Baccara Gold Band 13

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EIN MILLIONÄR MUSS HER! von JAN HUDSON
Auch wenn seine Küsse Irish fast um den Verstand bringen: Als Besitzer eines kleinen Ladens kann der blendend aussehende Kyle einfach nicht der Richtige für sie sein. Denn sie träumt von einem schwerreichen Ehemann. Und den will sie sich im "Millionärs-Club" angeln …

MACH’S NOCHMAL, DYLAN von LEANNE BANKS
Dass sie Dylan aus gutem Grund verließ, hat Alisa seit ihrem Gedächtnisverlust vergessen. Seit sie bei dem Millionär lebt, prickelt es zwischen ihnen immer sinnlicher. Aber seine Küsse bringen nicht nur ihren Körper zum Glühen, sondern auch ihre Erinnerung zurück!

DIESE NACHT IST NICHT ZUM SCHLAFEN DA von BEVERLY BARTON
Adam ist reich und sexy - aber unglaublich dominant. Blythe zögert, seinem Werben nachzugeben. Doch nach einer Party siegt das Verlangen: Nie zuvor war Blythe so glücklich. Aber sie fragt sich: Kann sie mit einem Mann zusammenleben, der alles bestimmen will?


  • Erscheinungstag 29.11.2019
  • Bandnummer 13
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725884
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jan Hudson, Leanne Banks, Beverly Barton

BACCARA GOLD BAND 13

1. KAPITEL

„Höchstens in deinen Träumen, du Niete!“ Irish Ellison warf die Haustür zu und ging zurück in das Wohnzimmer des Foggy Bottom-Stadthauses, wo ihre beiden Mitbewohnerinnen vor dem Fernseher saßen.

„Männer“, schimpfte sie vor sich hin und streifte sich die Pumps von den Füßen. Dann ließ sie sich neben Olivia auf das Sofa fallen.

„Ich nehme an, du und der Mitarbeiter des Senators habt irgendwelche Probleme“, meinte Olivia und reichte ihr die Schüssel mit dem Popcorn.

„Da hast du vollkommen recht.“ Irish grub die Hand in die gebutterten Maiskörner und steckte dann einige davon in den Mund. „Dieser Schuft!“

„Was ist denn los?“, fragte Kim. „Gavin schien doch ein sehr netter Mann zu sein. Ich dachte, ihr beide hättet was zusammen.“

„Das dachte ich auch – bis er mich um Geld angepumpt hat. Kannst du dir das vorstellen? Dieser Mistkerl nimmt mich zu Botschaftspartys mit, bewirtet mich und lädt mich dorthin ein, wo es freies Essen und Trinken gibt, und dann versucht er, sich von mir Geld zu leihen.“

Kims Augen hinter den dicken Brillengläsern wurden noch größer. „Das hat er wirklich getan?“

„Ja – weil er mit seinen Unterhaltszahlungen im Rückstand ist.“

„Ich wusste gar nicht, dass Gavin verheiratet war“, sagte Olivia.

„Ich auch nicht.“ Irish legte die Füße auf den Couchtisch. „Bis heute Abend. Und wie es scheint, ist er nicht nur einmal, sondern gleich zweimal verheiratet gewesen, und er hat vier Kinder. Warum kriege ich nur immer die, die jemand anderes abgelegt hat? Du bist die Psychologin, Olivia. Was ist mein Problem?“

Olivia, die älteste der drei jungen Frauen – und nach Ansicht von Irish und Kim auch die klügste von ihnen –, zog die Augenbrauen hoch und sah das ehemalige Model an, das unglaublich lange Beine hatte und eine Figur, für die die meisten Frauen einen Mord begangen hätten. Dazu besaß Irish eine Fülle glänzenden Haares, das von Natur aus einen herrlichen Schimmer zwischen Gold und Kupfer hatte.

„Ich habe zwar meinen Doktortitel noch nicht, aber soweit ich das beurteilen kann, hast du keine größeren Probleme, Irish. Es ist diese Stadt. In Washington laufen Dutzende von großartig aussehenden jungen und ungebundenen Frauen herum, die um jeden Mann kämpfen, der zu haben ist – und auch um einige, die nicht zu haben sind. Wenn du also einen Mann kennen lernen willst, hast du dir den falschen Ort dafür ausgesucht.“

„Ich habe mir Washington nicht ausgesucht. Ich bin nur deshalb hier, weil die Jobs in New York ausgeblieben sind und meine Tante Katie mir dieses Haus vererbt hat. Vielleicht sollten wir alle nach Alaska ziehen. Wie ich gehört habe, sind dort die Männer verzweifelt auf der Suche nach Frauen.“

Weder Olivia noch Kim erwähnten den dritten Grund, warum Irish den „Big Apple“ verlassen hatte.

„Ich bin nicht daran interessiert, einen Mann kennen zu lernen“, wehrte Olivia ab. „Das habe ich alles schon hinter mir.“

Irish blickte zum Fernseher, wo gerade Marilyn Monroe das Bild füllte. „Was seht ihr für einen Film?“

„‚Wie angle ich mir einen Millionär?‘“, antwortete Kim.

„Das ist ein Gedanke, der mir gefällt. Meine Mom hat immer gesagt, es sei genauso einfach, sich in einen reichen Mann zu verlieben wie in einen armen.“

„Ich dachte, dein Vater sei Metzger.“

Irish winkte ab. „Meine Mom hat eben nur langsam gelernt.“ Sie kniff die Augen zusammen und beugte sich dann vor, um auf die junge Lauren Bacall zu starren. „Ich frage mich, wo man heute hingeht, um Millionäre zu finden – ich meine die Millionäre, die gut aussehen, alleinstehend sind und sich nach einer langfristigen Beziehung sehnen.“

„Texas.“

Irish und Olivia wandten sich zu Kim, die mit ihren zwanzig Jahren die jüngste in diesem Haushalt war. „Texas?“, fragten sie wie aus einem Mund.

„Sicher. Mein … Boss ist ein Millionär aus Texas.“

„Aber dein Boss, die Kongressabgeordnete Ellen Crow O’Hara, ist eine Frau.“

„Ja, aber sie hat ein paar jüngere Brüder und zwei Cousins, die alle noch nicht verheiratet sind und die in Geld schwimmen.“

„Und die fett, kahlköpfig und klein sind, nicht wahr?“ Kim grinste.

„Nein. Wenigstens nicht die, die ich gesehen habe. Die sind ziemlich attraktiv – und groß. Soll ich mir mal die Fotos ausborgen, die bei Ellen auf dem Schreibtisch stehen, und sie mitbringen?“

„Für mich nicht“, wehrte Olivia ab. „Ich bin nicht interessiert.“

Irish setzte sich auf. „Aber ich. Ich werde im nächsten Februar dreißig. Ich würde es mir gern in einer netten Villa in Dallas gemütlich machen und zu meinem Geburtstag einen Bentley geschenkt bekommen. Ich bin es leid, bei Macy’s Kosmetikartikel zu verkaufen, nur um die Raten für meinen kleinen Wagen abzustottern. Welcher ihrer Brüder ist denn groß und dunkelhaarig und der reichste und bestaussehende von ihnen?“

Kim legte den Kopf schief und überlegte kurz. „Nun, das wird wohl Jackson sein, doch der lebt nicht in Dallas. Aber die Cousins …“

„Ich habe genug gehört. Jackson soll es sein. Und wie treffe ich diesen Mann?“

Olivia sah sie entsetzt an. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Du würdest dir deinen Zukünftigen nur nach dem Umfang seines Bankkontos auswählen?“

„Warum denn nicht? Sag mir einen Grund, der dagegen spricht.“

„Und was ist mit Liebe?“, fragte Kim. „Und mit Leidenschaft?“

„Was soll damit sein? Leidenschaft wird höchst überbewertet. Ich will Sicherheit im Alter. Außerdem finde ich Geld sehr sexy.“ Irish folgte dem Geschehen auf dem Bildschirm, und während die Story des Films sich entfaltete, überschlugen sich ihre Gedanken.

Mit einem übermütigen Blitzen in den Augen wandte sie sich schließlich wieder an ihre Mitbewohnerinnen. „Wir müssen einen Plan schmieden.“

Als Irish an der Kette mit dem Vorhängeschloss rüttelte und sich nichts tat, sank ihr Mut tiefer als die Absätze ihrer neuen Wildlederstiefel in dem weichen Boden.

„Fahren Sie durch das Tor und dann noch eine halbe Meile weiter“, hatte die Sekretärin von Ellen Crow O’Hara ihr gesagt. Aber wie zum Teufel sollte sie durch ein verschlossenes Tor fahren?

Gründlich verärgert ging Irish zu dem Mercedes zurück, den sie sich vor zwei Stunden am Flughafen von Dallas gemietet hatte. Die Dinge liefen absolut nicht so, wie sie es geplant hatte. Der Plan, den sie und ihre Mitbewohnerinnen sich ausgedacht hatten, hatte sie ihr letztes Geld gekostet. Den Kredit, über den sie mit ihrer Kreditkarte verfügen konnte, hatte sie für eine verführerische Garderobe genutzt, und ihrer Freundin, der Redakteurin bei Esprit, hatte sie einen Vorschuss abgeschwatzt für einen Artikel über die jungen Millionäre von Texas, den sie schreiben sollte. Dieser Vorschuss hatte gerade für ihr Flugticket nach Texas und den Mietwagen gereicht. Für Essen und Unterkunft in Crow’s Nest, wo Jackson Crow seinen Golfplatz hatte, der dort hinter dem verschlossenen Tor irgendwo inmitten dieses riesigen Privatgeländes lag, würde Ellens Bruder, besagter Jackson, sorgen. Wenigstens hatte die Sekretärin das versichert.

Irish knurrte der Magen. Zeit zum Mittagessen.

War sie vielleicht irgendwo falsch abgebogen?

Sie hatte keine andere Möglichkeit, als den Weg, den sie gekommen war, zurückzufahren und nach einem Telefon zu suchen. Nach einigen Minuten, in denen sie schimpfend den Wagen hin und her manövrierte, gelang es ihr, auf dem schmalen Weg zu wenden und wieder die Richtung zum Highway einzuschlagen. Nirgendwo war ein Haus zu sehen, nur dichter Wald und einige Wiesen mit großen Maschinen, die wie riesige schwarze Grashüpfer mit wippenden Köpfen wirkten.

Als sie die Auffahrt zum Highway erreichte, fuhr Irish auf den Parkplatz eines eigenartig aussehenden Holzhauses. Auf dem Schild über der Tür stand: Cherokee Pete’s Handelsposten. In kleineren Buchstaben darunter: Lebensmittelladen, indianisches Museum und Indianerzelte für Touristen. Pete Beamon, Eigentümer.

Links neben dem Holzhaus waren vier große, bunt bemalte Tipis aufgebaut, die aus Stuck oder Zement zu sein schienen. Leicht irritiert von diesem Anblick stieg Irish aus und ging in das Holzhaus hinein.

Niemand war zu sehen – wenn man den hölzernen Kerl mit dem Kopfschmuck aus Federn nicht in Betracht zog.

„Hallo“, rief sie.

Schweigen.

Irish trat ein paar Schritte in den dämmrigen Laden hinein, der mit überladenen Regalen, einer Kühltheke und einem langen hölzernen Tresen möbliert war. Am Ende des Raums, in der Nähe eines Kanonenofens, standen zwei Tische mit Stühlen. Alle möglichen Waren – von Sätteln über Schaufeln bis zu Souvenirs und Körben mit Süßkartoffeln – bedeckten Boden und Wände.

„Ist hier jemand?“

Keine Antwort, nur eine gespenstische Stille.

Etwas ängstlich geworden verließ Irish den Laden wieder und schloss leise die Tür hinter sich.

Auf der Veranda überlegte sie dann frustriert, was sie jetzt tun sollte, als plötzlich ein sirrendes Geräusch ihre Aufmerksamkeit erregte. Es klang beinahe wie ein Motorrad und kam aus einem Schuppen, der ein paar Meter entfernt lag.

Sie folgte dem Geräusch und suchte sich dabei vorsichtig und auf Zehenspitzen einen Weg über den weichen Boden, um ihre hochhackigen Stiefel vor weiteren Schäden zu schützen. Als sie dann um die Ecke des Schuppens kam, konnte sie hineinsehen und blieb wie angewurzelt stehen.

Ihre Augen weiteten sich, und ihr Herz klopfte wie rasend, als sie den Mann erblickte, der dort stand.

Es war nicht einfach irgendein Mann. Nur mit einem weißen Cowboyhut, Stiefeln und tief sitzenden Jeans bekleidet, bot er den Anblick von einem Meter neunzig überwältigend männlicher Schönheit. Die Muskeln in Armen und Schultern bewegten sich kraftvoll, während er sicher mit einer Kettensäge hantierte.

Noch nie zuvor hatte ein Mann bereits bei seinem ersten Anblick so eindringlich auf Irish gewirkt. Eine dermaßen verführerische Stärke ging von ihm aus, dass sie wie gebannt dastand und ihn mit offenem Mund stumm anstarrte. Kleine Flocken von Sägemehl hatten sich in seinem krausen Brusthaar verfangen, und Schweißtropfen glänzten auf dem flachen, muskulösen Bauch. Seine Haut war sonnengebräunt, und sein Kinn war ebenso kantig wie das des riesigen hölzernen Bären, an dem er gerade arbeitete. Dieser Mann sah schlichtweg unglaublich gut aus mit seinen wundervoll hohen Wangenknochen und der perfekt geformten Nase.

Und dann die Augen … Seine Augen nahmen ihr den Atem, als er nun aufblickte. Sie waren von einem leuchtenden Blau, das selbst durch die Schutzbrille zu erkennen war und sie in dem Moment ganz benommen machte.

„Verdammt!“, fluchte er, als er dem Bären ein Ohr absägte. Er stellte die Kettensäge aus und legte sie beiseite.

Sie war entsetzt von der Amputation, an der sie schuld war. „Oh, es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe. Jetzt haben Sie Ihr Ding ruiniert.“

„Mein Ding?“, fragte er mit einer tiefen Stimme, bei der ihr Körper vom Bauch bis zu den Zehenspitzen zu vibrieren schien.

Sie hätte schwören können, dass sie rot wurde, dabei war sie seit ihrer Pubertät nicht mehr errötet. Eilig deutete sie auf die Schnitzerei. „Der Bär.“

Er bedachte sie mit einem so hinreißenden Lächeln, dass es sie völlig benommen gemacht hätte, wäre sie es nicht schon längst gewesen. Er nahm seine Brille ab, rückte den Stetson auf dem feuchten Haar zurecht und tätschelte den Kopf des Bären. „Kein Problem. Wir werden ihn einfach Vince nennen.“

Unverwandt starrte sie ihn an, während widerstreitende Gefühle in ihr tobten. „Vince?“

Sein Lächeln vertiefte sich, und ihre hohen Absätze sanken langsam in den Boden. Noch ein paar Minuten länger allein mit diesem Mann, und ihre neuen Wildlederstiefel würden nicht mehr zu reparieren sein, während sie zu seinen Füßen in das Sägemehl gesunken wäre.

„Vince“, wiederholte er und betrachtete sie dabei genauso eingehend wie sie ihn. „Vincent. Vincent van Gogh.“

„Vincent van Gogh?“, fragte sie verständnislos und fühlte sich wie benebelt.

„Sie wissen doch, der Künstler, der sich ein Ohr abgeschnitten hat.“

„Oh … der.“ Ihr Blick glitt erneut zu seinem nackten Oberkörper. Sein Blick musste wohl einen ähnlichen Weg gegangen sein, denn sie fühlte, dass sich ihre Brustspitzen plötzlich aufrichteten.

Er zog seine Lederhandschuhe aus und griff nach einem Handtuch, das an einem Nagel an der Wand hing. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er und wischte sich das Sägemehl von der Haut. Auch die besonders verlockende Spur eines Schweißtropfens, dem ihr Blick gefolgt war, als er sich einen Weg zu seinem Nabel gesucht hatte.

„Für mich tun?“ Was für eine Frage! Während sie seine langen schlanken Finger betrachtete, fielen ihr mindestens ein Dutzend Dinge ein – alle äußerst intim –, die sie ihn liebend gern hätte tun lassen.

Er lachte leise, und sie fühlte, dass ihr Gesicht glühte. „Brauchen Sie Hilfe?“, erklärte er.

„Hilfe? Oh ja! Sind Sie … Cherokee Pete?“

„Nein. Pete ist mein Großvater. Ich bin Kyle.“ Er warf das Handtuch beiseite, griff nach seinem Hemd und zog es über. „Kyle Rutledge.“

„Ich bin Irish. Irish Ellison.“

Beinahe hätte Kyle „Das weiß ich“, erwidert, aber irgendetwas hielt ihn zurück. In seiner Praxis in Kalifornien hatten ihm mindestens ein Dutzend Frauen ihr Bild gebracht, aus der einen oder anderen Illustrierten, weil sie genauso eine Nase haben wollten oder solche Wangenknochen oder ebenso volle Lippen wie Irish Ellison.

Doch er legte nur einen Finger an seinen Stetson und sagte: „Freut mich, Sie kennen zu lernen, Miss Ellison. Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Ma’am?“

„Könnten Sie mir sagen, ob das dort drüben der Weg zu Crow’s Nest ist?“ Sie deutete über ihre Schulter nach hinten.

„Jawohl, Ma’am, das ist der Weg.“

„Oje, das habe ich schon befürchtet. Ich habe nämlich eine Verabredung mit Jackson Crow, aber das Tor ist verschlossen.“

Verdammt und zur Hölle mit dem Kerl! Vor ihm stand höchstpersönlich eine der herrlichsten Frauen der Welt, eine Frau, die ihn sofort angezogen hatte und der er seine volle Aufmerksamkeit schenken wollte, und sein verflixter Cousin hatte sie zuerst entdeckt. Wie immer, so war Jackson auch diesmal der glücklichste Schuft auf Erden.

„Jackson ist nicht da.“

Ihre erstaunlichen, smaragdgrünen Augen weiteten sich vor Schreck. „Er ist nicht da?“

„Er ist weg.“

„Aber … aber ich habe eine Verabredung mit ihm. Ich sollte einige Tage in Crow’s Nest verbringen, während ich an einem Artikel schreibe. Es ist ein Artikel über ihn und die anderen Männer im Club der jungen Millionäre.“

„Sie kennen Jackson gar nicht?“

„Ich bin ihm noch nie begegnet.“

Kyle entspannte sich und lächelte wieder. „Er und seine verrückten Kumpels sind nach Dallas abgedampft, um sich am Sonntag das Spiel der Cowboys anzuschauen. Am Montag kommen sie zurück.“

„Aber heute ist doch erst Freitag.“

„Sie sind ein wenig früher geflogen. Sie müssen sie gerade verpasst haben.“

„Unsere Verabredung sollte bereits vor ein paar Stunden sein. Aber mein Flugzeug hatte Verspätung, und dann hatte ich auch noch Probleme bei der Mietwagenfirma.“

Er bemerkte, dass sie sich von innen in die Wange biss und besorgt dreinsah, und verspürte flüchtig den Wunsch, Jackson mit dem Stiel einer Axt zu verfolgen, weil der schuld daran war, dass sich ihre perfekt gewölbten Augenbrauen zusammenzogen.

„Ich würde mich darüber nicht aufregen, Miss Ellison. Jackson wird ja am Montag zurück sein – wenn er nüchtern genug ist, um zu fliegen.“

„Nüchtern genug? Trinkt er denn so viel?“

Er unterdrückte ein Grinsen. Auf keinen Fall würde er Jackson vor dieser herrlichen Frau auch noch in den Himmel heben. Sein Cousin hatte genug Ladys. Diese hier hatte er zuerst entdeckt.

„Er säuft wie ein Loch. Der Mann hat da eindeutig ein kleines Problem.“ Tut mir leid, Cousin, fügte er im Stillen hinzu.

Ein Schuss ertönte, und Kyle zuckte zusammen. Einen Augenblick lang fürchtete er schon, dass eine übermächtige Macht ihn für seine schändliche Lüge umgehend strafen würde.

„Was war das?“, rief Irish erschrocken.

„Das ist nur Cherokee Pete. Mein Großvater liegt mit einer gebrochenen Hüfte im Bett, und wenn er Hilfe braucht, feuert er mit seiner Pistole durchs Fenster.“

„Wäre eine Glocke nicht besser?“

Er grinste. „Da kennen Sie Cherokee Pete nicht. Kommen Sie mit zum Laden. Nachdem ich mich um meinen Großvater gekümmert habe, versuchen wir, Ihr Problem zu lösen. Außerdem ist es Zeit zum Essen. Sind Sie hungrig?“

„Ich bin am Verhungern.“

„Mögen Sie Chili?“

„Mit Bohnen?“

„Aber nicht doch, Lady. Wir sind hier in Texas. Nur ein Yankee würde ein perfektes Chili mit Bohnen verderben. Sind Sie ein Yankee? Richtig?“, fragte er gedehnt.

Sie lachte, und der kehlige Klang ihres Lachens ließ ihn an kühle Laken und heiße Leidenschaft denken.

„Ich lebe in Washington, D. C.“, antwortete sie. „Eigentlich stamme ich aus Ohio, und ein paar Jahre habe ich in New York gelebt.“

„New York City?“, entgegnete er mit übertriebenem Texas-Akzent. „Hat es Ihnen dort gefallen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Eine Zeit lang schon.“

„So ging es mir mit Kalifornien. Ich habe dann knallhart lernen müssen, dass Texas der einzige Ort ist, an dem ich leben kann.“

Er führte sie in den Laden und zu einem der Tische. „Ich gehe nur rasch zu meinem Großvater. Bin gleich wieder da. Das Chili bringe ich mit.“

Irish folgte Kyle mit den Augen, als er mit langen Schritten zu der Treppe am Ende des Tresens ging. Himmel, was für ein Mann! Er sah sündhaft gut aus – wie die reinste Versuchung. Noch nie in ihrem Leben war ihr ein Mann begegnet, der so viel Sex-Appeal hatte. Und schon nach ihrem kurzen Gespräch hatte sie das Gefühl, dass es viel Spaß machen würde, mit ihm zusammen zu sein.

Sie seufzte. Wahrscheinlich bekam er jede Frau, die er haben wollte. Angelegentlich sah sie sich in dem staubigen, vollgestopften Laden um.

Er hatte alles, nur kein Geld.

Mom, sprach Irish in Gedanken mit ihrer Mutter. Wenn man sich genauso einfach in einen reichen wie in einen armen Mann verlieben kann, warum fühle ich mich dann immer von den Männern angezogen, die nichts in der Tasche haben?

Sie seufzte noch einmal. Nein, sie durfte es sich nicht leisten, sich ablenken zu lassen. Ihr Plan, sich einen Millionär zu sichern, war geschmiedet, und ihr Bankkonto verpflichtete sie dazu, ihn auch auszuführen.

Und wenn Jackson Crow ein Problem hatte oder vielleicht sogar zwei … Nun, man konnte eben nicht alles haben.

2. KAPITEL

Schweißperlen standen auf ihrer Oberlippe. Irish ignorierte sie und nahm tapfer noch einen Löffel voll Chili. Immerhin war es ein kostenloses Mahl, und mit weniger als zwanzig Dollar in der Tasche konnte sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein.

„Zu scharf für Sie?“, fragte Kyle.

„Es ist großartig. Einfach großartig.“ Sie stürzte ein halbes Glas Eistee hinunter. Bei dem Gedanken an den nächsten Happen Chili zogen sich ihr Zunge und Magen zusammen, trotzdem zwang sie sich, noch einen weiteren Löffel in ihren brennenden Mund zu schieben.

Tränen traten ihr in die Augen. Rasch trank sie auch den Rest ihres Eistees, nahm dann den Eiswürfel in den Mund und lutschte ihn.

Mit gerunzelter Stirn sah Kyle sie an. „Sie müssen nicht höflich sein“, meinte er. „Es ist zu scharf für Sie. Tut mir leid. Aber Cherokee Pete mag sein Chili dermaßen scharf, dass es einem Hühnchen die Federn versengt, und ich habe mich daran gewöhnt. Ich werde Ihnen etwas anderes machen. Wie wäre es mit einem Wurstsandwich? Ich mache unverschämt gute Sandwiches.“

Erleichtert, dass sie nicht ihren Teller leer zu essen brauchte, und viel zu hungrig, um sein Angebot abzulehnen, lächelte sie ihn an. „Ich bin verrückt nach Wurstsandwiches.“

„Bin gleich wieder da.“

Irish sah Kyle zu, wie er einen Laib Brot und ein Glas mit Senf von einem der Regale nahm und damit zur Fleischtheke ging. Er holte eine große Wurst aus der Lade, Sekunden später surrte die Schneidemaschine, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis er mit einem Sandwich zurückkam, das er auf ein Stück Einwickelpapier gelegt hatte. Obenauf thronte eine Tüte Chips.

„Danke“, sagte sie. „Das sieht großartig aus.“

„Normalerweise macht Alma Jane die Sandwiches, wie überhaupt alle Mahlzeiten, und sie hilft auch im Laden. Aber sie hat gerade eine schlimme Allergie von giftigem Efeu. Ich hoffe nur, dass sie morgen wieder hier ist. Ich bin nämlich kein so guter Koch.“

„Ich auch nicht“, gestand sie ihm. „Ich weiß nicht mal, wie ich das Licht am Herd einstellen muss. Olivia kocht normalerweise.“

„Wer ist Olivia?“

„Eine meiner Mitbewohnerinnen in Washington.“

„Eine?“ Er füllte ihr Glas mit Eistee aus einem großen steinernen Krug nach.

„Ja“, antwortete sie und gab ihm dann zwischen den Bissen von dem herrlichen Sandwich einen genauen Bericht über Olivia und Kim.

„Wie lange sind Sie schon Reporterin?“, fragte Kyle danach.

„Reporterin? Ich bin keine Reporterin. Wie kommen Sie denn auf den Gedanken?“

„Sie haben doch gesagt, Sie wollten einen Artikel über Jackson und seine Kumpels schreiben. Da habe ich angenommen, dass Sie für eine Zeitung arbeiten.“

„Himmel, nein! Ich schreibe nur diesen einen Artikel für Esprit.“

Esprit, Sie meinen das Hochglanzmagazin? Ich hätte gedacht, dass jemand mit Ihrem Aussehen für dieses Magazin als Model arbeitet und nicht dafür schreibt.“

„Vielen Dank. Früher war ich auch Model.“ Irish lächelte Kyle bezaubernd an. „Aber ich arbeite nicht fest für das Magazin und schreibe nur freiberuflich.“

Er deutete auf ihren noch fast vollen Teller mit Chili. „Darf ich?“

„Gern.“ Sein Magen musste mit Blei verkleidet sein. Sie konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, dass jemand einen ganzen Teller von diesem feurigen Zeug essen konnte, geschweige denn zwei.

„Ich liebe dieses Essen. Es ist schon eine Ewigkeit her, seit ich eine ordentliche Portion Chili verdrücken durfte. Mein Großvater kocht es immer selbst, in einem Waschkessel auf offenem Feuer, und friert es dann portionsweise ein. Warum arbeiten Sie nicht mehr als Model?“

Sein erneuter plötzlicher Themenwechsel überraschte sie einen Augenblick lang, und sie knabberte an einem Kartoffelchip, ehe sie ihm eine ihrer vorbereiteten Antworten gab. „Ich bin zu alt dafür.“

„Unsinn. Sie sehen großartig aus.“

„Ich bin schon beinahe dreißig.“

Er lachte. „Das tollste Alter.“

„Für Sie vielleicht, aber die heutigen Models werden von Tag zu Tag jünger. Außerdem war ich … Ich war die Arbeit in New York leid.“

„Das kann ich gut verstehen. Die dortige Kriminalität ist mörderisch. Hier, in dieser Gegend, war das schlimmste Verbrechen in letzter Zeit, dass Newt Irwin sich betrunken hat und … Irish?“

„Ja. Entschuldigen Sie. Wie bitte?“

„Sie sind eben ins Stocken geraten und nervös geworden. Habe ich etwas Falsches gesagt? Bin ich Ihnen vielleicht zu nahe getreten?“

„Nein. Ganz und gar nicht“, antwortete sie, doch das war eine höfliche Lüge. Er hatte einen Nerv von ihr getroffen. „Was sagten Sie da gerade über Luke?“

„Nicht Luke, sondern Newt. Er hat sich betrunken und dann eine von Henry McKenzies Ziegen gestohlen.“

„Aber warum denn das?“

„Er wollte ein Barbecue machen. Aber am nächsten Morgen hat Newts Mom die Ziege, die er in ihrem Vorgarten angebunden hatte, gefunden, wie sie gerade ihre Stiefmütterchen fraß, und den Sheriff gerufen. Henry hat seine Ziege zurückbekommen, und Newt hat drei Tage lang im Bau gesessen.“

Irish lachte. „Das klingt ja fast so, als gäbe es hier einige sehr ungewöhnliche Charaktere.“

Wieder ertönte ein Pistolenschuss, und sie zuckte erneut erschrocken zusammen.

„Die haben wir wirklich“, meinte Kyle. „Und einer davon lebt gleich hier oben. Mein Großvater ist mit seinen vierundachtzig immer noch ein Heißsporn. Bin gleich wieder da. Sehen Sie sich derweil im Laden um, ob Sie etwas finden, das wir als Nachtisch essen können.“

Sie hatte gerade das Sortiment von Keksen und kleinen Kuchen ins Auge gefasst, da hörte sie draußen vor der Tür einen Wagen halten. Sekunden später betrat ein älteres Paar in bunter Freizeitkleidung den Laden. Er war kahlköpfig, und seine Jacke spannte sich über seinem runden Bauch; sie war spindeldürr mit schlecht gefärbtem schwarzen Haar und einer Unzahl von diamantbesetzten Ringen an den Händen.

„Oh, sieh doch nur, Edgar! Ist das nicht ein entzückender kleiner Laden?“ An sie gewandt, fuhr die Frau fort: „Wir sind auf der Durchreise von der Golfküste. Es ist wunderschön in dieser Gegend hier, nicht wahr, Edgar? Wir wollten nur einen kleinen Imbiss mitnehmen und … Edgar, schau dir das an! Geschnitzte Indianer, in Lebensgröße. Würde so einer nicht wundervoll an unserem Swimmingpool aussehen? Und dann der Preis! Das ist doch fast geschenkt!“

Edgar, der starr auf das Regal mit Keksen blickte, nickte abwesend.

Da Kyle nicht in der Nähe war, zwang Irish sich zu einem freundlichen Lächeln und setzte ihr Verkaufsgesicht auf. „Ja, sind diese Figuren nicht herrlich? Der Künstler ist sehr begabt. Haben Sie draußen die Tiere gesehen? Die Adler sind ganz fantastisch, und da ist auch noch ein Bär, den Sie unbedingt sehen müssen. Ein herrliches Stück, das gerade erst fertig gestellt wurde. Wir haben ihn Vince getauft. Kommen Sie, ich zeige ihn Ihnen.“

Als Kyle schließlich Pete versorgt hatte und wieder nach unten kam, winkte Irish gerade einem Wagen nach.

„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, sagte er entschuldigend. „Wer war das in dem Wagen?“

„Corrie und Edgar. Sie wollten nur einen kleinen Imbiss. Ich habe ihnen einen Karton mit Limonade verkauft, zwei Dosen Cracker, drei Büchsen Erdnüsse, zwei Geleerollen, zwei kleine Nusskuchen, zwei lebensgroße Indianer, einen Adler und Vince. Das Wechselgeld für ihre Reiseschecks habe ich ihnen aus der Kasse gegeben. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.“

„Dagegen? Sie haben in dreißig Minuten mehr verkauft als ich in einer ganzen Woche. Und sie haben Vince gekauft?“

„Jawohl.“

„Aber ihm fehlt ein Ohr.“

„Das macht ihn nur noch außergewöhnlicher. Zu einem echten Original.“

Kyle schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich hoffe, Sie haben ihnen Rabatt gegeben.“

„Aber nein! Leider wusste ich ja nicht, wie viel der Bär kosten sollte, aber ich habe fünfzig Dollar mehr dafür verlangt als für einen Indianer.“

„Das soll wohl ein Scherz sein?“

„Nein. Aber machen Sie sich keine Sorgen, sie konnten es sich leisten. Corrie war richtig aufgeregt über ihre neue Pool- und Gartendekoration. Sie will jetzt eine Party geben, wenn sie und Edgar wieder zu Hause sind, und die Skulpturen werden einen wundervollen Gesprächsstoff abgeben. Ich habe ihr auch genau erklärt, wie sie gemacht worden sind.“

Kyle unterdrückte ein Lachen. „Und woher wussten Sie das?“

Irish winkte ab. „Ich habe ihnen Ihren Arbeitsplatz gezeigt, und was ich nicht wusste, habe ich einfach erfunden. Corrie war echt begeistert. Edgar hat nicht viel gesagt. Aber er war fasziniert von der Klapperschlange in dem Terrarium. Er wollte sie kaufen, aber ich dachte mir, dass sie unverkäuflich ist. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie viel ich dafür verlangen sollte oder ob man ihr die Giftzähne gezogen hat.“

Kyle brach in schallendes Gelächter aus. „Bin ich froh, dass Sie Sam nicht verkauft haben! Mein Großvater hätte einen Tobsuchtsanfall bekommen. Die Schlange und die Pfeilspitzen sind die Hauptattraktionen seines Museums. Und nein, Sam hat man die Giftzähne nicht gezogen.“

Irish erschauderte. „Wie gut, dass ich nicht versucht habe, sie aus dem Terrarium zu holen. Übrigens, die beiden sind gekommen, ehe ich einen Nachtisch aussuchen konnte. Wollen wir uns ein Paket Schokoladenkuchen teilen?“

„Gern.“ Während Kyle ihr zuhörte, bezauberte Irish ihn noch mehr. Sie war nicht nur eine himmlisch gut aussehende Frau, es war auch eine wahre Freude, in ihrer Nähe zu sein. Sie hatte Witz, war fröhlich und unbeschwert, und damit das genaue Gegenteil all der Hollywood-Typen, denen er entflohen war. Wenn er die Jahre bedachte, in denen sie als begehrtes Fotomodell gearbeitet hatte, war er überrascht, dass sie sich so ungezwungen benahm.

„Holen Sie den Kuchen“, sagte er. „Ich mache den Kaffee. Wie möchten Sie Ihren haben?“

„Schwarz.“

Nach ein paar Minuten kam er zu ihr an den Tisch. Vor seinem Platz lag auf einer Serviette ein kleiner Schokoladenkuchen, der zweite aus der Packung lag vor ihr.

„Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Pulverkaffee“, meinte er. „Das, was noch im Kaffeetopf war, war ungenießbar.“

„Pulverkaffee ist in Ordnung.“

Entspannt aßen sie ihren Kuchen. Als Irish den letzten Bissen in den Mund gesteckt hatte, leckte sie sich die Schokolade von den Fingern und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. „Ich liebe Süßigkeiten, besonders Schokolade. Jahrelang musste ich darauf verzichten. Seit ich aus New York weggegangen bin, habe ich fünfzehn Pfund zugenommen.“

„Die haben Sie aber gut versteckt. Ich finde Sie sehr schlank.“

„Danke.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Möchten Sie noch einen Kuchen?“

„Oh ja! Lassen Sie uns noch einen verputzen.“

Sie verlor keine Zeit, holte ein weiteres Paket und riss die Verpackung auf, reichte ihm einen der kleinen Kuchen und verspeiste den anderen in Blitzesschnelle. Nachdem sie sich noch einmal die Finger abgeleckt hatte, umfasste sie die Kaffeetasse mit beiden Händen und nippte an der dunklen Flüssigkeit. Blicklos starrte sie dabei auf einen Punkt über seiner linken Schulter, und plötzlich bildete sich zwischen ihren wunderschönen Augenbrauen eine Falte.

„Gibt es da ein Problem?“, fragte er.

„Ein ganz großes sogar. Ich kann nicht nach Washington zurückfahren, ehe ich nicht Jackson Crow interviewt habe. Aber wo soll ich solange bleiben, wenn er erst am Montag zurückkommt? Ich hatte damit gerechnet, Gast in Crow’s Nest sein zu dürfen.“ Die Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich eine Spur. „Sind diese … diese Tipis dort draußen bewohnbar?“

Er lachte leise. „Nun, die Bettwäsche und die Handtücher sind sauber, und es regnet auch nicht hinein. Aber ich bezweifle, dass Sie an eine solche Unterkunft gewöhnt sind. Die Tipis sind ziemlich rustikal. Wahrscheinlich hätten Sie es bequemer, wenn Sie nach Jacksonville oder nach Tyler in ein Hotel fahren.“

„Das geht nicht.“ Der Ausdruck ihrer schönen Augen war immer noch betrübt, und sie fuhr mit der Zungenspitze über eine kleine Kerbe am Tassenrand. Er konnte seinen Blick nicht von ihrer zartrosa Zungenspitze losreißen, und seine Fantasie ging ihre eigenen ungemein anregenden Wege.

„Sie müssen verstehen, ich bin … ein wenig knapp bei Kasse und hatte gehofft, so ein Tipi zu mieten wäre vielleicht nicht so teuer.“

„Die Tipis? Nicht teuer? Oh, aber überhaupt nicht.“ Kyle hätte beinahe laut gejubelt. Er wollte nicht, dass sie schon so bald wieder verschwand. „Um ehrlich zu sein, Ihre Provision vom Verkauf an Corrie und Edgar ist bedeutend größer als die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, bis Jackson zurückkommt.“

Ihre Augen weiteten sich. „Meine Provision?“

„Sicher. Und wenn Sie ein bisschen zusätzliches Geld benötigen, ich könnte hier gut Hilfe brauchen, bis Alma Jane wieder da ist – so bis morgen oder übermorgen.“

„Was müsste ich denn tun?“

„Auf den Laden aufpassen, während ich die Kettensäge schwinge. Oder noch besser, wie würde es Ihnen gefallen, einem jähzornigen alten Mann etwas vorzulesen? Mein Großvater liest für sein Leben gern, aber nach einiger Zeit spielen seine Augen nicht mehr mit. Der Job würde nicht viel einbringen, aber …“

„Ich nehme ihn. Aber nur bis Jackson zurückkommt, das verstehen Sie doch, nicht wahr?“

„Fein. Abgesprochen.“ Er freute sich so diebisch, dass sich auf seinem Gesicht ein breites Grinsen zeigte. Vielleicht könnte er Jackson ja davon überzeugen, noch ein paar Tage länger in Dallas zu bleiben.

Die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen verschwand, und Irish strahlte. „Großartig. Wenn Sie mir den Schlüssel geben, werde ich rasch meine Sachen in eins der Tipis bringen.“

Irish fuhr den Wagen zum Tipi Nummer zwei und lud ihr Gepäck aus. Sie schloss die Tür auf und blickte vorsichtig in das Tipi hinein.

Kyle hatte recht. Es war sehr rustikal. Die meisten der Möbelstücke waren aus Ästen und Zweigen hergestellt. Eine verwaschene, aber saubere indianische Decke lag auf dem Bett. Die Kommode war unbestimmten Alters, und zwei große Ölgemälde, nach der Methode „Malen nach Zahlen“ fabriziert, hingen an den Wänden. Das eine zeigte einen indianischen Häuptling in vollem Federschmuck, das andere ein geflecktes Pferd in einer roten Wüste. Ein hölzerner Schaukelstuhl, dessen Sitz mit Kuhfell bezogen war, stand in einer Ecke.

Irish seufzte und zog ihren Koffer in den Raum. „Heim, süßes Heim“, murmelte sie.

Sie untersuchte die Laken und das Bett. Und die Schlösser.

Die Laken dufteten frisch, die Matratze war ohne jegliche Beulen und sehr bequem. Die Armaturen im Bad waren alt, aber ebenfalls sehr sauber. Und was noch viel wichtiger war, das Schloss war stabil. Es war nicht gerade das Plaza, aber es genügte ihr durchaus.

Nachdem sie ihre Kleider aufgehängt und ihre anderen Sachen weggeräumt hatte, zog Irish sich um. Sie wählte Jeans, ein weißes T-Shirt und ein weißes Hemd. Die Turnschuhe fühlten sich himmlisch an nach den neuen hochhackigen Stiefeln, die gar nicht so schlecht aussahen, trotz all dem, was sie hatten mitmachen müssen. Eine kurze Auffrischung ihrer Frisur und des Make-ups und sie war bereit, Cherokee Pete kennen zu lernen.

Der Klang der Kettensäge kam aus dem Schuppen. Kyle war offenbar an seine Arbeit zurückgegangen und stellte einen weiteren Bären oder einen x-beinigen Cowboy her. Sie ging wieder in den Laden und zögerte dann einen Augenblick, ehe sie auf Zehenspitzen nach oben schlich. Sie wollte den alten Herrn nicht stören, falls er vielleicht schlief.

Sie folgte dem Geräusch eines Fernsehers zu einer offenen Tür am Ende des Flurs. Im Vorbeigehen fiel ihr Blick auf ein großes Bild, die hervorragende Kopie eines Remington. Das Gemälde war wesentlich anspruchsvoller als der Indianer und das gefleckte Pony, die die Wand in ihrem Tipi zierten.

Die offene Tür, durch die sie dann vorsichtig einen Schritt machte, führte in eine große Bibliothek. Vor ihr an der gegenüberliegenden Wand war ein mächtiger gemauerter Kamin, an dem noch eine Kopie eines Remington hing und auf dessen Sims einige Töpfereien des Südwestens standen. Zwei große Ledersofas, die die Farbe von Ochsenblut hatten, säumten zu beiden Seiten den Kamin; dazwischen stand ein Couchtisch, der aus einem dicken Baumstamm geschnitten war. Weitere Töpfereien und die Statue eines mit Kniehosen bekleideten indianischen Kriegers, der kunstvoller geschnitzt war als seine hölzernen Kollegen unten, standen auf dem Tisch. Einige Ohrensessel und lederne Klubsessel mit Beitischen waren über den weitläufigen Raum verteilt. Sie hätte dieses Zimmer eher in einem Herrenclub erwartet und nicht in der oberen Etage eines vollgestopften Handelspostens.

Vom Boden bis zur Decke nahmen Regale aus poliertem Holz und voller Bücher fast alle Wände ein. Sie folgte den Regalen mit dem Blick bis zu einem Alkoven am Ende des Raums, wo neben dem Fenster ein Krankenbett stand, aus dem zwei dunkle Augen sie aufmerksam beobachteten.

Sie lächelte. „Hallo. Ich bin Irish Ellison. Darf ich reinkommen?“

„Sieht ganz so aus, als wären Sie schon drin. Kommen Sie näher, damit ich Sie mir besser anschauen kann. Diese alten Augen sind nicht mehr so, wie sie sein sollen. Irish, sagten Sie? Den Namen habe ich noch nie gehört, höchstens als Spitznamen.“

„Es ist aber mein richtiger Name. Meine Mutter stammt von Iren ab, und sie ist sehr romantisch“, erklärte sie, als sie durch das Zimmer zum Bett ging.

Der Mann erinnerte sie an eine ältere, sehnigere Ausgabe von Willy Nelson. Sein Haar war oben auf dem Kopf schon dünn geworden, doch an den Seiten hing es in langen grauen Zöpfen weit hinunter. Die Haut über den Wangenknochen war voller Runzeln und wirkte wie Leder, doch die dunklen Augen zeugten von viel Lebenskraft, und sie bezweifelte, dass ihnen etwas entging.

Er hob die Fernbedienung hoch, drückte auf einen Knopf, und der Ton des Fernsehers schaltete sich aus. „Ich bin Pete Beamon, doch alle nennen mich Cherokee Pete, schon solange ich denken kann. Ich bin mütterlicherseits ein halber Cherokee. Meine Frau war auch Irin. Honigfarbenes Haar und blaue Augen hatte sie. Sie war eine wunderschöne Frau, genau wie Sie. Im November ist sie jetzt dreiundvierzig Jahre tot. Sie war Lehrerin. Sie hat mir das Lesen beigebracht, da war ich schon erwachsen. Wir haben dann zusammen begonnen, diese Bücher zu sammeln, vor über fünfzig Jahren. Kommen Sie, setzen Sie sich.“ Er deutete auf einen Stuhl neben dem Bett. „Sagen Sie mir, was ein so hübsches Mädchen wie Sie in dieser Gegend zu suchen hat.“

„Ich möchte Sie nicht stören …“ Sie blickte zu der Wand, wo offenbar der Fernseher stand – und war total verblüfft. Statt eines einzelnen Fernsehapparates entdeckte sie dort sechs. Zwei der Bildschirme waren dunkel, doch zwei zeigten das Innere des Ladens unten und zwei weitere das Gelände um das Haus herum.

„Aber das ist ja …“

„Eine Überwachungsanlage. Ja, diesen alten Augen entgeht nicht viel. Sie haben an meinem Enkel wohl einen Narren gefressen?“

Irish räusperte sich und versuchte, sich unter diesem wachsamen Blick nicht zu winden. „Nun, er ist … er ist sehr attraktiv, aber ich bin nicht interessiert.“

Cherokee Pete lachte laut auf. „Das ist aber gar nicht das, was ich gesehen habe. Ich mag Sie, Irish Ellison. Das wusste ich gleich beim ersten Blick. Und ich sage Ihnen was. Wenn Sie meinen Enkel heiraten, werde ich Ihnen eine Million Dollar geben.“

3. KAPITEL

Eine Million Dollar!

Cherokee Pete konnte nur einen Scherz gemacht haben, und Irish lachte über diesen Spaß. „Okay, Ihr Enkel sieht teuflisch gut aus. Führen Sie mich also nicht in Versuchung. Sie können es wohl kaum erwarten, ihn loszuwerden, wie?“

„Ich kann es kaum erwarten, noch ein paar Enkelkinder zu bekommen, ehe ich den Löffel abgeben muss. Nicht ein einziger meiner Enkelsöhne ist verheiratet. Das ist nicht normal. Kyle hat mir gesagt, Sie würden mir vorlesen?“

„Wenn Sie das möchten.“

„Natürlich möchte ich das“, erklärte Pete. „Nur weil ich hier der Älteste bin, bedeutet das noch lange nicht, dass ich die Gesellschaft einer wunderschönen jungen Dame nicht zu schätzen weiß.“

„Was soll ich Ihnen denn vorlesen?“

Pete griff nach einem Buch, das neben ihm auf dem Bett lag, und reichte es ihr. „Ich möchte gern den Rest der Geschichte hören. Ich war beinahe damit fertig, als meine Augen nicht mehr mitspielten. Ich brauche eine neue Brille, aber es wird noch eine Weile dauern, bis ich zum Augenarzt komme, jetzt, wo ich mir die Hüfte verletzt habe. Kyle will mich in ein paar Wochen hinbringen.“

Irish sah sich das dicke Buch an. „Das neueste Werk von John Grisham. Sind Sie ein Fan von ihm?“

„Er ist ganz gut, wenn einem der Sinn nach dieser Art von Lektüre steht. Aber ich lese fast alles, von Krimis bis hin zur Philosophie. Meine Enkel wissen, dass ich eine Leseratte bin, also bekomme ich immer viele Bücher zu Weihnachten und solchen Gelegenheiten. Ich habe ein Lesezeichen reingetan, bis dahin bin ich gekommen. Jetzt kann es weitergehen.“

Irish öffnete das Buch und begann, die letzten Kapitel zu lesen.

Kyle stand an der Tür und lauschte Irishs wundervoller Stimme, während sie seinem Großvater vorlas. John Grisham hatte in seinen Ohren noch nie so aufregend geklungen.

Oder so sexy.

Er hörte nicht auf den Wortlaut der Geschichte, sondern nur auf ihre samtene Stimme, die ihn verlockend einhüllte und ihm unter die Haut ging. Als ein Dialog kam, änderte sie ihre Tonlage ein wenig. Danach sprach sie wieder leise und sinnlich betörend.

Schließlich machte sie eine kleine Pause und sagte dann ruhig: „Ende.“

Pete lachte. „Eine Million Dollar! Jawohl! Nein, ich erhöhe auf zwei Millionen!“

Irish stimmte in sein Lachen ein, und er trat schnell ins Zimmer, ehe sein Großvater begann, einen Scheck auszustellen. Cherokee Pete war sehr großzügig bei Menschen, die er mochte.

„Wie ich sehe, versteht ihr beide euch prächtig“, sagte er beim Nähertreten.

„Mich hat es regelrecht gepackt“, erwiderte Pete. „Das ist die richtige Vorleserin für mich. Sie bringt ein Buch zum Leben, ebenso ausdrucksstark wie eine dieser Schauspielerinnen aus New York.“

„Ja, das habe ich gehört. Sie sind wirklich sehr gut“, wandte er sich an Irish. „Haben Sie nie daran gedacht, Schauspielerin zu werden?“

„Früher schon“, antwortete Irish. „Ich hatte zwei Jahre lang Drama als Hauptfach belegt, doch dann habe ich das College verlassen und stattdessen als Model gearbeitet.“

„Als Model?“, fragte Pete. „Kyle hat gesagt, Sie würden schreiben.“

„Das tue ich auch. Ich arbeite nicht mehr als Model.“

„Waren Sie auch in diesen Magazinen? Wie Cindy Crawford und diese Claudia, wie heißt sie doch gleich, diese Ausländerin?“

„Ja, aber ich war nicht auf dem gleichen Standard wie sie. Woher wissen Sie von Cindy und Claudia Schiffer?“

Pete grinste verschmitzt. „Ich habe Ihnen doch gesagt, ich lese fast alles. Ab und zu sehe ich mir auch die Frauenmagazine an. Und wissen Sie was? Je länger ich Sie mir so anschaue, glaube ich sogar, dass ich Ihr Bild schon irgendwo gesehen habe.“

„Das muss aber ein paar Jahre her sein. Möchten Sie jetzt ein anderes Buch anfangen?“

„Nicht sofort. Ich werde jetzt erst mal einen kleinen Mittagsschlaf halten oder mir eine Sendung im Fernsehen angucken. Gehen Sie nur mit Kyle, dann können Sie sich besser kennen lernen.“ Er zwinkerte Irish bedeutungsvoll zu. „Wenn Sie wissen, was ich meine.“

Sie lachte. „Kommt überhaupt nicht in Frage.“

Während Irish dann mit Kyle nach unten ging, fragte er: „Was hat mein Großvater vor? Er hat Ihnen doch nicht etwa einen unanständigen Antrag gemacht, oder?“

„Nein. Wir haben nur Spaß gemacht. Er hat mir eine Million Dollar geboten, wenn ich Sie heiraten würde. Dann hat er sogar auf zwei Millionen erhöht.“

„Mein Gott!“

„Keine Sorge, er hat nur rumgeflachst. Das Einkommen aus diesem Laden und seine monatliche Rente können ihn natürlich unmöglich zum Millionär gemacht haben, aber er ist ein sehr lieber alter Herr. Doch wenn er wirklich so viel Geld hätte, würde ich über sein Angebot vielleicht sogar nachdenken.“

Kyle wäre beinahe gestolpert. „Oh!“

Irish lächelte. „Ich bin sicher, dass ich nicht die erste Frau bin, die Ihnen sagt, dass Sie ein außergewöhnlich attraktiver Mann sind. Und zwei Millionen Dollar würden Sie geradezu unwiderstehlich machen.“

Er räusperte sich. „Dann macht Sie Geld also an?“

„Grün ist meine Lieblingsfarbe. Doch wie gesagt, Sie sind in vieler Hinsicht ein attraktiver Mann, aber vor mir sind Sie sicher. Das soll keine Beleidigung sein, doch ich habe vor, einen reichen Mann zu heiraten.“

Alarmglocken begannen in seinem Kopf zu läuten. „Ach, wirklich?“

„Jawohl.“

„Und was ist mit Liebe?“

„Oh, ich will nicht nur einen reichen Mann. Ich will natürlich einen, den ich auch lieben kann. Ruhig schlafen zu können, ohne mir Sorgen um meine Sicherheit machen zu müssen, weckt schon eine große Zuneigung.“

Ihre Stimme war leicht und neckend, doch er spürte, dass unterschwellig mehr hinter ihren Worten lag. Was war es, das ihr in den Nächten Sorgen bereitete? Hatte es etwas mit den hauchdünnen Narben auf der linken Seite ihres Gesichts zu tun? Sie waren kaum zu sehen, und mit ihrem gekonnten Make-up konnte nur ein Profi sie erkennen, der ihr Gesicht genau betrachtete.

Er hätte ihr gern mehr Fragen gestellt, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Deshalb meinte er lachend: „Das muss ich erst mal verdauen. Macht es Ihnen etwas aus, eine Weile auf den Laden aufzupassen? Ich möchte noch mal nach meinem Großvater sehen.“

„Kein Problem.“

Er wandte sich um und ging die Treppe wieder hinauf und zurück in Petes Zimmer.

„Was tust du hier oben? Warum bist du nicht unten und umwirbst Irish? Ich mag sie, Sohn. Ich mag sie sogar sehr. Sie würde eine gute Frau für dich abgeben. Und ihr würdet wunderschöne Kinder haben.“

„Bist du da nicht ein wenig voreilig?“

„Nein. Ich wusste sofort, dass deine Großmutter die richtige für mich war.“

„Nun, ich bin da eben anders. Ich brauche etwas mehr Zeit. Außerdem gibt es da ein Hindernis bei Irish.“ Kyle setzte sich neben das Bett und atmete tief durch. „Wie es scheint, will sie nur einen reichen Mann heiraten.“

Pete lachte laut auf. „Dann bist du ja genau der Richtige. Außer den zehn, die ich dir gegeben habe, wie viele Millionen hattest du, als du das letzte Mal nachgezählt hast?“

„Darum geht es nicht. Verstehst du, ich bin schon an Irish interessiert, aber ich will keine Frau, die mich anschaut und nur die Dollars sieht.“

Pete nickte. „Das leuchtet mir ein. Also wirst du sie anlügen. Richtig?“

„Nein. Ja.“ Kyle zog seinen Stetson vom Kopf, legte ihn auf die Knie und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Teufel, ich weiß es nicht. Aber ich möchte mich nicht in eine Mitgiftjägerin vergucken. Im Augenblick wäre es mir sehr lieb, wenn sie nichts von deinem oder meinem Reichtum weiß und …“

„Und dass du Schönheitschirurg bist.“

„Richtig. Und dass Jackson ebenfalls dein Enkel ist und mein Cousin.“

„Warum denn das nicht?“

Kyle grinste. „Weil ich dafür sorgen möchte, dass Jackson und seine Bande noch ein oder zwei Tage länger in Dallas bleiben. Ich will nicht, dass Irish von all diesen Männern und ihrem Geld in Versuchung geführt wird, bis ich die Möglichkeit gehabt habe, mir ihre Zuneigung zu sichern.“

„Wird sie nicht stutzig werden, wenn sie die Ölquellen auf unserem Land sieht?“

„Wenn sie mich darauf anspricht, werde ich ihr eben sagen, dass sie Jackson gehören oder sonst jemandem. Sie wird schon nicht herausfinden, dass es dein Land ist. Wenn du mitspielst.“

„Meine Lippen sind versiegelt. Von mir aus kannst du ein nutzloser Bummler und ich nur noch einen Schritt davon entfernt sein, Sozialhilfe zu beanspruchen.“

„So weit brauchst du nun auch wieder nicht zu gehen.“

Cherokee Petes Augen blitzten. „Du magst unsere Irish ja offenbar sehr, sonst würdest du dir nicht solche Mühe geben wegen ihr.“

„Ich gebe ja zu, dass sie mich neugierig gemacht hat.“

Pete lachte. „Neugierig? Teufel, sie hat dich ganz schön durcheinandergebracht. Ich bin nicht so alt, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann. Und jetzt kümmere dich um den Braten und stell ihn in den Ofen. Danach gehst du nach unten und machst ihr den Hof.“

Kyle nickte, denn genau das hatte er vor zu tun.

Kyle und Irish verbrachten den Rest des Nachmittags im Laden, und während sie auf Kunden warteten, unterhielten sie sich über dies und das, angefangen von ihrer Lieblingsfarbe bis hin zur Politik. Sie fanden heraus, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und obwohl er Blau lieber mochte und sie Grün, eine Menge Gemeinsamkeiten hatten. Und je länger Kyle in Irishs smaragdgrüne Augen blickte, desto mehr war er bereit, Grün den Vorzug vor Blau zu geben. Grün war einfach bezaubernd.

Zum Abendessen gingen sie nach oben, und Kyle schaute nach dem Braten, den er nach Petes Anweisungen zubereitet hatte. Er stach mit der Gabel hinein. „Sieht so aus, als sei er gar. Finden Sie nicht auch?“

„Ich bin keine Expertin, aber, ja, ich gebe Ihnen recht.“

„Dann werden wir ihn als gar erklären. Möchten Sie einen Salat dazu?“

„Gern. Den kann ich ja machen“, bot sie an.

Sie teilten sich die Arbeit, und Irish bereitete ein Tablett mit Essen für Cherokee Pete vor. Während sie es ihm brachte, deckte Kyle den Küchentisch. Er wollte noch eine Kerze dazustellen, entschied sich dann aber dagegen und suchte in den Schränken, wo er eine Flasche billigen Burgunder und eine Flasche teuren Chardonnay fand. Den Chardonnay stellte er in den Kühlschrank, den Burgunder öffnete er.

Irish kam zurück, als er gerade die Gläser aus dem Schrank holte. Er lächelte und probierte den Wein.

„Gar nicht so schlecht für den Preis“, meinte er. „Pete ist nämlich kein großer Weinkenner.“

„Ich kenne mich da auch nicht sehr gut aus. Um ehrlich zu sein, einiges von dem Zeug, das so großartig sein soll, schmeckt für mich wie Medizin.“

Nach dem Essen räumten sie zusammen die Küche auf und suchten für Pete im Kabelfernsehen einen Film mit John Wayne aus.

„Ich denke, ich werde jetzt besser in mein Tipi gehen“, sagte Irish danach und lächelte Kyle freundlich an. „Danke für das Abendessen.“

„Gern geschehen. Was halten Sie davon, wenn wir noch einen Spaziergang machen?“

„Gute Idee.“

Draußen war es noch angenehm warm, obwohl es bereits Oktober war. Der würzige Duft von Tannen lag in der Luft, und es roch nach frisch gemähtem Gras. In der langsam einsetzenden Dunkelheit begannen die Grillen zu zirpen und die Frösche zu quaken. Irish war schon zuvor aufgefallen, dass noch alles grün war.

„Wann wird es hier denn kalt?“, fragte sie. „Und wann verlieren die Laubbäume ihre Blätter?“

„Das kommt ganz darauf an, was man kalt nennt. Kurze Kaltfronten ziehen um diese Zeit schon mal auf, aber vor November friert es hier eigentlich nie. Doch weil es hier so viele Nadelbäume gibt, ist der Herbst bei weitem nicht so golden wie in Neuengland. Im Dezember verlieren dann auch hier die Bäume ihre Blätter, aber im März kommt schon das neue Laub.“

Weil es abseits von den großen Lampen am Weg sehr dunkel war, gingen sie nicht weit vom Handelsposten weg. Am Schuppen blieb Irish stehen.

„Ich sehe, Sie haben einen neuen Bären begonnen.“ Sie trat in den Schuppen, in dem es nach frischem Sägemehl und Holz roch, und rieb mit dem Daumen über die Ohren des Bären, der so groß war wie sie. „Ich fand es schrecklich, dass Sie meinetwegen dem anderen Bären das Ohr abgeschnitten haben. Deshalb war ich ja auch so erleichtert, dass Corrie ihn gekauft hat.“

„Das war doch nicht Ihre Schuld, es war ein Missgeschick.“

„Haben Sie das in Kalifornien auch gemacht? Ich meine, Bären geschnitzt?“

„Nein, dort habe ich eine andere Art von Skulpturen gemacht.“

„Was für welche? Aus Ton?“

Kyle gab eine vage Antwort und Irish vermutete, dass er von seiner Zeit an der Westküste nicht reden wollte. Das konnte sie verstehen, sie sprach auch nicht gern über die letzten Jahre, die sie in New York verbracht hatte.

Gelassen trat er neben sie in den Schuppen. Ihr schien es dort plötzlich viel enger zu sein, und das Atmen fiel ihr schwer, als er nun ebenfalls mit dem Daumen über das Ohr des Bären fuhr, genau parallel zu ihrem Daumen, sodass seiner nur einen Millimeter von ihrem entfernt war.

Der Duft von Kyles Aftershave mischte sich mit dem Duft des Holzes, und seine körperliche Nähe verwirrte sie. Schnell zog sie ihre Hand zurück und versuchte, einen Schritt von ihm wegzukommen. Doch stattdessen stieß sie gegen die ausgestreckte Bärentatze. Gefangen zwischen dem Bären und Kyle blickte sie auf. Sie öffnete den Mund, um eine geistreiche Bemerkung zu machen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.

Er zögerte einen Augenblick, dann beugte er sich zu ihr. „Darf ich – dich küssen?“, fragte er, während er mit dem Mund näher und näher kam. Erst als er nur noch einen Hauch von ihren Lippen entfernt war, hielt er inne.

Ihr Herz begann zu rasen, und sein warmer Atem auf ihrer Haut schickte kleine Wellen der Erregung durch ihren Körper. Ein Teil von ihr wollte „ja!“ rufen. Doch ein anderer Teil wollte ihn ohrfeigen und „nein!“ fauchen, weil er sie in eine solche Situation gebracht hatte.

Doch sie blieb stumm und brachte keinen Ton heraus.

Eine Ewigkeit standen sie so voreinander. Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren. Ihr wurden die Knie weich und das Blut rauschte ihr in den Ohren.

Weis ihn zurück, flüsterte ihr Verstand.

Lass es zu, flüsterte ihr Gefühl.

Ihr Gefühl gewann.

Sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen und wollte gerade den winzigen Abstand zwischen seinem und ihrem Mund überbrücken, als ein lauter Pistolenschuss die Stille zerriss.

4. KAPITEL

Kurz nach der Morgendämmerung begann das Durcheinander. Eine Hupe dröhnte gleich neben Irishs Tür, und etwas stieß so heftig gegen die Wand des Tipis, dass die zwei Bilder wackelten.

„Was zum …“ Irish fuhr benommen hoch.

Wieder dröhnte eine Hupe, dass ihr der Kopf brummte, und sie hörte laute Stimmen und das Zuschlagen von Autotüren. Sie schob die Bettdecke beiseite und lief zum Fenster. Draußen sah es aus, als wäre dort ein Zigeunerlager aufgeschlagen worden. Überall standen Zelte und blaue Sonnendächer, und unter den Bäumen waren lange Tische aufgestellt worden. Dreißig oder mehr Lastwagen und Autos mit Wohnanhängern hatten sich um den Handelsposten herum versammelt. Zahlreiche Leute luden alle Arten von Sachen aus, angefangen von Möbeln bis hin zu Gemüse.

Ein hölzerner Verkaufswagen, auf dem Eishörnchen, Popcorn und Zuckerwatte angepriesen wurden, war gegen ihr Tipi gefahren, und ein Mann winkte mit den Armen und brüllte dem Fahrer, der den Verkaufswagen rangierte, Anweisungen zu.

Der Wagen ruckte nach vorn und dann wieder zurück.

Bumm! Erneut donnerte er gegen ihr Tipi.

Aufgebracht rannte Irish zur Tür, schob die Kommode beiseite, die sie am gestrigen Abend fürsorglich noch davor gezogen hatte, drehte den Schlüssel herum und öffnete den Riegel.

„Was tun Sie da?“, schrie sie. „Versuchen Sie etwa, das Tipi abzureißen, während ich darin schlafe?“

Der Mann, der dem Fahrer die Anweisungen gegeben hatte, hörte auf zu winken und starrte sie an. Dann zog er seinen Cowboyhut vom Kopf und senkte betreten den Blick. „Tut mir leid, Ma’am. Aber Jason weiß noch nicht, wie man das macht.“

„Wie man was macht?“

„Wie man den Verkaufsstand richtig parkt.“

Die Wagentür öffnete sich, und ein Junge mit feuerrotem Haar, der nicht älter als vierzehn sein konnte, stieg aus. „Ich schaff das nicht, Daddy.“

„Du musst aber. Deine Mom ist heute nicht hier.“

„Aber Daddy …“

„Halt den Mund und geh wieder in den Wagen, ehe ich dich mit dem Gürtel versohle.“

„Nur über meine Leiche!“, fuhr Irish den Mann an und trat entschieden vor. „Wohin wollen Sie das Ding denn haben?“

Nachdem der Mann es ihr beschrieben hatte, wandte sie sich an den Jungen. „Steig ein, Jason, ich werde dir helfen.“

Jason, dessen Augen so groß wie Untertassen geworden waren, stieg wieder in den Wagen, und sie kletterte aufs Trittbrett und gab ihm ganz ruhig ihre Anweisungen, bis der Junge den Verkaufswagen an den richtigen Platz manövriert hatte.

„Also“, meinte sie dann. „Alles in Ordnung.“

Der Junge grinste breit.

Als sie von dem Trittbrett herunterstieg, stellte sie fest, dass alle anderen mit ihrer Arbeit aufgehört hatten und sie anstarrten. Erst da wurde ihr klar, dass sie barfuß und nur mit einem seidenen Nachthemd bekleidet war. Einer sehr durchsichtigen Seide. Doch sie ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Sie hatte sich für die Dessousseiten von Modemagazinen schon mit weitaus weniger Bekleidung ablichten lassen. Mit hoch erhobenem Kopf ging sie in ihr Tipi zurück und schlug die Tür hinter sich zu.

Dort warf sie einen Blick auf die Uhr und stöhnte. Wer stand schon zu einer so unwirtlichen Stunde auf? Am liebsten wäre sie wieder ins Bett geklettert, doch vermutlich würde sie ohnehin nicht schlafen können, deshalb ging sie unter die Dusche. Sie hatte schon die ganze Nacht kaum geschlafen. Denn obwohl das Bett sehr bequem war, hatte sie sich stundenlang ruhelos hin und her geworfen, ehe sie schließlich eingedämmert war.

Kyle Rutledge war der Grund für ihre Ruhelosigkeit gewesen. Sie mochte es gar nicht glauben, dass dieser Mann ihr so sehr unter die Haut gegangen war. Wenn Cherokee Pete seine Pistole nicht genau zur rechten Zeit abgefeuert hätte, hätte sie im nächsten Augenblick in Kyles Armen gelegen und ihn heiß geküsst – und nur der Himmel wusste, was noch geschehen wäre.

Auf jeden Fall fand sie Kyle beunruhigend aufregend. Doch du darfst dich nicht für ihn interessieren. Das sagte sie sich immer wieder. Er war arm, und sie wollte einen reichen Mann. Wenn sie eine andere Möglichkeit gehabt hätte, wäre sie hier verschwunden, um der Versuchung zu entgehen.

Denn Kyle Rutledge war eine sehr, sehr große Versuchung.

Aber in ihrer finanziellen Situation hatte sie keine andere Wahl, als hier zu bleiben.

Nach der Dusche schlüpfte sie schnell in ihre Jeans und eins ihrer Lieblingshemden. Mit ihrem Make-up ließ sie sich dann Zeit, bevor sie sich auf die Suche nach einem Frühstück machte.

Draußen ging es immer noch zu wie in einem Ameisenhaufen, doch innen im Handelsposten war es noch chaotischer. Alle Tische waren besetzt, Leute tranken Kaffee und aßen Brötchen und Doughnuts, und ungefähr ein Dutzend weiterer Menschen bevölkerte den Laden. Kyle stand hinter der Theke und wirkte erschöpft.

Sie ging zu ihm. „Sie sehen aus, als könnten Sie Hilfe gebrauchen.“

„Und ob. Ich hatte ganz vergessen, dass heute der dritte Samstag im Monat ist. Dann ist hier Markttag – ein großes Ereignis in dieser Gegend. Die Leute kommen von überall her, um hier zu verkaufen, zu kaufen und zu tauschen.“

„Was kann ich tun?“

„Noch eine Kanne Kaffee kochen, den Kunden helfen, die Kasse bedienen, ein Dutzend Hähnchen zerlegen …“

„Ein Dutzend Hähnchen zerlegen?“

„Vielleicht sogar noch mehr, ich weiß es nicht. Sie sollten eigentlich zerlegt geliefert werden, doch stattdessen haben sie ganze Hähnchen gebracht. Mein Großvater serviert immer gebratene Hähnchen, gebackene Kartoffeln und Krautsalat zu Mittag. Alma Jane hat versprochen zu kommen, trotz ihrer Allergie. Sie wollte die Hähnchen braten, aber ich muss sie zuerst zerlegen. Und ich habe keine Ahnung, wie man so was macht.“

„Dann kochen Sie den Kaffee, und ich kümmere mich um die Hähnchen.“

„Sie wissen, wie das gemacht wird? Ich dachte, Sie können nicht kochen.“

„Das stimmt. Aber mein Vater ist Metzger. Nach der Schule und an den Samstagen habe ich immer ausgeholfen.“ Irish nahm sich eine weiße Schürze und band sie um. „Man braucht nur ein scharfes Messer und einen starken Magen. Wo sind die Messer?“

Während Kyle den Kaffee kochte, die Kunden bediente und die Kartoffeln in Alufolie einwickelte, wanderte sein Blick immer wieder zu Irish, die wie ein Profi blitzschnell das Messer schwang.

„Ihre Geschwindigkeit erstaunt mich“, sagte er schließlich.

„Mich auch. Ich habe so etwas nämlich schon jahrelang nicht mehr gemacht. Aber offenbar verlernt man das nicht. Nach einer Minute ging alles wieder ganz automatisch.“ Sie warf die letzten Stücke in die große Schüssel und wandte sich dann zu ihm. „Fertig.“ Lächelnd und wie eine Trophäe hielt sie das Messer hoch.

„Ich bin beeindruckt. Liebling, so wie Sie mit dem Messer umgehen, möchte ich Ihnen nicht in einer dunklen Straße begegnen.“

Ihr Lächeln verschwand, und sie wurde kreidebleich. Dann starrte sie auf das Messer in ihrer Hand, als wäre es eine Klapperschlange, warf es beiseite und rannte zur Tür.

Er hatte keine Ahnung, worüber sie sich so aufregte, doch offenkundig hatte er etwas Falsches gesagt. Er ließ alles fallen und lief ihr nach. Er fand sie dann auf der Veranda, sie hatte die Arme um einen der Pfosten geschlungen und rang nach Luft.

„Irish, was ist los?“

Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. „Lassen Sie mir einen Augenblick Zeit.“

„Sind Sie krank?“

Wieder schüttelte sie den Kopf. „Es ist alles in Ordnung. Lassen Sie mich nur einen Moment allein.“

„Ich werde Sie nicht allein lassen, wenn Sie in einem solchen Zustand sind.“

„Bitte. Gehen Sie weg, verdammt!“

Da seine Anwesenheit sie nur noch mehr aufzuregen schien, hatte er keine andere Wahl, als zu gehen. Doch ihr Verhalten machte ihm Sorgen. War ihr schlecht geworden, weil sie all diese Hähnchen zerteilt hatte? Verflixt! Warum hatte er sie diese Arbeit überhaupt tun lassen? Er fühlte sich entsetzlich.

Doch als er in den Laden zurückkam, hatte er keine Zeit, sich weitere Gedanken zu machen. Die Kunden standen mittlerweile in Viererreihen vor der Theke. Während er die Kasse bediente, kam Alma Jane mit einer riesigen Schüssel Krautsalat. Er hätte die große, etwas knochige Frau am liebsten geküsst.

„Morgen“, sagte sie und nickte ihm zu.

„Guten Morgen, Alma Jane. Ich habe mich noch nie so gefreut, jemanden zu sehen wie dich jetzt. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du heute gekommen bist.“

Erneut nickte sie. „Sind die Hähnchen zerteilt?“

„Sie stehen dort drüben.“

Alma Jane zog sich lange Gummihandschuhe über ihre roten, geschwollenen Hände und untersuchte die Schüssel mit den Hähnchenteilen. „Gute Arbeit.“

„Dafür darfst du dich bei Irish bedanken.“

„Wer ist Irish?“

Er blickte zur Tür und lächelte. „Da kommt sie.“

„Eine sehr hübsche Frau.“

Sein Lächeln wurde breiter. „Das ist sie.“ Irish sah noch immer ein wenig zittrig aus, doch sie lächelte, als er ihr Alma Jane vorstellte.

„Hat Cherokee Pete schon sein Frühstück bekommen?“, fragte Irish.

Er schlug sich mit der Hand auf die Stirn. „Verflixt, ich war hier so beschäftigt, dass ich ihn ganz vergessen habe. Hoffentlich ist er nicht aufgestanden.“

„Ich werde ihm Kaffee bringen und nach ihm sehen.“ Irish füllte zwei Becher mit Kaffee und ging nach oben.

Er folgte ihr mit den Augen.

„Kyle Rutledge, hör auf, dieser Frau nachzustarren, und mach dich an die Arbeit“, sagte Alma Jane.

Er lachte und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Alma Jane, du weißt doch, dass ich mich für keine andere interessiere als für dich.“

„Komm mir ja nicht so, du Schönredner! Ich lasse mir von deinem Süßholzgeraspel doch nicht den Kopf verdrehen. Wickle die Kartoffeln zu Ende, sonst werden wir hier nie fertig.“

„Jawohl, Ma’am.“

Irish machte Rühreier und Toast für Cherokee Pete und sich und setzte sich dann neben sein Bett.

„Viel los heute?“, fragte er, während er den Toast mit Gelee bestrich.

„Sieht ganz so aus, aber ich weiß ja nicht, wie viel sonst immer los ist. Alma Jane brät die Hähnchen, und Kyle steht hinter der Theke. Wahrscheinlich sollte ich den beiden helfen. Oder möchten Sie, dass ich Ihnen etwas vorlese?“

„Gehen Sie nur. Ich melde mich, wenn ich etwas brauche.“ Pete lachte leise und tätschelte die Pistole, die auf dem Nachttisch lag.

„Wäre eine Glocke nicht besser?“

„Nein, die würde man auf die Entfernung nicht hören. Ganz besonders dann nicht, wenn Kyle mit der Kettensäge arbeitet. Auf Suzie hier kann ich mich verlassen.“

„Da haben Sie sicher recht. Ich bringe Ihnen später etwas von den Hähnchen.“

Irish ging zurück nach unten und half Kyle. Alma Jane ging wieder nach Hause, nachdem sie alle Hähnchen gebraten und von den Resten eine Suppe gekocht hatte. Irish und Kyle teilten nun das Essen aus, räumten später die Tische ab, bedienten gemeinsam die Kasse und beantworteten Fragen. Als die Menschenmenge sich nach der Mittagszeit langsam lichtete, waren sie beide erschöpft.

Kyle goss ihnen Eistee ein, reichte Irish ein Glas und führte sie zu einem der Tische.

„Wir werden jetzt eine Pause machen“, erklärte er. „Vorerst kann ich ohnehin kein Hähnchen mehr sehen.“ Er legte die Beine auf den Stuhl neben sich. „Ich begreife nicht, wie mein Großvater das in seinem Alter noch schafft.“

Irish, die ebenso erleichtert war, dass sie sitzen konnte, erwiderte: „Ich auch nicht. Ich bin über fünfzig Jahre jünger als er, und ich bin total erledigt. Das ist ja schlimmer als der Schlussverkauf in der Make-up-Abteilung.“

„Make-up-Abteilung?“

„Das ist mein Job. Ich verkaufe Spezialkosmetik in einem Warenhaus in Washington.“

„Speziell in welcher Weise?“

„Es ist ein Make-up, mit dem man Narben und Muttermale überdecken kann, ohne dass es gleich aussieht, als habe man sie mit dem Spachtel aufgetragen. Schauen Sie, ich trage sie auch.“ Sie drehte Kyle die linke Seite ihres Gesichts zu.

„Sie haben ein Muttermal?“

„Nein. Ich habe Narben. Von einem Messer. Sie sind eigentlich schon fast verschwunden. Ich hatte einen hervorragenden Schönheitschirurgen.“

Kyle schwieg einen Augenblick. „Dann haben Sie sicher eine sehr schwere Zeit hinter sich. Möchten Sie darüber sprechen?“

Irish holte tief Luft. „Jetzt nicht. Oh, da ist ein Kunde. Bleiben Sie nur sitzen, ich kümmere mich schon darum.“

Schnell stand sie auf und eilte hinter die Theke. Eigenartig, sie hatte geglaubt, dieses entsetzliche Geschehen hinter sich gebracht zu haben. Und nun war vorhin etwas passiert, das ihr bewies, dass sie es noch längst nicht überwunden hatte. Aber wenigstens hatte sie keine Albträume mehr. Nach zwei Jahren Therapie waren sie verschwunden.

In der Abenddämmerung, als alle Händler ihre übrig gebliebene Ware zu Schleuderpreisen anboten, nahm sich Irish die Zeit, zwischen den Ständen entlangzuspazieren. Sie winkte Jason zu, der die Maschine mit der Zuckerwatte bediente.

Selbst die Restposten waren noch interessant. Es wurde alles verkauft, von selbst gemachten Gelees und würzigen Saucen bis zu Antiquitäten und Schund. Doch in ihrer augenblicklichen finanziellen Lage konnte Irish sich die Sachen nur ansehen. Aber weil es in ihrem Tipi keinen Fernsehapparat gab, kaufte sie schließlich drei nicht mehr ganz neue Taschenbücher für einen Vierteldollar.

Als sie danach weitergehen wollte, trat Jason zu ihr und hielt ihr eine Zuckerwatte hin. „Das ist für Sie, Ma’am“, sagte er schüchtern.

Sie lächelte ihn strahlend an. „Du bist ein Schatz. Ich liebe Zuckerwatte.“

Der Junge wurde über und über rot, fuhr herum und lief davon.

Irish hörte ein leises Lachen hinter sich. Als sie sich umwandte, stand Kyle vor ihr.

„Ich glaube, Sie haben noch einen Bewunderer gefunden“, erklärte er.

„Noch einen?“

„Außer mir und jedem anderen Mann, der die Pubertät bereits hinter sich hat.“

Ein kleiner Junge mit lockigem Haar, in einem gelb-rot gestreiften Overall mit Grasflecken und rotem Pullover, kam fröhlich quiekend auf sie zugelaufen und schlang die Arme um Irishs Bein. Sie reichte Kyle die Zuckerwatte und hob den Kleinen hoch. „Hallo. Du bist aber lieb.“

Er steckte den Finger in den Mund und grinste sie an, wobei sich seine vier neuen Zähne zeigten.

„Ich muss mich korrigieren“, meinte Kyle. „Sieht ganz so aus, als hätten Sie noch ein Herz erobert.“

„Eins mit einem etwas feuchten Po. Wo ist denn deine Mami, mein süßer Schatz?“

„Ma-ma“, sagte das Kind und schlang ihr die Arme um den Hals und drückte sie.

Irish war hingerissen. Sie hatte gar nicht gewusst, wie bezaubernd kleine Jungs sein konnten, ganz besonders, wenn sie sie Mama nannten. Zärtlich drückte sie den Kleinen an sich. „Glauben Sie, er hat seine Mami verloren?“

„Ich bin sicher, seine Mutter ist hier irgendwo und hat ihn nur noch nicht vermisst“, erwiderte Kyle. „Kommen Sie, wir suchen sie. Lassen Sie mich ihn tragen.“

Doch damit war der kleine Kerl nicht einverstanden. Er klammerte sich an Irish. „Ma-ma, Ma-ma“, rief er, als Kyle ihn nehmen wollte.

„Psst, mein Süßer“, beruhigte Irish ihn und tätschelte seinen Rücken. „Ich werde ihn tragen. Er ist nicht schwer. Wer kümmert sich im Moment um den Laden?“

„Jenny, eine Nachbarin. Sie hilft mir manchmal, aber heute war sie in Tyler und hat jemanden im Krankenhaus besucht.“

Während die Händler ihre Sachen zusammenpackten, gingen Irish und Kyle herum und fragten jeden nach der Mutter des Jungen. Doch nirgendwo wurde ein Kleinkind vermisst.

Schließlich kehrten sie zum Laden zurück, und Kyle löste Jenny ab. Die Dämmerung setzte ein, und ein Verkaufswagen nach dem anderen fuhr los.

„Wir haben ein Problem“, sagte Irish schließlich.

„Stimmt“, erwiderte Kyle. „Vielleicht sollte ich den Sheriff anrufen.“

„Gute Idee. Aber zuerst sollten wir nachschauen, ob es in Ihrem Laden auch Windeln gibt.“

„Ich glaube schon.“

„Wissen Sie denn, wie man Windeln wechselt?“, fragte sie.

„Natürlich.“

Fünf Minuten später lag der kleine Kerl auf einem Stück Einwickelpapier auf einem der Tische. Kyle hatte ein Paket Windeln geöffnet und auch Puder und Tücher geholt. Es dauerte nicht lange, bis er dem Kind die Windel gewechselt, es gesäubert und gepudert hatte.

„Ich bin beeindruckt“, sagte Irish, die ihm zusah.

„Ich versorge manchmal mein Patenkind. Er ist zwar erst ein paar Monate alt, aber die Arbeit ist die gleiche.“ Kyle zog dem Jungen den Overall wieder an und hob ihn dann hoch.

Sobald das Kind wieder Irish im Blick hatte, streckte es ihr die Ärmchen entgegen. „Ma-ma. Ba-ba.“

Sie nahm ihn auf den Arm. „Ich bin nicht deine Mama, mein Süßer, aber wir werden sie bald finden.“

Er patschte ihr mit den Händchen ins Gesicht. „Ba-ba. Ham. Ba-ba. Ham.“

„Ich habe keine Ahnung, was er will.“ Sanft rieb sie ihre Nase an der des Kindes.

„Vielleicht hat er Hunger.“

„Natürlich! Ba-ba ist die Flasche. Möchtest du deine Flasche, mein Schatz?“

Der Kleine hüpfte auf ihrem Arm auf und ab. „Ba-ba!“

Sie sah Kyle an. „Ich hoffe, Sie haben auch Babyflaschen und Milch.“

„Milch ja, Flaschen nein. Aber wir haben Babynahrung, und im Lager steht sogar ein Kinderstuhl. Ich schaue schnell nach meinem Großvater, dann hole ich ihn.“

Wenig später saß der Kleine in einem Kinderstuhl und hatte ein Küchenhandtuch um den Hals gebunden. Er trank Milch aus einem Plastikbecher, doch obwohl Irish den Becher hielt, landete ein Großteil der Milch auf dem Stuhl und dem Fußboden.

Der Junge lachte und klatschte in die Hände, als Irish versuchte, ihn mit zerkleinerten Möhren, Erbsen und Hühnchen zu füttern.

„Die Erbsen scheint er nicht zu mögen“, meinte Kyle, nachdem der Kleine den dritten Löffel Erbsen ausgespuckt hatte.

„Nein, aber er liebt die Möhren. Ham-ham.“

„Ham-ham!“ Das Kind schlug mit der Hand auf das Tablett und öffnete den Mund. In kürzester Zeit hatte er die Möhren, das Hühnchen und ein Schälchen Apfelkompott gegessen und noch einen Becher Milch getrunken.

„Mein Schatz, wie kann nur jemand wegfahren und dich zurücklassen?“ Irish hob den Kleinen wieder auf den Arm, während Kyle zum Telefon ging.

„Wann kommt er?“, fragte sie, nachdem er den Sheriff angerufen hatte.

„Keine Ahnung. Es gab einen Notfall, und alle sind für die nächsten Stunden beschäftigt.“

Da klopfte plötzlich jemand heftig an die Tür. Kyle ging sofort hin und öffnete.

Eine zierliche blonde Frau mit verweinten Augen stand vor der Tür. „Mein Baby“, schluchzte sie. „Ich habe mein Baby verloren …“ Als sie den kleinen Jungen entdeckte, rief sie aufgeregt „Joey!“ und lief zu ihm.

„Ma-ma!“ Joey zappelte und streckte die Ärmchen aus.

Die Frau nahm ihn und drückte ihn fest an sich. „Oh, Gott sei Dank! Ich war schon ganz verzweifelt. Joey schlief auf dem Rücksitz, und seine älteren Schwestern sollten auf ihn aufpassen. Ich war nur ein paar Minuten weg, um Gemüse zu kaufen. Doch er muss aus dem Wagen geklettert sein, als die Mädchen sich die kleinen Hunde angesehen haben. Ich dachte, er schläft noch, als ich losfuhr, und war schon fast in Will’s Point, ehe mir auffiel, dass er nicht mehr da ist. Oh, Joey, mein Liebling.“ Sie bedeckte seine rosigen Wangen mit kleinen Küssen.

Dann bedankte sie sich überschwänglich bei Irish und Kyle und bot ihnen eine Belohnung an, weil sie ihren Sohn wiedergefunden hatten. Doch beide lehnten das entschieden ab, und die Mutter fuhr mit Joey los.

Irish und Kyle blickten ihnen von der Veranda aus nach. Wie selbstverständlich legte Kyle den Arm um Irish, und sie legte den Kopf an seine Schulter.

„Es ist schon erstaunlich, wie schnell ein so kleiner Kerl sich einen Platz im Herzen erobern kann“, sagte er.

Sie nickte. „Es war ja auch ein ganz besonders zauberhafter kleiner Kerl.“

„Haben Sie schon mal daran gedacht, selbst Kinder zu haben?“ Er hatte seine Hand auf ihre Hüfte gelegt und bewegte sie nun langsam auf ihren Bauch zu. Sanft strich er darüber.

Seine Berührung sandte ihr ein feines Prickeln durch den Körper, doch sie war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. „Manchmal schon, doch nur sehr vage. Ich habe nicht viel Kontakt zu Kindern.“

„Sie würden aber bestimmt eine sehr gute Mutter sein.“ Er küsste sie auf die Stirn.

Lächelnd blickte sie zu ihm hoch. „Zuerst müsste ich aber einen Ehemann finden.“

Er lehnte sich gegen das Geländer und zog sie an sich. „Suchen Sie denn nach einem?“

Im schwachen Schein des Verandalichts leuchteten seine Augen wie blaues Feuer, als er sich nun langsam zu ihr beugte. Wie gebannt von seinem Blick hob sie sich ihm entgegen.

Seine Lippen berührten sie. Es war ganz sacht, und er gab ihr damit die Chance, sich zurückzuziehen. Doch sie konnte sich nicht dazu bringen. Sein aufregender Duft hüllte sie ein, und seine starke Männlichkeit machte es ihr unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Sie spürte seinen Mund. Er war sanft und warm. Wundervoll. Und sehr sexy.

„Ja“, hauchte sie und dachte dabei nicht an seine Frage. Selbstvergessen schlang sie die Arme um seinen Nacken und öffnete weich die Lippen.

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Beverly Barton
Beverly Barton hat eine Schwäche, für Bad Boys, Männer mit kleinen Fehlern. In ihrer Kindheit schwärmte sie für „Die Schöne und das Biest“ – genauer gesagt, für das Biest. „Alle meine Lieblingsmänner sind stark, dominant und sehr maskulin. Aber am allerwichtigsten ist, dass sie ein Herz aus Gold haben“, erläutert...
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Leanne Banks
Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen.
Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe und...
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Jan Hudson
Abgesehen von einem kurzen Aufenthalt in Fort Knox, wo ihr Mann eine Weile stationiert war, hat Jan ihr ganzes Leben lang in Texas gelebt. Eine ihrer frühesten Erinnerungen ist, wie sie abends, bereits im Pyjama, im Dorfladen ihrer Großeltern saß und den Geschichten lauschte, die die Erwachsenen erzählten.

Geschichten und Bücher...

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