Collection Baccara Band 285

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LEIDER VIEL ZU SEXY! von MARTON, SANDRA
Als Aushilfs-Nanny ist Ana wunderbar - aber leider viel zu sexy. Ihre ständige Nähe ist für Lincoln eine erotische Herausforderung. Von Tag zu Tag begehrt er die aufregend sinnliche junge Frau mehr - und muss sich bezähmen. Eine Affäre kann er sich jetzt nicht erlauben …

HEISSE KÜSSE - STRENG NACH PROTOKOLL von BANKS, LEANNE
Eigentlich soll sie Daniel Conelly,den angehenden Fürsten von Altaria, in der strengen Hof-Etikette unterweisen - jetzt spielt plötzlich er den Lehrer. Und seine Lektionen zum Thema "Küssen" sind so aufregend, dass Erin beinahe ihren ganz speziellen Auftrag vergisst ...

MIT DEM EX INS BETT? von OLIVER, ANNE
Ist das wirklich Luke? Entgeistert starrt Melanie auf den attraktiven schlafenden Mann - und würde sich am liebsten sofort zu ihm legen, ihn streicheln, küssen, lieben. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Was hat ihr Exgeliebter jetzt noch in ihrem Bett zu suchen?


  • Erscheinungstag 12.01.2010
  • Bandnummer 0285
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956234
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sandra Marton, Anne Oliver, Leanne Banks

COLLECTION BACCARA, BAND 285

SANDRA MARTON

Leider viel zu sexy!

Lincolns überraschender Kuss hat in Ana ein verzehrendes Feuer entfacht. Eine Mischung aus Wut über seine Frechheit und heißem Verlangen nach mehr. Nur zögernd nimmt sie das Angebot des gut aussehenden Unternehmers an, vorübergehend das Kindermädchen für seinen Neffen zu spielen – und stellt überrascht fest: Der impulsive Lincoln übt sich in Zurückhaltung …

ANNE OLIVER

Mit dem Ex ins Bett?

Zu groß war die Kluft zwischen dem reichen Luke und Melanie, die als Kellnerin bei seinen Eltern die High-Society bediente. Die Trennung von ihr hat Luke nie verkraftet. Noch immer träumt er von der bezaubernden jungen Frau mit den aufregenden Kurven. Träumt? Nein – denn als Luke in dieser Nacht erwacht, blickt er direkt in Melanies wunderschönes Gesicht …

LEANNE BANKS

Heiße Küsse – streng nach Protokoll

Über Nacht wird der Geschäftsmann Daniel Conelly zum Herrscher eines kleinen Fürstentums. Damit er auf dem glatten höfischen Parkett nicht ins Schleudern gerät, steht ihm die bezaubernde Erin zur Seite. Dass die junge Etikette-Lehrerin selbst durchaus lernwillig ist, spürt Daniel beim ersten Kuss. Dass sie noch einen Geheimauftrag hat, merkt er jedoch nicht …

1. KAPITEL

Rio de Janeiro, im April

Der Karneval war bereits vor zwei Monaten zu Ende gegangen. Aber in Rio schien das niemanden zu interessieren.

Lincoln Aldridge wunderte sich nicht. Er war schon viele Male in der Stadt gewesen, die einem Mann mit Geld, gutem Aussehen und geschäftlichen Verbindungen viel bieten konnte.

Und obwohl er alles das besaß, stand ihm der Sinn absolut nicht nach Party und Zerstreuung. Er war nun schon seit fast zwei Wochen unterwegs. Zuerst war er nach Argentinien und Kolumbien geflogen, bevor er anschließend nach Brasilien weitergereist war, wo er sich im Moment aufhielt. Seine Geschäftstermine waren alle erfolgreich gewesen. Allerdings hatte er weitaus wichtigere Dinge im Kopf.

Er hatte schon lange nichts mehr von seiner Schwester Kathryn gehört, die vor fünf Monaten geheiratet hatte und sich nun auf einer verspäteten Hochzeitsreise um die ganze Welt befand.

Und obwohl New York auch ein Teil der Welt war, hatten Kathryn und ihr Mann es bisher nicht geschafft, ihn dort zu besuchen.

„Aber natürlich kommen wir vorbei“, hatte seine Schwester ihm versichert. „Am besten am Ende der Reise. Dann können wir auch noch etwas Zeit mit dir verbringen. Mach dich schon einmal auf eine Überraschung gefasst.“

Lincoln hätte es schon gereicht, sie einfach wiederzusehen. Kathryn war zweiundzwanzig, und Lincoln hatte sie großgezogen. Heute lebte sie in Los Angeles. Dort war sie auch Mark begegnet, mit dem sie durchgebrannt war, um in Las Vegas zu heiraten. Lincoln, der zehn Jahre älter als sie war, hätte es lieber gesehen, wenn sie ihren Mann vor der Hochzeit näher kennengelernt hätte. Aber immerhin würde er ihn nun treffen.

Deshalb konnte er es kaum erwarten, endlich nach Hause zu kommen.

Doch zuerst musste er den Vertrag mit dem Unternehmer Hernando Marques abschließen. Es war bereits alles beschlossene Sache. Trotzdem bestand Marques darauf, dass Lincoln den Vertrag bei ihm zu Hause unterschrieb. Und auch wenn es ein ungewöhnlicher Wunsch war, so hatte er keine Sekunde gezögert, als der brasilianische Geschäftsmann ihn fragte. Denn immerhin ging es hier um ein jährliches Auftragsvolumen von fünfundzwanzig Millionen Dollar, den Lincoln für seine Firma Aldridge Inc. für die Überwachung aller Privathäuser und Geschäftsgebäude von Marques ausgehandelt hatte.

„Das ist mein Pokerabend, Lincoln“, hatte Marques gesagt. „Es werden ein paar alte Freunde von mir kommen, die Sie sicherlich gern kennenlernen würden.“

Lincoln hatte gelächelt und ihm geantwortet, dass er sich sehr auf den Abend freute. Kurz vor acht Uhr abends passierte sein Taxi das Tor zu Marques’ Anwesen.

Wie immer hielt Lincoln nach den Kameras Ausschau. Eines seiner Teams hatte vor wenigen Wochen das neueste Sicherheitssystem auf dem Gelände installiert. Dazu gehörten versteckte Kameras, Bewegungssensoren und Elektrozäune. Er konnte sie nicht alle ausmachen. Aber das war ja schließlich auch der Sinn der Sache. Was er jedoch sah, gefiel ihm sehr gut.

Das Taxi hielt vor einer weißen Marmortreppe. Bevor Lincoln klingeln konnte, öffnete ihm sein Gastgeber bereits die Tür.

„Lincoln!“ Marques lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich hatte schon befürchtet, dass Sie meine Einladung vergessen hätten, meo amigo.“

„Es gab viel Verkehr auf dem Weg“, sagte Lincoln und wunderte sich über Marques’ überaus herzliche Begrüßung. Die Brasilianer waren zwar schon von Natur aus freundliche Menschen, aber sein Gastgeber schien seine Landsleute an Herzlichkeit noch übertreffen zu wollen.

Marques führte ihn in einen Pokerraum, in dem sich mindestens fünfzehn Männer aufhielten und in kleinen Gruppen herumstanden. An der Seite befand sich ein riesiges Büfett, das keine Wünsche offen ließ.

„Kommen Sie, Lincoln. Ich stelle Ihnen meine Freunde vor.“

Lincoln schüttelte Hände, lächelte und bemerkte einige bekannte und viele unbekannte Gesichter. Es handelte sich um ein Treffen der reichsten Männer von ganz Südamerika. Vor acht Jahren, als er Aldridge Inc. gegründet hatte, hätte Lincoln alles dafür gegeben, um zu so einer illustren Runde eingeladen zu werden.

Nun waren es Marques’ Gäste, die sich geehrt fühlten, Lincoln kennenzulernen, da er sich mit seiner Firma einen hervorragenden Ruf erarbeitet hatte.

Er ging von einer Gruppe zur nächsten, machte Small Talk und nahm sich etwas vom Büfett. Während alle anderen Männer sich prächtig zu amüsieren schienen, konnte er es kaum erwarten, endlich nach Hause zu kommen. Dabei hatte die Pokerrunde noch nicht einmal begonnen.

Am Ende des Abends kam Marques wieder zu ihm. Er lächelte, aber auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. Der Mann wirkte sichtlich angespannt. Hat er etwa doch noch irgendwelche Einwände gegen den Vertrag, obwohl alles längst beschlossen ist?, überlegte Lincoln für einen Moment.

„Hernando“, sagte er freundlich. „Ich wollte Sie gerade aufsuchen. Der Abend war sehr anregend, aber …“

„Aber Sie haben einen langen Tag hinter sich und möchten früh ins Bett.“

„Ich bin froh, dass Sie Verständnis dafür haben.“

„Das habe ich. Vielleicht könnten wir … wenn Sie nichts dagegen haben, uns kurz in die Bibliothek begeben, um …“ Er machte eine kurze Pause.

„Um den Vertrag zu unterschreiben“, half Lincoln ihm auf die Sprünge.

„Genau. Das hatten wir ja heute Abend vor.“ Marques zögerte. „Außerdem würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten.“

Die Bibliothek war mindestens genauso beeindruckend wie der Pokerraum. Man betrat sie durch mächtige Holztüren. Auf der anderen Seite befand sich ein schmuckvoller Kamin, der den Raum wärmte und ihm eine gemütliche Atmosphäre verlieh.

Marques bot Lincoln einen Brandy, eine Zigarre und Kaffee an, doch dieser lehnte dankend ab. „Irgendetwas beschäftigt Sie, Hernando“, bemerkte er höflich. „Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gleich zum Punkt kommen könnten.“

Sein Gastgeber nickte und legte Holz in den Kamin nach. „Das ist gar nicht so einfach für mich, Lincoln.“

„Aber?“

„Aber ich muss Sie etwas fragen.“ Er lachte kurz auf. „Ich habe keine Übung darin, jemanden um einen Gefallen zu bitten, und es fällt mir auch nicht leicht. Dabei handelt es sich nicht einmal wirklich um einen Gefallen, denn Sie werden auch davon profitieren.“

Lincoln fragte sich, worauf Marques hinauswollte. Wollte er die Bedingungen des Vertrages neu aushandeln? Oder ging es doch um etwas ganz anderes? „Worum handelt es sich bei dem Gefallen?“

Marques räusperte sich. „Sie sind doch unverheiratet, oder?“

„Wie bitte?“

„Ich meine, Sie sind Single, wenn ich mich nicht irre.“

Lincoln runzelte die Stirn. Was hatte sein Privatleben damit zu tun? „Ja, ich bin Single.“ „Und Sie haben keine Kinder, richtig?“ „Hernando, worauf wollen Sie hinaus?“ „Sie müssen wissen, dass nur ein Vater meine Gefühle nachvollziehen kann.“

„Wie meinen Sie das?“

Marques sah ihn an. „Ich habe eine Tochter. Sie ist jung, aber sehr reif für ihr Alter.“

„Ich verstehe immer noch nicht …“

„Außerdem ist sie intelligent und sehr gut erzogen. Sie ist gehorsam, hat gute Manieren und …“

… und Marques will, dass ich sie heirate, überlegte Lincoln. Druckste er deshalb herum?

„Ich bin ein moderner Mann, Lincoln. Aber wenn es um meine Tochter geht, befolge ich gern die Traditionen meines Landes.“

Also lag er doch richtig. Lincoln hatte schon davon gehört, dass man in Brasilien selbst in hohen Kreisen noch Ehen arrangierte.

„Ich würde sie nie einem Mann anvertrauen, den ich nicht schätze …“, fuhr Marques fort.

Auch in Lincolns Heimatland kam es hin und wieder noch zu arrangierten Hochzeiten, aber eben nicht so offensichtlich.

Er war schon mehrere Male das potenzielle Opfer von Verkupplungsversuchen gewesen. Immerhin war er Anfang dreißig, Single und wohlhabend.

Er brauchte sich für seinen Reichtum nicht zu schämen, denn er hatte sich alles selbst aufgebaut. Niemand hatte ihm jemals etwas im Leben geschenkt. Deshalb wusste er seine Häuser, die teuren Autos und die Privatflugzeuge viel mehr zu schätzen als andere reiche Menschen.

Außerdem sah er gut aus.

Die meisten Frauen behaupteten sogar, dass er unverschämt attraktiv war. Selbst als er kaum Geld auf dem Konto gehabt hatte, waren ihm die Frauen nicht abgeneigt gewesen.

Deshalb kam ihm diese Situation nicht neu vor. Er war schon von vielen reichen Müttern gefragt worden, ob er nicht ihre schönen Töchter heiraten wollte, um ihnen ihre Zukunft zu sichern.

Sie werden meine Emma lieben, hatten sie gesagt. Oder: Warum kommen Sie am Wochenende nicht nach Easthampton und lernen Glenna kennen? Sie erinnern sich doch noch an meine Tochter?

Aber noch nie hatte sich jemand getraut, direkt zu ihm zu sein. Das hier ist meine Tochter. Ich möchte, dass Sie sie heiraten.

„… sie ist eine charmante junge Frau, Lincoln. Wenn Sie mit ihr ausgingen …“

„Hernando.“ Lincoln holte tief Luft. „Ich weiß es zu schätzen, dass Sie nicht um den heißen Brei herumreden, sondern direkt zur Sache kommen. Das ist bestimmt nicht einfach für Sie.“

Marques lachte. „Bei so einem persönlichen Anliegen tue ich mich ziemlich schwer.“

„Das glaube ich Ihnen sofort. Aber …“

Es klopfte an der Tür. Ein Hausangestellter trat ein, lächelte entschuldigend und sagte etwas auf Portugiesisch.

Marques seufzte. „Meine Frau ist am Telefon, Lincoln. Ich gehe kurz in mein Büro, um mit ihr zu sprechen. Sie besucht gerade ihre Schwester. Aber Sie wissen ja, wie das mit den Frauen ist.“

Das wusste Lincoln eben nicht. Jedenfalls hatte er keine Erfahrungen mit Ehefrauen. Und so sollte es auch bleiben.

„Ich bin gleich wieder da“, fuhr Marques fort. „Schenken Sie sich ruhig einen Brandy ein, während Sie über meinen Vorschlag nachdenken.“

Nachdem Marques den Raum verlassen hatte, gönnte Lincoln sich ein Glas davon. In diesem Moment brauchte er tatsächlich einen Drink.

Wie konnte er seinem Gastgeber den Wunsch abschlagen, wenn dieser ein so guter Kunde von ihm war? Er wollte ihn schließlich nicht beleidigen und womöglich noch den Auftrag verlieren. Und wenn er dadurch endlich gehen könnte …

Was war das gewesen?

Hatte sich etwas hinter der angelehnten Tür bewegt? Obwohl es sehr dunkel im Flur war, konnte er einen Schatten hinter der Tür erkennen.

Jemand stand dort und beobachtete ihn.

Lincoln setzte das Glas ab und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Während seiner Ausbildung in einer Spezialeinheit der Armee hatte er gelernt, wie er sich unauffällig dem Feind näherte.

Er war nur noch wenige Zentimeter von der Tür entfernt und streckte die Hand nach der Klinke aus. Noch ein Schritt …

Mit einem Satz riss er die Tür auf und legte die Arme fest um den Eindringling.

Es war eine Frau. Daran gab es keinen Zweifel.

Ihre langen Haare fielen ihm ins Gesicht. Und unter seinem Griff konnte er ihre Brüste spüren. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen ihn an. Aber er war stärker.

Lincoln wusste genau, dass sie schreien würde, wenn er sie nicht davon abhielt. Deshalb legte er eine Hand auf ihren Mund, um sie zum Schweigen zu bringen.

Das machte sie noch wütender. Wild wand sie sich in seinen Armen.

Lincoln hob sie hoch und presste sie fest an sich, damit sie ihm nicht entwischen konnte.

Sie stöhnte und rammte ihm einen Ellbogen in den Bauch.

„Schluss damit!“, zischte er ihr ins Ohr.

Sie wehrte sich immer verbissener.

„Das reicht jetzt!“, warnte er sie.

Wieder spürte er ihren Ellbogen in seinem Magen. Er drückte sie noch fester an sich. Plötzlich hörte sie auf, gegen ihn anzukämpfen. Doch er war sich sicher, dass sie noch nicht am Ende ihrer Kräfte war, und hielt sie deshalb weiter fest. Wahrscheinlich wollte sie ihm nur etwas vormachen.

Sie duftete nach Rosen und Lilien. Trotzdem kämpfte sie wie ein Mann.

„Seien Sie still! Ansonsten kann ich für nichts garantieren“, warnte er sie erneut.

Nach kurzem Zögern nickte sie.

Langsam nahm er die Hand von ihrem Mund. „Wer sind Sie?“, fragte er. „Und was tun Sie hier?“

„Lassen Sie mich los!“

Es war zu dunkel, um sie richtig sehen zu können. Aber er konnte ihr anmerken, wie aufgebracht sie war. Die Situation war so absurd, dass er fast gelacht hätte. Doch wenn das beste Sicherheitssystem der Welt versagt hatte, dann war das nicht angebracht.

„Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Lady. Also, wie heißen Sie?“, beharrte er. „Und wie sind Sie durch das Tor gekommen?“

„Und ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Sie mich loslassen sollen! Sofort!“

Nun konnte er sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Lange hatte er eine Frau nicht mehr so wütend erlebt.

Und dann fiel plötzlich aus einem anderen Raum Licht auf sie.

Ihm stockte der Atem.

Die Frau in seinen Armen war wunderschön. Sie hatte langes blondes Haar, große blaue Augen, einen sinnlichen Mund und einen Körper, der jeden Mann um den Verstand gebracht hätte.

„Wie können Sie es wagen, mich so anzustarren?“, herrschte sie ihn an.

Lincoln hatte schon viele Einbrecher in seinem Leben gesehen, aber noch nie so einen hübschen.

„Verflixt noch mal! Sind Sie taub?“, zischte sie. „Ich sagte …“

„Ich habe gehört, was Sie gesagt haben.“

Lincoln glaubte zu träumen. Hielt er wirklich diese umwerfende Frau in seinen Armen?

Sie begann, sich wieder zu wehren. Er presste sie enger an sich. Ihre Brüste berührten seinen Bauch. Und dann erstarrten sie plötzlich beide. Irgendetwas spielte sich zwischen ihnen ab. So kam es ihm jedenfalls vor.

„Wenn Sie mich nicht sofort loslassen, dann schwöre ich Ihnen, dass Sie das bereuen werden“, drohte sie ihm.

Damit konnte sie recht haben.

Wenn er sie zu Marques brächte, könnte er Lincolns Sicherheitssystem infrage stellen und den Vertrag zum Scheitern bringen.

Würde er dann wenigstens eine Entschädigung für all seine Mühen erhalten?

Dieser Gedanke gefiel ihm gar nicht – die Frau in seinen Armen allerdings schon. Sie brachte sein Blut in Wallung. Er konnte es kaum fassen, wie sehr er sich zu der Unbekannten hingezogen fühlte.

Und dann geschah es. Er legte einen Finger unter ihr Kinn und sah ihr in die Augen. Sie wusste, was kommen würde, und versuchte, sich von ihm zu lösen.

Davon ließ er sich nicht abhalten. Er senkte den Kopf und küsste sie.

Trotz aller Mühen schaffte sie es nicht, ihn davon abzuhalten. Seine Küsse wurden immer leidenschaftlicher und fordernder, und er spürte, dass sie nach einer Weile nicht mehr dagegen ankämpfte und seine Küsse erwiderte.

Sie schlang die Arme um ihn und stöhnte leise.

Wieder kam Licht aus einem anderen Raum.

Die unbekannte Frau erstarrte. Lincoln zog sie in eine dunkle Ecke.

„Nein!“, sagte sie entschieden und biss ihm in die Unterlippe.

Erschrocken löste er den Griff um sie und ließ sie entkommen.

„Lincoln?“

Es war Marques.

Lincoln erschauderte. Er holte ein Tuch aus der Tasche und hielt es sich an die blutende Unterlippe. Da er sich normalerweise immer unter Kontrolle hatte, wusste er keine Erklärung für das, was er gerade getan hatte. Er konnte seinem Gastgeber nicht erzählen, was passiert war. Deshalb würde er ihm bloß berichten, dass ein Eindringling auf seinem Grundstück war.

Die erniedrigenden Details würde er sich sparen.

Marques lächelte, als er ihn sah. „Da sind Sie ja. Ich dachte, dass Sie vielleicht …“ Sein Lächeln verblasste. „Was ist mit Ihrer Lippe passiert?“

„Nichts. Nur ein Insektenstich.“

„Ich werde eines der Dienstmädchen bitten, Ihnen Jod zu bringen.“

„Nein, danke. Es …“ Lincoln räusperte sich. „Es ist nichts weiter.“

„Unsinn! Kleine Wunden können in unseren Breiten schnell zu einem Problem werden. Kommen Sie, Lincoln.“

„Hören Sie, Hernando. Das Sicherheitssystem, das meine Mitarbeiter installiert haben …“

„Ich bin außerordentlich zufrieden“, unterbrach Marques ihn lächelnd. „Es ist das beste der Welt, wie Sie versprochen haben.“

„Das scheint es nicht zu sein. Ich meine …“

„Papa?“

Ein junges Mädchen stand plötzlich in der Tür, offenbar Marques Tochter.

„Komm herein, mein Kind.“ Marques winkte sie hinein.

Lincoln stöhnte innerlich auf. Verdammt! In was für eine Situation war er da bloß hineingeraten? Nun musste er Marques nicht nur erklären, dass sein Sicherheitssystem Lücken hatte, sondern ihm auch noch in Anwesenheit seiner Tochter weismachen, dass er kein Interesse an ihr hatte.

Als Marques’ Tochter den Raum betrat und Lincoln erkannte, dass es sich um die Frau handelte, die er vor Kurzem geküsst hatte, wurde ihm schlecht.

Obwohl sie sich mittlerweile eine Jacke angezogen und die Haare zusammengebunden hatte, bestand kein Zweifel daran, dass sie es war. Und an ihrer Miene konnte er erkennen, dass sie genauso überrascht war wie er.

„Anna“, sagte Marques. „Das ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe. Lincoln, das ist meine geliebte Tochter, Anna Maria.“

Zum ersten Mal in seinem Leben war Lincoln sprachlos. Was sagte man zu einem Mann, dessen „geliebte Tochter“ man vor wenigen Augenblicken noch für einen Eindringling gehalten und kurze Zeit später geküsst hatte? Wahrscheinlich war Marques nicht bewusst, dass seine Tochter gar nicht so unschuldig war, wie sie wirkte.

Lincolns Handy klingelte. Normalerweise hätte er es ignoriert. Doch in diesem Moment holte er es aus der Tasche, als ob es um Leben und Tod ging. „Aldridge“, meldete er sich.

„Lincoln“, antwortete sein Anwalt ernst. „Ich muss dir leider etwas Schlimmes mitteilen.“

Irgendwie wusste er, was nun kommen würde. Er entfernte sich von Marques und seiner Tochter. Sein Anwalt erzählte ihm verschiedene Dinge, kam aber nicht zur Sache. Deshalb fuhr Lincoln ihn ungeduldig an. „Komm endlich zum Punkt! Was ist passiert?“

In den Bergen hatte es einen Flugzeugabsturz gegeben. Die Piloten und alle Passagiere waren dabei ums Leben gekommen.

Lincoln bekam keine Luft mehr. Er hörte, dass Marques etwas im Hintergrund sagte, aber er konnte nicht verstehen, was es war. „Nein“, sagte Lincoln benommen. „Nicht Kathryn.“

„Es tut mir unendlich leid für dich, Lincoln“, sagte sein Anwalt. „Deine Schwester und ihr Mann haben den Absturz nicht überlebt. Aber wie durch ein Wunder gab es einen Überlebenden.“

Es handelte sich um ein Baby. Genauer gesagt, um ein zwei Monate altes Mädchen. Lincolns Nichte.

2. KAPITEL

New York, zwei Monate später

Manche Klischees entsprachen tatsächlich der Wahrheit. Das Schicksal schlug ohne Vorwarnung zu, aber das Leben ging irgendwie weiter.

Man gewöhnt sich an die neuen Umstände, dachte Lincoln, nachdem das ohrenbetäubende Schreien des von ihm über alles geliebten vier Monate alten Babys, das nun sein Leben bestimmte, ihn wieder einmal aus dem Schlaf gerissen hatte.

Er griff nach seiner Uhr auf dem Nachtisch und starrte mit schläfrigen Augen darauf.

Du meine Güte!

Es war fünf Uhr morgens. Um halb neun hatte er ein Meeting in seiner Firma und ein weiteres um elf Uhr mit den europäischen Kunden, die er gestern Abend zum Essen eingeladen hatte. Diese Treffen erforderten Scharfsinn und hohe Konzentration. Aber wie sollte er das schaffen, wenn er nicht mal genug Schlaf bekam?

In den letzten zwei Monaten hatte er keine einzige Nacht durchgeschlafen. Dabei war es sehr wichtig, dass er ausgeschlafen zur Arbeit erschien.

Zuerst hatte er sich mit den schrecklichen Details von Kathryns Unfall auseinandersetzen müssen. Als er einigermaßen darüber hinweggekommen war, hatte das Baby sein Leben völlig auf den Kopf gestellt.

Am Anfang hatte Lincoln sich gefragt, warum seine Schwester ihre kleine Tochter vor ihm und allen anderen Angehörigen verheimlicht hatte. Doch mittlerweile war ihm das klar. Kathryn hatte sich nicht an die übliche Reihenfolge gehalten. Sie war zuerst schwanger geworden und hatte dann geheiratet.

Wahrscheinlich hatte sie befürchtet, dass man ihr Vorwürfe machen und schlecht über sie reden würde, und verheimlichte deswegen das Baby. Vielleicht hatte sie es Lincoln auch einfach nicht am Telefon erzählen können und hatte deshalb warten wollen, bis sie und Mark mit dem Baby nach New York kamen.

Was auch immer der Grund dafür war, jetzt zählte einzig und allein das Wohlergehen des Babys.

Gleich nachdem Lincoln von dem Unfall erfahren hatte, hatte er sich mit seinem Anwalt getroffen und sofort zugestimmt, seine Nichte bei sich aufzunehmen. Er wusste zwar überhaupt nichts über Babys, aber als er seine Firma gegründet hatte, war er genauso ahnungslos in der Leitung eines Betriebs gewesen.

Er würde das schon schaffen.

Wenn man keine Ahnung von etwas hatte, dann lernte man es eben. Oder man stellte jemanden dafür ein. Und das hatte Lincoln getan. Denn er musste die Sozialarbeiterin, die hin und wieder in sein Haus kam, davon überzeugen, dass es dem Baby gut ging.

Er hatte seine persönliche Assistentin damit beauftragt, Babykleidung, ein Babybett, einen Babykorb, Flaschen, Säuglingsmilch, Windeln und tausend andere Dinge zu besorgen, die ein Baby brauchte. Außerdem hatte sein Innenarchitekt die Gästesuite in Rekordzeit in ein Kinderzimmer umgewandelt. Die Suche nach einem geeigneten Kindermädchen hatte weitaus länger gedauert. Lincoln hatte eine Agentur kontaktiert, die ihm mehrere Kindermädchen vorgeschlagen hatte. Es war ihm sehr schwergefallen, aus den vielen Bewerberinnen die Richtige auszuwählen, und wie sich herausstellte, war selbst das ein Irrtum gewesen.

Letzte Woche war dann Kathryns Schwiegermutter plötzlich aufgetaucht. Bis dahin hatte Lincoln noch nicht einmal gewusst, dass sie existierte.

Nun kamen ihm einige unangenehme Fragen. Würde sie um das Sorgerecht für das Baby kämpfen? Und falls ja, sollte er sich ihr dann entgegenstellen? Oder wäre seine Nichte bei ihr in besseren Händen?

Lincoln konnte sich zu keiner Entscheidung durchringen. Ihm war klar, dass Frauen mehr über Kinder wussten, als er jemals lernen würde. Es lag ihnen im Blut. Allerdings war er der Onkel der Kleinen. Sie war seine einzige Verbindung zu Kathryn.

Er fragte sich, was seine Schwester gewollt hätte. Sie waren sich sehr nahe gewesen. Das hatte an ihren Lebensumständen gelegen. Ihren Vater hatten sie nie kennengelernt, und ihre Mutter war eine Trinkerin gewesen, die sich nie um sie gekümmert hatte. Und das hatte sie zusammengeschweißt. Trotzdem wusste er nicht, ob Kathryn gewollt hätte, dass er ihr Baby großzog. Deshalb erkundigte sein Anwalt sich über die Rechte und Möglichkeiten in dieser Angelegenheit.

Lincoln konnte es immer noch nicht fassen, dass Kathryn nicht mehr lebte und ihr Baby so plötzlich in sein Leben getreten war. Er musste jetzt in seiner Firma zurückstecken, denn das Baby brauchte ihn. Obwohl er wusste, dass die Geschäfte ohne ihn nicht liefen, blieb ihm keine andere Wahl, als seinen Mitarbeitern zu vertrauen, da er nicht immer im Betrieb sein konnte.

Ihm war bewusst, dass das nicht auf Dauer ging und er wieder zurück ins Geschäftsleben finden musste. Doch wenn man nachts kaum Schlaf bekam, war das nur schlecht möglich.

Die Schreie des Babys wurden immer lauter. Obwohl das Kinderzimmer nicht gerade in der Nähe seines Schlafzimmers lag, wirkte es, als ob sich das Baby direkt nebenan befand.

Wo zur Hölle war bloß das Kindermädchen?

Lincoln warf die Bettdecke beiseite und ging zur Tür. Auf dem Weg dorthin bemerkte er, dass er nur Boxershorts trug. So konnte er bestimmt nicht vor Miss Crispin treten, wenn er ihr Respekt einflößen wollte.

Sie war bereits das fünfte Kindermädchen, das er eingestellt hatte. Und bisher hatte sie einen ordentlichen Eindruck auf ihn gemacht.

Die erste Nanny hatte er keine Woche im Haus behalten. Lincoln war eines Abends früher nach Hause gekommen und hatte sie auf der großen Couch im Wohnzimmer wild küs

send mit einem Mann vorgefunden.

Lincoln hatte sie beide aus dem Haus geworfen.

Das zweite Kindermädchen war immerhin zehn Tage geblieben. Am elften Tag war der Geruch von Marihuana aus ihrem Zimmer gekommen.

Das dritte war einfach verschwunden. Ihre Nachfolgerin schien eine gute Wahl gewesen zu sein, bis zu dem Abend, an dem sie ihm lächelnd in seinen Boxershorts die Tür öffnete.

Dann hatte die Agentur ihm Miss Crispin geschickt.

Sie war um die sechzig, groß und schlank. Ihre Haare waren stahlgrau, und sie trug eine Metallbrille, die hoch auf ihrer Nase ruhte. Lincoln bezweifelte, dass sie jemals lachte, aber die Agentur hatte sie sehr empfohlen. Und wenn sie ihre Aufgaben zufriedenstellend erledigte, war ihm ihr Aussehen egal.

Das interessierte ein vier Monate altes Baby sowieso nicht. Es wollte bloß Nahrung, Wärme und Hygiene. Alles andere war zweitrangig.

Lincoln zog sich seufzend eine Hose an und eilte zum Kinderzimmer, wo das Schreien des Babys immer lauter wurde. Sein Oberkörper war immer noch nackt, aber wenn Miss Crispin überhaupt in der Nähe war, würde sie den Anblick seiner nackten Brust schon ertragen. Wieso ließ sie das Baby überhaupt so lange schreien?

Die Tür zum Kinderzimmer stand offen. Alle Lampen waren eingeschaltet, sodass das kleine Bett mit dem kreischenden Baby hell erleuchtet wurde. Miss Crispin saß in einen Morgenmantel gehüllt auf einem Sessel neben dem Bett und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

Lincoln räusperte sich. Ohne Erfolg. Bei dem Geschrei hätte man selbst einen tieffliegenden Düsenjet nicht gehört.

„Miss Crispin?“

Er ging langsam auf sie zu und wartete darauf, dass sie ihn bemerkte. Als sie nicht reagierte, tippte er ihr auf die Schulter. Sie zuckte erschrocken zusammen und sah ihn mit offenem Mund an.

„Ich wollte Sie nicht erschrecken“, entschuldigte er sich.

Nun starrte sie auf seine nackte Brust.

„Ich sagte, dass ich Sie nicht …“ Er atmete tief ein und hätte am liebsten seinen Oberkörper bedeckt. Doch stattdessen beschloss er, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Was ist mit dem Baby los?“

„Besitzen Sie keinen Morgenmantel, Mr. Aldridge?“

„Wie bitte?“ Lincoln errötete. Plötzlich fühlte er sich wieder wie ein kleiner Junge. „Natürlich, aber ich habe das Baby gehört und bin sofort …“

„Ihr Verhalten ist mehr als unangebracht. Ich bin eine unverheiratete Frau, und Sie sind ein Mann.“

„Ja, aber …“

Sie musste verrückt geworden sein. Natürlich war er ein Mann. Doch ihre besten Tage lagen schon viele Jahre zurück. Außerdem war sie seine Angestellte. Selbst wenn sie ein Abbild von Marilyn Monroe gewesen wäre, hätte er in diesem Moment ganz sicher keine sexuellen Gedanken gehabt.

Lincoln warf einen Blick ins Bett. „Das ist jetzt vollkommen unwichtig. Ich möchte wissen, warum die Kleine so laut schreit.“

„Sie schreit, weil sie undiszipliniert ist“, antwortete Miss Crispin trocken.

„Undiszipliniert? Sie muss wohl …“ Lincoln zögerte. Undiszipliniert? Er runzelte die Stirn. Auch wenn er nicht viel über Babys wusste, so war es doch sehr verwunderlich, dass ein vier Monate altes Baby undiszipliniert sein konnte. „Sind Sie sich da sicher?“

„Ich bin nun schon seit vierzig Jahren Kindermädchen, Mr. Aldridge. Deshalb merke ich sofort, wenn ein Kind undiszipliniert ist.“

Lincoln musterte die Kleine. Ihr Gesicht war hochrot. Die Gelenke waren geschwollen. Er wurde immer besorgter. „Vielleicht ist sie hungrig.“

„Ich habe ihr einen Viertelliter Säuglingsmilch gegeben. Genauso viel, wie empfohlen wird.“ „Und was ist mit ihrer Windel? Vielleicht muss sie ja gewechselt werden.“

„Nein.“

„Oder ihr ist zu warm oder zu kalt. Könnte sie Schmerzen haben?“

Miss Crispin sah ihn verständnislos an. „Ihr fehlt bloß etwas Disziplin. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.“

„Und was bedeutet das?“

„Es bedeutet, dass wir einfach abwarten, bis sich ihr Wutanfall gelegt hat. Gute Nacht, Sir.“

Lincoln nickte. „Wie Sie meinen. Gute Nacht.“

Er drehte sich um und verließ den Raum. Als er auf halbem Weg zu seinem Zimmer war, blieb er stehen. Das Baby weinte immer noch. Aber aus dem Brüllen war nun ein Wimmern geworden, was ihn noch mehr beunruhigte.

Hätte Kathryn ihre Tochter so im Stich gelassen? Und hätte sie alles bloß als einen Wutanfall abgetan?

Lincoln drehte sich wieder um und ging zum Kinderzimmer zurück, wo Miss Crispin ihn missmutig empfing.

„Warum nehmen Sie Jennifer nicht auf den Arm?“, fragte er, worauf sie ihn ansah, als ob er Urdu spräche. „Sie wissen schon. Holen Sie sie aus dem Bett, und halten Sie sie auf dem Arm, damit sie sich beruhigt.“

„Man sollte schlechtes Benehmen nicht auch noch belohnen.“

„Nein, natürlich nicht. Ich meine nur …“

Was zur Hölle hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Plötzlich erinnerte Lincoln sich an längst vergangene Zeiten. Er sah Kathryn vor sich, wie sie weinend in einer Ecke kauerte. Damals war er etwa siebzehn und sie somit sieben Jahre alt gewesen. Sie hatte geweint, weil ein Kind sich über ihren übergroßen Wintermantel lustig machte, den Lincoln ihr von der Heilsarmee mitgebracht hatte. Und sie hatte erst mit dem Weinen aufgehört, als er sie in den Arm genommen und beruhigend auf sie eingeredet hatte.

Lincoln ging zum Bett. Er zögerte, hob das Baby hoch und nahm es auf den Arm. Es war das erste Mal, dass er seine Nichte hielt, seit die Sozialarbeiterin sie ihm in die Arme gelegt hatte.

Das ist die Tochter Ihrer Schwester, hatte sie gesagt.

In diesem Moment hatte er sich endgültig mit Kathryns Tod abgefunden. Er wusste, dass er sie nie wieder umarmen und trösten konnte. Aber für ihre Tochter konnte er das noch tun.

Nun musterte er seine unglückliche Nichte und wiegte sie in den Armen. Er streichelte ihre Wange und redete beruhigend auf sie ein.

Jennifer war so süß. Das war ihm vorher nie richtig aufgefallen. Aber in diesem Moment, während er seiner Nichte so nah war, beschloss er, dass er eine engere Beziehung zu ihr aufbauen wollte.

„Das kann ich nicht zulassen, Mr. Aldridge“, protestierte Miss Crispin. „Sie untergraben meine Autorität in Anwesenheit des Kindes.“ Ihre Miene sagte ihm, dass er ein unentschuldbares Verbrechen begangen hatte.

„Das Baby hat einen Namen“, sagte er entschlossen.

„Das ändert die Angelegenheit auch nicht.“

„Sie heißt Jennifer, falls Sie das vergessen haben sollten.“

„Ihr Name ist irrelevant.“

Das war er eben nicht. Aber auch Lincoln musste sich eingestehen, dass er seine Nichte noch nie mit ihrem Namen angesprochen hatte. Das würde er ab sofort ändern.

„Mr. Aldridge, das Baby muss seine Lektion lernen. Wenn Sie das Kind nicht zurück ins Bett legen, dann werde ich meine Kündigung einreichen müssen.“

Lincoln betrachtete Jennifer liebevoll. Sie weinte nicht mehr und sah ihn ruhig an.

„Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?“, vergewisserte Miss Crispin sich.

„Ja, das habe ich. Und ich nehme Ihre Kündigung an.“

Sie seufzte. Lincoln fühlte sich erleichtert. Er wollte sich nicht von Miss Crispin einreden lassen, dass er etwas Falsches getan hatte. Immerhin schien es Jennifer nun besser zu gehen.

„Warten Sie einen Moment“, sagte er, als sein Handy zu klingeln begann. Vorsichtig legte er Jennifer auf einen Arm und holte mit der freien Hand das Telefon aus der Tasche.

Es war sein Anwalt. Um sechs Uhr morgens? Was das wohl wieder zu bedeuten hatte …

„Ich konnte dich gestern Abend nicht erreichen, Lincoln.“

„Nun hast du es ja geschafft, Charles. Also, was gibt es Neues?“, fragte Lincoln ungeduldig.

Kathryns Schwiegermutter hatte das Sorgerecht für Jennifer beantragt. Lincoln wusste nicht genau, was er davon halten sollte. „Das haben wir uns ja schon gedacht.“

„Wir wussten bisher aber nicht, dass diese Frau ihr eigenes Kind verlassen hat, als es gerade einmal drei Jahre alt war. Und nun behauptet sie, dass sie damals eine hingebungsvolle Mutter gewesen sei, die mit vielen Problemen zu kämpfen hatte und deshalb ihre Familie verlassen musste.“

„Kaufst du ihr das ab?“

„Nein. Aber ich weiß, dass sie von dem Treuhandfonds erfahren hat, den du für Kathryn angelegt hast, und den nun das Kind erben wird, wenn es volljährig ist.“

Lincoln seufzte. „Na toll.“

Sie beschlossen, ihr Gespräch später am Tag fortzusetzen. Der Anwalt merkte noch an, dass die Sozialarbeiterin an diesem Nachmittag vorbeikommen würde.

„Sie möchte sich davon überzeugen, dass es dem Baby gut geht.“

„Sir?“

Lincoln drehte sich um und sah Miss Crispin angezogen und mit gepackten Koffern in der Tür stehen.

„Wir sehen uns später, Charles“, sagte er und beendete das Telefonat.

„Ich habe mir ein Taxi bestellt, Mr. Aldridge. Es sei denn, Sie haben es sich anders überlegt.“

Lincoln hatte den ganzen Tag über Termine. Sein Verstand sagte ihm, dass er all das ohne ein Kindermädchen nicht schaffen konnte.

„Ich wäre bereit, meine Kündigung zurückzuziehen, wenn Sie meine Autorität anerkennen“, fuhr sie fort.

„Schicken Sie mir die Rechnung für das Taxi“, sagte er nüchtern.

Er wartete, bis Miss Crispin das Haus verlassen hatte, und sah dann zu seiner Nichte. „Jetzt sind nur noch wir beide da, meine Kleine.“

Jennifer gähnte, schloss die Augen und schlief ein.

Was für eine gute Idee, dachte Lincoln. Doch für ihn lohnte es sich gar nicht mehr, ins Bett zu gehen.

Er musste nun seinen Tagesablauf neu planen. Sobald seine Haushälterin käme, würde er sie darum bitten, nur für diesen Tag auf das Baby aufzupassen. Anschließend würde er ins Büro gehen, seine Meetings abhalten und danach die Agentur anrufen, damit sie ihm ein weiteres Kindermädchen schickten. Morgen nähme dann wieder alles seinen normalen Lauf.

Vorsichtig legte er Jennifer ins Bett.

„Waaaah!“

Es nützte nichts. Er musste sie wieder auf den Arm nehmen, damit sie weiterschlief.

Vorsichtig setzte er sich auf den Sessel neben dem Bett und ließ das Baby schlafen.

Eine halbe Stunde später hörte er, wie die Haushälterin die Küche aufräumte. Er stand auf, legte Jennifer wieder zurück ins Bett und war froh, dass sie diesmal nicht aufwachte. Anschließend zog er sich aus, stellte sich unter die Dusche und genoss das heiße Wasser, das auf seine müde Haut prasselte.

Mrs. Hollowell konnte nicht babysitten.

Ihre Tochter war an diesem Tag in der Stadt, und die Haushälterin hatte sich den Nachmittag freigenommen, um ihn mit ihr verbringen zu können. Hatte Mr. Aldridge das etwa vergessen?

Ja, das hatte er. Mittlerweile gingen ihm so viele Dinge durch den Kopf, dass er sich kaum noch an seinen eigenen Namen erinnern konnte. Das geschah eben, wenn man nachts nur drei Stunden Schlaf bekam.

Um acht Uhr morgens ging er ins Büro. Seine persönliche Assistentin staunte, als sie Jennifer auf seinem Arm sah.

„Ich habe das Kindermädchen gefeuert“, teilte er ihr mit. „Bitte rufen Sie die Agentur an, und passen Sie in der nächsten Stunde auf das Baby auf.“

Seine Assistentin nickte. Doch als Lincoln ihr Jennifer übergeben wollte, fing diese sofort an zu schreien. Er verdrehte die Augen und lehnte Jennifer wieder an seine Schulter, worauf seine Assistentin lächeln musste.

Dann ging er in sein Büro zurück und hielt das erste Meeting mit Jennifer auf dem Arm ab. Seine Mitarbeiter taten so, als ob nichts Ungewöhnliches daran wäre, aber Lincoln konnte ihnen ihre Verwunderung ansehen.

Um halb zehn schlief Jennifer wieder ein. Lincoln schickte seine Assistentin los, um einen Babykorb und andere Sachen zu kaufen, die die Kleine im Büro brauchen würde.

Als sie zurückkam, legte Lincoln Jennifer in den Babykorb und war froh, dass sie sich nicht dagegen wehrte, sondern weiterschlief.

Seine Assistentin hatte mittlerweile versucht, die europäischen Klienten in ihrem Hotel zu erreichen. Leider waren sie nicht auf ihren Zimmern. Doch sie hatte ihnen eine Nachricht hinterlassen, dass das Treffen ins Peacock Alley, dem feinen Restaurant des Hotels, verlegt würde.

Wenn man eine Nachricht hinterließ, bestand das Risiko, dass sie den Empfänger gar nicht erreichte. Und genau das musste Lincoln feststellen, als er gerade zum Hotel aufbrechen wollte und seine Kunden ins Büro kamen. Sie entschuldigten sich für ihre verfrühte Ankunft, aber sie hatten auf Nummer sicher gehen wollen, um sich nicht zu verspäten.

Und genau in diesem Moment wachte das Baby auf.

Jennifers Gesicht rötete sich, und Lincoln wusste, dass sie gleich schreien würde. Deshalb nahm er sie auf den Arm und wiegte sie hin und her.

Zum Glück beruhigte sie sich und sabberte lächelnd auf seinen Arm. Seine Klienten schmolzen dahin. Während des gesamten Meetings verhielt Jennifer sich ruhig, und nachdem die Klienten gegangen waren, setzte Lincoln Jennifer in den Babystuhl, worauf sie zu wimmern begann.

„Sie ist hungrig“, stellte seine Assistentin fest.

Lincoln betrachtete Jennifer forschend, nahm sie aus dem Stuhl und reichte sie seiner Assistentin. „Dann füttern Sie die Kleine bitte!“

Seine Mitarbeiterin wollte etwas dagegen einwenden, ließ es aber doch sein und ging mit Jennifer in die Küche.

Plötzlich riss jemand die Tür auf und betrat Lincolns Büro.

Es war eine große blonde Frau. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug, hochhackige Schuhe und hielt eine dunkle Aktentasche in der Hand. Mit strenger Miene kam sie zu seinem Schreibtisch und knallte die Aktentasche darauf.

Lincoln traute seinen Augen kaum. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Nun stand ihm ganz bestimmt Ärger ins

Haus.

Die blonde Dame war Anna Maria Marques.

Er stand auf. „Was tun Sie denn hier?“

„Sie haben meinem Vater ein Versprechen gegeben, Senhor Aldridge“, antwortete sie. „Und er wird gar nicht begeistert sein, wenn Sie es brechen.“

Jennifer schrie nebenan in der Küche. Lincoln stieß einen Seufzer aus. Plötzlich schien er sich in einem Albtraum wiederzufinden.

3. KAPITEL

Als Junge hatte Lincoln Tai-Chi gelernt.

Zugegeben, er hatte nicht aktiv am Unterricht teilgenommen. Der fand nach der Schule statt und kostete eine hohe Gebühr, die seine Mutter niemals hätte aufbringen können. Und selbst wenn sie das Geld gehabt hätte, wäre er der Letzte gewesen, für den sie es ausgegeben hätte.

Aber er hatte den Unterricht heimlich beobachtet und viel dabei gelernt. So beherrschte er wenigstens die Grundlagen des Tai-Chi und konnte sie anwenden.

Bei der uralten chinesischen Kampfkunst war Selbstkontrolle mindestens genauso wichtig wie körperliche Stärke.

Lincoln hatte mittlerweile begriffen, dass man diese Regeln in vielen Lebensbereichen anwenden konnte. Schon in manchen Situationen hatte ihm dieses Wissen genützt. Auch in diesem Moment versuchte er, sich zu beherrschen.

Es war nur schade, dass er nicht an Tai-Chi dachte, als er diese heißblütige Frau zum ersten Mal getroffen hatte.

Lincoln wollte sich jedenfalls nicht noch einmal zum Deppen machen. Das würde ihm bestimmt kein zweites Mal passieren. Und genau daran schien Anna Maria Marques auch gerade zu denken.

Sie sah atemberaubend in ihrem Businessanzug aus. Mit ihrer unwiderstehlichen Figur und der exotischen Ausstrahlung verkörperte sie den Traum eines jeden Mannes.

In diesem Moment betrat Lincolns persönliche Assistentin mit dem Baby wieder den Raum und sah ihn verwundert an. „Sir? Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum der Empfang diese Frau hineingelassen hat.“

„Ist schon in Ordnung, Sarah“, sagte er gelassen.

„Falls die Dame einen Termin hat, steht jedenfalls nichts im Terminkalender davon“, entgegnete Sarah.

„Sie werden mich wohl kaum hinauswerfen, weil ich keinen Termin habe“, schaltete Anna sich empört ein.

Lincolns Mundwinkel zuckten, aber seine Stimme blieb ruhig. „Danke, Sarah. Schließen Sie bitte die Tür hinter sich. Ich melde mich dann, wenn ich Sie brauche.“

Seine Assistentin verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.

Anna starrte ihn bloß schweigend an.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Können Sie mir vielleicht erklären, was das Ganze zu bedeuten hat?“

„Da haben Sie etwas falsch verstanden. Sie sollten mir nämlich erklären, was hier vor sich geht. Oder noch besser, meinem Vater.“

Wovon redete sie bloß? Und was tat sie hier überhaupt? Das letzte Mal, als er sie sah, hatte sie noch die unschuldige Tochter gespielt, die ihr Vater mit ihm verkuppeln wollte. Hernando Marques war so fixiert darauf gewesen, dass er nicht einmal von dem Thema abgelassen hatte, als Lincoln nach dem Anruf seines Anwalts schockiert das Haus verließ.

Lincoln musste schlucken. Hatte er etwas falsch verstanden oder einer Sache zugestimmt, ohne zu wissen, worum es ging? Und würde sich das nun rächen?

Mit fester Stimme fuhr Anna fort: „Falls Sie glauben, dass ich ihm nicht erzählen werde, wie Sie mich behandelt haben, dann …“

„Setzen Sie sich, Miss Marques.“ Sein Ton wurde schärfer. Doch es funktionierte. Sie setzte sich zwar nicht, aber immerhin war sie nun still.

Lincoln nahm wieder auf seinem Schreibtischstuhl Platz und musterte sie. Wie viele Persönlichkeiten steckten wohl in dieser Frau? Bisher hatte er drei Anna Marias erlebt. Eine war die sexy Spionin, die zweite das unschuldige Mädchen und die dritte diese hinreißende anspruchsvolle Frau.

Nun stellte sich ihm die Frage, welche davon die echte Anna Maria war.

„Wenn Sie damit fertig sind, mich mit Ihren Augen auszuziehen, können wir vielleicht wieder zurück zum Geschäftlichen kommen“, sagte sie kalt.

Lincoln hob die Brauen. „Glauben Sie mir, Miss Marques. Wenn ich Sie ausziehen wollte, hätte ich das längst getan.“ Er machte eine Pause. „Und Sie hätten noch nicht einmal etwas dagegen gehabt.“

Sie errötete. „Sie würden es wagen, mich wieder zu etwas zu zwingen? Wie schon zuvor?“

„Haben Sie deshalb meinen Kuss erwidert? Weil ich Sie dazu gezwungen habe?“

„Ich habe ihn nicht erwidert. Und nun lenken Sie nicht vom Thema ab!“

„Was haben Sie denn damals überhaupt hinter der Tür getan?“

„Ich sagte doch …“

„Sie hätten wissen müssen, dass ich das Sicherheitssystem Ihres Vaters installiert habe und mir nichts entgehen würde“, erklärte er.

Sie lächelte. „Ich wusste, dass Sie das sagen würden.“

„Schleichen Sie öfters nachts durch das Haus Ihres Vaters und stellen seinen Gästen nach?“, wollte Lincoln wissen.

„Und zwingen Sie öfters Frauen dazu, Sie zu küssen?“

Er seufzte. „Ich frage Sie nun zum letzten Mal, Miss Marques. Was wollen Sie hier?“

„Ich bin wegen des Versprechens hier, das Sie meinem Vater gegeben haben. Haben Sie es etwa vergessen? Oder haben Sie geglaubt, dass ich es nicht ernst nehmen würde? Sie haben doch nicht etwa vor, ein Spiel mit mir zu spielen? Denn das lasse ich mir bestimmt nicht von Ihnen gefallen.“

Lincoln begriff allmählich, dass es hier nicht um eine arrangierte Hochzeit ging. Und das beruhigte ihn ungemein. Wenn dies nämlich der Fall gewesen wäre, hätte ihr Vater es sich sicherlich nicht nehmen lassen, mit nach New York zu kommen.

Trotzdem wusste Lincoln immer noch nicht, worauf sie hinauswollte. Doch er beschloss, sich nichts anmerken zu lassen, und fragte lächelnd: „Warum erzählen Sie es mir nicht einfach, Miss Marques? Sie scheinen doch auf alles eine Antwort zu haben.“

Er hatte befürchtet, dass sie ihm nicht antworten würde.

Doch nach kurzem Zögern setzte sie sich auf den Stuhl, den er ihr vorher angeboten hatte, und legte los. „Mein Vater hat Sie um einen Gefallen gebeten.“

Lincoln sah sie verwundert an. „Merkwürdig. Daran kann ich mich nicht erinnern. Das sollte Sie aber nicht wundern, immerhin habe ich das Haus damals sehr überstürzt verlassen.“

Erneut errötete sie. „Deswegen …“, sie räusperte sich, „… wollte ich Ihnen noch mein Beileid aussprechen.“

„Danke.“

Anna kniff die Augen zusammen. Auch wenn Lincoln um Höflichkeit bemüht war, wusste sie, was er dachte. Dass es ihm liebsten gewesen wäre, wenn sie einfach verschwand.

Sie fragte sich, ob er bloß vorgab, von nichts eine Ahnung zu haben. Aber er musste doch wissen, warum sie so aufgebracht war. Weshalb tat er trotzdem so ahnungslos? Er hatte ihrem Vater doch ein Versprechen gegeben. Vielleicht hatte er ja nie im Leben erwartet, dass sie tatsächlich bei ihm in New York auftauchen würde.

Wenn Papa ihn bloß nicht gefragt hätte …

Sie hatte kurz überlegt, ihm seine Idee auszureden. Und sie hätte auch ganz genau gewusst, wie. Bestimmt hätte er Mr. Aldridge nie wieder vertraut, wenn sie Papa von dem Zwischenfall auf dem Flur erzählt hätte. Aber sie hatte es nicht übers Herz gebracht.

Natürlich hätte sie auch auf eigene Faust nach New York gehen können, in die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Davon träumte sie schon so lange. Aber sie zog es vor, dies mit dem Segen ihres Vaters zu tun, da sie ihn nicht verletzen wollte.

Nach monatelangen Diskussionen hatte er schließlich zugestimmt, sie gehen zu lassen. Doch nur unter der Bedingung, dass er ihr einen Job in der Stadt suchte.

„Ich schicke dich zu einem ehrenwerten Mann“, hatte er erklärt. „Er besitzt eine sehr erfolgreiche Firma.“

Papa kannte viele ehrenwerte Unternehmer. Doch diese waren alt, dick und hatten eine Glatze. Und genau so einen Mann hatte sie auch erwartet.

Stattdessen hatte ihr Vater Lincoln Aldridge für sie ausgewählt. Er war groß, dunkelhaarig, jung, schlank – und er hatte keine Glatze.

Er war ein verdammt gut aussehender Mann.

Doch er war auch der Mann, der sie überwältigt, gegen ihren Willen geküsst und heiße Sehnsüchte in ihr geweckt hatte. Seitdem konnte sie ihn nicht mehr vergessen und wollte mehr …

Unsinn!

So war es nicht gewesen. Er hatte sie durch sein Verhalten erniedrigt, und sie hätte es ganz sicher Papa erzählt, wenn Senhor Aldridge nicht diese schreckliche Nachricht am Telefon erhalten hätte.

Anna hatte angenommen, dass der Plan ihres Vaters nach diesem Abend nicht mehr umzusetzen war. Doch letzte Woche hatte er ihr dann den Brief gezeigt, den er Aldridge geschrieben hatte. Und zu ihrer Überraschung hatte der Geschäftsmann sofort geantwortet.

„Miss Marques?“

Er sah sie aus seinen beeindruckenden grünen Augen an und schien langsam genervt von ihr zu sein.

„Ja, Senhor?“

„Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Mir bleibt keine Zeit für solchen Unsinn.“

„Ein Versprechen ist kein Unsinn“, protestierte sie.

„Ich habe Ihrem Vater nichts versprochen.“

„Damals nicht. Aber er hat Ihnen einen Brief geschrieben.“

Er sah sie mit finsterer Miene an. „Einen Brief?“

„Es handelte sich dabei um einen Vorschlag, den Sie angenommen haben.“

Nun wurde er blass. Das war ein Beweis für Anna, dass er gelogen hatte.

„Ihr Vater hat mir keinen Vorschlag gemacht“, beharrte er. „Und wenn er das getan hätte, wäre ich bestimmt nicht darauf eingegangen.“

„Sie haben zugestimmt.“

„Unmöglich.“

„Sie haben geschrieben, dass Sie mir eine Chance geben würden“, erklärte Anna ruhig.

„Wie bitte?“

„Sie haben uns geschrieben, dass Sie nichts versprechen können, mir aber eine Chance gäben, wenn ich geeignet wäre.“

Er wurde noch blasser. Gut. Das hatte man davon, wenn man nicht zu seinem Wort stand.

„Miss Marques, so etwas hätte ich Ihnen niemals geschrieben. Wie kann ich denn wissen, ob Sie überhaupt geeignet sind? Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Ihr Vater dieser Abmachung zugestimmt hätte.“

„Das wollte er anfangs auch nicht. Aber ich habe ihm erklärt, dass es in den USA normal ist, erst mal eine Probezeit zu vereinbaren, in der man seine Fähigkeiten beweist. Falls sich herausstellen sollte, dass ich dieses Talent nicht …“

„Jetzt reicht es mir langsam, Miss Marques …“

„Falls ich Ihren Anforderungen nicht gewachsen sein sollte, erwarte ich nicht, dass Sie mich bei sich behalten. Aber ich versichere Ihnen, dass ich schnell lerne. Ich habe immerhin einen Abschluss in Betriebswirtschaft.“

Er sah sie an, als ob einer von ihnen verrückt geworden wäre. Sie runzelte die Stirn. Log Aldridge vielleicht doch nicht? War es wirklich möglich, dass er nichts von dem Vorschlag ihres Vaters wusste?

Nein. Es war unmöglich. Aldridge hatte den Brief doch selbst geschrieben.

Anna öffnete ihre Aktentasche und holte zwei Blätter heraus.

„Was ist das?“, fragte er.

„Etwas, um Ihr Erinnerungsvermögen aufzufrischen.“

Sie lehnte sich nach vorn und überreichte ihm die Blätter. Anstatt sie zu lesen, starrte er Anna einfach bloß an. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich zu lesen begann.

Dann lachte er.

Wie konnte dieser gemeine Typ sie einfach auslachen? Anna hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt und geschüttelt. Sie war fast achttausend Kilometer gereist. Ihr Flugzeug war so spät gelandet, dass sie kaum Zeit gehabt hatte, um ihre Sachen ins Hotel zu bringen und sich umzuziehen. Dann war sie zu Aldridge Inc. geeilt und hatte sich am Empfang gemeldet. Doch niemand hatte sie erwartet. Auch nicht der Flegel, der ihr gegenübersaß und sie auslachte, als ob es hier um einen Scherz ging.

Anna schoss wütend von ihrem Stuhl hoch und hätte Aldridge wirklich fast am Kragen gepackt. „Sie … Sie …“

Er sah zu ihr auf und lachte noch lauter.

„Sie gemeiner Kerl“, knurrte sie und lief um den Schreibtisch herum.

Er stand auf und hielt ihre Handgelenke fest. Anstatt zu lachen, sah er ihr nun leidenschaftlich in die Augen.

„Nein“, warnte sie ihn. „Wagen Sie es ja nicht!“

Ohne zu zögern, presste er sie fest an sich und küsste sie.

Der Kuss erwischte sie kalt. Ihr Herz schlug schneller, während er sie immer wilder küsste und ihren Rücken streichelte. Dann berührten sich ihre Zungen.

Anna hasste es, wenn ein Mann ihr auf diese Weise seine Macht bewies. Aber in diesem Moment machte es ihr nichts aus. Sie stöhnte leise und genoss seine heißen Küsse. Begierig legte sie die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich näher an ihn.

Er umfasste ihre Hüften und hob Anna auf den Schreibtisch. Irgendetwas fiel hinunter, aber das war ihr egal. Sie spreizte leicht die Beine und presste ihren Körper näher an seinen. Sie war heiß auf ihn und wollte mehr …

„Mr. Aldridge?“

Jemand kam in das Büro, ohne anzuklopfen. Es war die Dame von vorhin, Aldridges Assistentin.

„Also, Mr. Aldridge! Was tun Sie denn da?“, fragte Sarah entsetzt und verließ fluchtartig den Raum.

4. KAPITEL

Anna wäre am liebsten gestorben, so peinlich war ihr die Situation. Sie rutschte vom Schreibtisch und strich nervös ihren Rock glatt. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch einen Schuh verloren.

„Hier.“ Lincoln reichte ihr den Schuh.

Sie nahm ihn mit zitternden Händen entgegen. Der Kuss hatte sie mehr durcheinandergebracht, als sie sich eingestehen wollte. Doch Lincoln Aldridge wirkte vollkommen ungerührt. Sein Haar war immer noch perfekt gestylt und sein Sakko glatt wie zuvor. Nur das Funkeln in seinen Augen verriet seine innere Anspannung. Auch wenn sie bezweifelte, dass es für ihn etwas Ungewöhnliches gewesen war.

Bestimmt hatte er ständig eine andere Frau und vergnügte sich, wo und wie er nur konnte.

Anna kannte Männer wie ihn. Man konnte nicht in Brasilien aufwachsen, ohne ihnen zu begegnen, selbst wenn man sich noch so sehr von der Außenwelt abschottete. Es war eine Welt, die von Männern regiert wurde. Nun wusste sie, dass es in den Vereinigten Staaten genauso war.

Weshalb Aldridge nicht zugab, dass er ihr den Job angeboten hatte, verstand sie immer noch nicht. Doch mittlerweile würde sie ihn sowieso nicht mehr annehmen.

Anna trat einen Schritt zurück und griff nach ihrer Aktentasche. Die Briefe – einer von ihrem Vater, der Aldridge dafür dankte, dass er seiner Tochter eine Stelle in seiner Firma angeboten hatte, und der andere von Aldridge, der den heutigen Vorstellungstermin ankündigte – lagen immer noch auf dem Schreibtisch.

Sie beschloss, sie dort zu lassen. Es war besser, wenn sie ihren Traum aufgab und wieder zurück nach Brasilien ging, wo ihr Vater einen passenden Ehemann für sie finden und damit alles seinen traditionellen Lauf nehmen würde.

„Miss Marques.“

Nein, das ließe sie auf keinen Fall zu. Anna hob den Kopf und ging zur Tür. Sie würde sich von diesem Mann nicht ihren Traum zerstören lassen. Trotz allem wollte sie in New York bleiben, irgendeinen Job annehmen und beweisen, dass sie auch ohne die Hilfe eines Mannes Erfolg haben konnte.

„Anna! Warte!“

Sie hatte die Hand schon auf dem Türgriff, blieb dann aber stehen. Auf gar keinen Fall würde sie sich von diesem Mann für dumm verkaufen lassen. Ihre Würde konnte er ihr nicht nehmen.

Sie spürte seine Hand auf der Schulter.

Angewidert zuckte sie zusammen und drehte sich zu ihm um. Immerhin lachte er sie nicht mehr aus.

„Schön, dass du meinetwegen so viel Spaß hattest.“

„Anna.“ Er fuhr sich durch die Haare und schien ein schlechtes Gewissen zu haben. Nein, das bildete sie sich bestimmt bloß ein.

„Anna“, wiederholte er und seufzte. „Das war alles ein Missverständnis.“

„Wenn du es sagst, dann muss das wohl so gewesen sein.“

Ihre Stimme jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Lincoln konnte ihr keinen Vorwurf machen. Sie hatte recht, zu ihm in die Firma zu kommen. Es war sein Fehler gewesen. Was den Kuss anging … da hatte er sich einen Moment lang vergessen. Noch nie zuvor hatte er eine Frau geküsst, während er gleichzeitig ihretwegen aufgebracht war. Doch für alles gab es ein erstes Mal. Jedenfalls schuldete er ihr keine Erklärung wegen des Kusses.

Für den Rest schon.

„Der Brief, den dein Vater an mich geschickt hat …“ Er zögerte. „Ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen. Das ist die Wahrheit“, fügte er schnell hinzu, als Anna ihn ungläubig ansah. „Wegen der Sache mit meiner Schwester musste ich in den letzten Monaten viele Aufgaben in der Firma an meine Mitarbeiter delegieren. Deshalb wird dieser Brief auf dem falschen Schreibtisch gelandet sein.“

„Du hast ihn aber beantwortet.“

Lincoln schüttelte den Kopf. „Einer meiner Mitarbeiter hat das getan. Wahrscheinlich hat er sich an den Namen deines Vaters erinnert und ihm deshalb seine Bitte nicht abgeschlagen, ohne sie vorher genau zu lesen.“

„Wie auch immer“, sagte sie, als ob das auch nichts mehr ausmachte, obwohl es alles erklärte. „Mein Vater hätte dich gar nicht um diesen Gefallen bitten dürfen. Ich bin nicht auf dein Entgegenkommen angewiesen.“

Was garantiert gelogen war. Das wusste Lincoln. „Wirklich nicht?“

„Ja.“

„Warum bist du dann hergekommen?“

„Weil ich einen Job wollte. Aber ich wollte auf keinen Fall ausgelacht werden.“

„Ich habe dich nicht ausgelacht. Die ganze Situation kam mir in dem Moment einfach nur so komisch vor.“ Lincoln beschloss, nicht weiter darauf einzugehen, um nicht noch mehr Schaden anzurichten. „Du sagtest, dass du einen Abschluss in Betriebswirtschaft hast?“

„Ja.“

„Kannst du auch tippen?“

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Na gut. Ich gebe zu, dass es sexistisch klingt, aber am Anfang muss man eben …“ Er machte eine Pause. „Im Moment haben wir hier keine freie Stelle. Vielleicht kann ich mich etwas umhören und woanders einen Job für dich finden.“

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich deine Hilfe nicht brauche. Es wird bestimmt kein Problem sein, in dieser Stadt einen Job zu finden.“

„Das hier ist New York. Gute Jobs sind selten. Wenn mir etwas zu Ohren kommt, werde ich …“

„Auf Wiedersehen, Senhor Aldridge.“

Lincoln sah sie verwundert an. Gut, wenn sie sich in die Schlange der anderen tausend hochqualifizierten Arbeitslosen einreihen und hoffnungslos nach einem gut bezahlten Job suchen wollte, bitte. Ihm sollte es recht sein.

Mit ein bisschen Glück würde sie eine Anstellung als Kellnerin finden. Das brächte sie vielleicht wieder zurück auf den Boden der Tatsachen.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, während sie die Tür öffnete … und die Brauen hochzog, als Sarah mit dem Baby davorstand.

„Tut mir leid, Sir“, sagte seine Assistentin verzweifelt. „Aber das Baby …“ Sie hielt ihm seine Nichte entgegen, die in diesem Moment zu weinen begann. Sarahs Miene nach zu urteilen, ging das schon länger so.

„Haben Sie schon die Agentur angerufen?“, fragte er, während er Jennifer auf den Arm nahm.

„Sie sagten, dass sie eventuell morgen jemanden schicken können“, antwortete Sarah.

Lincoln sah sie entsetzt an. „Morgen erst?“

„Oder am Montag. Die Leute von der Agentur wollten nichts versprechen. Immerhin haben Sie wohl schon mehrere Kindermädchen entlassen und …“

Anna streckte die Arme aus. „Gib mir das arme Baby.“

Es klang mehr wie ein Befehl – nicht wie eine Bitte. Lincoln wollte nicht schon wieder mit ihr streiten und reichte ihr deshalb seine Nichte.

„Wessen Kind ist das?“, fragte Anna.

„Das ist die Tochter meiner verstorbenen Schwester“, sagte Lincoln traurig.

Anna musterte Jennifer, die sich langsam beruhigte. „Armes Baby. Und wo ist dein Papa?“

„Er ist zusammen mit meiner Schwester bei dem Unfall ums Leben gekommen.“

„Wie traurig“, sagte Anna. Sie flüsterte dem Baby etwas auf Portugiesisch zu. Zur Überraschung aller war Jennifer plötzlich still und lächelte Anna schließlich an.

„Sie mag dich“, bemerkte Lincoln.

Anna sah ihn scharf an. „Das ist auch kein Wunder. Immerhin habe ich ein Dutzend kleiner Cousins. Und sie lieben mich alle. Wie heißt sie?“

„Jennifer.“

Anna streichelte die Wange des Babys. „Was für ein süßer Name für so ein niedliches Baby.“

Jennifer lächelte weiter und gluckste vor sich hin.

Lincoln beobachtete sie fasziniert und fing noch einmal an zu zählen. Es gab nicht nur drei Annas, sondern vier. Die Sexbombe, das unschuldige Mädchen, die Businessfrau und nun die liebevolle Mutter.

Er fragte sich, welche dieser Persönlichkeiten der wahren Anna Marques entsprach. Am liebsten hätte er Anna noch einmal geküsst, um sich zu vergewissern, dass sie überhaupt echt war.

Doch zunächst musste er sich zusammenreißen und sein Problem lösen. „Sarah? Nehmen Sie bitte das Baby.“

Seine Assistentin sah ihm in die Augen. „Ich habe noch sehr viel zu tun, Sir.“ Sie drehte sich um und verließ den Raum.

Lincoln hätte sie fast zurückgerufen, aber er wusste, dass sie noch einige wichtige Aufgaben für ihn erledigen musste, die keinen Aufschub duldeten. Was sollte er nun tun? Frühestens morgen würde die Agentur ein neues Kindermädchen schicken. Oder erst am Montag. Vielleicht aber auch nie. Er hatte heute einige Meetings und musste sich mit seinem Anwalt treffen. Außerdem wollte die Sozialarbeiterin noch vorbeikommen, um zu sehen, wie Jennifer ihre Unzufriedenheit in die Welt hinausschrie.

Das Baby griff nach Annas Hand und lächelte.

Plötzlich kam Lincoln eine vollkommen verrückte Idee. „Also, Anna“, sagte er und versuchte, möglichst gelassen zu wirken. „Was hast du nun vor, wo das mit dem Job nicht geklappt hat?“

„Das ist nicht dein Problem.“

„Ja, das hast du mir eben schon mehr als deutlich zu verstehen gegeben. Aber ich fühle mich trotzdem für dich verantwortlich. Der Brief kam immerhin aus meinem Büro.“ Er machte eine Pause. „Vielleicht gibt es da einen passenden Job für dich.“

„Danke, aber ich möchte keine Almosen. Ich habe ja schon gesagt, dass es falsch war, hierherzukommen.“ Sie streichelte noch einmal die Wange des Babys und reichte Lincoln dann die Kleine. „Jetzt kannst du sie nehmen.“

Er steckte die Hände in die Taschen. „Das sind keine Almosen. Ich möchte dir einen richtigen Job anbieten, auch wenn du deinen Abschluss dafür nicht brauchen wirst.“

„Nein?“

„Du würdest nicht für meine Firma, sondern direkt für mich arbeiten.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Wenn du glaubst, ich würde Geld nehmen, um … um …“

„Ich brauche ein Kindermädchen für Jennifer.“

Anna sah ihn mit großen Augen an. Anscheinend konnte sie nicht glauben, was Lincoln gerade gesagt hatte.

Auch er konnte es kaum fassen, aber er war verzweifelt. „Es wäre immerhin ein dankbarer Job“, fuhr er fort. „Oder möchtest du lieber zurück nach Hause fliegen und deinem Vater erklären, dass New York doch eine Nummer zu groß für dich war?“

5. KAPITEL

Auch wenn Anna in einer vollkommen anderen Welt aufgewachsen war, verstand sie genau, was Lincoln meinte. Das hier war das wirkliche Leben. Wenn man seine Chancen nicht nutzte, dann blieb man schnell auf der Strecke.

Sie hatte zwar einen Abschluss, aber in Wahrheit hatte sie sich das meiste über Betriebswirtschaft selbst beigebracht. Die Universität, die sie besucht hatte, war ein angenehmer Ort gewesen, aber die reichen jungen Studentinnen hatten dort kaum etwas gelernt.

Ihr Vater hatte sie dort hingeschickt, um sie zu beschwichtigen. Und genau aus demselben Grund hatte er sie auch in die USA gehen lassen. Er hätte alles für das Wohl seiner Tochter getan. Deshalb hatte er sie auch zu einem Mann geschickt, dem er vertraute. Und dafür liebte sie ihn über alles.

Doch so langsam bezweifelte Anna, dass Lincoln Aldridge wirklich so ein ehrenwerter Mann war. Anscheinend lebte er nach seinen eigenen Regeln. Er hatte sie nun schon zwei Mal geküsst, weil ihm einfach danach gewesen war. Und nun bot er ihr einen Job in seinem Haus an.

Lincoln sah ihr in die Augen und wirkte ungeduldig. „Also?“ Warum war er nur so unverschämt attraktiv? Das machte die ganze Sache noch schwieriger.

Sie spürte, wie sich ihr Verlangen nach ihm steigerte.

Noch nie hatte sie sich so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt. Dabei kannte sie ihn noch nicht einmal richtig. Alles an ihm war faszinierend und abstoßend zugleich.

Anna wandte sich von ihm ab und sah sich im Raum um.

An einem großen Konferenztisch entdeckte sie einen Babykorb und legte Jennifer hinein.

Auf keinen Fall würde sie sein Angebot annehmen. Warum sollte sie das auch? Sie war ja kein Kindermädchen. Auch wenn sie Kinder über alles liebte, war sie nicht nach New York gekommen, um Windeln fremder Babys zu wechseln.

„Na gut.“ Er sah sie verständnisvoll an. „Deine Miene sagt alles. Du hast wohl erwartet, dass ich dir in meiner Firma eine gut dotierte Führungsposition anbiete. Und natürlich ist der Job als Kindermädchen damit nicht vergleichbar, aber es ist eine ehrliche und gut bezahlte Arbeit …“

„Was ist denn eine gut bezahlte Arbeit für dich?“

Lincoln war anzumerken, dass ihn diese Frage überraschte. Es war sonst auch nicht Annas Art, so direkt zu fragen. Aber was konnte das schon schaden?

Er nannte ihr ein Gehalt, das überraschend hoch lag. „Natürlich kannst du auch kostenlos bei mir essen und wohnen“, fügte er hinzu.

„Du erwartest, dass ich in deinem Haus lebe?“

„Ja. Es sei denn, du möchtest ständig mitten in der Nacht von mir angerufen werden, wenn meine Nichte etwas braucht.“

Auch wenn er das mit einem Hauch von Sarkasmus sagte, hatte er recht. Man konnte sich nicht um ein Baby kümmern, wenn man weit weg wohnte.

Trotzdem kam es nicht infrage. Sie konnte diesen Job nicht annehmen. Auch wenn es bedeutete, dass sie nach Hause zurückkehren müsste … „Gut. Ich nehme den Job“, hörte sie sich trotz ihrer Zweifel plötzlich sagen. Was war bloß mit ihr los?

Lincoln zog erstaunt die Brauen hoch.

Anna freute sich, dass sie ihn erneut überrascht hatte. „Unter einer Bedingung“, fügte sie hinzu.

Er seufzte. „Was möchtest du noch? Eine Krankenversicherung? Bezahlten Urlaub und zusätzliche freie Tage?“

„Natürlich möchte ich eine Krankenversicherung. Und wenn ich freie Tage brauche, gebe ich dir schon rechtzeitig Bescheid.“

„Wie lautet dann die Bedingung?“

„Du wirst dich nach einer geeigneten Stelle für mich umsehen.“

„Ich habe dir doch schon erklärt, dass …“

„Mir ist klar, wie das in großen Firmen abläuft“, unterbrach Anna ihn. „Mitarbeiter kommen und gehen. Wenn du eine Stelle findest, die meinen Qualifikationen entspricht, dann wirst du sie mir anbieten.“

Lincoln atmete tief durch. Er wüsste schon, in welcher Stellung er Anna am liebsten sehen würde. Noch immer wunderte er sich, wie sie vorhin auf seinen Kuss reagiert hatte. Sie war noch leidenschaftlicher als bei ihrem ersten Aufeinandertreffen gewesen.

„Wolltest du damals im Haus deines Vaters einen Mann treffen?“, fragte er neugierig.

Autor

Leanne Banks
<p>Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen. Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe...
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