Blitzhochzeit mit dem feurigen Wüstenprinzen

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Scheidung in ein paar Monaten und auf keinen Fall Sex! Unter diesen Bedingungen ist die schöne Zoe zu einer Vernunftehe mit Prinz Faraj al-Basara bereit. So kann er seinen Anspruch auf den Thron von Maraban geltend machen, und sie lernt das Land ihrer verstorbenen Großmutter kennen. Aber entgegen jeder Abmachung knistert es heiß zwischen Zoe und dem feurigen Wüstensohn. Als Faraj sie inmitten einer Oase sinnlich küsst, kommen ihr erregende Zweifel: Gehört nicht auch ein bisschen Leidenschaft zu einer Ehe auf Zeit?


  • Erscheinungstag 10.09.2019
  • Bandnummer 2404
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712433
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zoe stieg die Außentreppe des Privatjets herab, der ihrem Großvater gehörte, und als der herrliche Sonnenschein von Maraban sie umfing, lächelte sie glücklich. Es war Frühling, daher war die Hitze gerade noch erträglich. Doch das Allerbeste war: Sie ging die ersten mutigen Schritte in ihr neues Leben.

Allein, endlich allein und frei von allen Einschränkungen, die das enge Zusammenleben mit ihren Schwestern ihr abverlangt hatte. Keine Erwartungen mehr, die sie nicht erfüllen konnte. Sie war nicht länger dazu verdammt, ihre geliebten Schwestern zu enttäuschen.

Winnie und Vivi waren erstaunt gewesen, dass Zoe plante, für ein paar Monate in ein fremdes Land zu ziehen, ohne bei dieser Vorstellung die Nerven zu verlieren. Sie waren vor allem überrascht, dass Zoe zugestimmt hatte, einen wesentlich älteren Mann zu heiraten, um ihren Teil des Abkommens mit ihrem Großvater Stamboulas Fotakis zu erfüllen.

Aber warum denn nicht? Es war ja nicht so, als würde es eine echte Ehe werden. Bloß eine Verbindung auf dem Papier, die ihr zukünftiger Ehemann für politische Zwecke nutzen wollte. Immerhin war Zoe die Enkelin einer ehemaligen Prinzessin, nämlich der von Bania, auch wenn dieses Land heute nicht mehr existierte.

Schon lange bevor Zoe überhaupt auf die Welt gekommen war, hatten sich die beiden winzigen Reiche von Bania und Mara zu Maraban zusammengeschlossen. Und ganz offensichtlich war ihre verstorbene Großmutter, die Prinzessin Azra, in beiden Ländern extrem beliebt gewesen.

Prinz Hakem wollte Zoe in erster Linie wegen ihrer Herkunft heiraten. Sie würde eine echte Prinzessin werden und mehrere Monate im königlichen Palast leben. Dort würde sie die herrliche Einsamkeit genießen, ohne dass jemand sie störte. Niemand würde sie nach ihrem Befinden fragen oder ihr irgendeine Therapie aufdrängen, damit sie im Alltag besser zurechtkommen sollte.

Obwohl sie seit Monaten keine Panikattacke mehr gehabt hatte, waren ihre Schwestern fast ununterbrochen in ihrer Nähe geblieben – immer in Erwartung, dass es wieder passieren konnte. Zoe liebte die beiden zwar über alles, aber ihre ständige Fürsorge verhinderte auch die Unabhängigkeit, die Zoe so dringend für ihr Selbstwertgefühl brauchte. Sie wollte ihren eigenen Weg gehen.

Wie es aussah, würde ihr diese verrückte Scheinehe genau die Freiheit schenken, nach der sie sich sehnte.

Alle drei Schwestern hatten zugestimmt, Männer zu heiraten, die ihr Großvater für sie ausgewählt hatte – jedoch nicht gerade freiwillig. Als Gegenleistung hatte Stam Fotakis ihnen finanzielle Hilfe für ihre Pflegeeltern John und Liz Brooke versprochen, denen die drei jungen Frauen eine Menge zu verdanken hatten.

Winnie und Vivi hatten ihre Pflicht bereits erfüllt und waren trotz anfänglichen Widerstands sehr glücklich mit ihren Ehemännern geworden. In Zoes Fall war jedoch keinerlei Druck notwendig gewesen. Tatsächlich hatte ihr Großvater den Hypothekenrückstand von John und Liz bereits kurz nach der Hochzeit ihrer Schwester Vivi ausgeglichen.

Ja, selbst ihr äußerst rücksichtsloser Großvater hatte sich nicht getraut, seine jüngste Enkeltochter emotional zu erpressen. Auch er war überzeugt davon, dass sie hoffnungslos zerbrechlich und verletzlich war. Niemand glaubte daran, dass Zoe eigene Stärke entwickeln könnte, und diese Kränkung saß tief.

Deshalb war es ihr wichtig, sich selbst zu beweisen, dass sie ihre zwanghaften Ängste allein überwinden konnte.

Wie ihre Schwestern war Zoe in Pflegefamilien aufgewachsen, und ein schrecklicher Vorfall im Alter von zwölf Jahren hatte sie regelrecht traumatisiert. Erst in John und Liz’ glücklichem Zuhause war sie aufgeblüht. Doch als sie später an der Universität Botanik studierte, hatte ihre schlimme Vergangenheit sie in Form einer Angststörung wieder eingeholt.

Ein zwangloser Umgang mit Männern war ihr unmöglich, und sie hatte sich permanent vor anderen dafür rechtfertigen müssen, dass sie keinen festen Freund haben wollte. All das hatte sie schwer belastet. Ihre Panikattacken waren immer schlimmer geworden, und obwohl sie sich vorgenommen hatte, ihre extreme Angst vor ihren Schwestern zu verbergen, war sie letztendlich nicht dazu in der Lage gewesen, alleine mit ihrem Problem fertigzuwerden.

Wenige Wochen vor der Abschlussprüfung hatte sie dann einen Nervenzusammenbruch erlitten und war gezwungen gewesen, ihr Studium vorübergehend auf Eis zu legen.

Obwohl Zoe den Abschluss später nachgeholt und eine dringend notwendige Therapie gemacht hatte, behandelten ihre Schwestern sie weiterhin so, als könnte sie jeden Moment wieder den Boden unter den Füßen verlieren. Das taten sie zwar aus Liebe, trotzdem schwächte es Zoes Selbstbewusstsein und sabotierte jeden ihrer Versuche, auf eigenen Beinen zu stehen.

Und jetzt waren ihre Schwestern verheiratet und lebten in Griechenland beziehungsweise in Italien, und Zoe bot sich die einmalige Gelegenheit, hier in Maraban zu beweisen, dass sie ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.

Zoe stieg in die Limousine. Sie war dankbar dafür, dass ihre Ankunft in Maraban ohne großes Zeremoniell vonstattenging. Prinz Hakem hatte darauf bestanden, dass ihr kein öffentlicher Auftritt oder dergleichen abverlangt wurde. Als Bruder des gegenwärtigen Königs hatte er in Maraban sowieso nur wenige repräsentative Pflichten.

Zoes Großvater hätte sie auf der Reise begleiten sollen, aber er hatte seine Ankunft wegen dringender geschäftlicher Termine um einen Tag verschieben müssen. Den Flug hatte sie erfolgreich gemeistert und schaute jetzt mit regem Interesse auf die belebten Straßen der Hauptstadt Tasit – eine faszinierende Mischung aus Alt und Neu.

Sie sah beeindruckende altertümliche Gebäude und prachtvolle Moscheen mit malerischen bunten Türmchen, und gleich dahinter ragten glänzende Wolkenkratzer und Bürogebäude empor. Maraban befand sich offensichtlich mitten in einem Modernisierungsprozess.

Öl- und Gasreichtum hatten das Land verändert. Zoe hatte alles gelesen, was sie über Maraban finden konnte. Offiziell wusste man angeblich nicht, weshalb ihre Großmutter, Prinzessin Azra, den jetzigen König Tahir damals nicht wie erwartet geheiratet hatte.

Doch Zoe kannte die Wahrheit: Azra war seinerzeit mit Stamboulas Fotakis durchgebrannt, weil sie keinen Mann heiraten wollte, der bereits drei Ehefrauen hatte. Vermutlich wurde diese Geschichte verheimlicht, um die Würde des Monarchen zu schützen.

Glücklicherweise hatte Stam ihr alles erzählt, was sie über das Leben ihrer verstorbenen Großmutter wissen musste.

Es wurde bereits dunkel, als der Chauffeur die Limousine durch imposante, von Soldaten bewachte Tore lenkte. Zoe bemühte sich, einen genaueren Blick auf das Anwesen dahinter zu erhaschen, aber der Wagen fuhr geradeaus weiter durch einen riesigen Gebäudekomplex und hielt schließlich neben einer Eingangstreppe an.

Dort wurde sie höflich begrüßt und ins Innere des recht modern gestalteten Hauses gebracht. Der zeitgenössische Bau verblüffte sie – Zoe hatte von romantisch-historischem Flair geträumt. Eine Dienerin in einem langen Kaftan verbeugte sich tief vor ihr und führte sie eine hell erleuchtete Treppe hinauf in einen Flur, von dem zahlreiche Zimmer abgingen.

Ihre Enttäuschung, dass sie nicht in dem alten königlichen Palast wohnen würde, verebbte langsam, als sie ihre komfortable und schick eingerichtete Umgebung inspizierte. Leider verstand sie die Landessprache der Angestellten nicht, aber ihre Begleiterin gab Zoe mit eindeutigen Handbewegungen zu verstehen, dass ihr wohl gleich eine Mahlzeit gebracht werden würde.

Insgeheim nahm sie sich vor, während ihres Aufenthalts zumindest ein paar nützliche Sätze zu lernen, um sich hier verständigen zu können.

Ein Dienstmädchen erschien, um ihre Koffer auszupacken, und wenig später klopfte es erneut an die Tür. Draußen standen ein schlanker junger Mann und eine Krankenschwester.

„Ich bin Doktor Wazd“, stellte er sich vor. „Ich soll bei Ihnen eine Impfung auffrischen. Die Schwester wird mir dabei assistieren.“

Zoe zuckte zusammen. Sie hasste Nadeln! Außerdem hatte sie geglaubt, ihr Impfschutz würde für Maraban ausreichen. Doch sicherlich wusste ein hiesiger Arzt es besser!

Ergeben rollte sie ihren Ärmel hoch und runzelte die Stirn, als sie bemerkte, wie sehr die Hand des Arztes zitterte. Erstaunt blickte sie zu ihm auf und bemerkte den Schweiß auf seiner Stirn. Wieso war er denn so nervös? Zum Glück übernahm jetzt die Krankenschwester das Prozedere und setzte die Injektion, ohne zu zögern. Zoe biss die Zähne zusammen.

Kaum war das erledigt, wurde ein Tablett mit Essen gebracht, und sie setzte sich an den Arbeitstisch in ihrem Zimmer. Ihr war leicht schwindelig, aber sie tat es als eine Folge des Jetlags ab.

Nach dem Essen fühlte sich Zoe plötzlich schwer wie Blei. Auf wackeligen Beinen ging sie in Richtung Bad und blinzelte gegen die Dunkelheit an, die sie umfing. Sekunden später gab sie nach und stürzte in die Finsternis …

Seine königliche Hoheit, Prinz Faraj al-Basara, befand sich gerade bei einem wichtigen Meeting in London – Thema der Tagung war die Öl- und Gasförderung seines Landes –, als sein privates Mobiltelefon in seiner Tasche vibrierte. Nur wenige Menschen kannten diese Nummer, und wenn es mal klingelte, musste es um etwas sehr, sehr Wichtiges gehen.

Raj entschuldigte sich bei den anderen Konferenzteilnehmern und ging nach draußen, um besorgt sein Telefon zu checken. War sein Vater krank geworden? Oder war zu Hause in Maraban irgendein Unglück passiert?

Maraban war ein winziger Golfstaat, doch gleichzeitig auch eines der reichsten Länder der Welt. Ein politischer oder terroristischer Zwischenfall würde jedoch die öffentliche Ordnung zum Erliegen bringen, weil das Land über relativ wenige Sicherheitskräfte verfügte und auf diplomatische Beziehungen nach außen angewiesen war, um das eigene Wachstum zu stärken.

Wenn Raj an zu Hause dachte, hatte er einen Ort voller Kontraste vor Augen. Hochtechnisierte Allradfahrzeuge und Hubschrauber standen Viehherden in der Wüste gegenüber, und der konservative Part des Nahen Ostens hatte Schwierigkeiten damit, mit den fremden Sitten und der rasanten Entwicklung einer modernen Welt fertig zu werden.

Seit acht Jahren war Raj nicht mehr dort gewesen, weil sein Vater, der König, ihn als Kronprinz abgesetzt und ins Exil geschickt hatte. Raj hatte sich geweigert, der Armee beizutreten und dann eine arrangierte Ehe mit einer Frau einzugehen, die er kaum kannte.

Nein, er war kein pflichtbewusster und gehorsamer Sohn gewesen, das musste er mit grimmiger Selbstachtung zugeben. Er war ein hartnäckiger Rebell, und leider gab es für junge Prinzen keine unpassendere Eigenschaft.

Zumindest hatte Raj erfolgreich seinen eigenen Weg in der Geschäftswelt beschritten und sich permanent beruflich weiterentwickelt. Sein klarer Verstand, seine Intuition und seine Fähigkeit, Trends zu erkennen, machten ihn zu einem Wirtschaftsgenie.

Er hatte auch gelernt, sein Land von außerhalb zu unterstützen, indem er Partnerschaften gründete, Netzwerke knüpfte und ausländische Unternehmen und Investoren an Land zog. Ihm war vor allen Dingen wichtig, Maraban auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. Und seine Belohnung für diese unermüdlichen Bemühungen und seine Entschlossenheit? Maraban – das Zuhause, das er liebte – erlebte einen wirtschaftlichen Boom!

Raj war angenehm überrascht, als er entdeckte, dass es sein Cousin Omar war, der ihn anrief. Omar war sein bester Freund gewesen, damals in den dunklen Tagen auf der Militärschule, die sie beide als Jugendliche besuchen mussten. Eine unvergessliche Zeit unbarmherzigen Mobbings und Missbrauchs, an die sich Raj noch immer mit Grauen erinnerte.

Selbst als Kronprinz war er Ziel fieser Angriffe gewesen, und sein Vater war überzeugt davon gewesen, dass sein einziges Kind in einer solch schwierigen Umgebung vernünftig abgehärtet wurde. Schon da hatte das Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn begonnen …

„Omar, was gibt’s?“, erkundigte er sich beinahe erleichtert.

Wäre sein älterer Vater krank oder gar Schlimmeres, hätte sich eher ein Mitarbeiter des Palasts bei ihm gemeldet. Rajs Mutter war schon früh gestorben, und die Erinnerung daran war besonders schmerzhaft, denn sie hatte sich das Leben genommen.

Es hatte sehr lange gedauert, bis Raj akzeptieren konnte, dass das Unglück seiner Mutter größer gewesen war als ihre Liebe zu ihrem neunjährigen Sohn. Er hatte sich durch ihren Tod verraten gefühlt, denn Liebe und Fürsorge waren an jenem Tag für immer aus seiner kindlichen Welt verschwunden.

„Ich stecke echt in der Klemme, Raj, und du bist der Einzige, der mir bei dieser Sache weiterhelfen kann“, erklärte Omar. Rajs sonst so optimistischer Freund klang plötzlich besorgt. „Ich bin da in etwas reingezogen worden, mit dem ich nichts zu tun haben will, und es ist ernst. Du weißt, ich bin meinem Land grundsätzlich treu, aber es gibt ein paar Dinge, die ich nicht …“

„Komm zum Punkt“, schnitt Raj ihm das Wort ab. „Wo genau bist du da reingeraten?“

„Heute früh erhielt ich einen Anruf von jemandem aus dem Palast, der wissen wollte, ob ich ein Paket bis auf Weiteres aufbewahren könnte. Und nun kommt das Problem, Raj: Ich habe kein Paket bekommen, sondern eine Frau.“

„Eine Frau?“, wiederholte Raj ungläubig. „Machst du Witze?“

„Ich wünschte, es wäre so. Die Frauen des Stammes sind empört, und ich wurde aus meinem Zelt geworfen, damit sie die Dame dort unterbringen können“, klagte Omar. „Meine eigene Frau glaubt, ich wäre in Menschenhandel verwickelt.“

„Darum geht es ganz sicher nicht“, sagte Raj mit fester Stimme. Auf dieses Verbrechen stand in Maraban die Todesstrafe, weil sein Vater dafür sorgen wollte, dass weder Drogen noch Prostitution in seinem Land Fuß fassen konnten.

„Nein, natürlich kann das nicht sein“, stimmte Omar zu. „Aber obwohl der Befehl von der höchsten Regierungsebene kam, finde ich es untragbar, dass ich eine Frau gegen ihren Willen hier festhalten muss.“

„Woher willst du wissen, dass der Auftrag von höchster Ebene kam?“, hakte Raj nach.

Raj biss die Zähne zusammen, als sein Cousin einen Namen erwähnte: Bahadur Abdi. Abdi war der verlässlichste Militärberater im inneren Kreis seines Vaters und konnte nur auf Befehl des Königs handeln. Diese Information warf ein völlig anderes Licht auf die Entführung, denn das musste bedeuten, dass Rajs Vater persönlich involviert war. „Wer zum Teufel ist diese Frau?“

„Was ich bisher rausgefunden habe, wird dir nicht gefallen“, warnte ihn sein Cousin. „Aber sobald ich wusste, dass es sich um lebendige Fracht handelt, habe ich Kontakt mit dem Palast aufgenommen. Es hieß, sie sei die letzte Nachkommin der Familie al-Mishaal – das muss man sich mal vorstellen! Ich dachte, sie wären alle schon seit Ewigkeiten tot und begraben! Wusstest du überhaupt, dass mein Vater sich vor zwei Monaten von meiner Mutter hat scheiden lassen, damit er diese Fremde heiraten kann?“

Raj war erschüttert. Gespannt hörte er Omar zu, der ihm vom Ende der Ehe seiner Eltern berichtete. Wie seltsam ruhig seine Mutter sich nach anfänglicher Weigerung verhalten hatte – nach knapp fünfzig Jahren Beziehung, die vier Kinder und mindestens ein Dutzend Enkelkinder hervorgebracht hatte.

Prinz Hakem, Rajs Onkel und Omars Vater, war jedoch ein verbitterter und ehrgeiziger Mann, der seit Rajs Exil bestrebt war, dessen Platz als Thronfolger einzunehmen. Ironischerweise konnte Raj den Ehrgeiz seines Onkels sogar nachvollziehen. Als jüngerer Bruder des Königs hatte Hakem zwar sein ganzes Leben in Reichweite des Throns verbracht, aber niemals selbst die Herrschaft ausgeübt. Sein Bruder, der König, weigerte sich nämlich, ihm in irgendeiner Weise Verantwortung für das Königreich zu übertragen. Hakem wünschte sich schon lange eine Machtrolle und den damit einhergehenden Einfluss.

„Zuerst soll sie seine Braut und später Königin werden …“, überlegte Raj laut, und sein Cousin brummte zustimmend.

„Ich muss zugeben, sie sieht nicht gerade so aus, als ob sie marabanisches Blut in sich trägt“, fuhr Omar fort. „Sie hat weißblondes Haar und sieht aus wie eine richtige Märchenprinzessin.“

Missmutig runzelte Raj die Stirn. „Prinzessin Azra von Bania war die Tochter eines dänischen Forschers“, murmelte er. „Ich weiß nicht viel über Azras Ehe mit ihrem griechischen Tycoon. Nur dass sie ihn kennengelernt hat, als er damals in Maraban gearbeitet hat, und dass ihre Flucht mit diesem Mann einen riesigen Skandal ausgelöst hat. Sie sollte die vierte Frau meines Vaters werden, stattdessen ist sie mit Fotakis durchgebrannt.“

„Ich habe nicht so viel Ahnung von Geschichte wie du.“ Omar seufzte schwer. „Gib mir einfach einen diplomatischen Rat, was ich jetzt tun soll. Diese Frau wurde offensichtlich entführt. Unsere Ärztin sagt, man hat sie unter Drogen gesetzt. Und selbst wenn ihre Vorfahren aus unserem Land stammen, kann ich mir kaum vorstellen, dass sich eine junge Frau wie sie dazu bereit erklären würde, einen Mann zu heiraten, der so alt wie mein Vater ist.“

„Du wärst schockiert, wenn du wüsstest, was manche Frauen tun würden, um eine unfassbar reiche Prinzessin zu werden. Wenn eine Krone im Spiel ist, wird die Sache sogar noch attraktiver für sie“, knurrte Raj zynisch. Schließlich wusste er, wovon er sprach.

Seine eigenen Erfahrungen mit einem Verrat dieser Sorte hatten ihn in den Augen seines Vaters zu einem Schwächling gemacht. Sogar noch viele Jahre später war Raj sich bewusst, welche Anziehungskraft von seinem Titel und seinem Vermögen ausging. Leider fand er es nicht reizvoll, gejagt, umschmeichelt und verführt zu werden. Er zog es vor, selbst auf die Jagd zu gehen.

Nach dem Selbstmord seiner Mutter und den ersten eigenen Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht war Raj zu der Überzeugung gelangt, dass man Frauen generell kein Vertrauen schenken durfte.

Auch Omar ahnte, dass sein Cousin wahrscheinlich an diese alte und erniedrigende Geschichte dachte. „Aber ich kann dir eines sagen: Wenn das hier ein Spiel meines Vaters ist, kann er damit nur scheitern. Mein Vater ist ziemlich unbeliebt. Ich kenne niemanden, der bereit wäre, ihn an deiner Stelle als Thronerben zu akzeptieren. Auch nicht, wenn er es irgendwie geschafft hat, sich ein Mitglied der al-Mishaal-Königsfamilie als Braut anzulachen!“

Raj hatte schon lange Zeit nichts mehr mit der Palastpolitik zu tun, aber er hatte die komplizierten Intrigen in den Hinterzimmern nicht vergessen. Als Hakems Braut wäre Prinzessin Azras Enkeltochter eine unbezahlbare Galionsfigur, das stand ohne Zweifel fest, egal was Omar davon hielt.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung von Maraban hatte banianische Wurzeln, und diese Leute ärgerten sich, dass im königlichen Stammbaum kein banianischer Adel auftauchte. Es wäre ein Triumph für Rajs Onkel, Azras Enkelin zu heiraten, denn damit würde sich seine Popularität auf einen Schlag extrem steigern. Genau darum hätte Rajs Vater niemals eine solche Ehe zugelassen. König Tahir tolerierte keine Konkurrenz und hatte seinen jüngeren Bruder aus diesem Grund immer kleingehalten. Er würde diese Hochzeit um jeden Preis verhindern wollen …

Omar unterbrach Rajs rasende Gedanken. „Sag mal, was soll ich denn jetzt mit ihr machen?“ Er klang verzweifelt. „Wie soll ich diese schreckliche Verantwortung loswerden, ohne selbst in Schwierigkeiten zu geraten?“

Raj traf eine Entscheidung, die ihn selbst überraschte, die er seinem Cousin aber umso entschlossener mitteilte. Anschließend kehrte er in sein Meeting zurück, um sich zu entschuldigen und zu erklären, dass eine Familienkrise seine sofortige Aufmerksamkeit verlangte.

Als erste Maßnahme rief er ein Detektivbüro an, das ihm schon in der Vergangenheit hervorragende Dienste geleistet hatte, und forderte sämtliche verfügbare Unterlagen über die mutmaßliche Braut seines Onkels an. Er brauchte dringend Informationen, und zwar schnell. Dieses ganze Unterfangen versetzt ihn in einen emotionalen Ausnahmezustand.

Wieso?

Zum ersten Mal seit acht Jahren würde er in sein Heimatland zurückkehren. Er freute sich sehr darauf, auch wenn er sich in diesem Zuge mit einer weiteren skrupellosen und gierigen Frau auseinandersetzen musste. Er würde sie schon in ihre Schranken weisen!

Zoe erwachte aus einem unruhigen, verrückten Traum und merkte, wie jemand ihr ein Glas Wasser an die Lippen hielt. Ihre Augen wollten sich einfach nicht öffnen, und ihre Glieder fühlten sich schlaff an.

Man brachte sie in ein Badezimmer, obwohl ihre Füße ihr kaum gehorchen wollten. Unterwegs versuchte sie, mit den Fingerspitzen ihre Umgebung zu erkunden, und dabei berührte sie Wände, die seltsam kurvig waren.

Zurück im Bett wurde sie erneut unter Drogen gesetzt, und sie kämpfte erfolglos darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie musste wach bleiben, musste sich verteidigen! Doch sie war machtlos…

Als Raj die Informationen über Zoe Mardas erhielt, musste er seine erste Einschätzung neu überdenken.

Warum um alles in der Welt wäre eine solche Frau bereit, einen Mann zu heiraten, der fast so alt war wie ihr eigener Großvater? Geldgier war ein höchst unwahrscheinliches Motiv, immerhin handelte es sich um die Enkeltochter des Milliardärs Stamboulas Fotakis.

Der griechische Tycoon würde die Entführung seiner geliebten Enkelin wohl kaum ungestraft lassen. Trotzdem sah es so aus, als wäre Fotakis die treibende Kraft hinter der geplanten Heirat zwischen Hakem und Zoe gewesen. Worum ging es dabei? Um ein lukratives Geschäft? Oder einen Titel für seine Enkelin?

Kurzerhand beschloss Raj, direkt mit Fotakis Kontakt aufzunehmen.

Jemand bürstete Zoes Haar, als sie das nächste Mal aufwachte, und murmelte leise Worte in einer fremden Sprache.

Sie öffnete die Augen. Neben ihr kniete eine ältere Frau und lächelte sie an, während sie mit ehrfürchtiger Vorsicht Zoes lange blonde Mähne durch ihre Finger gleiten ließ. Sie wirkte weder feindselig noch in irgendeiner Weise bedrohlich, und Zoe rang sich ebenfalls ein Lächeln ab.

Ihr angeborener Überlebensinstinkt erwachte. Solange sie nicht wusste, was hier vor sich ging, würde sie die brave Gefangene spielen – bis ihr Großvater sie hoffentlich rettete.

Denn eines wusste sie: Stamboulas Fotakis würde nicht lange auf sich warten lassen. Sobald ihm zu Ohren kam, dass Zoe verschwunden war, würde er sie suchen und dabei die ganze Welt durchkämmen, bis er sie gefunden hatte. Diese Vorstellung beruhigte Zoe etwas.

Sie löste sich sanft aus dem leichten Griff der Frau, setzte sich auf, und die Fremde führte sie hilfsbereit zu einem recht provisorischen Bad. Offensichtlich befand Zoe sich nicht mehr in der Villa auf dem Palastgelände, sondern in einem sehr großen und extrem luxuriösen Zelt, das mit üppigen Vorhängen und opulenten Sitzgelegenheiten ausgestattet war.

Das Bad hatte zwar ebenfalls keine festen Wände, bot jedoch genügend Privatsphäre, um sich etwas zu erfrischen. Zoe fühlte sich heiß und verschwitzt und sehnte sich nach einer Dusche, aber sie wollte sich hier lieber nicht nackt ausziehen. Darum wusch sie sich so gut es ging mit kaltem Wasser, trocknete ihr Gesicht ab und stellte überrascht fest, dass sie anstelle ihrer eigenen Sachen ein langes, feines Baumwollgewand trug. Sie würde nie wieder einem Arzt über den Weg trauen!

Warum war sie aus Prinz Hakems Villa entführt worden? Jedenfalls nahm sie an, dass es sich um seine Villa gehandelt hatte. Vermutlich wollte jemand ihre Ehe verhindern, ein anderer Grund fiel ihr nicht ein. Aber in diesem Fall wäre es doch nicht nötig gewesen, sie mit einer Spritze außer Gefecht zu setzen. Ein ernstes Gespräch unter vier Augen hätte genügt.

Sicherlich wäre es für Stam Fotakis nicht mehr wichtig, dass sie als Prinzessin in die Fußstapfen ihrer ehemals königlichen Großmutter Prinzessin Azra trat, wenn er erfuhr, dass seine Enkelin bei diesem Vorhaben Leib und Leben riskierte.

Zwei Frauen bereiteten gerade Essen zu, als Zoe zurückkehrte, und sie schlenderte so lässig wie möglich in Richtung der offenen Ausgangstür. Was sie dort erblickte, ließ sie erstarren. Draußen stand ein Kreis von Zelten, und dahinter befanden sich Sanddünen, so weit das Auge reichte. Sie befand sich mitten in der Wüste, und damit war eine Flucht ohne Transportmittel und Landkarte ausgeschlossen.

Bei dieser Erkenntnis spannte sich Zoes ganzer Körper an, und sie schluckte schwer.

Über einem der Zelte entdeckte sie die Rotorblätter eines Hubschraubers. War sie hier eingeflogen worden? Was, wenn sie gar nicht entführt worden war, um die Hochzeit zu verhindern, sondern um ein Lösegeld zu erpressen? Ihr Großvater war schließlich ein reicher Mann.

In jedem Fall schien es nicht ausgeschlossen, dass ihr jemand wehtun würde. Schlagartig fühlte sie sich krank. Zoe spürte alle Zeichen einer herannahenden Panikattacke, und ihre Gedanken verschwammen allmählich. Ihr Herz raste, und sie zitterte trotz der Hitze. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn, und ihr wurde entsetzlich schwindelig.

Mir geht es gut, ich bin stark, ich kann damit umgehen, sang sie innerlich. Aber das Mantra, das ihr normalerweise half, sich zu stabilisieren, versagte in dieser Situation.

Dann ertönte plötzlich direkt hinter ihr die Stimme eines Mannes, und eine Hand streifte ihre Schulter. Erschrocken und verängstigt reagierte Zoe automatisch mit den Selbstverteidigungstaktiken, die sie monatelang trainiert hatte – als Maßnahme zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins.

Sie drehte sich blitzschnell um und vollführte drei Angriffe gleichzeitig: Ellenbogen gegen die Brust, die geballte Faust gegen den Hals, und mit dem Knie zielte sie in die Leistengegend.

Raj war noch nie von einer Frau angegriffen worden, und schon gar nicht von einer, die etwa so groß war wie ein Teenager. Vor Schreck hätte er sich beinahe überrumpeln lassen, doch dann besann er sich automatisch auf sein eigenes Training. Tänzerisch drehte er sich zur Seite, blockte ihre Angriffe ab und packte sie gleichzeitig an den Handgelenken. Ehe sie sich’s versah, hatte er sie unter sich auf den Teppich des Zelts gedrückt und hielt sie dort fest.

„Lass mich los, du Bastard!“, brüllte sie ihn an, versuchte ihn zu kratzen und zu beißen und riss ihm dabei seine weiße Kopfbedeckung – seine Kufiya – herunter.

Sofort ließ Raj sie los und wich einige Schritte zurück. Schließlich wollte er sie nicht verletzen. Sie wälzte sich zur Seite, und ihr bleiches Gesicht war vor Angst verzerrt. Die Augen wirkten glasig.

„Du bist hier in Sicherheit. Niemand wird dir etwas tun.“ Raj hockte sich mit etwas Abstand vor sie hin, während sie sich wie ein gefangenes Tier gegen eine Holztruhe drängte und die Knie eng an den Körper zog. Sie wiegte sich langsam hin und her. Allein schon ihre zierliche Erscheinung weckte einen unbändigen Beschützerinstinkt in ihm. „Bei meiner Ehre, ich schwöre dir, dass du in Sicherheit bist“, versprach er mit fester, tiefer Stimme.

Doch sie schien ihn gar nicht wahrzunehmen.

Er ärgerte sich darüber, dass sein Cousin seine englischsprachige Frau Farida nicht sofort zu Zoe geschickt hatte, um der jungen Engländerin ihre Situation zu erklären. Vor allem aber verfluchte er seinen Vater und die Allmacht, die der in Maraban ausübte – denn Raj war überzeugt, dass er hinter dieser unmöglichen Entführung steckte.

Ignorierte sein Vater Tahir die Tatsache, dass er einen explosiven, hochgradig gefährlichen Skandal riskierte, der dem Ansehen seines Landes großen Schaden zufügen konnte? Vermutlich dachte er einzig und allein daran, den Plan seines ehrgeizigen Bruders schnellstmöglich zu vereiteln, ohne dabei die Konsequenzen zu berücksichtigen.

Um Zoe Mardas zu beruhigen, kniete Raj sich nun hin und begann, ihr Atemübungen vorzumachen, die sie wiederholen sollte. Ihre außergewöhnlich grünen Augen, klar wie Smaragde, richteten sich auf ihn, und sie blinzelte. Für den Bruchteil einer Sekunde war er von ihrer kühlen skandinavischen Schönheit gefesselt.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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