Brave Mädchen küssen heißer

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Nervös betritt die schüchterne Reporterin Summer die Garderobe des Rockstars Zeke Woodlow. Sie hat viel riskiert, um ihn zu interviewen! Doch statt ihre Fragen zu beantworten, küsst er sie heiß und stellt in einer einzigen Nacht ihr ganzes Leben auf den Kopf ...


  • Erscheinungstag 24.02.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766894
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sie brauchte dieses Interview. Ihre Karriere hing davon ab. Und soweit sie es beurteilen konnte, standen diesem Interview lediglich ein paar muskelbepackte Security-Leute, ihr fehlender Backstagepass sowie knapp zwanzigtausend kreischende Zeke-Woodlow-Fans im Wege.

Summer beobachtete Zeke auf der Bühne. Selbst von ihrem Platz aus in der zwölften Reihe war sein Charisma deutlich spürbar. Seine Jeans und das schwarze T-Shirt betonten seine schlanke muskulöse Figur. Das dunkelbraune Haar trug er lang, es fiel bis in den Nacken und war zerzaust auf eine Weise, die sein Bad-Boy-Image unterstrich.

Es war sein attraktives Gesicht, das seine Fans aus dem Häuschen geraten ließ. Summer wollte dieses Gesicht unbedingt mit ihrer Kamera festhalten.

In diesem Moment schien Zeke genau in ihre Richtung zu sehen. Summer hielt den Atem an. Die Verbindung dauerte nur wenige Sekunden, doch spürte sie die Intensität bis in die Zehenspitzen.

Erst als Zeke den Blick abwandte, atmete sie wieder aus.

Kein Zweifel, Zeke Woodlow besaß unglaublichen Sexappeal.

Nicht, dass er ihr Typ wäre.

Unwillkürlich schaute sie auf ihren Verlobungsring mit dem runden zweikarätigen Brillanten.

Nein, der war überhaupt nicht ihr Typ.

Als sie erneut von den Fans angerempelt wurde, beherrschte sie ihre Ungeduld und sah sich um.

Madison Square Garden. Einer von New Yorks wichtigsten Veranstaltungssorten, an dem politische Versammlungen ebenso abgehalten wurden wie zahllose Sportveranstaltungen. Frank Sinatra, Elvis Presley, die Rolling Stones, Elton John, Bruce Springsteen … und nun Zeke Woodlow, Grammy-Gewinner, Rockstar und derzeit It-Boy der Musikwelt, von dessen letzter CD „Falling For You“ über zehn Millionen Stück verkauft worden waren.

Summer hatte alle wichtigen Informationen über Zeke. Sie wusste, dass er in New York aufgewachsen war und jetzt in einer Villa in Beverly Hills lebte. Dass er wegen seiner sexy Songtexte berühmt geworden war und dass er geholfen hatte, „Musicians for a Cure“ auf die Beine zu stellen. Letzteres war der Grund dafür, dass er diese Konzertserie im Madison Square Garden eröffnete, die der Krebsforschung zugutekam.

Doch all diese Fakten änderten nichts daran, dass sie keinen Zugang hatte. Dummerweise war sie aber entschlossen, ein Interview mit Zeke für The Buzz zu bekommen. Seit Monaten dachte sie darüber nach, wie sie sich eine Beförderung verdienen konnte. Ihr Großvater Patrick Elliott war davon überzeugt, dass auch Verwandte sich im Zeitschriftenimperium der Familie hocharbeiten sollten.

Als Summer eines Tages nach Hause gekommen war und eine Anzeige von „Musicians for a Cure“ in ihrer Post gesehen hatte, erkannte sie ihre Chance, von der kleinen unbedeutenden Redakteurin zur etablierten Reporterin aufzusteigen. Ein Interview mit Zeke Woodlow wäre genau das Richtige für The Buzz, das in heftiger Konkurrenz stand zu Entertainment Weekly, aber auch zu anderen Elliott-Zeitschriften. Patrick Elliott hatte verkündet, dass der Chef des profitabelsten Magazins am Ende des Jahres, wenn er sich zur Ruhe setzte, der neue Chef von Elliott Publication Holdings, kurz EPH, werden würde.

Summer hielt Notizblock und Kugelschreiber fest umklammert und trat von einem Fuß auf den anderen. Sie war direkt nach der Arbeit zum Konzert gefahren und fühlte sich inzwischen längst nicht mehr wohl. Unzählige Male hatte man ihr auf die Füße getreten, die in Stiefeln mit dicken Absätzen steckten. Ihre Nadelstreifenhose war perfekt fürs Büro, hier aber viel zu warm und zwischen all den Jeans deplatziert. Ihr Rollkragenpullover war ebenfalls unbequem in der Hitze, die von Tausenden tanzenden begeisterten Fans erzeugt wurde.

Die Menge wogte Richtung Bühne und wieder zurück, sodass die vordersten Reihen von dem auf Zeke Woodlow gerichteten Scheinwerferlicht gestreift wurden.

Da Summer bloß einfache Redakteurin war, hätte Zekes PR-Manager ihr glatt ins Gesicht gelacht, wenn sie um ein Exklusivinterview gebeten hätte. Doch sie hoffte, Zeke dazu bringen zu können, mit ihr zu reden – wenn sie nur nah genug an ihn herankam. Schließlich war sie ehrgeizig und redegewandt, und sie hatte Ahnung von Musik. Außerdem arbeitete sie für The Buzz, auch wenn ihre Position sie nicht für einen Backstage-Presseausweis qualifizierte.

Als Zeke den Song beendete, brach ein Sturm der Begeisterung los. Er scherzte mit dem Publikum, und seine tiefe sexy Stimme erfüllte das Stadion. Summer spürte diese Stimme auf der Haut wie eine intime Liebkosung.

„Wollt ihr mehr?“, rief er.

Das Publikum johlte.

„Ich kann euch nicht hören.“ Er legte die Hand ans Ohr.

Die Menge brüllte.

„Alles klar!“ Zeke gab der Band hinter sich ein Zeichen und hängte sich eine E-Gitarre um. Dann setzte die Musik ein, und Zeke sang einen seiner größten Hits, eine Ballade mit dem Titel „Beautiful in My Arms“.

Während er davon sang, unter sanft sich wiegenden Palmen Liebe zu machen, war Summer wie alle anderen vollkommen hingerissen von diesem magischen Moment. Der Zauberbann endete erst mit dem Song, und selbst dann dauerte es noch einige Sekunden, ehe es ihr gelang, sich zusammenzureißen.

Sie durfte nicht vergessen, dass sie nur aus einem einzigen Grund hier war, und dazu gehörte nicht, ein weiterer glühender Fan von Zeke Woodlow zu werden.

Dreißig Minuten später, als das Konzert zu Ende war, bahnte Summer sich einen Weg durch die zu den Ausgängen strömende Menge. Sie war wild entschlossen, in den Backstagebereich zu gelangen. Leider wurde sie von einem großen, hart aussehenden Security-Mann aufgehalten.

„Verzeihung“, sagte sie, „ich möchte hinter die Bühne.“

Der Security-Mann blickte auf sie herunter, die Arme vor der Brust verschränkt. Er registrierte kurz ihren Ring und sagte: „Klar doch. Sie und ein paar Tausend andere Leute.“

„Ich gehöre zur Presse“, erklärte sie und brachte ihre Worte in genau dem Ton vor, den sie Hunderte Male von der Direktorin der Privatschule für Mädchen gehört hatte, die sie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Scarlet besucht hatte.

„Zeigen Sie mir Ihren Backstagepass.“

„Ich habe keinen. Sehen Sie …“

Aber der ebenso stämmige wie gleichmütige Kerl schüttelte bereits den Kopf. „Kein Pass, kein Zutritt. So einfach ist das.“

Am liebsten hätte sie gefragt, ob sie nicht doch noch darüber reden könnten. Aber da sie bezweifelte, dass das irgendeine Wirkung zeigen würde, kramte sie stattdessen in ihrer Handtasche nach einer Visitenkarte. Schließlich fand sie eine und hielt sie ihm unter die Nase. „Sehen Sie? Ich mit Redaktionsmitglied bei The Buzz. Kennen Sie doch, oder?“ Ihre Position bei der Zeitschrift verschwieg sie lieber.

Der Security-Typ betrachtete die Visitenkarte, machte sich jedoch gar nicht erst die Mühe, sie Summer aus der Hand zu nehmen. „Wie ich schon sagte, nur autorisierte Personen haben Zutritt zum Backstagebereich.“

Verdammt! Damit hatte sie rechnen müssen.

„Na schön“, sagte sie und probierte es mit einem letzten Trick. „Aber ich übernehme nicht die Verantwortung, wenn Köpfe rollen, weil Zeke Woodlow die Chance vertan hat, ein Interview mit einem der größten Unterhaltungsmagazine des Landes zu führen.“

Der Security-Typ hob bloß eine Braue.

Summer machte auf dem Absatz kehrt und marschierte hoch erhobenen Hauptes davon. Miss Donaldson aus ihrer alten Schule wäre stolz auf sie gewesen.

Was soll’s, dachte sie, dann würde sie Zeke eben nicht in seiner Garderobe interviewen. Irgendwann musste er den Veranstaltungsort verlassen, und wenn es so weit war, würde sie ihn erwarten. Sie hatte sich nicht umsonst fast drei Stunden lang von seinen Fans herumschubsen und anrempeln lassen. Sie brauchte dieses Interview.

Doch eine Stunde später fühlte sie sich, als stünde sie schon ewig bibbernd in der feuchtkalten Nacht. Müde und hungrig fing sie an, sich zu fragen, wie sehr sie dieses Interview wirklich brauchte. Sie wollte nach Hause.

Als sie in ihrer Handtasche nach einem Pfefferminzbonbon kramte, nahm sie am Rand ihres Blickfelds eine Bewegung wahr. Sie sah auf und entdeckte Zeke, der gerade herauskam.

Dummerweise war er umringt von Security-Leuten. Trotzdem rannte sie los, denn ihr würden nur wenige Sekunden bleiben, bevor er in der Limousine verschwand, die inzwischen vorgefahren war. „Zeke! Mr Woodlow!“

In diesem Moment brach Unruhe um Zeke herum aus. Blitzlichter der Paparazzi zuckten, und ein paar Mädchen kreischten und hüpften.

Summer wurde von einer Mauer aufgehalten – als sie hochschaute, erkannte sie, dass es sich um einen uniformierten Polizisten handelte. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. Er war einer von mehreren New Yorker Cops, die sich in der Nähe der Limousine aufhielten.

„Treten Sie zurück!“, befahl er.

Summer schaute ihm über die Schulter. Zeke stieg bereits in den Wagen. Ihr Mut sank.

Vier Stunden, siebenundzwanzig Minuten und über zwanzig Songs. Und am Ende musste sie sich doch geschlagen geben.

Am liebsten hätte sie vor Frustration geweint. Wie aufs Stichwort traf ein Regentropfen ihre Wange, dann noch einer. Sie sah zum Himmel hoch, verzog das Gesicht und rannte zum Taxistand in der Seventh Avenue. Sobald es anfing, richtig zu regnen, würde es keine freien Taxis mehr geben.

Fünfundzwanzig Minuten später erreichte sie das Stadthaus in der Upper West Side, in dem sie und ihre Schwester wohnten. Scarlet kam barfuß und im roten Seidenpyjama aus ihrem Zimmer und begrüßte sie. „Und, wie ist es gelaufen?“, erkundigte sie sich.

Summer musterte Scarlets Aufzug und fand wieder einmal, dass sie unterschiedlicher kaum hätten sein können, obwohl sie eineiige Zwillinge waren. Scarlet war extravagant, wild und verrückt, während Summer eher als sensibel und vernünftig galt.

„Schrecklich“, antwortete sie, ließ sich aufs Sofa fallen und zog die Stiefel aus. Erleichtert bewegte sie die Zehen. „Ich weiß nicht, warum ich geglaubt habe, dass ich dieses Interview mit Zeke bekomme. Ich bin nicht einmal in seine Nähe gelangt! Der Kerl wird besser bewacht als der Papst und der Präsident zusammen.“

Sie berichtete kurz über den Abend und meinte schulterzuckend: „Es war von Anfang an eine Schnapsidee von mir. Jetzt muss ich mir für meinen Karrieresprung etwas anderes einfallen lassen. Irgendwelche Ideen?“

„Das war’s?“, fragte Scarlet ungläubig. „Du gibst die Sache mit Zeke einfach so auf?“

„Nicht einfach so“, verteidigte Summer sich. „Hast du mir nicht zugehört?“

„Gibt es morgen Abend nicht noch ein Konzert? Da hast du doch die Chance, dein Interview zu bekommen.“

„Scar, hallo?“ Sie war es gewohnt, dem Überschwang ihrer Schwester mit einer Dosis Realität zu begegnen. „Es wird kein Interview geben.“

Scarlet stemmte die Hände in die Hüften. „Na ja, ganz sicher nicht, wenn du so angezogen bist.“

Summer schaute an sich herunter. „Was ist denn an meiner Kleidung auszusetzen?“

„Du bist angezogen wie eine Nonne.“ Mit einer Hand gestikulierend fügte Scarlet hinzu: „Du bist praktisch von Kopf bis Fuß bedeckt.“

„Es ist kalt draußen“, verteidigte Summer sich. „Willst du etwa andeuten, ich würde mehr erreichen, wenn ich mein Dekolleté zeige?“

„Schaden kann es jedenfalls nicht.“

„Klar, und vermutlich würde es helfen, wenn ich mir ein paar Sachen aus deinem Kleiderschrank ausborge“, bemerkte sie trocken.

„Das ist keine schlechte Idee.“

Scarlet war modebegeistert. Oft fertigte sie Skizzen von Kleidern an und nähte sie sogar manchmal selbst. Dafür bewunderte Summer sie, auch wenn ihr eigener Geschmack seriöser war.

„Vergiss es.“

„Nein, das ist es! Warum bin ich nicht schon vorher darauf gekommen?“

„Worauf?“

„Wie du an Zeke Woodlows Security-Leuten vorbeikommst. Zieh dich einfach wie ein Rock-Groupie an. Attraktive Frauen dürfen immer hinter die Bühne.“

„Warum?“

Scarlet stöhnte genervt. „Manchmal habe ich den Eindruck, du lebst hinter dem Mond. Was glaubst du denn, warum? Manchmal wegen Sex, manchmal um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Frauen prahlen hinterher vor der Presse mit ihren Kontakten zum Rockstar.“

„Verschone mich! Soll ich mich etwa wie eine von diesen Billig-Tussis präsentieren? Mir geht es darum, als Journalistin respektiert zu werden und nicht als Flittchen einen Rocker scharfzumachen!“

Aber Scarlet wandte sich schon ab. „Komm mit! Morgen Abend wirst du verführerisch gekleidet sein. Der seriöse Teil kann beginnen, sobald du deinen Stilettopumps in die Tür bekommen hast. Du gehst zu einem Rockkonzert, nicht zu einem Interview bei den Vereinten Nationen.“

Summer seufzte, stand jedoch auf und trottete ihrer Zwillingsschwester hinterher. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was Scarlet im Sinn hatte. Und genau das war das Problem.

Als sie ihren Stilettopumps auf den Asphalt setzte, wappnete Summer sich für das, was vor ihr lag. Beim Aussteigen aus dem Taxi schaute sie zum Stadion hinauf und wiederholte im Stillen Scarlets Ratschlag.

Lass die Göttin in dir frei …

Das sagte sie wie ein Mantra vor sich hin auf dem Weg zum Eingang des Madison Square Gardens.

Um fünf Uhr hatte sie ihren Schreibtisch verlassen und war mit dem Fahrstuhl im EPH-Hauptquartier hinunter in die Charisma – Redaktion gefahren, wo ihre Schwester arbeitete. Scarlet half ihr beim Anziehen der Sachen, die sie gestern Nacht noch herausgesucht hatten. Dann schminkte sie Summer und machte ihr die Haare.

Da sie sich ausgiebig im Spiegel betrachtet hatte, wusste Summer, wie sie jetzt aussah: supersexy. Mit anderen Worten: nicht wie sie selbst. Eher wie Scarlet. Das war natürlich nicht weiter erstaunlich, da sie schließlich die Kleidung ihrer Zwillingsschwester anhatte.

Summer berührte ihr Haar, das sie offen trug, sodass die vollen Locken auf ihre Schultern fielen.

Unter ihrem kurzen Pea-Coat mit Gürtel trug sie einen schwarzen Wildlederrock, der oberhalb ihrer Knie endete, dazu schwarze Stiefel, die knapp darunter endeten. Scarlet war der Ansicht, Knie seien sexy.

Ihr dunkelrotes Top hatte einen tiefen Ausschnitt, ihr Gesicht war geschminkt. Normalerweise bevorzugte sie ein natürliches Aussehen und benutzte höchstens einen dezenten Lippenstift. Heute Abend jedoch waren ihre Lippen blutrot geschminkt, mit einem leuchtenden Glanz dank des Goldstaubs in ihrem Lippenstift.

Offenbar war Gold von dreiundzwanzig Karat essbar. Wer hätte das gedacht? Sie nicht, dafür aber Scarlet, die schließlich Moderedakteurin bei Charisma war – EPHs Antwort auf die Vogue.

Summer schaute auf ihre ringlose Hand. An ihrem Finger war kein verräterischer blasser Streifen zu sehen.

Ihre Schwester hatte darauf bestanden, dass sie den Verlobungsring zu Hause ließ. Als Summer protestierte, hatte sie ihr den Ring einfach abgenommen und sich selbst auf den Finger gesteckt.

„Sei nicht albern“, hatte Scarlet gesagt. „Wie willst du denn sonst ein Groupie spielen?“

„Was hat der Ring damit zu tun?“, konterte sie, während sie ihre Hand Scarlets Griff zu entwinden versuchte.

„Sind wir das nicht alles schon durchgegangen? Groupies dürfen hinter die Bühne, weil sie jung, sexy und Single sind. Willst du die ganze Mühe auf dich nehmen, um dann am Ring zu scheitern?“

Am Ende hatte sie Scarlet den Ring überlassen. Trotzdem passte ihr das Ganze nicht. Es kam ihr wie Verrat an John vor.

Das war natürlich albern, schließlich hatte sie heute Abend kein Date. Sie versuchte nur, einen Rockstar zum Interview zu bewegen, indem sie ein wenig Sexappeal einsetzte. Was war dagegen einzuwenden?

Tatsächlich glaubte sie das inzwischen fast selbst. Fast.

Erneut musste sie an John denken. Schon bald würde er von seiner Geschäftsreise zurück sein, und das war gut, denn sie mussten ihre Hochzeit planen.

Summer war eine akribische Planerin und Listenerstellerin, und mit fünfundzwanzig zu heiraten, passte exakt in den Fünfjahresplan, den sie für sich entworfen hatte.

Der sah Folgendes vor: Verlobung und vollwertige Reporterin bei The Buzz mit fünfundzwanzig, Heirat mit sechsundzwanzig, mit achtundzwanzig Starreporterin, mit dreißig Aufstieg in einen Managerposten bei The Buzz und schwanger werden.

So weit, so gut. Es half, dass John seinen eigenen Fünfjahresplan hatte. Das war eines der Dinge, die dazu beigetragen hatten, sich unter den zahlreichen Männern, mit denen sie ausgegangen war, letztlich für ihn zu entscheiden.

Genau wie sie war John ernsthaft und ehrgeizig. Mit neunundzwanzig war er bereits Teilhaber der Werbeagentur, in der er arbeitete, und hatte einen beeindruckenden Kundenstamm, für den er geschäftlich durchs ganze Land fliegen musste.

Er war Summers perfekte Ergänzung, und nächstes Jahr um diese Zeit würde sie Mrs John Harlan sein. Nach neunmonatiger Beziehung hatte er ihr bei einem romantischen Abendessen am Valentinstag einen Antrag gemacht.

Die Perfektion dieses Antrags war der letzte Beweis dafür, dass Summer die richtige Entscheidung traf. Sie selbst war der Ansicht gewesen, der Valentinstag sei der beste Zeitpunkt für eine Verlobung, doch ihre gute Privatschul-Erziehung verbot es ihr, irgendwelche Andeutungen in dieser Richtung zu machen. Aber dann hatte John ihr tatsächlich einen Heiratsantrag gemacht.

Was spielte es da für eine Rolle, dass sie nachts allein im Bett ein seltsames Unbehagen beschlich? Waren nicht alle Bräute nervös?

Wie schon am Abend zuvor überließ sie sich ganz der verträumten Stimmung, die das Konzert in ihr auslöste. Hatte sie es gestern noch als Zufall abgehakt, konnte sie diesmal nicht mehr leugnen, welch enorme Ausstrahlung Zeke Woodlow besaß und welche Wirkung sein Auftritt auf sie hatte.

Gelegentlich hielt sie inne, um sich etwas in ihrem kleinen Notizbuch zu notieren und nach den richtigen Adjektiven zu suchen, mit denen Zekes Performance und elektrisierende Wirkung auf das Publikum am besten zu umschreiben waren.

Als er „Beautiful in My Arms“ sang, fühlte sie sich erneut wie verzaubert, als sänge er ganz allein für sie. Es war fast das gleiche Gefühl wie in einer anderen Situation, in der sie etwas für sie völlig Untypisches getan hatte …

Erschrocken nahm sie sich zusammen. Es war dumm, jetzt daran zu denken – an ihr kleines Geheimnis. Heute Abend ging es darum, einen Job zu erledigen.

Diesmal gelang es ihr mit etwas Glück – und Insider-Tipps von einer Kollegin bei The Buzz – sich am Ende des Konzerts aus der Arena zu schleichen und den Durchgang zu finden, der zu den Künstlergarderoben führte.

Den Mantel hatte sie aufgeknöpft, wie Scarlet es ihr geraten hatte – „um ihnen die Waren zu zeigen“ –, und am Handgelenk baumelte ein winziges Wildlederhandtäschchen.

Als sie sich dem ersten bulligen Security-Typen näherte, machte sie sich innerlich bereit. Du kannst das.

Sie schenkte ihm ein freches Lächeln und registrierte, wie er sie rasch von Kopf bis Fuß musterte. Seine versteinerte Miene entspannte sich ein wenig.

Sieh an, dachte Summer. Scarlet hatte anscheinend recht.

Mit neuem Mut und kokettem Augenaufschlag sagte sie: „Ich bin hier, um Zeke zu sehen. Er meinte, ich sollte ihn ruhig aufsuchen, wenn er in New York ist.“

„Ach ja?“

Sie nickte dicht vor ihm stehend. „Ich habe mit Marty gesprochen …“ Sie hatte dafür gesorgt, dass sie den Namen von Zekes Manager kannte, denn es wäre peinlich, schlecht zu lügen. „Na ja, und er hat mich aufgefordert, gleich nach dem Konzert zu kommen.“

„Sie kennen Marty?“

„Erst seit den letzten fünf Städten. Ich habe Zeke in L. A. gesehen, Chicago, Boston …“ Bedeutungsschwer fügte sie hinzu: „Wir haben uns jedes Mal prächtig amüsiert.“

Der bullige Security-Mann deutete mit dem Kopf über seine Schulter. „Dritte Tür links.“

Das war alles? Am liebsten hätte Summer geschrien vor Erleichterung. Sie begnügte sich mit einem Lächeln und einem „Danke“.

Vielleicht könnte sie sich an ihr Leben als Sexbombe mit rotbraunem Haar gewöhnen. Sie fühlte sich befreit, beinah wagemutig.

Vor Zekes Tür atmete sie tief durch und klopfte.

„Herein“, rief eine männliche Stimme von drinnen.

Summer drehte den Türknauf und betrat die Garderobe, in der nur gedämpftes Licht brannte.

„Ich habe schon auf dich gewartet“, sagte die Stimme vom anderen Ende des Raumes.

Seine Stimme löste ein warmes sinnliches Gefühl wie nach einem Schluck Wodka in ihr aus. Tief, sexy, voll, und aus der Nähe noch viel intensiver als auf der Bühne.

Er drehte ihr weiterhin den Rücken zu, nahm ein Handy vom Tisch und drückte ein paar Tasten. „Ich bin in zehn Minuten bereit zur Abfahrt ins Hotel. Ist das in Ordnung, Marty?“

Er trug noch immer die schwarze Jeans und das T-Shirt vom Konzert. Sein knackiger Po zeichnete sich sexy unter dem Denim ab, während das enge T-Shirt seinen muskulösen Rücken und die breiten Schultern betonte.

Summer räusperte sich. „Ich bin nicht Marty.“

Er wirbelte herum und starrte sie an.

Sein Gesicht war attraktiv und faszinierend, seine blauen Augen tief wie der Ozean. Wären diese Augen nicht, würde sein Gesicht vielleicht beinah hart wirken. Entgegen seinem Ruf in der Presse, mürrisch zu sein, vermittelten seine Augen einen freundlichen Eindruck.

Mit dem Teil ihres Gehirns, der noch funktionierte, registrierte Summer, dass er weiter regungslos dastand. Bildete sie es sich nur ein, oder war er ebenso gebannt wie sie?

„Ja“, sagte er schließlich. „Ich sehe, dass Sie definitiv nicht Marty sind. Wer sind Sie dann?“

2. KAPITEL

Die Melodie des Songs kam Zeke wieder in den Sinn. Es war der Song, den er stets in seinem Kopf hörte, wenn er von ihr träumte. Diese Melodie hallte sanft und verlockend nach, wenn er aufwachte, löste sich jedoch jedes Mal auf, sobald er sie auf dem Papier festzuhalten versuchte.

Dieses Mal hörte er die Noten des Songs deutlicher denn je. Es war, als würde die Frau, die vor ihm stand, sie in ihm wachrufen. Sie sah sogar aus wie die Frau auf dem Foto – die Frau seiner Träume. Sie war schlank, aber nicht ohne Kurven, mit langem kastanienbraunem Haar, einen Tick heller als die der Frau auf dem Bild. Und diese erstaunlichen grünen Augen würde er überall wiedererkennen.

Der Hauptunterschied bestand darin, dass die unbekannte Frau auf dem Foto, das er auf einem Flohmarkt gekauft hatte, gekleidet war wie eine griechische Göttin, während diese hier eindeutig einundzwanzigstes Jahrhundert war. Und überdies ohne jeden Zweifel zur Kategorie Rock-Groupie gehörte. Zeke hatte keine Ahnung, wer der Fotograf oder das Objekt des Fotografen war. Es gab nur einen Hinweis: den handschriftlichen Titel des Fotos, „Daphne beim Spiel“, unten auf dem weißen Rand.

Irgendetwas an der Frau vor ihm löste eine Reaktion in ihm aus. In seinen Träumen hatte er sie sich auf seinem Bett ausgemalt, Arme und Beine um ihn geschlungen, während sie sich liebten.

Ein warmes Gefühl der Erregung durchflutete ihn. Brüsk fragte er: „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wer sind Sie?“

Sie wandte den Blick kurz ab, ehe sie ihn wieder ansah. „C… Caitlin.“

Er atmete aus, ohne gemerkt zu haben, dass er zuvor den Atem angehalten hatte. Sie war also nicht Daphne. Trotzdem konnte er nicht widerstehen zu fragen: „Haben Sie schon mal gemodelt?“

Ihre Brauen zogen sich zusammen. „Nein.“

„Na ja, das sollten Sie mal in Betracht ziehen.“ Nein, sie war nicht Daphne.

„Meinen Sie?“

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