Bianca Arztroman Band 11

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DU SCHAFFST ES, EMILY von JESSICA MATTHEWS

Freundschaft? Für immer! Sex? Fantastisch! Aber Liebe? Daran glaubt die Krankenschwester Emily nicht und heiratet Dr. Will Patton, von dem sie ein Baby erwartet, erst nach langem Zögern. Als sie sieht, wie sehr er mit der hübschen Jacqueline flirtet, will sie die Scheidung!

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  • Erscheinungstag 03.12.2012
  • Bandnummer 0011
  • ISBN / Artikelnummer 9783954460946
  • Seitenanzahl 348
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Jessica Matthews

Du schaffst es, Emily

1. KAPITEL

“Wir treffen uns zum Dinner. Sechs Uhr.”

Emily Chandler zuckte resigniert die Schultern. Will Pattons abendliche Einladungen waren so regelmäßig wie seine Besuche auf Station.

“Danke, Doktor, aber ich kann nicht”, sagte sie, ohne den Kopf zu heben, und steckte die Karteikarte zurück in den Kasten.

“Warum nicht?”

“Ich habe keine Zeit.” Sie warf ihm einen raschen Blick zu, ehe sie sich wieder in ihre Arbeit vertiefte. Er sieht wirklich gut aus, dachte sie irritiert. Dunkle Augen, schwarzes Haar, ein schönes, männliches Gesicht mit einer feinen, verblassten Narbe an der rechten Schläfe …

Dr. Patton trat einen Schritt näher. “Okay”, sagte er gleichmütig, “verschieben wir es auf morgen.”

Emily sah auf. Sie gab sich große Mühe, ruhig und gelassen zu scheinen. Sie kannte Will Patton und wusste, dass er ein scharfer Beobachter war, dem nichts entging! Auf keinen Fall durfte er spüren, wie sehr er ihr seelisches Gleichgewicht durcheinanderbrachte!

“Nein!” Sie schüttelte leicht den Kopf und senkte die Stimme. “Wir haben eine Vereinbarung getroffen, an die ich mich halten möchte”, erinnerte sie. “Wir haben ein Arbeitsverhältnis, Doktor. Mehr nicht.” Sie wandte sich ab und zog eine neue Karte aus dem Kasten.

“Vereinbarungen können geändert werden”, meinte Will und kam noch einen Schritt näher. “Vorausgesetzt, dass beide Parteien damit einverstanden sind.”

Emily schluckte. Sie spürte den Duft seines herben Rasierwassers. Ihr wurde heiß. Eine Kollegin kam vorbei und warf einen neugierigen Blick durch die offene Tür.

“Kommen Sie, Emily”, drängte Will leise. “Was haben Sie gegen ein harmloses Dinner? Ich gehe oft mit Kollegen essen!”

Sein Angebot war verführerisch, aber sie kannte ihre Grenzen. Sie straffte die Schultern, wie um sich zu wappnen. “Danke für die Einladung”, sagte sie fest, “aber ich kann weder heute, noch morgen, noch an irgendeinem anderen Abend mit Ihnen ausgehen.”

Auch Will Patton straffte die Schultern und schob eigenwillig das Kinn vor. “Sie wissen, dass ich nicht aufgebe”, erklärte er ruhig. Sein Gesicht war freundlich, aber seine dunklen Augen blitzten kämpferisch.

“Das sollten Sie aber, Doktor!”

“Nein.”

“Und warum nicht?”

“Wollen Sie wirklich, dass ich es Ihnen erkläre? Hier, im Schwesternzimmer, wo jeder zuhören kann?” Er warf einen Blick durch die offene Tür in den langen Korridor. Dann zuckte er die Schultern. “Meinetwegen! Mir macht es nichts aus, über unsere unvollendete Geschichte zu sprechen …”

“Nein!” Emily seufzte. Seit drei Wochen ließ er keine Gelegenheit aus, sie in ein privates Gespräch zu verwickeln, wann immer sich ein freier Augenblick ergab. Fast sehnte sie sich nach den Tagen zurück, in denen ein höflich-reservierter Gruß ihre Beziehung bestimmt hatte!

Sie unterdrückte einen neuen Seufzer. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte. Will war kein Mann von leeren Drohungen! Er meinte, was er sagte. Wort für Wort. Und wenn er glaubte, dass er mit ihr noch nicht fertig war, dann würde er nicht eher ruhen, bis er das, was er als ‘unvollendete’ Geschichte bezeichnete, zu seiner Zufriedenheit vollendet hatte! Aber er würde sich gedulden müssen, bis sie die Probleme mit ihrem Bruder im Griff hatte!

“Okay, ich werde sehen, was ich tun kann”, sagte sie einlenkend. “Aber versprechen kann ich nichts!”

“Einverstanden!” Er drehte sich um, hob flüchtig die Hand und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Aber Emily blieb nicht lang allein. Sekunden später betrat ihre Freundin Molly O’Donnell das Schwesternzimmer der Entbindungsstation. Molly, eine dralle, rothaarige Krankenschwester, hatte einen Stapel Akten im Arm, den sie schwungvoll auf die Schreibtischplatte fallen ließ.

“Warum lässt du den armen Mann zappeln und sagst nicht einfach ja?”, fragte sie resigniert.

“Wie bitte?” Emily sah sie entgeistert an.

“Sag ja”, wiederholte Molly geduldig. “Mach dem Spiel ein Ende, und geh mit ihm aus, Em!”

“Warum ich?” Emily schob trotzig die Unterlippe vor. “Er kann eine von euch einladen, wenn er Gesellschaft sucht!”

“Sicher kann er das. Aber er tut es nicht. Er ist seit drei Monaten in Crossbow und hatte genug Gelegenheit dazu. Aber er ist nicht daran interessiert.” Sie zog die Mundwinkel herab. “Wir haben getan, was wir konnten. Ohne Erfolg, wie du siehst!”

“Dann gebt euch mehr Mühe”, befahl Emily streng. “Vielleicht lässt er dann von mir ab!”

Molly zog kritisch die Brauen zusammen. “Warum denn, Em? Was hast du gegen ihn? Du bist frei und ungebunden! Mit Don Springer hast du vor Weihnachten Schluss gemacht. Kein Grund, Hoftrauer zu tragen! Wenn sich Dr. Patton für dich interessiert, dann solltest du zugreifen! Der Mann hat mehr Sexappeal als jeder andere in einem weiten Umkreis!”

“Mag sein, aber ich suche keine neue Beziehung!”

“Beziehung! Niemand redet von Beziehung, Em! Der Mann will mit dir essen gehen!” Molly warf der Freundin einen vorwurfsvollen Blick zu. “Ich finde, ihr seid ein attraktives Paar.”

“Darum geht es nicht”, konterte Emily schärfer als beabsichtigt. “Attraktiv oder nicht … ich bin jedenfalls nicht die Frau seiner Träume!”

“Woher weißt du das? Du hast doch noch keine zwei Sätze mit ihm gesprochen. Privat, meine ich.”

“Ich weiß es eben”, erklärte Emily. “Aber lass uns das Thema wechseln, Molly. Du weißt, wo meine wirklichen Probleme liegen. Ich habe den Kopf voll, was meinen Bruder betrifft!”

Aber so schnell gab Molly nicht auf. “Trotzdem verstehe ich nicht, warum eine Dinnereinladung mit einem Mann wie Will Patton ein Problem sein soll, Em!”

“Es ist eins, Molly”, erklärte Emily. “Du kannst es mir glauben oder nicht!”

Molly seufzte. “Er ist unheimlich attraktiv”, gestand sie. “Die meisten Mädchen stehen auf diesen dunklen, geheimnisvollen Typ Mann! Eine Nacht mit ihm muss ein Highlight in unserem glanzlosen Alltag sein!” Sie machte ein träumerisches Gesicht. “Früher soll er ein ziemlicher Draufgänger gewesen sein, erzählt man.”

Emily sah auf. “So kommt er mir heute nicht mehr vor”, sagte sie überrascht.

“Nein, vermutlich ist er zur Vernunft gekommen und spart sich seine männlichen Energien für die Richtige auf”, überlegte Molly. “Die Glückliche, die seine wilde Leidenschaft teilen darf …” Sie warf Emily einen anzüglichen Blick zu.

Wieder spürte Emily ihre heißen Wangen. Es war wirklich an der Zeit, das Thema zu wechseln! “Kevin und seine Hausaufgaben beanspruchen alle verfügbaren Energien, die ich nach der Arbeit noch übrig habe”, erklärte sie trocken. “Ich bin sogar zu müde zum Joggen. Was ist mit dir? Hast du Lust heute Abend?” Noch während sie die Frage stellte, hoffte sie heimlich, dass Molly ablehnen würde. Das begonnene Lauftraining hatte nicht den erhofften Erfolg gebracht. Im Gegenteil, ihre Kondition wurde schlechter statt besser.

“Meinetwegen”, sagte Molly gutmütig. “Nach der Arbeit?”

“Nicht gleich. Ich habe vorher noch einen Arzttermin.”

“Endlich!”, sagte Molly streng. “Du bist in den letzten Wochen etwas flügellahm geworden! Dafür muss es einen Grund geben.”

Emily zuckte die Schultern. “Sorgen und Stress sind die Auslöser”, sagte sie gleichmütig. Aber in Wirklichkeit machte sie sich große Sorgen. Die ständige Müdigkeit und die ungewohnte Blässe machten ihr Angst. Sie war Krankenschwester und wusste, was sich hinter solchen Symptomen verbergen konnte … “Wir treffen uns nach meinem Arztbesuch, okay?”

Als Emily zwei Stunden später in Dr. Fergusons Sprechzimmer saß, um die Ergebnisse ihrer Blutuntersuchung zu besprechen, schlug ihr Herz bis zum Hals. Sie war so aufgeregt, dass ihre Hände zitterten und sie große Mühe hatte, ein ruhiges, gelassenes Gesicht zu machen und sich auf die schlimmstmögliche Diagnose vorzubereiten.

“Ich denke, wir haben die Erklärung für Ihre Beschwerden, Emily”, begann Dr. Ferguson und raschelte mit dem Papierbogen in seiner Hand.

Emilys Mund war ausgetrocknet. Angst schnürte ihr die Kehle zu. “Das ist gut”, brachte sie heraus und zwang sich zu einem kleinen Lächeln.

Auch Dr. Ferguson lächelte. “Es wird einiges auf Sie zukommen, meine Liebe”, sagte er und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. “Auf jeden Fall werden Sie sich nach einem anderen Arzt umsehen müssen. Ich kann Sie nicht behandeln.”

Also doch Leukämie! Ihre schlimmsten Befürchtungen waren eingetreten! “Sie können mich nicht behandeln?”, wiederholte sie benommen.

“Nein. Ich fühle mich nicht kompetent. Ich habe seit vielen Jahren nichts mehr mit Schwangerschaften und Geburtshilfe zu tun.”

“Geburtshilfe?”, stammelte Emily schwach. “Wovon sprechen Sie, Doktor?”

“Sie sind schwanger, meine Liebe! Hier haben Sie es schwarz auf weiß!” Er drückte ihr einen Bogen Papier in die kalte Hand.

Emily starrte auf das Blatt und schüttelte hilflos den Kopf.

“Nun, nun …”, sagte Dr. Ferguson beruhigend. “Eine Schwangerschaft ist kein Weltuntergang! Es gibt schlimmere Diagnosen! Das wissen Sie selbst! Blutarmut, Müdigkeit, Blässe … so können sich auch ernste Erkrankungen ankündigen.”

“Ich weiß! Es ist nur … Es kommt so unverhofft! Ich habe einfach nicht damit gerechnet!” Sie hatte immer klare Vorstellungen von der Reihenfolge gehabt, was Babys betraf. Zuerst kam die Hochzeit und dann ein Baby! Sie schluckte und suchte nach Worten.

Dr. Ferguson kam ihr zuvor. “Sicher, meine Liebe, das ist normal, unter den Umständen.”

Emily wusste, dass er auf ihren Single-Status anspielte. Trotzdem lächelte sie erleichtert. “Ich hatte eher mit Leukämie als mit einem positiven Schwangerschaftstest gerechnet”, gestand sie.

Er nickte. “Eine Schwangerschaft ist die bessere Diagnose”, sagte er optimistisch. “Allerdings wundere ich mich, dass Sie nicht selbst auf die Idee gekommen sind! Schließlich arbeiten Sie auf der Frauenstation und haben täglich mit schwangeren Frauen zu tun!”

“Ja, aber meistens bin ich im Kreißsaal! Und zu diesem Zeitpunkt haben die Frauen die bekannten Symptome hinter sich! Außerdem hatte ich in der letzten Zeit viel Stress! Ich schob einen Teil der Symptomatik darauf zurück.”

Dr. Ferguson nickte. “Ihre Blutwerte sind nicht schlecht, bis auf einen Eisenmangel, der behandelt werden sollte. Sie sind etwa in der zehnten Woche, und Sie sollten sehr bald mit Ihrem Partner über die Schwangerschaft und eventuelle Konsequenzen sprechen.”

Emily hob den Kopf. “Ich werde es ihm sagen, aber seine Entscheidung wird meine Entscheidung nicht beeinflussen. Ich werde das Baby bekommen.”

Dr. Ferguson nickte. “Falls Sie noch keinen Frauenarzt haben, dann kann ich Ihnen Dr. Patton empfehlen. Er ist relativ neu in der Stadt und noch nicht so ausgebucht wie die älteren Gynäkologen.”

Emily hielt den Atem an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie räusperte sich. “Ich weiß nicht …”, begann sie stockend. “Dr. Patton und ich … wir … wir harmonieren nicht zusammen.”

Dr. Ferguson lachte. “Will ist manchmal etwas direkt”, gab er zu. “Er weiß, was er will, und meistens setzt er es auch durch. Aber immer zum Wohl seiner Patientinnen. Er ist ein ausgezeichneter und gewissenhafter Gynäkologe und Geburtshelfer. Das kann ich hundertprozentig sagen. Bei ihm sind Sie in den besten Händen!”

Emily wusste, dass er Recht hatte, was diesen Punkt betraf.

“Ich weiß, dass er ein sehr guter Arzt ist”, begann sie zaghaft. “Trotzdem geht es nicht! Er ist der Vater meines Babys, Dr. Ferguson!”

“Wie war dein Arztbesuch?”, fragte Molly später, als sie durch die verkehrsberuhigte Innenstadt liefen. Es war kühl und windig an diesem Februarabend, aber die belebten Einkaufsstraßen boten Schutz gegen die Unbilden des Wetters.

Emily hielt an und bückte sich, um den rechten Joggingschuh fester zu binden. “Ich muss mich nach einem Spezialisten umsehen”, berichtete sie. “Dr. Ferguson ist mit meinem Fall überfordert.”

“Mein Gott!” Molly riss die grünen Augen auf. “Was fehlt dir denn, Em?”, fragte sie besorgt.

Emily richtete sich wieder auf und zog das lange T-Shirt über die Hüften. “Nichts Schlimmes”, sagte sie beruhigend. “Es ist keine ernste Erkrankung. Es ist … also ich bin schwanger!”

“Du bist was?”, fragte Molly entgeistert.

“Schwanger”, wiederholte Emily geduldig.

Mollys Augen wurden groß und rund wie Untertassen. “Schwanger, sagst du? Seit wann?” Ihre Stimme hob sich und nahm einen schrillen Klang an. “Erzähle mir bloß nicht, dass Don der Vater ist!”

Emily schüttelte den Kopf. “Nein, es ist nicht Don”, antwortete sie fröstelnd, als sie an ihren Ex-Freund dachte.

“Wer dann?” Molly musterte sie scharf. “Du bist meine beste Freundin, Em, und ich weiß, dass du dich nach Don mit keinem anderen Mann getroffen hast, nicht wahr?” Sie runzelte die Stirn, als stünde sie vor einer kniffligen Mathematikaufgabe. “Der einzige Mann, der seit Wochen erfolglos um dich herumschleicht und dich mit Dinnereinladungen bombardiert, ist …” Sie hielt inne, als ihr ein ungeheuerlicher Verdacht aufkam! “Em! Jetzt fehlt nur noch, dass du mir sagst, dass du eine heimliche Affäre mit Will Patton hat!”

Emily seufzte. “Es ist keine Affäre, Molly. Wir haben nur ein einziges Mal miteinander geschlafen.”

“Ich muss mich setzen!” Molly steuerte auf eine der Parkbänke in der Fußgängerzone zu und ließ sich auf das kalte, feuchte Holz fallen.

Emily folgte.

“Ich fasse es nicht”, gestand Molly erschöpft. “Ausgerechnet du! Eine Frau mit Prinzipien, die heutzutage selten sind!” Sie schüttelte hilflos den Kopf. “Es passt nicht zu dir, Em! Ein One-Night-Stand! Ein Quickie!”

“Das war es nicht”, erwiderte Emily heftig. “Außerdem mag ich das Wort nicht! Es klingt so abgeschmackt, so gefühllos, so billig!” Sie unterdrückte ein Zittern. “Für mich war es eine wichtige, heilsame Erfahrung in einer sehr schwierigen Zeit.”

Molly legte die Hand auf ihren Arm. “Es tut mir leid, Em”, sagte sie entschuldigend. “Ich wollte dir nicht wehtun. Ich weiß doch, was du in den letzten Monaten durchgemacht hast. Ich war nur sehr … überrascht. Das ist alles.”

Emily lächelte flüchtig. “Ich weiß. Du kennst mich als eine überlegte, vernünftige, disziplinierte Person. Normalerweise bin ich das auch …”

“Wann ist es passiert?”, unterbrach Molly.

“Am siebzehnten Dezember.”

“Am siebzehnten? Aber da war doch der …”

“Weihnachtsball”, ergänzte Emily.

Molly holte tief Luft. “Wirklich, Em, ich habe immer noch Probleme mit deinem Geständnis”, sagte sie. “Damals war Will Patton erst zwei Monate in Crossbow. Du kanntest den Mann doch kaum! Wie konnte es dazu kommen?”

Emily zuckte die Schultern. “Er hat angeboten, mich mit seinem Wagen nach Hause zu fahren, als ich das Fest verlassen wollte. Er war sehr nett.”

“Nett! Ist das ein Grund, miteinander ins Bett zu gehen?”

“Natürlich nicht!”, sagte Emily indigniert. “Weder er noch ich haben daran gedacht! Es hat sich einfach entwickelt!”

Molly seufzte. “Das habe ich schon öfter gehört. Wenn du mich fragst, dann hat er schlicht deine schlechte psychische Verfassung ausgenutzt, hab ich Recht?”

“Unsinn!” Emily schüttelte protestierend den Kopf.

“Es ist kein Unsinn! Du hattest Stress mit deinem Onkel und warst am Ende deiner Kraft!”

“Okay, wir alle waren fix und fertig! Unsere ganze Familie! Gran, Kevin und ich”, gab sie zu. “Natürlich wollte ich nicht mit meinem Onkel über die Vormundschaft meines Bruders prozessieren!”

“Eben! Das meine ich ja! Du warst verzweifelt und außer dir. Dr. Patton hätte sich in dieser Situation anders verhalten müssen.”

“Ach, Molly! Es gibt wirklich keinen Grund, Will die Schuld in die Schuhe zu schieben! Was geschehen ist, geschah in beiderseitigem Einverständnis.”

“Du verteidigst ihn noch?”, fragte Molly empört.

“Ja. Auch ihm ging es nicht gut. Er steckte in einer Krise …”

Molly lehnte sich zurück und verschränkte die Arme im Nacken. “Okay, ich will nicht vorschnell urteilen”, erklärte sie edelmütig. “Außerdem treibt mich im Augenblick eine ganz andere Frage um!” Sie warf der Freundin einen scharfen Blick zu, in dem sich Anerkennung und Empörung mischten. “Wie hast du es geschafft, diese ungeheuerliche Geschichte durchzuziehen, ohne dass ich den geringsten Verdacht geschöpft habe? Schließlich war ich an jenem Abend ganz in deiner Nähe!”

Emily holte tief Luft. “Vielleicht erinnerst du dich, dass ich kurz vor Mitternacht aufstand und den Festsaal verließ …”

Emily atmete auf, als sie den lauten Ballsaal hinter sich hatte. Hier, im langen, dämmrigen Korridor des ‘Country Club’ war es angenehm ruhig, leer und kühl. Ein leichter Luftzug streifte ihre nackten Schultern und kühlte die erhitzte Haut.

Emily trug ein dunkelgrünes, bodenlanges, enges Abendkleid mit Spaghettiträgern und einem raffinierten Schlitz vom Knöchel bis zum Knie, der flottes Tanzen möglich machen sollte. Aber nicht nur das Kleid war unbequem, auch die hohen Stöckelschuhe zwangen sie zu vorsichtigen, kleinen, unnatürlichen Schritten.

Sie war froh, als sie am Ende des Flurs einen leeren, nur schwach beleuchteten Aufenthaltsraum mit gemütlichen Polstern entdeckte, bückte sich, streifte rasch die schwarzen Pumps ab und ließ sich aufatmend in einen der großen, weichen Sessel fallen.

Welche Wohltat!

Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus. Es war schwierig und anstrengend, den ganzen Abend über ein lächelndes, fröhliches Gesicht zu machen, während man bis zum Hals in Problemen steckte! Sie beschloss, sich wenigstens eine halbe Stunde Ruhe und Entspannung zu gönnen, bevor sie sich erneut in den Trubel stürzte. Sie kuschelte sich tiefer in die Polster und lauschte der Tanzmusik, die aus der Entfernung angenehm und beruhigend klang. Sie schloss die Augen.

Die friedliche Idylle dauerte etwa zehn Minuten, ehe sie von Stimmen unterbrochen wurde. Emily öffnete die Augen und sah sich vorsichtig um. Sie entdeckte eine geöffnete Flügeltür, die in einen zweiten Raum führte. Im Türrahmen stand eine schlanke, attraktive Blondine neben Dr. Patton. Die Frau trug ein pfirsichfarbenes, schickes Modellkleid, das wunderbar zu ihrem Porzellanteint passte, während Dr. Patton im schwarzen Abendanzug nicht weniger elegant und attraktiv aussah!

Ein tolles Paar, dachte Emily mit einem Anflug von Neid und überlegte, wie sie rasch und unauffällig verschwinden konnte.

“Ich kann dich nicht heiraten!”

Emily erstarrte, als sie die klare, deutliche Stimme der Frau hörte. Instinktiv verkroch sie sich tiefer in die Polster.

“Du kannst nicht?” Dr. Pattons Stimme klang überrascht.

“Nein. Ich kann nicht. Ich dachte, ich könnte es. Aber ich kann nicht!”

“Das verstehe ich nicht! Was meinst du genau?”

“Ich kann dich nicht heiraten, Will!”

“Warum nicht, Celine? Es muss einen Grund für deinen Sinneswandel geben.”

Celine! Emily war nicht überrascht, was die Extravaganz des Namens betraf. Er passte perfekt zu der eleganten Erscheinung der auffallenden blonden Schönheit! Wieder spürte sie so etwas wie Neid. Sie selbst hatte nie viel Aufhebens um ihr Äußeres gemacht, aber wenn sie Frauen wie Celine sah, fragte sie sich manchmal, ob sie nicht mehr aus sich machen sollte. Warum gab sie sich mit ihrer natürlichen hellbraunen Haarfarbe zufrieden? Ein dramatisches Kastanienrot würde ihr schönes, lockiges Haar erst richtig zur Geltung bringen, nicht wahr? Sie tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze. Eine Stupsnase, die man korrigieren könnte! Frauen wie Celine hatten niemals Stupsnasen! Sie hatten gerade, klassische Nasen, mit denen sie wunderbar auf andere Leute herabblicken konnten!

“Es ist kein Sinneswandel”, korrigierte Celine. “Als du mir den Heiratsantrag gemacht hast, habe ich dich um Bedenkzeit gebeten. Ich habe nachgedacht, und meine Antwort ist Nein!”

“Hm …”

Celine seufzte. “Will, du bist einfach zu organisiert. Dein Leben verläuft wie nach einem Stundenplan.”

“Es ist merkwürdig, dass du so etwas sagst! Mein Beruf richtet sich überhaupt nicht nach der Uhr! Babys kommen auf die Welt, ohne sich um irgendwelche Stundenpläne zu kümmern!”

Emily nickte. Sie wusste, wovon Dr. Patton sprach! Sie war gespannt, wie Celine auf diese Tatsache reagieren würde!

“Ich meine nicht deinen Alltag, Will. Ich spreche von deinem Leben, das in Pläne eingeteilt ist. In langfristige, mittelfristige und kurzfristige Ziele! Da ist kein Platz für Spontaneität!”

“Du vermisst also die Aussicht auf ein gewisses Chaos!”

Emily schüttelte den Kopf. Sie wusste, was Chaos hieß, und wie anstrengend ein Leben in Ungewissheit war! Die letzten Monaten hatten es in sich gehabt …

“Mein Gott, Will! Wie das klingt!”, klagte Celine frustriert. “Ich wollte nur sagen, dass du mit deiner Strategie eines Tages Schiffbruch erleiden wirst! Das Leben richtet sich nicht nach ausgetüftelten Wunschplänen! Was ist, wenn du deine Vorstellungen nicht umsetzen kannst? Ich sage es dir: Du wirst untergehen wie ein überfrachteter Kahn!”

Emily kam aus dem Staunen nicht heraus. So konnte nur einer reden, der Will Patton nicht kannte! Sie selbst hatte noch keinen Arzt erlebt, der in kritischen, unvorhergesehenen Situationen so ruhig und besonnen blieb wie Dr. Patton!

“Vielen Dank”, sagte Will trocken, “dein Vertrauen in meine Fähigkeiten ist überwältigend!”

Celines Stimme klang milder. “Es liegt mir fern, dich zu kränken, Will. Ich weiß, wie hart du gearbeitet hast, um dort hinzukommen, wo du jetzt bist. Und ich weiß auch, dass du so weitermachen wirst. Ich weiß, dass du nicht aufgibst, ehe du das gesteckte Ziel erreicht hast. Diese Entschlossenheit hat mich anfangs sehr angezogen.” Sie seufzte. “Aber nun fühle ich mich wie eine Art Trophäe, die du auf dem Weg zum Ziel errungen hast.”

“Wie kannst du das sagen!”, protestierte Will.

“Weil es so ist, Will. Du möchtest eine Frau, die dir auf der Karriereleiter behilflich ist! Eine Frau mit meinem gesellschaftlichen Background. Aber diese Frau möchte ich nicht sein! Ich will nicht geheiratet werden, weil ich die Tochter eines Senators bin! Ich will einen Mann, dem es genügt, dass ich Celine Meyeres bin!”

Er antwortete nicht.

“Will, sei ehrlich! Du spürst genau wie ich, dass wir nicht zusammenpassen. Eine Heirat wäre ein großer Fehler.” Wieder stieß sie einen Seufzer aus. “Selbst jetzt sehe ich nicht, dass dich dieses Gespräch aufregt. Du bist ganz cool.”

“Was erwartest du? Soll ich mir die Haare raufen und vor dir auf die Knie fallen? Du hast deine Meinung zu diesem Thema geäußert, was dein gutes Recht ist. Ich kann nicht mehr tun, als sie zu respektieren.”

“Siehst du! Genau das möchte ich nicht! Wenn ich heirate, dann will ich den ganzen Mann! Sein Herz, seine Seele, seinen Körper! Ich mag keine Halbheiten. Aber bei dir spüre ich, dass du nur einen Teil deiner Persönlichkeit herzugeben bereit bist. Und das ist mir zu wenig, Will!”

“Denkst du das wirklich?”, fragte er irritiert.

“Ja. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich behaupte, dass du mir nur deshalb einen Heiratsantrag gemacht hast, weil die Ärzte einen verheirateten Mann wollten.”

“Das ist nicht wahr!”

“Oh Will! Ich weiß, dass du mich magst. Und ich mag dich auch. Aber Sympathie ist nicht genug, wenn es ums Heiraten geht. Auch du solltest daran denken. Karriere hin oder her! Folge deinem Herzen, wenn du eine Frau siehst! Du bist jetzt dreißig. Du weißt, wovon ich rede!”

“Ich wollte dich wirklich, Celine”, beharrte Will eigensinnig.

Aber sie schüttelte den Kopf. “Wir hatten ein paar schöne Stunden, ein paar schöne Erlebnisse. Ich werde sie nicht vergessen. Alles Gute, Will, du verdienst es.”

Emily verharrte reglos in ihrem Sessel. Alles war still. Celine und Will waren gegangen. Sie wartete noch ein paar Minuten, ehe sie leise aufstand und in ihre Schuhe schlüpfte. Es war Zeit, sich wieder unter die Gäste zu mischen …

Auf dem Weg zur Tür blieb sie erschrocken stehen. Dr. Patton saß in einem der Sessel. Sie hatte ihn nicht bemerkt, der hohen Lehne wegen. Er sah nachdenklich aus … und verletzlich.

“Sorry”, stammelte Emily, als sie seinen überraschten Blick auffing. “Es tut mir leid! Ich wollte nicht zuhören. Aber ich saß dort hinten, in der Ecke, als Sie und … und Ihre … Begleiterin plötzlich hereinkamen.”

Er sah sie prüfend an, eine skeptische Falte zwischen den Brauen.

“Wirklich, Doktor, ich konnte es nicht ändern. Ich bin unfreiwillig Zeugin des … des Gesprächs geworden.” Sie zuckte die Schultern. “Wenn es Ihnen hilft … ich weiß, wie Sie sich fühlen.”

“Tatsächlich?”

“Ja. Ich habe vor ein paar Wochen mit meinem Freund Schluss gemacht.”

“Wenn das so ist, dann können Sie sich gewiss besser mit Celine identifizieren, nicht wahr?”

“Nein. Mein Freund hat die Entscheidung herbeigeführt. Die Trennung ging von ihm aus.”

Er runzelte die Stirn. “Warum?”

“Wir wären noch zusammen, hätte er mir nicht ein Ultimatum gestellt. Er verlangte, dass ich mich zwischen ihm und meiner Familie entscheide.”

“Und Ihre Familie hat gewonnen.”

“Es war kein Wettstreit!” Sie straffte die Schultern. “Diese Geschichte hat eine lange Vorgeschichte. Aber das wird Sie nicht interessieren.”

“Ehrlich gesagt, ich versuche immer noch herauszufinden, warum Sie denken, dass Sie sich in meine Gefühlslage versetzen können.” Er machte ein ratloses Gesicht.

“Mein Bruder hat seit einigen Monaten Probleme in der Schule. Er kommt mit den Klassenkameraden und den Lehrern nicht mehr zurecht”, begann Emily ohne Einleitung. “Es ist nichts Dramatisches, aber mein Onkel macht ein Drama daraus und zeigt plötzlich ungewohntes Interesse an Kevins Erziehung. Sie müssen wissen, dass Onkel Bert in Dallas lebt und ein politisches Amt anstrebt. Schwerpunkt: Bekämpfung der Jugendkriminalität mit durchgreifenden Mitteln! Dabei kam er auf Kevin! Er soll so eine Art Vorzeigeobjekt für seine politischen Ambitionen werden. Er meint, dass meinem Bruder eine harte, männliche Hand fehlt, und deshalb will er die Vormundschaft für ihn gerichtlich erstreiten!”

Emily holte tief Luft. “Mein Anwalt meint, dass Gran und ich bessere Chancen haben, wenn ich verheiratet bin. Mit Don war ich ein Jahr lang befreundet. Also schien eine Ehe mit ihm die vernünftige, logische Konsequenz, nicht wahr?”

“Aber er hat Sie hängen lassen, richtig?”

“Richtig.”

Plötzlich hatte sie eine Idee. Eine verrückte Idee! Es war der Mut der Verzweiflung, der sie antrieb. Sie musste es riskieren! Sie musste ihm eine Frage stellen, auch wenn es indiskret war und er sie zurechtweisen würde. Es musste sein. Es war eine letzte, winzige Chance! Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Also konnte sie alles auf eine Karte setzen.

“Haben Sie Celine einen Heiratsantrag gemacht, damit Sie Dr. Moores Voraussetzungen für eine Partnerschaft erfüllen?”, fragte sie.

“Stellen Sie immer so persönliche Fragen?”

Sie ließ sich nicht beirren. “Nur, wenn ich die Antwort wissen muss.”

“Warum müssen Sie die Antwort wissen?”, fragte er irritiert.

“Ich muss es. Bitte glauben Sie mir. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Jedenfalls nicht jetzt.”

Er zögerte kurz. “Die Heirat war keine Vorbedingung für den Job”, sagte er schließlich. Seine Stimme klang müde. “Ich kannte Celine schon länger. Fast ein Jahr.” Er zuckte die Schultern. “Ich wollte sie heiraten. Ich fand, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war.”

“Ach so …” Er hatte also keine Ehefrau vorweisen müssen. Anders als sie, die einen Ehemann brauchte, um gegen Onkel Bert vor Gericht zu bestehen.

Dr. Patton sah sie an. Sein Gesicht zeigte eine Spur Überdruss. “Ich habe Ihre Frage beantwortet. Jetzt sind Sie dran. Warum haben Sie mich nach meinen Heiratsmotiven gefragt?”

Emily zuckte die Schultern, so als wäre die ganze Angelegenheit eine unwichtige Bagatelle. “Es war nur so eine Idee von mir”, erklärte sie leichthin. “Hätte Celine mit ihrer Vermutung Recht gehabt, dann hätten wir beide uns gegenseitig helfen können.”

“Gegenseitig?” Er sah sie neugierig an. “Wie meinen Sie das?”

Emily schluckte tapfer ihre Verzweiflung herunter. Es gelang ihr sogar zu lächeln. “Könnten Sie sich vorstellen, mich zu heiraten, Doktor?”

2. KAPITEL

Niemals würde Emily Wills Gesichtsausdruck vergessen! In seinen Augen war die blanke Panik!

Sie fühlte sich unbehaglich wie nie zuvor. Sie wusste, was kommen würde, und sie wollte seiner höflichen Zurückweisung zuvorkommen.

“He”, rief sie mit gespielter Lässigkeit, warf den Kopf zurück und ließ ihre langen Locken über Schultern und Rücken fallen. “Sie haben gefragt, und ich habe geantwortet. Vergessen Sie meine Worte. Meine Frage war unpassend, und es tut mir leid, dass ich Sie in Verlegenheit gebracht habe.” Sie wandte sich abrupt ab und eilte auf die Tür zu.

Sie kam nicht weit. Will war aufgesprungen und packte ihren Arm.

“Warten Sie! Es ist nicht so, wie Sie glauben, Emily! Ich bin sicher, dass Sie eine wunderbare Ehefrau abgeben würden. Es ist nur …” Er beendete den Satz nicht. Offenbar fehlten ihm die Worte.

Emily straffte die Schultern. Jetzt kam es darauf an, Haltung zu bewahren. Er durfte nicht spüren, wie verletzt sie war. “Ich weiß”, sagte sie ruhig. “Ich habe Celines Worte gehört. Sie möchten eine Frau wie sie, die Tochter eines Senators. Jemand, der in der Gesellschaft eine Rolle spielt und Ihnen den Weg nach oben ebnet, nicht wahr?”

Will verzog das Gesicht. “Das klingt oberflächlich und herzlos, wie Sie es sagen!”

“Ich wiederhole nur Celine. Wenn Sie eine einflussreiche, weltgewandte, parkettsichere Dame suchen, dann tun Sie es!”

“Und was wird aus Ihnen?”, fragte er unsicher.

Sie zuckte die Schultern und zwang sich zu einem Lachen. “Ich warte ab und lasse die Dinge auf mich zukommen. Vielleicht habe ich Glück, und mein Onkel zieht seine Drohungen zurück. Irgendwie geht es weiter. Es ist immer weitergegangen.” Sie sah auf die Uhr. “Oh, ich bin schon viel zu lange weg. Ich muss zurück, sonst fangen meine Freunde an, sich Sorgen zu machen.” Sie zögerte und warf ihm einen prüfenden Blick zu. Er sah frustriert und unglücklich aus. Immerhin hatte er vor wenigen Minuten seine Braut verloren! “Kommen Sie mit”, sagte sie impulsiv. “Das lenkt Sie ab.”

“Ja, warum nicht?” Er nahm ihren Arm und führte sie über den Korridor zurück in den Ballsaal.

Die Kapelle spielte einen romantischen Blues und sie mischten sich unter die Tanzenden. Während Emily in Wills Armen über die Tanzfläche glitt, spürte sie seine Hand auf ihrem Rücken. Plötzlich fand sie, dass ihr tief dekolletiertes, dünnes Abendkleid sie nur ungenügend bedeckte …

“Welch seltener Anblick! Miss Tugendbold gönnt sich ein paar schöne Stunden!”

Emily sah auf. Don lehnte am Eingang des Saals, ein Glas Wein in der Hand. Er trug ein weißes Dinnerjackett, aber sein Hemdkragen war geöffnet, die Krawatte hatte sich gelöst und hing unordentlich über seiner Schulter. Er schwankte leicht.

“Du bist betrunken”, stellte Emily angewidert fest und wandte sich ab. Mit Don war sie fertig. Für immer.

Er packte ihr Handgelenk und riss sie zurück. “Du irrst dich, Süße! Ich bin lediglich etwas angeheitert und das schärft meinen Wahrnehmungssinn!” Er wandte sich an Will. “Ich nehme an, sie hat sich an Ihrer Schulter ausgeheult und Ihnen die ganze traurige Geschichte erzählt, hab ich Recht?”

“Lassen Sie sie los”, befahl Will. “Wir sind im Begriff zu gehen.”

Don lachte auf. “Wohin? Ich gebe Ihnen einen Tipp, Mister! Gehen Sie in Ihre Wohnung, denn bei ihr zu Hause kommen Sie nicht auf Ihre Kosten!” Wieder lachte er laut und ungeniert. “Da sind nämlich noch die alte Granny und der junge Bruder! Beide scharf wie Wachhunde!”

Emily streifte seine Hand ab. “Geh nach Hause, Don. Du bist betrunken. Man hört es nicht nur, man riecht es auch. Du hast eine Fahne!”

Er kümmerte sich nicht um ihre Worte, sondern konzentrierte sich weiter auf Will. “Ich meine es gut mit Ihnen, Mister”, sagte er verschwörerisch. “Lassen Sie die Finger von ihr. Sie ist eine Niete! Ohne Ehering läuft da gar nichts! Sie ist kalt wie ein Eisschrank. Keine Frau aus Fleisch und Blut. Keine Leidenschaft! Eine Tugendwächterin, die von ihrem hohen Podest auf uns normal Sterbliche herabblickt!” Er leerte sein Glas in einem Zug und schwankte bedenklich. “Aber sie weiß, was sie will! Sie hat starre Prinzipien! Umsonst gibt es nichts!” Er fuhr sich durch die unordentlichen Haare. “Sie hat mir tatsächlich ihre ganze Sippe aufs Auge drücken wollen! Granny und Bruder inklusive!” Er schüttelte den Kopf. “Aber nicht mit mir, Baby, habe ich gesagt! Immerhin habe ich meine fünf Sinne noch beisammen!”

“Wirklich?”, fragte Will kühl. “Ehrlich gesagt, ich habe meine Zweifel.”

Don blieb unbeeindruckt. Er wandte sich an Emily. “Komm her, Baby, noch ist nicht aller Tage Abend. Ich bin bereit, dir zu verzeihen.” Er wollte sie küssen, aber Emily schob ihn heftig von sich. Dons Finger verkrallten sich in ihrem Kleid. Es gab ein hässliches lautes Geräusch. Don hatte einen Träger abgerissen!

Emily spürte, wie das weiche, fließende Material langsam herabzugleiten drohte. Panisch griff sie danach und zog den Stoff über ihre Blöße. Will kam ihr zu Hilfe. Er zog sein Jackett aus und legte es schützend über ihre Schultern.

Don grinste hämisch. “Du hast ja einen echten Gentleman an Land gezogen, Baby!”

“Richtig!”, bestätigte Will und versetzte ihm einen Stoß, dass er stolperte und zu Boden ging. “Tut mir leid, Sir, aber Sie wollten es nicht anders!” Er legte er den Arm um Emilys Schultern und führte sie rasch aus dem Saal.

“Mistkerl!”, schrie Don hinter ihnen her, aber Will drehte sich noch nicht einmal um.

“Als wir draußen waren, schickte Will einen der Kellner in den Saal, um dir zu sagen, dass ich gegangen war”, berichtete Emily abschließend.

Molly nickte abwesend. “Aber er hat dich offenbar nicht sofort nach Hause gebracht!”

“Nein. Ich stand unter Schock und zitterte wie Espenlaub. Die peinliche Begegnung mit Don war die Krönung des Abends! So konnte und wollte ich Gran und Kevin nicht begegnen. Will nahm mich mit in seine Wohnung und bot mir einen Kaffee an, damit ich mich sammeln und mein Kleid reparieren konnte.”

“Bei dem Kaffee ist es nicht geblieben”, stellte Molly sachlich fest.

Emily lächelte. “Nein. Aber mehr erfährst du nicht.” Um nichts in der Welt würde sie ihre Erinnerungen teilen. Nicht einmal mit Molly, ihrer besten Freundin. Sie gehörten nur ihr … und selten genug erlaubte sie sich, daran zu denken.

“Und jetzt bist du schwanger.”

“Ja.”

Molly seufzte. “Noch ein Problem! Als ob du nicht schon genug Schwierigkeiten hättest.”

“Ich weiß. Trotzdem werde ich das Baby bekommen.”

“Wirst du es Will sagen?”

Emily seufzte. “Ja.”

“Wer erfährt es zuerst? Will oder deine Großmutter?”

“Will. Er ist der Vater. Er hat ein Recht darauf.”

Molly nickte zufrieden. “Er wird dir einen Heiratsantrag machen, nehme ich an.”

“Das glaube ich nicht. Aber selbst wenn es so wäre, ich würde ablehnen.”

Molly tippte respektlos mit dem Zeigefinger an die Stirn. “Warum? Du hast ihn gefragt, ob er dich heiratet, als du ihn kaum kanntest. Jetzt, wo du von ihm schwanger bist, willst du noch nicht einmal mit ihm essen gehen! Du solltest deine Haltung ändern, Em!”

Sie schüttelte den Kopf. “Ich bin nicht sein Typ. Er sucht eine Frau aus dem Jetset!”

“Wunderbar! Trotzdem wird er sich stellen müssen. Er hat die Hälfte der Verantwortung. So ist das, Em. Außerdem musst du an Kevin und deine Großmutter denken, was deine Entscheidung betrifft.”

Emily biss sich auf die Lippen. Ihr graute vor der Unterredung mit ihrer Familie. Sie erinnerte sich an die langen Moralpredigten, die sie Kevin gehalten hatte! “Ja, ich weiß”, gab sie gequält zu. “Aber irgendwie werden wir zurechtkommen.”

“Und dein Onkel?”, fragte Molly beharrlich.

“Er will uns am Wochenende besuchen, und wenn er sieht, wie gut sich Kevin gemacht hat, wird er uns vergessen und in Ruhe lassen, hoffe ich. Erst nach seinem Besuch werde ich Gran und Kevin von dem Baby erzählen.”

Molly nickte. “Ich hoffe nur, dass Will dir einen Antrag macht”, sagte sie halb besorgt, halb drohend.

Aber Emily schüttelte den Kopf. “Molly, ich will nicht, dass er sich verpflichtet fühlt. Verstehst du das nicht? Und jetzt lass uns bitte das Thema wechseln.”

“Wirst du es ihm heute sagen?”, fragte Molly am nächsten Morgen während der Kaffeepause.

Emily zuckte die Schultern. “Vielleicht. Ich muss einen günstigen Moment abwarten. Außerdem weiß ich immer noch nicht, wie ich es ihm beibringen soll!”

Molly klopfte ihr auf die Schultern. “Dir fällt schon etwas ein”, sagte sie überzeugt. “Du siehst ihn nachher sowieso. Regina Johnson liegt im Kreißsaal, und er wird sie entbinden. JoAnn möchte, dass du assistierst.”

Emily fühlte leichte Panik. Die Situation hatte sich in den letzten vierundzwanzig Stunden dramatisch verändert. Dr. Patton war nicht mehr nur der Geburtshelfer und der Liebhaber einer einzigen Nacht, er war der Vater ihres Babys! Das machte den ganzen Unterschied.

Weder er noch sie hatten das Erlebnis jener Dezembernacht ein einziges Mal erwähnt! Auch das würde sich ändern …

Sie seufzte. “Warum ich? Regina ist Dr. Hudsons Patientin.”

“Er ist eine Woche verreist und Dr. Patton vertritt ihn.” Molly zwinkerte ihr zu. “Du siehst, das Glück bleibt dir treu!”

Sie trennten sich, und Emily ging in den Kreißsaal. Regina lag auf dem Bett und machte ein ängstliches Gesicht. Ihr Mann hielt ihre Hand.

“Hoffentlich geht alles gut! Der Geburtstermin sollte erst in drei Wochen sein!” Regina war zweiundvierzig Jahre alt. Eine Risikopatientin, die ihr erstes Kind erwartete.

“Bestimmt”, versicherte Emily zuversichtlich. “Sie sind bei Dr. Patton in den besten Händen.”

“Ich kenne ihn kaum”, klagte Regina. “Dr. Hudson ist mein behandelnder Arzt.” Sie presste die Hand auf ihren dicken Bauch und wimmerte leise.

“Ich weiß, aber Dr. Patton ist genauso gut!”

In diesem Moment betrat Will den Kreißsaal. Er nickte Emily zu und begrüßte die werdenden Eltern.

“Ich werde mir die größte Mühe geben”, versicherte er. “Ich habe ausführlich mit Dr. Hudson über Sie gesprochen und bin auf alles vorbereitet. Sollte es tatsächlich Probleme geben, dann machen wir rechtzeitig einen Kaiserschnitt.”

Tom sah erleichtert aus, und Will begann mit einer gründlichen Untersuchung. “Lang kann es nicht mehr dauern”, sagte er. “Die Fruchtblase ist geplatzt, der Muttermund weit geöffnet, das Baby in der richtigen Geburtslage. Ich denke, dass Sie spätestens in zwei Stunden Ihr Kind im Arm halten werden!” Er warf einen Blick auf den Monitor, der die Vitalfunktionen von Mutter und Kind anzeigte. “Keine Probleme”, stellte er zufrieden fest.

Regina stöhnte, als die nächste Wehe kam. Will legte die Hand auf ihren Bauch. “Wir sollten ihr ein Wehenmittel geben”, sagte er zu Emily. “Je schneller das Kind kommt, desto besser für beide.”

“Ich will kein Schmerzmittel”, jammerte Regina, während Tom ihr mit einem Tuch die Stirn kühlte.

“Das ist kein Schmerzmittel”, versicherte Will. “Es verstärkt nur Ihre Wehentätigkeit, damit die Geburt schneller vonstattengeht. Das Medikament schadet weder Ihnen noch dem Baby.”

Emily war ganz konzentriert. In wenigen Minuten würde das Medikament wirken und Reginas Entbindung vorantreiben. Auch Will war bereit.

Genau in diesem Augenblick spürte Emily, dass ihr schlecht wurde. Sie war schon mit einem flauen Gefühl am Morgen aufgewacht, hatte das Symptom aber auf die bevorstehende Unterredung mit Will geschoben. Jetzt wurde ihr klar, dass die heftige Übelkeit mit ihrer Schwangerschaft zusammenhing. Auch das noch, dachte sie verzweifelt und kämpfte heroisch gegen das Erbrechen an. Einen ungünstigeren Moment hätte sie nicht erwischen können!

Der Schweiß perlte von ihrer Stirn, und sie holte tief Luft. Will warf ihr einen prüfenden Blick zu. Er hob fragend die Brauen. Emily schluckte trocken. Gleich wird er eine Frage stellen, dachte sie panisch.

Regina rettete sie. Die Presswehen hatten eingesetzt, und Will widmete sich wieder seiner Patientin.

“Pressen, Regina! Noch einmal! So ist es gut! Sie haben es bald geschafft!”, rief er.

Emily wusste, dass sie sich nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte. Wo war JoAnn, die Hebamme? Warum war keine zweite Schwester da? Wo blieb Molly? Sie musste Hilfe holen … Schon streckte sie den Arm aus, um den Notruf zu drücken, als Molly herbeieilte.

“Tut mir leid”, sagte sie. “Aber heute kommt ein Baby nach dem anderen. Mit Mrs. Larkin hat es länger gedauert, als wir dachten.”

“Sie kommen gerade rechtzeitig”, rief Will und fing das Neugeborene mit beiden Händen auf. “Ein Junge! Und er sieht kerngesund aus!”

Das Kind begann zu schreien, und alle atmeten erleichtert auf. Emily hielt das Baby fest, während Will eine erste, rasche Untersuchung machte. Dann brachte sie eine vorgewärmte Decke und legte das Kind der erschöpften Regina in die Arme.

“Haben Sie schon einen Namen?”, fragte sie und unterdrückte eine neue Welle der Übelkeit.

“David Alan”, sagte Tom stolz.

Emily nickte mühsam und zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. Wieder holte sie tief Luft. Sie war noch nicht fertig. Erst musste das Baby gründlich versorgt werden. Es gab eine Reihe medizinischer Maßnahmen für Neugeborene, die sie noch eine gute halbe Stunde beschäftigen würden. Sie wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Will war mit Regina und der Nachgeburt beschäftigt.

“Bist du okay?”, fragte Molly besorgt. “Soll ich übernehmen?”

Emily nickte nur noch, drückte Molly das Baby in den Arm und rannte aus dem Kreißsaal.

Es war keine Minute zu früh!

Danach lehnte sie erschöpft und ausgelaugt an der Wand des kleinen Waschraums. Sie hatte die Augen geschlossen. Jemand betätigte die Wasserspülung.

“Danke, Molly”, sagte sie leise.

“Nichts zu danken”, antwortete Will.

Sie riss die Augen auf. Er drückte ihr einen Becher Mineralwasser in die Hand. “Trinken”, befahl er streng.

Sie gehorchte.

“Sie sollten sich etwas hinlegen”, schlug er vor.

Emily schüttelte den Kopf. “Es geht schon wieder.”

Dann kam Molly. “Besser?”, fragte sie nur.

Emily nickte. “Ist das Johnson-Baby okay?”

“Ja, mach dir keine Sorgen. Es ist ein gesunder, kräftiger Junge.” Molly runzelte die Stirn. “Aber du solltest dich ausruhen. Du bist immer noch leichenblass!”

“Das habe ich auch vorgeschlagen”, mischte sich Will ein. “Aber sie ist dagegen.”

Molly warf Emily einen langen, ausdrucksstarken Blick zu. Emily schluckte. Sie kannte die Freundin und fürchtete, dass Molly die Gelegenheit ergreifen würde, Will Patton zu sagen, was ihrer Meinung nach gesagt werden musste!

“Ich werde mich ins Schwesternzimmer auf die Couch legen”, erklärte sie fast panisch und stand auf. Will half ihr dabei.

“Dann kann ich gehen?”, fragte Molly, ohne Emily aus den Augen zu lassen. Ihr Blick sprach Bände!

“Ja, ja … natürlich. Danke, Molly.”

Sie ließ sich von Will ins Schwesternzimmer führen und legte sich auf die schmale Liege. Sie fühlte sich besser, aber dem bevorstehenden Gespräch keineswegs gewachsen. Sie überlegte, was und wie sie Will aufklären sollte. Ihr fielen keine passenden Worte ein. Die Stille wurde immer drückender.

Es war Will, der das Schweigen brach. “Ich nehme an, Sie wollen mir etwas sagen, Emily, hab ich Recht?”

3. KAPITEL

Emily schluckte. Noch immer suchte sie nach einer passenden Formulierung …

“Sie sind schwanger, nicht wahr?” Wills Stimme klang nüchtern und sachlich.

“Ja.”

“Hatten Sie vor, es mir zu sagen?”

“Ja.”

“Wann?”

“Heute.”

“Seit wann wissen Sie es?”

“Seit gestern.”

“Und trotzdem haben Sie meine Einladung ausgeschlagen?”, fragte er ungläubig.

Sie sah auf. “Zu dem Zeitpunkt wusste ich es noch nicht. Ich hatte nach Dienstschluss einen Termin bei Dr. Ferguson. Die Nachricht kam wie ein Schock! Ich musste mich zuerst sammeln und nachdenken!”

“Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?”

Emily holte tief Luft. “Ich freue mich auf das Baby. Und ich bin sicher, dass meine Familie sich ebenso freut”, fügte sie fast trotzig hinzu.

Will lächelte. “Ich freue mich auch”, sagte er.

Sie starrte ihn an. “Wirklich?”

“Natürlich. Ich werde Vater. Das ist schön.”

Emily spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. “Sie sind also sicher, dass Sie der Vater sind?”

“Absolut. Ich erinnere mich an alles, was ich in jener Nacht erlebte. Ich weiß, dass ich Ihr erster Mann war und dass Sie inzwischen mit keinem anderen Mann zusammen gewesen sind.”

“Was macht Sie so sicher?”, fragte Emily misstrauisch.

“Es war mir wichtig, und deshalb habe ich ein paar diskrete Nachforschungen angestellt.”

“Was soll das heißen?”

Er zuckte die Schultern. “Ich wollte mehr über Sie erfahren.”

“Und was haben Sie herausbekommen?”

“Sie sind unverheiratet. Sie leben mit Ihrer Großmutter und Ihrem Bruder zusammen. Nach dem Tod Ihrer Eltern vor neun Jahren, damals waren Sie achtzehn, wurden Ihnen und Ihrer Großmutter mütterlicherseits die Vormundschaft für Ihren dreijährigen Bruder Kevin zugesprochen. Sie haben das College besucht und anschließend eine Krankenschwesternausbildung in Dallas gemacht. Vor zwei Jahren wechselten Sie aus beruflichen Gründen nach Crossbow, und seit einem Jahr arbeiten Sie in der Entbindungsklinik.”

Emily hatte sich aufgesetzt. Sie sah empört aus. “Das nennen Sie ein paar diskrete Nachforschungen? Sie haben mein ganzes Leben ausspioniert!”

Er lachte. “Sie übertreiben. Es sind harmlose Informationen, die in jedem Lebenslauf stehen!”

Emily war immer noch zornig. Sie warf Will einen finsteren Blick zu. “Übrigens scheinen Sie nicht sonderlich überrascht zu sein. Das wundert mich. Ich war sehr überrascht, als ich von Dr. Ferguson die Diagnose erfuhr.”

Will zuckte die Schultern. “Mir fiel auf, dass Sie in letzter Zeit müder und blasser aussahen. Da ahnte ich den Grund …”

Emily runzelte die Stirn. “Haben Sie deshalb begonnen, mich mit Dinnereinladungen zu bombardieren?”

“Ja.”

“Sie hätten es einfacher haben können! Warum haben Sie nicht gefragt, ob ich schwanger bin?”

“Hier, in der Klinik?” Er schüttelte den Kopf. “Die Wände haben Ohren!”

Emily schwieg. “Ich bin immer noch geschockt”, gab sie zu. “Eine Schwangerschaft war das Letzte, an das ich dachte, als ich Dr. Ferguson aufsuchte.” Sie warf Will einen unsicheren Blick zu. “Ich dachte … Sie … wir … hätten aufgepasst …”

“Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit”, sagte Will trocken. “Außer man tut es nicht!”

“Okay, dann ist ja alles geklärt”, sagte Emily abschließend. “Sie wissen Bescheid und können sich weitere Ausgaben für Privatdetektive sparen! Es bleibt alles, wie damals besprochen. Das Baby ist meine Angelegenheit. Ich werde Sie nicht belästigen.” Sie stand auf und ging zur Tür. “Die Arbeit wartet. Ich muss gehen.”

Aber er hielt sie zurück. “Nein! Es ist gar nichts geklärt! Setzen Sie sich wieder!”

“Wozu? Ich habe keine Zeit!”, protestierte sie.

“Sie werden lernen müssen, sich Zeit zu nehmen”, sagte Will streng. “Vor allen Dingen müssen Sie regelmäßig essen.” Er musterte sie kritisch. “Sie haben abgenommen. Das ist nicht gut für Sie und das Baby.”

Emily zuckte die Schultern. “Die Mittagspause kann ich vergessen. Dazu komme ich heute nicht mehr.”

“Doch. Sie werden brav Ihr Sandwich essen. Ich spreche mit der Stationsschwester und erkläre die Umstände.”

“Nein!”

“Warum nicht? Sie können eine Schwangerschaft nicht verheimlichen! In einigen Wochen werden es alle wissen.”

Emily seufzte. “Ich weiß. Aber bitte sagen Sie im Augenblick noch nichts. Wir können uns heute Abend treffen und in Ruhe über alles reden.”

Er schüttelte den Kopf. “Was ist, wenn Sie nicht kommen? Nein, Sie haben in den letzten Wochen so getan, als ob wir Fremde sind. Sie haben Ihr Leben gelebt und mich ausgeschlossen. Das ist vorbei.”

“Ich habe mich nur an unsere Abmachung gehalten”, erinnerte Emily. “Es ging um diese eine Nacht. Um mehr nicht. Sie waren einverstanden. Ich denke, ich habe mich korrekt verhalten.”

“Ja, aber die Umstände haben sich geändert. Jetzt gibt es eine Verbindung zwischen uns. Wir müssen also eine neue Vereinbarung treffen.”

“Was stellen Sie sich vor?”, fragte Emily skeptisch.

Will ließ sich nicht lange bitten. “Meiner Meinung nach haben wir nur eine vernünftige Möglichkeit.”

“Und die wäre?”

“Heiraten. Ich werde die nötigen Papiere für das nächste Wochenende besorgen.”

Emily verschränkte die Arme vor der Brust. “Nein. Das kommt für mich nicht in Frage.”

“Warum nicht?”

“Ich kenne die Vorstellungen, die Sie von Ihrer zukünftigen Frau haben. Ich bin das Gegenteil Ihrer Wünsche. Sie wollten Celine heiraten, die schöne, einflussreiche, wohlhabende Senatorentochter! Haben Sie das vergessen? Ich dagegen bin eine mittellose Krankenschwester mit Familienanhang!”

“Aber Sie sind die Frau, die mein Kind trägt! Das ist in meinen Augen ein dicker Pluspunkt und mehr wert als alle Senatorentöchter der Welt!”

Doch Emily schüttelte den Kopf. “Es würde schiefgehen. Wir kennen uns nicht einmal!”

“Wir haben uns gut verstanden an jenem siebzehnten Dezember”, erinnerte er.

“Eine einzige Nacht ist keine Garantie für eine Ehe! Außerdem … wir waren beide verletzt und suchten Trost.”

“Okay, fassen wir die andere Möglichkeit ins Auge”, lenkte Will ein. “Wir heiraten nicht.”

“Ja, das ist sicher besser.”

“Betrachten wir es zuerst von Ihrer Seite aus”, schlug er vor. “Eine ledige Mutter ist heutzutage kein Stigma mehr. Aber es wird verwunderte Fragen geben. Immerhin sind Sie keine siebzehn, sondern siebenundzwanzig! Zu alt, um eine Jugendtorheit vorzuschieben. Doch ich traue Ihnen zu, dass Sie mit dem Gerede der Leute fertig werden. Aber da ist die Sache mit Kevin. Sie werden möglicherweise vor Gericht um das Sorgerecht für Ihren Bruder kämpfen müssen. Ihrem Onkel kommt Ihre Schwangerschaft wie gerufen. Nun hat er allen Grund zum Triumphieren. Er wird dem Gericht klarmachen, wie verantwortungslos und wenig geeignet Sie sind, aus Ihrem Bruder ein nützliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu machen. Was glauben Sie, wie das Gericht entscheidet?”

Emily runzelte die Stirn. Sie wusste, dass Will Recht hatte. Ihr Onkel würde sich ihren Zustand zu Nutze machen. Er wusste, wie man seine Gegner austrickste. Schließlich hatte er nicht aufgrund seines lammfrommen Wesens den ersten Platz in der Sportbekleidungsindustrie des Staates ergattert! Er hatte seine Konkurrenten mit raffinierten Tricks ausgeschaltet, indem er ihre Schwächen ausspioniert und im richtigen Moment an den Pranger gestellt hatte!

“Sie mögen Recht haben”, gab sie zu, “aber erst einmal muss er von meiner Schwangerschaft erfahren! Er kommt am nächsten Wochenende, um Kevins Benehmen zu prüfen. Wenn sich mein Bruder anständig und unauffällig verhält, dann haben wir gute Chancen, dass sich Onkel Bert gar nicht mehr meldet und alles beim Alten bleibt. Es geht ihm nämlich gar nicht um Kevin. Im Grunde genommen ist er nur an seinem eigenen Fortkommen interessiert. Deshalb darf im Augenblick niemand von meiner Schwangerschaft erfahren.”

“Okay, soweit Ihre Seite. Werfen wir einen Blick auf meine Position”, sagte Will und sah aus dem Fenster. “Ich habe gewisse Verpflichtungen dem Krankenhaus gegenüber. Man erwartet von mir, dass ich die Entbindungsklinik erweitere und in ein modernes Geburtenzentrum verwandele. Ein ehrgeiziges Projekt, dem ich zugestimmt habe. Wenn mein Privatleben nicht den bürgerlichen Maßstäben entspricht, wird das sich negativ auf mein Berufsleben auswirken.” Er hob die Hand, als Emily etwas einwenden wollte. “Nein, sagen Sie nichts, ich weiß, dass es so läuft. Es ist irrational, aber es ist so! Mit anderen Worten, meine Pläne könnten ins Wanken geraten.”

“Das sind Vermutungen”, sagte Emily, “und Vermutungen reichen nicht aus, um eine Ehe einzugehen. Es kann auch ganz anders kommen. Es ist sehr gut möglich, dass niemand Anstoß nimmt.”

Will zuckte die Schultern. “Vielleicht, ich bin kein Hellseher, aber ich mag es nicht, überrumpelt zu werden, wenn ich die Möglichkeit habe, mich vorzubereiten. Warum soll ich alles aufs Spiel setzen und mich der Unsicherheit des Schicksals aussetzen, wenn ich vorher die Möglichkeit der Schadensbegrenzung habe? Ich bin immer gut damit gefahren!” Er warf ihr einen viel sagenden Blick zu. “Als Arzt muss ich für Prävention eintreten, um Schlimmeres zu verhindern, nicht wahr?”

“Natürlich. Ich verstehe auch Ihre Bedenken, und ich finde es richtig, dass Sie das Problem von allen Seiten betrachtet haben. Aber mich interessiert eine ganz andere Frage. Würden Sie mich vom Fleck weg heiraten wollen, wenn ich nicht schwanger wäre?”

“Normalerweise läuft eine Beziehung anders herum”, antwortete Will diplomatisch. “Zuerst kommt die Zeit des Kennenlernens, nicht wahr? Dazu ist es bei uns nicht gekommen.”

Emily schwieg. Schwanger oder nicht. Sie wusste längst, auf welche Frauen er stand und dass sie nicht dazugehörte.

“Okay, ich gebe zu, ich hätte Ihnen keinen spontanen Heiratsantrag gemacht, aber ich weiß, dass ich Sie gern näher kennengelernt hätte”, fuhr Will fort.

Emily sah ihn an. Sein Gesicht war offen und ehrlich. Sie lächelte flüchtig. “Vor ein paar Wochen hätte ich Ihrem Antrag bedenkenlos zugestimmt”, gab sie zu. “Ich dachte, dass eine Ehe die Lösung meiner Probleme ist. Aber davon bin ich inzwischen abgekommen.”

“Unser Kind braucht uns”, gab Will zu bedenken.

“Ich weiß, und ich werde es Ihnen nicht vorenthalten.”

“Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir heiraten sollten”, meinte Will. “Es ist für alle Beteiligten die beste Lösung.”

“Das glaube ich nicht. Sobald Sie Ihren guten Ruf vor der Öffentlichkeit gerettet haben, werden Sie anfangen, Ihren überstürzten Entschluss zu bereuen. Sie werden erkennen, dass Sie eine Frau geheiratet haben, die nicht Ihren Vorstellungen entspricht.”

“Wir könnten uns auf eine zeitlich begrenzte Ehe einigen”, schlug Will vor.

Emily schloss die Augen. Zu viel war in den letzten vierundzwanzig Stunden auf sie eingestürmt. “Ich kann jetzt nichts entscheiden”, sagte sie hilflos. “Ich muss zurück in den Kreißsaal.”

“Gut, aber denken Sie über meinen Vorschlag nach, Emily.”

Sie strich eine Haarsträhne aus der Stirn. “Ja, aber erwarten Sie nichts. Ihr Antrag in Ehren, doch …” Sie schüttelte den Kopf und verließ den Raum.

Will sah ihr nach. Er war frustriert. Mit einer Absage hatte er nicht gerechnet. Jede andere vernünftige Frau in Emilys Lage hätte zugestimmt! Schließlich war nicht jeder ungewollt werdende Vater bereit, die Verantwortung für das Kind zu teilen! Er runzelte die Stirn. Offenbar hatte er sich in Emily Chandler getäuscht. Er hatte sie für eine ruhige, besonnene, vernünftige Person gehalten. So kannte er sie als Krankenschwester. Er hatte sogar erwartet, dass sie ihn um Unterstützung bitten würde!

Er hob den Kopf. Er war eine Kämpfernatur. Niederlagen waren da, um überwunden und in einen Sieg verwandelt zu werden. Das war sein Motto, mit dem er bis jetzt erfolgreich gefahren war! In den nächsten Wochen würde er alles tun, um Emily von der Richtigkeit seiner Entscheidung zu überzeugen. Damit schob er seine Probleme beiseite und ging zur Tagesordnung über.

Die letzte Patientin an diesem Nachmittag war Lynette Fairchild.

“Ihr Schwangerschaftstest ist positiv”, sagte Will.

Lynette strahlte. Sie war Mitte zwanzig. “Das ist eine wunderbare Nachricht, Doktor!”

Will lächelte. “Die Schwester wird Ihnen Blut abnehmen, damit wir ein paar notwendige Tests machen können. Kennen Sie Ihre Blutgruppe und die Ihres Mannes?”

“Nein. Keine Ahnung.”

“Das macht nichts. Dann bestimmen wir sie.”

“Warum?”

“Die Blutgruppen der Eltern sind wichtig für die Kinder. Falls Sie Rhesus-negativ und Ihr Mann Rhesus-positiv ist, dann kommt es spätestens bei einer zweiten Schwangerschaft zu Komplikationen, die für das Baby lebensgefährlich sind. Heutzutage ist das kein Problem mehr. Sollte eine Rhesus-Unverträglichkeit vorliegen, dann würden Sie nach der Entbindung eine Antikörperspritze bekommen. Das ist alles.”

Lynette nickte.

“Okay, ich sehe Sie in vier Wochen wieder. Wir werden dann ein paar weitere pränatale Untersuchungen machen.”

“Was ist mit meinem Vorsorgetest, Doktor?”, fragte Lynette besorgt. “Beim letzten Mal war das Resultat nicht ganz in Ordnung.”

Will studierte den Befund. Der Pathologe hatte im Abstrich vor drei Monaten ein paar verdächtige Zellen entdeckt und eine Wiederholung empfohlen. “Ich habe einen neuen Abstrich entnommen, und wir müssen das Ergebnis abwarten. Die Schwangerschaft kann die Zellstruktur verändern. Sollte sich der Befund nicht normalisiert haben, werden wir uns weitere Schritte überlegen müssen.” Er sah auf und lächelte zuversichtlich. “Aber machen Sie sich nicht im Voraus verrückt, sondern freuen Sie sich auf Ihr Baby! Und keine Zigaretten mehr!”

Lynette nickte eifrig. “Bestimmt nicht. Ich habe schon seit ein paar Wochen reduziert. Aber jetzt habe ich wirklich einen triftigen Grund!”

“Die Schwester wird Ihnen noch ein paar Broschüren mitgeben. Da erfahren Sie alles über gesunde Ernährung, Bewegung und Schlaf. Sollten Sie Blutungen oder Schmerzen bekommen, dann rufen Sie an, oder kommen sofort in die Praxis. Alles klar?”

“Alles klar, Doktor.”

Lynette verabschiedete sich und ging. Will stand auf und stellte sich ans Fenster. Er starrte hinaus in das dämmrige Licht.

Was für ein Tag! Er wurde Vater …

Seine Gefühle waren gemischt. Da war Freude, aber auch Angst. Er war ziemlich sicher gewesen, dass Emily schwanger war. Nun gab es keinen Zweifel mehr.

Er dachte an die vergangenen Wochen und an Emilys reservierte Haltung. Sie tat so, als hätte es den siebzehnten Dezember niemals gegeben! Es gelang ihr, kühl und unnahbar zu bleiben, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich genauso zu verhalten.

Anfangs hatte er damit Probleme. Wenn er sie sah, überfielen ihn die Erinnerungen, und er hätte sie am liebsten noch einmal in die Arme gerissen … Aber mit Disziplin und Willen hatte er einen Weg gefunden, mit seinen Wünschen umzugehen. Er gab sich betont korrekt und spielte seine Rolle überzeugend.

Aber als er vor einigen Wochen bemerkte, dass Emily schon morgens erschöpft und blass aussah, kam ihm ein Verdacht. Er änderte sein Verhalten und gab sich betont locker. Er versuchte, sie einzuladen, mit ihr essen zu gehen … kurz, er strebte eine persönliche, freundschaftliche Atmosphäre an. Wenn sie ihm etwas zu sagen hatte, dann sollte es an der passenden Umgebung für ein persönliches Gespräch nicht scheitern.

Er dachte zurück an ihre erste private Begegnung auf dem Weihnachtsball. Damals hatte sie ihre langen hellbraunen Locken offen getragen. Es hatte wie ein Umhang ihre nackten Schultern und den Rücken bedeckt. Bei der Arbeit trug sie meistens einen Zopf, manchmal einen Knoten. Aber niemals offene, fließende, verführerische Locken …

Damals hatte er sie auch zum ersten Mal ohne die strenge, formlose Schwesterntracht gesehen. Ihr dunkelgrünes, weichfließendes Seidenkleid hatte mehr von ihrer reizvollen Figur enthüllt als verhüllt. Ihm wurde heiß, als er an das Kleid dachte, das sich durch einen raffinierten Schnitt bis zum Knie öffnete und ihre gut geformten Beine zeigte …

Im Verlauf des Abends hatte er noch mehr zu sehen bekommen. Viel mehr, als er erwartet hatte. Ob er wollte oder nicht, er musste zurückdenken an das, was damals geschehen war …

Emily saß in seiner Küche, bekleidet mit seinem braunen Bademantel. Ihr dunkelgrünes Kleid mit dem gerissenen Träger lag auf ihrem Schoß. Sie versuchte, mit Hilfe eines schwarzen Fadens und einer Stopfnadel, die er irgendwo gefunden hatte, den Schaden provisorisch zu reparieren. Er hatte ihr einen Kaffee gemacht und den dampfenden Becher auf die Tischplatte gestellt.

Auch er trank einen Kaffee und dachte dabei an Celine und ihre Worte. Wenn er ehrlich war, dann hatte ihn ihr Geständnis nicht sonderlich überrascht, dafür aber umso mehr gekränkt. Sie hatte ihn ganz gut charakterisiert, das musste er zugeben, aber er war nicht ihrer Meinung. Er fand, dass seine planvolle, disziplinierte, zielstrebige Lebensweise gut und richtig war, denn ohne diese Eigenschaften wäre er niemals so weit nach oben gekommen. Er hatte auch jetzt nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.

Er warf einen Blick auf Emily. Sie hatte ihr Kleid beiseitegelegt und sah ihm direkt in die Augen.

“Ich bin keine Niete”, erklärte sie ohne Einleitung.

“Natürlich nicht.”

“Ich erhebe mich auch nicht über andere Menschen!”

“Emily, Sie brauchen sich nicht zu erklären”, sagte er beruhigend. “Ihr Ex-Freund war betrunken. Ich gebe nichts auf Worte, die Leute in diesem Zustand äußern!”

“Aber ich will es erklären! Ich muss es tun! Ich fühle mich verletzt und diskriminiert!”

“Ja, das verstehe ich sehr gut. Es tut weh, wenn ein Mensch, an den man geglaubt hat, sich auf einmal gemein und beleidigend verhält.”

Sie nickte. “Fühlen Sie sich ähnlich nach dem, was Sie heute von Celine gehört haben?”

“Ja, ich denke schon …”

Er hatte Celine geliebt, wenn auch nicht so, wie sie es sich gewünscht hatte. Er war ein Vernunftmensch. Sein Leben wurde vom Verstand, nicht von Gefühlen geleitet. Celine hatte von ihm als leidenschaftlichem Latin Lover geträumt … Zum Glück war sie ein kluges Mädchen, das rechtzeitig den Unterschied zwischen Realität und Wunschdenken erkannt und die Konsequenzen gezogen hatte!

“Ich habe das Bedürfnis zu beweisen, dass Don Springer sich geirrt hat”, fuhr Emily fort. “Finden Sie das verrückt?”

“Nein.”

Er kannte das Gefühl. Auch er wollte beweisen, dass Celines Urteil zu hart gewesen war. Sicher, er hatte Pläne, die er zielstrebig verfolgte, aber nicht wie ein Roboter, ohne einen Funken Spontaneität!

Emily stand auf. “Wollen Sie mir helfen?”, fragte sie.

Will erstarrte. “Helfen?”, wiederholte er vorsichtig.

“Ja, denn ich bin kein Eisschrank! Ich bin eine Frau aus Fleisch aus Blut! In den vergangenen zehn Jahren habe ich stets Rücksicht auf meine Familie genommen, wenn ich etwas Persönliches zu entscheiden hatte. Jetzt will ich ein einziges Mal eine Entscheidung nur für mich allein treffen.” Sie öffnete den Gürtel des Bademantels und enthüllte einen perfekten Körper. “Bitte …”

Er starrte auf ihre zart gebräunte Haut und schluckte. Es war höchste Zeit, sie auf dem schnellsten Weg nach Hause zu bringen!

Er dachte an Celines Worte. Ein Leben nach Plan! Ein Leben diktiert durch die Vernunft! Kein Platz für große Gefühle! Keine Spontaneität!

Sein Entschluss geriet ins Wanken.

Emily ging langsam auf ihn zu, bis sie nur wenige Zentimeter entfernt war. “Ich möchte mich immer an diese Nacht erinnern können”, sagte sie leise.

“Sie brauchen mir und sich nichts zu beweisen, Emily”, warnte er.

Sie ließ ihn nicht aus den Augen. “Doch, ich muss. Ich will nur diese eine Nacht. Keine Fortsetzung. Keine Verpflichtung. Keine Bindung. Morgen werden wir wieder zusammenarbeiten, als ob nichts gewesen wäre.”

Er räusperte sich. “Warum ich?”

“Sie gefallen mir. Ich fühle mich geborgen …”

Plötzlich war ihm alles egal. Eine junge, bezaubernde Frau stand halb nackt vor ihm. Vorsichtig berührte er ihre Wange. Ihre Haut war samtweich. Er hob ihren Kopf und berührte ihre Lippen.

“Willst du es wirklich?”, fragte er eindringlich und spürte, wie sehr auch er sich nach Geborgenheit und Liebe sehnte.

Sie seufzte leise und schloss die Augen.

Sein Atem ging schneller. Er streifte den Bademantel ab und zog sie an sich. Sie legte die Arme um ihn. “Oh ja”, flüsterte sie kaum hörbar, “mehr denn je …”

Will trat vom Fenster zurück und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Er spürte die Hitze in seinen Wangen und wusste, dass er Emily noch immer begehrte. Der Gedanke an die gemeinsame Nacht machte ihn nervös.

Er hatte gelernt, mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen umzugehen und sie in Schach zu halten. Es war ihm gelungen, ein ordentliches Leben zu führen und seine Ziele nicht aus den Augen zu lassen.

Seit heute war das anders. Der gerade Weg schien eine Kurve zu machen!

Egal! Er war flexibel und kein Feigling. Er würde nicht den Kopf in den Sand stecken! Er hatte immer eine Familie gewollt, und nun kam sie eben früher als geplant!

Was immer Emily auch einwandte, er selbst konnte sie sich sehr gut als Mutter seiner Kinder vorstellen. Es gefiel ihm, dass er ihr erster Mann gewesen war. Sie hatte ihn ausgesucht! Es gab keinen Grund, etwas daran zu ändern.

Und plötzlich wusste er, wie er vorgehen musste, um Emily Chandler von ihrem Glück zu überzeugen!

4. KAPITEL

Emily öffnete die Haustür. “Was wollen Sie hier?”, fragte sie panisch.

Will trat einen Schritt näher. “Wir sind verabredet! Hast du das vergessen?”

“Aber doch nicht hier!”

Er zuckte die Schultern. “Du bist heute Mittag so schnell verschwunden, dass wir keinen Treffpunkt ausmachen konnten. Deshalb habe ich mich entschlossen, dich abzuholen.”

“Okay”, sagte sie hastig und warf einen Blick auf ihre Uhr, “sagen wir halb acht in der Pizzeria neben der Klinik!”

“Wer ist an der Tür, Liebes?”

Emily schluckte. “Besuch für mich, Gran!”

Helen Oakland erschien in der Diele, einen Kochlöffel in der Hand. Sie lächelte wohlwollend, als sie Will sah. “Warum lässt du ihn draußen stehen, Em? Es ist kühl!”

Emily warf Will einen beschwörenden Blick zu. “Es bleibt bei der Pizzeria, nicht wahr?”

“Ja, aber vorher möchte ich deine Großmutter begrüßen.” Er ging an ihr vorbei auf Helen Oakland zu.

Emily folgte unwillig. “Gran, das ist Dr. Patton”, sagte sie mühsam beherrscht.

Will ergriff die Hände der alten Dame und drückte sie fest. “Nennen Sie mich Will”, bat er lächelnd. “Das ist einfacher. Ich bin ein Freund von Emily.”

Emily presste die Lippen zusammen. Spätestens jetzt wurde ihr klar, dass Will mit einer festen Absicht kam! Ausgerechnet heute Abend! Mit Kevin hatte es wieder einmal Schwierigkeiten gegeben …

“Sehr erfreut”, sagte Emilys Großmutter. “Ich bin Helen Oakland. Haben Sie schon zu Abend gegessen?”

“Eigentlich bin ich gekommen, um Emily zum Dinner einzuladen”, gestand Will.

“Der Tisch ist schon gedeckt”, sagte Mrs. Oakland spontan. “Wenn Sie Lust auf Hausmannskost haben, sind Sie herzlich eingeladen!”

Emily wurde blass. “Gran, er kann nicht”, unterbrach sie nervös. “Er ist … er hat …”

“Danke, Mrs. Oakland, ich nehme Ihre Einladung gern an. Ins Restaurant kann ich jeden Abend gehen, aber richtige Hausmannskost bekomme ich leider viel zu selten.”

“Das ist schade. Haben Sie keine Familie hier?”

Autor

Jennifer Taylor

Jennifer Taylor ist Bibliothekarin und nahm nach der Geburt ihres Sohnes eine Halbtagsstelle in einer öffentlichen Bibliothek an, wo sie die Liebesromane von Mills & Boon entdeckte. Bis dato hatte sie noch nie Bücher aus diesem Genre gelesen, wurde aber sofort in ihren Bann gezogen. Je mehr Bücher Sie las,...

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