht sollte ich lieber die Segel streichen und nach Kanada übersiedeln, dachte Kira. Nein. Dort wäre sie völlig abhängig von ihren Eltern, und das könnte sie nicht ertragen. Außerdem wäre sie ständig der Missbilligung ihres Vaters ausgesetzt, der wenig begeistert sein dürfte, dass sie als unverheiratete Frau schwanger war.

Welche anderen Möglichkeiten blieben ihr aber?

Kira war schlichtweg zu erschöpft, um so weit zu denken. Sie versuchte, ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verstecken. Was ihr natürlich nicht gelang.

Elena tätschelte ihr liebevoll die Wange. „Du musst schlafen, cara mia. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mit Adan schwanger war. Manchmal bin ich mitten im Satz weggenickt.“

Kira stand auf und zog Elena rasch in die Arme. „Danke, dass ich mich bei dir ausheulen durfte. Ich bin ja so erleichtert, dass ich jemanden zum Reden habe. Dir kann ich vertrauen.“

„Du kannst mir immer vertrauen, Liebes. Und falls du nach deiner Reise meinen Rat brauchst, bin ich für dich da.“

„Danke.“

Auf dem Weg zur Tür drehte Elena sich noch einmal um. „Ich wünsche dir so sehr, dass Tarek Azzmar sich als Ehrenmann und guter Vater erweist. Jedes Kind hat es verdient, alles über seine Herkunft zu erfahren. Aber das weißt du ja besser als jeder andere.“

Damit verließ sie das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Während Kira sich bettfertig machte, dachte sie über Elenas Worte nach. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie Tarek vertrauen konnte. Doch ihre Erfahrung in der Vergangenheit riet ihr, äußerst vorsichtig zu sein. Vor acht Jahren hatte sie eine harte Lektion lernen müssen, als ihr Verlobter sich als gemeiner Schuft entpuppt hatte.

Sie konnte nur hoffen, dass sie sich nicht in Tarek täuschte. Dass er nicht auch bloß so ein Kerl war, der den Wert einer Frau nach ihrer Herkunft beurteilte. Und der sie benutzte, um sie dann fallen zu lassen wie ein nasses Handtuch.

Es würde sich noch herausstellen, ob der wirkliche Tarek Azzmar eine riesige Enttäuschung oder eine angenehme Überraschung war.

3. KAPITEL

Tarek konnte es kaum glauben, als er Kira durch die Tür an Bord seines Privatjets kommen sah. Was für eine angenehme Überraschung! Im nächsten Moment verpasste ihre unterkühlte Begrüßung ihm eine kalte Dusche.

Verdammt, sie machte es ihm wirklich nicht leicht.

Heute sah sie wieder mal zum Anbeißen aus in ihrer taillierten blauen Bluse und dem engen weißen Rock, der ein gutes Stück über ihren Knien endete. Sofort überlegte Tarek, wie er sie wohl am schnellsten ins Bett kriegen könnte. Aber in diese Richtung durfte er nicht einmal denken. Sie hatten sich auf eine rein freundschaftliche Beziehung geeinigt, daran musste und wollte er sich halten. Auch wenn ihm das verdammt schwerfallen würde.

Höflich führte er sie zu ihrem Platz, einem bequemen schwarzen Ledersessel, und setzte sich ihr gegenüber. Während des Starts schwiegen sie, auch danach sagte keiner ein Wort, bis die Durchsage vom Piloten kam, dass sie sich jetzt abschnallen konnten.

Tarek öffnete seinen Sicherheitsgurt, und Kira zog eine Zeitschrift aus der Tasche zu ihren Füßen.

Er stand auf. „Möchtest du etwas trinken?“

„Nein, danke.“ Sie schaute sich interessiert um. „Hey, ich bin schwer beeindruckt. Die Maschine ist sogar noch luxuriöser ausgestattet als der Jet der Mehdis, nur kleiner. Alles ist in Schwarz und Weiß gehalten, sehr elegant. Es erinnert mich irgendwie an eine exklusive Boutique mit Flügeln. Es wundert mich nur, dass du nicht auch noch einen Buffetkellner an Bord hast.“

„Nicht nötig, der Flug dauert ja nicht lange.“

„Drei Stunden ist nicht gerade kurz.“

„Aber auch nicht lang genug, um den Aufwand zu rechtfertigen.“ In Wirklichkeit legte Tarek sehr viel mehr Wert darauf, mit ihr allein zu sein, als darauf, sich bedienen zu lassen. „Du wirst also mit mir als Gastgeber vorliebnehmen müssen. Dein Wunsch ist mir Befehl.“

„Wie gesagt, im Moment habe ich keine Wünsche. Trotzdem vielen Dank für deine Gastfreundschaft.“

Leicht frustriert holte Tarek eine Flasche Wein aus dem Bordkühlschrank. Die hatte er für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt. Aber offensichtlich war es für Kira keine besondere Gelegenheit, mit ihm zu reisen. Trotzdem, er brauchte etwas, um die Spannung zu lösen. Gerne auch ein Glas von diesem zwanzigtausend Dollar teuren französischen Premier Cru.

Wieder zurück an seinem Platz, fand Tarek Kira in ihre Zeitschrift vertieft vor. „Was liest du da?“

Kira hob den Blick. „Ach, nur etwas, um die Zeit zu vertreiben.“

„Ich halte nichts von diesen Klatschblättern.“

Mit dieser Bemerkung erntete er ein missbilligendes Stirnrunzeln. „Das ist kein Klatschblatt, sondern es werden Bücher und Filme rezensiert. Außerdem gibt es einige interessante Storys.“

„Wenn man sich für Seitensprünge, Drogenmissbrauch und geheime Schwangerschaften von Hollywoodstars interessiert. Das alles macht mich krank.“

Sie zog die Brauen hoch. „Die Fotos oder die schwangeren Stars?“, bemerkte sie spitz.

„Beides. Es scheint ein Hobby der Reichen und Schönen dieser Welt zu sein, sich unkontrolliert zu vermehren, ob nun mit oder ohne Trauschein.“

„Ah, jetzt verstehe ich. Du bist Traditionalist und hältst nichts von unverheirateten Müttern.“

Sie verstand gar nichts, aber wie sollte sie auch? „Ich bin Pragmatiker. Ob jemand ein uneheliches Kind kriegt, interessiert mich nicht. Für mich zählt nur, in welche Verhältnisse ein Kind hineingeboren wird. Meiner Meinung nach ist es eine Schande, so ein kleines, unschuldiges Wesen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen.“

Kira wich seinem Blick aus und stopfte die Zeitschrift wieder in die Tasche zurück. „Zumindest ist es ein großes Risiko.“

Er trank einen Schluck Wein. „Ich jedenfalls hätte keine Lust, jeden Tag mikroskopisch seziert zu werden.“

„Ach ja? Aber anscheinend hast du kein Problem damit, dein Konterfei ständig auf den Titelblättern einschlägiger Finanzmagazine abgelichtet zu sehen.“

„Woher weißt du das denn?“

„Das Internet. Als du das erste Mal zu Gast im Palast warst, habe ich ein bisschen über dich recherchiert.“

„Auf Befehl des Königs?“

„Nein, aus eigenem Antrieb. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mich so gut wie möglich über die Gäste des Königshauses zu informieren.“

Er entspannte sich. „Und was hast du sonst noch über mein Leben in Erfahrung gebracht?“

Sie zuckte die Achseln. „Nicht besonders viel. Nur, dass du zu den fünfzehn reichsten Menschen der Welt gehörst.“

„Zu den zehn reichsten Menschen.“

„Vergib mir meine Unwissenheit. Ich weiß auch, dass du eine Art Philanthrop bist. Irgendwo habe ich einen Artikel gelesen, dass du vor einiger Zeit ein Waisenhaus in Mexico City gegründet hast.“

Die Realisierung dieses Projekts war ihm eine Herzensangelegenheit gewesen. „Es bestand Bedarf, und ich habe die nötigen Mittel, um diesen Bedarf zu decken.“

„Und dass du dadurch Steuern abschreiben kannst, tut sicher auch nicht weh.“

Es ging ihm auf die Nerven, dass sie ständig seine Motive hinterfragte. „Ich besitze Unternehmen in vielen Ländern der Welt, die alle ein unterschiedliches Steuersystem haben. Wenn ich etwas spende, tue ich es ganz gewiss nicht aus Steuergründen, da kannst du sicher sein.“

„Tut mir leid“, meinte sie zerknirscht. „Ich tendiere dazu, Männern mit Millionen auf dem Konto zu misstrauen.“

„Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Aus persönlichen Gründen“, erwiderte sie ausweichend.

Er ahnte, welche Gründe das waren. „Wer war er?“

„Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.“

Die Art, wie sie unbehaglich in ihrem Sitz hin und her rutschte, verriet ihm, dass er voll ins Schwarze getroffen hatte. „Wer war der reiche Kerl, der dir das Herz gebrochen hat?“

Seufzend unterdrückte sie ein Gähnen. „Na gut, du hast recht. Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Mit meinem Verlobten. Wenn du erlaubst, möchte ich nicht weiter darüber reden. Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen und würde jetzt gerne ein Nickerchen machen.“

Tarek nahm sich fest vor, das Thema später wiederaufzugreifen. „Es dauert noch ein bisschen, bevor wir in Zypern landen. Dir bleibt also Zeit genug, dich auszuruhen. Du findest die Schlafkabine im hinteren Teil des Flugzeugs.“

„Oh. Um ein Nickerchen zu machen, brauche ich kein Bett. Ich bleibe einfach hier sitzen.“

„Falls du befürchtest, dass ich dir folge, mach dir keine Sorgen. Ich brauche keinen Schlaf.“

„Ich wage zu bezweifeln, dass du mir folgen würdest, um Schlaf nachzuholen.“

Er grinste schelmisch. „Du kennst mich gut.“

„Nicht so gut, wie ich hoffe, dich am Ende dieser Reise zu kennen.“

Eine seltsame Bemerkung. „Wenn du also mein Bett verschmähst, dann mach es dir wenigstens in deinem Sitz bequem. Drück einfach den Knopf in der rechten Armlehne, damit lässt sich die Fußstütze ausfahren. Links kann man die Rückenlehne verstellen.“

Nachdem Kira es sich gemütlich gemacht hatte, drehte sie sich auf die Seite und schloss die Augen. „Weck mich bitte in einer halben Stunde.“

Tarek betrachtete die Frau, die er so heiß und leidenschaftlich kannte. Im Schlaf sah sie unschuldig und harmlos aus. Dabei war sie alles andere als das. Aufregend, experimentierfreudig … so hatte er sie erlebt. Allein der Gedanke an ihre gemeinsame Nacht erregte ihn so sehr, dass er hart wurde.

Er konnte den Blick nicht von ihr lösen, nutzte die Gelegenheit, ihr Gesicht genau zu studieren, das energische kleine Kinn, die zarte Haut mit dem goldbraunen Schimmer. Ihre Haut war nicht so dunkel wie die der Frauen aus Bajul, und er erinnerte sich daran, dass ihre Mutter kanadische Wurzeln hatte. Auf jeden Fall war Kira einfach hinreißend, und er kapitulierte jedes Mal vor ihrer Schönheit.

Die zwei gemeinsamen Wochen, die vor ihnen lagen, wollte er nutzen, um mehr über sie zu erfahren. Ganz besonders interessierten ihn Details über diesen Mistkerl, der sie offensichtlich sehr verletzt und ihr Männerbild geprägt hatte. Tarek wollte ihr beweisen, dass er nicht der Typ war, der Frauen falsche Hoffnungen machte.

Irgendwann später wollte er heiraten und eine Familie gründen. Aber erst, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, noch mehr Wohlstand und Macht zu erlangen. Genug Wohlstand und Macht, um es mit den Mehdis aufzunehmen. Gab es einen besseren Weg, sich dafür zu rächen, dass man ihn um sein Geburtsrecht betrogen hatte?

Kira konnte sich gerade lange genug wach halten, um das Flugzeug zu verlassen, nachdem es in Zypern gelandet war, und in Tareks luxuriöse schwarze Limousine überzuwechseln. In den bequemen weichen Rücksitzen wurde sie schon wieder müde und schlief ein. Als sie aufwachte, stellte sie erschrocken fest, dass sie den Kopf an seine Schulter gelegt hatte.

Himmel, hoffentlich hatte sie nicht geschnarcht oder, schlimmer noch, gesabbert!

Blitzschnell richtete sie sich auf und rutschte ein Stück zur Seite. Verlegen zerrte sie den Rocksaum, der unanständig weit hochgerutscht war, Richtung Knie. „Tut mir leid, ich war wohl müder, als mir bewusst war.“

„Kein Grund, sich zu entschuldigen. Ich habe es genossen, dich so dicht bei mir zu haben. Na ja, zugegeben, ich hatte schon damit gerechnet, dich ins Haus tragen zu müssen. Aber das wäre ja keine große Last gewesen.“

Das hätte gerade noch gefehlt! „Ich verspreche, für den Rest des Abends wach zu bleiben.“

Die Limousine kam zum Stehen, und der Fahrer stieg aus, um ihnen die Tür zu öffnen. Die Sonne ging bereits langsam unter, aber es war noch hell genug, dass Kira die prachtvolle weiße Villa bewundern konnte, die in einen riesigen exotischen Garten eingebettet vor ihnen lag.

Stumm vor Staunen folgte Kira Tarek den steinernen Pfad entlang. Auf der Veranda wurden sie von einem Mann in weißer Livree begrüßt. Einladend öffnete er die schwere Doppelflügeltür. „Willkommen zurück, Mr. Azzmar.“

„Es tut gut, wieder hier zu sein, Alexios“, erwiderte Tarek. „Bitte sorgen Sie dafür, dass Miss Darzins Gepäck sofort in ihre Unterkunft gebracht wird.“

„Wie Sie wünschen, Sir.“ Der Mann nickte und ging dann zum Wagen.

Tarek deutete einladend auf die geöffnete Tür. „Nach dir, Kira.“

Das ultramoderne Design im Foyer hatte Kira nicht erwartet. Es stand in starkem Kontrast zur Ausstattung in Tareks traditioneller Villa in Bajul. Der große Wohnraum war mit einigen weißen und stahlgrauen Ledersofas und niedrigen Couchtischen aus Glas und Chrom geradezu spartanisch eingerichtet. Die einzigen Farbakzente bildeten türkisblaue Kissen auf den Sofas.

Über dem offenen Kamin hing ein überdimensional großer Flachbildfernseher. Die Außenwand bestand ganz aus Glasschiebetüren und bot eine spektakuläre Aussicht auf den beleuchteten Pool und das Mittelmeer, das sich bis zum Horizont erstreckte.

„Fantastisch!“, rief Kira aus. „Das ist ja ein richtiges Paradies.“

„Freut mich, dass es dir gefällt.“

Ob es ihr hier gefiel oder nicht, darauf kam es nicht an, rief sie sich gerade noch rechtzeitig in Erinnerung. Sie durfte sich von der luxuriösen Atmosphäre nicht überwältigen lassen, sondern musste kühlen Kopf bewahren. „Ich bin bereit, mit der Arbeit anzufangen, wenn du es bist.“

„Heute Abend werden wir nur ausspannen und uns an unserer Gesellschaft erfreuen.“

Das klang verdächtig so, als könnte der Abend sich in eine Richtung entwickeln, die Kira nicht einschlagen wollte. Oder, besser gesagt, nicht einschlagen durfte. „Ich habe fast während der ganzen Reise geschlafen, Tarek. Es ist also kein Problem, mich sofort in meine Pflichten zu stürzen.“

„Morgen früh steht als Erstes ein Rundgang über das Anwesen auf dem Programm. Jetzt begleite ich dich zu deinen Räumen, damit du dich vor dem Dinner noch ein bisschen frisch machen kannst.“

Okay, dagegen war wohl nichts einzuwenden. Kira musste zugeben, dass sie fast starb vor Hunger. Vor Hunger nach Essen – und nach Tareks Berührung. Ersteres Bedürfnis ließ sich befriedigen, letzteres nicht. Schließlich war sie nicht hier, um mit ihm ins Bett zu gehen.

Während sie ihm folgte, ertappte sie sich dabei, wie ihr Blick immer wieder zu seinem Hintern huschte – der jetzt allerdings in einer maßgeschneiderten Anzughose verborgen war. Doch sie kannte Tareks wundervollen Körper nackt: seinen muskulösen Brustkorb, die langen, durchtrainierten Beine, den brettharten Bauch und die beeindruckend breiten Schultern.

Sofort produzierte ihr Kopfkino verführerische Bilder: wie sie diesen faszinierenden Körper erkundete, mit beiden Händen über seine Schultern strich, wie sie ihre Finger seine Wirbelsäule hinabgleiten ließ, seinen Po umschloss und die Hände schließlich zwischen seine stahlharten Schenkel schob …

„Ich hoffe, es ist alles zu deiner Zufriedenheit.“ Tarek öffnete eine Tür.

Seine Stimme katapultierte sie abrupt in die Gegenwart zurück. Als Kira die Suite betrat, erwartete sie die gleiche spektakuläre Aussicht aufs Meer wie vorhin im Wohnzimmer. Der Raum verfügte anscheinend über eine eigene Terrasse, die mit Lounge Chairs und weißen Rattanmöbeln bestückt war. Ihr Gepäck stand auf einer kupferbraunen Bank am Fuß eines Kingsize-Betts mit einem schimmernden weißen Überwurf.

„Darauf kannst du wetten.“ Die Unterkunft war einfach himmlisch. „Bist du sicher, dass ich dich nicht aus deinem Schlafzimmer vertreibe?“

Tarek stellte sich dicht neben sie. „Meine Räume liegen auf der anderen Seite des Hauses.“

Zu dumm, war ihr erster Gedanke. Zum Glück, ihr zweiter. Wenigstens würde sie ihm außerhalb der Arbeitszeit nicht ständig über den Weg laufen.

Sie räusperte sich und schenkte ihm ein Lächeln. „Gibt es hier irgendwo ein Badezimmer, wo ich vor dem Essen noch rasch duschen kann?“

„Aber natürlich.“ Mit einer höflichen Geste deutete er auf die gegenüberliegende Wand, in die eine weiße Schiebetür eingelassen war. Neugierig öffnete Kira die Tür, spähte in den Raum dahinter und schnappte ein weiteres Mal staunend nach Luft. Der Raum war ein echter Wellnesstempel, ausgestattet mit einer riesigen Regenwasserdusche und einem Whirlpool direkt vor einem weiteren Panoramafenster, durch das man aufs Meer blickte.

„Oh ja, ich denke, das ist wohl ausreichend“, scherzte sie.

Tarek grinste schief. „Wenn es deinen Standards nicht genügt, steht es dir natürlich frei, mein Bad zu benutzen. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, aber dort ist auch ein Dampfbad installiert.“

Wieder produzierte ihr Kopfkino eine erotische Szenerie: Tarek und sie, nackt im Dampfbad, die Haare feucht, die gerötete Haut mit einem Schweißfilm bedeckt, als hätten sie gerade …

Schluss damit, Kira!

Darauf bedacht, Abstand zwischen sich und ihn zu bringen, ging sie zum Waschtisch und strich mit den Fingerspitzen über die weiße Marmoroberfläche. „Ich habe nur Spaß gemacht. Das Bad ist ja so riesig, dass ich Angst habe, mich darin zu verlaufen. Falls ich nicht zum Essen erscheine, schick bitte einen Suchtrupp los.“

„Oh, ich würde mich höchstpersönlich auf die Suche nach dir machen. Wir wollen doch nicht, dass das Personal dich in unbekleidetem Zustand zu sehen bekommt. Bei mir macht das nichts, ich habe dich ja schon nackt bewundern dürfen.“ Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, wandte Tarek sich zum Gehen. „Ich sage dem Koch Bescheid, dass wir in einer Stunde essen.“

„Okay. Wo treffen wir uns?“

Er ließ den glutvollen Blick wie eine Liebkosung über ihren Körper wandern. „Willst du eine ehrliche Antwort darauf? Nein, ich fürchte, das willst du nicht.“ Tarek seufzte theatralisch.

Jetzt reichte es ihr mit seinen Anspielungen. Streng zog sie die Augenbrauen zusammen. „Wo ist das Esszimmer?“

„Du findest es unter den Sternen.“

Nachdem er gegangen war, hatte Kira Mühe, sich zu fangen. Energisch verscheuchte sie ihre sinnlichen Fantasien und ging nach nebenan, um auszupacken. Die Vitamintabletten versteckte sie im Schrank unter ihrer Wäsche. Sie wollte auf jeden Fall verhindern, dass womöglich jemand ihr Geheimnis erriet, bis sie es nicht dem Hausherrn persönlich gesagt hatte. Falls sie das überhaupt tun würde. Das blieb noch abzuwarten.

Für heute Abend wählte sie ein leichtes, ärmelloses Kleid aus violetter Seide und silberne Armreifen mit dazu passenden silbernen Kreolen. Das perfekte Outfit für einen romantischen Abend …

Mist! Das musste endlich aufhören. Konnte sie denn nur an eins denken? Romantik war jetzt nicht das Thema. Bei ihrer Mission ging es um knallharte Fakten. Taugte Tarek zum Vater oder nicht? Mondschein und Rosenduft standen nicht zur Debatte. Was sie jetzt gar nicht gebrauchen konnte, war Blauäugigkeit. Gesunder Menschenverstand war gefragt, damit sie erkannte, wer Tarek Azzmar wirklich war.

Ein flaues Gefühl im Magen erinnerte sie daran, dass sie dringend etwas zu essen brauchte. Sie beeilte sich jetzt besser, damit sie nicht noch einen verräterischen Schwächeanfall bekam. Und sie musste unbedingt darauf achten, sich bei Tisch nicht vollzustopfen, als hätte sie einen Monat nichts zu essen bekommen.

Kiras Appetit erstaunte und begeisterte Tarek gleichermaßen. Sie hatte die Vorspeise aus Käse und Oliven und den griechischen Salat restlos verputzt. Nur vom Hauptgang, einer delikaten Moussaka, hatte sie einen kleinen Rest übrig gelassen.

Tarek lehnte sich zurück und studierte ihre euphorische Miene. „Hast du noch Platz fürs Dessert?“

Seufzend tupfte sie sich den Mund mit der schwarzen Stoffserviette ab. „Himmel, nein. Wenn ich noch mehr esse, kann ich mich nicht mehr rühren.“

Als der Hausdiener mit einer Platte Baklava erschien, schickte Tarek ihn weg. „Das genügt, Alexios. Sagen Sie Leda bitte, dass sie sich heute Abend wieder einmal selbst übertroffen hat.“

Nachdem der Mann sich zurückgezogen hatte, schaute Kira versonnen in den Himmel. „Es ist eine wunderschöne Nacht.“

Gut möglich, aber nichts konnte sich mit ihrer Schönheit messen, fand Tarek. Er vergaß sein gutes Benehmen und starrte auf ihren Ausschnitt, der einen verführerischen Brustansatz enthüllte. Tarek konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie so volle Brüste hatte. Aber in jener leidenschaftlichen Nacht war er kaum dazu gekommen, sie in Ruhe zu betrachten. Vielleicht – hoffentlich – ergab sich bald die Gelegenheit, das nachzuholen.

„Hallo … Ich bin hier oben.“

Ertappt! „Entschuldige bitte, ich habe nur die Linie deines Halses bewundert. Das ist mir erst jetzt aufgefallen, nachdem du das Haar kürzer trägst.“

„Du bist ein verdammt schlechter Lügner.“

Zum Glück sagte sie das mit einem Lächeln, wenn auch mit einem sarkastischen. „Na ja, wie du schon bemerkt hattest: Ich bin ein ganz normaler Mann mit ganz normalen Bedürfnissen.“

„Anscheinend bist du ein Busenfetischist“, neckte sie ihn.

Brüste, Beine, Po. „Ich bin ein großer Bewunderer der weiblichen Anatomie, das gebe ich zu. Ich betrachte den weiblichen Körper als eine Art Kunstwerk.“ Zu gerne besäße er die Fähigkeit, ihren Anblick auf Leinwand zu bannen: ihr von einer frischen Meeresbrise leicht zerzaustes Haar, das auf ihre zartgliedrige Hand gestützte Kinn, die faszinierenden Augen.

„Apropos Kunst. Meinst du, wir schaffen es, mal ein Museum zu besuchen? Oder einen Bootsausflug zu unternehmen, um die Königsgräber von Paphos zu besichtigen?“

Sie war wirklich perfekt darin, das Thema zu wechseln. Fast so gut wie er. „Wenn die Zeit es erlaubt, ja. Doch es wird noch jede Menge Arbeit sein, das Resort rechtzeitig vor Ende des Sommers fertigzustellen. Aber wenn wir beide uns anstrengen, schaffen wir das schon.“

„Als Workaholic hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.“

„Wenn es ums Geschäft geht, lasse ich mich durch nichts von meinem Ziel abbringen.“

Kira lehnte sich zurück und griff nach ihrem Glas. „Wenn du mal nicht arbeitest, entspannst du dich also in dieser Villa. Es ist wirklich wunderschön hier. Wie lange gehört dir dieses Anwesen schon?“

„Es gehört mir nicht. Ich habe es gemietet, schon seit achtzehn Monaten.“

„Ganz schön kostspielig, kann ich mir denken.“

„Zwanzigtausend Euro im Monat.“

Kira verschluckte sich fast an ihrem Wasser. „Wenn man das zusammenrechnet, hättest du die Villa ja längst kaufen können.“

„Dein Wunsch ist mir Befehl.“

Jetzt sah sie ihn perplex an. „Moment mal, du machst doch nicht eine solche Investition, nur weil ich es sage.“

Tatsächlich hatte er dem Besitzer schon ein Angebot unterbreitet. „Ich würde gerne glauben, dass du mich irgendwann in naher Zukunft mal wieder hierherbegleitest. Natürlich nicht zum Arbeiten, sondern ausschließlich zum Vergnügen.“

Kira sah ihn scheinbar nachdenklich an, wurde aber ein bisschen rot dabei. „An deiner Stelle würde ich nichts überstürzen. Warten wir erst ab, wie wir die nächsten zwei Wochen miteinander auskommen.“

Er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie fantastisch miteinander auskommen würden – jedenfalls körperlich. „Wenn ich mich recht erinnere, haben wir schon einige interessante Gespräche geführt.“

„Ja, über Weltpolitik und das Wetter. Über dich und deinen persönlichen Hintergrund habe ich dabei nichts erfahren.“

Aus gutem Grund. „Ich habe dir gesagt, dass ich aus Marokko stamme und meine Eltern tot sind.“

„Wie waren denn deine Eltern so?“

„Es waren nette, anständige Leute.“ Über den Mann, der ihn großgezogen hatte, konnte er das mit gutem Gewissen behaupten. Bei seiner Mutter war er da nicht mehr so sicher.

„Hast du Geschwister?“

Das würde sich noch herausstellen. „Möchtest du gerne schwimmen gehen?“

Kira seufzte. „Du bist verschlossen wie eine Auster, aber ich glaube, das sagte ich schon.“

Tarek hatte nicht die Absicht, sich von ihr herausfordern zu lassen. „Ich glaube, ich hätte Lust, den Rest des Abends im Pool zu verbringen.“

„Aber ich möchte nicht, dass meine Haare nass werden, nachdem ich sie gerade erst gewaschen habe.“

„Wie wäre es dann mit einem Strandspaziergang?“

„Im Dunkeln?“

„Es ist Vollmond.“

Sie schob den Stuhl zurück und stand auf. „Dann entscheide ich mich für den Strandspaziergang. Bei der Gelegenheit kannst du mir erzählen, was du so sorgfältig vor mir zu verheimlichen versuchst.“

4. KAPITEL

Nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatten, stapften sie Seite an Seite durch den feuchten Sand entlang der Wasserlinie, stumm, ohne einander zu berühren. Kira wartete darauf, dass Tarek das Schweigen brach. Als er es nicht tat, hielt sie es nicht länger aus. „Es ist so friedlich hier.“

„Ja, das ist es“, erwiderte er, ohne sie anzusehen.

Vielleicht schaffte sie es mit leichter Konversation, ihn aus der Reserve zu locken. „Als ich noch studiert habe, sind wir in den Semesterferien immer nach Barbados geflogen.“

„Wir?“

„Ich und mein Exverlobter. Seine Familie besaß dort eine Eigentumswohnung. Während der Sommermonate hatte er sie ganz für sich allein, weil seine Eltern es vorzogen, nach Europa zu reisen.“

„Der Mann, der dir wehgetan hat“, bemerkte Tarek nüchtern. „Er ist wohl ziemlich wohlhabend.“

„Er ist der Sohn eines saudischen Sultans und hat in Kanada studiert. Übrigens dasselbe wie ich, Hotelmanagement. Da ich Arabisch spreche, haben wir uns schnell angefreundet. Wir waren ein paar Jahre zusammen, bevor wir uns verlobt haben. Tja, und dann haben wir uns wieder getrennt.“

„Warum seid ihr auseinandergegangen?“

Sie hätte doch ahnen müssen, dass er das fragen würde! Kira hatte keine Lust, dieses Thema allzu sehr breitzutreten. Das würde nur die Stimmung ruinieren. „Wir passten einfach nicht zusammen.“

„Ich dachte, du bist eine Wahrheitsfanatikerin.“

„Das ist die Wahrheit.“

„Höchstens ein Teil der Wahrheit. Hat er dich betrogen?“

Dafür hatte es genug Anzeichen gegeben, aber sie hatte es ihm nie beweisen können. „Weißt du, ich würde lieber nicht darüber sprechen.“

Tarek zögerte kurz, bevor er ernst bemerkte: „Ich vermute, er hatte noch andere Frauen.“

Bittere Erinnerungen stiegen in ihr auf. „Anfangs habe ich überhaupt nichts davon mitbekommen. Wenn du es genau wissen willst: Irgendwann ist er wohl darauf gekommen, dass ich nicht mit der königlichen Familie von Bajul verwandt bin, obwohl der König mein Studium bezahlte. Also hat er mich fallen lassen. Mit anderen Worten, ich war ihm nicht gut genug.“

Tareks Gesichtsausdruck wurde plötzlich wachsam. „Der König hat dir das Studium finanziert?“

„Ja, aus Wertschätzung meinen Eltern gegenüber, die dem Königshaus über viele Jahre treu gedient haben. Er war ein sehr großzügiger Mensch und wie ein zweiter Vater für mich.“

Tarek stieß einen unterdrückten Fluch auf Arabisch aus, was Kiras Neugier einen neuen Kick gab. „Hast du was gegen König Aadil? Hattet ihr eine Auseinandersetzung?“

„Ich bin diesem Mann nie begegnet und lege auch keinen Wert darauf. Seine teilweise archaischen Ansichten gefallen mir nicht. Außerdem gibt es Gerüchte über seine Untreue.“

Wusste er womöglich, dass Elena Prinz Adans leibliche Mutter war? „Es wird viel geredet, Tarek, was aber nicht bedeutet, dass es auch der Wahrheit entspricht.“

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in jedem Gerücht ein Fünkchen Wahrheit steckt.“

„Na ja, all das hält dich nicht davon ab, Geschäfte mit Aadils Söhnen zu machen.“

„Sie sind nicht so verbohrte Traditionalisten wie er, sondern modern erzogen. Außerdem ist das Wasseraufbereitungsprojekt eine gute Investition.“

Es störte Kira gewaltig, dass es Tarek immer nur um Profit zu gehen schien. Allein das war schon ein Grund, weshalb sie langfristig nicht miteinander klarkommen würden. Aber das stand ja auch gar nicht zur Debatte. Zumindest hatte Tarek nie durchblicken lassen, dass ihm etwas daran lag.

„Ehrlich gesagt finde ich es ein bisschen übertrieben, dass du dir einen Minipalast in Bajul gebaut hast, nur um das Projekt zu überwachen.“

„Ich besitze in vielen Ländern Häuser, inklusive einer Villa auf Barbados.“

Natürlich tat er das. „Bist du oft dort?“

„Nein“, erwiderte er barsch und setzte sich wieder in Bewegung. „Zum Faulenzen fehlt mir die Zeit.“

Irgendetwas schien ihm gründlich die Laune verdorben zu haben. „Bist du sauer auf mich, weil ich den alten König trotz seiner Fehler mag und respektiere?“

Tarek blieb erneut stehen und starrte blicklos in die Ferne. „Nein. Mich stört, dass du fest entschlossen scheinst, meine Vergangenheit zu sezieren.“

Aha, sie hatte also den richtigen Riecher gehabt. Tarek hatte etwas zu verbergen. „Nur weil du so außergewöhnlich heikel bist, was dein Privatleben betrifft.“

„Wie ich schon sagte, mein Privatleben ist mir heilig. Als erfolgreicher Geschäftsmann steht man ständig im Licht der Öffentlichkeit. Da braucht man einen Gegenpol, um das langfristig auszuhalten.“

Das konnte sie verstehen, aber … „Okay. Behalte deine Geheimnisse und deine kostbare Privatsphäre für dich. Fair finde ich das allerdings nicht, schließlich habe ich auch ein paar sehr private Details aus meinem Leben preisgegeben. Wenn das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, ist es keine gute Basis für eine Freundschaft.“

Er warf ihr einen raschen Blick zu. „Vielleicht lege ich ja gar keinen Wert auf Freundschaft zwischen uns.“

Das hatte gesessen. „Na gut. Dann beschränken wir uns eben aufs Geschäftliche. Denn Offenheit scheint ja nicht deine starke Seite zu sein.“

Tarek umfasste ihre Schultern. „Du bestehst auf Offenheit? Gut, die sollst du haben. Ich möchte dein Liebhaber sein.“

„Tarek, ich …“

Er zog sie dicht an sich, was ihren Protest im Keim erstickte. „Ich möchte dich küssen, mich in dir versenken, und ich spüre, dass du es auch willst.“

Und wie, aber … „Du machst es mir nicht gerade leicht.“

„Du mir auch nicht.“ Zum Beweis nahm er ihre Hand und legte sie auf seine beachtliche männliche Härte. „Du siehst so sexy aus in diesem Kleid und mit dem vom Wind zerzausten Haar … Das macht mich wahnsinnig scharf.“

„Du willst mich nur davon ablenken, dir zu viele Fragen zu stellen.“ Ihre Stimme klang rau.

Jetzt verteilte er federleichte Küsse auf ihrem Hals und brachte den Mund ganz dicht an ihr Ohr. „Ich versuche nur, offen zu sein.“

Autor

Kristi Gold
In ihrer Jugend hatte Kristi Gold keine Neigung zum Schreiben. Ab dem Alter von 6 Jahren, war ihre große Leidenschaft das Ballet. Bis sie 13 Jahre alt war, nahm sie 4 Tage die Woche Unterricht. Manchmal zwei oder drei Stunden am Tag. Der normale Schulalltag, Mitglied im Kirchenchor und Cheerleader...
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