Bestsellerautorin Chantelle Shaw - italienisches Glück

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EIN BLICK SAGT MEHR ALS 1000 WORTE

Hat er ihren Blick gespürt? Gina hält den Atem an, als Lanzo di Cosimo sich umdreht und auf sie zukommt … Vor zehn Jahren hatte sie eine kurze Affäre mit dem milliardenschweren Playboy, der ihr das Herz brach. Doch damals war sie jung und naiv - heute ist sie eine erwachsene Frau, die weiß, was sie will. Noch einmal würde sie sich nicht in einen Mann verlieben, der in ihr nur die sinnliche Geliebte sieht! Aber um ihr angeknackstes Ego nach der Scheidung wieder aufzurichten, ist ein heißer Flirt mit einem gutaussehenden Mann wie Lanzo ja vielleicht genau das Richtige …

DU WECKST MEIN VERLANGEN!

Genau so muss eine Frau aussehen! Der italienische Unternehmer Rocco D’Angelo kann den Blick nicht von Emma Marchant wenden. Mit ihrem rotblonden Haar, der wohlgerundeten Figur und den vollen Lippen, die zum Küssen einladen, ist sie wie Feuer in seinem Blut. Warum sie also nicht verführen? Emma betreut seine Großmutter in seinem Haus im malerischen Portofino. Doch zu seiner Überraschung gibt Emma ihm kämpferisch zu verstehen, dass sie nicht beabsichtigt, eine Affäre mit ihm zu beginnen - eine Herausforderung, der der erfolgsgewohnte Italiener nicht widerstehen kann …

WAGE DEN SCHRITT INS GLÜCK!

Wie kann Rafe Santini es wagen, sie zu umwerben! Als wäre nichts geschehen ... Als hätte er ihr nicht schon einmal das Herz gebrochen - Eden ist fest entschlossen, diesmal der magischen Anziehungskraft des umschwärmten Formel-1-Champions und Multimillionärs zu widerstehen. Bis etwas geschieht, das sie erkennen lässt: Das Leben ist kurz - viel zu kurz, um sich aus falschem Stolz der Liebe zu verweigern. Rückhaltlos gibt sie sich Rafe hin. Auch wenn sie immer noch nicht weiß, ob er es jetzt wirklich ernst meint mit ihr ...


  • Erscheinungstag 18.11.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773090
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Chantelle Shaw

Bestsellerautorin Chantelle Shaw - italienisches Glück

Chantelle Shaw

Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2011 by Chantelle Shaw
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2029 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: SAS

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 07/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86494-140-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE

 

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1. KAPITEL

Erinnert sich eigentlich jede Frau an ihren ersten Liebhaber?

Diese Frage stellte Gina sich, als ihr Blick in dem vollen Raum auf den Mann fiel, nach dem sie einst völlig verrückt gewesen war.

Ja, das war definitiv Lanzo. Vor zehn Jahren hatten sie eine kurze Affäre miteinander gehabt, und noch immer galt er als einer der begehrtesten Junggesellen Europas. In den Medien waren ständig Berichte und Fotos von ihm zu finden. Gina konnte nicht anders, sie starrte ihn an, und genau wie damals, als sie achtzehn gewesen war, meldete sich ein Flattern in ihrem Magen.

Hatte er ihren Blick etwa gespürt? Sie hielt den Atem an, als er den Kopf drehte und ihre Blicke sich trafen. Dann wandte Gina sich hastig ab und schaute über die Menge der anderen Partygäste.

An diesem Wochenende war die Stille von Poole Harbour an der britischen Küste durch den Trubel der Offshore-Meisterschaft zerrissen worden. Den ganzen Tag über hatte das Rennen in der Bucht stattgefunden, doch jetzt am Abend schwiegen die PS-starken Motoren, und Dutzende von futuristisch anmutenden Powerbooten lagen im Hafen vor Anker.

Der Sport zog mit Sicherheit die Reichen und Schönen an, wie Gina zugeben musste, als sie sich in dem vollen Restaurant umsah. Allerdings würde sie nie nachvollziehen können, warum man bei Extremsportarten sein Leben riskierte und es als Spaß bezeichnete. Rennen interessierten sie nicht, und die Partyszene sagte ihr ebenso wenig zu. Sie war nur hier, weil Alex, ihr Freund aus Schultagen, sie eingeladen hatte. Erst seit Kurzem arbeitete er als Manager des exklusiven „Di Cosimo“, und für den ersten großen Event unter seiner Leitung hatte er sie um moralischen Beistand gebeten.

Jetzt allerdings war sie es, die Unterstützung nötig hätte. Ihre Beine wollten nachgeben und ihr schwindelte leicht, wofür wohl kaum das eine Glas Champagner, das sie getrunken hatte, verantwortlich zu machen war …

… sondern der Schock, Lanzo wiederzusehen. Sie hätte nicht gedacht, dass er sich noch immer für Powerboot-Rennen interessierte. Gut, das Restaurant gehörte ihm, aber es war nur eines in der überall auf der Welt vertretenen Di-Cosimo-Restaurantkette. Sie hatte einfach nicht damit gerechnet, dass er nach Poole kommen würde, sonst wäre sie sicherlich nicht hier. Und genauso wenig war sie auf ihre eigene Reaktion vorbereitet.

Mit seinem Aussehen hätte Lanzo di Cosimo gut für eines dieser Hochglanz-Männermagazine modeln können – groß, breite Schultern, gebräunte Haut, klassische Züge, rabenschwarzes Haar. Doch es war nicht allein sein gutes Aussehen, das Gina Probleme beim Atmen bescherte. Ihn umgab eine Aura von Sinnlichkeit, die wie ein Magnet nach Aufmerksamkeit verlangte. Die Frauen in seiner Umgebung machten keinen Hehl daraus, wie fasziniert sie von ihm waren.

Lanzo di Cosimo war ein milliardenschwerer Playboy mit zwei großen Leidenschaften – Extremsport und langbeinige Blondinen. Letztere hielten sich jedoch nicht lange in seinem Leben. Gina war immer ein Rätsel geblieben, was er damals in ihr, einer durchschnittlichen Brünetten, gesehen hatte. Mit achtzehn war sie zu überwältigt von seinem Interesse gewesen, um Fragen zu stellen. Erst später war ihr klar geworden, dass ihr geradezu peinlicher Eifer der Grund gewesen sein musste. Lanzo hatte nicht viel Überredungskunst aufwenden müssen, um sich für den Sommer, den er in Poole verbrachte, eine willige Bettgespielin zu suchen. Dass er ihr Herz gebrochen hatte … dafür konnte sie sich allein die Schuld zuschreiben.

Die Zeit und das Erwachsenwerden hatten die Wunden geheilt, sie war nicht mehr das naive junge Mädchen von vor zehn Jahren.

Mit dieser stillen Versicherung drehte sie sich um und stellte sich vor die hohe Glasfront, um den Ausblick auf den Hafen zu bewundern.

Lanzo wechselte seinen Standort, sodass er die Frau in dem blauen Kleid weiterhin im Blickfeld behalten konnte. Sie kam ihm bekannt vor, nur wusste er nicht, woher. Jetzt stand sie mit dem Rücken zu ihm, schimmerndes braunes Haar reichte ihr fast bis an die Hüften. Vielleicht fiel sie ihm auf, weil sie so anders war als die üblichen blonden Groupies, die immer bei diesen Partys auftauchten.

Eine dieser Blondinen stand an seiner Seite. Sie merkte, dass er abgelenkt war, und drängte sich näher an ihn. Definitiv zu jung, dachte er irritiert, als er ihr ins Gesicht sah. Und sicherlich hübscher ohne dieses übertriebene Make-up. Viel älter als achtzehn konnte sie nicht sein, aber die Einladung in ihrem Blick war unmissverständlich. Früher wäre er vielleicht versucht gewesen, doch er war nicht mehr der testosterongesteuerte Zwanzigjährige. Über die Jahre war sein Geschmack anspruchsvoller geworden, und Mädchen, die gerade die Highschool abgeschlossen hatten, interessierten ihn nicht.

„Gratulation zum Sieg“, hauchte die Blondine. „Powerboot-Rennen sind so aufregend. Welche Geschwindigkeit erreichen diese Boote eigentlich?“

Lanzo hielt seine Ungeduld im Zaum. „Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über zweihundert km/h.“

„Wow!“ Sie lächelte begeistert. „Ich würde unheimlich gern einmal mit so einem Boot auf Spritztour gehen.“

Er krümmte sich innerlich. The Falcon war das Resultat ausgefeilter Schiffsbauingenieurskunst und Millionen wert. „Rennboote sind nicht wirklich für Spritztouren geeignet, bei ihrer Konzeption geht es um Schnelligkeit und nicht um Bequemlichkeit. Aber ich werde mit einem Bekannten reden, der eine Yacht hier liegen hat. Vielleicht nimmt er dich auf eine Fahrt an der Küste entlang mit.“

Behutsam schob er ihre Hand von seinem Arm und ließ sie stehen.

Gina betrachtete versunken den Sonnenuntergang, der die See um Brownsea Island und die Baumwipfel an Land mit Gold überzog. Es war gut, wieder zu Hause zu sein. Die letzten zehn Jahre hatte sie in London gelebt und gearbeitet und dabei vergessen, wie friedlich es hier auf der Insel war.

Wenn sie allerdings an die eigene Situation dachte, genauer, an ihr ultramodernes Apartment gleich hier am Kai, waren Ruhe und Frieden dahin. Sie hatte kürzlich ihren Job verloren und war nicht mehr in der Lage, die Hypothekenraten aufzubringen. Es erinnerte sie auf erschreckende Weise an die Zeit, als Simon damals arbeitslos geworden war und sie als einzige Verdienerin kaum die Raten für das Haus in London hatte bezahlen können.

Das Haus war verkauft worden, als sie Simon verlassen hatte, der Erlös reichte gerade, um die Hypothek abzubezahlen. Sie besaß keinerlei Ersparnisse, und nun sah es so aus, als bliebe ihr nichts anderes übrig, als ihre Wohnung zu verkaufen, bevor die Bank eine Zwangsversteigerung ansetzte.

Ihr Leben verlief ganz anders, als sie es sich ausgemalt hatte – erst ein paar Jahre Beruf, dann Heirat und zwei Kinder. Nun, die Karriere hatte sie gehabt, sie war auch verheiratet gewesen, aber sie hatte lernen müssen, dass Babys nicht einfach so kamen und eine Ehe nicht ewig hielt. Niemals hätte sie damit gerechnet, mit achtundzwanzig eine geschiedene Frau zu sein, arbeitslos und unfruchtbar. Ihr großer Lebensplan hatte sich als null und nichtig erwiesen. Sie war nach Poole zurückgekehrt, um die schlechten Erinnerungen hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen, doch jetzt sah sie sich mit dem Problem konfrontiert, ihre Wohnung zu verlieren.

„Was meinst du, wie läuft’s?“

Erschreckt zuckte sie zusammen, als Alex’ Stimme gleich an ihrem Ohr sie aus ihren Gedanken riss.

„Eine tolle Party“, versicherte sie. Sie schob ihre Sorgen beiseite und lächelte den Freund an. „Sieh nicht so nervös drein. Du bist zu jung für graue Haare.“

Alex lachte trocken. „Davon habe ich schon mehrere bekommen, seit ich die Stelle als Manager angetreten habe. Lanzo di Cosimo erwartet den höchsten Standard für seine Restaurants. Es ist wichtig, dass ich ihn heute Abend beeindrucke.“

„Meiner Meinung nach hast du hier großartige Arbeit geleistet. Die Gäste denken das offensichtlich auch, sie alle amüsieren sich prächtig.“ Gina machte eine kleine Pause. „Mir war gar nicht klar, dass der Vorsitzende von Di Cosimo Holdings auch hier sein würde.“

„Oh, doch. Lanzo kommt zwei-, dreimal im Jahr nach Poole. Hättest du häufiger London den Rücken gekehrt und dich hier unten bei uns blicken lassen, wärst du ihm sicher über den Weg gelaufen. Zum Rennen ist er auf jeden Fall immer hier. Vor gut einem Jahr hat er übrigens eine Villa in Sandbanks gekauft.“ Alex grinste. „Kaum zu glauben, dass ein schmaler Streifen Sand in Dorset zu den exklusivsten Grundstücken der ganzen Welt gehört.“ Er versteifte sich plötzlich. „Wenn man vom Teufel spricht“, raunte er.

Gina sah über seine Schulter, und ihr Magen verkrampfte sich. Lanzo kam auf sie beide zu. Zwar sagte sie sich, dass sie erwachsen war und Lanzo längst hinter sich gelassen hatte, doch es half nicht. Ihr Herz pochte wild, genau wie damals, als sie einen Sommer lang als Aushilfskellnerin hier gearbeitet hatte.

Seine Augen wirkten geradezu hypnotisch. Bei seiner dunkel getönten Haut und dem schwarzen Haar hätte man braune Augen erwartet, stattdessen strahlten sie in einem irisierenden Grün unter dichten schwarzen Wimpern hervor. Mit fünfundzwanzig hatte Lanzo unglaublich gut ausgesehen, allerdings auch sehr jung. Die Zeit jedoch hatte das Unmögliche vollbracht und ihn noch attraktiver gemacht – das markante Gesicht und der volle sinnliche Mund machten ihn zu einem faszinierenden Mann.

Etwas in Gina rührte sich, etwas, das tiefer ging als sexuelle Anziehungskraft. Auch wenn sie zugeben musste, dass ihre körperliche Reaktion sie schockierte, als Lanzo unverhohlen einen Blick auf ihren Busen warf.

Vor langer Zeit hatte er sie in seinen Armen gehalten, und sie war damals fest davon überzeugt gewesen, dass er der einzige Mann für sie war. Seither war vieles geschehen. Sie hatte sich von einem trunksüchtigen Ehemann getrennt, war stark und unabhängig geworden, trotzdem wünschte sie sich für einen verrückten Moment, Lanzo würde sie an seine breite Brust ziehen und festhalten, damit sie sich sicher und geschätzt fühlen konnte.

Nur war sie von Lanzo ja nie geschätzt worden. Sie hatte davon geträumt, dass er sich in sie verlieben würde, so wie sie sich in ihn verliebt hatte, doch es war nichts als eine Illusion geblieben.

„Eine gelungene Party, Alex“, grüßte Lanzo seinen Manager, den Blick allerdings auf die Frau an Alex’ Seite geheftet. „Das Büfett ist exzellent, so wie man es in einem Di Cosimo erwartet.“

Alex entspannte sich sichtlich. „Danke.“ Dann wurde ihm bewusst, dass Lanzos Aufmerksamkeit nicht wirklich ihm gehörte. „Darf ich Ihnen eine Freundin von mir vorstellen – Ginevra Bailey.“

„Ginevra – ein italienischer Name.“ Lanzo fiel auf, dass ihre Finger leicht bebten, als sie seine Hand schüttelte. Ihre helle Haut bot einen starken Kontrast zu seiner dunklen, und jäh schoss das erotische Bild von milchweißen Schenkeln, verschlungen mit seinen, vor ihm auf.

Gina entzog ihm die Hand, als sie den Stromstoß in ihrem Arm fühlte, und schluckte unmerklich. „Meine Großmutter war Italienerin, ich wurde nach ihr benannt“, erwiderte sie kühl, dankbar dafür, dass sie in den Jahren, in denen sie für den Direktor einer großen Kaufhauskette arbeitete, gelernt hatte, ihre Gedanken hinter einer neutralen Miene zu verbergen.

Seine grünen Augen glitzerten auf. Mit leicht gerunzelter Stirn musterte er sie nachdenklich. Auch wenn ihr Puls raste … sie hatte nicht die Absicht, ihn daran zu erinnern, dass sie beide einmal ein Liebespaar gewesen waren, wenn auch nur für einen kurzen, unvergesslichen Sommer. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, seither mussten zahllose Frauen das Bett mit ihm geteilt haben. Es war besser und wesentlich weniger peinlich, wenn er sie nicht erkannte. Es war ja nicht seine Schuld, dass sie ihn nie vergessen hatte, nachdem er am Ende jenes Sommers so lässig erklärt hatte, dass er wieder in seine Heimat zurückkehren würde, nach Italien.

Mit leicht zusammengekniffenen Augen studierte er Ginevra Bailey. Etwas an ihr rührte an seiner Erinnerung, nur konnte er den Finger nicht darauflegen. Und wenn er ihre perfekte kurvige Figur betrachtete, war er ziemlich sicher, dass, wären sie einander schon einmal begegnet, er sie nicht vergessen hätte.

Sie war eine diskrete Schönheit mit einem ovalen Gesicht, feinem Porzellanteint und Augen so blau wie das Meer. Wieder meldete sich sein Unterbewusstsein – ein Bild von Augen, dunkelblau wie der Ozean. Es war frustrierend, dass die Erinnerung sich nicht greifen lassen wollte. Aber vielleicht war es auch gar nichts. Schließlich hatte er in seinem Leben viele Frauen getroffen. Vielleicht erinnerte Ginevra Bailey ihn nur an eine seiner vielen vergangenen Gespielinnen.

Lanzo wurde jäh bewusst, dass er die schöne Brünette anstarrte. Jede Faser in ihm war angespannt. Er musste den Drang unterdrücken, seine Finger in ihr seidiges kastanienbraunes Haar zu schieben. Es war lange her, dass er von einer Sekunde auf die andere eine derartige Erregung verspürte hatte. Eigentlich eine erstaunliche Reaktion, zog es ihn doch normalerweise zu großen schlanken Blondinen. Die Frau dort vor ihm dagegen besaß üppige, allerdings auch höchst reizvolle Kurven, die nachhaltige Wirkung auf seine Libido ausübten. Er war sicher, dass er sie bei der ersten Gelegenheit mit in sein Bett nehmen würde.

„Ich hoffe, die Party gefällt Ihnen, Ginevra“, begann er das Gespräch. „Sind Sie ein Fan von Powerboot-Rennen?“

„Nein. Den Reiz gefährlicher Sportarten habe ich nie verstanden“, antwortete sie knapp.

In ihrem Bemühen, sich die Wirkung, die Lanzos Nähe auf sie ausübte, nicht anmerken zu lassen, musste sie wohl schnippischer geklungen haben als beabsichtigt, denn Alex schaltete sich hastig ein: „Der Tischschmuck heute Abend lag in Ginas Verantwortungsbereich. Ist die Dekoration nicht äußerst geschmackvoll?“

„In der Tat.“ Lanzo begutachtete das Gesteck aus roten und weißen Rosen, abgesetzt mit dunklem Efeu, auf dem nächstliegenden Tisch. „Sind Sie Floristin, Gina?“ Diese Abkürzung kam ihm so vertraut vor … Er runzelte die Stirn.

„Nein, es ist nur ein Hobby“, antwortete sie.

Simon hatte sie ermutigt, einen kostspieligen Kurs in Blumenbinden zu belegen, so wie sie auf sein Drängen hin auch einen noch kostspieligeren Kochkurs mitgemacht hatte. Damit sie die perfekte Gastgeberin für die Dinnerpartys mit seinen Geschäftspartnern sein konnte. Ihre Kochkünste nutzte sie heute nicht mehr, doch es hatte ihr Spaß gemacht, die Gestecke für die Party im Restaurant zu arrangieren.

„Das Blumengeschäft, das ich beauftragt hatte, konnte den Termin aufgrund eines Krankheitsfalles nicht halten“, führte Alex aus. „Glücklicherweise ist Gina eingesprungen.“ Er machte eine Pause, als ein Kellner vom anderen Ende des Raumes ihm ein Zeichen machte. „Würden Sie mich bitte entschuldigen? Es scheint, dass ich mich um etwas in der Küche kümmern muss.“

Gina sah Alex nach, wie er sich einen Weg durch die Gäste bahnte. Jetzt war sie allein mit Lanzo. Natürlich stimmt das nicht, wie sie sich gereizt in Gedanken ermahnte, das Restaurant ist schließlich voll. Dennoch schien es ihr, als befände sie sich mit Lanzo in einer Art Kokon, der den Partytrubel nur schwach zu ihnen durchdringen ließ.

Nun, vermutlich war ihre Reaktion auf ihn völlig normal. Allerdings ahnte sie, dass er für sie mehr war als nur ein Gesicht aus der Vergangenheit. Vor der Heirat mit Simon war sie mehrere Beziehungen eingegangen, doch kein anderer Mann, nicht einmal Simon, als ihre Ehe noch intakt gewesen war, hatte dieses ungezähmte Verlangen in ihr erweckt, über das sie selbst schockiert gewesen war.

Auch wenn die Affäre mit Lanzo nicht von Dauer gewesen war, so hatte ihr Selbstwertgefühl einen enormen Schub erhalten. Dass ein Mann wie er, ein reicher internationaler Jet-Setter, der jede Frau besitzen konnte, ausgerechnet sie begehrt hatte … Aus dem schüchternen Teenager war schlagartig eine selbstbewusste Frau geworden, die sich eine erfolgreiche Karriere aufgebaut und einen ebenso erfolgreichen Banker geheiratet hatte.

Hatte Lanzo ihr Selbstbewusstsein gefördert, so hatte Simon es wieder zerstört. Nach der katastrophalen Ehe vertraute sie ihrer Menschenkenntnis nicht mehr. Sie kam sich dumm vor, weil sie nicht erkannt hatte, wie Simon hinter seiner charmanten Fassade in Wirklichkeit war. Und jetzt, im Wirkungskreis von Lanzos überwältigender Männlichkeit, fühlte sie sich enorm verletzlich.

Ein Kellner trat zu ihnen, um die Gläser aufzufüllen. Obwohl Gina nie mehr als ein Glas trank, war sie so erleichtert über die Ablenkung, dass sie sich Champagner nachschenken ließ.

„So, Sie halten also nicht viel von Powerbooten?“, fragte Lanzo, nachdem der Kellner sich wieder entfernt hatte. „Gibt es denn eine Wassersportart, die Ihnen zusagt?“

„Als Kind habe ich hier in der Bucht Segeln gelernt. Das Segeln ist wesentlich entspannender, als mit einem Schnellboot über die Wellen zu jagen.“

„Und wesentlich weniger adrenalintreibend“, erwiderte er, wobei seine Augen amüsiert glitzerten.

Gina merkte, dass ihre Wangen zu brennen begannen. Sie hatte das schreckliche Gefühl, dass er genau wusste, wie hoch ihr Adrenalinspiegel im Moment stand.

„Sind Sie hier ansässig, Gina?“ Die Art, wie er ihren Namen aussprach, jagte ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken.

„Ich wurde hier geboren. In der vierten Generation der Baileys in Poole, leider wahrscheinlich auch in der letzten. Ich habe keine Brüder, die den Familiennamen weitertragen könnten.“ Ihr war klar, dass sie geistloses Zeug plapperte, doch das war immer noch besser, als Schweigen entstehen zu lassen. Vielleicht würde er dann in der verlegenen Stille ihr lautes Herzklopfen hören. Sie holte tief Luft und berief sich auf ihr ausgeglichenes Wesen. „Bleiben Sie länger in Poole, Signor di Cosimo?“

„Lanzo“, berichtigte er sie. „Nein, leider ist es nur ein kurzer Aufenthalt, da ich geschäftliche Verpflichtungen habe. Doch ich hoffe darauf, bald wieder zurückzukehren. Vielleicht sogar früher, als ich vorgehabt hatte“, fügte er noch an.

Wie gebannt starrte Gina in sein Gesicht. Sie schienen allein zu sein in einem Raum voller Menschen, gefangen in einem Energiefeld, das sie beide festhielt.

Lanzo verfolgte mit, wie ihre Pupillen sich weiteten, bis ihre Augen wie dunkle Teiche bei Mitternacht schienen. Und er merkte, wie sein Körper sich anspannte und Hitze durch seine Adern schoss. Seit dem Moment, da er sich umgedreht und ihren Blick auf sich hatte liegen sehen, faszinierte sie ihn. Dabei passierte ihm so etwas jeden Tag, Frauen starrten ihn ständig an. Nur war der Drang, darauf zu reagieren, noch nie so stark gewesen.

Das Klirren von Glas holte Gina abrupt in die Wirklichkeit zurück. Einer der Kellner hatte ein Tablett fallen lassen. Entsetzt stellte Gina fest, wie nahe sie neben Lanzo stand, so nah, dass ihre Körper sich fast berührten. Hastig machte sie einen Schritt zurück und lief rot an, als sie das harte Glühen in seinen Augen sah. Wie lange hatte sie ihn angehimmelt als sei sie ein schwärmerischer Teenager? Sie hatte keine Ahnung, wie sie so nah aneinandergerückt waren, keine Erinnerung, dass sich einer von ihnen bewegt hätte.

Gina riss den Blick von Lanzo. Der Kellner saß in der Hocke und sammelte Glasscherben ein.

„Ich hole einen Besen“, murmelte Gina und eilte durch das Restaurant, dankbar dafür, Abstand zu Lanzo schaffen zu können.

Er sah ihr nach und spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seinen Lenden, als sein Blick an den sich sanft wiegenden Hüften unter der blauen Seide haften blieb.

Oh Gina! Welche Verwandlungen die Zeit doch bewirken kann, dachte er, denn er hatte das Rätsel gelöst. Schlagartig war ihm eingefallen, weshalb sie ihm so bekannt vorkam. Allerdings besaß sie heute keine Ähnlichkeit mehr mit der schüchternen Kellnerin, die ihm damals in jenem Sommer mit ergebener Anhänglichkeit überallhin gefolgt war, so süß und versessen darauf, ihm zu gefallen.

Er hatte nicht gewusst, dass sie eigentlich Ginevra hieß. Der Name passte zu der eleganten Frau, zu der sie geworden war. Es war auch nicht verwunderlich, dass er sie nicht gleich erkannt hatte. Die gewandte Frau mit der perfekten Figur und dem schimmernden kastanienbraunen Haar hatte nichts mehr zu tun mit dem leicht rundlichen, ungelenken jungen Mädchen, das ihm mit nie vermuteter Leidenschaft vor so vielen Jahren den Sommer versüßt hatte.

Ob die erwachsene Gina wohl noch immer eine so großzügige und sinnliche Gespielin wäre wie jene, die ihm noch Monate nach seiner Rückkehr nach Italien im Kopf herumgespukt war?

Das Leben hatte ihn gelehrt, für die Gegenwart zu leben und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Doch in diesem Falle war er gewillt, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Das entschied er, als die Schwingtür zur Küche hinter ihr zufiel.

Hätte Gina das entschlossene Glitzern in seinen Augen sehen können, wäre sie mit Sicherheit besorgt gewesen.

2. KAPITEL

Noch immer war es nicht wirklich dunkel, obwohl es bereits elf Uhr abends war.

Gina trat aus dem Restaurant und schaute in den indigoblauen Himmel, an dem die ersten Sterne glänzten. Die Wasseroberfläche im Hafen funkelte still und ruhig wie ein Spiegel, und die laue Brise trug den salzigen Geruch des Meeres an Land.

Für einen Moment blieb sie stehen. Gina liebte diese warmen Juniabende, und die frische Luft tat gut nach der stickigen Atmosphäre in dem Restaurant. Dann drehte sie sich um und ging langsam den Kai entlang.

„Ich wusste gar nicht, dass du noch immer in Poole lebst.“

Eine große Gestalt trat aus dem Schatten. Ginas Herz pochte hart, als Lanzo an ihrer Seite in ihren Schritt mit einfiel. „Ich war mehrere Male hier, wundert mich, dass ich dich nie getroffen habe.“

Er hatte sie also erkannt! Das Glitzern in seinen Augen ließ ihren Puls schneller schlagen. Es war der lauernde Blick eines Panthers, der seiner Beute nachstellte. Sei nicht albern, er ist nur ein Mann, wies sie sich still zurecht. Doch die Brise wehte den würzigen Duft seines Aftershaves zu ihr und weckte ihre Sinne. Zerknirscht gestand sie sich ein, dass Lanzo niemals „nur“ irgendwas sein würde.

„Vielleicht hast du mich ja gesehen, aber dich nicht an mich erinnert“, meinte sie schnippisch. Es nagte an ihr, dass er sie im Restaurant nicht erkannt hatte.

„Oh, ich erinnere mich an dich, Gina“, sagte er leise. „Obwohl ich heute Abend nicht gleich darauf gekommen bin. Du hast dich sehr verändert. Vor allem deine Frisur ist anders als vor zehn Jahren.“

„Erinnere mich nicht daran“, stöhnte sie auf. Damals hatte sie sich eine Dauerwelle machen lassen, in der Überzeugung, sie würde dadurch älter und schicker wirken. Durch die Dauerwelle jedoch war ihr Haar zu einer unzähmbaren drahtigen Mähne geworden, und anstatt sexy und erfahren auszusehen, hatte sie eher an einen übergewichtigen Pudel erinnert, denn zu allem Unglück hatte sie auch noch einige Pfunde zu viel gehabt. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieso ich dir überhaupt aufgefallen bin.“

Nein, sie war ihm nicht aufgefallen. Zuerst zumindest nicht. Lanzo war damals zur Restauranteröffnung gekommen, und Gina war schlicht eine der Angestellten gewesen, eine Aushilfskellnerin, die einsprang, wenn viel Betrieb war.

Sie war ein schüchternes, unauffälliges junges Ding gewesen, hatte dazu die aufreibende Angewohnheit gehabt, ständig den Kopf gesenkt zu halten, wenn man mit ihr sprach. Bis er eines Abends so frustriert von ihrer intensiven Musterung des Teppichbodens war, dass er an ihr Kinn fasste und es anhob – und in die blausten Augen schaute, die er je gesehen hatte.

Die unscheinbare Aushilfskellnerin war also keineswegs so reizlos, wie er verblüfft feststellte. Sie hatte makellose Pfirsichhaut und einen Mund, der zum Küssen geschaffen war. Von da an nahm er sie öfter wahr, und häufiger ertappte er sie dabei, wie sie ihn anstarrte. Allerdings lief sie dann jedes Mal puterrot an und wandte hastig den Blick ab.

Jener Sommer vor zehn Jahren war eine düstere Zeit für Lanzo gewesen. Alfredo war im Frühjahr gestorben, der Mann, der ein zweiter Vater für Lanzo gewesen war und sein Schwiegervater geworden wäre, hätte das Schicksal fünf Jahre zuvor nicht so grausam zugeschlagen. Damals war ein Feuer in der Di-Cosimo-Villa ausgebrochen, bei dem Lanzos Eltern und seine Verlobte ums Leben kamen.

Lanzos Eltern und der Witwer Alfredo waren entzückt über die Ankündigung gewesen, dass Cristina und er heiraten wollten, dann jedoch ereignete sich eine Woche vor der Hochzeit die Tragödie.

Jetzt schlug das vertraute Schuldgefühl wieder über Lanzo zusammen. Er hätte nicht auf diese Geschäftsreise nach Schweden gehen sollen. Cristina hatte ihn angefleht, nicht zu fahren, hatte gedrängt, dass sie unbedingt miteinander reden mussten. Doch die Eröffnung von ihrer Schwangerschaft hatte ihn derart schockiert, dass er Abstand brauchte. Sie hatten doch abgemacht, mindestens fünf Jahre zu warten, bevor sie eine Familie gründeten …

Er war noch so jung gewesen, erst zwanzig, und fest entschlossen, seinen Vater stolz auf sich zu machen, indem er mehr und mehr Verantwortung bei Di Cosimo Holdings übernahm. Doch das war keine zulässige Rechtfertigung. Seine mangelnde Begeisterung über das Baby hatte Cristina verletzt. Aber er hatte Zeit für sich allein gebraucht, um sich mit der Vorstellung anzufreunden, demnächst Vater zu werden, also hatte er Cristinas Tränen ignoriert und war nach Schweden geflogen.

Es dauerte keine vierundzwanzig Stunden, und ihm wurde klar, dass er sich wie ein Idiot benahm. Er liebte Cristina, und natürlich würde er auch das Baby lieben. Direkt nach dem Meeting flog er wieder zurück, um Cristina zu überzeugen, dass er sich auf das Baby freute.

Doch er kam zu spät. Ein gebrochener Alfredo holte ihn ab und überbrachte die schrecklichen Neuigkeiten. Bis heute konnte Lanzo sich nicht vergeben, dass er Cristina allein gelassen hatte, als sie ihn am nötigsten brauchte. Und dass sie in dem Bewusstsein gestorben war, er würde ihr gemeinsames Kind nicht wollen.

Alfredo kam nie über den Tod der einzigen Tochter hinweg. Für Lanzo, der mit zwanzig den Platz an der Spitze von Di Cosimo Holdings einnahm, wurde er Vaterfigur und Ratgeber. Der Tod des Älteren nur fünf Jahre später traf Lanzo schwer. Er ging mit dem Verlust um, wie er vorher auch mit dem Verlust der Eltern und dem Cristinas umgegangen war: Er verbarg den Schmerz tief in seinem Herzen.

Die Neueröffnung des Restaurants in Dorset bot ihm die Gelegenheit, Italien und die düsteren Erinnerungen eine Zeit lang hinter sich zu lassen. Er stürzte sich in Arbeit und Offshore-Rennen. Sich bis an die Grenzen zu treiben, gewährte ihm eine gewisse Befriedigung. Er liebte die Geschwindigkeit, das Risiko und den Adrenalinkick, das Wissen, dass der Tod nicht weiter als einen Überschlag mit dem Boot entfernt war. Vermutlich hoffte sein Unterbewusstsein sogar darauf.

Seit nunmehr fünfzehn Jahren schlug er dem Tod ein Schnippchen. Manchmal fragte er sich, ob das vielleicht die Strafe für seine ersten Zweifel an der Vaterschaft war.

„Doch, du bist mir aufgefallen“, sagte er abrupt zu Gina.

Sie hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn ausgeübt. Das unscheinbare Mädchen mit dem sanften Lächeln hatte seiner Seele gutgetan. Die ersten beiden Jahre nach Cristinas Tod konnte er Frauen nicht einmal ansehen. Als er dann wieder mit den Verabredungen begann, waren es nur flüchtige sexuelle Affären gewesen. Er wählte bewusst Frauen, die seine Bedingungen akzeptierten. Gina aber war anders gewesen. Ihr Enthusiasmus hatte ihn an die sorgenfreien Tage von früher erinnert, er war gern mit ihr zusammen gewesen. Erst als er mit dem Gedanken gespielt hatte, sie zu fragen, ob sie mit ihm zusammen nach Italien zurückkehren wolle, war ihm bewusst geworden, wie gefährlich nahe er davorstand, Gefühle für sie zu entwickeln. Daher hatte er die Affäre beendet. Für ihn hingen Liebe und Schmerz immer zusammen, und beides wollte er nicht mehr erfahren.

„Du warst so niedlich und schüchtern, und du hast mich angestarrt, wenn du glaubtest, ich würde es nicht bemerken“, erinnerte er sich. Sie schien so unschuldig gewesen zu sein, auch wenn sie ihm versichert hatte, schon Freunde gehabt zu haben.

Niedlich. Eine wenig schmeichelhafte Beschreibung für einen verliebten Teenager, dachte Gina. Aber genau das war sie vor zehn Jahren gewesen. Gina erinnerte sich noch gut an das aufgeregte Herzklopfen, jedes Mal, wenn sie in seiner Nähe gewesen war. So wie jetzt, gestand sie sich zerknirscht ein. Allerdings war sie inzwischen eine selbstsichere Karrierefrau – wenn auch im Moment ohne Karriere –, die ihre Gefühle kontrollieren konnte.

„Stimmt, damals war ich bis über beide Ohren in dich verliebt“, erwiderte sie leichthin. „Was nicht verwunderlich ist, schließlich war ich auf einer reinen Mädchenschule und hatte bis dahin nur wenig Kontakt zum anderen Geschlecht.“

„Warum hast du vorhin nicht gesagt, dass wir uns schon kennen?“, fragte er.

Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist so lange her, ich habe dich zuerst gar nicht erkannt.“

Sein spöttisches Lächeln sagte ihr, dass er ihre Lüge durchschaut hatte. Glücklicherweise waren sie bei dem modernen Gebäudekomplex angekommen, in dem ihr Apartment lag. Gina verlangsamte ihre Schritte und blieb stehen.

„Tja, dann … Ich wohne hier.“ Sie musste sich unbedingt seiner Nähe entziehen, bevor sie sich komplett zum Narren machte. „War nett, dich getroffen zu haben.“

Doch statt ihr eine gute Nacht zu wünschen, trat Lanzo lächelnd an sie heran. „Lange kannst du noch nicht hier wohnen. Als ich letztes Jahr hier war, stand dieser Komplex noch im Bau.“

„Ich bin vor vier Monaten aus London wieder hergezogen.“

„Muss eine große Umstellung gewesen sein“, vermutete er.

Sie nickte. „Ich hatte ganz vergessen, wie ruhig es hier ist.“

„Was hast du in der Stadt gemacht? Ich gehe davon aus, dass du nicht mehr als Kellnerin gearbeitet hast?“ Sein Blick glitt über ihr Seidenkleid und die eleganten Sandaletten. Es war praktisch unmöglich, diese Frau mit dem lockenköpfigen jungen Ding von damals in Verbindung zu bringen.

„Bis vor Kurzem war ich die Assistentin für den Vorstand der Meyers Warenhauskette. Als mein Chef sich zur Ruhe setzte, beschloss ich, die Firma zu verlassen. Es gab mehrere Gründe, warum ich aus London wegziehen wollte.“ Nicht zuletzt die nächtlichen Anrufe ihres Exmannes. „Mein Vater erlitt zu Weihnachten einen Herzinfarkt. Glücklicherweise hat er sich gut erholt, aber ich wollte wieder näher bei meiner Familie wohnen. Dads Krankheit hat mir klargemacht, dass man nie wissen kann, was die Zukunft bringt.“

„Stimmt“, sagte Lanzo seltsam tonlos. Gina schaute ihn verwundert an, doch seine Miene war undurchdringlich. „Viel zu oft nehmen wir die, an denen uns liegt, als selbstverständlich an.“

„Hier in Poole arbeitete ich dann als Assistentin eines hiesigen Bauunternehmers. Doch leider war Hartman Houses im Zuge der Wirtschaftskrise gezwungen, Konkurs anzumelden. Im Moment suche ich einen Job, nur werden hier nicht viele Stellen angeboten. Vielleicht muss ich mich doch wieder mit Kellnern über Wasser halten.“ Sie sagte es mit einem leisen Lachen, nur um die aufsteigende Panik zu unterdrücken.

„Komm morgen früh ins Restaurant“, meinte Lanzo spontan. „Vielleicht kann ich helfen.“

Ungläubig starrte sie ihn an. „Das mit dem Kellnern war eher als Scherz gedacht.“ Dabei hatte sie bereits beschlossen, jeden Job anzunehmen, wenn sie damit ihr Apartment behalten könnte.

„Nein, ich meine es ernst. Ich brauche dringend eine Assistentin. Luisa, die bisher für mich gearbeitet hat, ist schwanger. Eigentlich wollte sie bis kurz vor der Geburt des Babys bleiben, aber der Arzt hat ihr aufgrund ihres hohen Blutdrucks dringend geraten, zu Hause zu bleiben. Ihre Abwesenheit hat mir schon alle möglichen Probleme eingebracht.“

In Ginas Ohren klang er kalt und mitleidslos. „Hoher Blutdruck während der Schwangerschaft ist extrem gefährlich für Mutter und Kind“, sagte sie. „Kein Wunder, dass der Arzt sie krankgeschrieben hat.“

Lanzo zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht viel über Schwangerschaften … nicht unbedingt ein Thema, das mich interessiert.“ Er fühlte sich schuldig am Tod seines ungeborenen Kindes und hatte sich geschworen, nie Kinder zu haben. Ein Gedanke schoss ihm in den Kopf. „Bist du Mutter?“

„Nein“, antwortete sie knapp. „Aber Freundinnen von mir und meine Stiefschwestern haben Kinder, daher weiß ich einige Dinge über Schwangerschaften.“

Seit ihrer Rückkehr nach Poole hatte sie viele Schulfreundinnen mit Kinderwagen in der Stadt getroffen, und die obligatorische Frage, ob und wann sie Kinder plane, war ihr immer wieder gestellt worden. Eine ehrliche Antwort hätte zu sehr geschmerzt, also hatte sie lachend abgewinkt und behauptet, sie sei im Moment zu sehr mit ihrer Karriere beschäftigt, um Zeit für Kinder zu haben. Und jedes Mal spürte sie einen scharfen Stich, scheinbar konnten alle Frauen problemlos Kinder bekommen, nur sie nicht.

Was so nicht stimmte. Endometriose, hatte ihr Gynäkologe ihr erklärt, sei der häufigste Grund für Unfruchtbarkeit bei Frauen. Es gab auch Behandlungsmethoden, um die Empfängniswahrscheinlichkeit zu erhöhen, nur, so hatte er ihr geraten, sollte man versuchen, vor dem dreißigsten Lebensjahr schwanger zu werden. Als frisch geschiedene Achtundzwanzigjährige allerdings musste sie sich wohl mit der schmerzhaften Tatsache abfinden, dass sie niemals Mutter werden würde.

„Ich sollte jetzt besser hineingehen“, murmelte sie matt.

Sein träges Lächeln raubte ihr den Atem. „Warum?“

„Nun …“, bemüht suchte sie nach einem plausiblen Grund, „… es ist schon spät. Ich sollte zu Bett gehen.“ Innerlich krümmte sie sich. Wieso hatte sie ausgerechnet dieses Wort benutzt? Weil sie die ganze Zeit gegen die Bilder der Vergangenheit ankämpfte. Sie sah wieder seinen nackten Körper vor sich, sah seine dunklen Hände auf ihrer Haut und musste gegen aufflammendes Verlangen ankämpfen.

„Unterhalte dich noch ein wenig mit mir“, bat er leise. „Es tut gut, dich wiederzusehen, Gina.“

Seine Bitte war so verlockend. Ja, es tat wirklich gut. In der letzten Phase ihrer Ehe bis zur Scheidung war Gina sich wie in einem dunklen Tunnel vorgekommen. Das unerwartete Treffen mit Lanzo wärmte sie wie ein Bündel von Sonnenstrahlen, die durch graue Wolken brachen.

Ihre Blicke tauchten ineinander. Sie wollte nicht reden, gestand Gina sich bebend ein. Sie spürte seine unmittelbare Präsenz, ihre Haut prickelte überall, und die Spitzen ihrer Brüste hatten sich zu harten Perlen zusammengezogen. Vielleicht konnte er wirklich Gedanken lesen, denn er kniff die Augen zusammen und neigte langsam den Kopf.

„Lanzo …?“ Ihr Herz klopfte so laut, sie war sicher, er musste es hören.

„Cara“, murmelte er sanft. Schon den ganzen Abend hatte er sie küssen wollen. Auch wenn sie ihm die meiste Zeit aus dem Weg gegangen war, so war sein Blick ihr ständig gefolgt. Jetzt schien die Luft zwischen ihnen zu knistern, und sein Instinkt sagte ihm, dass sie es ebenso fühlte. Er hob die Hand, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen.

Gina versteifte sich bei seiner Berührung und zog ruckartig den Kopf zurück. Die Narbe, die über ihre Wange und ihren Hals lief, hatte sie mit Make-up gekonnt abgedeckt, doch der Gedanke, dass Lanzo die raue Haut fühlen könnte, erfüllte sie mit Entsetzen.

„Nicht.“ Das Wort kam flehentlich über ihre Lippen, bevor sie sich zurückhalten konnte. Fragend zog er die Brauen in die Höhe, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Noch vor Sekunden hatte sie sich zu ihm gelehnt, hatte seinem Kuss erwartungsvoll entgegengefiebert, doch seine Hand an ihrer Wange hatte sie in die Realität zurückgeholt.

Sie würde es nicht ertragen zu sehen, wie die Leidenschaft in seinen Augen sich in Abscheu verwandelte. Noch schlimmer wäre seine Neugier, die Frage, woher die Narbe stammte. Nichts konnte sie zu dem erniedrigenden Geständnis bewegen, dass ihr Exmann die Verantwortung dafür trug.

Die Narbe war eine bleibende Erinnerung an ihre Leichtgläubigkeit. Noch heute schämte sie sich dafür, dass sie auf Simons charmante Fassade hereingefallen war. Sie hatte sich geschworen, nie wieder so vertrauensselig zu sein. Und was wusste sie eigentlich von Lanzo? Seit dem Moment, als sie ihn auf der Party erblickt hatte, zogen Erinnerungen durch ihren Kopf. Dabei hatte die Beziehung mit ihm nicht länger als ein paar Wochen gedauert. Im Grunde genommen war er ein Fremder.

Lanzo konnte sehen, wie Gina sich ihm entzog, körperlich und geistig. Eine Mischung aus Ärger und Frustration flammte in ihm auf. Sie hatte sich gewünscht, dass er sie küsste, er war sicher, es sich nicht nur eingebildet zu haben. Warum also wich sie jetzt vor ihm zurück?

Die junge Gina aus seiner Erinnerung war offen und ehrlich gewesen. Sie hatte mit einer Hingabe auf ihn reagiert, die ihn angerührt hatte. Die reife und gewandte Gina dagegen schien das Spiel erlernt zu haben, das so viele Frauen spielten. Er war mit Frauen zusammen gewesen, die deutlich zu verstehen gaben, dass ihre Gesellschaft einen Preis hatte – Schmuck, teure Kleider, vielleicht auch ein luxuriöses Apartment. Vermutlich war Gina nicht anders. Es überraschte ihn nur, wie stark seine Enttäuschung war.

Er trat einen Schritt zurück und lächelte kühl. „Ich frage mich, ob du nicht zum Dinner zu mir in meine Villa in Sandbanks kommen möchtest.“

Allein die Adresse war Magnet genug. Er hatte noch keine Frau getroffen, die nicht genau wusste, dass Eigentum in dieser Gegend Millionen wert war. Jetzt würde Gina ihn bestimmt küssen, da ihr klar sein musste, wie reich er war.

Es war eine höfliche Einladung gewesen, aber etwas an Lanzos Ton ließ Gina froh sein, dass sie ihm nicht erlaubt hatte, sie zu küssen. Die Wärme war aus seinem Blick gewichen, seine glitzernden grünen Augen jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Er ist ein Fremder, warnte ihr Verstand sie erneut. Es gab keinen Grund, weshalb sie ihm trauen sollte.

Sie zwang sich zu einem ebenso höflichen Lächeln. „Danke, das ist sehr nett. Aber ich fürchte, ich bin die ganze nächste Woche über beschäftigt. Du sagtest ja, du seist nur kurz in Poole. Ich glaube nicht, dass sich ein Dinner in unsere Terminpläne einschieben lässt.“

Sprachlos starrte Lanzo sie an. Sie hatte ihm tatsächlich einen Korb gegeben! Das war ihm noch nie passiert. Sein Aussehen und sein Reichtum waren eine unwiderstehliche Kombination, ein Wink reichte, und er konnte jede Frau haben, die er haben wollte. Vor zehn Jahren hatte es ihn wenig Mühe gekostet, sie in sein Bett zu lotsen. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass es heute ähnlich laufen würde.

Scheinbar hatte sich nicht nur ihr Äußeres verändert. Mit achtzehn war sie zuerst schüchtern gewesen, konnte sich dann aber in seiner Gegenwart schnell entspannen. Und er … er war bezaubert gewesen von ihrer Lebensfreude und Heiterkeit. In jener dunklen Phase seines Lebens war sie ihm wie ein frischer Wind erschienen und eine willkommene Ablenkung von den düsteren Erinnerungen gewesen.

Was mochte Gina zugestoßen sein, das sie ihrer Unbeschwertheit beraubt hatte? Die Frau, die nun vor ihm stand, hatte auf der Party gewandt und selbstsicher gewirkt, jetzt jedoch, da sie allein waren, war sie nervös und argwöhnisch, so als erwarte sie jeden Moment … Dio, sie hatte Angst vor ihm! Nein, sie spielte keineswegs die Kokette, sondern sie misstraute ihm.

Was, in aller Welt, hatte er getan, um den Verdacht in ihr zu erwecken, er würde ihr etwas antun? Oder hatte sie in den zehn Jahren Erfahrungen gemacht, die das lebensfrohe Mädchen in eine Frau verwandelt hatten, die sich krampfhaft bemühte, ihre Nervosität zu verbergen?

Er wollte sie fragen, doch ein Blick in ihr Gesicht sagte ihm, dass sie sich ihm bestimmt nicht anvertrauen würde. Und völlig überraschend meldete sich ein Beschützerinstinkt in ihm.

„Du musst ein ausgefülltes Leben führen, wenn du keinen Abend frei hast“, bemerkte er leise. „Vielleicht können wir die Dinnereinladung bis zu meinem nächsten Besuch in Poole stehen lassen?“ Er streckte die Hand aus. „Gib mir deinen Hausschlüssel.“

„Wozu?“ Gina konnte das Misstrauen nicht aus ihrer Stimme heraushalten. Hoffte er, sie würde ihn auf einen Kaffee mit nach oben nehmen? Und dass es dann zu mehr kommen würde? Panik loderte in ihr auf. Seit ihrer Scheidung hatte sie ein oder zwei Dinnereinladungen angenommen, aber sie war seither nie mehr allein mit einem Mann gewesen. Sie war fest entschlossen, nach vorn zu sehen, wollte sich wieder auf eine Beziehung einlassen, sich vielleicht wieder verlieben, aber manchmal verzweifelte sie an der Furcht, keinem Mann mehr trauen zu können.

„Ich möchte sehen, dass du sicher ins Haus kommst“, erwiderte er ernst und nahm ihr den Schlüssel aus den verkrampften Fingern.

Einen Moment lang schaute er ihr in die Augen, und Gina fragte sich, ob er sie jetzt doch küssen würde, trotz ihrer Bitte, es nicht zu tun. Ein Teil von ihr wünschte es sich sogar. Doch er schloss nur die Haustür auf und gab ihr den Schlüssel zurück.

Buona notte, Gina“, sagte er leise, dann drehte er sich zu ihrer maßlosen Verwunderung um und ging mit ausholenden Schritten den Kai entlang, ohne noch einmal zurückzublicken. Die Dunkelheit verschluckte seine große Gestalt.

Eine Weile blieb Gina wie erstarrt stehen und sah ihm nach, dann ging sie in ihre Wohnung. Warum, um alles in der Welt, hatte sie das Bedürfnis, in Tränen auszubrechen? Vermutlich, weil sie Lanzo nie wiedersehen würde, da sie seine Dinnereinladung ausgeschlagen hatte. Ein milliardenschwerer Playboy hatte es nicht nötig, sich noch weiter mit ihr abzugeben, wenn er jede Frau haben konnte.

Sie war zu aufgedreht, um zu schlafen, also schaltete sie den Fernseher ein und zappte durch die Programme. Doch nichts konnte ihr Interesse fesseln, Lanzos Gesicht drängte sich immer wieder vor die Bilder. So ließ sie sich ein Bad einlaufen, sank mit einem Seufzer in das duftende warme Wasser und erlaubte ihren Gedanken, in die Zeit vor zehn Jahren zurückzuwandern …

Sie war so aufgeregt, dass sie den Job in dem schicken italienischen Restaurant am Kai bekommen hatte. Die bestandene Abiturprüfung lag hinter ihr, und jetzt brauchte sie dringend einen Job für den Sommer, weil sie sich ein paar neue Sachen kaufen wollte. Von ihrem Vater hatte sie ein kleines Taschengeld bekommen, solange sie noch zur Schule gegangen war, doch die Farm erwirtschaftete nur geringen Profit, und Geld war immer knapp.

Lanzo kam zur Einweihung des neuen Restaurants nach Poole und blieb den ganzen Sommer. Unbeschreiblich attraktiv und sündhaft sexy, war er den Jungen, die Gina kannte, haushoch überlegen. Sein Aussehen und sein lässiger Charme überwältigten sie.

Er stand in dem Ruf, ein Playboy zu sein, und eigentlich hatte er immer eine fantastisch aussehende Frau an seinem Arm hängen. Wie Gina diese Frauen beneidete! Wie sehr sie sich wünschte, sie wäre blond und schön und schlank. Doch Lanzo schien sie nicht einmal zu bemerken – bis er sie eines Tages ansprach. Sie war so verlegen, dass sie kein Wort herausbekam. Den Kopf hielt sie gesenkt, damit er ihr brennend rotes Gesicht nicht sehen konnte.

„Lauf nicht so krumm“, ermunterte er sie und hob ihr Kinn an. „Du sollst immer mit erhobenem Kopf und geradem Rücken gehen. Du huschst herum wie eine graue Maus. Hab etwas mehr Selbstvertrauen. Wenn du ständig auf den Boden starrst, sieht niemand deine wunderschönen Augen.“

Sie hielt den Atem an und meinte, in Ohnmacht fallen zu müssen, als er sie anlächelte. Schüchtern lächelte sie zurück.

Von dem Tag an grüßte Lanzo sie jedes Mal, wenn sie ihre Schicht begann, und wünschte ihr eine gute Nacht, wenn ihre Schicht zu Ende war. Als er herausfand, dass sie nach Arbeitsschluss zur Haltestelle rennen musste, um den letzten Bus noch zu erwischen, bestand er darauf, sie mit seinem Sportwagen zur Farm zurückzufahren. Diese Fahrten wurden zum Höhepunkt ihres Tages.

Lanzo fuhr mit rasantem Tempo, und beim ersten Mal krallte Gina verkrampft die Finger in den Sitz.

„Entspann dich, ich bin ein sicherer Autofahrer“, beruhigte er sie amüsiert. „Erzähl mir etwas von dir.“

Was sollte einen Playboy schon an ihrem langweiligen Leben interessieren?! Dennoch erzählte sie von der Farm und ihrer Familie.

„Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich acht war. Als Dad dann Linda heiratete, brachte sie ihre Töchter Hazel und Sarah mit auf die Farm.“

„Wieso bist du nach der Scheidung nicht bei deiner Mutter geblieben?“

„Meine Mutter ließ sich direkt vor den Augen meines Vaters auf eine Affäre ein. Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, war sie weg – mit einem der Farmhelfer. Mum hielt es nie lange an einem Ort oder mit einem Mann aus“, gab sie zu. „Ich habe sie ab und zu besucht, aber bei Dad und Linda war ich einfach glücklicher.“

Der chaotische Lebensstil ihrer Mutter hatte ihr auch klargemacht, dass sie für sich ein anderes Leben wollte. Ehe, ein glückliches Heim und Kinder mochten vielleicht nicht modern sein, aber es war das, was sie sich wünschte.

Je öfter Lanzo sie nach Hause brachte, desto mehr entspannte sie sich in seiner Gegenwart, auch wenn dieses extreme Bewusstsein für seine Nähe sich nicht abschwächte. Er war immer freundlich und charmant, aber manchmal spürte sie eine düstere Stimmung in ihm, die sein Lächeln wanken ließ. Die tiefe Traurigkeit, die ihn dann umgab, verwirrte sie, doch sie war zu schüchtern, um ihn danach zu fragen.

„Deine Gesellschaft wirkt sehr beruhigend, Gina“, sagte er eines Abends, als er sie vor den Toren der Farm absetzte.

„Ist das die höfliche Art, mich wissen zu lassen, dass ich langweilig bin?“ Sie wollte sexy und aufregend sein, „beruhigend“ ließ sie sich fühlen, als wäre sie eine Nonne.

„Natürlich nicht. Ich finde dich ganz und gar nicht langweilig.“ Er wandte ihr das Gesicht zu, und das Glitzern in seinen grünen Augen brachte Ginas Herzschlag zum Stolpern. „Du bist wirklich hübsch“, murmelte er, bevor er mit den Lippen flüchtig über ihren Mund strich. „Ich habe auf dem Plan gesehen, dass du morgen deinen freien Tag hast. Hast du Lust, mit mir auf meinem Boot rauszufahren?“

Ob sie Lust hatte?

In dieser Nacht bekam sie kein Auge zu, und als Lanzo sie am nächsten Tag abholte, stürmte sie ihm schon am Tor mit vor Aufregung rosigen Wangen entgegen.

Es wurde ein wunderschöner Tag. Unter einem strahlend blauen Himmel segelten sie an der Küste entlang, machten ein Picknick am Strand einer abgeschiedenen kleinen Bucht, und später liebten sie sich in der Schlafkabine unter Deck, mit dem leisen Schwappen der Wellen als Hintergrundmusik.

Einen Moment des Zögerns hatte es bei ihr gegeben, und sofort hielt er mit seinen Liebkosungen inne.

„Ist es dein erstes Mal?“, fragte er sie mit gerunzelter Stirn.

„Nein“, log sie, aus Angst, er würde aufhören, wenn sie die Wahrheit sagte.

Sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen, er hörte nicht auf, sondern küsste sie mit fiebriger Leidenschaft und reizte sie weiter, bis sie so erregt war, dass sie kaum den Schmerz spürte, als er in sie eindrang. Es war ein so wunderbares Gefühl gewesen, so als hätte sie ihr ganzes Leben nur auf diesen einen Moment gewartet …

Das Badewasser war kalt geworden. Zitternd stand Gina auf und wickelte sich in ein Badelaken. An jenem Tag hatte sie Lanzo nicht nur ihre Unschuld geschenkt, sondern auch ihr Herz. Naiv, wie sie damals noch gewesen war, war ihr nicht klar gewesen, dass Sex ihm nicht mehr als ein angenehmer Zeitvertreib bedeutete. Reifer geworden, hatte sie inzwischen gelernt, dass Sex und Liebe nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben mussten.

Nie wieder würde sie so arglos ihr Herz verschenken. Blind starrte sie auf ihr Konterfei in dem beschlagenen Spiegel. Überhaupt bezweifelte sie, dass sie sich je wieder verlieben konnte.

Aber sie war auch nicht mehr die leicht zu beeindruckende Achtzehnjährige mit unrealistischen Erwartungen. Heute Abend hatte Lanzo sie begehrt, und sie konnte das eigene Verlangen nach ihm nicht leugnen. Sie würde die katastrophale Erfahrung mit Simon nicht den Rest ihres Lebens überschatten lassen. Vielleicht wäre ein heißer Flirt mit einem sexy Playboy ja genau das, was sie brauchte, um ihr Selbstwertgefühl wieder aufzurichten …?

Allerdings spielte nur ein Narr mit dem Feuer, ohne sich bewusst zu sein, dass man sich auch daran verbrennen konnte.

3. KAPITEL

Die Queen of the East, eine sechzig Meter lange Yacht, gehörte Scheich Rashid bin Zayad Hussain und lag in St Peter Port vor der Insel Guernsey vor Anker.

Definitiv beeindruckend, dachte Lanzo, als er mit dem Schnellboot seitwärts anlegte und die Rettungsweste auszog.

„Ich freue mich, dass du kommen konntest, mein Freund“, begrüßte der Scheich ihn an Bord. „Ich hoffe, dein Geschäftstreffen verlief erfolgreich?“

„Ja, danke. Ich muss mich nochmals für mein Zuspätkommen entschuldigen.“ Lanzo nahm ein Glas Champagner vom Tablett, das ein Kellner ihm hinhielt, und schaute sich in dem Salon um, in dem sich die Gäste versammelt hatten. „Die Renovierung ist superb, Rashid.“

„Ja, ich bin auch sehr beeindruckt von der handwerklichen Qualität. ‚Nautica World‘ ist eine kleine Firma, Richard Melton hat sie von null aufgebaut. Ein sehr fähiger und sehr sympathischer Mann.“ Der Scheich deutete mit dem Kopf zu einem der Gäste. „Dort drüben steht er.“

Lanzos Blick folgte der Richtung, die der Scheich angegeben hatte – und im nächsten Moment traute er seinen Augen nicht. In den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er sich vergeblich bemüht, Gina aus seinem Kopf zu bekommen. Er begehrte sie, aber es war mehr als das. Sie beschäftigte ihn, er war neugierig, wie sie sich so sehr verändert hatte.

„Die Frau, die bei Melton steht … ist das seine Frau?“, fragte er.

„Die brünette Schönheit in dem weißen Kleid?“ Scheich Hussain sah zu dem Paar. „Nein. Er hat sie als eine ‚Freundin‘ vorgestellt, als er an Bord kam. Mrs Melton kenne ich. Soviel ich weiß, steht sie kurz vor der Niederkunft mit dem dritten Kind.“ Für den Scheich gab es nur eine Erklärung. „Richard Meltons erlesener Geschmack erstreckt sich scheinbar auch auf die Wahl seiner Geliebten.“

Lanzo mahlte mit den Zähnen, während er zu Gina und ihrem Begleiter starrte. Gestern Abend hatte er sich noch gefragt, weshalb sie ihm gegenüber so argwöhnisch war und ob sie vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Doch wenn er sie jetzt ansah, in dem teuren Designerkleid und mit der exquisiten Perlenkette, musste er sich eingestehen, dass er sich das Rätsel um sie wohl nur eingebildet hatte. Sie hatte ihn schlicht wegen ihres verheirateten Lovers abblitzen lassen.

„Und, was hältst du von der Yacht?“

Gina sah ihren Schwager an und zog eine Grimasse. „Für meinen Geschmack zu überladen“, antwortete sie ehrlich. „Überall dieses Gold. Sogar die Armaturen im Bad sind aus Gold, wusstest du das? Natürlich weißt du das, deine Firma hat sie schließlich installiert. Aber wichtig ist wohl nur, dass es Scheich Hussain gefällt.“

Richard grinste. „Er liebt es. Deshalb schmeißt er ja diese Party – um jedem seine renovierte Yacht zu zeigen. Für Nautica World kann es keine bessere Werbung geben. Hier sind mehrere Yachteigner anwesend, die ebenfalls eine Überholung planen.“ Er drückte ihre Schulter. „Danke, dass du mitgekommen bist. Für Sarah sind die letzten Wochen der Schwangerschaft ziemlich anstrengend. Ich weiß, wie dankbar sie dir ist, dass du sie vertrittst.“

„Freut mich, wenn ich helfen kann“, sagte Gina aufgeräumt. Ihr Lächeln wankte. „Drei Schwangerschaften in vier Jahren … das kann schon anstrengend werden.“

„Um ehrlich zu sein … das dritte Baby war nicht geplant“, gestand Richard. „Es scheint, ich brauche Sarah nur anzusehen, und prompt wird sie wieder schwanger“, scherzte er.

Die Glückliche, dachte Gina zerknirscht. Ihre Stiefschwester wusste nicht, wie es war, wenn man sich vergeblich nach einem Kind sehnte. Ihre Familie ahnte nichts von ihrem Problem, sie sprach nie darüber. Dass ihre Ehe mit Simon kinderlos geblieben war, hatte sie immer damit gerechtfertigt, dass ihr die Karriere vorerst wichtiger sei. Dabei würde sie alles dafür geben, glücklich verheiratet zu sein, mit zwei Kindern und dem dritten unterwegs.

Richard sah zum anderen Ende des Raumes. „Siehst du den Mann da drüben? Das ist einer von Scheich Hussains Cousins. Er besitzt einen zwölf Meter langen Kabinenkreutzer. Ich denke, ich werde jetzt zu ihm gehen und einen kleinen Plausch mit ihm halten.“

„Überzeuge ihn, dass er die Dienste von Nautica World unbedingt braucht.“ Lachend sah sie ihrem Schwager nach. Sie mochte Richard. Er arbeitete hart, der Erfolg war wohlverdient.

„Du siehst bezaubernd aus, cara.“

Gina schwang herum, als sie die vertraute samtene Stimme hörte. Ihr Herzschlag stockte, als ihr Blick auf Lanzos funkelnde grüne Augen traf. In dem schwarzen Smoking und dem blütenweißen Hemd sah er einfach umwerfend aus.

„Das Geschäft deines Galans muss sehr gut laufen, wenn er eine Ehefrau und Kinder ernähren kann und zusätzlich in der Lage ist, seiner Geliebten Designerkleider und teure Perlen zu schenken“, meinte Lanzo bissig.

Gina starrte ihn an, entsetzt über die Verachtung in seinem Blick. Dann traten vor Wut rote Flecke auf ihre Wangen. „Richard ist mein Schwager. Sarah, meine Stiefschwester, erwartet in wenigen Wochen ihr drittes Kind. Sie war zu müde, um ihren Mann zu begleiten, deshalb bin ich mit Richard hier.“ Sie dachte an die Zeitungsberichte über Lanzo und seine wechselnden Begleiterinnen. Der Scheich hielt es nicht viel besser. Wie Richard ihr gesagt hatte, war die Ehefrau des Scheichs in Dubai geblieben, was den Mann aber nicht von der Affäre mit der kurvigen Rothaarigen abhielt, die an seinem Arm hing.

Sie lachte hart auf. „Du und dein Freund, der Scheich, mögen notorische Schürzenjäger sein, aber du solltest nicht jedem einen so niedrigen Standard unterstellen. Richard liebt Sarah und die Jungs, und ich … ich würde mich nie auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann einlassen. Wenn du es unbedingt wissen musst … die Kette habe ich von meiner Großmutter Ginevra geerbt.“ Sie verabscheute sich dafür, dass ihr Puls zu rasen begann, als Lanzo mit einer Fingerspitze über die schimmernden Perlen fuhr. „Sie war ein Hochzeitsgeschenk meines Großvaters, und ich werde sie immer in Ehren halten.“ Die Ehe ihrer Großeltern hatte sechzig Jahre gehalten, und für Gina war die Kette ein Hoffnungssymbol, dass es auch glückliche und dauerhafte Ehen gab, selbst wenn ihre eigene nach zwei Jahren zerbrochen war. Böse funkelte sie Lanzo an. „Entschuldige mich, ich brauche frische Luft.“

Sie kam nur zwei Schritte weit, bevor jemand sie rief.

„Gina, genau Sie wollte ich sprechen. Ich habe Mieter für Ihre Wohnung gefunden.“

Sie zwang sich zu einem Lächeln für Geoffrey Robins, den Immobilienmakler in Poole. „Das sind wirklich gute Neuigkeiten.“

„Die Leute wollen zum Ende des Monats einziehen, wenn es Ihnen recht ist. Die Miete deckt dann auf jeden Fall die monatlichen Hypothekenraten. Sagten Sie nicht, Sie wollten zu Ihrem Vater zurückziehen? Allerdings habe ich Gerüchte gehört, dass Peter nach seinem Herzinfarkt die Farm verkaufen will.“

Gina nickte. „Ja, das stimmt. Aber sowohl Sarah als auch Hazel haben mir angeboten, dass ich eine Weile bei ihnen wohnen kann. Ich hoffe ja, dass ich bald einen Job finde.“ Die Häuser beider Stiefschwestern waren nicht besonders groß, dafür wuchsen ihre Familien stetig. Ideal wäre es nicht, bei einer von beiden einzuziehen, doch um das Apartment behalten zu können, blieb Gina nichts anderes übrig, als es eine Zeit lang zu vermieten.

„Ich melde mich nächste Woche mit weiteren Details. Aber jetzt …“, Geoffreys Augen schwenkten zu dem Kellner, der mit einem Getränketablett in Reichweite kam, „… werde ich mir noch ein Glas von dem wirklich exzellenten Burgunder gönnen.“

Er streckte die Hand aus, doch ausgerechnet in diesem Moment stolperte der Kellner, die vollen Gläser auf dem Tablett kippten um, und eine Kaskade von Rotwein ergoss sich über Ginas Kleid.

„Scusi! Mi dispiace tanto, signora!“ Der entsetzte junge Mann verfiel bei seiner hektischen Entschuldigung automatisch in seine italienische Muttersprache.

„Angeblich soll man Rotwein am besten mit Weißwein entfernen können.“ Geoffrey reichte Gina ein Taschentuch, das ihr allerdings wenig nutzte.

„Danke, aber ich bin nass genug.“ Sie war sich peinlich bewusst, dass sich bei ihrem erschreckten Aufschrei alle Köpfe zu ihr gedreht hatten.

Das Missgeschick des Kellners ärgerte sie. Das Kleid war definitiv ruiniert, und die Zeiten, da sie sich teure Kleider leisten konnte, waren vorbei. Schlimmer jedoch war, dass sie zum Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden war. Sie schaute sich nach Richard um, doch der stand in angeregtem Gespräch mit seinem potenziellen Neukunden zusammen.

„Komm mit“, erklang da eine tiefe Stimme neben ihr.

Sie besaß nicht einmal die Geistesgegenwart zu protestieren, als Lanzo sie beim Ellbogen nahm und aus dem Salon führte. Noch immer versuchte sie ergebnislos, die roten Flecken mit Geoffreys Taschentuch abzutupfen. „Ich fasse es nicht. Das Dinner wird gleich serviert, und ich sehe aus … Ob der Scheich wohl etwas zum Umziehen für mich hat?“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rashid etwas anderes an Bord aufbewahrt außer den durchsichtigen Negligés und Kaftanen seiner Gespielinnen. Ich bezweifle, dass du dich darin sehen lassen möchtest.“

„Stimmt.“ Das amüsierte Glitzern in Lanzos Augen ärgerte sie.

„Dann gibt es nur eine Möglichkeit – ich bringe dich nach Hause.“

„Großartige Idee.“ Sie schaute betont auf den entfernten Küstenstreifen. „Leider kann ich so weit nicht schwimmen.“

„Das brauchst du auch nicht, cara. Mein Boot liegt direkt längsseits an der Yacht.“

Mit gerunzelter Stirn folgte Gina ihm. „Ich weiß nicht, ob …“

„Komm, ich helfe dir beim Einsteigen.“ Lanzo war bereits die Bootsleiter hinuntergeklettert. „Wenn du fällst, fange ich dich auf.“

Gina zögerte, auf Lanzos Angebot einzugehen. Sie schien nicht in der Lage zu sein, ihre Reaktion auf ihn zu kontrollieren. Aber der Rotwein war inzwischen bis auf ihre Haut gedrungen, sie brauchte dringend eine Dusche und musste sich umziehen.

„Na gut. Aber du fährst nicht zu schnell, abgemacht?“

„Nein, natürlich nicht“, versicherte er leichthin, fasste sie um die Taille und hob sie ins Boot.

Eine knappe halbe Stunde später zog er den Gashebel zurück und steuerte einen privaten Landesteg an. „Na, war das nicht aufregend?“

Gina lockerte die verkrampften Finger vom Sitz. Während der rasanten Fahrt hatte sich ihr Chignon gelöst, das Haar fiel ihr wirr vom Fahrtwind über den Rücken. „So würde ich es nicht nennen. Ich habe nur Angst gehabt.“

„Die hättest du nicht zu haben brauchen, ich weiß, was ich tue. Bei mir bist du sicher.“

An seiner Fähigkeit, mit dem Powerboot umzugehen, zweifelte sie auch nicht, doch sicher fühlte sie sich mit ihm dennoch nicht – weil er Gefühle in ihr weckte, die sie schon lange nicht mehr verspürt hatte.

Sie sah zu den Häusern an Land und wunderte sich. „Wieso sind wir in Sandbanks? Du wolltest mich doch nach Hause bringen.“

„Wir sind zu meiner Villa gefahren. Meine Haushälterin wird wissen, wie man Rotweinflecke entfernt.“ Lanzo sprang an Land, ohne auf ihre störrische Miene zu achten. „Außerdem möchte ich mit dir reden.“

„Worüber?“, fragte sie misstrauisch.

„Ich möchte dir einen Vorschlag machen, der, wie ich glaube, uns beiden zugutekommt. Begleite mich mit ins Haus, dort können wir alles besprechen.“ Er ging auf das Haus zu und ließ Gina keine andere Wahl, als ihm zu folgen.

Zwanzig Minuten später kam Gina aus dem Badezimmer, das Lanzo ihr gezeigt hatte, frisch geduscht und in einen weißen Frotteebademantel gehüllt. Zögernd trat sie in die Halle, unsicher, was sie nun anfangen sollte.

„Fühlst du dich jetzt wohler?“ Lanzo trat aus einer Tür auf sie zu. „Komm, Daphne hat etwas zu essen für uns zubereitet.“

Er hatte die Fliege abgenommen und die obersten Knöpfe seines Smokinghemdes geöffnet. Sein brauner Hals und ein paar seidige dunkle Härchen waren zu sehen. In Ginas Magen begann es zu flattern.

„Wer ist Daphne?“

„Meine Haushälterin und eine gute Seele. Sie begleitet mich überall hin und ist die einzige Frau, ohne die ich nicht auskommen kann.“

Es stellte sich heraus, dass Daphne eine kleine dunkelhaarige Frau mit blitzenden schwarzen Augen war, die sich auch sofort Ginas Kleides annahm. Und während Gina ihrem Gastgeber in einen riesigen Salon folgte, dessen hohe Glasfront direkt auf das Meer hinausging, fragte sie sich, wieso sie so erleichtert sein sollte, dass Lanzos Haushälterin keine langbeinige Blondine war.

„Was für ein fantastischer Ausblick.“ Für einen Moment war sie tatsächlich von der Wirkung, die Lanzo auf sie ausübte, abgelenkt. „Von meiner Wohnung hat man einen schönen Blick auf den Hafen, aber das ist kein Vergleich zu diesem Panorama.“

Schiebetüren führten hinaus auf eine große Terrasse, auf der ein Tisch mit verschiedenen Salaten und knusprigen Brötchen gedeckt war. Gina merkte plötzlich, wie hungrig sie war.

Sie setzten sich, und Lanzo bedeutete ihr, sich zu bedienen.

„Sprichst du eigentlich Italienisch?“

„Ja, meine Großmutter brachte es mir bei. Sie hat Italien immer vermisst und war froh, wenn sie ihre Sprache sprechen konnte.“

„Woher kam sie?“

„Aus Rom.“ Gina legte sich von den frischen Salaten auf. „Ich war mehrere Male geschäftlich dort, aber ich hatte nie Zeit, die Stadt zu besichtigen. Irgendwann werde ich hinfahren und nach dem Haus suchen, in dem Nonna aufgewachsen ist.“

„Die Zentrale von Di Cosimo Holdings ist in Rom.“ Lanzo schenkte Wein ein und hob sein Glas. „Auf alte Freundschaften und neue Anfänge.“

„Ja …“ Sie zögerte unmerklich, bevor sie an ihrem Glas nippte. „Auf alte Freundschaften.“ Von den neuen Anfängen war sie keineswegs so überzeugt.

„Komm nach Rom und arbeite für mich, und ich verspreche dir, ich werde eine Stadtbesichtigung mit dir machen. Ich kenne mich gut in Rom aus, ich bin sicher, wir werden das Haus deiner Großmutter finden.“

Ihr war völlig entfallen, dass er ihr angeboten hatte, zeitweise als seine Assistentin zu arbeiten. Jetzt aber schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich glaube, wohl eher nicht.“

„Warum lehnst du so schnell ab?“ Lanzo musterte sie nachdenklich. „Und wieso vermietest du deine Wohnung?“

„Hast du etwa mein Gespräch mit Geoffrey belauscht?“, fragte sie empört.

„Ich stand direkt daneben, es war nicht zu überhören.“

Sie wollte ihm sagen, dass es ihn nichts anging, doch dann überlegte sie es sich anders. „Ich nahm eine Hypothek auf, um die Wohnung zu kaufen. Solange ich gutes Geld bei Hartman Homes verdiente, war es auch kein Problem, doch jetzt habe ich meinen Job verloren und bin mit den Raten im Rückstand.“

„Ich biete dir einen Vertrag für sechs Monate an und zahle dir ein großzügiges Gehalt – mehr, als du bei Meyers verdient hast.“

Gina zog die Brauen in die Höhe. „Du weißt doch gar nicht, was ich bei Meyers verdient habe.“

„Ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung vom Gehalt einer Assistentin. Wenn man sich gute Leute sichern will, muss man auch gut zahlen.“

„Woher willst du wissen, ob ich gut in meinem Job bin?“

Lanzo zuckte die Schultern. „Ich habe deine Referenzen überprüft. Meinst du, ich würde dir eine so verantwortungsvolle Stelle anbieten, ohne nicht erst sicherzustellen, dass du auch mit der Verantwortung umgehen kannst?“, fragte er kühl. Als sie schon den Mund öffnete, um sich zu beschweren, dass er wirklich Nerven hatte, fuhr er fort: „Ich bin Geschäftsmann, cara, ich lasse meine Entscheidungen nie von Emotionen diktieren. Ich habe mich bei deinem früheren Chef, Frank Wallis, erkundigt. Er lobt dich in den höchsten Tönen. Seiner Überzeugung nach warst du die beste Assistentin, die er je hatte – mit einer nahezu obsessiven Detailverliebtheit“, fügte er amüsiert hinzu. „Du sollst sogar deine Notizen nach einem Farbcode sortiert haben.“

Gina wurde rot. „Ich bin eben gern organisiert“, rechtfertigte sie sich. Na gut, vielleicht war sie in dieser Hinsicht ein wenig pedantisch, aber sie war ganz bestimmt kein Kontrollfreak, wie Simon ihr vorgeworfen hatte. Sie schätzte es nur, wenn die Dinge reibungslos liefen.

„Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand gut organisiert ist, im Gegenteil. Es ist eine Notwendigkeit. Meine Arbeitstage sind lang, und ich bin oft unterwegs. Von meiner Assistentin erwarte ich, dass sie mich auf den Geschäftsreisen begleitet und ab und zu auch als meine Gastgeberin fungiert.“

Das ging ihr alles viel zu schnell. Er schien zu denken, ihre Zusage bereits in der Tasche zu haben. „Falls ich dein Angebot annehme“, erwiderte sie.

„Warum solltest du es nicht annehmen?“, fragte er zurück.

Es gab viele Gründe, doch der wichtigste war eindeutig Lanzos Anziehungskraft. In der schlaflosen Nacht, die sie hinter sich hatte, war ihre Entscheidung gefallen: Das Ganze durfte nicht noch weitere Blüten treiben. Schon einmal hatte Lanzo ihr das Herz gebrochen, ihr Seelenfrieden war in Gefahr, sollte sie sich wieder auf ihn einlassen.

Es ist doch nur für sechs Monate, hielt eine kleine Stimme in ihrem Kopf dagegen. Sein Vorschlag bot ihr die Chance, ihre finanzielle Situation zu regeln und die Wohnung behalten zu können. Wenn sie mit Lanzo nach Rom ging, brauchte sie nicht ihren Stiefschwestern zur Last zu fallen, die Miete würde die Hypothekenraten decken, und bei dem großzügigen Gehalt, das er ihr anbot, konnte sie auch noch einige Rücklagen anhäufen, um sich nach ihrer Rückkehr in Poole nach einer Stelle umzusehen.

Trotzdem … jeden Tag mit Lanzo zusammen zu arbeiten, mit ihm auf Geschäftsreisen zu gehen? Gina kaute an ihrer Unterlippe, schwankend zwischen der lockenden Möglichkeit, ihre Finanzprobleme zu lösen, und der Furcht, auf was sie sich mit ihrer Zusage einließ.

Was würde sie tun, sollte er wieder versuchen, sie zu küssen, so wie er es gestern Abend versucht hatte? Sie schluckte unwillkürlich, als sie seinem Blick begegnete und das Verlangen in seinen grünen Augen schwelen sah. Ein Schauer überlief sie. Wäre es denn so eine Katastrophe, wenn sie nachgab?

Der Atem stockte ihr, als er den Blick tiefer wandern ließ, zu dem leicht geöffneten Ausschnitt des Bademantels. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Ein Bild schoss Gina in den Kopf: Lanzo, wie er ihr den Bademantel langsam von den Schultern schob und den Kopf senkte, um erst die eine, dann die andere Brustspitze zwischen seine Lippen zu saugen …

„Es wäre unvernünftig, mein Angebot auszuschlagen, Gina.“ Seine Stimme holte sie in die Wirklichkeit zurück. Gina konnte nur hoffen, dass er ihre Gedanken nicht erraten hatte. „Du brauchst einen Job, und ich brauche eine Assistentin. Zudem habe ich Kontakte. Wenn Luisa wieder zurückkommt, kann ich dich weiterempfehlen.“

Keine vernünftige Person würde ein solches Angebot ablehnen. Und sie hatte sich doch geschworen, jeden Job anzunehmen, um ihr Apartment behalten zu können, schließlich war es das Symbol für einen Neuanfang nach den zwei schrecklichen Ehejahren mit Simon. Außerdem war sie eine erwachsene Frau und kein naives junges Ding mehr. Ganz bestimmt wäre sie in der Lage, dieser aufreibenden Anziehungskraft zu widerstehen.

„Also gut“, sagte sie hastig, bevor sie doch noch ihre Meinung änderte. „Ich nehme das Angebot an.“

Lanzo kaschierte seine Zufriedenheit über ihre Antwort. Als er Gina vorhin auf der Yacht erblickt hatte, war ihm klar geworden, dass sein Verlangen nach ihr zu stark war, um darüber hinweggehen zu können. Er begehrte sie, und sein Instinkt sagte ihm, dass sie lange nicht so immun gegen ihn war, wie sie es sich wünschte. Aber er spürte ihren Argwohn, auch wenn er den Grund dafür nicht verstand. Nun, er würde einfach Geduld beweisen müssen und ihr Vertrauen gewinnen, bevor er sie in sein Bett bekam.

„Abgemacht“, sagte er brüsk. „Morgen früh um neun hole ich dich an deiner Wohnung ab, dann fliegen wir mit meiner Privatmaschine nach Rom. Luisa kann für ein paar Stunden ins Büro kommen, um dich kurz einzuarbeiten und dir alles Notwendige zeigen.“

Verblüfft schaute Gina ihn an. „Ich brauche ein paar Tage, um alles zu organisieren. Vor allem brauche ich eine Unterkunft in Rom.“

„Du kannst in meinem Apartment unterkommen, das ist ideal.“ Er sah, wie sie den Mund öffnete, um zu protestieren, doch er fuhr ungerührt fort: „Ich arbeite oft noch spät am Abend, da ist es praktisch, wenn du anwesend bist. Ich hoffe, du hast nicht geglaubt, dass es sich hier um einen Job handelt, bei dem du um fünf Uhr den Bleistift fallen lassen kannst?“ Ihre zweifelnde Miene ließ seinen Ton brüsker werden. „Für das Gehalt, das ich zahle, erwarte ich, dass du jederzeit einsatzbreit bist.“

Natürlich war ihr klar, dass die Assistentin des Direktors eines internationalen Unternehmens Überstunden machen und manchmal sogar am Wochenende arbeiten musste, aber sie brauchte schließlich auch irgendwann Schlaf! „Ich gehe davon aus, dass die Nächte mir allein gehören?“, fragte sie kühl. Sein Ton hatte sie verletzt.

Lanzo lehnte sich in den Stuhl zurück und musterte sie mit blitzenden Augen. „Natürlich – wenn du das wünschst, cara“, murmelte er. War ihr eigentlich bewusst, was für hungrige Blicke sie ihm zuwarf? Oder wie der Puls an ihrem Hals raste?

Unter normalen Umständen würde er niemals Arbeit und Privatleben vermischen. Beziehungen in der Firma schufen nur Probleme, deshalb hatte er sich auch nie auf Affären mit seinen Angestellten eingelassen. Aber das hier waren keine normalen Umstände.

Luisas Ankündigungen waren wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel gekommen. Erst hatte sie geheiratet, und fünf Monate später verkündete sie, dass sie schwanger sei. Natürlich freute Lanzo sich für sie, aber in den fünf Jahren, in denen sie nun für ihn arbeitete, hatte sie nie durchblicken lassen, dass sie sich nach einem häuslichen Leben mit Familie sehnte. Zwei Juniorsekretärinnen hatten es übernommen, sein Büro und seinen Terminkalender zu organisieren, aber ihm fehlte Luisas ruhige Effizienz, mit der sein Büro wie ein präzises Uhrwerk funktioniert hatte.

Das Gespräch mit Ginas ehemaligem Chef hatte ihn überzeugt, dass sie genau die Richtige war, um Luisas Platz eine Zeit lang zu übernehmen. Hinzu kam, dass sich ihm damit die Möglichkeit bot, Gina wieder kennenzulernen. Nach seiner Rückkehr nach Italien vor zehn Jahren hatte er sie lange nicht vergessen können. Sie waren sowohl ein Liebespaar als auch Freunde gewesen, deshalb war seine Neugier auf sie wohl völlig normal.

Selbstverständlich würden bei einer möglichen Beziehung mit ihr alle Emotionen außen vor bleiben. Seit das Feuer vor fünfzehn Jahren ihm jeden Menschen genommen hatte, den er liebte, war sein Inneres wie abgestorben. Sein Herz saß wie ein eisiger Klumpen in seiner Brust, und er glaubte nicht daran, dass es jemals wieder auftauen würde.

4. KAPITEL

„Wie hieß noch dieser kleine Country Pub in New Forest?“, fragte Lanzo. „Erinnerst du dich, wir sind öfter dort hingegangen.“

Natürlich erinnerte Gina sich – sie erinnerte sich an jeden Ort, an dem sie vor zehn Jahren zusammen mit Lanzo gewesen war. „‚The Hare and Hounds‘, bekannt für seine Steaks und Ale Pies. Du hast mich immer an meinen freien Tagen dorthin zum Lunch eingeladen.“

„Richtig. Und hinterher sind wir im Wald spazieren gegangen.“

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs.

Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills & Boon,...
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Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

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