Bianca Arztroman Band 12

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  • Erscheinungstag 03.12.2012
  • Bandnummer 0012
  • ISBN / Artikelnummer 9783954460953
  • Seitenanzahl 348
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Jessica Matthews

Ich bin die Richtige, Dr.Berkley

1. KAPITEL

“Es wird Zeit, dass du heiratest, James!”

James Berkley oder J.D., wie seine Freunde ihn nannten, starrte seine Mutter ungläubig an. “Du hast mich tatsächlich von einem Patienten wegrufen lassen, um mir das mitzuteilen?”

Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich stirnrunzelnd an Katie Alexander, eine der Krankenschwestern, die ihn in seiner Untersuchungskabine aufgesucht und mit besorgter Miene die Ankunft seiner Mutter in der Klinik mitgeteilt hatte. Erschreckt und auf das Schlimmste gefasst, hatte er alles liegen und stehen lassen, um seine Mutter zu treffen. Und warum? Er schüttelte empört den Kopf. Um sich von ihr sagen zu lassen, dass er heiraten sollte!

Katie, eine mittelgroße, schlanke Brünette, zuckte gelassen die Schultern. “Ich kann nichts dafür”, erklärte sie entschuldigend. “Deine Mutter hat nur angedeutet, dass es sich um Daniel handelt. Und da dein Patient im Augenblick beim Röntgen ist, dachte ich, dass du hören willst, was sie dir zu sagen hat.”

“Sie hat Recht”, bestätigte Virginia Berkley. “Mein Besuch an deinem Arbeitsplatz hat mit Daniel zu tun. Indirekt wenigstens.”

J.D. zog finster die Brauen zusammen und musterte seine Mutter mit drohenden Blicken. Er gab sich keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen!

“Ich wollte dich noch einmal sprechen, bevor ich abreise”, erklärte Virginia unbeeindruckt. “Und da musste ein plausibler Grund her! Das Mädchen trifft keine Schuld. Verschone sie bitte mit unberechtigten Vorwürfen!”

Katie grinste scheinheilig und blinzelte ihm zu.

J.D. presste die Lippen zusammen. Manchmal bedauerte er, dass Katie in ihm nicht den Big Boss sah, vor dem ihre jüngeren Kolleginnen zusammenzuckten, wenn er mit gerunzelter Stirn und zornigen Blicken durch die Notaufnahme lief!

“Ich bin jedenfalls erleichtert, dass Daniel gesund und munter ist”, gestand Katie. “Es ist Herbst. Oktober. Eine Zeit, in der Kids anfälliger für Krankheiten sind.”

“Richtig. Aber die Notfallambulanz ist kein Ort für Privatgespräche! Hier haben die Wände Ohren”, bemerkte J.D. ungehalten.

Katie machte ein unschuldiges Gesicht. “Von mir erfährt niemand etwas.”

Virginia straffte die Schultern. “Können wir bitte beim Thema bleiben?”, fragte sie mit wachsender Ungeduld. “Ich habe nämlich noch nicht alles gesagt!”

“Mom!” J.D. sah sich misstrauisch um. “Nicht jetzt! Nicht hier!”

Er hätte es besser wissen müssen. Seine Mutter, äußerlich zart und damenhaft, hatte sich noch nie von etwas abbringen lassen, wenn sie der Meinung war, dass es durchgeführt werden musste. Sie war eine waschechte Südstaaten-Lady mit dem eisernen Willen ihrer Vorfahren, die vor Generationen als abenteuerlustige Pioniere ins Land gekommen und mit Glück und Durchsetzungskraft zu Reichtum und Ansehen gelangt waren.

“Es tut mir leid, James, aber ich fürchte, die Sache verträgt keinen Aufschub mehr”, sagte Virginia fest. “Seit einer Woche bin ich mit dir und Daniel zusammen. Aber ich kann nicht nach Hause fliegen und so tun, als ob alles in bester Ordnung wäre. Denn das ist es nicht!” Sie schwieg einen Moment lang und warf ihrem Sohn einen bedeutsamen Blick zu. “Während der letzten vier Jahre haben dein Vater und ich uns nicht in dein Leben eingemischt”, fuhr sie fort. Es klang bedauernd. “Aber es geht nicht nur um dich und dein Leben! Es geht auch um unseren Enkelsohn. Ich werde nicht schweigen und tatenlos zusehen, wie das Kind seelisch verkümmert!”

J.D. schüttelte unmutig den Kopf und dachte an seine wartenden Patienten. “Daniel ist ein gesunder, normaler Junge, Mom”, sagte er ungeduldig und hob die Hand. “Du kannst dir jedes weitere Wort sparen! Du hast deine Meinung gesagt, und ich habe sie vernommen. Deine Mission ist erfüllt. Du kannst beruhigt nach Hause fliegen!”

“Das kann ich nicht! Ich fliege erst, wenn ich spüre, dass du die ganze Tragweite der Situation begriffen hast!” Virginia verschränkte die Arme über der Brust, um ihren Kampfgeist zu betonen. J.D. sollte sich keine falschen Hoffnungen machen! Sie würde erst gehen, wenn sie am Ziel ihrer Wünsche angekommen war!

“Tut mir leid, Mutter, aber ich muss zurück zu meinen Patienten. Zu deiner Information: Sie sind krank und brauchen meine Hilfe!”

“Das weiß ich. Aber ich weiß auch, dass du schneller wieder bei deinen Patienten bist, wenn wir endlich zur Sache kommen, James.”

Katie mischte sich ein. “Der Aufenthaltsraum ist frei”, sagte sie hilfsbereit. “Ich denke, dort können Sie ungestört reden.”

“Dazu ist es zu spät”, rief J.D. unbeherrscht und warf ihr einen wütenden Blick zu. “Meine Mutter muss gehen. Sonst verpasst sie ihren Flug.”

“Das ist kein Problem. Ich werde das nächste Flugzeug nehmen”, erklärte Virginia kühl. “Wo ist der Aufenthaltsraum, meine Liebe?”

J.D. spürte heftiges Pochen hinter den Schläfen. Spannungskopfschmerzen, diagnostizierte er frustriert, als er nach Virginia den leeren Raum betrat.

“Daniel braucht eine Mutter”, erklärte Virginia ohne Einleitung, noch bevor J.D. die Tür geschlossen hatte.

“Wie kommst du darauf?” Er nahm sich den letzten Rest Kaffee aus der Maschine. Er schmeckte bitter. So bitter wie Virginias Worte!

“Ich bin heute Morgen mit Daniel über den Markt gegangen. Wir waren auf dem Weg zum Kindergarten. Dort hörte ich einige Dinge über dich, die mir nicht sehr gefallen haben!”

“Deine Schuld! Warum hörst du auf das Geschwätz alter, frustrierter Klatschweiber!”

“Sie waren weder alt noch frustriert! Es waren junge Frauen mit kleinen Kindern!”

“Oh, das klingt schon besser”, meinte J.D. sarkastisch.

“Kein Grund zur Freude, James! Du hast einen schlechten Ruf! Man redet über die vielen Frauen, die in deinem Haus ein- und ausgehen!”

Er lachte. “Na und? Die Frauen, die mein Haus regelmäßig betreten, sind für Daniel und den Haushalt da! Martha und Henrietta sind meine Nachbarinnen. Sie sind in deinem Alter, Mom! Sie lieben Daniel heiß und innig und behandeln ihn wie ihren eigenen Enkel! Martha kocht, und Henrietta putzt. Nach ihrer Arbeit bringen sie Daniel in den Kindergarten, wo Katie ihn gegen drei Uhr wieder abholt. Sie bleibt so lange bei ihm, bis ich nach Hause komme. Wenn sie verhindert ist, dann gibt es genug Freunde, die bereit sind, den Jungen ein paar Stunden lang zu betreuen. Daniel ist an viele Menschen gewöhnt. Er ist ein offenes, liebenswürdiges Kind und hat keine Anpassungsprobleme.”

“Richtig! Er ist viel zu vertrauensselig”, warf Virginia triumphierend ein. “Er würde mit jedem Fremden mitgehen!”

“Das ist nicht wahr, Mom! Über dieses Thema habe ich schon oft mit ihm gesprochen. Er ist sehr verständig und weiß, dass er sich fremden Menschen nicht anschließen darf.” Er fühlte ein leises Unbehagen, während er sprach. Er wusste, dass seine Mutter nicht ganz Unrecht hatte, was diesen Punkt betraf. “Daniel mag seine verschiedenen Babysitter”, fuhr er ruhiger fort. “Und bis jetzt klappt alles sehr gut. Natürlich wird er älter, und seine Bedürfnisse werden sich ändern. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich um ein Kindermädchen bemühen. Eine feste Bezugsperson für Daniel. Jemand, der mit uns im Haus lebt.” Er sah aus dem Fenster. “Ich könnte eine Anzeige im Wochenblatt aufgeben oder mich an eine Agentur wenden.”

Aber Virginia schüttelte den Kopf. “Daniel braucht eine Mutter”, wiederholte sie stur. “Und du brauchst eine Frau! Nimm es mir nicht übel, J.D., aber ich finde, dass du dich in den letzten Jahren zu deinem Nachteil verändert hast. Wo ist der dynamische, abenteuerlustige, charmante junge Mann geblieben, den ich einmal gekannt habe?”

J.D. lächelte müde, als er an die wilden Jahre seiner Jugend dachte. Die Anforderungen des langen Medizinstudiums waren nicht spurlos an ihm vorüber gegangen, aber das war nur die halbe Wahrheit. Alles hatte sich verändert, nachdem Ellen aus seinem Leben verschwunden war.

“Der junge Mann von einst ist erwachsen geworden, Mom. Das ist alles.”

“Unsinn! Das ist nicht der Grund. Erwachsen werden sie alle eines Tages, ohne dass sie sauertöpfisch und langweilig werden!” Sie schwieg und sah aus dem Fenster. “Ellens Tod war ein schwerer Schlag für dich. Das weiß ich sehr wohl. Aber die Jahre vergehen, und ich denke, dass es an der Zeit ist, dieses Kapitel abzuschließen. Das Leben geht weiter. Du solltest Platz für etwas Neues schaffen. Es ist besser für dich und den Jungen.”

“Mutter …”

“Es ist Zeit, dass du dich nach einer neuen Partnerin umsiehst, James”, fuhr Virginia unbeirrt fort. “Eines Tages wird Daniel aus dem Haus gehen, und dann bist du ganz allein.”

“Mutter, Daniel ist vier! Es dauert noch eine ganze Weile, ehe er das Haus verlässt!”

“Glaub mir, die Zeit vergeht wie im Flug”, sinnierte Virginia wehmütig. “Mir ist, als ob es gestern gewesen wäre, als du so klein wie Daniel warst und mich mit denselben hunderttausend Fragen gelöchert hast.” Ihre Augen glänzten feucht. “Und dabei steht ein großer, ausgewachsener, sechsunddreißigjähriger Mann vor mir! Ein tüchtiger, viel beschäftigter Arzt. Es ist nicht zu fassen!”

J.D. hasste es, wenn seine Mutter sentimental wurde. Er konnte ihr Paroli bieten, sie in Schach halten, so lange die Gespräche sachlich blieben, aber er wurde weich und hilflos, wenn sie in Erinnerungen und Emotionen versank.

Virginia legte ihre gepflegte, manikürte Hand auf seine Hand. “Ich bin deine Mutter, und ich will nur, dass du glücklich wirst, James.”

“Ich bin glücklich, Mom.”

Sie schien nicht überzeugt. “Früher hast du darunter gelitten, ein Einzelkind zu sein”, erinnerte sie. “Du bist immer gern zu deinen Freunden gegangen, und am liebsten hast du bei ihnen übernachtet. Du hast unser großes Haus mit einem Mausoleum verglichen, wenn du nach deinen Besuchen zurückkamst. Es kam dir leer und leblos vor. Weißt du noch?”

Er lächelte. Er erinnerte sich genau an seine Gefühle von damals. Wenn es mit Ellen geklappt hätte, dann hätte er gern mehrere Kinder gehabt. Aber es hatte nicht sollen sein. Das Schicksal hatte anders entschieden. Das musste er akzeptieren und das Beste daraus machen.

“Ich werde nicht heiraten, nur damit Daniel eine Mutter bekommt”, erklärte er fest. “Bis jetzt habe ich es ohne Ehefrau geschafft. Und ich werde es auch weiter schaffen. Wenn ich als berufstätiger Vater mit einem Säugling zurechtgekommen bin, dann werde ich auch mit einem heranwachsenden Jungen zurechtkommen, nicht wahr?”

“Das habe ich nicht bestritten. Aber trotzdem finde ich, dass etwas fehlt. Ich rate dir deshalb, Augen und Ohren offenzuhalten und dich unter den Töchtern des Landes umzusehen. Du bist eine gute Partie, James. Es dürfte nicht allzu schwer sein.”

Er seufzte. “Nein, Mutter, ich habe nicht vor, irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen. Wenn mir die Richtige über den Weg läuft, dann ist es etwas anderes. Aber so …” Er schüttelte abwehrend den Kopf.

“Die Richtige!”, rief Virginia fast empört aus. “Wie naiv bist du eigentlich? Glaubst du im Ernst, dass solche Frauen aus dem Nichts kommen? Nein! So läuft das nicht! Du musst das Deine schon dazutun! Du musst Signale aussenden! Signale, dass du wieder zu haben bist! Mein Gott, Junge, so schwer kann das doch nicht sein …”

Er war frustriert. Das Thema ging ihm furchtbar auf die Nerven. Aber er kannte seine Mutter. Sie würde mit ihrem Gerede nicht aufhören, bis sie das Gefühl hatte, eine positive Reaktion erreicht zu haben. So änderte er schließlich seine Taktik.

“Okay, okay. Ich habe dich verstanden. Ich werde Augen und Ohren für die Traumfrau offenhalten. Zufrieden?”

Virginia lächelte geschmeichelt. “Wenigstens hast du begriffen, was ich dir sagen wollte. Das ist immerhin ein Anfang.”

Er atmete erleichtert auf. Er dachte nicht daran, sich auf die anstrengende Suche nach der Traumfrau zu machen! Aber sollte sie ihm über den Weg laufen …

“Mercer ist eine Kleinstadt”, unterbrach Virginia seine Gedanken. “Die Auswahl dürfte nicht allzu üppig sein. Hast du vor, wieder in die Großstadt zu ziehen?”

“Nein. Uns gefällt es gut hier, Daniel und mir.”

“Das Städtchen ist nett”, gab Virginia zu. “Ich werde dir bei der Suche nach einer passenden Partnerin behilflich sein. Wenn es hier nicht klappt, dann werde ich mich bei uns in Dallas umsehen. Wenn es die richtige Frau ist, dann wird sie sich auch in einer Kleinstadt in Kansas einleben, nicht wahr?”

J.D. zuckte unbestimmt die Schultern. “Mom, mir wäre es lieber, du würdest dich aus dieser Sache heraushalten. Ich komme allein zurecht, okay?”

“Natürlich, Junge. Aber vier Augen sehen mehr als zwei, richtig?” Sie lächelte charmant und warf dann einen Blick auf ihre goldene Armbanduhr. “Oh! Jetzt muss ich aber wirklich gehen. Sonst verpasse ich doch noch mein Flugzeug. Sie gab J.D. einen Kuss auf die Wange. “Ich bin so froh, dass wir endlich ein festes Ziel im Auge haben, James. Sicher bist du ebenso erleichtert wie ich, nicht wahr?”

Das Gegenteil war der Fall! Er lächelte etwas gequält, sagte aber nichts.

“Wir bleiben in engem Kontakt”, versprach Virginia schwungvoll. “Schließlich bin ich brennend an diesem Projekt interessiert!”

Er stellte sich ans Fenster und sah, wie seine Mutter ein vorbeifahrendes Taxi anhielt, einstieg und seinen Blicken entschwand. Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Keineswegs hatte er vor, in absehbarer Zeit sein Single-Dasein zu ändern. Nein, er hatte eine Liebesgeschichte hinter sich und kein Bedürfnis, eine neue Beziehung einzugehen.

Mit Ellen McGraw war es die berühmte Liebe auf den ersten Blick gewesen! Er hatte für einen Freund, der auf Hochzeitsreise war, eine Praxisvertretung übernommen und Ellen als Patientin kennengelernt. Sie war mit einer schweren Angina in seine Sprechstunde gekommen und hatte um ein Antibiotikum gebeten. Er wusste sehr bald, dass Ellen seine Traumfrau war. Sie verlebten ein paar sehr glückliche Wochen mit einem Himmel voller Geigen und rosigen Zukunftsplänen!

Das änderte sich schlagartig, als er sie seinen Eltern vorstellen wollte. Aber dazu kam es nicht mehr, denn sie hatte die Beziehung sang- und klanglos beendet, mit einem nichts sagenden Abschiedsbrief! Er hatte ihr noch nicht einmal sagen können, dass die soziale Kluft zwischen ihren Familien keine Rolle spielte! Er konnte ihr überhaupt nichts mehr erklären, denn sie war spurlos verschwunden! Unauffindbar! Sie hatte keine Adresse hinterlassen. Niemand wusste, wo sie hingegangen war!

Anfangs wartete er noch auf ein Lebenszeichen von ihr. Ein Anruf, eine Postkarte, irgendetwas! Aber die Wochen vergingen, und von Ellen kam kein einziges Wort. Er ertrug die Ungewissheit nicht länger und engagierte einen Privatdetektiv. Ohne Erfolg! Ellen blieb verschwunden.

Der Zufall wollte es, dass er Monate später eine Stelle in Mercer bekam. Das dortige Krankenhaus suchte einen Chef für die Notfallambulanz. Und wieder kam ihm der Zufall zu Hilfe. Er entdeckte Ellens Spur, die hier zu Ende gegangen war. Sie hatte einen schweren Autounfall gehabt und war an den Folgen verstorben, ein paar Monate, bevor er nach Mercer gekommen war. Aber sie war nicht allein gewesen! Ihr Kind, sein Sohn Daniel, war bei dem Unfall schwer verletzt worden! Es war Dr. Tristan Lockwood und seinem Können zu verdanken, dass das Kind den Unfall überlebte und wieder gesund wurde.

Seit dieser Zeit kreiste sein Leben um Ellens Vermächtnis, ihr gemeinsames Kind. Daniel und sein Beruf wurden die beiden zentralen Dinge, für die er lebte. Er vermisste nichts. Seine Zeit war mehr als ausgefüllt!

Gewiss, als Daniel noch ein Säugling war, hätte er eine Frau brauchen können. Er hatte sogar an eine Vernunftehe mit Beth, Ellens bester Freundin, gedacht. Aber daraus war nicht geworden. Beth liebte Tristan und stand nicht zur Verfügung.

Schließlich war es ihm gelungen, sein Leben auch ohne Ehefrau zu organisieren. Anfangs hatte er eine Menge Kritik aushalten müssen. Beth und Tristan hatten den mutterlosen Daniel adoptieren wollen, bevor er, als leiblicher Vater des Kindes, die Szene betreten und die Adoption verhindert hatte. Nur Katie hatte zu ihm gehalten und spontan ihre Hilfe angeboten. Seit vier Jahren war sie da und kümmerte sich um seinen kleinen Jungen. Sie war ein Geschenk des Himmels, fand J.D.

Er konnte wirklich zufrieden sein. Er und Daniel hatten keine Probleme, auch wenn seine Mutter das Gegenteil behauptete. Warum sollte er etwas ändern, wo nichts zu ändern war? Sicher, es gab Augenblicke, in denen er eine gewisse Einsamkeit empfand. Manchmal abends, wenn Daniel im Bett war und ihm das stille Haus plötzlich viel zu groß vorkam. Aber solche Momente waren eher selten und vergessen, sobald er sich seine Zeitschriften vornahm oder den Nachrichten im Fernsehen zuhörte.

Die Tür wurde geöffnet. Katie betrat das Zimmer.

“Du bist also immer noch hier”, stellte sie fest. “Deine Mutter hat die Klinik schon vor zwanzig Minuten verlassen! Hat sie dir so zugesetzt, dass du dich nicht mehr unter die Leute traust?”

“Nein! Ich habe mir einen harten Panzer zugelegt, was meine Mutter betrifft!”

Sie hob die Brauen. “Dann hast du also über die zukünftige Mrs. Berkley nachgedacht?”

Er zuckte die Schultern. “Meine Mutter übertreibt. Daniel und mir geht es gut. Im Augenblick vermissen wir nichts. Und schon gar keine zukünftige Mrs. Berkley! Ich lasse mich nicht in die Enge treiben. Solche Dinge kommen, oder sie kommen nicht!”

“Wie weise! Aber ich fürchte, dass deine Mutter es diesmal ernst meint und nicht aufgeben wird, dich mit ihrer Lieblingsvorstellung zu nerven. So entschieden habe ich sie noch nie erlebt.”

“Leicht wird es nicht”, gab er zu. “Aber lassen wir das unsägliche Thema. Ich muss zurück zu meinem Patienten.”

“Nicht mehr nötig. Marty hat Mr. Natelsons Fuß behandelt. Ich habe eine andere Neuigkeit für dich. Allan Yates will dich sprechen. Er hat es ziemlich dringend gemacht.”

“Wirklich? Dann geht es wahrscheinlich um meinen Verbesserungsvorschlag, den ich letzte Woche eingereicht habe.”

“Vermutlich.” Sie musterte ihn kritisch. “Jedenfalls solltest du ihn nicht länger warten lassen. Schade, dass du keine Zeit mehr hast, dich umzuziehen. Dein Kittel sieht ziemlich ramponiert aus!”

“Das ist mir egal! Spuren, die die Arbeit hinterlässt, sind keine Schande, nicht wahr? Außerdem will ich Allan mit meiner Fachkompetenz beeindrucken, nicht mit meinem Outfit!”

“Hast du wenigstens einen Kamm?”, fragte sie resigniert.

Er griff in die Kitteltasche, zog einen kleinen Plastikkamm heraus, stellte sich vor die Fensterscheibe und fuhr sich durch das dichte blonde Haar. “Drück mir die Daumen”, bat er.

Sie nickte. “Klar! Das schaffst du schon! Du hast gute Vorarbeit geleistet. Deine Zahlen müssen ihn umwerfen!”

“Dein Wort in Gottes Ohren!”

Zehn Minuten später saß er in Allan Yates’ elegantem Direktionszimmer. Er fühlte sich fehl am Platze. Wieder wurde ihm klar, dass Diplomatie nicht gerade zu seinen Stärken zählte. Er hasste die Verwaltungspolitik, den unnötigen Papierkram, das Spiel hinter den Kulissen! Er war Arzt, Notfallarzt! Ein Mann der Tat und des raschen Handelns! Taktieren und Manipulieren waren nicht sein Ding. Aber es musste sein. Schließlich wollte er etwas erreichen. Es ging um die Reorganisation seiner Abteilung. Er brauchte mehr Platz. Ein paar zusätzliche Räume, gedacht für die leichteren Fälle, die in die Notfallambulanz kamen.

Allan räusperte sich und faltete feierlich die Hände. Auf seinem großen, polierten Schreibtisch lag eine einzige Akte. “Sie haben eine eindrucksvolle Eingabe gemacht, J.D.”, begann er schließlich.

“Danke.” J.D. dachte an die vielen Abendstunden, in denen er über diesem Papier gesessen hatte, um mit statistischen Zahlen und Fakten zu beweisen, wie sehr seine Abteilung auf die Bewilligung des Vergrößerungsprojekts angewiesen war!

“Allerdings sind Sie nicht der Einzige, der den in Frage kommenden Platz beansprucht”, fuhr Allan fort. “Eine andere Abteilung unserer Klinik hat ebenfalls Ansprüche angemeldet. Ich will ganz offen sein. Meine Frau Candance möchte den Raum für ihre Abteilung. Auch sie hat eine sehr fundierte Eingabe gemacht.” Er seufzte. “Sie können sich mein Dilemma vorstellen, nicht wahr?”

Und ob J.D. das konnte!

“Normalerweise informiere ich den Verwaltungsrat über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Vorschläge. Denn schließlich muss das Gremium die letzte Entscheidung treffen. Aber diesmal …” Allan schüttelte hilflos den Kopf. “Ich weiß wirklich nicht, welchen Vorschlag ich favorisieren soll. Beide Eingaben sind meiner Meinung nach gleich gut!” Er schob nervös J.D.’s Akte über die glänzende Schreibtischfläche.

J.D. beneidete ihn nicht. Er kannte Candance Yates so gut oder schlecht wie jeder andere im Haus. Sie war eine starke Persönlichkeit, tüchtig, aber unnachgiebig, wenn es um ihre Wünsche ging. Es war bekannt, dass sie nicht vor unfairen Mitteln zurückschreckte, um zu bekommen, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Allan war ein fähiger Verwaltungsdirektor, so lange seine Ehefrau nicht im Spiel war!

Er machte sich keine Illusionen! Wenn Candance tatsächlich denselben Platz beanspruchte, dann würde sie ihn bekommen! Davon war er überzeugt. “Ich verstehe Sie sehr gut”, sagte er schließlich. “Ihre Situation ist alles andere als angenehm!”

“Richtig! Aber zum Glück hat das Gremium das letzte Wort. Trotzdem möchte ich nicht in den Ruf kommen, mein Amt ungerecht zu verwalten!”

J.D. schöpfte Hoffnung. Das klang nicht schlecht. Vielleicht hatten sich die Kräfteverhältnisse in der Yates-Ehe zugunsten von Allan verschoben!

Allan lehnte sich zurück. “Wie schon gesagt, Ihre Eingabe ist bemerkenswert. Da ist nur ein Haar in der Suppe!” Er warf J.D. einen strengen Blick zu. “Darf ich offen reden, oder vertragen Sie keine Kritik?”

J.D. sah ihn erstaunt an. Er war wirklich gespannt, was Allan zu kritisieren hatte. War es möglich, dass er ein sehr wichtiges Element vergessen hatte? “Natürlich vertrage ich Kritik”, sagte er ruhig. “Sie machen mich neugierig. Um was geht es?”

Allan beugte sich vor und kniff die Augen zusammen, als ob er kurzsichtig wäre. “Das einzige Problem, das ich mit Ihrem Vorschlag habe, sind …” Er zögerte kurz und lehnte sich wieder zurück. “Sind Sie, J.D.”

2. KAPITEL

Er war sprachlos. Es war die letzte Antwort, die er erwartet hatte! “Ich?”, fragte er verständnislos.

Allan nickte. “Ein Projekt dieser Größenordnung ist mehr als ein Federstrich auf dem Papier.”

J.D. zog die Brauen zusammen. “Allerdings! Ich habe gute drei Monate über den Plänen gesessen, bevor ich mit allen Einzelheiten zufrieden war!”

“Ich spreche nicht von Ihren Ausarbeitungen, J.D. Aber ich könnte mir vorstellen, dass der Verwaltungsrat Ihrem Vorschlag eher zustimmt, wenn er sicher sein kann, dass Sie Ihre Absichten auch in die Tat umsetzen werden.”

J.D. verschränkte die Arme über der Brust. “Natürlich werde ich das Projekt in die Tat umsetzen! Was sollte mich davon abhalten, wenn ich die Zustimmung habe?”

“Sie haben hier keine Wurzeln geschlagen, J.D. Mercer ist nicht Ihre Heimatstadt.”

“Ich wohne und arbeite seit vier Jahren hier! Die Stadt und der Job gefallen mir gut. Ich habe nicht vor, Mercer zu verlassen.”

“Das ist eine gute Nachricht, J.D. Aber Sie sind nicht verheiratet.”

J.D. kniff die Augen zusammen. Das war wirklich nicht sein Tag! Erst seine Mutter und jetzt sein Arbeitgeber! “Ich verstehe nicht, was mein Familienstand mit der Erweiterung der Notfallabteilung zu tun hat”, bemerkte er kühl.

Allan zuckte unbehaglich mit den Schultern. “Sie zwingen mich, weiter auszuholen”, antwortete er seufzend. “Wir kennen Ihren sozialen Hintergrund, J.D. Wir wissen, dass Sie aus einer privilegierten texanischen Familie stammen. Hier in Mercer werden Sie kaum die passende Ehefrau finden. Ich nehme an, dass Sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben, nicht wahr?”

J.D. zwang sich zur Ruhe. Er war empört, dass Allan es wagte, auf seine unglückliche Liebesgeschichte mit Ellen McGraw anzuspielen! Aber er schwieg und presste die Lippen fest aufeinander.

“Wie auch immer, ich bin sicher, dass Sie das nächste Mal mit größerer Besonnenheit vorgehen werden”, fuhr Allan salbungsvoll fort. “Und eine Dame aus dem Dallas-Jetset wird sich kaum in Mercer ansiedeln wollen! Sie wären nicht der erste Mann, der sich den Wünschen seiner Frau beugt!”

Das war zu viel! J.D. hob den Kopf und musterte Allan kühl. “Ihre Überlegungen in Ehren”, erwiderte er mit unverhohlener Ironie, “aber ich fürchte, sie entbehren jeder realistischen Grundlage! Zu Ihrer Information, Allan: Ich habe keine Heiratsabsichten, und sollte sich irgendwann eine derartige Situation ergeben, dann können Sie sicher sein, dass ich keine Frau heiraten werde, die mit dem Standort meiner Arbeit nicht kompatibel ist! Das können Sie zu den Akten nehmen, wenn Sie wollen!”

“Und warum besitzen Sie kein eigenes Haus?”, fragte Allan misstrauisch.

“Ich habe ein großes Haus gemietet. Was ist daran verkehrt?”

“Sie kennen den Unterschied, J.D. Ein eigenes Haus zeigt, dass man bleiben will, nicht wahr? Es ist ein Garant für Stabilität.”

“Sie denken an Leland, hab ich Recht?”

Leland Purdy war ein unverheirateter, lebenslustiger Arzt gewesen, der innerhalb weniger Monate mit Elan und Überzeugungskraft einige größere Projekte in die Wege geleitetet hatte. Und dann hatte er unerwartet gekündigt, um einem besseren Job in einer anderen Stadt zu folgen. Es hatte ihm nichts ausgemacht, ein Chaos zu hinterlassen!

Allan schüttelte den Kopf. “Nein, an Leland habe ich nicht gedacht, aber ich bin sicher, dass der Verwaltungsrat an ihn denkt, wenn er über Ihren Plänen sitzt.”

Also doch Candance, dachte J.D.

“Okay, ich fasse noch einmal zusammen”, sagte er laut. “Die Tatsache, dass ich kein verheirateter Mann mit Haus und Hof bin, wird die Mitglieder des Verwaltungsrats gegen mich und meinen Vorschlag einnehmen. Meine Chancen sind also, im Vergleich zu Ihrer Frau Candance, gleich null, richtig?”

Allan hob beschwörend beide Hände. “Langsam, langsam, J.D. Davon habe ich nichts gesagt, und es steht mir auch nicht zu! Ich habe Sie nur auf ein paar Tatsachen aufmerksam gemacht, die auch dem Verwaltungsrat nicht entgangen sein dürften. Selbstverständlich werde ich mich für Ihre Vorschläge stark machen! Sie sind sehr gut. Daran habe ich keinen Zweifel gelassen! Mehr kann ich nicht tun. Warten wir es ab!”

“Ja, warten wir es ab”, wiederholte J.D. mechanisch, stand auf, nickte flüchtig, verließ Allans Büro und eilte im Sturmschritt zurück in die Ambulanz. Er musste unbedingt mit Katie reden!

Er fand sie im Schwesternzimmer. Sie war allein. Ihr freundliches Lächeln verschwand, als sie ihn ansah.

“Ich brauche dich gar nicht zu fragen”, begann sie sofort. “Dein Gesicht sagt alles! Die Besprechung mit Allan war ein Reinfall, nicht wahr?”

Er ließ sich in den erstbesten Sessel fallen. “Das Projekt hat seine Zustimmung gefunden”, berichtete er. “Seine volle Zustimmung!”

“Aber?”, fragte Katie.

Er lächelte gequält. “Ich bin das Aber!”

Sie starrte ihn verständnislos an. “Was heißt das?”

“Ich bin ein unsicherer Kandidat!”

“Für wen?”

“Für das Projekt und seine Durchführung.”

“Das sagt Allan?”

“Ja. Er vergleicht mich mit Leland.”

Sie sah ihn ungläubig an. “Mit Dr. Purdy? Was hat er damit zu tun?”

J.D. zuckt die Schultern. “Leland hat Mercer ohne Bedauern verlassen, als er einen besseren Job bekommen hat. Allan glaubt, dass ich ebenso handeln würde.”

“Aber Dr. Purdy hat von Anfang an gesagt, dass Mercer für ihn nur eine Zwischenstation ist. Er wollte Karriere machen. Daraus hat er kein Geheimnis gemacht. Jeder wusste das.”

“Mag sein. Aber Allan sieht große Parallelen zwischen uns. Wir sind beide Singles, wurzellos und auf der Jagd nach der fetteren Beute!”

Katie schüttelte empört den Kopf. Ihre braunen Augen blitzten. “Das ist ein starkes Stück! Hat Allan vergessen, dass du allein erziehender Vater von einem kleinen Jungen bist? Dr. Purdy war frei und ungebunden! Und er hat seinen Status in vollen Zügen genossen! Ein Lebemann, unfähig, eine Beziehung einzugehen. Wie konnte Allan dich mit ihm vergleichen?”

Er warf ihr einen neugierigen Blick zu. “Kanntest du ihn näher?”

Sie zuckte die Schultern. “Nein. Er war nicht mein Typ. Ich stehe nicht auf Casanovas!”

J.D. sah nachdenklich aus. “Es hat mit auch nicht sehr gefallen, dass Allan mich mit Leland auf eine Stufe gestellt hat. Aber er hatte noch ein Argument gegen mich. Er warf mir vor, dass ich nur zur Miete wohne. Für ihn ein Indiz, dass ich vorhabe, Mercer in absehbarer Zeit zu verlassen.”

Katie nickte. “Das verstehe ich schon eher”, gab sie zu. “Ein eigenes Haus ist so etwas wie ein Garant für Stabilität, nicht wahr?”

“Sicher. Obwohl man es auch wieder verkaufen kann.”

Er hatte nichts gegen Eigentum, aber das Haus, das er gemietet hatte, entsprach in jeder Hinsicht seinen und Daniels Bedürfnissen, sodass er keinen Grund gehabt hatte, diesen Zustand zu ändern. Der Eigentümer, Mr. Hepplewhite, kümmerte sich um alle technischen Belange des Hauses, sodass er fast keine Arbeit und noch weniger Ärger hatte. Die Nachbarn waren nett und hilfsbereit, Daniels Kindergarten und die Klinik waren in der Nähe, sodass er notfalls zu Fuß gehen konnte. Idealer und bequemer konnte er es nicht mehr bekommen.

“Was hast du vor?”, unterbrach Katie seine Gedanken.

“Ich würde mich gern an Allan rächen! Vielleicht bekommt er Magenkrämpfe und wird zu uns in die Ambulanz gebracht. Dann werde ich ihm eine Magenspiegelung ohne Narkose verpassen!”

Katie grinste. “Vergiss es! Was fällt dir sonst ein?”

“Du weißt, wie viel mir an der Vergrößerung unserer Ambulanz liegt. Ich bin bereit, Mr. Hepplewhite zu fragen, ob er das Haus verkaufen würde. Notfalls würde ich sogar bauen! Aber ich werde auf gar keinen Fall heiraten!”

Katie öffnete die Schreibtischschublade und suchte nach der Schachtel mit den Büroklammern. “Du hast Recht! Das kann niemand von dir verlangen!”

Er stieß einen Seufzer aus. “Ich bin froh, dass du mich verstehst! Du bist die Einzige, mit der ich offen über alles reden kann. Mein Job ist mein Job, und er hat nichts mit meinem Privatleben zu tun. Es kommt doch nur darauf an, dass ich meine Arbeit gut mache, nicht wahr?”

Sie sah ihn an. “Das ist die Voraussetzung. Aber in einer Kleinstadt wie Mercer kommen noch ein paar andere Dinge dazu. Ich bin sicher, dass die älteren, konservativen Mitglieder des Verwaltungsrats so wie Allan denken. Es ist besser, du bereitest dich innerlich darauf vor.”

Er schüttelte den Kopf. “Es geht mir einfach gegen den Strich! Mein Vorschlag ist längst überfällig! Die Notfallambulanz muss erweitert werden, wenn wir eine gute Erstversorgung der schweren Fälle garantieren wollen! Das muss selbst der konservativste Verwaltungsmensch begreifen! Von der Kostenersparnis will ich erst gar nicht reden!”

“Mich brauchst du nicht zu überzeugen”, meinte Katie. “Ich kenne alle Argumente und bin auf deiner Seite. Aber ich kenne auch die Mentalität der Verwaltungsmenschen. Allan hat Recht, wenn er dich darauf hinweist. Ich bin sicher, dass Entscheidungen, die die Klinik betreffen, nicht ausschließlich aufgrund der sachlichen Tatsachen gefällt werden. Sie werden deine Lebensumstände mit einbeziehen.” Sie stand auf und drückte ihm einen großen braunen Umschlag in die Hand. “Kannst du diese Röntgenbilder ansehen und dann in Kabine eins kommen? Dort wartet ein Kind mit hohem Fieber und Halsschmerzen.”

“Ist Kabine zwei frei?”, fragte er. “Ich möchte mindestens einen Raum für Akutfälle einsatzbereit haben.”

Sie nickte. “Ja. Im Wartezimmer ist noch ein Kind mit ähnlichen Symptomen. Die anderen Kabinen sind alle besetzt.”

Er seufzte. “Wir sollten Allan kommen lassen, damit er sieht, wie beengt wir arbeiten müssen!”

“Ja, aber heute wirst du kein Glück mehr haben. Er ist mittwochnachmittags auf dem Golfplatz!”

“Das ist typisch! Und solche Leute entscheiden über unsere Arbeitsbedingungen!”

Katie zuckte die Schultern und verließ das Zimmer, während J.D. die Röntgenbilder an den erleuchteten Bildschirm heftete und aufmerksam studierte. Dann begab er sich in eine der Untersuchungskabinen, in der die fünfzehnjährige Alyssa Ford mit ihrer Mutter auf das Röntgenergebnis wartete.

“Du hast Glück gehabt”, sagte er. “Dein Handgelenk ist nicht gebrochen, aber gezerrt. Trotzdem wirst du ein paar Wochen lang auf das Volleyballspiel verzichten müssen.”

“Oh Doktor! Muss das sein?” Das Mädchen sah ihn unglücklich an. “Seit ich den Verband trage, habe ich kaum noch Schmerzen! Ich würde so gern das Endspiel mitmachen! Die Saison endet diesen Monat!”

“Auf keinen Fall!” J.D. schüttelte den Kopf. “Ich verstehe deine Enttäuschung sehr gut, aber das Risiko ist zu groß. Wenn du dich jetzt nicht schonst, dann wirst du einen bleibenden Schaden davontragen und nie wieder Volleyball spielen können.”

Seine Worte hatten die beabsichtigte Wirkung. Alyssa riss erschreckt die Augen auf. “Okay. Wenn das so ist, dann bleibe ich natürlich auf der Zuschauerbank.”

“Es ist ja nicht für immer”, tröstete J.D. “Ich schreibe noch eine Überweisung für deinen Hausarzt. Er wird die weitere Behandlung übernehmen.” Dann verabschiedete er sich und verließ die Kabine, um Alyssas Krankenakte in die Registratur zu bringen.

Auf dem Weg dorthin wurde er von Dr. Robert Casey aufgehalten.

“J.D., kann ich Sie einen Augenblick sprechen?”, fragte Robert. Der schlanke, fünfzigjährige Robert Casey war J.D.’s Vorgesetzter.

J.D. nickte verbindlich. “Natürlich.”

“Können wir nach draußen gehen?”, fragte Robert. “Ich wünsche keine Zuhörer!”

J.D. verbarg seine Überraschung und drückte Katie die Akte in die Hand. Dabei warf er ihr einen kurzen, fragenden Blick zu. Sie zuckte leicht die Schultern, was bedeutete, dass sie ebenso ahnungslos war wie er.

“Eine gute Idee”, erwiderte J.D zustimmend. “Das Wetter ist schön und etwas frische Luft tut immer gut!”

Die beiden Ärzte verließen die Klinik durch den Haupteingang. Draußen schien die Sonne, und die Luft war wunderbar erfrischend. J.D. blinzelte in die milde Oktobersonne. Man sollte öfter vor die Tür gehen, dachte er und folgte Robert, der mit großen, raschen Schritten über den herbstlichen Rasen schritt. Als sie weit genug von der Klinik entfernt waren, blieb Robert stehen.

“Ich will gleich zur Sache kommen, J.D.”, sagte er ohne Einleitung. “Was ist dran an dem Gerede, dass Sie angeblich vorhaben, Mercer und die Klinik zu verlassen?”

Als J.D. an diesem Abend sein Haus betrat, hörte er das vertraute Summen von Katies Nähmaschine. Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Obwohl ein appetitliches Pfeffersteak mit Reis auf ihn wartete, griff er zuerst nach der Bierflasche. Er hatte keinen Hunger, dafür umso größeren Durst auf ein entspannendes, beruhigendes Getränk. Er öffnete eine Schublade und zog den Flaschenöffner hervor. Dabei bemerkte er Katie, die im Türrahmen stand und ihn stillschweigend beobachtete.

Sie trug ausgeblichene, verwaschene Jeans und ein weites rotes T-Shirt mit der Aufschrift Kansas City. Ihr langes hellbraunes Haar reichte ihr bis zur Taille. Im Arm hielt sie einen Packen bunter Stoffreste.

“Es ist zehn Uhr! Du bist sehr spät heute!”

Mehr sagte sie nicht, aber er hörte an ihrem fragenden Tonfall, dass sie auf eine Erklärung wartete.

Seit dem Gespräch mit Robert am Nachmittag war er so kurzangebunden gewesen, dass alle Mitarbeiter ihn instinktiv in Ruhe gelassen hatten. Auch Katie hatte geschwiegen und war sogar am Ende ihrer Schicht ohne Abschied gegangen, was sonst nicht ihre Art war.

Er nahm einen großen Schluck Bier direkt aus der Flasche. “Es gab viel zu tun”, sagte er einsilbig und setzte noch einmal an.

“Daniel schläft schon”, berichtete Katie.

“Das habe ich erwartet.”

“Ich habe noch an seinem Halloween-Kostüm gearbeitet”, fuhr sie fort und zeigte auf die Stoffreste.

“Dann hat er sich also für ein Kostüm entschieden?”

Sie nickte. “Ja, er will als Captain Hook gehen, nachdem er Peter Pan gesehen hat! Wir sind gleich am Nachmittag noch in die Stadt gegangen, um die nötigen Utensilien zu besorgen.”

“Prima!”

“Hast du gegessen?”

“Nicht seit dem Lunch.”

“Dann solltest du etwas zu dir nehmen.” Sie warf einen Blick auf die leere Flasche. “Bier ist zwar ein nahrhaftes Getränk, aber sicher nicht die richtige Grundlage für einen leeren Magen!”

Er seufzte. “Keine Sorge. Ich werde etwas essen.”

“Willst du reden?”, fragte sie ruhig.

Er setzte sich auf einen der Küchenstühle. “Eigentlich nicht. Aber mich wundert, dass du nicht schon längst Bescheid weißt!”

Sie nahm gegenüber auf dem Stuhl Platz. “Warum sollte ich? Ich habe keine Zeit, mich während der Arbeit am Klinikklatsch zu beteiligen. Du weißt selbst, wie hektisch es meistens zugeht.”

“Allan hat das Gerücht verbreitet, dass ich vorhabe, Mercer zu verlassen.”

Katie starrte ihn entgeistert an. “Das glaube ich nicht, J.D.!”

Er zuckte die Schultern. “Beweisen kann ich es nicht”, fuhr er fort. “Aber ich habe guten Grund, es anzunehmen. Dr. Casey hat sich extra meinetwegen in die Ambulanz begeben, um mich direkt zur fragen, was an der Geschichte dran ist!”

“Na also! Dann ist die Sache ja geklärt. Er hat dich gefragt, und du hast ihm geantwortet.”

Wieder stieß er einen Seufzer aus. “So einfach ist das leider nicht, Katie.” Er stand auf und holte sich eine zweite Flasche Bier aus dem Kühlschrank. “Das Gerücht ist im Umlauf, und nun fürchtet Robert, dass dadurch meine Chancen für unser Vergrößerungsprojekt gleich null sind!”

“Aber warum? Du brauchst nur dem Verwaltungsrat deine Absichten kundzutun, und alles ist geklärt!”

“Eben nicht! Meine ehrlichen Worte genügen nicht. Die Leute wollen Taten sehen. Taten, die meine Worte bestätigen! Verstehst du, was ich meine?”

“Ja. Wende dich an einen Immobilienmakler und beauftrage ihn, ein passendes Eigenheim für dich und Daniel zu finden!”

“Das wird ihnen nicht reichen”, wandte J.D. ein. “Robert hat von zwei Leuten im Gremium gesprochen, die nicht viel von mir halten. Sie sind der Meinung, dass ich verantwortungslos gehandelt habe, als ich Daniel allein erziehen wollte, obwohl seinerzeit ein geeignetes Ehepaar bereit war, den Jungen anzunehmen.” Er schwieg und nahm einen Schluck. “Robert hat die Namen der Leute nicht nennen wollen, aber ich kann mir denken, wer sie sind.”

Katie schüttelte ungläubig den Kopf. “Sie hadern immer noch mit dieser alten Geschichte? Das ist vier Jahre her!”

“Richtig, aber vergessen ist es nicht, wie man sieht und hört!”

J.D. wusste, dass die Lockwoods Daniel wie ein eigenes Kind behandelt hätten. Er kannte die große Liebe, die Tristan und Beth für den Kleinen empfanden. Aber er hätte es nicht fertig gebracht, Ellens kostbares Geschenk fremden Menschen zu überlassen.

Aber ein paar engstirnige, spießbürgerliche Zeitgenossen hatten seine Motive nicht akzeptieren wollen. J.D. war sicher, dass dieselben Leute ihn ebenso gnadenlos verurteilt hätten, wenn er sich nicht um seinen Sohn gekümmert und ihn fremden Menschen überlassen hätte!

Kritik hatte es von allen Seiten gegeben! Nur Katie hatte seine Motive verstanden und zu ihm gehalten. Ohne ihren Zuspruch und ihre Hilfe hätte er wahrscheinlich nicht durchgehalten.

“Ich bin ziemlich sicher, dass ich diese Leute mit keinem Vorschlag zufrieden stellen kann”, fuhr er nach einer Weile fort. “Sie sind von Anfang an gegen mich gewesen, und dabei wird es bleiben. Eigenheim hin oder her!”

Katies Augen blitzten vor Zorn. “Ich kann mir denken, wer gegen dich ist”, erklärte sie wütend. “Ophelia Weatherbee und Silas Cunningham! Dass diese zwei scheinheiligen Gestalten immer noch im Gremium sitzen, ist eine Schade! Sie gehören seit Jahren in den Ruhestand, wo sie keinen Schaden mehr anrichten können!”

J.D. musste grinsen. “Ich bin ganz deiner Meinung, aber leider ohne jeden Einfluss, was meine Gegner betrifft. Ich muss mich mit den Realitäten abfinden. Und die heißen Ophelia Weatherbee, Silas Cunningham und Allan Yates, der hinter den Kulissen die Fäden zieht! Es gibt nur eine Möglichkeit, das Gerücht ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.”

“Du machst mich neugierig”, gestand Katie.

J.D. nahm einen großen Schluck aus der Flasche. “Ich werde heiraten.”

“Was?” Katies Augen wurden groß wie Untertassen.

“Ich weiß, dass es verrückt ist.”

“Aber du hast doch noch heute Nachmittag erklärt, dass du nicht heiraten willst!”

“Ich bin nicht gegen die Ehe als Institution”, erklärte er. “Ich habe nur bis jetzt nicht die richtige Partnerin gefunden.”

Katie senkte den Kopf und studierte aufmerksam ihre Fingernägel. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie wieder aufsah. “Dann erübrigt sich also die Frage, wer die Auserwählte ist, nicht wahr?”

“Ja, wenigstens im Augenblick.”

“Wirst du eine Anzeige unter deinem Namen aufgeben?”, fragte sie trocken. “Wenn ja, dann mach dich auf einen Ansturm gefasst! Es gibt eine Menge heiratswilliger junger Damen in Mercer, die auf der Suche nach einer guten Partie sind!”

“Nein. Eine Anzeige kommt nicht in Frage.”

“Und was dann? Wo und wie willst du die zukünftige Mrs. Berkley finden?”

Er umfasste die Bierflasche mit beiden Händen, als suchte er nach einem Halt. “Ich werde jemanden bitten, mir zu helfen”, sagte er schließlich.

“Wen?”

“Dich.”

Sie starrte ihn an. Dann lehnte sie sich zurück und fixierte ihn scharf. “Mich?”

Er holte tief Luft. “Ja. Ich möchte dich bitten, mir bei der Suche nach einer geeigneten Partnerin zu helfen.”

3. KAPITEL

In der Küche war es sehr still. J.D. hielt den Atem an, während er Katie beobachtete und auf ihre Antwort wartete.

Sie erhob sich und schob laut den Stuhl zurück. “Du bist betrunken”, erklärte sie empört.

“Nein! Nicht nach zwei Bier!”

“Egal! Auf jeden Fall redest du Unsinn! Ich gehe jetzt nach Hause!”

Er sprang auf und hielt sie fest. “Warum bist du sauer? Ist es nicht normal, dass ich dich um deine Hilfe bitte?”

“Nein! Zu deiner Information: Ich betreibe kein Heiratsbüro! Da musst du dich schon an eine Profi-Agentur wenden!”

“Katie, bitte hör mir zu!”

Sie blieb stehen und verschränkte eigensinnig die Arme über der Brust.

“Bitte!” Er warf ihr einen flehenden Blick zu.

“Okay”, sagte sie schließlich und nahm wieder Platz. “Aber fass dich kurz. Länger als fünf Minuten werde ich deinem Unsinn nicht zuhören!”

J.D. atmete erleichtert auf. “Du hast mir geholfen, Martha und Henrietta zu finden”, erinnerte er.

“Es ist etwas anderes, eine Köchin und Putzfrau einzustellen, als nach einer geeigneten Ehefrau Ausschau zu halten! Oder solltest du bereits so verblendet sein, dass dir dieser Unterschied entgangen ist?”

Er ignorierte ihren Sarkasmus. “Katie, niemand kennt Daniel und mich so gut wie du! Du kennst unsere Gewohnheiten, unsere Vorlieben, unsere Bedürfnisse, unseren Alltag! Ich möchte ja nur, dass du mich auf die eine oder andere Frau aufmerksam machst. Vielleicht kennst du sogar eine Frau, die in Frage käme! Ich weiß, dass ich mich auf dein Urteil verlassen kann!” Er sah sie beschwörend an.

“Warum fragst du nicht deinen Freund Tristan? Meinst du nicht auch, dass ein Mann für eine solche Aktion besser geeignet ist?”

Er schüttelte den Kopf. “Tristan und Beth sind im Urlaub. Sie kommen frühestens in einem Monat zurück. Aber selbst wenn sie hier wären, würde ich sie nicht fragen. Ich frage dich, weil ich deinem Urteil und Instinkt vertraue.”

“Was ist mit deinem Instinkt und deinem Urteilsvermögen?”

“Frauen haben die bessere Intuition. Und wie schon gesagt, du kennst mich besser als irgendein anderer Mensch in Mercer.”

Katie sah auf. “Frag deine Mutter! Sie wird hoch erfreut sein!”

“Dann gehe ich lieber selbst auf Suche!”

“Na also! Warum nicht gleich? Es ist auf jeden Fall die beste Idee des Abends! Du schaffst das schon!”

Sie erhob sich, aber er hielt sie fest. “Bitte, Katie, tue es für mich!”

“Nein!”

“Warum nicht?”

“Warum sollte ich?”

“Es wäre doch auch in deinem Interesse! Du hättest wieder Zeit für dich!”

“Wie meinst du das?”, fragte sie misstrauisch.

“Katie, du warst immer für uns da. Von Anfang an! Du hast deine Freizeit für Daniel geopfert. Wir stehen tief in deiner Schuld! Du hast so viel für uns getan. Das werde ich dir niemals zurückgeben können!”

Sie richtete sich auf und straffte die Schultern. “Kein Grund, dich schuldig zu fühlen, J.D. Ich habe nichts getan, was ich nicht tun wollte!”

“Das weiß ich, aber dennoch habe ich das Gefühl, dich auszunutzen! Ich habe niemals einen Menschen kennengelernt, der so großzügig und belastbar ist wie du! Ich weiß doch, wie hart du für dein Krankenschwesterndiplom gearbeitet hast! Und trotz allem ist Daniel nie zu kurz gekommen!”

“Du hast mir viel geholfen, J.D. Vergiss das nicht! Ohne dich hätte ich nicht dieses gute Examen gemacht!”

Er winkte ab. “Trotzdem hättest du es ohne uns leichter haben können, nicht wahr?” Er räusperte sich. “Deshalb bitte ich dich, noch einmal über meine Idee nachzudenken. Ich erwarte nicht, dass du mir heute Abend antwortest. Sag mir morgen, wie deine Entscheidung aussieht.”

“Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe, J.D. Ich werde meine Meinung nicht ändern.”

Er spielte seinen letzten Trumpf aus. “Wenn ich kein Kind hätte, dann würde ich dich nicht fragen. Aber du kennst Daniel besser als jeder andere, und du fühlst, ob eine Frau auch eine gute Mutter für den Jungen ist, nicht wahr?”

Er sah den Schmerz in ihrem Gesicht und unterdrückte seine Schuldgefühle. Er brauchte ihre Hilfe! Auch wenn er dabei notfalls auf die Tränendrüsen drücken musste!

“Es ist spät. Ich muss nach Hause!”

“Natürlich. Entschuldige! Wir reden morgen weiter.”

Sie sagte weder ja noch nein, nahm ihre Tasche und ging in die Halle, wo ihr Mantel hing. Er wollte ihr beim Anziehen helfen, aber sie entzog sich ihm, als fürchtete sie jede körperliche Nähe. Wieder sah er den Schmerz in ihren Augen, ohne zu verstehen, warum sie so gekränkt war! Er hatte eine ganz andere Reaktion erwartet! Insgeheim hatte er mit ihrer Zustimmung gerechnet. Warum war sie nicht geschmeichelt, dass er sie um ihre Hilfe bat? Schließlich ging es um eine Lebensentscheidung! Außerdem würde sie endlich Zeit für sich haben! War er erst einmal verheiratet, dann konnte sie tun und lassen, was sie wollte. Er und Daniel würden ihre Hilfe nicht mehr benötigen.

“Gute Nacht”, sagte er und öffnete die Haustür, um sie herauszulassen.

“Nacht.” Mehr sagte sie nicht.

Der Motor ihres Autos heulte auf, die Scheinwerfer blitzten, und dann war sie auch schon verschwunden.

Kein Zweifel, sie war über sein Anliegen schockiert!

Er dachte an die vergangenen vier Jahre. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie von Freunden, Partys oder anderen Hobbys berichtet hätte. Sie hatte ihr Leben und ihre Zeit auf Daniels Bedürfnisse abgestimmt. Da war kaum ein Nachmittag oder Abend gewesen, an dem sie nicht die Babysitterin für Daniel gespielt hatte! Vielleicht hätte sie längst eine eigene Familie gegründet, wäre sie nicht als Ersatzmutter für seinen Sohn eingesprungen! Mit ihren siebenundzwanzig Jahren war sie im besten Heiratsalter!

Heirat! Der Gedanke begann, ihm zu gefallen! Wenn er ehrlich war, dann hatte er nichts gegen angenehme, weibliche Gesellschaft am Abend, wenn Daniel im Bett war! Nichts gegen eine Frau, die ihn so freudig begrüßte, wie sein kleiner Sohn es tat!

Er schlich auf Zehenspitzen in Daniels Zimmer. Der Junge schlief fest. J.D. lächelte zärtlich, als er seinen Sohn betrachtete, der einen Haken aus Plastik fest in seiner rechten Hand hielt! Der Haken gehörte zum Kostüm des Captain Hook, der bei einer Seeschlacht eine Hand verloren und stattdessen einen Haken besaß, mit dem er seine Umgebung erschreckte! J.D.’s Lächeln vertiefte sich. Daniel sah eher aus wie ein Engel in seinem Schlafanzug mit Disney-Figuren, den Katie genäht hatte.

Er bückte sich und legte den herabgefallenen braunen Plüschhund zurück auf Daniels Spielkommode. Sein Blick fiel auf ein kleines gerahmtes Foto von Ellen. Er betrachtete es versonnen. Der Junge sah ihnen beiden ähnlich. Er hatte Ellens Gesichtsausdruck, aber die haselnussbraunen Augen mit den langen schwarzen Wimpern waren von ihm.

Er seufzte und erinnerte sich, dass Daniel schon öfter den Wunsch nach einer Mutter geäußert hatte. Vielleicht würde er, mit Katies Hilfe, schon bald eine passende Frau finden, die Daniel wie ihr eigenes Kind lieben würde.

Ja, er spürte, dass er bereit war, seinen Single-Status aufzugeben und eine richtige komplette Familie zu gründen!

Als J.D. am nächsten Morgen die Klinik betrat, war er unsicher. Hatte er gestern Abend einen Fehler gemacht und die unersetzliche, kostbare Freundschaft mit Katie aufs Spiel gesetzt?

Sie grüßte höflich, als er die Notaufnahme betrat. Höflich, nicht herzlich wie sonst. Sie sah blass aus, fand er. Blass und unausgeschlafen. Ihre dunklen Augen waren glanzlos, als hätte sie geweint! Instinktiv spürte er, dass er sie jetzt nicht mit seiner brennenden Frage bedrängen durfte!

“Wie sieht es aus?”, fragte er so normal wie möglich und meinte die Arbeit.

“Ganz gut. Bis jetzt war es sehr ruhig.” Sie deutete auf die Kaffeemaschine in der Ecke. “Frisch aufgebrüht! Bediene dich lieber gleich, sonst ist er weg!”

Er nickte. “Was für ein Aroma! Da kommt Freude auf! Wer hat ihn gemacht?”

“Du bist misstrauisch, hab ich Recht?”

Er lachte. “Na ja, es gibt nur zwei Leute, die guten Kaffee machen können. Beth und du! Beth ist nicht da, also bin ich auf deine Unterstützung angewiesen!”

“Hast du schon einmal überlegt, es selbst zu lernen?”, fragte sie spöttisch. “Es geht einfacher, als du denkst. Es ist nur etwas unbequemer, Doktor!”

Er zuckte zusammen. Ihre Stimmung war tatsächlich in den Minusgraden!

“Okay, nimm dir eine Tasse! Ich habe den Kaffee gemacht. Aber du solltest tatsächlich langsam etwas unabhängiger werden. Jedenfalls von mir!”

Wow! Das klang nicht eben positiv. Aber er ließ sich nichts anmerken. “Danke”, sagte er bescheiden und warf einen hungrigen Blick auf die Kekse.

“Sie sind von Ashley”, warnte Katie unaufgefordert.

“Oh! Eine ihrer eigenen Kreationen?”

“Ich fürchte, ja!”

“Dann verzichte ich lieber.”

Sie nickte verständnisvoll. Ashley, eine junge Kollegin, hatte eine Schwäche für Selbstgebackenes, aber leider kein Talent zum Zuckerbäcker. Es kam oft genug vor, dass ihre Backwaren nicht genießbar waren oder so hart, dass man sein Gebiss riskierte!

“Ich muss zur Pflegedienstleitung”, sagte Katie, bevor er seine Frage stellen konnte. “Ashley ist in der Nähe. Ich nehme den Piepser mit, falls ihr meine Hilfe braucht. Lange wird es nicht dauern, hoffe ich.”

J.D. dachte sich seinen Teil. Normalerweise hätte Katie unaufgefordert mitgeteilt, warum sie Mrs. Morgan aufsuchte, zumal er wusste, wie schwer ihr der Gang zur Vorgesetzten fiel, die von allen Schwestern und Pflegern nur als alte Streitaxt bezeichnet wurde!

Sie nickte ihm flüchtig zu und verließ den Raum. J.D. nahm sich ein medizinisches Journal vor, in der Hoffnung, ungestört den angefangenen Artikel beenden zu können. Ashley Dahlquist betrat den Raum und steuerte zielsicher auf die Kaffeemaschine zu.

“Haben Sie schon von meinem Gebäck probiert, Doktor?”, fragte sie.

J.D. ließ die Zeitschrift sinken. “Noch nicht. Ich habe ausnahmsweise gut gefrühstückt und bin im Augenblick wunschlos glücklich.” Er hoffte, dass Ashley ihm die Ausrede glaubte.

Sie setzte sich neben ihn, und er betrachtete sie unauffällig. Schließlich war er seit heute auf der Suche nach einer Frau!

Ashley gefiel ihm nicht schlecht. Sie hatte ein hübsches Gesicht und eine sportliche Figur. Er wusste, dass sie Volleyball spielte. Sie hatte mit Katie zusammen im letzten Jahr das Schwesternexamen gemacht, war aber ein paar Jahre jünger. Katie war viele Jahre lang Rettungssanitäterin gewesen, bevor sie sich für eine Ausbildung in der Krankenpflege entschlossen hatte. Von daher hatte sie natürlich bessere Voraussetzungen als Ashley, was die Arbeit in der Notfallambulanz betraf.

Ashley hatte ein sanftes Gemüt, war hilfsbereit und bemüht, es allen recht zu machen. Keine schlechten Voraussetzungen für eine Ehefrau, dachte J.D. Nur schade, dass sie eine schlechte Köchin war! Bevor er weiter dieses Thema weiter vertiefen konnte, war Katie schon wieder zurück.

“Da bin ich”, rief sie und hielt plötzlich inne. Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen!

J.D. ahnte den Grund. Sie hatte bemerkt, dass er Ashley anders ansah als sonst. Er musste sie regelrecht begutachtet haben und hoffte inständig, dass Ashley nichts bemerkt hatte!

“Immer noch alles ruhig?”, fragte Katie ablenkend.

“Ja.” Ashley stellte die leere Tasse auf die Ablage. “Ich gehe in die Materialausgabe”, verkündete sie. “Wir haben nur noch wenig Spritzen und Handschuhe.”

“Gute Idee”, stimmte Katie zu. “Kannst du verschiedene Größen mitbringen?”

“Natürlich.” Ashley zog einen Block aus der Tasche und machte sich eine Notiz. “Bis später”, sagte sie und verschwand.

Katie stellte sich vor die Pinnwand und studierte den Dienstplan. “Sie hofft auf einen Verlobungsring an Weihnachten”, sagte sie ohne Einleitung. “Ich dachte, das solltest du wissen.”

“Ja, unbedingt! Siehst du jetzt, warum ich deine Hilfe brauche?”

Sie fixierte ihn scharf. “Okay, aber ich stelle Bedingungen”, erklärte sie fest.

“Ich höre …”

Sie schüttelte den Kopf. “Nicht jetzt. Nicht hier. Darüber reden wir später.”

“Heute Abend?”, fragte er hoffnungsvoll. Jetzt, nachdem er sich für das Heiratsprojekt erwärmt hatte, wollte er keine Zeit mehr verlieren!

“Okay, wenn Daniel im Bett ist.”

“Natürlich.” Es war besser, wenn das Kind nichts mitbekam. Es würde allen, die es hören wollten, erzählen, dass sein Daddy für ihn eine neue Mummy suchte!

“Gut. Übrigens gehe ich heute Nachmittag etwas früher. Ich habe noch viele Überstunden, die ich allmählich abfeiern muss.”

“Hast du etwas Besonderes vor?”

“Nur ein paar Dinge, die ich schon lange vor mir hergeschoben habe”, sagte sie unverbindlich.

Sie sahen durch die Glastür nach draußen. Zwei uniformierte Männer mit einem Gefangenen in Handschellen betraten die Ambulanz. Zwei weitere Beamte folgten.

J.D. und Katie standen auf und gingen auf die Gruppe zu. Der Gefangene im gestreiften Overall war ein massiger, großer, bärtiger Kerl mit einem provisorischen Verband an der Stirn und einer geschwollenen Nase.

“Der hat ein richtiges Gefolge”, bemerkte J.D. leise. “Es muss sich um einen besonders gefährlichen Kandidaten handeln.”

Katie nickte. “Er ist größer und schwerer als die Wärter! Und sieh mal, sie sehen auch ramponiert aus! Prellungen an Stirn und Wangenknochen!”

Der Gefangene presste seinen Arm gegen die Rippen und verzog das Gesicht. Offenbar hatte er Schmerzen im Thorax.

“Hi, Katykins!”, grüßte einer der Uniformierten, und sein grimmiges Gesicht erhellte sich.

“Hi, Thad!”, erwiderte Katie und lächelte erfreut. Zum ersten Mal an diesem Morgen, wie J.D. bemerkte! “Was können wir für euch tun?”

Thad zeigte auf den Gefangenen. “Das ist Ernie Sheldon. Er wollte ausbrechen, weil es ihm bei uns nicht gefiel. Also hat er einen Fluchtversuch unternommen. Mit Folgen, wie man sieht.”

Ernie rollte wild mit den Augen. Allen war klar, was er tun würde, hätte er die lästigen Handschellen nicht an den Händen!

“Er hat Schmerzen in den Rippen”, fuhr Thad fort. “Deshalb haben wir ihn hergebracht.”

J.D. nickte. “Er kommt in Kabine eins”, entschied er.

Katie führte die Gruppe in den etwas abseits gelegenen Behandlungsraum. J.D. folgte. Er wollte Katie nicht mit diesem Goliath allein lassen, obwohl dieser von vier bewaffneten Männern umgeben war.

“Setzen Sie sich, Mr. Sheldon”, sagte Katie höflich.

Thad und die anderen drei Männer verteilten sich auf diverse Posten. Zwei stellten sich an die Tür, die anderen beiden an das Kopf- und Fußende der Untersuchungsliege. Alle hatten eine Hand am Gürtel, wo der Revolver saß! Es war sehr eng in der Kabine!

J.D. wartete, bis Katie die Personalien aufgenommen hatte. Ernest T. Sheldon, zweiundvierzig Jahre alt, zur Zeit Insasse des Staatsgefängnisses von Kansas.

“Haben Sie noch eine andere Adresse, Mr. Sheldon?”, fragte Katie.

“Das geht dich nichts an! Die Knastadresse reicht. Vermutlich werde ich eine Weile dort bleiben.”

“Bestimmt!”, versicherte Thad. “Nach der heutigen Episode allemal!”

Sheldon warf Thad einen flammenden Blick zu und machte ein paar ordinäre Bemerkungen.

“Sie können den Mund gleich offenlassen”, meinte Katie ungerührt und steckte dem verblüfften Sheldon rasch das Fieberthermometer zwischen die Zähne.

Eine wohltuende Stille folgte. J.D. verkniff sich ein Lachen. Er näherte sich dem Gefangenen. “Sie haben Schmerzen in den Rippen”, begann er. “Haben Sie sonst noch Schmerzen, außer am Kopf und der Nase?”

Sheldon schüttelte den Kopf, und Katie entfernte das Thermometer.

“Wo tut es Ihnen weh?”, wollte J.D. wissen.

“Beim Atmen! Die Kerle haben mich zusammengeschlagen!” Er zeigte auf Thad und seine Kollegen. “Miese Typen! Feige Hunde …”

“Hatten Sie schon einmal Lungenprobleme?”, unterbrach J.D. seine Schimpftirade. “Asthma? Tuberkulose? Lungenentzündung?”

Der Gefangene schüttelte den Kopf. “Ich war immer gesund, bis diese Schweine mich fertig gemacht …”

Wieder unterbrach J.D. sein vulgäres Gerede und machte eine gründliche Untersuchung mit dem Stethoskop. Was er hörte, deutete auf gebrochene Rippen. Er wandte sich an Thad. “Können Sie die Handschellen abnehmen?”

Thad schüttelte den Kopf. “Nur im äußersten Notfall!”

“Wir müssen ihn röntgen.”

Katie telefonierte mit der radiologischen Abteilung und erklärte die Situation, während J.D. den blutverschmierten Stirnverband entfernte. “Das muss genäht werden”, erklärte er. “Eine Platzwunde.”

Sheldon grinste. “Hoffentlich gibt es eine ordentliche Narbe”, sagte er. “Ich bin stolz auf jede Narbe, die ich mir erworben habe! Das hat mir eine Menge Respekt eingebracht! Nur diese Idioten hier haben versucht, mich zu leimen!”

“Wie auch immer”, sagte J.D. leicht genervt, “wir müssen Sie wieder in Ordnung bringen. Wir werden eine Blut- und Harnprobe machen und ein paar Röntgenaufnahmen. Es kann sein, dass Sie sich etwas gebrochen haben.”

“Ich? Wovon reden Sie, Doc? Ich habe nichts gebrochen. Diese Kerle haben mir etwas gebrochen!”

Katie stellte einen Plastikbehälter neben seine Liege. “Das ist für die Urinprobe”, erklärte sie sachlich.

Sheldon grinste vertraulich. “Ohne Bier läuft nichts bei mir, Darling!”

“Sie bekommen ein Glas Wasser! Das wirkt ebenso gut! Und beeilen Sie sich! Wir haben noch andere Patienten!”

“Langsam, Puppe! Von dir lasse ich mich noch lange nicht herumkommandieren!”

Katie hob den Kopf. “Ich glaube, Sie brauchen noch einmal ein Fieberthermometer, damit Sie endlich Ihr loses Mundwerk halten! Mir ist es gleichgültig, was Sie sagen, aber hier sind noch andere kranke Menschen, die ein Recht auf Ruhe haben! Also reißen Sie sich gefälligst zusammen! Niemand von uns hat Lust, Sie länger als unbedingt nötig zu ertragen. Also bringen wir es hinter uns, so schnell es geht!”

Sheldon schwieg tatsächlich. Aber er ließ Katie keine Sekunde aus den Augen, als fürchtete er tatsächlich, durch das Thermometer mundtot gemacht zu werden.

Und wieder verbarg J.D. ein Grinsen. Das Mädchen hatte den richtigen Ton drauf!

Auch Thad grinste und warf Katie einen bewundernden Blick zu.

Trotzdem atmeten alle erleichtert auf, als Mr. Sheldon endlich die Klinik wieder verlassen konnte.

“Dem weint niemand eine Träne nach”, bemerkte J.D. “Glücklicherweise sind solche Patienten die Ausnahme!” Er warf einen Blick auf die Untersuchungskabinen. “Heute hätten wir wirklich die zusätzlichen Räume gebrauchen können, nicht wahr?”

“Unbedingt! Aber vielleicht klappt es ja! Jetzt, wo du dabei bist, ein anständiger Bürger der Stadt zu werden!” Sie grinste anzüglich und zog ihren Kittel aus.

“Gehst du schon?”, fragte er.

Sie nickte nur. “Bis später.” Dann nahm sie ihren Mantel und die Handtasche, winkte flüchtig und verschwand.

Der Tag verging, und J.D. hatte alle Hände voll zu tun. Aber als sein Dienst gegen acht Uhr zu Ende ging und Dr. Knox die Nachtschicht antrat, da hielt ihn nichts mehr, und er fuhr auf dem schnellsten Weg nach Hause. Daniel begrüßte ihn überschwänglich.

“Daddy! Daddy, komm schnell! Katie hat eine Überraschung!”

J.D. lächelte gerührt. “Hat sie dein Captain-Hook-Kostüm fertig?”, fragte er.

Aber Daniel griff aufgeregt nach seiner Hand und zog ihn in die Küche. “Du musst die Augen zumachen, Daddy! Sonst ist es keine Überraschung!”

J.D. folgte den Anweisungen seines Sohnes und kniff fest die Augen zusammen. Daniel zog ihn noch ein paar Schritte vorwärts. “So, jetzt darfst du sie wieder aufmachen!”

J.D. öffnete die Augen. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, aber vor ihm stand eine bildschöne Erscheinung!

Er blinzelte und riss die Augen weit auf. Die Frau, die vor ihm stand, die Frau, die er so gut kannte, hatte sich von einer unscheinbaren Raupe in einen wunderschönen Schmetterling verwandelt! “Katie …?”, fragte er atemlos.

Sie lachte und streckte ihm beide Hände entgegen. “Ja, ich bin es wirklich. Du hast keine Halluzinationen!”

“Was hast du angestellt?”, fragte er benommen und schüttelte ungläubig den Kopf. Aus ihrem langen, glatten Haar war eine füllige Lockenmähne geworden, und die ehemals unauffällige hellbraune Farbe leuchtete in einem schimmernden, satten Goldton.

Er kam näher und sah, dass sie ein zartes Make-up trug mit einem Tupfer Rouge auf den Wangen, um ihre hohen Backenknochen zu betonen. Ihre vollen Lippen glänzten verführerisch, und ihre dunklen Augen wirkten größer und mysteriöser!

Auch ihre Kleidung war eine gelungene Überraschung. Normalerweise trug sie alte Bluejeans und hängende T-Shirts und Sweatshirts in Übergröße. In der Klinik trug sie die unkleidsame, formlose Schwesternuniform mit weißen weiten Gummizughosen und einem hemdartigen Oberteil, das bis zu den Knien reichte!

Jetzt hatte sie eine glänzende schwarze Stretchhose an und ein enges rotes Top, das eine Superfigur mit Wespentaille enthüllte!

Sie hat die richtigen Formen an den richtigen Stellen, dachte J.D. spontan, unfähig, etwas Passendes zu sagen! Katie Alexanders überraschende Metamorphose hatte ihm die Sprache verschlagen!

Sie griff sich mit der Hand in die üppigen Locken. “Ich habe schon lange mit einer leichten Dauerwelle geliebäugelt”, bekannte sie. “Und da ich sowieso einen Friseurtermin zum Schneiden hatte, habe ich die Wellen gleich mit machen lassen! Die Haare sind insgesamt etwas kürzer.”

“Du siehst fantastisch aus! Wie ein Model! Fast hätte ich dich nicht erkannt!”

Sie lächelte. “Ich freue mich, dass es dir gefällt.”

Daniel zupfte an seinem Arm. “Daddy, Katie sieht wunderschön aus, nicht wahr?”

“Oh ja!”

“Ich freue mich schon, wenn sie zu unserer Show in den Kindergarten kommt! Sie ist bestimmt die Schönste, Daddy!”

“Du hast Recht, mein Sohn”, stimmte J.D. zu. Er fragte sich insgeheim, warum er vorher Katie nie richtig betrachtet hatte. Er hatte sie immer hübsch gefunden, aber er hatte sie nicht angesehen! So wie man ein Bild ansieht!

Er war immer noch wie benommen, sogar während des Dinners und später, als Katie mit Daniel im Badezimmer verschwand, um ihn für die Nacht fertig zu machen. Als der Kleine schlief, gingen sie ins Wohnzimmer. Katie setzte sich gemütlich auf die Couch und griff nach einem Schreibblock.

“Okay, hier sind meine Bedingungen”, verkündete sie entspannt.

Er schüttelte verständnislos den Kopf. “Bedingungen? Was meinst du?”

“Wach auf, J.D.! Ich habe dir etwas zu sagen! Ich bin bereit, dir bei der Suche nach passenden Frauen zu helfen. Aber nicht umsonst! Ich erwarte, dass du dasselbe für mich tust!”

“Ich fürchte, ich verstehe dich nicht”, antwortete er hilflos.

“Es ist nicht schwer zu verstehen”, erklärte sie geduldig. “Ich möchte, dass du für mich einen passenden Mann findest!”

“Warum? Es dürfte dir nicht schwer fallen, dir selber einen Mann zu suchen!” Er warf ihr einen viel sagenden Blick zu. So wie du jetzt aussiehst, dachte er im Stillen. Supersexy und attraktiv!

Aber sie schüttelte den Kopf. “Nein, J.D. Eine Hand wäscht die andere! Entweder du gehst auf meinen Vorschlag ein, oder wir lassen die ganze Sache fallen, und jeder sieht, wie er zurechtkommt.”

Er schwieg.

“Um die Sache zu erleichtern, schlage ich vor, dass jeder von uns eine Wunschliste anfertigt, die er dem anderen zur Orientierung überlässt. Was hältst du davon?”

Er zuckte die Schultern. “Ich weiß nicht. Warum diese plötzliche Eile? Du hast doch keinen Grund, etwas zu überstürzen!”

Sie zuckte die Schultern. “Du hast mich auf die Idee gebracht, J.D. Hast du nicht selber gesagt, dass ich meine Freizeit für dich und Daniel aufgegeben und mein eigenes Leben vernachlässigt habe? Okay, ich bedaure nichts, aber bald brauchst du mich nicht mehr. Deine zukünftige Frau wird meinen Platz einnehmen. Ich werde viel Zeit haben. Ungewohnt viel Zeit. Und die möchte ich nicht mit Fernsehserien oder Kinofilmen ausfüllen, am Ende in Begleitung einsamer Kolleginnen!”

Natürlich hatte sie Recht. Er war es gewesen, der sie auf ihren Mangel an Eigenleben aufmerksam gemacht hatte! Jetzt konnte er nicht mehr zurück!

Er begriff nicht, warum er nicht freudig ihrem Vorschlag zustimmen konnte! Wahrscheinlich war er einfach ein Gewohnheitstier! Er musste sich erst mit dem Gedanken vertraut machen, dass Katie nicht zu seinem Privatbesitz gehörte! In ein paar Tagen würde er mit ihrer Idee ganz normal umgehen können! Er gab sich einen Ruck.

“Abgemacht”, sagte er. “Ich bin einverstanden!”

4. KAPITEL

Katie kam gleich zur Sache. “Fang du an”, rief sie schwungvoll und nahm Block und Kuli zur Hand. “Also, wie stellst du dir deine zukünftige Frau vor?”

J.D. runzelte die Stirn. “Sie soll nett aussehen, Kinder lieben, Spaß an Sport und Natur haben …”

“Halt!”, rief Katie. “Das musst du genauer erklären. Was verstehst du unter nettem Aussehen? Ein Durchschnittsgesicht oder eine auffallende Schönheit, nach der sich alle Männer umdrehen?”

“Sie soll nicht hässlich sein”, erklärte J.D.

“Groß oder klein? Kurvig oder mager?”

J.D. lächelte über ihren Eifer. “Lieber groß als klein. Gut proportioniert. Ich suche eine Frau, keine Bohnenstange!” So wie dich, hätte er am liebsten hinzugefügt, aber er schwieg. Er wusste nicht, wie die neue, verwandelte Katie auf eine solche Bemerkung reagieren würde.

Sie beugte sich über den Block und machte sich ihre Notizen. “Okay! Nun zum Sport. Was erwartest du?”

“Keine Leistungssportlerin. Aber auch keine Stubenhockerin. Eine Frau, die sich gern bewegt.”

Katie nickte. “Willst du noch mehr Kinder?”

Er zuckte die Schultern. “Warum nicht? Aber es muss nicht sein. Ich würde es dem Schicksal überlassen.”

Autor

Jessica Matthews

Jessica Matthews wuchs auf einer Farm im Westen von Kansas, USA auf. Sie verbrachte ihre Zeit am liebsten mit Lesen. Ihrem Lehrer in der 8. Klasse erzählte sie, dass sie eines Tages Schriftstellerin werden wolle. Wissenschaftliche Lehrbücher und Forschungsunterlagen ersetzten die Liebesromane, Mysteries und Abenteuergeschichten, als sie Medizinisch-Technische Assistentin wurde....

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