Bianca Extra Band 73

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MAMI UND MR. JONES von MEG MAXWELL
Eine Affäre mit dem attraktiven Milliardär Autry Jones ist so ungefähr das Letzte, was die alleinerziehende Mutter Marissa in ihrem Leben braucht. Aber ihre drei kleinen Töchter schmieden einen geheimen Plan. Mr. Jones soll ihr neuer Daddy werden!

ZWEI FÜREINANDER GEMACHT von MARIE FERRARELLA
Auf dem Spielplatz war Eddie immer Tiffanys Beschützer, auf der Uni ihr Rivale um die besten Noten. Und neuerdings unterrichtet er in derselben Schule wie sie! Fast, als würde das Schicksal unbedingt wollen, dass sie sich endlich nach all den Jahren ineinander verlieben …

LIEBESMÄRCHEN IN MANHATTAN von TERI WILSON
Trost, Küsse, Zärtlichkeit: Für eine Nacht treibt tiefe Verzweiflung Evangeline in die Arme eines Fremden. Am nächsten Tag muss er schnell weg, und auf sie wartet ein Bewerbungsgespräch als Weinexpertin im besten Hotel Manhattans. Doch der Hotelbesitzer ist - der Mann von letzter Nacht!

DIE TÜR ZU SEINEM HERZEN von KATHY DOUGLASS
"Was willst du hier?" Jericho klingt furchtbar feindlich, aber seine Ranch ist der einzige Ort, wo Camille untertauchen kann! Doch bald droht dem schönen City Girl auch hier Gefahr - diesmal für ihr Herz. Denn aus Feindschaft wird Sicherheit, aus Sicherheit wird Verlangen …


  • Erscheinungstag 30.07.2019
  • Bandnummer 0073
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736743
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Meg Maxwell, Marie Ferrarella, Teri Wilson, Kathy Douglass

BIANCA EXTRA BAND 73

MEG MAXWELL

Mami und Mr. Jones

Eine Beziehung mit einer Single-Mom? Zu kompliziert, findet Milliardär Autry Jones. Bis er die hübsche Marissa kennenlernt –und ihre drei Töchter. Die schönste Katastrophe der Welt ist perfekt …

MARIE FERRARELLA

Zwei füreinander gemacht

Eddie erkennt sie sofort wieder: Tiffany war doch das Mädchen von nebenan, das er nie vergessen hat. Jetzt ist sie eine faszinierende, wunderschöne Frau. Und unterrichtet an derselben Schule wie er …

TERI WILSON

Liebesmärchen in Manhattan

„Ich heiße übrigens Ryan.“ Zugegeben, das war falsch herum: Erst nach der Liebesnacht nennt er Evangeline seinen Namen. Aber das ist erst der Anfang einer Affäre, die für den Milliardär alles ändert …

KATHY DOUGLASS

Die Tür zu seinem Herzen

Seine Erzfeindin Camille zu sehen, ist das Letzte, was Jericho will. Aber sie behauptet, es ginge um Leben und Tod! Also muss er ihr die Tür zu seiner Ranch öffnen. Und bald auch zu seinem Herzen …

1. KAPITEL

Autry Jones stand vor der Kindertagesstätte „Just Us Kids Daycare Center“. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass die ehrwürdige Firma seiner Familie, Jones Holdings, Inc., nun auch im Kinderbetreuungsgeschäft tätig war. Und jetzt würde er dort hineingehen.

Autry und Kinder – das war keine gute Kombination. Überhaupt hatten die Jones’ mit Kindern nicht viel am Hut. Dennoch hatten zwei seiner vier Brüder nicht nur in diese Kleinstadt in Montana eingeheiratet, sondern auch noch in größerem Stil in ein Franchiseunternehmen für Tagesbetreuung investiert.

Er atmete tief durch, öffnete die Tür und trat ein.

Überall kleine Kinder!

Ein pausbäckiges Baby hockte auf dem Arm einer Frau mittleren Alters, ein Krabbelkind baute einen Turm aus Bauklötzen, und ein kleines Mädchen saß an einem Kindertisch und malte ein Haus und eine lachende Sonne.

Die Frau mit dem Baby kam lächelnd auf Autry zu. „Miss Marley“ stand auf ihrem Namensschild.

„Hi, Miss Marley“, sagte er und reichte ihr die Hand. „Ich bin Autry Jones. Mein …“

„Sie müssen sich nicht vorstellen, Autry! Dass Sie ein Bruder von Walker und Hudson sind, ist nicht zu übersehen. Die beiden haben Sie auch angekündigt für heute. Aber Sie haben sie verpasst, sie sind schon unterwegs ins ‚Ace in the Hole‘. Niemand in dieser Stadt lässt sich das Fernseh-Event entgehen!“

„Ace in the Hole?“ Ass im Ärmel? Fernseh-Event?

Miss Marley sah ihn an, als käme er vom Mars. „Natürlich um die Fernsehshow ‚The Great Roundup‘ anzusehen! Ich muss mit diesem Schätzchen und den Myler-Kindern die Stellung halten, bis ihre Eltern Feierabend haben. Aber drei Leute haben versprochen, mir die Sendung aufzuzeichnen.“

Aha, eine Fernsehshow, wusste Autry nun. Damit kannte er sich nicht aus. Als Geschäftsführer der Jones Holdings, einer Firma, die international im Immobiliengeschäft und in der verarbeitenden Industrie tätig war – und neuerdings in der Tagesbetreuung –, war Autry damit ausgelastet, Geschäfte auszuhandeln und Geld zu verdienen. Zum Fernsehen blieb da keine Zeit. Selbst die Wartezeiten auf den Flughäfen und Langstreckenflügen nutzte er zum Arbeiten. Das wurde von der Familie erwartet. Nun ja, zumindest von seinem Vater.

Doch nun hatte er ganze drei Wochen Zeit für sich – keine Geschäftstermine bis zu den Verhandlungen Ende August mit der Thorpe Corporation in Paris. Er hätte diese dringend benötigte Auszeit am Strand von Bali oder in Kalifornien verbringen und den Anblick schöner Frauen in Bikinis genießen können. Doch zwei seiner Brüder hatten die Familie damit schockiert, dass sie Frauen aus dem Hinterland von Montana geheiratet hatten.

Rust Creek Falls. Wenige Häuser in ganz viel Wildnis. Walkers Beschreibung: „eine Art Wilder Westen“, war nicht übertrieben gewesen.

Walker Jones der Dritte, sein ältester Bruder, von Natur aus alles andere als ein Kleinstädter und der leitende Geschäftsführer des Familienunternehmens, hatte hier nicht nur ein Jones-Holdings-Büro aufgebaut, sondern auch ein richtiges Blockhaus, das er mit seiner frisch Angetrauten Lindsay Dalton Jones bewohnte. Es war zwar der pure Luxuspalast, aber immer noch ein Blockhaus in der Einöde von Montana. Das passte höchstens zu seinem Bruder Hudson, der das Rancherleben und die Weiten Wyomings und Montanas liebte. Hudson führte für Walker das Tagesbetreuungsgeschäft und hatte sich in Bella Stockton, die Managerin, verliebt. Inzwischen lebte das glücklich verheiratete Paar auf der Lazy B Ranch.

Zwei Jones-Brüder waren also runter vom Heiratsmarkt. Besser gesagt, drei, denn Autry hielt trotz seiner dreiunddreißig Jahre nicht viel vom Heiraten. Die jüngeren Brüder, Gideon und Jensen, würde sich wohl auch nicht einfangen lassen. Obwohl – wenn es Walker und Hudson erwischt hatte, schien nichts unmöglich.

Autry verband nicht viel mit seinen Brüdern und diese drei freien Wochen sah er als Chance, das zu ändern.

Zwischen ihrem Vater, dem sehr dominanten Walker Jones dem Zweiten, und seinem Sohn Walker dem Dritten gab es Unstimmigkeiten. Was Hudson anging, so hatte der Vater es schon lange aufgegeben, diesen „missratenen“ Sohn in das Familiengeschäft integrieren zu wollen. Wenn Autry nicht versuchte, die Bindung zu seinen Brüdern zu festigen und die Wogen zwischen ihnen und ihrem Vater zu glätten, würde die Familie auseinanderbrechen. Die Eltern schien das nicht zu kümmern. Doch Autry wollte verstehen, weshalb seine Brüder so unerwartet eine derart verbindliche Beziehung wie eine Ehe eingegangen waren.

„Wessen Daddy bist du?“, fragte das kleine Mädchen plötzlich und fixierte Autry mit großen Augen.

Niemandes. Und so soll es auch bleiben. „Ich bin kein Daddy, Schätzchen, ich bin nur zu Besuch.“

„Das ist Mr. Autry, der Bruder von Mr. Walker und Mr. Hudson“, erklärte Miss Marly der Kleinen lächelnd.

„Mr. Walker und Mr. Hudson sind nett“, befand das Mädchen und widmete sich wieder seiner Malerei.

Seit wann ist Walker denn nett? Hudson hat ja so seine Momente, aber als „nett“ würde ich ihn nicht gerade beschreiben. Was hat Rust Creek Falls aus den Jones-Brüdern gemacht?

Und was hat meine Familie aus mir gemacht, wenn ich „Jones“ und „nett“ nicht in einem Satz unterbringen kann? spann Autry den Faden weiter.

Sein Blick glitt durch den Raum mit den bunten Kindermöbeln. Die Türen führten in Gruppenräume, einen Schlafraum für die Babys und einen Pausenraum. Über dem Empfangstresen prangte in Großbuchstaben WILLKOMMEN, verziert mit Babyfotos und Kinderzeichnungen.

Weshalb verbrachten seine Brüder so viel Zeit mit Kindern? Autry hatte nichts gegen Kinder, jedenfalls nicht, solange er sie nicht selbst großziehen musste. Einer seiner Grundsätze lautete: Keine Verabredung mit Frauen, die Kinder wollen. Und schon gar nicht mit alleinerziehenden Müttern.

Lulus süßes Gesicht, das er seit Monaten verdrängt hatte, schob sich in seine Erinnerung. Noch so ein pausbäckiges Baby, eines mit seidigem schwarzen Haar. Lulu, eigentlich Louisa, im Doppelpack mit ihrer alleinerziehenden Mutter, der schönen Karinna, in die er sich verliebt hatte. Schon bald hatte es sich angefühlt, als sei Lulu sein eigen Fleisch und Blut. Plötzlich hatte der Jetsetter Windeln gewechselt und Gefallen daran gefunden, der Frau, die er liebte, beim Vorsingen von Schlafliedern zuzuhören, anstatt sich um die Geschäfte von Jones Holdings zu kümmern. Nach wenigen Monaten hatte Karinna ihn verlassen für jemanden, der noch mehr Geld hatte. Autry hatte nicht nur sein Herz verloren, sondern auch das Kind, dem er es geöffnet hatte.

Nie wieder alleinerziehende Mütter!

„Das ‚Ace in the Hole‘ ist in der Sawmill Street“, unterbrach Miss Marley seine Gedanken. „Sie können es nicht verfehlen. Bestellen Sie die Rippchen, es sind die besten der Stadt.“

Aha, das „Ace in the Hole“ war offenbar so eine Kneipe mit einem großen Fernseher. Die Aussicht auf Rippchen und ein kühles Bier war verlockend. Außerdem freute er sich auf seine Brüder und darauf, ihre Frauen näher kennenzulernen. Zwar war er zu den Hochzeiten eingeflogen, hatte aber schon am folgenden Tag wieder abreisen müssen. Doch jetzt hatte er Zeit, die geheimnisvolle Wandlung seiner Brüder zu ergründen.

„Danke für den Tipp, Miss Marley. Ich werde die Rippchen probieren.“

„Auf Brenna und Travis!“, sagte Miss Marley und schwenkte das Baby. „Stellen Sie sich mal vor: Zwei unserer Leute in einer Reality-Fernsehshow! Wie aufregend!“

Wer auch immer Brenna und Travis waren, eine Fernsehshow namens „The Great Roundup“ – „Der große Herdenauftrieb“ – hatte wohl was mit Tieren zu tun. Vielleicht mit Pferden?

„Da“, sagte das Baby auf Miss Marley Arm und streckte seine Arme nach Autry aus.

Der alte Schmerz erwischte ihn unvermittelt. Dabei hatte er gedacht, er sei darüber hinweg.

Miss Marley lächelte. „Das ist nicht dein Daddy, Dylan.“

Autry rang sich ebenfalls ein Lächeln ab. „War nett, Sie kennenzulernen!“ Er gab ihr die Hand und wandte sich zum Ausgang.

In einer Kneipe sind bestimmt weder Babys noch Kinder. „Ace in the Hole“, ich komme!

„Wow!“, sagte Marissa Fuller, als sie mit ihrer neunjährigen Tochter Abby das „Ace in the Hole“ betrat. „Heute gibt’s nur Stehplätze.“ Gut, dass sie ihre beiden jüngeren Mädchen daheim bei den Großeltern gelassen hatte.

„Das ist so spannend, Mom!“, begeisterte sich Abby. „Hättest du je gedacht, dass sie hier in Rust Creek Falls filmen würden? All die tollen Cowboys kämpfen in Western-Wettbewerben um ’ne Million Dollar. Und zwei von ihnen kennen wir sogar!“

Neben ihrer Freundin Anne, der Mutter von Abbys bester Freundin Janie, entdeckte Marissa einen freien Platz.

„Marissa!“ Anne winkte sie herüber. „Ich halte den Platz seit zwanzig Minuten für dich frei und habe eine Menge böser Blicke dafür geerntet von Leuten, die ihn auch wollten. Einer wollte mir dafür sogar ein Steak spendieren!“

„War er hübsch?“, wollte Abby wissen. „Hatte er Grübchen wie Lyle von 2LOVEU?“

Marissa schüttelte grinsend den Kopf und ließ sich dankbar neben Anne an dem Zweiertisch nieder, der zwischen zwei anderen Tischen eingepfercht stand. 2LOVEU war Abbys Lieblingsthema, eine Boyband, deren Songs sie stundenlang hörte. Inzwischen konnte Marissa sie auch schon auswendig.

„Ja, hübsch war er“, berichtete Anne. „Aber um die fünfzig. Und ohne Grübchen, sorry.“

„Du kannst auf meinem Schoß sitzen“, bot Marissa ihrer Tochter an.

„Mom, ich bin neun!“, flüsterte die entsetzt.

Anne lächelte Abby zu. „Janie sitzt da drüben auf dem Boden zwischen den Kindern. Sie hat dir auch einen Platz freigehalten.“

„Tschüss!“ Und schon rannte Abby zu den Matten, auf denen um die dreißig Kinder saßen, aufgeregt schwatzten und Popcorn futterten, das kostenlos verteilt worden war. Die beiden riesigen Bildschirme an den Enden der Bar waren von jedem Platz im Raum aus gut einsehbar.

„Du bist die Beste, Anne“, lobte Marissa. Als geschiedene Mutter mit einem Vollzeitjob am Empfang einer Tierarztpraxis hatte Anne ihr Leben im Griff.

„Ich wollte schon vor zwanzig Minuten hier sein, aber Kiera konnte ihre Lieblingspuppe nicht finden und hatte einen Mega-Wutanfall, als ich gerade los wollte. Ich dachte, Wutanfälle hören mit fünf Jahren wieder auf.“

Anne grinste. „Einer meiner Nachbarn ist heute früh ausgeflippt, weil ein Hund über die Ecke seines Grundstücks lief. Ich glaube, da gibt es keine Altersbegrenzung.“

„Dann hat Kaylee sich beim Abendessen eine grüne Bohne ins Ohr gesteckt. Beruhige mal eine heulende Dreijährige, die glaubt, dass sie dadurch selbst eine grüne Bohne wird!“

Schließlich hatten ihre Eltern, die begeisterte Großeltern waren, Marissa hinauskomplimentiert mit dem Versprechen, Kieras Puppe zu finden und Kaylee zu beruhigen. Doch auch wenn Marissa dringend einen Abend für sich brauchte, war ihr nicht wohl dabei, die Großeltern mit den Tränen und Trotzanfällen der Enkel zu belasten. Das war Aufgabe der Eltern. Und der einzige Elternteil war nun mal sie.

Seit dem Tod von Marissas Mann Mike vor zwei Jahren standen ihre Eltern ihr zur Seite. Sie hatten ihr über die erste Not hinweggeholfen und waren zur Stelle gewesen, als Marissa sich hatte eingestehen müssen, dass sie es allein nicht schaffte. Schließlich hatte Marissa das Angebot, wieder bei ihnen einzuziehen, angenommen. Doch die Verantwortung für ihre drei Töchter sah sie bei sich selbst und wollte die Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit ihrer Eltern nicht ausnutzen. Ganz gleich, wie müde sie von ihrem Job im Büro des Sheriffs heimkam oder ob sie bis morgens um drei ein krankes Kind trösten musste – Marissa erfüllte ihre Mutterpflichten. Trotzdem fühlte sie sich unter dem Dach ihrer Eltern bisweilen selbst wie ein Kind anstatt wie eine siebenundzwanzigjährige Witwe.

Jubel brandete durch den Raum. Marissa sah zum Bildschirm. In einer Vorschau auf „The Great Roundup“, das in wenigen Minuten starten würde, wurde gerade Brenna aus Rust Creek Falls interviewt, die mit ihrem attraktiven Verlobten an dem Wettkampf teilnahm.

„Brenna O’Reilly und Travis Dalton.“ Anne schüttelte amüsiert den Kopf. „Der wilde Cowboy und die kokette Friseurin als Verlobte, wer hätte das gedacht!“

Marissa, die Brenna flüchtig von der Highschool kannte, musste Anne zustimmen. Brenna hatte immer davon gesprochen, Rust Creek Falls hinter sich zu lassen. Nun, für die sechs Wochen Dreharbeiten auf der Lonesome Guest Ranch war ihr das schon mal gelungen. Es wurde gemunkelt, Brenna und Travis würden heute zum Fernseh-Event ins „Ace in the Hole“ kommen.

Eigentlich war Travis, der Supercowboy, als einziger Teilnehmer aus Rust Creek Falls in dieser Show, in der sich Männlein wie Weiblein Herausforderungen im Western-Style stellen mussten, vorgesehen gewesen. Aber als die Produktionsfirma im letzten Monat im Ort ein bisschen Lokalkolorit gefilmt und gesehen hatte, was für eine Ausstrahlung Travis und die telegene Brenna zusammen hatten, hatten sie auch Brenna in die Show eingeladen. Bis dahin hatte man die beiden nicht mal zusammen ausgehen sehen, aber plötzlich hatte Travis um Brennas Hand angehalten und nun waren sie „die Verlobten aus The Great Roundup“.

„Das passt zu Travis“, kommentierte Nate Crawford, Besitzer des Warenhauses und des Hotels Maverick Manor, grinsend. „Hält um die Hand einer Frau an für ’ne gute Quote!“

Anne lachte. „Ich hab die beiden letzten Monat ein paarmal gesehen, als die Kameras nicht liefen. Die haben nicht gespielt, die sind ganz sicher verknallt!“

Marissa seufzte etwas wehmütig. Den ganzen letzten Monat hatte ihre Tochter Abby pausenlos über den „traumhaften“ neuen Star der Stadt, nämlich Travis, geredet, fast so traumhaft wie Lyle, der Leadsänger von 2LOVEU. Und Brenna mit ihrer unbekümmerten Art hatte schon in der Highschool jede Menge Verabredungen gehabt. Währenddessen war Marissa immer mit demselbem Jungen, Michael Fuller, ausgegangen, und als sie nach dem Abschluss schwanger wurde, hatte sie Mike mit achtzehn geheiratet. Brenna hingegen hatte sich ausgetobt und war der Liebe begegnet, als sie bereit dafür war.

Marissa wollte gerade eine der geschäftigen Kellnerinnen herbeiwinken, als Abby angelaufen kam.

„Mom“, sagte sie mit verklärtem Blick, „den solltest du dir krallen. Ganz bestimmt!“

Krallen? Wie bitte? Marissa blickte in die Richtung, in die Abby starrte.

Ah! Drei sehr gut aussehende Männer – die beiden Jones Brüder und ein Dritter, der ihnen ähnlich sah – unterhielten sich an der Bar und schienen sich zu amüsieren. Gebannt blieb Marissas Blick an dem Fremden hängen. Irgendwo hatte sie gehört, dass es noch weitere Jones-Brüder gab. Dann war der hochgewachsene Adonis in ihrer Mitte mit seinem vollen dunkelblonden Haar, den strahlend blauen Augen und einem Designershirt, das zweifellos teurer war als die Jahresausstattung von Marissas drei Töchtern, wohl auch ein Jones. Sie waren Millionäre, gehörten aber der seltenen Spezies an, die sowohl in eine Großstadt als auch nach Montana passte. Sie musterte den Mann verstohlen. Der Schnitt des Western-Shirts, die Cowboystiefel aus feinstem Leder, die Gürtelschnalle mit den Initialen AJ und die schmal geschnittene, tiefsitzende dunkle Jeans hatten einfach das gewisse Etwas. Abby kannte Walker und Hudson, also musste sie diesen Mann in der Mitte gemeint haben. Und sie hatte recht: Er war sexy!

„Sie sehen aus wie einer Werbung für Herrenparfüms entsprungen“, witzelte Marissa, „oder einem Filmplakat. Aber was meinst du mit ‚krallen‘?“

Abby grinste und kam ganz nah: „Als deinen Freund!“ Kichernd rannte sie zu ihrem Platz neben ihrer Freundin zurück.

Anne lachte schallend los, doch Marissa seufzte. Das war nicht Abbys erster Versuch dieser Art.

„Ist sie nicht ein bisschen jung dafür, sich so viel mit Jungs zu beschäftigen?“, fragte Marissa. „Poster von 2LOVEU in ihrem Zimmer aufhängen ist eine Sache. Aber jeden Mann darauf abzuklopfen, ob er für ihre Mutter passt, ist schon was anderes.“

„Janie ist genauso. Wir waren doch als Kinder auch nicht viel anders.“

„Abgesehen davon, dass wir uns nicht mehr daran erinnern können, wie es war, ein Kind zu sein, weil wir inzwischen hundert Jahre alt sind“, warf Marissa ein.

„Genau.“ Anne lachte.

Marissa ertappte sich dabei, dass sie schon wieder den beeindruckenden Fremden ansah. Seine blonde Tolle war mit Schwung nach hinten gestylt wie bei den Hemsworth-Brüdern. Den feinen Fältchen in seinen Augenwinkeln nach ist er wohl etwas älter als ich, Anfang dreißig vielleicht. Und diese Schultern! Diese Arme! Diese Taille über der sexy Jeans, die …

O Gott!

Er hob sein Bierglas in ihre Richtung und zwinkerte ihr zu.

Erwischt!

Wie peinlich!

„Könnte sich bitte die Erde auftun und mich verschlingen?“, fragte Marissa und wünschte sich, die Frau vor ihr hätte eine voluminösere Frisur, damit sie sich mit ihren jetzt sicher schamroten Wangen dahinter verstecken könnte.

„Willst du den Anfang von ‚The Great Roundup‘ verpassen?“, fragte Anne und grinste frech.

„Los, rede mit ihm! Du hast nur ein paar Minuten!“

„Was? Mit dem? Mit diesem absoluten Spitzenexemplar von Mann? Der ist zu fantastisch, um wahr zu sein!“

Anne lachte. „Die Kellnerinnen schaffen es nie, uns vor der Show noch was zu bringen. Hol uns zwei Bier und irgendwas Leckeres. Das ist doch ein prima Anlass, rüber zu gehen. Lindsay hat erwähnt, dass ihr Schwager Autry diese Woche kommt und dass der schon die ganze Welt gesehen hat. Dieser Mann ist ein Jetsetter. Und ein toller Typ. Schnapp ihn dir!“

Marissa verspürte den Drang, genau das tun.

Aber, halt! sie war eine verwitwete Mutter von drei kleinen Töchtern und wohnte bei ihren Eltern! Solange niemand etwas über sie wusste, mochte sie attraktiv wirken. Doch wenn er erfuhr, wie sie lebte, würde der Mann die Flucht ergreifen!

„Ich stelle mir gerade vor, wie dieser durchgestylte Typ grüne Bohnen aus Kieras Ohren pult“, sagte Marissa. „Er ist eine Augenweide, aber – nein! Ich werde allein bleiben, bis Kaylee mit der Highschool fertig ist.“ Sind ja nur noch fünfzehn Jahre …

„Marissa Fuller!“, schalt Anne sie liebevoll. „Was hat Brennas und Travis’ verrückte Romanze uns gelehrt? Dass man nie weiß, was kommt! Wenn du offen dafür bist, kann die Liebe einfach auftauchen!“

Annes positive Einstellung berührte Marissa tief, war doch gerade Anne nie über die Trennung von ihrer ersten Liebe Daniel Stockton wirklich hinweggekommen. Marissa umarmte ihre Freundin. „Vielleicht findet die Liebe uns ja beide.“

„Also ich an deiner Stelle würde jetzt zur Bar rübergehen, bevor es eine andere tut!“

Aber Marissa blieb, wo wie war, behielt Abby im Auge und dachte an zu Hause. Mal einen Abend auszugehen war dringend nötig. Doch sie liebte es, die Kinder ins Bett zu bringen und ihnen Gutenachtgeschichten zu erzählen. Das war ihr Leben. Nicht tolle Männer in Tausend-Dollar-Cowboystiefeln.

Auch wenn man über diesen einen wirklich ins Träumen kommen konnte.

2. KAPITEL

Autry hatte beobachtet, wie die Brünette mit den dunklen Augen mehrmals vergeblich versucht hatte, die Kellnerin herbeizurufen, und sah seine Chance gekommen. Er bestellte an der Bar: „Zweimal das beste Bier!“ Der Barkeeper stellte ihm zwei der üblichen frisch Gezapften hin.

„Mensch, Autry“, erklärte Walker, „das hier ist eine Kneipe in Rust Creek Falls! Die haben hier keine Zwölf-Dollar-Biere.“

„Und zwei Bier?“, feixte Hudson. „Du bist seit gerade mal fünf Minuten hier und hast schon ein Auge auf jemanden geworfen?“

Autry lächelte. „Ich werde drei Wochen hier sein, das ist ganz schön lange. Ihr habt jetzt eure Frauen und ein Privatleben nach Feierabend. Irgendwie muss ich die Zeit ja rumkriegen!“

„Vorsichtig, Bruderherz! Hier liegt irgendwas in der Luft. Mich hat es schon erwischt und Hudson auch. Das kann dir auch passieren!“

„Auf gar keinen Fall“, versicherte Autry und behielt die brünette Schönheit im Blick. Wie konnte eine Frau in Jeansshorts und einem gelben T-Shirt nur so hinreißend aussehen? „Ende August werde ich in Paris sein – als Single, wie gehabt.“

„Wenn du meinst“, sagte Hudson und prostete Autry zu.

Aber der Blick, den Hudson seinem Bruder Walker zuwarf, entging Autry nicht. Auf jeden Fall war es schön, die beiden wiederzusehen, miteinander ein Bier zu trinken und Spaß zu haben.

Eine Frau mit einem Baby auf dem Arm neben ihnen schaltete sich ein: „Hey, Walker, kannst du Jackson bitte kurz halten, damit ich meine Tante und meinen Onkel begrüßen kann?“

„Natürlich, Candace“, sagte Walker und nahm das Baby, als täte er den ganzen Tag nichts anderes.

Walker Jones der Dritte wiegte das Baby in seinen Armen und säuselte: „Na wo ist denn mein Süßer?“

Himmel, auf welchem Planeten bin ich hier gelandet? dachte Autry.

Und hier waren wirklich überall Babys, selbst an der Bar. Natürlich war heute ein besonderer Abend, und anscheinend hatte sich das ganze Städtchen hier eingefunden. Nach all dem, was Autry in den letzten zehn Minuten über „The Great Roundup“ gehört hatte, war er selbst schon ganz gespannt. Cowboys kämpften um eine Million Dollar? Das war doch mal was! Auch wenn die Jones schwerreich waren, im Herzen waren sie Cowboys. Pferde gehörten zu Autrys frühesten Erinnerungen und sein erstes Geschenk war eine Spardose in Form eines Pferdes gewesen.

Jacksons Mutter kam zurück und nahm Walker ihren Sohn ab. „Du bist ein Schatz!“, dankte sie ihm.

Walker – ein Schatz? Autry konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Hudson grinste. „Glaub mir, Walker und ich wurden hier geläutert. Und du bist der Nächste!“

„Ich bin immun!“, widersprach Autry.

„Klar doch, Brüderchen“, antwortete Hudson mit einem gönnerhaften Nicken und schaute zu den Tischen hinüber. „Bella winkt uns zu unseren Plätzen, unsere Rippchen sind serviert!“

Der Tisch war nur zwei Tische von der Brünetten entfernt, stellte Autry erfreut fest. Wie günstig!

„Setzen wir uns“, sagte Walker und nickte seiner Frau Lindsay zu, die neben Bella saß. „Ich freue mich sehr, dass du hier bist, Autry. Bei der Hochzeit hatten wir kaum Zeit zum Reden. Nach der Show gehen wir noch auf einen Absacker ins Maverick Manor.“

Walker gab Autry einen leichten Klaps auf die Schulter und folgte Hudson zum Tisch, als der Barkeeper die beiden Bier, die Autry bestellt hatte, auf den Tresen stellte.

„Ich komme gleich!“, rief Autry seinen Brüdern hinterher.

Mit den Gläsern in der Hand schlängelte er sich durch die Menschenmenge. Nichts würde ihn davon abbringen, diese Frau kennenzulernen. Warum sollte er nicht ein paar wundervolle Tage haben, bevor er nach Paris aufbrach? Je näher er der Frau kam, desto mehr zogen ihre braunen Augen und das natürliche Rot ihrer Lippen ihn in ihren Bann. Er musste sie einfach kennenlernen!

„Hallo“, sagte er, nickte der Brünetten und der Blondine neben ihr zu und stellte vor jeder ein Bierglas ab. „Bitte sehr. Autry Jones, stets zu euren Diensten.“

„Hab’ ich mir schon gedacht, dass du einer von den Jones-Brüdern bist“, sagte die Brünette. „Ich bin Marissa Fuller und das ist meine Freundin Anne Lattimore. Danke für das Bier, das ist sehr aufmerksam von dir.“ Sie lächelte, trank einen Schluck, setzte das Glas wieder ab und sah sich um.

Wo blieb denn das Anschmachten, das Sich-in-Szene-Setzen, das Umgarnen, all das, was die Frauen sonst immer abzogen? wunderte sich Autry.

Marissa schenkte ihm einen weiteren Blick. „Besuchst du hier deine Brüder?“, erkundigte sie sich.

Er nickte. „Für drei Wochen. Ich lebe sonst in Tulsa, da ist Rust Creek Falls eine nette Abwechslung.“

„Wohnst du bei Walker oder bei Hudson?“, fragte Marissa. „An Walkers Haus fahre ich manchmal vorbei. Es ist einfach fantastisch – eine Villa ganz aus Baumstämmen!“

Autry lächelte. „Eine Villa aus Baumstämmen für Walker und eine tolle Ranch für Hudson. Ich hatte mir beides nach ihren Hochzeiten im Mai und Juni angeschaut. Aber ich wohne im Maverick Manor.“

Überraschung zeichnete sich auf ihrem hübschen Gesicht ab. „Drei Wochen lang?“

„Ich habe gern Zimmerservice“, erklärte er. Der Hauptgrund war, dass ihm seine Brüder nicht vertraut genug waren, um so lange bei ihnen zu wohnen. Aber Zimmerservice schätzte er natürlich auch. Er war so an Luxushotels gewöhnt, dass er private Häuslichkeit eher befremdlich fand.

„Haben wir das nicht alle?“, gab sie lachend zurück.

Ihr Lachen war so hinreißend, dass Autry fast alles um sich herum vergaß. Dann registrierte er, dass Walker ihm zuwinkte und hörte ihn rufen: „Autry, ich esse deine Rippchen gleich mit!“

„Vielleicht gehst du besser rüber, bevor nur noch Knochen übrig sind“, ulkte Marissa.

„War nett, dich kennenzulernen“, sagte Anne. „Und danke für das Bier.“

Er konnte sich nicht vom Fleck rühren.

Erst das: „Ey, Kumpel, du versperrst mir die Sicht aufs Bild!“, eines Mannes hinter ihm brachte ihn wieder zur Besinnung.

„Tut mir leid“, sagte er zu dem Typen. Dann lächelte er Marissa und Anne noch mal zu und ging zu seinem Tisch.

Als er kurz darauf zu Marissa hinüber sah, warf die ihm keinesfalls verführerische Blicke zu, um ihm zu signalisieren, dass sie ihn später noch treffen wollte, sondern plauderte mit ihrer Freundin.

Nun gut, dachte er und biss in ein köstliches Rippchen mit der besten Barbecuesauce seit Jahren. Offenbar tat sich hier eine Herausforderung auf. Und Herausforderungen waren genau sein Ding.

Nun gut, dachte auch Marissa, während der Vorspann über die Bildschirme flimmerte. Der Mann ist für drei Wochen in der Stadt. Vielleicht wäre es eine nette Abwechslung, mit einem höchst attraktiven Kerl zum Dinner auszugehen, anstatt zum dreißigsten Mal „E.T.“ und „Die Eiskönigin“ im Wohnzimmer ihrer Eltern anzuschauen und anschließend heruntergefallenes Popcorn aufzusammeln.

„Da ist Travis!“, sagte Anne, als das markante Gesicht des Cowboys die Leinwand ausfüllte. In dem im letzten Monat in Rust Creek Falls aufgenommenen Trailer sprach er über seine Liebe zu Pferden und über seine Verlobte. Es folgten Travis und Brenna, die mit anderen Teilnehmern zur „Kantine“ ritten, wo ihr Gastgeber Jasper Ride, ein ganz in Schwarz gekleideter Cowboy mittleren Alters mit einem schwarzen Schnauzbart, sie erwartete. Im „Ace in the Hole“ brach Jubel aus.

Jasper erklärte die Regeln: Der letzte Cowboy oder das Cowgirl, das noch auf den Beinen war, gewann eine Million Dollar. Für einige Wettkämpfe würden sie mit einem Partner antreten, aber letztlich kämpfte jeder für sich allein. In kleinen Ausschnitten wurden die zweiundzwanzig Teilnehmer vorgestellt. Eine Teilnehmerin fesselte Marissas Aufmerksamkeit besonders: Rodeo-Star Summer Knight, blond und sexy. Nach fünf Minuten wusste Marissa, dass Summer total auf Travis abfuhr. Sie suchte ständig seine Nähe, doch Brenna schob sich zwischen die beiden und drängte Summer beiseite, was Marissa amüsiert beobachtete.

Die Herausforderungen, denen sich die Wettkämpfer in Zweiergruppen zu stellen hatten, reichten vom Bauen eines Unterstands über das Einfangen einer Kuh bis zum Heuballen-Rollen. Der jeweilige Gewinner war für die nächste Runde mit „Immunität“ geschützt und am Ende des Tages musste ein Teilnehmer ausscheiden.

Marissa trank ihr Bier, während die Teilnehmer ein Zeltlager errichteten und davor ein Lagerfeuer entfachten. Dann war es Zeit für die erste Herausforderung: Rinder mit Brandzeichen kennzeichnen, mithilfe von Kaltbrand, einem im Gegensatz zum herkömmlichen Brandzeichen schmerzlosen Verfahren. Travis und Brenna traten gegeneinander an. Als am Ende der Folge keiner von beiden ausscheiden musste, herrschte allgemeine Freude.

Plötzlich erfüllte ein noch größerer Jubel die Bar. Die Leute standen auf und applaudierten. Da es so voll war, konnte Marissa nicht sehen, was vor sich ging. „Was haben wir verpasst?“, fragte sie Anne, die die Achseln zuckte.

An der Eingangstür bildete sich eine Menschentraube. Marissa reckte ihren Hals und sah einen pinkfarbenen Cowboyhut. Sie kannte nur eine Frau, die so etwas trug.

„Brenna und Travis!“, rief jemand.

Applaus und bewundernde Pfiffe brandeten durch den Raum.

„Chicken Wings und eine Runde für alle!“, rief Travis. „Geht auf mich!“

„Limonade für die Kinder!“, ergänzte Brenna grinsend.

Die Kellnerinnen verschwanden in der Küche, um die großzügige Bestellung auszuführen.

„Herzlichen Dank euch allen, dass ihr uns feiert“, sagte Travis und zog seinen Stetson.

„Ihr habt doch uns gefeiert, oder?“, hakte Brenna schmunzelnd nach.

Marissa hatte keinen freien Blick auf die beiden. Sie sah nur den lockeren Zopf von Brennas langen, roten Haaren unter dem pinkfarbenen Hut und dass der gutaussehende Travis seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.

Und an ihrem Finger glitzerte der Diamant ihres Verlobungsrings. Während Brenna und Travis Fragen zur aktuellen Folge beantworteten, sah Marissa, wie verliebt sich die beiden anschauten. In Travis’ Blick lag so viel Wärme und Respekt, wenn er Brenna anschaute, und Brenna hatte noch nie so glücklich ausgesehen.

Schön für die beiden, dachte Marissa. Eines Tages würde sie so etwas auch gern noch einmal erleben.

Eine große Romanze konnte sie sich ohnehin nicht vorstellen, als verwitwete Mutter von drei kleinen Kindern. Das war ihr Leben, ihr Vollzeitjob, den sie neben ihrem Teilzeitjob im Büro des Sheriffs hatte. Wie sollte da Zeit für eine heiße Liebesaffäre bleiben?

„In Rust Creek Falls liegt Liebe in der Luft“, flüsterte Anne. „Wenn ihnen das passiert ist, kann es auch uns passieren!“

Marissa sah zu, wie Travis seine Brenna leicht nach hinten beugte für einen dramatischen Kuss, den aber der vorgehaltene Cowboyhut verdeckte. Seufz. Wurde ich jemals so geküsst? In der kurzen Zeit, als Mike und ich nur ein Paar und noch keine Eltern waren?

„Bitte!“, sagte sie zu Anne. „Sie sind jetzt Fernsehstars. Ich bin immer noch durchschnittlich in meinen Jeansshorts.“

„Jemandem, der sicher nicht nur ‚durchschnittlich‘ ist, scheinen diese Jeansshorts aber zu gefallen“, stellte Anne fest und hob vielsagend ihre Augenbrauen.

Marissas Blick schweifte zu Autry Jones’ Tisch.

Er sah sie ganz direkt an, freundlich und voller Wärme, und prostete ihr zu. Ganz offensichtlich flirtete er mit ihr.

Sie lächelte und wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu. Als sie das nächste Mal in seine Richtung blickte, war er in ein Gespräch mit Hudson vertieft.

Du wirst schon ein bisschen mehr riskieren müssen, dachte Marissa und taxierte seine breiten Schultern unter dem engen, dunkelgrünen T-Shirt. Wenn er dich einlädt, sagst du zu. Es ist nur ein Date, er muss dich ja nicht heiraten und deinen Kindern ein Vater sein. Nur ein Abendessen, spann sie den Faden weiter, ein Spaziergang oder ein Film, und als krönender Abschluss ein wundervoller Kuss – hoffentlich. Er ist nur drei Wochen hier.

Auf dem Bildschirm schwärmte in der Vorschau für die Folge der nächsten Woche Brenna gerade davon, wie galant und romantisch Travis selbst beim Setzen der Brandzeichen war. Und ihr Verlobungsring funkelte.

Doch ein Mann wie Autry – kinderloser Single und Jetsetter – würde bestimmt nicht mit einer Witwe mit drei Kindern, einem anstrengenden Halbtagsjob und Eltern mit Argusaugen ausgehen wollen.

Trotzdem war es schön, sich das vorzustellen.

Als kurz darauf die erste Folge endete und der Fernseher auf Sportkommentare umgeschaltet wurde, rief Marissas Mutter an. Kiera war überzeugt, dass in ihrem Schrank ein Monster saß. Eine halbe Stunde hatten die Großeltern vergeblich versucht, das der Fünfjährigen auszureden; nun waren sie mit ihrem Latein am Ende. Marissa verabschiedete sich von Anne und machte sich mit Abby, die wieder kein anderes Thema kannte als den traumhaften Travis und den wunderbaren Lyle von 2LOVEU, auf den Heimweg.

Letztlich war Marissa dankbar für die kleine Schnattergans an ihrer Seite: Solange sie Abby zuhören und ein gelegentliches Oja! einstreuen musste, wurde ihre Aufmerksamkeit von diesem eins neunzig großen, gut gebauten, umwerfenden Mann abgelenkt. Zu Hause bewaffnete sich Marissa mit der Wassersprühflasche, die sie für die Bügelwäsche benutzte, und ging mit dem Monster-Supervernichtungsspray nach oben.

Kaylee hatte das Monsterdrama offenbar verschlafen und so schlich Marissa auf Zehenspitzen ins Zimmer, um sie nicht noch aufzuwecken.

„Mommy! Das Monster wird mich packen!“, erklang es hinter Kieras Kissen.

Marissa setzte sich auf Kieras Bett.

„Schatz, ich bin deine Mutter und ich gebe dir mein Wort, dass da kein Monster in deinem Schrank sitzt! Manchmal spielt uns unsere Wahrnehmung einen Streich und erschreckt uns, obwohl da gar nichts ist.“

„Aber ich hab’s doch gesehen! Es hat die Tür aufgemacht und mich böse angeguckt! Es hat drei Augen!“

„Dann schauen wir mal nach“, bot Marissa an. Während Kiera hinter ihrem Kissen in Deckung blieb, ging Marissa zum Schrank und öffnete die Tür. Kein Monster, nur Kinderkleidung!

„Hier ist kein Monster, Kiera. Ehrenwort!“

„Kannst du trotzdem ein bisschen was reinsprühen? Nur zur Sicherheit?“

Marissa versprühte etwas Wassernebel, schloss die Schranktür und ging wieder zu Kieras Bett.

„Jetzt geht’s mir besser, Mommy.“

Drei Minuten später schnarchte Kiera mit ihrem orangefarbenen Affen im Arm vor sich hin.

„Du bist so eine tolle Mom“, flüsterte jemand.

Marissa fuhr herum.

In der Tür stand Abby und sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.

„Alles in Ordnung, Abby?“

„Ja. Und ich bin wirklich froh, dass du unsere Mom bist! Du sagst und tust immer das Richtige.“

Marissa breitete die Arme aus und Abby flog hinein. Manchmal vergaß Marissa fast, dass Abby erst neun war. Sie nahm ihre Rolle als große Schwester sehr ernst.

„Danke, Abby. Ich liebe dich bis zum Mond und wieder zurück.“

„Ich dich auch, Mom.“ Damit ging Abby schlafen. Sie wünschte dem 2LOVEU-Poster über ihrem Bett gute Nacht, griff sich ihren Lieblingsteddy, den sie gleich nach ihrer Geburt von ihrem Vater bekommen hatte, und war fünf Minuten später im Land der Träume.

Marissa beobachtete, wie sich die Brust ihrer Tochter unter der rosafarbenen Bettdecke hob und senkte, küsste sie auf die Wange und schlicht hinüber zu Kiera, um auch ihr einen Kuss zu geben. Kaylee lag auf dem Bauch in ihrem Kleinkinderbett.

Das ist mein Leben, dachte Marissa. Natürlich war es nett, davon zu träumen, dass sich ein gutaussehender Mann um einen bemühte. Ein heißer Typ. Nichts weniger als ein Multimillionär. Nichts als Hirngespinste!

Alles, was Marissa brauchte und wollte, war in diesem Raum. Obwohl es nicht leicht war, war ihr Herz erfüllt und sie betrachtete ihr Leben als gesegnet.

Sie stand auf, ging ins Wohnzimmer, bedankte sich noch mal bei ihren Eltern und wünschte ihnen eine gute Nacht. Dann ging sie in ihr Zimmer, machte sich bettfertig und schlüpfte unter ihre Decke.

Augenblicklich war Autry Jones wieder präsent. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen? Seine Hände auf ihrem Körper zu spüren?

Marissa lächelte. Es war ja nur Fantasie, das war doch wohl erlaubt. Wahrscheinlich würden sich ihre Wege nicht mal mehr kreuzen, solange er noch in der Stadt war.

Doch in ihrem Schlafzimmer durfte sie allemal von einer Romanze mit Autry Jones träumen.

3. KAPITEL

„Kaylee, nein!“, rief Marissa. Zu spät! Die Dreijährige hatte ihren Puppenwagen, in dem ein gelber Hase saß, im Kaufhaus Crawford’s in einen großen Stapel Müslikartons gefahren. Fast hätte sie die herunterfallenden Kartons abbekommen.

„Ups“, entfuhr es Kaylee erschrocken, „das wollt ich nicht!“ Und schon liefen die Tränen.

Lieber Himmel, elf Stunden ist dieser Tag gerade mal alt und jetzt noch das! Letzte Nacht hatte Marissa zweimal aufstehen und Kaylee trösten müssen, die einen Zahn bekam. Frühmorgens hatte sie erst Kieras zweiten roten Sneaker und dann Abbys Lieblingsshirt suchen müssen. Am Ende ihrer dreistündigen Schicht im Sheriffbüro hatte Anne Lattimores Nachbarin Marissa angebrüllt, weil diese keinen Einsatzwagen geschickt hatte, als ein Hund widerrechtlich den Rasen der Nachbarin betreten hatte.

Schluchzend rannte Kaylee so schnell den Gang entlang, dass Marissa ihren Einkaufswagen stehen lassen und über die herumliegenden Müslikartons springen musste, um ihr nachzusetzen.

„Huch!“, rief Kaylee. „Ein Riese!“

Marissa überwand die letzten Kartons und blickte in die umwerfend blauen Augen von – Autry Jones.

Der Mann, den sie nicht aus dem Kopf bekam. Bevor sie gestern Abend todmüde neben Kaylees Bett eingeschlafen war, hatten ihre letzten Gedanken seiner großen, schlanken, durchtrainierten Erscheinung gegolten.

„Gott sei Dank!“, sagte Marissa. „Sie ist verflixt schnell. Da ist eine menschliche Straßensperre sehr hilfreich.“

Autry lachte. „Wir sollten die Mutter der kleinen Ausreißerin finden, bevor der nächste Stapel runterkracht.“

„Du stehst vor ihr. Die junge Dame hat ihrem Puppenwagen zu viel Schwung gegeben. Sie heißt Kaylee und ist drei.“

Kaylee starrte Autry weiter an. Seine knapp ein Meter neunzig überragten Marissas einen Meter siebenundsechzig so weit, dass er neben ihr tatsächlich riesig wirkte. Obwohl er wesentlich besser aussah als bei Riesen üblich, wie Marissa fand.

„Bist du ein Riese?“, fragte Kaylee und reckte ihren Hals.

Autry hockte sich vor sie. „Nein. Ich bin ein Autry. Autry Jones. Freut mich, dich kennenzulernen, Kaylee. Als ich klein war, bin ich mit meinen Brüdern die Supermarktgänge rauf und runter um die Wette gerannt, bis der Marktleiter kam und uns angebrüllt hat.“

Kaylee legte den Kopf schräg. „Hast du gewonnen?“

„Manchmal. Aber mit zwei jüngeren und zwei älteren Brüdern gab es immer einen, der größer und schneller oder leichter und schneller war.“

„Das ist nicht fair“, befand Kaylee. „Rate mal, was wir jetzt machen!“

„Einkaufen?“

„Ja. Aber rate, warum wir hier sind!“

„Um Lebensmittel zu kaufen?“ Autry musste sich das Lachen verkneifen.

„Wir kaufen Picknick-Sachen!“, verriet Kaylee. „Sandwiches und Obst und Kekse. Du kannst auch kommen!“

Marissa sah, wie Autry sich wand. Dann war es das jetzt wohl. Jetzt wusste er, dass sie Mutter war.

„Süße, Autry besucht hier in der Stadt seine Familie. Bestimmt hat er heute schon was vor“, erklärte sie ihrer Tochter und war sicher, Autry würde den Strohhalm dankbar ergreifen, den sie ihm anbot.

Stattdessen fragte er: „Was für Sandwiches denn?“, und hockte noch immer neben Kaylee.

„Erdnussbutter mit Marmelade, meine Lieblingssandwiches!“

Autry lächelte. „Die mag ich auch am liebsten. Ich komme gern. Ich habe zwei Stunden Zeit, bevor meine Brüder ins Hotel kommen.“

Marissa starrte ihn an. Hatte er tatsächlich gerade gesagt, er käme gern?

„Toll!“, freute sich Kaylee.

Ein millionenschwerer Cowboy und Firmenchef kommt zu unserem Picknick, fasste Marissa innerlich zusammen. Wieso habe ich das Gefühl, dass das nicht die letzte Überraschung ist, die Autry Jones auf Lager hat?

Junge, was zum Teufel mache ich hier eigentlich? fragte sich Autry. Als Marissa ihm erklärt hatte, dass die süße Kleine ihre Tochter war, war er für den Bruchteil einer Sekunde versucht gewesen, aus dem Laden zu rennen. Keine alleinerziehenden Mütter! lautete seine Regel. Doch anstatt die Flucht zu ergreifen, hatte er für einen Familienausflug zugesagt, und das, obwohl Marissa ihm eine perfekte Ausrede serviert hatte.

Warum hatte er diesen Ausweg nicht genutzt?

Weil er an nichts anderes mehr denken konnte, seit er Marissa Fuller gestern im „Ace in the Hole“ begegnet war. Er hatte gehofft, nach der Fernsehshow noch mit ihr sprechen zu können; doch als er sich seinen Weg durch die Menge gebahnt hatte, war sie fort gewesen.

Noch ist es Zeit, sich davonzumachen, sagte er sich, als er neben Marissa und ihrer Kleinen mit den Picknicktüten ein Stück die Cedar Street hinunter zu einem Park ging. Ich könnte eine vergessene Verabredung vorschützen. Wäre jedenfalls sicherer …

Stattdessen ging er weiter und war ganz bezaubert von Kaylee, die erzählte, wie bei ihrem letzten Picknick mit Mama ein kleiner Hund ihr Sandwich stibitzt hatte.

„Diesmal werde ich dein Sandwich vor jedem Hundewelpen im Park retten“, versprach Autry und spürte Marissas Blick.

Taxierte sie ihn? Ob er als Vater taugte? Tat er nicht! Er war nur vorübergehend in der Stadt, Ende der Geschichte. Solange er auf der Hut war, einen kühlen Kopf bewahrte und das Ziel – ein paar wundervolle Wochen mit Marissa Fuller – nicht aus den Augen verlor, war alles im Lot.

Er warf ihr einen Blick zu und war wieder überrascht, wie verdammt anziehend sie aussah in ihren Jeansshorts, einer kurzärmeligen, blau-gelb karierten Bluse und orangefarbenen Flip-Flops. Jeder Fußnagel war mit einer anderen glitzernden Farbe lackiert, als sei das Kaylees Werk. Marissa war völlig ungeschminkt und ihr dunkles Haar fiel lang und wellig über ihre Schultern. Sie war das komplette Gegenteil der Frauen, die sonst in den VIP-Lounges der Flughäfen mit dem Klappern ihrer High Heels und dem Duft teurer Parfums seine Aufmerksamkeit erregten.

„Rate mal, wie viele Schwestern ich habe!“, forderte Kaylee ihn auf und hielt ihre freie Hand hinter ihren Rücken.

Autry erschauderte. Gab es etwa noch mehr davon?

„Eine?“, tippte er und hoffte, sein Schlucken war nicht sichtbar.

Kichernd schüttelte Kaylee den Kopf, ließ Marissas Hand los und hielt ihm beide Handflächen mit ausgestreckten Finger hin. Zehn? Sie hatte zehn Schwestern? Ging er gerade mit einer Mutter von elf Kindern zum Picknick?

Himmel, Autry, ermahnte er sich, die Kleine ist drei! Beruhige dich!

Wieder kicherte Kaylee und hielt zwei Finger hoch wie zu einem Friedenszeichen.

Doch er empfand keinen Frieden. Auch wenn es keine elf waren, ging er gerade mit einer Mutter von drei Kindern aus. Aber ein spontanes Picknick war ja kein richtiges Date. Es war nur ein nettes kleines Picknick. Zu einem Date brachten Mütter auch nicht ihre Dreijährigen mit.

Autry war erleichtert. Kein Date. Nur ein Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich und etwas Obst.

Trotzdem schien ihm der Kragen seines Poloshirts gerade etwas eng. Und auch wenn es August war – wieso war es plötzlich 500 Grad heiß?

„Da ist der Park!“, sagte Marissa.

Die sanfte Brise, die die sonnigen siebenundzwanzig Grad erträglich machte, wehte Marissas welliges Haar zur Seite und entblößte ihren entzückenden Nacken. Perfektes Parkwetter. Trotzdem waren dort nur ein paar Hundebesitzer, eine Handvoll Jogger und eine Gruppe Teenager, die sich in der Ferne sonnten.

„Hier unter dem Baum im Schatten ist der beste Platz“, befand Marissa.

„Hi, Mr. Autry“, sagte Kaylee und nahm ihn ins Visier. Hilfe! Ihre braunen Augen spiegelten unverhohlene Bewunderung. Sie schob ihre kleine Hand in seine.

Lieber Gott! Er hatte doch nicht vor, die Dreijährige zu bezirzen! Das große Fuller-Mädchen sollte ihn so anschauen! Stattdessen war Marissa damit beschäftigt, die Picknickdecke zurechtzulegen.

„Hi“, wiederholte Kaylee. „Hi!“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Hüfte.

„Hi“, sagte er und lächelte etwas gequält.

Irgendwie war er hier im falschen Film: Autry Jones in einem Park mit einer alleinerziehenden Mutter und ihrer dreijährigen Tochter, im Begriff, ein klebriges Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich zu essen. Selbst wenn das sein Lieblingssandwich war.

Mach, dass du wegkommst! Egal wie, aber verschwinde!

Doch er blieb stehen, den Blick auf Marissas ausdrucksvolle Augen und einen kleinen Schönheitsfleck neben ihrem Mund geheftet. Dann wanderte sein Blick zu ihren Lippen und er wollte …

„Du hast Glück, Mr. Autry“, unterbrach Kaylee seine Betrachtungen und setzte sich hin.

„Weil ich mit euch hier bin?“, fragte er, ließ sich ebenfalls nieder und gab ihr einen kleinen Nasenstüber. Warum musste sie nur so niedlich sein?

Sie legte den Kopf schräg. Offenbar war das nicht die richtige Antwort gewesen. „Weil du dein Dessert zuerst essen darfst, wenn du willst! Du bist ja schon groß!“

„Ah!“ Autry warf Marissa ein Lächeln zu. „Aber ich esse immer zuerst mein gesundes Sandwich und erst dann das Dessert.“

Kaylee zuckte die Schultern und sah in die Tüten. Marissa packte die Picknicksachen aus.

„Darf ich?“, fragte Autry und nahm ein Messer und die Erdnussbutter.

Sie hob die Augenbrauen. „Ich hätte nicht gedacht, dass du Erdnussbutter und Marmelade magst.“

„Du hast mich noch nicht erlebt, wenn ich um Mitternacht über Steuerangelegenheiten brüte und plötzlich Hunger bekomme!“

Sie errötete. Wieso eigentlich? Hatte sie sich vorgestellt, wie er um Mitternacht nackt in seiner Küche Erdnussbutter aß? Auf jeden Fall ließ sie sich nicht in die Karten schauen. Sie flirtete nicht, lachte nicht über alles, was er sagte – witzig oder nicht – und schmiss sich nicht an ihn ran. Für ihn war nicht erkennbar, ob Marissa Fuller, Mutter von drei Kindern, auch nur das geringste Interesse an ihm hatte.

Nach den Sandwiches gab es Schokoladenkekse. Als Autry sein Mineralwasser fast ausgetrunken hatte, war Kaylee auf der Decke eingeschlafen, mit ihrem kleinen Affenrucksack als Kopfkissen.

„Drei Kinder?“, fragte Autry. „Das ist sicher nicht leicht.“

„Nein, ist es nicht. Aber es ist leicht, sie zu lieben. Außerdem wohnen wir bei meinen Eltern, in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Also habe ich rund um die Uhr Unterstützung.“

„Da hast du Glück“, sagte er. „Wenn ihr bei deinen Eltern wohnt, musst du ein gutes Verhältnis zu ihnen haben, und deine Kinder auch. Das ist Gold wert, Marissa.“

„So habe ich es wohl noch nie betrachtet“, sagte sie nachdenklich. „Aber du hast recht. Wir haben ein enges Verhältnis. Vielleicht zu eng.“ Sie lächelte. „Ist das bei dir und deiner Familie anders?“

Er blickte in den Himmel, wo gerade ein Flugzeug zwischen den Wolken dahinzog. „Ja. Wir standen uns nie besonders nahe. Die Jones sind Geschäftsleute, alles dreht sich um Jones Holdings. Ich fühlte mich auch meinen Brüdern nicht verbunden, als wir aufwuchsen. Und wir sind fünf.“

„Aber jetzt bist du hier und besuchst Walker und Hudson“, stellte Marissa fest.

„So ähnlich. Mein Vater, der alles beherrschende Walker Jones der Zweite, glaubt, dass sein Sohn gleichen Namens aus der Art schlägt. Walker ist hierher gezogen und hat hier eine Jones-Holdings-Niederlassung eröffnet. Er macht, was er will – hier. Und Hudson hat schon immer sein eigenes Ding durchgezogen und sich nie um das Familiengeschäft gekümmert.“

„Und du?“, fragte sie. Einen Moment lang beobachtete er gebannt, wie ihr dunkles Haar in der Sonne leuchtete.

„Ich bin voll und ganz Geschäftsmann. Ich versuche allerdings, kein Workaholic zu sein. Ich will nicht werden wie mein Vater, der die Firma über alles stellt, über die Familie, Geburtstage, alles Private. Er hat alles versäumt und glaubt noch immer, das Geschäft müsse an erster Stelle stehen.“

„Du sagtest, du seist auch voll und ganz Geschäftsmann“, wandte Marissa ein.

„Weil ich keine weiteren Verpflichtungen habe. Keine Frau, keine Kinder. Wenn ich rund um die Uhr arbeite oder für einen Monat nach Dubai fliege, vernachlässige ich niemanden. Im Gegenteil, ich mache jemanden glücklich – meinen Vater.“

„Aber irgendwann willst du doch sicher auch eine Familie“, sagte sie und warf sich eine Weintraube in den Mund.

Er griff nach seinem Wasser und nahm einen tiefen Zug. Wollte er das? Er wusste es selbst nicht. Sein Herz war verletzt, sein Vertrauen enttäuscht worden und all seine zärtlichen Gefühle, die er für jenes süße Baby gehabt hatte, das er bereitwillig wie ein eigenes angenommen hätte, waren versteinert.

„Und du bist geschieden?“, wechselte er das Thema.

„Verwitwet“, sagte sie und nahm eine Packung Erdbeeren aus der Tüte. „Ein Verkehrsunfall vor zwei Jahren. Meine Fünfjährige, Kiera, kann sich kaum an ihren Vater erinnern, Kaylee gar nicht.“

„Und die dritte Tochter?“

„Abby ist neun.“

Neun, überlegte Autry. Marissa konnte nicht älter sein als siebenundzwanzig, höchstens achtundzwanzig. Also war sie beim ersten Kind noch ein Teenager gewesen.

„Abby erinnert sich noch sehr gut an ihren Vater. Wenn sie ihren kleinen Schwestern gute Nacht sagt, höre ich oft, dass sie ihnen von ihrem Daddy erzählt.“

Ein völlig anderes Leben als meins, dachte Autry, sowohl was sie durchgemacht hat als auch ihr Alltag.

„Sie scheint ein tolles Kind zu sein“, sagte er.

Marissa nickte. „Und sie musste zu schnell groß werden. Ständig bemuttert sie ihre Schwestern. Manchmal vergesse selbst ich, dass das Leben vor dem Tod ihres Vaters nicht immer so paradiesisch war, wie sie es den Kleinen erzählt.“

Sie errötete, als ob ihr das nur so herausgerutscht wäre, und hielt ihm die Erdbeeren hin. Er nahm eine.

„Auch wenn ich nicht verheiratet bin, ist mir klar, dass man an einer Ehe arbeiten muss. Und du hast ja offensichtlich sehr jung geheiratet.“

„Ich wurde am Abend des Abschlussballs schwanger, habe mit achtzehn geheiratet und das erste Kind bekommen. Vier Jahre später kam Kiera. Kaylee war eine Überraschung, eine schöne, aber nicht der Junge, den Mike sich vielleicht …“ Sie wandte sich ab. „Manchmal rede ich offenbar zu viel …“

Er streckte die Hand aus und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Obwohl er ihre Wange nur ganz leicht berührte, ging ihm diese Berührung durch und durch. „Am besten lernt man jemanden kennen, wenn man ihm einfach zuhört.“

Sie lächelte. „Du möchtest mich kennenlernen?“

„Nun, ich bin nur für drei Wochen in Rust Creek Falls. Aber: Ja, ich möchte dich kennenlernen, Marissa Fuller.“

„Marissa Fuller, Mutter von drei Kindern. Mit Verpflichtungen. Wohnt bei ihren Eltern. Hat einen ziemlich vollen Terminkalender.“

„Ich würde dir gern deine verbliebene Freizeit rauben“, sagte er.

Habe ich überhaupt Freizeit?“ Sie lachte. „Wenn ich mal Zeit für mich habe, denke ich, ich sollte sie mit einem meiner Mädchen verbringen. Oder die Badewanne putzen, bevor meine Mutter mir wieder zuvorkommt. Mein Leben besteht nicht aus italienischen Restaurants, Tanzveranstaltungen und Spaziergängen in Montana.“

Er rückte etwas näher zu ihr. „Aber vielleicht würdest du ja gern mal in ein italienisches Restaurant und zum Tanzen ausgehen und einen Spaziergang in Montana unternehmen?“

„Das würde ich alles sehr gern, Autry. Aber ich habe Verantwortung. Drei kleine Kinder.“

Er nickte. „Natürlich. Aber weißt du, wie du klingst? Ein bisschen wie mein Dad. Er hat sich nie einen freien Tag gegönnt, keine Entspannung oder Spaß. Es gab immer nur das Geschäft. So wie bei dir das Familienleben. Das ist einerseits nicht verkehrt, Heim und Familie sind das Wichtigste. Aber du brauchst auch mal Zeit für dich allein, um aufzutanken.“

„Möchte ich ja auch“, gab sie zu. „Aber das ist mein Leben, seit ich achtzehn bin, Autry. Du bist – zweiunddreißig, dreiunddreißig? Ich kenne diese Art von Freiheit gar nicht. Man sagt, du jettest für Jones Holdings um die ganze Welt.“

„Dreiunddreißig. Und ja, ich reise viel. Unsere Zentrale ist in Tulsa, Oklahoma, wo ich aufwuchs. Meine Wohnung befindet sich in einem Wolkenkratzer im fünfundzwanzigsten Stock. Aber dort bin ich nie. Ich bin ständig zwischen unseren Firmensitzen unterwegs, um die Geschäfte zu führen.“

„Gab es nie eine Frau, mit der du dich niederlassen wolltest? Wie deine Brüder?“

Er runzelte die Stirn und wandte sich ab in der Hoffnung, dass sein Gesicht nicht verriet, was in ihm vorging. Über Karinna und Lulu wollte er nicht sprechen.

„Diesen Luxus kann ich mir nicht leisten“, sagte er. „Nicht, wenn ich will, dass Jones Holdings weltweit zulegt. So wie du es dir nicht leistest, ins Kino zu gehen, auch wenn dir danach ist. In drei Wochen gehe ich nach Paris, voraussichtlich für ein Jahr.“ Er sah ihr direkt ins Gesicht. „Vielleicht können wir einander Gesellschaft leisten, bis ich abreise.“

„Wie bitte?“

Er lachte. „Ich meinte nicht im Bett. Sondern, dass ich gern Zeit mit dir verbringen möchte.“

„Mich gibt es nur als Gesamtpaket. Selbst, wenn es nur für drei Wochen ist.“

„Kaylee mag mich“, stellte er fest. „Den Fuller-Tochter-Test habe ich schon bestanden.“

„Das glaube ich auch“, räumte Marissa lächelnd ein. „Sie ist nicht leicht einzunehmen.“ Sie trank einen Schluck Wasser. „Schau, Autry. Das ist wirklich eine Versuchung für mich. Aber ich bin keine Tagträumerin. Ich bin Realistin!“

„Das heißt doch aber nicht, dass es in deinem Leben nicht auch mal ein bisschen Romantik geben kann.“

„Romantik? Darüber bin ich hinweg, Autry.“

„Marissa …“

Sie holte tief Luft. „Meine Ehe war nicht perfekt. Mike und ich sind abends oft zerstritten ins Bett gegangen. Ich bin ständig zwischen meinem Job, drei kleinen Kindern und dem Haushalt hin und her gehetzt. Irgendwann musste ich den Job aufgeben und wurde Hausfrau. Dann war das Geld knapp und Mike hat länger gearbeitet, um befördert zu werden und eine Gehaltserhöhung zu bekommen. Wir hatten eine Menge Stress und da bleibt Streit nicht aus; aber wir waren uns einig, dass es das wert ist. Doch über all dem ist die Romantik verflogen. Ich will mich nicht beklagen, ich hatte viel Gutes. Ein Zuhause, einen guten Ehemann, drei gesunde Kinder. Bis zu dem Tag, an dem ein betrunkener Autofahrer uns Mike nahm.“

„Das tut mir sehr leid.“

Sie nickte. „Die Trauer und die Angst haben mich völlig überwältigt. Ich wusste nicht, wie ich das schaffen soll. Aber für die Kinder habe ich einfach einen Fuß vor den anderen gesetzt. Die kleine Lebensversicherung von Mike hat eine Weile geholfen, aber ich hatte ständig Geldsorgen. Deshalb habe ich zugestimmt, als meine Eltern vorschlugen, zu ihnen zu ziehen. Ralph und Roberta Rafferty sind wundervolle Großeltern. Aber ich wohne mit siebenundzwanzig Jahren bei Mom und Dad!“

„Ich bewundere dich, Marissa. Du hast immer durchgehalten.“

Zwar lautete seine Regel ‚Keine alleinerziehenden Mütter‘, aber da er sie selbst aufgestellt hatte, konnte er sie auch aussetzen. In seinen drei Wochen in Rust Creek Falls wollte er Marissa die Welt zu Füßen legen, ihr und ihren Kindern. Die Gefahr, dass er sich verliebte, bestand nicht – nicht bei einer alleinerziehenden Mutter von drei Kindern.

„Ich möchte dich kennenlernen, solange ich hier bin“, wiederholte er. „Dir und deinen Töchtern ein wenig Freude bereiten – ganz unverfänglich, wie dieses Picknick, Ballonfahren, Baseball-Spiele. Sag, was du möchtest!“ Er hielt inne und fuhr dann fort: „Aber ich gebe zu, dass ich mich auch zu dir hingezogen fühle, Marissa. Ich finde, du bist eine ganz großartige Frau. Ich mag dich! Und deshalb ist meinerseits auch Romantik im Spiel.“

Er würde die Zeit mit Marissa genießen, die Bindung zu seinen Brüdern stärken, deren Beziehung zu seinem Vater kitten und dann nach Paris fliegen – ohne Liebeskummer für sich oder Marissa.

In ihren braunen Augen konnte er lesen, wie es in ihr arbeitete. „Du suchst keine Bindung und das tue ich auch nicht“, sagte sie schließlich. „Also – Freundschaft. Ohne Verbindlichkeiten.“

„Ohne Verbindlichkeiten“, wiederholte er.

Doch ganz wohl war ihm dabei nicht. Marissa oder ihre Kinder durften auf keinen Fall verletzt werden.

4. KAPITEL

In Marissas Familie war es Tradition, dass beim Abendessen täglich alle reihum kurz von ihrem Tag berichteten. Heute begann Kaylee und erzählte ohne Punkt und Komma von dem netten Mann, der zu ihrem Picknick gekommen war und Zauberkunststücke konnte.

Ja, Zauberkunststücke beherrschte Autry Jones auch. Der Mann steckte voller Überraschungen, kleine und große. Als die von Autry angesetzten zwei Stunden um gewesen waren, hatte Marissa ihre Kleine geweckt, damit er die Verabredung mit seinen Brüdern einhalten und sie Kiera und Abby von ihren Spielverabredungen abholen konnte. Doch Kaylee war noch müde und etwas unwillig gewesen. Autry hatte eine Clementine aus der Tüte genommen, sie weggezaubert und auf Kaylees Kopf wieder erscheinen lassen, was bei Kaylee einen Lachanfall und ein: „Noch mal, Mr. Autry!“, zur Folge gehabt hatte.

„Wer ist er?“, fragte Abby und griff nach der Schüssel mit dem Kartoffelpüree.

Marissa warf ihrer Mutter einen Blick zu, die völlig darauf konzentriert schien, ihrem Mann die Platte mit dem Hühnchen zu reichen, tatsächlich aber sehr genau zuhörte. Es kam nicht oft vor, dass Marissa sich mit einem Mann traf.

„Als wir bei Crawford’s für das Picknick eingekauften, haben wir jemanden getroffen, den ich gestern bei dem Fernseh-Event kennengelernt habe. Wir haben ihn gefragt, ob er mitkommen möchte. Keine große Sache.“

„Und wer ist er, Liebes?“, fragte Roberta Rafferty so betont beiläufig, dass Marissa lächeln musste.

„Autry Jones.“

Ralph Raffertys Gabel blieb mitten in der Bewegung stehen. „Autry Jones? Ist das einer von den Jones-Millionärs-Brüdern?“

Marissa war bewusst, dass Autry reich war. Richtig reich. Und das sah man ihm an. Doch was sie gestern und heute an ihm beeindruckt hatte, war etwas ganz anderes: Er war freundlich, fürsorglich, geduldig, ein guter Zuhörer. Und so unverschämt gutaussehend, dass sie Gänsehaut bekam, wenn sie an sein Gesicht dachte, und an seinen Körper natürlich auch.

„Ja. Er besucht hier für drei Wochen seine Brüder.“

„Moment mal“, sagte Abby und riss die Augen auf, „heißt das, der Mann, den ich gestern mit Walker und Hudson im ‚Ace‘ gesehen habe, war mit zum Picknick?“

Dass Abby ihrer Mutter Männer für Dates aussuchte, war kein Problem, denn diese Dates kamen nie zustande. Jetzt aber wurde es komplizierter. Eigentlich ist das aber gar kein Date, dachte Marissa. Wir sind ja nur Freunde. Auch wenn wir uns vielleicht küssen werden. Wahrscheinlich. Hoffentlich.

„Und dieses Picknick habe ich verpasst!“, seufzte Abby melodramatisch. „Also geht ihr miteinander? Das ist ja so spannend!“

Marissa blickte zu ihrer Mutter, die keine Regung erkennen ließ. Erst wenn ihre Enkeltöchter im Bett waren, würde Roberta ihren Kommentar abgeben.

„Nein, Abby, Autry Jones und ich gehen nicht miteinander. Wir sind … Freunde, nicht mehr.“

„Er kann zaubern!“, warf Kaylee ein. „Grandma, Grandpa, Mr. Autry hat eine kleine Orange auf meinen Kopf gezaubert!“

„Also kennt ihn jeder außer mir?“, mischte sich Kiera ein. „Das ist nicht fair!“

„Mr. Autry hat angeboten, morgen Abend rumzukommen und Steaks und Kartoffeln zu grillen“, beruhigte Marissa ihre Mittlere. „Wer hilft, das Dessert vorzubereiten?“

„Iiich!“, erschallte es im Terzett.

Wieder spürte Marissa den Blick ihrer Mutter. Schnell nahm sie noch eine Kartoffel, obwohl sie gar nicht hungrig war. „Morgen wärt ihr mit Kochen dran, Mom, da ist es doch toll, wenn ihr den Abend freihabt.“ Sie kochten abwechselnd jeden Abend für die ganze Familie. Marissa versuchte, sich Autry mit einer Schürze vorzustellen, wie er Steaks auf dem Grill wendete und sich dann mit der ganzen Familie am Tisch niederließ.

„Oh, ich freue mich schon auf Steaks und Kartoffeln vom Grill“, sagte Roberta. „Und auf Autry Jones.“

Ein schwerreicher Jones-Bruder, der für drei Wochen in der Stadt war und morgen für die ganze Familie grillen wollte? Das konnte doch nur eines bedeuten: Er hatte es auf Marissa abgesehen. Und wenn er hatte, was er wollte, war Schluss mit dem Grillen für die Fuller-Raffertys. Marissa las im Gesicht ihrer Mutter wie in einem Buch.

Auch Marissa war auf der Hut vor solchen Klischees. Doch ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass Autry keiner von diesen Männern war, die sich davonmachten, wenn sie hatten, was sie wollten.

Ja, sie freute sich auch, dass Autry morgen kam. Vielleicht freute sie sich ein bisschen zu sehr.

Am folgenden Nachmittag saß Autry in einem ledernen Clubsessel in der Lobby Bar des Maverick Manor. Die Fenster gaben den Blick frei auf die atemberaubende Wildnis von Montana.

Doch irgendwie war ihm unbehaglich, denn seine Brüder und Schwägerinnen saßen dort mit drei Babys. Sie hüteten die Drillinge von Bellas Bruder, damit er mit seiner Frau mal in Ruhe essen gehen konnte.

„Habt ihr kürzlich mit Vater gesprochen?“, fragte Autry seine Brüder.

Walkers kleiner Seufzer verriet, dass ihm das Thema unangenehm war, und Hudson reagierte gar nicht.

„Wir telefonieren jeden Montagmorgen um halb elf und reden über das Geschäft“, erklärte Walker.

Das kam Autry bekannt vor. Er war immer um elf dran.

„Sprecht ihr auch mal über was anderes als Geschäfte?“, fragte er.

Walker stieß schnaubend Luft durch die Nase aus. „Mit Dad?“

„Mom ist genauso wenig interessiert wie Dad“, fügte Hudson ein. „Bella hat Mom angerufen, um sich nach einem Rezept für Käsekuchen zu erkundigen, den wir als Kinder jeden Sonntag gegessen haben. Mom sagte: ‚Also wirklich, meine Liebe, den hat die Köchin gebacken! Ich kann dir gern ihre Nummer geben.‘“

Bella lächelte. „Ich wäre gern mal mit ihr ins Gespräch gekommen und bat sie um die Nummer. Aber sie hat sie auf den Anrufbeantworter gesprochen und das war’s.“

Autry hob die Hände. „Was soll’s!“ Seine Eltern waren zu den Hochzeiten gekommen und hatten Small Talk betrieben, aber innige Freude darüber, dass zwei ihrer Söhne Liebe und Glück gefunden hatten, schien ihnen fremd. Immerhin hatte seine Mutter eingeräumt, Bella und Lindsay seien „entzückende junge Damen“, während sein Vater sich nur umgeschaut hatte mit der Bemerkung: „Wo ist denn der Rest der Stadt?“

„Dad ist immer noch ungehalten, dass er mich nicht unter Kontrolle hat“, sagte Walker. „Ich war der gehorsame Geschäftsführer, aber dass ich mich hier niedergelassen und ein Jones-Holdings-Büro eröffnet habe, hat er mir nicht verziehen.“

„Das geht mir schon seit Jahren so“, warf Hudson kopfschüttelnd ein. „Er wird nie akzeptieren, dass ich dem Familienunternehmen ‚den Rücken gekehrt‘ habe und aufs Land gezogen bin. Aber wenn Mom und Dad nun mal dickköpfig sein und die zehn Minuten, die sie am Tag miteinander sprechen, mit Klagen verbringen wollen, wie wir sie haben ‚hängen lassen‘, ist das ihre Sache. Ich wünschte, sie könnten sich für uns freuen! Ich wünschte, sie könnten sich überhaupt mal über etwas freuen!“

„Na ja“, wandte Autry ein, „damit, dass du dich in einer Kleinstadt in Montana niederlässt, konnte ja niemand rechnen.“

„So ist das eben, wenn die Liebe einen erwischt“, sagte Bella und drückte ihrer kleinen Nichte einen Schmatzer auf das Köpfchen.

„Genauso war’s“, bestätigte Hudson und tätschelte seiner Frau die Hand.

„Liebe ist einfach wunderbar!“, sagte Lindsay. „Wenn ich daran denke, dass ich Walker das erste Mal im Gerichtssaal begegnet bin, als Kontrahenten über ‚Just Us Kids‘ … Und jetzt sind wir glücklich verheiratet.“

Walker küsste seine Frau auf die Wange.

„Um ehrlich zu sein, Autry“, setzte Walker hinzu, „ich bin überrascht, dass Dad dich überhaupt herkommen ließ. Wir dachten schon, er hätte Angst, dich auch nur in die Nähe dieser Stadt zu lassen, die bereits zwei seiner Söhne aus der Bahn geworfen hat.“

„Ich bin mein eigener Herr“, gab Autry zurück. Sein Vater hatte tatsächlich Einwände gehabt, dass Autry so lange in Rust Creek Falls blieb.

Und seine Mutter hatte gewarnt „Trink dort bloß keinen Punsch! Ich habe gehört, wie sich jemand darüber lustig machte, dass jemand in Rust Creek Falls einen Liebestrank in den Hochzeitspunsch gemischt hat. Kein Wunder, dass deine Brüder dem zum Opfer gefallen sind!“

„Oh, da drüben ist mein Freund Tom an der Bar“, bemerkte Hudson. „Entschuldigt mich kurz. Nimmst du mal den Kleinen, Autry?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, drückte er Autry das Baby in den Arm.

Autry schluckte. Es würde sich nicht gut machen, das Baby einfach zurückzugeben, auch wenn er das am liebsten getan hätte.

Also saß der kleine Jared auf Autrys Schoß, blickte mit großen Augen zu ihm hoch und hielt ihm seinen kleinen Gummiaffen hin, auf dem er herumgekaut hatte.

„Danke, dass du ihn mit mir teilen willst, aber ich hab schon alle Zähne“, sagte Autry.

„Jared mag dich offensichtlich“, stellte Bella fest.

Autry lächelte seinen Schwägerinnen artig zu und sah dann zu dem Baby hinunter, das süß duftete. Lulu war drei Monate alt gewesen, als er sich in Karinna verliebt hatte, und in den sechs Monaten, in denen sie zusammen waren, hatte Autry sich als Vater gefühlt. Vorher war ihm ein solcher Gedanke gar nicht gekommen, aber Lulu hatte diese Gefühle in ihm geweckt. Lieben. Sich kümmern. Sich einbringen. Verantwortung übernehmen. Das Baby hatte sein Herz im Sturm erobert. Doch sie war nicht Autrys leibliche Tochter, und als Karinna sich von ihm getrennt hatte, hatte er keinerlei Anspruch auf Lulu gehabt. Er hatte versucht, den Kontakt aufrechtzuerhalten, gefragt, ob er mit Lulu in den Zoo gehen dürfe oder was auch immer; doch Karinna hatte ihn kühl abgewiesen. Er hatte das kleine Mädchen nie wiedergesehen.

Der alte Schmerz stieg wieder auf. Autry rutschte auf seinem Sessel hin und her, sein Kragen schien plötzlich eng, sein Herzschlag beschleunigte sich. Glücklicherweise kam in der Sekunde Hudson zurück und nahm seinen Neffen hoch. Autry gab vor, an der Bar ein Sodawasser zu holen, doch eigentlich wollte er nur weg, brauchte Abstand.

In wenigen Stunden würde er in Marissa Fullers Haus das Abendessen zubereiten für sie, ihre drei Kinder und ihre Eltern. Er hatte einen Aufhänger gebraucht, um sie wiederzusehen. Einfach nach einer Verabredung zu fragen, als sie sich auf der Cedar Street verabschiedet hatten, wäre in Kaylees Gegenwart unpassend gewesen und er war auch nicht sicher, ob Marissa zusagen würde. Also hörte er sich plötzlich vorschlagen, für die Fuller-Raffertys zu grillen – familienfreundlich, harmlos und garantiert nicht romantisch. Bei der Gelegenheit konnte er live miterleben, wie sie mit ihren Kindern und Eltern so lebte. Vielleicht würde ihn das ja kurieren von seinem Gefühl für Marissa und er würde schreiend davonlaufen, bevor die Steaks halbgar waren.

Doch trotz all der Begleitumstände konnte er es kaum erwarten, diese höchst anziehende und verführerische Frau wiederzusehen, und verrückterweise freute er sich sogar darauf, ihre anderen beiden Töchter kennenzulernen.

Worauf zum Teufel habe ich mich da eingelassen?

5. KAPITEL

Während die Kinder im Wohnzimmer spielten, bereitete Marissa mit ihrer Mutter einen Salat zu. Sie schaute zur Küchenuhr: In einer Viertelstunde sollte Autry hier sein! Ihr Herz schlug schneller und sie verspürte ein Kribbeln. Sein Gesicht war ihr allgegenwärtig, diese umwerfend blauen Augen, das markante Kinn und die dunkelblonde Tolle. Dazu seine hoch aufgeschossene, durchtrainierte Figur und diese sonore Stimme mit dem Oklahoma-Einschlag …

„Marissa, du richtest den armen Salat zugrunde“, bemerkte Roberta.

Marissa sah in die Holzschüssel. „Ich war wohl etwas abgelenkt.“

Ihre Mutter warf einen Blick ins Wohnzimmer, ob dort jemand die Ohren spitzte. „Ist das jetzt ein Date?“, raunte sie.

„Nein.“ Eine ehrliche Antwort. Ein neuer Freund, der vorübergehend in der Stadt war, kam zum Dinner.

Roberta schnitt die Tomaten in die Schüssel. „Also, ein alleinstehender Mann kommt zu einer alleinstehenden Frau, um Abendessen für die ganze Familie zu machen. Ich würde sagen, das ist nicht nur ein Date, sondern du hast einige Schritte übersprungen. Er lernt deine Kinder und deine Eltern kennen!“

„Weil es eben kein Date ist. Wir sind nur Freunde. Bei einem Date wäre der Ausgang offen. Aber Autry geht Ende August für mindestens ein Jahr nach Paris.“

„In drei Wochen kann man sich Hals über Kopf verlieben, Marissa.“ Roberta schnitt eine Gurke in Scheiben. „Und dann bleibst du mit gebrochenem Herzen zurück.“

„Komm schon, Mom! Hast du mich jemals anders als vernünftig erlebt?“ Okay, nach dem Abschlussball war sie schwanger geworden. Aber immerhin von dem Mann, mit dem sie sowieso ihr Leben verbringen wollte. Sie hatte Mike Fuller nicht aus einer plötzlichen Laune heraus erlaubt, sie aus ihrem schicken rosa Ballkleid zu pellen.

„Ich sage ja nur, dass du vorsichtig sein sollst, mein Schatz. Autry Jones lebt in einer anderen Welt und die ist sehr verführerisch. Du könntest sehr verletzt werden, und die Mädchen auch.“

Marissa hielt inne, Croutons in den Salat zu streuen, und sah ihre Mutter an. „Wieso die Mädchen?“, flüsterte sie.

„Nun, ich kenne Autry Jones nicht. Aber dass er hier für uns grillt, zeigt, dass er nett und charmant ist. Ein millionenschwerer Geschäftsmann, der einiges auf Lager hat. Kaylee ist schon ganz hingerissen von ihm. Als nächste ist Kiera dran. Und Abby ist neun und erzählt, dass du ein Date mit Autry hast. Und dann …“, sie schnippte mit den Fingern, „zack ist er wieder aus eurem Leben verschwunden.“

„Ich habe Abby gesagt, dass er nur ein Freund ist. Ich bin nicht dumm, Mom!“

Marissas Handy klingelte. Autry. Bei der Verabschiedung hatten sie ihre Nummern ausgetauscht. Sagte er jetzt ab?

„Hi, Autry“, sagte sie und ging in die andere Ecke der Küche, obwohl ihre Mutter auch dort noch zwangsläufig zuhörte.

„Hi“, sagte er und machte dann eine Pause.

Natürlich sagte er ab. Ihm musste klar geworden sein, wie verrückt so eine Freundschaft war, wenn sie sich so zueinander hingezogen fühlten.

„Bist du noch da, Autry?“

Er räusperte sich. „Ich wollte nur fragen, ob ihr Holzkohle oder Gas für den Grill habt“, sagte er. „Sonst könnte ich das noch mitbringen.“

Keine Absage.

„Haben wir hier“, sagte sie. „Du denkst wirklich an alles.“

„Nicht immer“, gab er zurück. Das ließ Spielraum für Interpretation.

„Ich auch nicht“, sagte sie.

Sein warmes, offenes Lachen löste eine prompte Reaktion in ihrem Herzen aus. Jetzt wurde es gefährlich.

Als es zehn Minuten später an der Haustür klingelte, sausten Kiera und Kaylee zur Tür, Abby folgte etwas schüchtern.

Roberta hob die Augenbrauen.

Vielleicht gehe ich das ja wirklich etwas zu blauäugig an, dachte Marissa. Vielleicht war dies kein Date, aber sie stellte sich vor, in Autrys Armen zu sein, ihn zu küssen, seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Also sah sie in ihm nicht nur einen Freund. Sollte ich aber!

Autry hatte tatsächlich vorgehabt, abzusagen.

Doch als er Marissas Stimme gehört hatte, waren alle Gedanken wie ausgelöscht gewesen, war vergessen, wie weh es getan hatte, Hudsons kleinen Neffen im Arm zu halten.

Da war nur noch Marissas melodische Stimme gewesen, die Erinnerung an ihr Gesicht, ihre dunklen Augen. Wollte er wirklich so ein ausgewachsener Feigling sein, dieser Frau abzusagen, nach allem, was sie durchgemacht hatte? Nein! Sie hatten sich auf Freundschaft geeinigt und dazu würde er stehen. Freunde rannten nicht aus Angst davon!

Als er klingelte, wurde die Haustür von drei strahlenden Mädchen geöffnet.

„Hi, Mr. Autry!“ Kaylee winkte ihm zu.

„Hi, Kaylee.“ Er erwiderte ihr Lächeln und wandte sich dann dem nächstgrößeren Mädchen zu. „Und du musst Kiera sein. Schön, dich kennenzulernen!“ Die beiden Kleinen rannten auf die Veranda. Hinter Abby, die noch im Eingang stand, sah er Marissa und ihre Eltern.

„Weiß du auch, wer ich bin?“, wollte Abby wissen.

Autry stellte eine seiner großen Tüten ab. „Das Fuller-Mädchen, das eine Band namens 2LOVEU mag?“

Abbys Miene erhellte sich. „Das ist meine Lieblingsband!“

„Dann kannst du sicher hiermit etwas anfangen“, sagte Autry und überreichte ihr eine kleine Geschenkbox.

„Was ist das?“, fragte Marissa.

„Was ist das, Abby?“, wollte nun auch Kiera wissen, die mit Kaylee wieder zur Tür gelaufen war.

Abby öffnete die Schachtel und schnappte nach Luft. In einer kleinen Schneekugel waren Figürchen der 2LOVEU-Bandmitglieder um ein Mikrofon versammelt.

„Moment“, sagte Autry und drehte die Schneekugel in Abbys Hand auf den Kopf. „Dreh mal daran!“

Abby drehte an dem kleinen Metallhebel und ein Song von 2LOVEU erklang. „Eine Schneekugel mit Musik! Oh, danke, Mr. Autry!“, rief sie und umarmte ihn.

„Gern!“, gab er zurück. „Aber was haben wir denn hier?“ Er zog noch etwas aus der Tüte. „Auf diesem steht ‚Kiera‘.“

Kiera grinste. „Für mich?“ Sie öffnete das Geschenkpapier und drückte den Inhalt an sich. Es war ein ferngesteuerter kleiner Roboterwelpe. Marissa hatte erwähnt, dass Kiera verrückt nach kleinen Hunden war und da Autry nicht einfach einen Hund mitbringen konnte, schien ihm der Roboter eine gute Idee. „Ich liebe ihn! Er soll Fluffers heißen.“

„Ein Geschenk sehe ich noch in der Tüte“, sagte Autry, kniete sich hin und zog ein weiteres kleines Päckchen hervor. „Darauf steht dein Name, Kaylee.“

Kaylee klatschte in die Hände und riss dann das Päckchen auf. „Hey, Mommy, schau! Ein Plüschaffe! Ich liebe Affen!“

Autry lächelte. „Und wenn du im Dunkeln auf seinen Bauch drückst, leuchten die Sterne, die darauf sind.“ Marissa hatte berichtet, dass Kaylee nachts öfter aufwachte. Vielleicht würde der leuchtende Affe ihr helfen, wieder in den Schlaf zu kommen, und ihre Mutter hätte eine ruhigere Nacht.

Ein Chor von Dankeschöns erklang. „Sehr gern“, sagte er gerührt.

„Du musstest ihnen nichts mitbringen“, bemerkte Marissa. „Aber das war sehr nett. Vielen Dank.“

„War mir ein Vergnügen“, antwortete er.

„Autry, das ist meine Mutter, Roberta Rafferty. Mom – Autry Jones.“

Roberta schien nicht so überwältigt wie ihre Enkeltöchter, aber sie lächelte freundlich. Ihre Ähnlichkeit mit Marissa war verblüffend. „Sehr erfreut, Sie kennenzulernen“, sagte sie.

„Und dieser Herr ist mein Vater, Ralph Rafferty“, stellte Marissa vor.

Ihr Vater schüttelte Autrys Hand und grinste breit. „Es ist mir ein großes Vergnügen, Autry. Ist ja fast, als ob man eine Berühmtheit träfe. Ich lese immer den Wirtschaftsteil der Zeitung und da steht öfter Interessantes über Jones Holdings. Wie ich hörte, gehen Sie demnächst nach Paris. Ich habe von den Verhandlungen mit der Thorpe Corporation gelesen.“

„Hoffentlich geht alles glatt“, sagte Autry. „Einer unserer größten Abschlüsse.“ Während er sich weiter mit Ralph Rafferty über Geschäfte unterhielt, entging ihm nicht, dass Marissa Mutter sich noch unbehaglicher zu fühlen schien.

„Vielleicht stellen wir die Lebensmittel besser in die Küche, es ist ziemlich warm heute.“ Damit nahm er die braune Tüte auf, zog aber zunächst einen Strauß gelber Tulpen heraus und überreichte ihn Marissa. „Eine Kleinigkeit für die Dame des Hauses.“

„Wunderschön“, sagte sie. „Vielen Dank.“

Marissas Vater ging voran in die Küche und Autry stellte die Tüte dort ab.

„Ich helfe Autry“, sagte Marissa zu ihren Eltern, „und ihr beide ruht euch aus.“

„In einer Stunde gibt’s Essen!“, rief Autry. Er nahm Steaks, Kartoffeln, eine Flasche Olivenöl und eine Knoblauchknolle aus der Tüte. „Ich brauch nur noch Salz und Pfeffer.“

Sie brachte ihm das Gewünschte. „Hast du immer einen so großen Auftritt?“

„Nur, wenn es passt. Ich kann es mir leisten und jetzt hatte ich gerade Zeit, einkaufen zu gehen.“

„Aber das kannst du nicht in Rust Creek Falls gekauft haben. Wir haben keinen Spielzeugladen und Crawford’s führt so was nicht.“

„Wie gesagt, ich habe gerade Zeit. Die Fahrt nach Kalispell hat mir auch ein bisschen was von der Gegend gezeigt.“

„Und? Gefällt sie dir?“

„Es ist sehr schön hier“, antwortete er, zerdrückte den Knoblauch und würzte die Steaks. „Ein großartiges weites Land. Hier bekommt man den Kopf frei. Keine tausend Ablenkungen, nur frische Luft, Landschaft, Himmel. Ich hätte tagelang weiterfahren können.“

Sie lächelte und griff sich die Kartoffeln. „Ich würde sie gern mit Olivenöl einpinseln vor dem Grillen.“

„Ich auch.“ Als sie Salz und Pfeffer zurückräumte, musterte er sie verstohlen. Sie trug ein hellblaues Tanktop mit Rüschen am Ausschnitt, dazu einen weißen Jeansrock und flache silberne Sandalen. Ihr Haar war zu einem Pferdschwanz gebunden und ließ ihren grazilen Nacken frei. Wahrscheinlich weiß sie nicht mal, wie schön sie ist, dachte Autry.

Sie gingen hinaus auf die Terrasse, legten die Kartoffeln auf den Grill und setzten sich auf die niedrige Steinmauer, die die Terrasse vom übrigen Grundstück abgrenzte. Autry konnte seinen Blick nicht von Marissas langen, sonnengebräunten Beinen lösen.

Dann stürmten die Mädchen auf den Hof, Marissas Eltern mit dem Salat und Grillsaucen hinterdrein, und Autry musste seine Aufmerksamkeit auf fünf weitere Personen verteilen.

„Spiel’s noch mal, Abby!“, verlangte Kiera.

Abby legte den Hebel unter der Schneekugel um und der Song von 2LOVEU erklang im Hof. Sie stellte die Schneekugel ab und alle drei Mädchen begannen zu tanzen.

„Find ich klasse, wie sie tanzen, ohne die Füße zu bewegen“, raunte Autry den Erwachsenen zu.

Marissa lachte. „So ist das heutzutage. Man braucht nur die Arme.“

Er wollte Marissa fragen, ob sie gern tanzte; doch etwas, das Roberta Rafferty ausstrahlte – war das Missbilligung? –, hielt ihn zurück. Sicher galt das nicht ihm persönlich, sondern eher der Konstellation zwischen ihm und Marissa. Millionär und Playboy macht alleinerziehender Mutter von drei Kindern, die bei ihren Eltern wohnt, den Hof. Klang irgendwie unpassend. Aber er machte Marissa ja auch nicht den Hof. Er wollte mit ihr befreundet sein und ihr und ihrer Familie etwas Freude bereiten nach allem, was sie durchgemacht hatten.

Nur sah Marissas Mutter nicht erfreut aus. Eher besorgt.

Wahrscheinlich denkt sie, ich breche ihrer Tochter das Herz und ihre Enkeltöchter stehen dann da und fragen, was aus Mommys nettem, großzügigen Freund geworden ist.

Was bin ich doch für ein Idiot! dachte er. Kein Wunder, dass Marissa von einem „großen Auftritt“ gesprochen hatte! Er musste achtsamer umgehen mit den Gefühlen und Erwartungen der Kinder, auch wenn er es liebte, zu geben. Während die anderen beschlossen, im Hof Scharade zu spielen, legte Autry die Steaks auf den Grill. Wie die Großeltern auf jedes Kind gemäß seinem Alter eingingen, war bemerkenswert. Marissa stand die Liebe zu ihren Töchtern ins Gesicht geschrieben und schwang in jedem ihrer Worte und Handlungen mit. Hoffentlich war ihnen bewusst, wie glücklich sie miteinander waren! Dass das nicht selbstverständlich war, wusste Autry nur zu gut.

Fünf Minuten später war das Essen fertig und alle saßen um den großen runden Tisch unter dem Sonnenschirm und genossen die leckere Mahlzeit.

„Wer zuerst?“, fragte Marissa und schaute in die Runde.

Dann sah sie Autrys fragenden Ausdruck und erklärte die Familiensitte, dass beim Abendessen jeder etwas von seinem Tag erzählte.

In Autrys Familie hatte es kaum je ein gemeinsames Abendessen gegeben. Sein Vater hatte fast seine ganze Zeit im Büro oder auf Geschäftsreisen verbracht, und seine Mutter war mit allen möglichen Komitees und Wohltätigkeitsveranstaltungen beschäftigt. Seine Brüder hatten ihren Sport und ihre Clubs und waren selten gleichzeitig zu Hause. Die Hausangestellten hatten jedem seine Mahlzeit einzeln warmgemacht.

„Ich!“, rief Kaylee und streckte ihre Hand hoch. „Ich hab’ einen Schmetterling gesehen. Der war weiß. Aber ich konnte ihn nicht fangen. Deshalb war ich froh und traurig.“

Roberta lächelte. „Ich liebe Schmetterlinge. Und ich möchte erzählen, dass ich, als ich heute vom Lunch mit einer Freundin heimkam, meinen Mann auf dem Sofa vorfand, wo er seinen Enkelkindern etwas vorlas. Alle saßen dort aneinandergekuschelt. Das hat mich sehr glücklich gemacht.“

„Hey, das wollte ich doch erzählen!“, maulte Ralph scherzhaft.

„Und du, Mom?“, wollte Abby wissen.

„Ich möchte sagen, dass es schön ist, neue Freunde zu finden“, sagte Marissa mit Bedacht und schaute ihre Töchter an. Dann schenkte sie Autry ein warmes Lächeln.

„Ich habe auch einen neuen Freund gefunden“, sagte Kiera. „Einen Beagle namens Maddy. Als Grandpa uns heute nach dem Lunch bei Crawford’s ein Eis spendiert hat, war Maddy da draußen. Ich durfte sie sogar streicheln.“

„Du bist dran, Autry“, sagte Abby.

Alle Augen richteten sich auf ihn.

„Ich möchte sagen, wie toll ich es finde, heute mit euch allen hier zu sitzen“, sagte er. „Ihr seid eine großartige Familie.“

Das zauberte selbst auf Robertas Gesicht ein frohes Lächeln.

„Wollt ihr meins wissen?“, fragte Abby. „Das hier!“ Damit nahm sie ihre Schneekugel von ihrem Schoß und stellte sie neben ihren Teller. „Ich liebe das so sehr, dass ich platzen könnte!“

„Das freut mich sehr“, sagte Autry lächelnd.

Weiter ging es mit Essen, Plaudern, Lachen. Wie konnte ich nur glauben, es könnte schwierig werden mit dieser Familie? fragte sich Autry. Es war eine Freude, Kaylee, Kiera und Abby um sich zu haben. Die Erinnerung an Lulu und Karinna war ganz weit weg. Und solange er vernünftig blieb und gefühlsmäßig auf Distanz zu Marissa, konnte er sich gefahrlos weiterhin mit ihr und ihrer Familie treffen. Wenn das auch ihnen Freude bereitete – umso besser.

Als die Teller abgeräumt waren und der köstliche Schokoladenkuchen aufgetischt wurde, stellte Autry fest, dass er am liebsten die ganze Nacht bleiben würde. Trotz Kaylee, die ihn in den letzten zwanzig Minuten viermal gefragt hatte, weshalb sein Hemd blau sei. Trotz Kiera, die ihm sehr ausführlich erklärt hatte, weshalb Beagles dreifarbig sind. Trotz Abbys Bericht über den „total süßen Lyle“, Leadsänger der Boyband, der Grübchen und die grünsten Augen der Welt hatte.

Es ist eben neu, das ist alles, redete Autry sich ein. Er war alleinerziehenden Müttern eine Zeitlang aus dem Weg gegangen, deshalb war diese Art Gesellschaft jetzt eine nette Abwechslung. Ja, genau, das war es! Er fühlte sich erleichtert. Abwechslung hatte er schon immer geliebt. Deshalb liebte er auch seinen Job, der ihn immer wieder an neue Orte führte. Andere Sprachen, eine neue Kultur. Und die Fuller-Raffertys hatten eine ihm völlig neue Kultur gezeigt!

„Da Mr. Autry uns freundlicherweise dieses tolle Abendessen bereitet hat, sollten wir jetzt in die Küche gehen und aufräumen“, sagte Ralph und schaute seine Enkeltöchter an.

„Können wir nicht hier bei Mr. Autry bleiben?“, ließ sich ein Maulen vernehmen, aber dann folgten sie doch brav ihren Großeltern ins Haus.

„Danke für alles“, sagte Marissa. „Du hast ihnen das Gefühl gegeben, etwas ganz Besonderes zu sein.“

„Gut so“, sagte er.

„Oder auch nicht. Im September bist du weg. Aber sie sind immer noch hier und leben ihr Leben weiter. Vielleicht ist es besser, die Erwartungen nicht so hoch zu stecken. Also bitte keine Geschenke mehr, okay? Du bist ein neuer Freund von Mommy und sie sind nicht daran gewöhnt, dass meine Freunde Geschenke mitbringen.“

„Verstanden“, sagte er. „Ich hingegen bin nicht daran gewöhnt, dass ich meine Freunde küssen will.“ Und das wollte er verdammt gern!

Sie sah ihn unverwandt an und biss sich auf die Lippe. Hätte er das besser nicht gesagt?

„Ich auch nicht“, sagte sie schließlich.

Küssen stand nicht zur Diskussion, auch wenn sie gerade festgestellt hatten, dass sie es beide wollten, ganz unverbindlich, ohne Erwartungen. Doch gab es nicht immer irgendwelche Erwartungen?

„Sind das deine Initialen?“, fragte er und deutete auf die große Eiche am Ende des Hofes.

Sie schaute zu dem Baum, in den MR + MF eingeritzt war.

„Wir haben das geschnitzt, als ich sechzehn war.“

Autry ging zu dem Baum und berührte die Stelle. Marissa folgte ihm.

„Ihr habt so viel Familiensinn und seid so verwurzelt in eurer Geschichte“, sagte er.

Sie schien überrascht, dass er familiären Bindungen einen so hohen Stellenwert beimaß, obwohl sein eigenes Leben ganz anders verlaufen war. Marissa nahm ihn bei der Hand, führte ihn um den Baum herum und deutete auf eine Stelle am Boden.

„Als ich fünf war, habe ich versucht, hier hochzuklettern. Ich bin runtergefallen und habe mir den Knöchel gebrochen. Gut zwanzig Jahre später hat Kiera es probiert und sich den Fuß verstaucht. Hoffentlich kommt Kaylee nicht auch noch auf diese Idee!“

Marissa braucht eine Umarmung, dachte Autry. Doch in dem direkten Blick, mit dem sie ihn anschaute, lag der Wunsch nach mehr als einer Umarmung. Sie will, dass der Mann, für den sie sich interessiert, sie an sich zieht und küsst!

Er ging einen Schritt auf sie zu, legte eine Hand auf ihre Wange und versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu entschlüsseln. Verlangen. Unschlüssigkeit. Genau das fühlte er auch.

Im Schutz der großen alten Eiche trat er noch einen Schritt näher und küsste Marissa – warm, sanft und sinnlich. Ihr Haar duftete nach Shampoo. Als sie den Druck ihrer Lippen verstärkte, öffnete er leicht den Mund und musste sich beherrschen, sie nicht gleich hier ins Gras zu legen und ihren Körper Zentimeter für Zentimeter zu erkunden.

Die Terrassentür wurde zur Seite geschoben und bei dem Geräusch gingen sie beide einen Schritt auf Abstand.

„Bis zum nächsten Mal“, sagte Autry.

„Sollte es ein nächste Mal geben?“, fragte Marissa.

„Wohl besser nicht. Ich hoffe es aber trotzdem.“

„Ich auch“, flüsterte sie.

Nachdem Autry spät am Abend in seiner Hotelsuite geduscht hatte, rief er seinen Vater an. Wie schön wäre es, wenn die Jones’ sich auch so nahe stünden und auch Privates miteinander teilten, eben eine richtige Familie wären!

„Schön, dass du anrufst, Autry“, begrüßte ihn Walker der Zweite. „Hast du deine Brüder überzeugt, nach Hause zurückzukommen? Ihre Frauen würden eine Stadt wie Tulsa sicher so einem Provinzkaff vorziehen, das kein einziges Luxusgeschäft hat. Wo kaufen die bloß ihre Kleidung? Obwohl … na ja …“

Autrys Vater war noch immer darauf versessen, das Autry seine Brüder überredete, wieder nach Tulsa zu ziehen. Aber immerhin war er gesprächig und das bedeutete, er hatte gute Laune. Vielleicht war er ja dann offen für Neues. Zum Beispiel dafür, dass Autrys Brüder glücklich waren in ihrem neuen Leben.

„Dad, Walker und Hudson fühlen sich hier sehr wohl. Lindsay und Bella auch, sie sind eng mit ihren Familien hier verbunden.“

„Und Walker und Hudson haben enge Familienbeziehungen in Tulsa, wo sie hingehören.“

„Ich habe Walker noch nie so entspannt erlebt“, wandte Autry ein.

„Ein entspannter Walker bedeutet einen entspannten Geschäftsführer“, gab sein Vater ungehalten zurück. „Und das ist das Letzte, was eine Firma braucht!“

„Jones Holdings verzeichnet Zuwachs mit dem Betreuungs-Franchisegeschäft“, erinnerte Autry seinen Vater. „Walker macht einen guten Job von Rust Creek Falls aus.“

„Sprich mit ihren Frauen über Tulsa! Wenn sie umziehen, zahle ich den Vieren eine Weltreise. Die Kindertagesstätte kann sonst wer betreiben.“

„Die liegt ihnen aber am Herzen“, widersprach Autry. Walker hatte ihm erzählt, wie viel es ihm bedeutete, die Kinder während der Arbeitszeit ihrer Eltern so gut aufgehoben zu wissen mit liebevollen Betreuern. Autry hatte seinen älteren Bruder kaum wiedererkannt und versuchte nun, das seinem Vater zu erklären.

„Kinderbetreuung schön und gut, aber was zum Teufel hat das mit Jones Holdings zu tun? Darüber habe ich mit Hudson und Walker schon vor einem Jahr gesprochen und ihre Antwort überzeugt mich heute so wenig wie damals. Mag sein, dass das Betreuungs-Franchise Gewinn abwirft. Aber es passt nicht in unser Portfolio. Es ist eher peinlich.“

Sein Vater schien ein hoffnungsloser Fall. Bisher dachte er noch immer, seine beiden Söhne würden „nach Hause“ kommen.

Autry hingegen war in den wenigen Tagen in Rust Creek Falls klar geworden, dass seine Brüder jetzt hier ihr Zuhause gefunden hatten.

„Wenigstens um dich muss ich mir keine Sorgen machen, Autry. Oder kannst du dir vorstellen, dich in eine Landpomeranze zu vergucken und dich da niederzulassen?“ Er schniefte. „Ah, deine Mutter zeigt auf die Uhr – wir müssen zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Danke für deinen Versuch, Walker und Hudson wieder zur Vernunft zu bringen. Aber mit dir als Präsident der Firma, der um die Welt reist, wird Jones Holdings den Anschluss nicht verlieren.“

Ich habe mich in ein Mädel vom Lande verguckt, wollte er sagen. Aber sich hier niederlassen? Das konnte er sich nicht vorstellen. „Dad, es ist wirklich schön hier. Ich kann verstehen, weshalb Hudson und Walker hergezogen sind. Rust Creek Falls ist eine ganz besondere Stadt, die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen. An so einem Ort fühlt man sich zu Hause.“

Autor

Marie Ferrarella

Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...

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