Das Geheimnis des Milliardärs

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Gage Lattimer, ich komme dir noch auf die Schliche, denkt Jacinda, während sie das Staubtuch schwingt. Eigentlich ist sie PR-Beraterin, aber jetzt arbeitet sie als Haushälterin in einkalkuliert: die unwiderstehliche Anziehungskraft, die der Milliardär auf sie ausübt! Wenn er sie nur flüchtig berührt oder so geheimnisvoll anlächelt … Nach einer Cocktailparty erkennt Jacinda, dass er unschuldig sein muss. Und seine Küsse machen süchtig! Aber was, wenn Gage entdeckt, wer sie wirklich ist?


  • Erscheinungstag 08.11.2009
  • Bandnummer 1589
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955510
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Vor 5 Monaten

Er hatte den unnachgiebigen Gesichtsausdruck eines Geschäftsmannes, der gewohnt war, seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen.

Aber war er auch ein Mörder?

Jacinda Endicott betrachtete ihn aufmerksam und prägte sich jede Einzelheit ein: das dichte dunkelbraune Haar, den wachsamen Blick, das ausgeprägte Kinn. Der Smoking, den er trug, betonte seine breiten Schultern sehr vorteilhaft, und beinah nachlässig hielt er das Champagnerglas in einer Hand. Er strahlte die Eleganz eines Cary Grants oder George Clooneys aus.

Doch lächelte er nicht, sondern wirkte im Gegenteil sehr ernst und nachdenklich. Er sah direkt in die Kamera, und zwischen ihm und den anderen schien eine gewisse Distanz zu herrschen. Mit seiner stattlichen Erscheinung überragte er sowohl das Paar zu seiner Rechten als auch die beiden Männer, die links von ihm standen.

Jacinda konnte den Blick nicht von ihrem Computerbildschirm abwenden.

Gage Lattimer ließ in der Tat Frauenherzen höher schlagen. Unwillig gestand sie sich ein, dass selbst sie sich seiner Ausstrahlung nicht zu entziehen vermochte.

Der unnahbare Gesellschafter und Geschäftsführer der Risikokapitalfirma Blue Magus Investments gab nur wenig von sich in der Öffentlichkeit preis, bestach aber durch sein selbstbewusstes Auftreten. Er gehörte zu jener Art von Männern, von denen sich Marie angezogen gefühlt haben musste … bevor diese Affäre sie das Leben gekostet hatte.

Der Gedanke an ihre jüngere Schwester versetzte Jacindas Herzen einen Stich.

Obwohl es nun schon zwei Wochen her war, fiel es ihr immer noch schwer zu glauben, dass Marie für immer von ihnen gegangen war. Jacinda hoffte, der Albtraum würde einfach enden, aber jeden Morgen wurde ihr die Realität schmerzhaft bewusst, noch bevor sie die Augen öffnete.

Sie fragte sich insgeheim, ob die Dinge jemals wieder ihren normalen Lauf nehmen würden. Schenkte man den Worten der Polizei Glauben, hatte sich Marie vom Dach ihres eleganten New Yorker Apartments in der Park Avenue in den Tod gestürzt. Selbstmord, davon gingen die ermittelnden Beamten aus.

Jacinda weigerte sich jedoch zu glauben, dass sich ihre hübsche und lebensfrohe Schwester das Leben genommen haben sollte. Es war beispielsweise kein Abschiedsbrief gefunden worden – und gab es denn nicht immer einen? Außerdem waren keine Spuren von Drogen in Maries Blut nachgewiesen worden.

Nachdenklich schüttelte Jacinda den Kopf. Das alles ergab einfach keinen Sinn.

Ihre abenteuerlustige Schwester hatte an der Universität von St. Andrews studiert und war unmittelbar nach ihrem Abschluss allein nach New York gezogen. Es war ihr nicht schwergefallen, ihre Familie in England zurückzulassen, da sie von der Sehnsucht nach einem glamourösen Leben im Stil von Sex and the City getrieben worden war. In New York hatte Marie dann zunächst als Angestellte bei einem Immobilienmakler gearbeitet, sich aber bald mit einer eigenen Firma selbstständig gemacht, und das sehr erfolgreich: Mit Disziplin und ihrer einnehmenden Persönlichkeit war es ihr rasch gelungen, einige überaus lukrative Aufträge an Land zu ziehen.

Und jetzt war Marie tot. Sie war nur fünfundzwanzig Jahre alt geworden.

Gleichgültig, was die Polizei ihr weismachen wollte, Jacinda glaubte nicht daran, dass ihre Schwester gesprungen war. Sie war in den Tod gestoßen worden.

Doch von wem? Und vor allem: warum?

Den ersten Hinweis dafür hatte Jacinda zufällig erhalten, in New York gefunden. Ihre Eltern, ihr Bruder und sie waren mit dem ersten Flug angereist, nachdem Detective Arnold McGray vom New Yorker Police Department sie von Maries tragischem Tod in Kenntnis gesetzt hatte.

Im Büro ihrer Schwester hatte Jacinda eine Maklerin getroffen, Maries ehemalige Geschäftspartnerin, die jetzt die Büroräume übernommen hatte. Die Frau erwähnte beiläufig, Marie habe eine Affäre mit einem zurückgezogen lebenden, allerdings sehr reichen und mächtigen Mann gehabt. Zwar hatte Marie sich offenbar nicht über die Identität ihres Geliebten geäußert, aber die Maklerin wusste, dass es sich um einen großen, dunkelhaarigen Mann mit Grübchen und faszinierenden Augen handelte.

Jacinda wurde sofort hellhörig und fühlte sich gleichzeitig übergangen, weil Marie ihr nichts über ihre Beziehung zu dem Mann erzählt hatte.

Sie war zu dem Schluss gekommen, dass ihre Schwester einen guten Grund dafür gehabt haben musste. Vermutlich hatte sie geglaubt, Jacinda würde das Verhältnis – warum auch immer – missbilligen.

Natürlich, dachte sie. Ich wäre eingeschritten, hätte ich auch nur den leisesten Verdacht gehegt, dass Maries Geliebter zu Gewalttätigkeiten neigte.

Marie war ein Freigeist gewesen und manchmal ungestüm. Ihr Highschool-Freund hatte einen Nasenring getragen, ein späterer Lover sogar einen Irokesenschnitt. Trotzdem hätte Jacinda ihrer jüngeren Schwester ein besseres Gespür zugetraut, was Männer betraf.

Selbstverständlich war Jacinda sofort zur Polizei gegangen, nachdem sie von der Affäre ihrer Schwester erfahren hatte. Doch hatte man ihr mitgeteilt, dass es schon ein wenig mehr als vage Vermutungen brauchte, um aus einem möglichen Lover einen potenziellen Mörder zu machen. Deshalb hatte Jacinda beschlossen, Maries Nachlass zu durchsuchen, allerdings ohne etwas Besonderes zu finden. Wie die Polizei bereits festgestellt hatte, gab es keine verdächtigen E-Mails oder Telefonverbindungen. Rein gar nichts. Die angebliche Affäre war also entweder nur ein Hirngespinst oder aber das große Geheimnis eines Liebhabers, der um jeden Preis unentdeckt bleiben wollte.

In dem verzweifelten Wunsch, doch noch etwas herauszufinden, hatte Jacinda weitergesucht und war im Büro ihrer Schwester auf einen Anhaltspunkt gestoßen: eine Akte über die Firma Blue Magus Investments. Offenbar war Marie damit beauftragt gewesen, neue Büroräume für die Risikokapitalgesellschaft zu finden.

Als Jacinda die Papiere durchgesehen hatte, war sie über den Namen Gage Lattimer gestolpert. Daneben hatte ihre Schwester in ihrer ordentlichen Handschrift an den Rand geschrieben: Milliardär, gute Beziehungen, öffentlichkeitsscheu. Und Jacinda waren sofort die Worte eingefallen, mit denen die Maklerin den geheimnisvollen Liebhaber beschrieben hatte: reich, mächtig, zurückgezogen.

Nachdem sie in ihr Hotelzimmer zurückgekehrt war, hatte sie im Internet recherchiert.

Jacinda betrachtete erneut das Foto von Gage Lattimer. Rein äußerlich traf die Beschreibung ihrer Schwester zu. Er schien die anderen Menschen nicht nur körperlich zu überragen. Obwohl er nicht direkt lächelte, glaubte Jacinda, die Andeutung eines Grübchens auf seinem Gesicht zu erkennen.

Er war fünfunddreißig, geschieden und finanziell eine gute Partie. Über ein Online-Personenverzeichnis fand Jacinda schnell heraus, dass Gage in der 721 Park Avenue lebte. Das war auch die letzte Adresse ihrer Schwester gewesen.

Volltreffer, dachte sie. Das konnte nun wirklich kein Zufall mehr sein.

Zumindest sie ging davon aus, die Polizei würde wahrscheinlich nicht so leicht zu überzeugen sein. Jacinda war klar, dass sie konkrete Beweise vorlegen musste, damit man den Todesfall ihrer Schwester näher untersuchte. Und wenn sie einen mächtigen und zurückgezogen lebenden Milliardär des Mordes bezichtigte, würde sie bei der New Yorker Polizei nicht gerade auf großes Verständnis stoßen.

Jacinda wandte den Blick vom Monitor ab und blickte aus dem Fenster. Doch sie sah die Dächer und Geschäftsgebäude des Londoner Finanzdistrikts Canary Wharf nicht, sondern starrte auf ihr Spiegelbild. Klassisch schön geschnittene Gesichtszüge spiegelten sich im Glas wider. Ihre grünen Katzenaugen, wie ihre Mutter sie nannte, waren von dunklen, dichten Wimpern umrahmt. Gerade Nase, volle Lippen. Das braun gelockte Haar hatte Jacinda mit einer kristallbesetzten Spange hochgesteckt.

Marie hatte ihr sehr geähnelt, war jedoch um einiges kleiner gewesen.

Da die Polizei offensichtlich kein Interesse daran hatte, den Mörder zu finden, und auch an keine geheime Affäre glaubte, musste Jacinda eben selbst die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Das schuldete sie Marie. Denn Marie würde nicht mehr die Welt bereisen, konnte weder Brautjungfer bei Jacindas Hochzeit sein noch ihre zukünftigen Nichten und Neffen kennenlernen. Sie konnte nicht heiraten, keine Kinder bekommen.

Jacinda hatte das Gefühl, dass der Tod ihrer Schwester ihrem Leben eine vollkommen neue Bedeutung verliehen hatte. Plötzlich wollte sie alles auf einmal – einen Ehemann, Kinder, ein erfülltes Leben. Denn wer konnte schon sagen, wie viele Tage ihr noch vergönnt waren. Worauf wartete sie noch?

Sie dachte lange darüber nach, was es wohl für Konsequenzen hätte, wenn sie sich von ihrer Position als Anzeigenleiterin bei dem renommierten Unternehmen Baker & Winter beurlauben ließ. Aber letztendlich blieb ihr keine Wahl, wenn sie den Plan, der allmählich in ihr reifte, in die Tat umsetzen wollte. Jacinda musste ganz einfach Maries Mörder zur Strecke bringen. Sonst würde sie keinen Frieden finden. Sonst könnte sie nicht wieder in ihr Leben zurückfinden.

Ihre Eltern und Andrew waren natürlich genauso am Boden zerstört, seit die Nachricht von Maries Tod sie erreicht hatte. Sie hatten seit jeher ein enges Verhältnis gehabt. Und das Einkommen, das ihre Eltern mit ihrem kleinen Geschäft erwirtschafteten, hatte ausgereicht, um alle drei Kinder auf angesehene Internate zu schicken.

Aber jetzt war Marie von ihnen gegangen. Für immer.

Im Gegensatz zu Jacinda akzeptierten ihre Eltern und ihr Bruder die Annahme der Polizei, dass Marie sich das Leben genommen hatte. Immerhin schien es keine konkreten Anhaltspunkte für einen Mord zu geben.

Doch Jacinda hatte ihre Zweifel. Sie und ihre Schwester hatten sich so nahgestanden, wie es Geschwister nur konnten. Marie hatte sie in all ihre Träume und Geheimnisse eingeweiht. Sie konnte niemals … Nein, auf gar keinen Fall glaubte Jacinda daran, dass Marie Selbstmord begangen hatte.

Sie wandte sich um und sah wieder auf den Bildschirm.

Gage Lattimer. War er der Schlüssel zur Aufklärung des Verbrechens?

Kurz entschlossen griff sie zum Telefonhörer und wählte die Nummer des exklusiven Apartmenthauses, in dem ihre Schwester gewohnt hatte. Die Durchwahl zur Rezeption in der Empfangshalle hatte Jacinda aus dem Telefonbuch.

Nach dem dritten Klingeln meldete sich eine Männerstimme: „721 Park Avenue.“

Der Mann sprach mit ausgeprägter New Yorker Betonung, und Jacinda ermahnte sich im Stillen, ihren britischen Akzent zu unterdrücken. Sie räusperte sich. „Hallo. Ich rufe im Auftrag von Gage Lattimer an. Er ist einer Ihrer Wohnungseigentümer.“

„Ja?“ Er klang misstrauisch.

Sie ging davon aus, dass sie mit einem Pförtner sprach. Mit Sicherheit hatte er Marie gekannt, schließlich war sie im vergangenen Jahr in die Park Avenue gezogen. Jacinda war bisher nur einmal dort gewesen, und zwar kurz nach Maries Tod. Allein und in Verkleidung hatte sie sich in die Wohnung ihrer Schwester geschlichen, nachdem ihre Eltern und ihr Bruder dort gewesen waren. Jacinda hatte das Apartment nicht mit ihnen zusammen betreten wollen. In jener Nacht war bereits ihr Plan in ihr herangereift.

„Mr. Lattimer wird bald wieder nach New York zurückkehren und würde gern seine Haushälterin kontaktieren, damit das Penthouse bei seiner Anreise fertig ist“, sagte sie und hoffte, überzeugend zu wirken. „Er wird mit einigen Gästen eintreffen.“

„Sie sind …?“

Sie kreuzte zwei Finger. „Seine persönliche Assistentin.“

„Und dann haben Sie Theresas Telefonnummer nicht?“, erkundigte sich der Pförtner skeptisch.

„Nein“, erwiderte sie betont gelassen. „Ich bin neu.“

„Warten Sie mal“, murmelte er verstimmt.

Jacinda hielt den Atem an. Sie hatte richtig geraten, die Angestellten der Park Avenue 721 wussten, wie sie die Haushaltshilfen der Bewohner im Notfall erreichen konnten.

Plötzlich meldete sich der Mann am anderen Ende der Leitung wieder zu Wort und diktierte Theresas Nummer. Erleichtert bedankte Jacinda sich, bevor sie das Gespräch beendete.

Sie wählte die Telefonnummer, die sie sich notiert hatte, und hoffte, dass ihr Mut sie nicht im Stich ließ. Wieder kreuzte sie die Finger.

Von nun an würde sie nicht mehr vorgeben, Gage Lattimers persönliche Assistentin zu sein. Mit etwas Glück würde sie dafür bald eine andere Rolle spielen – die der amerikanischen Haushaltsfee Jane Elliott.

Vor 2 Monaten

Gage legte seinen Mantel und den Aktenkoffer auf einen Stuhl und betrat den großzügig geschnittenen Hauptwohnbereich seines modernen Doppel-Penthouses.

Er kam nur einige Schritte weit und blieb abrupt stehen – bedingt durch den überaus reizvollen Anblick, der sich ihm bot.

Ein wohlgeformter Po, über den sich eine enge Hüftjeans spannte. Gages Blick glitt über lange, schlanke Beine zu den Füßen, die in schwarzen Keilsandaletten steckten. Die Sandalen wirkten zwar im Oktober etwas fehl am Platz, aber vielleicht waren sie ja einfach nur praktisch.

Ansonsten machte ihr Handeln nur wenig Sinn, sofern er es beurteilen konnte. Sie war nach vorn gebeugt und staubte offenbar die Unterseite eines Beistelltisches in der Nähe des Kamins ab.

Gage lächelte unwillkürlich, unterdrückte es jedoch sofort wieder und räusperte sich. „Haben Sie da unten schon etwas Interessantes gefunden?“

Sie verharrte mitten in der Bewegung und drehte sich entsetzt zu ihm um, wobei sie sich um ein Haar an einer schweren Glaslampe gestoßen hätte. Erschrocken presste die Haushälterin sich eine Hand auf die Brust und sah ihn aus großen Augen an.

Großartig, dachte er. Eigentlich geschieht es ihr nur recht. Er verspürte dieses Pulsrasen nun immerhin schon seit Monaten, warum sollte es ihr anders ergehen!

„Ich hatte keine Ahnung, dass jemand hier ist!“, stieß sie hervor.

„Ich bin gerade erst nach Hause gekommen.“

Ihre Blicke begegneten sich, und Gage war sich der starken körperlichen Anziehungskraft, die zwischen ihnen herrschte, allzu bewusst. Nicht zum ersten Mal dachte er, dass sie hinreißend aussah. Sie wirkte wie ein Fotomodell. Ihre schönen ebenmäßigen Gesichtszüge wurden von den grünen Augen und dem langen kastanienfarbenen Haar unterstrichen. Unwillkürlich fragte Gage sich, wie es wohl aussähe, wenn sie ihr Haar auf seiner Bettdecke ausbreitete.

Sie war zwar nicht besonders groß – er schätzte sie etwa auf einen Meter siebzig –, dafür aber schlank und hatte seiner Meinung nach genau an den richtigen Stellen perfekte Rundungen.

Das seltsame Gefühl in seinem Magen war immer noch da. Gage versuchte sich mit der Frage abzulenken, warum sie ihren Lebensunterhalt mit Putzen bestritt. Aufstrebende Starlets zogen es in der Regel vor, in New York zu kellnern, statt Staubsauger durch die Gegend zu schieben. Es konnte nur daran liegen, dass diese Frau nicht die richtigen Beziehungen hatte und zu naiv war, den Wert ihrer offensichtlichen Vorzüge richtig einzuschätzen.

Sie kam ihm wie ein kleiner, köstlich aussehender Pfirsich vor, der ihm in den Schoß gefallen war. Doch Gage ließ sich auf keine Abenteuer mehr ein, nach dem hässlichen Scheidungsprozess hatte er vorerst genug von Frauen.

Seine ehemalige Haushälterin Theresa hatte vor vier Monaten kurzfristig ihre Kündigung eingereicht und Jane Elliott für den Job empfohlen. Weil Gage zu beschäftigt gewesen war, hatte er kurzerhand zugestimmt. Außerdem hatte er wenig Lust darauf verspürt, eine Reinigungsfirma einzuschalten oder banale Bewerbungsgespräche zu führen. Stattdessen hatte er auf Theresas Urteil vertraut.

„Sie kommen normalerweise nicht so früh nach Hause“, sagte Jane und brach damit das Schweigen.

Er nickte. „Ich habe gestern den Nachtflug von Los Angeles genommen und bin dann gleich ins Büro gefahren. Ich brauche jetzt unbedingt etwas Schlaf.“

Entgegen seiner Gewohnheit hatte er sein Büro bereits am frühen Nachmittag verlassen. Gage wusste, dass das nicht unbedingt mit dem Flug zu tun hatte. Denn obwohl sein Beruf ihn sehr in Anspruch nahm, war es in der letzten Zeit häufiger vorgekommen, dass er früher nach Hause kam. Und merkwürdigerweise immer an einem der drei Tage, die Jane bei ihm arbeitete.

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Beistelltisch. „Muss die Unterseite denn abgestaubt werden?“, fragte er mit ausdrucksloser Stimme.

„Ähm …“

Er hatte bereits herausgefunden, dass sie keine sonderlich gute Haushälterin war. Entweder vergaß sie, in einem der Räume Staub zu wischen oder das Gästebad zu reinigen. Das war einer der Gründe dafür, dass Gage ihr anbieten wollte, mehr Stunden für ihn zu arbeiten.

Und ihm war noch etwas anderes aufgefallen. Obwohl sie anscheinend nicht den Unterschied zwischen einem Fenster- und einem Badreiniger kannte, hatte sie offenbar Erfahrung in der Welt der Gourmets. Während einer Cocktailparty, die er vor zwei Monaten für einige Geschäftsfreunde gegeben hatte, hatte Gage bemerkt, dass Jane sehr wohl wusste, welches Käsemesser zu welcher Käsesorte passte. Auch mit ausländischen Weinen kannte sie sich aus. Denn sie hatte um Kostproben gebeten und dem Caterer für den Abend sachkundige Vorschläge unterbreitet.

Gage mochte ihre melodiöse, leicht heisere Stimme, deren Klang er insgeheim mit dem Aroma eines ausgezeichneten Bourbon verglich. Daran hatte sich auch nichts geändert, als ihm bewusst geworden war, dass es etwas an ihr gab, das er sich nicht erklären konnte. Ihrem Akzent nach kam sie eindeutig nicht aus New York, allerdings konnte er die Art, wie sie die Wörter betonte, nicht zuordnen.

Sie war wie ein Rätsel, das zu lösen ihn außerordentlich reizte. Sogar mehr als das. Er begehrte sie.

Energisch presste Gage die Lippen aufeinander und ermahnte sich zur Vorsicht. Er hatte sich schließlich schon einmal die Finger verbrannt und einen hässlichen Scheidungskrieg geführt. Auf keinen Fall wollte Gage sich wieder wie ein Idiot benehmen und sich noch einmal wegen eines hübschen Gesichts in der Öffentlichkeit blamieren.

Allerdings war Jane nicht nur einfach hübsch, sondern atemberaubend schön. Sie bestach dermaßen durch ihre Reize, dass sicher kein Mann ein Wort darüber verlor, wenn sie vergaß, seine Baseballtrophäen aus dem College abzustauben.

„Was sagten Sie noch, woher Sie und Theresa sich kennen?“, fragte er unvermittelt.

Ihre Pupillen weiteten sich. „Theresa und meine Mutter waren auf derselben Highschool.“

„Ach ja, genau. Jetzt, wo Sie es sagen, erinnere ich mich.“ Er sah sie unverwandt an und konnte nicht wegschauen. Sie wirkte verteufelt verführerisch, wie sie in T-Shirt und Jeans vor ihm stand. Heute hatte sie ein Shirt gewählt, dessen grünes Muster die Farbe ihrer Augen betonte. Das Oberteil schmiegte sich sanft an ihre festen Brüste und zog seine Blicke an.

Er sah, dass sie sich nervös die Lippen befeuchtete.

„Ich … ich bin dann fertig hier.“ Sie nahm einen Staubhandschuh hoch, der auf dem Sofa lag. „Und mit dem Rest der Wohnung auch fast. Ich bin also bald verschwunden.“

Als sie an ihm vorbeihastete, blickte er ihr nach, bis sie in den hinteren Teil des Apartments gegangen war.

Verdammt. Er hatte eindeutige masochistische Neigungen. Warum sonst quälte er sich auf diese Weise? Sicher würde kein vernünftiger Mensch eine mittelmäßige Haushälterin behalten, nur weil sie den Körper einer Gisele Bündchen hatte. Die sorgfältig manikürten Damen, die in der Park Avenue wohnten, jedenfalls nicht.

Er fühlte sich stark zu ihr hingezogen. Deshalb wäre es sicher am besten, wenn er ihr einfach ein anständiges Arbeitszeugnis ausstellte und ihr kündigte, bevor sie ihm wirklich unter die Haut ging. Aber …

Als er zum Schlafzimmer ging, klingelte plötzlich sein Handy. Leicht genervt zog er es aus der Hosentasche und musste prompt daran denken, dass er lediglich drei Stunden geschlafen hatte und eigentlich nur nach Hause gegangen war, um sich auszuruhen. Alles, was er bisher jedoch erreicht hatte, war, seinen Mantel über einen Stuhl zu werfen und sich vorzustellen, wie seine Haushälterin auf seinem Bett aussah. Fantastisch!

Seufzend schaute Gage auf das Display und nahm den Anruf entgegen. „Reed, schön, von dir zu hören.“

„Du wirst dich wohl nicht mehr so darüber freuen, wenn du erfährst, warum ich anrufe“, erwiderte Reed.

Reed Wellington und seine Frau Elizabeth lebten in dem zweiten Penthouse der Apartmentanlage. Der Millionär hatte in eine Reihe von Risikokapitalgeschäften investiert, die Gage in die Wege geleitet hatte. Seit sie beide die Eigentümerversammlung in der Park Avenue 721 geleitet hatten, waren sie befreundet.

„Was gibt es?“, fragte Gage müde.

„Ich gehe mal davon aus, dass du deine Post heute noch nicht gelesen hast?“

„Ich bin gerade erst nach Hause gekommen.“ Suchend sah Gage sich um. Normalerweise nahm Jane seine Briefe entgegen und legte sie für ihn auf den Tisch.

„Die Börsenaufsicht ermittelt gegen uns.“

„Was?“, fragte er fassungslos und straffte die Schultern.

„Du hast leider richtig gehört.“

„Und weswegen?“ Gage ignorierte die Tatsache, dass ihm die Augen brannten, und konzentrierte sich.

„Wegen der Aktien von Ellias Technologies.“

Gage erinnerte sich daran, dass er Reed vor einigen Monaten empfohlen hatte, die Aktien zu kaufen. Nachdem er einen Artikel in einer Fachzeitschrift über das Kommunikationsunternehmen gelesen hatte, war er überzeugt gewesen, dass es eine gute Investition war. Gage hatte die Daten von seinem Börsenmakler überprüfen lassen, der keine Bedenken geäußert und grünes Licht gegeben hatte. Zu Recht, wie Gage geglaubt hatte. Einige Wochen nachdem er und Reed eine beträchtliche Anzahl Wertpapiere erworben hatten, war dem Technologieunternehmen ein überaus lukrativer Vertragsabschluss mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium gelungen. Es war perfekt.

Nur dass jetzt die Börsenaufsicht aktiv wurde.

„Wir sollen freiwillig Auskunft über unsere Aktienkäufe geben“, fuhr Reed fort. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie deinen Broker schon kontaktiert haben.“

„Die Börsenaufsicht denkt, dass wir Wertpapierschwindel begehen?“, fragte Gage ungläubig.

„Ich glaube eher, dass sie Insiderhandel vermuten, mein Freund.“

„Du und ich, wir kennen uns nun schon seit einigen Jahren, Reed. Du glaubst doch nicht, dass ich dir die Aktien aufgrund eines Insidertipps empfohlen habe?“

„Keine Sorge, ich vertraue dir.“

Gage spürte, wie die Anspannung in seinen Schultern nachließ. „Verdammt. Wie viel haben wir an dem Geschäft verdient? Hunderttausend oder so? Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein für Leute in unserer Position. Das kann doch kaum der Grund sein, weshalb sich die Börsenaufsicht über uns den Kopf zerbricht!“

„Ich weiß“, erwiderte Reed. „Aber erzähl das mal den Typen dort.“

„Verdammt.“

Reed seufzte zustimmend.

„Wie auch immer, warum, zum Teufel, kommen die überhaupt erst auf die Idee, dass ich einen Insidertipp missbrauche?“ Gage strich sich durchs Haar.

„Gute Frage“, entgegnete Reed und lachte kurz auf. „Das wirst du mir nie glauben.“

„Raus damit!“

„Rate mal, wer im Senatskomitee sitzt, das den Vertrag zwischen Elliot Technologies und dem Verteidigungsministerium bewilligt hat?“

Gage überlegte. Er kannte einige Regierungsbeamte. Geld zog viele an, und bei seinem Reichtum wollten sich auch Politiker bei ihm beliebt machen.

„Kendrick“, erklärte Reed, ohne eine Antwort abzuwarten.

Gage fluchte.

„Ja, allerdings“, erwiderte Reed.

Senator Michael Kendrick und seine Frau hatten bis zum Sommer in der Park Avenue 721 gewohnt. Auch er war im Vorstand der Eigentümerversammlung tätig gewesen – und zwar zur gleichen Zeit wie Gage und Reed. Gage erinnerte sich daran, wie er und die anderen Wohnungsinhaber die Wiederwahlkampagne des Senators unterstützt hatten. Jetzt ging jemand von der Börsenaufsicht davon aus, dass Kendrick Informationen über den Auftrag an Elliot Technologies an ihn und Reed weitergegeben hatte, bevor die Sache offiziell gewesen war.

„Es kommt noch dicker“, fuhr Reed fort. „Dass Kendrick im gleichen Gebäude wie wir gewohnt hat, ist noch nicht einmal das Schlimmste. Ich habe mit ihm über eine junge Firma gesprochen, die eine Art Öko-Internetportal aufbauen will.“

„Verdammt“, stieß Gage zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Reeds Gespräche mit Kendrick hätten zu keinem schlechteren Zeitpunkt stattfinden können. Nach außen hin wirkte ihre Verbindung zu dem Senator jetzt umso verdächtiger.

„Mir kommt das Timing der Börsenaufsicht ziemlich seltsam vor“, meinte Reed.

„Weswegen denn?“

„Erinnerst du dich an den Erpresserbrief, den ich bekommen habe?“

Plötzlich wurde Gage bewusst, worauf Reed hinauswollte.

„Du denkst, dass es da einen Zusammenhang gibt?“

„Allerdings.“

Reed war schriftlich aufgefordert worden, zehn Millionen Dollar auf ein Konto auf den Kaimaninseln zu überweisen. Ansonsten würden unschöne Dinge bekannt werden – darüber, dass die Wellingtons ihr Geld auf schmutzige Weise verdienten. So hatte die Drohung gelautet. Doch darauf war Reed selbstverständlich nicht eingegangen. Jemand wie Reed Wellington III., der immerhin altem Geldadel entstammte, ließ sich von niemandem so leicht unter Druck setzen.

Reed hatte ihn damals ins Vertrauen gezogen, aber Gage hätte nicht im Traum daran gedacht, dass der Brief so weitreichende Folgen haben würde. Es war doch vollkommen lächerlich. Nein, eigentlich sogar mehr als das. Weder er noch Reed hatten etwas zu verbergen. Daher hatten sie den Erpressungsversuch als die absurde Idee eines Spinners abgetan und sich nicht weiter darum gekümmert.

Wenn man zum Club der Milliardäre gehört, gewöhnt man sich daran, dass manche Leute versuchen, Geld aus einem herauszupressen, dachte Gage. Meine Exfrau ist ein gutes Beispiel dafür. Aber ich beschäftige eine Heerschar von Anwälten, um mich nach allen Seiten abzusichern.

Er unterdrückte ein Fluchen, als er merkte, wie die Kopfschmerzen einsetzten, die er immer bekam, wenn er erschöpft war und zu wenig geschlafen hatte.

„Gage? Bist du noch da?“ Reed riss ihn aus den Gedanken.

„Ja, natürlich“, antwortete Gage. „Ich muss unbedingt meinen Börsenmakler und die Anwälte anrufen. Wenn die Börsenaufsicht schon ermittelt, muss sie zumindest nach Abschluss der Untersuchungen einsehen, dass der Verdacht unbegründet ist.“

Nachdem er das Telefonat mit Reed beendet hatte, hielt Gage inne. Er hörte ein Geräusch, das aus dem Eingangsbereich des Apartments kam. Stirnrunzelnd überlegte er, ob er nachsehen sollte. Doch Jane kam bereits zu ihm geeilt.

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