Deanna - Versuchung pur

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Seit Deanna Stephens bei Jay Masters als Kindermädchen arbeitet, schallt wieder fröhliches Kinderlachen durch Haus und Garten. Jays kleine Töchter lieben die fröhliche, warmherzige Deanna über alles, doch seine Beziehung zu der blondgelockten jungen Frau ist weit komplizierter. Er fühlt sich zwar sexuell stark zu ihr hingezogen und sehnt sich danach mit ihr ins Bett zu gehen. Aber sein Herz gehört noch immer seiner verstorbenen Frau, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes starb. Darf er Deanna trotzdem fragen, ob sie ihn heiraten will? Wird sie Ja sagen, obwohl sie weiß, dass er gefühlsmäßig noch gebunden ist?


  • Erscheinungstag 16.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716936
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dee, überleg dir das gut. Jay Masters ist ein superkorrekter Mensch, für den alles nach Vorschrift laufen muss.“

Deanna Stephens sah ihre Freundin und derzeitige Mitbewohnerin Judy überrascht an, während sie ihre modische Samtweste zuknöpfte. „Na und? Dann bin ich bei dem Vorstellungsgespräch eben auch superkorrekt.“

Judy lachte schallend. „Du?“

Deanna lächelte und betrachtete sich im Spiegel. Das war jetzt das dritte Mal, dass sie sich umgezogen hatte. Wenn sie sich nicht schnell entschied, kam sie zu spät, und es würde schwer sein, ihren zukünftigen Chef von ihrer Korrektheit zu überzeugen. Was sie jetzt trug, sollte reichen. Der dunkelblaue Rock endete knapp oberhalb der Knie, und die bunte Samtweste sah sehr gut dazu aus. Da es zu heiß war, hatte Deanna keine Bluse angezogen. Den ganzen Mai über war es sonnig und warm gewesen, und ihre Beine waren so gebräunt, dass sie keine Strümpfe brauchte.

Mit einem Augenzwinkern wandte sie sich an ihre Freundin: „Glaubst du, ich kann ihn davon überzeugen, dass ich superkorrekt bin?“

„Ich kann mir bei dir schwer vorstellen, dass du dich an irgendwelche Regeln und Vorschriften hältst. Aber vielleicht hast du mir diese Seite von dir bisher unterschlagen. Wir kennen uns ja auch erst seit ein paar Jahren“, spottete Judy.

„Wie kannst du so etwas sagen“, erwiderte Deanna gespielt empört. „Ich halte mich beim Autofahren an die Geschwindigkeitsbeschränkung, überziehe mein Konto nie und sehe sogar nach links und rechts, wenn ich über die Straße gehe. Korrekter kann man doch gar nicht sein!“

„Du fängst um vier Uhr nachmittags an zu arbeiten und machst durch bis vier Uhr morgens. Dann schläfst du den ganzen Tag. Du isst Pizza zum Frühstück und Cornflakes zum Abendessen. Und du bringst deine Großtanten immer viel zu spät ins Heim zurück. Nicht schlecht für den Anfang, oder?“

„Es ist lächerlich, über achtzigjährigen Frauen vorzuschreiben, wann sie im Bett sein sollen. Außerdem liebe ich Pizza zu jeder Tageszeit! Was soll ich denn nur mit meinem Haar machen?“ Deanna schlüpfte in ihre Riemchensandaletten und überlegte gleichzeitig, wie sie ihre blonde Mähne bändigen sollte. Ihre wilde Lockenpracht war ihr großes Problem. Immer schon hatte sie sich gewünscht, mit glattem, dunklem, seidig glänzendem Haar gesegnet zu sein. Und was hätte sie darum gegeben, klein und zierlich zu sein und ein wenig zerbrechlich zu wirken! Aber keiner ihrer Wünsche war in Erfüllung gegangen, und sie hatte sich schließlich damit abgefunden, dass sie groß, schlank und sportlich war und nicht zu bändigendes Haar hatte. Nur in Momenten wie diesem fielen ihr die alten Wunschträume wieder ein.

„Halt es einfach mit einer blauen Spange im Nacken zusammen, die zu deiner Weste passt“, empfahl Judy und setzte sich auf die Bettkante. „Mit offenem Haar siehst du aus wie fünfzehn, dann wird er dich für zu jung halten, um auf seine Töchter aufzupassen. Und wenn du dir eine zu komplizierte Frisur machst, wird er glauben, dass du zu viel Zeit vor dem Spiegel verbringst. Ich verstehe sowieso nicht, warum du den Job unbedingt haben willst. Du kannst doch erst einmal bei mir bleiben. Du bist herzlich willkommen. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt.“

Deanna war ihrer Freundin aufrichtig dankbar für ihre Gastfreundschaft, wollte sie allerdings trotzdem nicht länger als nötig in Anspruch nehmen. „Du warst meine Rettung, Judy. Ich wusste wirklich nicht, wohin, als meine Tanten ins Seniorenheim zogen. Aber es ist keine Dauerlösung. Wenn Peter von seinem Einsatz zurückkommt, wollt ihr das Haus bestimmt für euch allein haben.“

Judys Mann Peter war bei der Marine und mit einem U-Boot auf großer Fahrt. Nach dreimonatiger Abwesenheit sollte er am ersten Juni nach Hause kommen. Deanna konnte verstehen, dass das jung verheiratete Paar gern ungestört sein wollte. Sie war fest entschlossen, bis zu Peters Rückkehr eine eigene Wohnung zu haben.

Judy errötete und lächelte verlegen, aber ihre funkelnden Augen verrieten sie. „Vielleicht hast du recht.“

„Natürlich habe ich recht. Wenn ich den Job bekomme, löst das all meine Probleme auf einmal. Eine Stelle mit Wohnmöglichkeit, guter Bezahlung und flexiblen Arbeitszeiten, damit ich nebenher weiterstudieren kann, wäre einfach perfekt.“

„Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das meistens auch. Mach dir lieber nicht zu große Hoffnungen, dass er sich für dich entscheidet. Du lebst nicht gerade in geordneten Verhältnissen“, warnte Judy sie.

„Meine Güte, Judy! Jay Masters ist Sicherheitsexperte. Solche Leute sind für ihre Spontaneität bekannt. Schließlich müssen sie jederzeit auf alles gefasst sein und dann improvisieren können. Ich stelle mir das Leben eines Sicherheitsexperten so vor, dass er ständig auf der Hut ist, um Einbrüche oder Entführungen zu vereiteln. Dabei muss er gut beobachten, schnell denken und noch schneller handeln. Ein solcher Mann weiß doch, dass man ab und zu einmal fünf gerade sein lassen muss.“ Deanna machte die blaue Spange in ihrem Haar fest und überprüfte das Ergebnis im Spiegel.

„Du siehst super aus! Das haut ihn bestimmt um“, lobte Judy.

„Hoffentlich nicht. Dann kann er mich nicht mehr einstellen“, stellte Deanna trocken fest.

Deanna traf lange vor dem verabredeten Termin in dem Bürohochhaus ein, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte. Sie stieg in den Aufzug und versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken.

Judy hatte das unauffällige Stellenangebot am Schwarzen Brett der Cafeteria des Bürohochhauses entdeckt und ihr davon erzählt. Jetzt war sie, Deanna, hier, um den Mann zu treffen, der für seine beiden kleinen Töchter, drei und fünf Jahre alt, ein Kindermädchen zu suchen.

Als sie wenige Sekunden später aus dem Aufzug trat, sah sie sich interessiert um, denn sie erwartete, dass der Eingangsbereich mit Monitoren, Überwachungskameras und Lichtschranken ausgestattet war. Immerhin handelte es sich um eine Objekt- und Personenschutzfirma. Aber es war nichts dergleichen zu sehen, stattdessen war der Raum ziemlich kahl. Nichts unterschied ihn von den Büros anderer Firmen, die Deanna kannte. Außer vielleicht, dass er leerer und schmuckloser war. Nirgendwo an den weiß gestrichenen Wänden hing ein Bild. Sie liebte Farben, Formen und schönes Design. Vielleicht sollte sie ihrem zukünftigen Chef anbieten, ihm eins ihrer Bilder zu schenken, damit er den Empfangsbereich etwas freundlicher gestalten konnte.

Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Einem Mann, dessen Alltag darin bestand, mit Geiselnehmern zu verhandeln und skrupellose Gangster auszutricksen, war es bestimmt völlig gleichgültig, wie seine Bürowände aussahen. Möglicherweise wollte er sie auch absichtlich so schmucklos haben. Am Geld kann es bestimmt nicht liegen, dachte Deanna. Jay Masters’ Firma genoss einen ausgezeichneten Ruf, und die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen stieg ständig, trotz der recht hohen Preise. Das wusste Deanna von Judy.

Eine Empfangssekretärin begrüßte sie und führte sie in den Konferenzraum.

„Mr. Masters wird gleich hier sein“, informierte sie sie.

Deanna setzte sich nicht an den großen, ovalen Konferenztisch in der Mitte, sondern auf einen Stuhl an der Wand. Der Raum lag in Richtung Osten, und die Chesapeake Bay war nur einige Straßenzüge entfernt. Obwohl Bürotürme die Aussicht auf die Bucht versperrten, hoffte sie, zwischen diesen einen Blick aufs Meer erhaschen zu können – vergeblich.

Zwei Minuten später betrat ein großer, dunkelhaariger Mann mit einer Mappe in der Hand den Raum. Die Luft schien plötzlich elektrisch geladen. Deanna gab sich Mühe, unbefangen zu lächeln, obwohl ihr Herz auf einmal heftig klopfte. Der Mann blieb kurz hinter der Tür stehen.

„Deanna Stephens? Ich bin Jay Masters.“ Er hielt sich sehr gerade und überragte sie um etwa einen Kopf, obwohl sie mit ihren einsfünfundsiebzig nicht gerade klein war. Sein dunkelgrauer Anzug war maßgeschneidert, das Hemd war blütenweiß und frisch gebügelt, die dunkel gemusterte Krawatte geschmackvoll und dezent. Jay Masters strahlte Macht und Autorität aus.

Deanna verspürte den verrückten Impuls, aufzuspringen und zu salutieren wie beim Militär. Aber das hätte Jay Masters bestimmt nicht komisch gefunden, und deshalb beherrschte sie sich. Sie griff nach ihrer Handtasche, stand auf und sagte freundlich: „Guten Tag.“

Ihm schien ein einziger Blick auf sie zu genügen, um sie einzuschätzen. Er senkte den Blick auf seine Unterlagen und fing an, darin zu blättern, während er langsam auf den Tisch zuging.

Wie ein Held aus einem Actionfilm oder ein heidnischer Krieger, dachte Deanna. Er war ein Kämpfer- und Beschützertyp. Vor ihrem geistigen Auge trug er keinen Anzug, sondern einen Lendenschurz aus Leder oder ein Tierfell oder gar nichts. Sie hatte plötzlich große Lust, ihn zu zeichnen. Sie würde ihn mit einer Lanze oder einem Schwert posieren lassen, mit nacktem Oberkörper, wie er sich furchtlos und siegessicher seinem Gegner stellte.

Deanna konnte sich seinen muskulösen, männlichen Körper in dem konservativen Anzug in allen Einzelheiten vorstellen. Jay Masters hatte breite Schultern, lange Beine und einen gut trainierten Oberkörper. Das Jackett hatte er nicht zugeknöpft, und so konnte sie unter dem Hemd seine kräftigen Muskeln erkennen. Seine Haut war tief gebräunt und passte gut zu seinem schwarzen Haar. Wahrscheinlich verbrachte er den größten Teil seiner Zeit im Freien. Im Büro konnte er unmöglich so braun werden.

Seine Augen waren metallisch grau und wirkten kühl und taxierend. Er hatte volle Lippen, die aber schmaler wirkten, wenn er sie so wie jetzt zusammenpresste. Deanna fragte sich, in welchen Situationen sein Mund wohl weich wurde. Wenn Jay Masters lachte? Wenn er eine Frau küsste und ihr zärtliche Worte ins Ohr flüsterte? Wenn er leidenschaftlich liebte?

Deanna ließ den Blick erneut über seinen muskulösen Oberkörper gleiten. Sie war sicher, dass ein 25-Cent-Stück daran abprallen würde. Nein, halt, korrigierte sie sich, das mit dem Geldstück sagt man nicht über Muskeln, sondern über straff gespannte Betttücher. Und schon stellte sie sich Jay Masters auf einem Bett vor. Bestimmt schlief er nackt. Ob er am ganzen Körper so sonnengebräunt war wie im Gesicht? Schlief er auf dem Bauch oder auf dem Rücken? Nahm er das ganze Bett ein, oder blieb er auf seiner Seite?

Mit einem Mal wurde ihr klar, dass das Schweigen zwischen ihnen schon viel zu lange andauerte. Als sie Jay Masters ins Gesicht sah, stellte sie fest, dass er sie fragend ansah. Hatte er etwas gesagt? Ihr eine Frage gestellt? Oder gar ihre Gedanken gelesen?

Deanna entschied sich, ihn freundlich anzulächeln, und merkte überrascht, wie ihr dabei heiß wurde. Sie verstand nicht, was mit ihr los war. Nur weil er einen Körper hatte, um den ihn sicher die meisten Männer beneideten und bei den bestimmt viele Frauen schwach wurden, musste sie noch lange nicht so übertrieben reagieren. Ihr Interesse an ihm war rein künstlerisch. Sie liebte einfach schöne Linien und Formen. Und dieser Mann war eindeutig ein Meisterstück der Natur.

Ihr Herz klopfte beinah schmerzhaft. Das sind die Nerven, sagte sie sich. Sie musste den Job bekommen.

Jay Masters legte die Mappe auf den Tisch, lehnte sich an die Kante und verschränkte die Arme. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen. Ihre Haut begann zu prickeln. Auf einmal fühlte Deanna sich nur noch als weibliches Wesen, das einem begehrenswerten Mann gegenüberstand. Sie zwang sich, ruhig zu atmen und sich zu konzentrieren. Ich bin hier, um ihm zu zeigen, dass ich korrekt und zuverlässig bin, nicht um ihn in Gedanken auszuziehen, ermahnte sie sich. Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und nahm sich zusammen.

„Sie haben ziemlich häufig die Arbeitsstelle gewechselt“, fasste Jay Masters ihren Lebenslauf zusammen. „In den vergangen sieben Jahren hatten Sie sieben verschiedene Jobs: als Kellnerin, als Angestellte in einer Bibliothek, in einem Blumenladen, in einem Kinderhort, bei den ‚Heinzelmännchen‘, was auch immer das sein mag, in einem Hospiz und als Bademeisterin am Strand. Aber nirgends waren Sie länger als acht Monate.“

„Ja, das ist richtig.“

„Sie haben keine Ausbildung als Erzieherin. Und ich brauche jemanden, der sich für länger als ein paar Monate verpflichtet.“ Er klappte die Mappe zu, als wäre das Gespräch für ihn beendet.

Deanna spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Sie stand auf und ging auf ihn zu. Dabei kam sie ihm nah genug, um die Hitze zu spüren, die er ausstrahlte. Entschlossen sah sie ihn an. Sie durfte nicht zulassen, dass das Gespräch so aufhörte.

„Ich kann diese häufigen Wechsel erklären. Ich bin noch Studentin. In den letzten Jahren habe ich immer so lange gearbeitet, bis ich das Geld für das nächste Semester zusammenhatte. Dann habe ich meine Stelle gekündigt und weiterstudiert. Und am Ende des Semesters habe ich mir wieder eine neue Arbeit gesucht.“

„Das löst aber nicht mein Problem. Ich brauche jemanden, der länger bleibt.“

„Genau deshalb bewerbe ich mich ja um Stelle! So könnte ich Arbeit und Studium miteinander vereinbaren. Vorausgesetzt, Sie sind einverstanden, dass ich Ihre Töchter ab und zu für ein paar Stunden im Kinderhort der Universität lasse. Das ist eine Einrichtung für Studentinnen mit Kindern. Es wäre wirklich nur für wenige Stunden pro Tag an vier Tagen in der Woche. Und für Ihre Mädchen wäre es bestimmt gut, unter kompetenter Aufsicht mit anderen Kindern zu spielen.“

„Wo studieren Sie denn?“

„An der Old Dominion University, hier in Norfolk. Wenn ich für Sie arbeiten würde, bräuchte ich bestimmt nicht zu kündigen, um mein Studium fortzusetzen. Ich versichere Ihnen, dass der Kinderhort der Universität erstklassig ist.“

Deanna hatte sich alles ganz genau überlegt. Es würde so viel für sie bedeuten, nicht wieder ein Semester aussetzen zu müssen, um Geld zu verdienen. Wenn er nur einverstanden wäre! Sie war die Richtige für seine Kinder und der Job genau das Richtige für sie.

Jay Masters maß sie mit einem abschätzenden Blick, der nichts darüber verriet, was in ihm vorging. „Was studieren Sie denn?“

„Grafikdesign. Ich hätte gern bildende Kunst studiert, allerdings ist es schwer, davon zu leben, wenn man nicht gerade ein Genie ist. Ich bin zwar gut, aber nicht genial. Als Grafikerin habe ich die Möglichkeit, mit Farben, Formen und verschiedenen Materialien zu arbeiten, und es macht mir fast genauso viel Spaß wie die Malerei. Und die Berufsaussichten sind ziemlich gut, sobald ich meinen Abschluss habe. Ich male und zeichne in meiner Freizeit. So kann ich das Künstlerische mit dem Praktischen verbinden.“

Deanna lächelte ihn strahlend an. Das Gespräch lief bei Weitem nicht so glatt, wie sie es sich erhofft hatte. Als Jay Masters nichts sagte, sprach sie einfach weiter. Sie konnte sich diese Chance nicht einfach entgehen lassen. „In meinen verschiedenen Jobs habe ich sehr viel Erfahrung mit Kindern gesammelt. Im Restaurant habe ich gelernt, was Kinder in der Öffentlichkeit dürfen und was nicht. Ich weiß, was sie gern essen und wie man sie beschäftigt, wenn sie sich langweilen. Am Strand hatte ich sehr viel Gelegenheit, Kinder zu beobachten. Ich kenne mich mit Sicherheitsvorschriften aus und wie man sie durchsetzt. Und ich habe einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.“

Sie lächelte erneut, in der Hoffnung, dass er als Sicherheitsexperte diese Fähigkeiten zu schätzen wusste. „Das Wichtigste war natürlich der Kinderhort. Die Kinder waren zwischen zwei und sechs Jahren alt. Ich habe dort sehr viel gelernt, was Ihren Töchtern zugutekommen würde.“

Jay Masters nickte leicht, sagte jedoch nichts und ließ sie weiterreden.

Deanna atmete tief durch und fuhr fort: „In der Bibliothek habe ich Lesungen für Kinder abgehalten. Daher weiß ich, welche Bücher Kinder mögen, besonders die kleineren. Ihre Töchter sind fünf und drei Jahre alt, stimmt’s?“

Er nickte wieder, schwieg aber immer noch.

Deanna war es nicht gewohnt, so wenig Reaktion von jemandem zu bekommen. Sie fragte sich, ob er sie vielleicht einfach reden ließ und schon längst beschlossen hatte, ihr nachher mitzuteilen, dass sie für den Job nicht infrage kam.

„Bei den ‚Heinzelmännchen‘, das ist übrigens eine Agentur für Haushaltshilfen, habe ich alle möglichen Tricks gelernt, wie man Ordnung hält, auch in Kinderzimmern. Die kann ich Ihren Töchtern gern beibringen“, beendete sie ihre Ausführungen.

„Ich möchte auf keinen Fall ein Kindermädchen einstellen, das in ein paar Monaten kündigt, weil es etwas Besseres hat“, erklärte er schließlich. „Die Mutter meiner Kinder ist tot. Meine Töchter mussten schon sehr viel Trauer und Trennungsschmerz verwinden. Seitdem hat sich meine Schwester um die Mädchen gekümmert. Aber sie zieht jetzt weg, und das bedeutet schon wieder eine Trennung. Ich will nicht, dass so etwas bald zum dritten Mal passiert.“

Er stand auf und nahm die Mappe in die Hand. „Außerdem habe ich an eine etwas ältere Frau gedacht, eine zuverlässige Person, die in stabilen Verhältnissen lebt. Die nicht einfach verschwindet, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Oder die sich Hals über Kopf verliebt und plötzlich heiratet, weil sie ihren Traummann getroffen hat.“

„Auch eine ältere Frau kann sich Hals über Kopf verlieben“, entgegnete Deanna. „Und ich habe auf keinen Fall vor zu heiraten, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich möchte mein Studium abschließen, Arbeit als Grafikerin finden und mir in meinem Beruf einen Namen machen. Das war seit der Schulzeit mein Ziel.“

Jay Masters schien ein wenig erstaunt. „Und da bewerben Sie sich um eine Stelle, die mit Ihrem zukünftigen Beruf überhaupt nichts zu tun hat? Warum machen Sie nicht ein Praktikum in einer Werbeagentur? Ich lege Wert darauf, dass die Mahlzeiten pünktlich auf den Tisch kommen und das Haus ordentlich aussieht. Mit den groben Arbeiten habe ich eine Putzfirma betraut. Aber ich erwarte von einem Kindermädchen, dass es meinen Kindern seine volle Aufmerksamkeit schenkt.“

„Das würde ich auch tun.“

„Mit den Kindern zu spielen und auf sie aufzupassen ist nur ein Teil der Arbeit. Sie müssten sie auch zum Arzt oder Zahnarzt fahren und mit ihnen einkaufen gehen, wenn sie etwas zum Anziehen brauchen.“

„Wenn ich Arbeit und Studium miteinander verbinden kann, schaffe ich meinen Abschluss in drei Semestern. Danach würde ich noch sechs Monate bleiben. Bis dahin geht Ihre große Tochter in die Schule, und die kleine könnte eine Vorschule besuchen. Dort würden sie auch nachmittags betreut werden.“

„Das genügt mir nicht.“

„Warum nicht?“ Deanna fand ihr Angebot, nach ihrem Universitätsabschluss noch ein halbes Jahr zu bleiben, sehr großzügig. Es bedeutete, dass sie ihre Zukunftspläne sechs Monate aufzuschieben. Doch die Chance, in drei Semestern fertig zu sein, war es wert. Warum sah Jay Masters nicht ein, dass sie ihm die ideale Lösung anbot? Sie brauchte diesen Job. Sonst dauerte es Jahre, bis sie ihr Diplom hatte. Ich bin schon fünfundzwanzig, dachte sie. Selbst wenn sie es schaffte, Studium und Job miteinander zu vereinbaren, war sie siebenundzwanzig, bis sie fertig wurde.

„Meine Arbeit bringt es mit sich, dass ich manchmal innerhalb einer Stunde wegmuss und tagelang unterwegs bin. Deshalb brauche ich jemanden, auf den ich mich vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche hundertprozentig verlassen kann. Ich muss wissen, dass meine Kinder gut aufgehoben sind bei jemandem, den sie kennen und dem sie vertrauen und dem ich auch vertraue.“

„Ich bin absolut zuverlässig! Und ich bin bereit, über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln.“ Deanna wollte nicht zu verzweifelt wirken, aber sie war verzweifelt. Sie hatte keine Wohnung, keinen Job, und bald begannen die Klausuren. Vorher musste sie unbedingt eine Bleibe gefunden haben. Warum war dieser Mann nur so schwer zu überzeugen?

„Anscheinend hatten Sie nie Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Immerhin hatten Sie sieben Jobs in sieben Jahren“, sagte Jay Masters.

„Ich musste bisher nichts für meine Wohnung bezahlen. Damit ist es jetzt allerdings vorbei, was bedeutet, dass ich in Zukunft viel länger arbeiten muss, um das Geld für ein Semester zusammenzubekommen. Es ist völlig unmöglich, mein Studium mit einem Job zu vereinbaren, in dem ich feste Arbeitszeiten habe. Aber als Kindermädchen würde ich es schaffen. Ich könnte nachts lernen und an meinen Projekten arbeiten, wenn die Kinder schlafen.“

„Was ist mit Ihrer Wohnung passiert?“

Deanna zögerte. Eigentlich ging es ihn nichts an. Außerdem wollte sie jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen. Sie regte sich dabei jedes Mal zu sehr auf.

„Die Umstände haben sich geändert. Ein Punkt, der mich an Ihrem Stellenangebot gereizt hat, ist, dass Sie Unterkunft und Verpflegung bieten. Ich bin sicher, dass ich mich mit Ihren Kindern wunderbar verstehen werden. Rufen Sie die Bibliothekarin an, sie wird Ihnen gern erzählen, wie beliebt meine Vorlesenachmittage waren. Die Besucherzahlen sind in dieser Zeit sprunghaft angestiegen. Oder rufen Sie im Kinderhort an. Sie werden Ihnen sagen, wie vertrauenswürdig ich bin. Rufen Sie ruhig jeden auf dieser Liste an. Alle werden Ihnen bestätigen, dass ich gewissenhaft und zuverlässig bin. Ich kann hart arbeiten und bringe eine meiner Bezahlung entsprechende Leistung.“

Jay Masters musste angesichts ihrer flammenden Rede beinah lächeln. Deanna Stephens wollte den Job offenbar um jeden Preis haben. Er sah noch einmal in ihre Bewerbungsmappe und wusste, dass er eigentlich Nein sagen sollte. Das Vernünftigste wäre, weiterzusuchen, überlegte er. Abgesehen von ihrer Begeisterung und ihrem bewegten Lebenslauf, der sie ihrer Meinung nach befähigte, auf Courtney und Amy aufzupassen, entsprach Deanna Stephens einfach nicht dem Bild, das er sich von seinem zukünftigen Kindermädchen gemacht hatte. Er suchte eine Frau, die älter und gesetzter, die weniger hübsch, weniger lebhaft und weniger temperamentvoll war. Es überraschte ihn, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Jay vermied es, Deanna anzusehen, und hielt den Blick fest auf die Mappe gerichtet.

Er war es gewohnt, sich schnell eine Meinung zu bilden und aus dem Bauch heraus eine Entscheidung zu treffen. Was ihn jetzt bewegte, hatte nichts mit der Suche nach einem Kindermädchen zu tun. Er musste sachlich bleiben. Vielleicht war eine junge Frau sogar besser für die Mädchen. Sie konnte besser mit ihnen mithalten. Die beiden waren nicht besonders wild, aber erst drei und fünf Jahre alt und hatten sehr viel Energie. Und er musste sich eingestehen, dass bisher keine Bewerberin seinen Ansprüchen genügt hatte. Es waren nur sieben gewesen, mit Deanna Stephens acht. Die Zeit wurde knapp. Seine Schwester Rachael zog nächste Woche weg, und bis dahin musste er jemanden gefunden haben.

Jay sah Deanna direkt an. Offen und selbstbewusst erwiderte sie seinen Blick. Ihre blauen Augen verrieten Aufrichtigkeit. Er musste an Beth denken. Ihre Augen waren braun gewesen, ganz anders. Deanna Stephens war beinah in jeder Hinsicht das Gegenteil seiner verstorbenen Frau. Beth war zierlich, sanft und auf ihre zarte, mädchenhafte Art sehr sexy gewesen. Sie hatte nie eine eigene Karriere angestrebt, sondern war darin aufgegangen, zu Hause zu bleiben und für ihn und Courtney zu sorgen. Ihr dunkelbraunes Haar und die braunen Augen hatte sie ihren beiden Töchtern vererbt. Wenigstens das war ihm von ihr geblieben. Er vermisste sie immer noch, auch nach drei Jahren tat es noch weh.

Er musste jetzt eine Entscheidung treffen. Wenn er kein Kindermädchen fand, bevor Rachael ging, war er in ernsthaften Schwierigkeiten.

„Amy kommt in drei Jahren in die erste Klasse. Ich brauche jemanden, der sich für diese Zeit verpflichtet.“

„Drei Jahre?“, wiederholte Deanna und wirkte auf einmal ein wenig abwesend, als würde sie in die ferne Zukunft sehen. Wenn sie ablehnte, musste er eben weitersuchen. Dann blickte sie ihn noch entschlossener als vorher an.

„Einverstanden. Drei Jahre. Unter der Bedingung, dass ich nebenbei studieren kann. Und ich habe einige sperrige Malutensilien, die ich mitbringen müsste. Ist dafür genug Platz?“

Jay nickte. „Meine Schwester zieht am nächsten Samstag um. Ihr Mann ist bei der Marine, und er ist seit Kurzem in San Diego stationiert. Das heißt, es wäre gut, wenn Sie schon vorher einziehen könnten. Ist das ein Problem?“

„Nein, im Gegenteil“, antwortete Deanna begeistert.

„Wenn ich zu Hause bin, können Sie sich die Wochenenden freinehmen. Bin ich dagegen weg, muss ich mich darauf verlassen können, dass Sie rund um die Uhr für die Kinder da sind.“

„Selbstverständlich, Mr. Masters.“

Er hatte immer noch kein gutes Gefühl bei der Sache. Warum eigentlich nicht? dachte er. Weil sie zu jung ist? Weil ich bezweifle, dass sie den Kindern wirklich ihre volle Aufmerksamkeit schenken wird? Ihre Art passte ihm nicht. Sie war zu locker, zu spontan.

Jay fragte sich, wie ernst ihre Aussage gemeint war, dass sie ganz bestimmt nicht vorhatte zu heiraten. Eine attraktive Frau wie sie musste doch zahlreiche Verehrer haben. Wahrscheinlich hat sie den Richtigen noch nicht getroffen, überlegte er. Ob sie oft mit Männern ausgeht?

Jay versuchte, die Gedanken zu verdrängen. Er würde Deanna als Kindermädchen für seine Töchter engagieren. Was sie in ihrer Freizeit tat, war ihre Privatsache.

„Wann könnten Sie denn einziehen?“, erkundigte er sich.

„Meine Sachen sind bereits in Kartons verpackt. Ich brauche sie nur ins Auto zu laden und zu Ihrem Haus zu bringen. Heute, morgen – wann immer Sie wollen.“

„Ich würde gern noch Ihre Referenzen überprüfen. Wenn alles in Ordnung ist, rufe ich Sie heute Abend an und gebe Ihnen die Wegbeschreibung. Können Sie denn morgen Nachmittag anfangen?“ Er fragte sich, warum ihre Sachen in Kartons verpackt waren. Heute Nachmittag werde ich ein bisschen herumtelefonieren, nahm er sich vor. Wenn sich herausstellte, dass sie leichtfertig war, würde er sie gar nicht erst in die Nähe seiner Töchter lassen.

„Natürlich kann ich morgen anfangen! Vielen, vielen Dank! Ich werde sehr gut auf Ihre Töchter aufpassen. Ich bin es gewohnt, mich um andere zu kümmern. Bis vor ein paar Wochen habe ich bei meinen Großtanten gewohnt. Ich kümmere mich seit Jahren um sie. Jetzt sind sie in ein Seniorenheim in Ocean View gezogen. Es ist ein schönes Heim, direkt am Strand. Sie haben das Meer immer so geliebt. Aber es gibt dort eine idiotische Hausordnung …“ Deanna verstummte unvermittelt.

Jay wartete neugierig auf weitere Erklärungen, und es überraschte ihn selbst, dass er so daran interessiert war, etwas Persönliches über sie zu erfahren.

Autor

Barbara Mc Mahon
<p>Barbara McMahon wuchs in einer Kleinstadt in Virginia auf. Ihr großer Traum war es, zu reisen und die Welt kennenzulernen. Nach ihrem College-Abschluss wurde sie zunächst Stewardess und verbrachte einige Jahre damit, die exotischsten Länder zu erforschen. Um sich später möglichst genau an diese Reisen erinnern zu können, schreib Barbara...
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