Dein Herz und meine Krone?

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

König Ivo von Montemare braucht dringend eine Ehefrau – oder er muss abdanken. Doch keine Kandidatin akzeptiert Ivos Bedingungen für eine reine Zweckbeziehung. Da fällt sein Blick auf seine loyale Kommunikationschefin Sofia. Sie ist perfekt: klug, diskret und völlig unromantisch wie er selbst. Eine Vernunftehe zum Wohl seines Landes! Doch als Sofia Ja sagt und er sie zum ersten Mal wirklich ansieht, erwacht ungeahntes Verlangen in ihm. Kann er der Versuchung widerstehen, Sofia zu berühren, zu küssen – und damit seinen Plan zu riskieren?


  • Erscheinungstag 09.12.2025
  • Bandnummer 2731
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535267
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy King

Dein Herz und meine Krone?

1. KAPITEL

Das kleine, aber wohlhabende Königreich Montemare teilte sich eine Grenze mit dem Nordosten Italiens sowie mit Slowenien und Kroatien. Es zählte eine halbe Million Einwohner, und seine waldreichen Berge schmiegten sich an den Golf von Ficanza, der glitzernden, nach Westen hin ausgerichteten Hauptstadt am Meer. Den Süden prägten Weinberge, der größte Hafen des Landes und zahllose römische Ruinen.

Auf einer Landzunge vor der Stadt lag der befestigte, zweihundert Jahre alte Palast, in dessen holzvertäfeltem Speisesaal der König in diesem Moment stirnrunzelnd den Stuhl betrachtete, auf dem vor dreißig Sekunden noch die letzte Kandidatin möglicher Ehefrauen gesessen hatte.

Die Verfassung des Landes sah vor, dass der Monarch vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag heiratete oder aber abdankte, um den Thron für einen jüngeren Nachfolger zu räumen. Mit seinen vierunddreißig Jahren und sechs Monaten war Ivo Maximiliano bewusst gewesen, dass die Zeit knapp wurde, jedoch hatte er bisher nur wenige Gedanken an das Problem verschwendet. Die vergangenen Jahre hatte er damit zugebracht, das vierzig Jahre alte, unbefleckte Vermächtnis seines Vaters auszubauen und die leisen, aber unablässigen Rufe nach einer Republik zu unterdrücken.

Da er sechzehn Stunden am Tag arbeitete, hatte er weder die Zeit noch den Kopf für eine Aufgabe, die sich seiner Meinung nach leicht erledigen lassen würde. Wichtiger als eine arrangierte Ehe waren für ihn internationale Handelsabkommen und Verträge. Ganz zu schweigen von der Erarbeitung innenpolitischer Strategien, die dazu dienen sollten, den Wohlstand seiner Untertanen zu mehren, damit sie selber sahen, welche Vorteile eine absolute Monarchie ihnen bot.

Und so hatte die Suche nach einer Ehefrau ganz am Ende seiner Prioritätenliste gestanden. Zumal er überhaupt nicht heiraten wollte. Außerdem hatte es sich immer so angefühlt, als läge sein fünfunddreißigster Geburtstag noch in weiter Ferne.

Doch so war es nicht. Irgendwie war er unbemerkt bedrohlich nahe gerückt. Jetzt hatten seine Mutter und die Hofbeamten ihn ermahnt, sich der Angelegenheit dringend zu widmen.

Noch länger konnte Ivo sie nicht ignorieren, denn er wollte auf keinen Fall, dass die Krone an seinen sehr viel jüngeren Cousin ging. Dessen Lebensinhalt bestand darin, durch Europa zu touren, Geld in den exklusivsten Casinos zu verspielen und jeden Nachtklub zu verwüsten, der ihm leichtsinnigerweise Einlass gewährte. Und der dabei noch jede Menge gebrochener Herzen zurückließ. Dafür hatte Ivo viel zu hart an dem guten Ruf und dem Erfolg des Königshauses gearbeitet.

Und den würde er, solange er lebte, nicht aufs Spiel setzen.

Auf gar keinen Fall würde er einfach zusehen, wie die fünfhundert Jahre alte Monarchie zu Fall gebracht wurde, so wie es unter der Regentschaft seines leichtsinnigen Großvaters fast geschehen wäre.

Um also seine Arbeit fortsetzen und für Stabilität sorgen zu können und um die Spekulationen im Land zu beenden, würde er heiraten. Und zwar innerhalb der nächsten sechs Wochen.

Die Operation Falltür – der Codename der Planung der königlichen Vermählung – existierte seit dem Tag, an dem er achtzehn Jahre alt geworden war. Ein Telefonat, und die Palast-Maschinerie würde in Gang gesetzt werden. Das Einzige, was fehlte, war der Name der Braut. Um den herauszufinden, hatte Ivo seine Berater angewiesen, eine Liste möglicher Kandidatinnen zu erstellen und sie zum Abendessen einzuladen. Eine pro Tag, zwei Wochen lang.

Mit Problemen hatte er dabei nicht gerechnet. Ja, die Zeit war knapp, aber er war der Herrscher über ein reiches, mächtiges Land. Außerdem war er intelligent, gesund und – wie er gehört hatte – ausgesprochen gut aussehend und somit durchaus ein guter Fang. Wenn er ganz ehrlich war, hatte Ivo geglaubt, sich seine zukünftige Frau frei auswählen zu können.

Doch zu seiner Überraschung war er immer wieder abgeblitzt. Jeden Tag waren die eingeladenen Frauen nach Beendigung eines extravaganten Fünf-Gänge-Menüs aufgestanden, hatten sich höflich bei ihm bedankt und sein Heiratsangebot abgelehnt. Die heutige Bewerberin war nicht einmal zum Nachtisch geblieben.

„Was du brauchst, ist keine Frau, sondern ein Roboter“, hatte Prinzessin Amalia ihm gesagt, nachdem die Reste des Chateaubriands abgeräumt worden waren und Ivo seine Erwartungen formuliert hatte.

Doch Amalia irrte sich, befand Ivo noch immer verblüfft. Ihr Vorwurf traf ihn unerwartet hart. Nach langer Überlegung und auch nur zähneknirschend hatte er akzeptiert, dass er eine Partnerin brauchte. Eine Frau, die die Bürde der Krone mit ihm teilte. Eine, die ihm zur Seite stand und seine Erben gebar. Und er verstand beim besten Willen nicht, warum es so schwer war, eine solche Frau zu finden. Schließlich verlangte er nichts Unmögliches. Seine zukünftige Braut und die Königin von Montemare musste eine Frau sein, die wusste, was Pflichtgefühl bedeutete, und die harte Arbeit zu würdigen wusste. Ihr sollte die Verantwortung ihrer Rolle bewusst sein, und sie musste dem Druck eines Lebens in der Öffentlichkeit standhalten können. Sie sollte zuverlässig und diskret sein und jede Krise zu meistern wissen. Und nebenbei attraktiv genug, um die Hochzeitsnacht und alle weiteren Versuche, Kinder zu zeugen, erträglich zu machen.

Liebe würde natürlich keine Rolle spielen, wie Ivo erst Dienstag hatte klarstellen müssen, als die Marquise von Maasstadt gefragt hatte, was sie im Gegenzug für „ihr Opfer“ bekommen würde. Unfassbar, aber das waren wirklich ihre Worte gewesen. Ivo würde sich durch nichts von dem harten Geschäft, sein Land zu führen, ablenken lassen. Sein Großvater hatte aus Liebe geheiratet, und nur sechs Monate später hatte der Ministerrat einschreiten müssen, um einen Militärputsch abzuwenden, den der verliebte König nicht hatte kommen sehen.

Die Folgen waren noch Jahre danach spürbar gewesen. Die erzwungene Abdankung hatte die Nation erschüttert, und die nachfolgende Regierungszeit war so turbulent gewesen, dass das Land sich international unmöglich gemacht hatte. Die Last auf den Schultern von Ivos Vater, der mit achtzehn in viel zu jungen Jahren hatte einspringen müssen, war enorm gewesen. Für Ivo bestand kein Zweifel daran, dass diese Zeit zum verfrühten Tod seines Vaters beigetragen hatte, der ihn – den Sohn und Erben – in tiefer Trauer und wütend zurückgelassen hatte.

Ivo konnte sich nicht vorstellen, sich jemals einem solchen Egoismus hinzugeben. Sein Blut wurde eiskalt, wenn er sich eine so widerwärtige Schwäche auch nur ausmalte. Ein einziges Mal hatte er selbst etwas Ähnliches empfunden. Damals war er erst vierundzwanzig und nur Kronprinz gewesen, doch trotzdem hätte er es besser wissen müssen, als sich so sehr von einer portugiesischen Prinzessin den Kopf verdrehen zu lassen, dass er ihr beinahe einen Heiratsantrag gemacht hätte. Wenn er sie nicht auf einer Feier am Comer See mit einem anderen Mann erwischt hätte, wäre er jetzt vielleicht bis an sein Lebensende an eine untreue, betrügerische Frau gebunden.

Nie wieder, hatte er sich seitdem geschworen.

Nie, nie wieder.

Jeder Entschluss, den er seither getroffen hatte, war rein rational, wobei seine Pflicht immer an erster Stelle stand, und das nicht nur, weil sein Vater ihm eingebläut hatte, wie wichtig das war. Ivo war einfach überzeugt davon, dass es sicherer war, alles Emotionales außen vor zu lassen, als noch einmal sein Herz zu riskieren. Er wollte keine Beziehung wie die seiner Großeltern, sondern wie seine Eltern sie geführt hatten. Sie war ein diplomatisches Arrangement gewesen, in dem Liebe keinerlei Rolle gespielt hatte. Die Ehe war ruhig und stabil gewesen, bar jeder aufwühlenden Emotionen und ohne jedes Drama. Ivos Mutter hatte ihren Mann unablässig unterstützt, und Ivo konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich jemals gestritten hätten. Das war der ideale Rahmen für eine Regentschaft, ein Erfolgsrezept, und er hatte sich immer geschworen, es genauso zu machen, wenn die Zeit irgendwann gekommen war.

Daher dachte er, dass er nicht gleich am ersten Hindernis kapitulieren würde, während er vom Tisch aufstand und in sein Arbeitszimmer ging. Er würde sich auf seiner Suche nach einer Ehefrau nicht entmutigen lassen. Noch hatte er Zeit. Er würde seine Berater anweisen, die Liste mit Kandidatinnen zu erweitern und die Gespräche nicht nur während des Abendessens, sondern auch beim Frühstück und Mittagessen führen. Seine Kommunikationschefin würde er bitten, eine Marketingkampagne zu erarbeiten, die die Vorzüge des Landes und seine eigenen anpries, sodass keine Frau das Gefühl haben würde, ein „Opfer“ bringen zu müssen.

Von neuer Energie erfüllt und keinesfalls gewillt, eine Niederlage einzugestehen, ließ Ivo sich an seinem Schreibtisch nieder und drückte auf einen Knopf, um die Kommunikationsspezialistin zu sich zu rufen. Drei Minuten später klopfte es leise an der Tür. Wie immer bewaffnet mit ihrem Notizbuch und einem Stift, betrat Sofia Romeo den Raum, ging zum Schreibtisch und setzte sich auf denselben Stuhl wie immer.

Das ist eine Frau, wie ich sie brauche, dachte Ivo, als er zusah, wie sie die Beine arrangierte und ihr Jackett richtete. Unerschütterlich. Loyal. So arbeitsam und pflichtbewusst wie er selbst. Außerdem neigte Sofia nicht zu Dramen. Niemals würde sie ihre Serviette einfach hinwerfen und aus dem Zimmer stürmen. Sie behielt immer einen kühlen Kopf, war zuverlässig und wusste, wie wichtig es war, die Monarchie zu erhalten, weil das ihr Job war. Sie wäre in der Tat die ideale Kandidatin.

Vielleicht sollte er sie seiner Liste hinzufügen.

Die Verfassung verbot ihm nicht, zu heiraten, wen er wollte. Er mochte und respektierte Sofia. Mit ihr zu schlafen, würde ihn keine Überwindung kosten. Mit ihrem blonden Haar, der überdurchschnittlichen Körpergröße und der gertenschlanken Figur sah sie durchaus annehmbar aus, auch wenn Ivo dem bisher nie Beachtung geschenkt hatte. Im Palast arbeitete sie jetzt seit … sechs Jahre mussten es sein … direkt für ihn erst seit einem knappen Jahr. Anzeichen für einen Lebensgefährten hatte er noch nie gesehen, was nahelegte, dass Liebe und Romantik sie genauso wenig interessierten wie ihn und das passte wunderbar zu seiner Vorstellung einer rein zweckdienlichen Ehe.

Genau genommen könnte sie den ersten Platz auf der Liste einnehmen. Warum sollte er Zeit mit anderen Frauen verschwenden? Warum mühsame Gespräche führen und eine Marketingkampagne starten, wenn das, was er brauchte, direkt vor ihm saß?

Als der Gedanke ihm gerade spontan gekommen war, hatte er milde Erheiterung in ihm ausgelöst, und er hatte ihn als rein hypothetisch betrachtet. Doch je länger er darüber nachdachte, desto logischer wurde er. Ivo war verstummt, sein Mund war wie ausgedörrt. Jeder seiner Sinne arbeitete auf Hochtouren, und er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Was, wenn die Idee nicht einfach hypothetisch blieb? Was, wenn er Sofia wirklich heiratete? Wäre das nicht die perfekte Lösung für ein unerwartetes Problem?

Je länger er darüber nachdachte, desto logischer erschien ihm der Plan. Sie arbeiteten gut zusammen. Sofia verstand ihn. Manchmal wusste sie, was er wollte, bevor er selbst es tat. Wenn sie in der Öffentlichkeit geschickt mit den peinlichen Eskapaden seines Cousins umgehen konnte, würde sie mit allem fertig werden können.

Und als er sie nun genauer betrachtete, fiel ihm auf, dass sie weitaus besser aussah als nur annehmbar. Ehrlich gesagt war sie auffallend attraktiv. Ihre Augen hatten das klare Jadegrün des Meeres, kurz bevor es den Strand erreichte. Ihr Haar war eher goldbraun als blond und erinnerte Ivo an die Kornfelder im Norden des Landes kurz vor der Erntezeit. Und warum waren ihm ihre perfekt geschwungenen Lippen noch nie aufgefallen?

„Stimmt etwas nicht? Klebt noch Petersilie an meinen Zähnen?“

Sofias Stimme riss ihn aus seiner Trance. Er nahm den Blick von ihrem Mund und sah ihr in die Augen, während er gegen die Hitze ankämpfte, die plötzlich Besitz von seinem Körper ergriffen hatte. Es stimmte alles. Ivo konnte kaum glauben, dass er nicht früher an sie gedacht hatte, denn sie entsprach jeder einzelnen Anforderung und sie war genau das, was er brauchte. Was für ein Glück, dass er das rechtzeitig erkannt hatte.

Er räusperte sich. „Nein.“ Er war fest entschlossen, alles dafür zu tun, damit sie einwilligte, denn die Zeit lief ihm davon und einen solchen Hauptgewinn durfte er sich nicht entgehen lassen. „Sie sind perfekt.“

Wie bitte?“ Den Bruchteil einer Sekunde lang zuckten ihre Augenbrauen nach oben, doch ansonsten war sie so ruhig und gefasst wie immer. Sofia war einfach vorbildlich.

„Ich möchte, dass Sie eine Erklärung zur bevorstehenden Änderung meines Familienstandes vorbereiten.“

Wenn seine Bitte sie überraschte, so zeigte sie es nicht. Sie blinzelte nicht einmal. Absolut schussfest, das war sie. „Haben Sie jetzt doch eine Wahl getroffen?“

Er nickte nur kurz. „Ja, das habe ich.“

„Ich hatte es so verstanden, dass keine der bisherigen Kandidatinnen für passend befunden wurde.“

„Das ist korrekt.“ Er beschloss, den unerfreulichen Umstand zu verschweigen, dass er es war, der nicht hatte überzeugen können. Das spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr. „Ich musste umdenken. Ganz neu sozusagen. Wie sich herausgestellt hat, war das eine ausgezeichnete Entscheidung.“

„Darf ich Ihnen dann als Erste gratulieren?“

„Ja, das dürfen Sie.“

„Der gesamte Palast wird vor Erleichterung aufatmen.“

„Ich kann es fast schon hören.“

„Ich werde die Erklärung umgehend vorbereiten und Sie Ihnen zur Durchsicht zumailen.“ Sie senkte den Blick, um etwas in ihrem Notizbuch festzuhalten. „Innerhalb einer Stunde wird sie an alle großen Nachrichtenkanäle rausgehen.“

„Gut.“

„Die Leute werden vor Begeisterung außer sich sein.“

„Das hoffe ich doch.“

„Nur eines noch …“

„Und das wäre?“

Sie richtete den Blick wieder auf ihn und sah ihn fragend an. „Wer ist die Glückliche?“

„Sie sind es.“

2. KAPITEL

Als der König sie vorhin zu sich gerufen hatte, war Sofias Puls wie immer gestiegen, und das übliche Hochgefühl hatte sie durchströmt, dicht gefolgt von einem Anflug schierer Verzweiflung und dem Bedürfnis, den Kopf gegen die nächstbeste Wand zu schlagen.

Sie hätte schon vor Monaten kündigen sollen, dachte sie zum tausendsten Mal, als sie sich Notizbuch und Stift schnappte und in sein Arbeitszimmer eilte. Zumindest hätte sie um eine Versetzung bitten sollen, als ihr, zwei Monate nachdem sie den Job angetreten hatte, klar geworden war, dass sie nicht nur für ihren Boss schwärmte, sondern sich bis über beide Ohren in ihn verliebt hatte.

Aber hatte sie das getan?

Nein.

Denn ganz offensichtlich hatte sie nicht nur ihr Herz, sondern auch den Verstand verloren. Sie wollte bestraft werden.

Jedes Mal, wenn sie eine E-Mail mit ihrer Kündigung schrieb, gefroren ihr die Finger. Wenn sie einmal den Mut aufbrachte, es ihm direkt zu sagen, versagte ihr die Stimme. Denn egal wie schmerzhaft es auch war zu wissen, dass ihre Gefühle nicht erwidert wurden – und sich dies auch nie ändern würde –, sie konnte Ivo einfach nicht aufgeben. Sie war wie eine Süchtige, die nach dem nächsten Schuss gierte, ihr eigener schlimmster Feind, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.

Sofias einziger Trost war es, dass es ihr immer gelungen war, ihre Gefühle für ihn zu verbergen. Für ihre Karriere war es wichtig, Zuversicht und Ruhe auszustrahlen, selbst wenn es in ihr ganz anders aussah, und sie hatte sich ein Pokerface zugelegt, auf das sie sich seit zehn Jahren verlassen konnte.

Nie hatte sie es mehr zu schätzen gewusst als jetzt, während Ivos überraschende Ankündigung über dem großen Mahagoni-Schreibtisch zwischen ihnen hing und die einzigen Geräusche das laute Ticken der Standuhr und das Rauschen in ihren Ohren waren.

Äußerlich zuckte sie nicht einmal mit der Wimper, aber innerlich war sie vollkommen aufgewühlt. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie musste sich alle Mühe geben, aufrecht dazusitzen. Sie hatte mitbekommen, dass über Prinzessin Amalias frühen Abgang gemunkelt worden war, und so wäre es verständlich, dass der König einigermaßen frustriert war, aber hatte er nun komplett den Verstand verloren?

„Geht es Ihnen gut?“, fragte sie in dem unbeteiligten, ruhigen Tonfall, der so selbstverständlich für sie war wie das Atmen. „Soll ich einen Arzt kommen lassen?“

„Ich habe mich noch nie besser gefühlt.“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein.“

Seine Augenbrauen schossen nach oben, und an seiner Wange zuckte ein Muskel. Er war es nicht gewohnt, infrage gestellt zu werden, und Sofia konnte sich auch nicht daran erinnern, es je zuvor getan zu haben. Aber wenn es eine Situation gab, bei der Zweifel berechtigt waren, so war es diese.

„Über eine solche Angelegenheit werde ich kaum Witze machen. Ich brauche unbedingt eine Ehefrau und habe mich für Sie entschieden.“

Sofia starrte ihn an. Ihr Mund wurde trocken, und ihr Puls raste. Ihr wurde bewusst, dass es ihm ernst war. „Warum?“

„Weil Sie alle Anforderungen erfüllen. Wir teilen die gleichen Werte. Die Monarchie scheint Ihnen fast genauso viel zu bedeuten wie mir. Sie sind besonnen und engagiert … pragmatisch und realistisch. Nichts bringt Sie je aus der Ruhe, und wir kommen gut miteinander aus. Wir sind ein eingespieltes Team. Ihre Fähigkeiten werden sehr nützlich sein, was die Zusammenarbeit mit Presse und Öffentlichkeit angeht. Um es kurz zu machen: Sie sind die perfekte Kandidatin für den Job.“

Ah.

Natürlich.

Herzschlag, beruhige dich.

„Und wann ist Ihnen diese Erkenntnis gekommen?“

„Vor zwei Minuten. Als Sie hereingekommen sind und Platz genommen haben.“

Mit anderen Worten: Er sah all seine Felle davonschwimmen und klammerte sich an den letzten Strohhalm. „Ich verstehe.“

„Ausgezeichnet.“ Er nickte kurz und schenkte ihr ein Lächeln. „Ich werde den Stab sofort informieren, damit alles in die Wege geleitet wird.“

Ausgezeichnet? Ganz im Gegenteil! Es war vollkommen verrückt und sie die größte Närrin der Welt, weil sie auch nur eine Sekunde lang gehofft hatte, er würde dasselbe für sie empfinden wie sie für ihn.

Wie oft hatte Sofia in den vergangenen zwölf Monaten darüber fantasiert, den König zu heiraten. Wenn sie nachts allein in ihrer schlichten Mietwohnung in der Stadt im Bett lag, malte sie sich oft aus, wie er sie in die Arme schloss und ihr erklärte, dass er nicht ohne sie leben könnte. Niemals hätte sie sich vorgestellt, dass ihre Träume eines Tages Wirklichkeit werden könnten. Und wenn, hätte die Wirklichkeit sicher nicht so ausgesehen. Eine Zweckehe, die nur ihm Vorteile brachte … weil die Zeit knapp wurde und sie gerade zur Verfügung stand? Nein, vielen Dank. Sie mochte ja in ihn verliebt sein, aber sie hatte auch noch so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb.

„Ihr Vorschlag ehrt mich natürlich“, sagte sie, bevor er zum Telefon greifen konnte, „aber ich fürchte, ich muss bei allem Respekt ablehnen.“

Er hielt inne und runzelte die Stirn. Sein durchdringender Blick traf auf ihren. Der Muskel zuckte jetzt stärker. „Sie lehnen ab?“

Sofia nickte. „Ja.“

„Warum?“

Weil das hier Irrsinn war. Ivo konnte nicht mehr klar denken. Und selbst wenn es ein ernst gemeinter Heiratsantrag war, würde sie niemals Ja sagen, wenn ihre Gefühle derart unerwidert waren. So etwas würde sie zerstören. Sie würde sich nach Anzeichen von Zuneigung verzehren und dabei ihre ganze Würde über Bord werfen. Und wie lange würde es dann dauern, bis Liebe und Sehnsucht sich in Verbitterung und Ablehnung verwandelten? Ein Jahr lang hatte sie es geschafft, zu verbergen, wie sie wirklich für ihn empfand, doch das aus nächster Nähe und im Privaten bis ans Ende ihres Lebens zu tun, würde sie vernichten.

Sosehr sie den Tag auch gefürchtet hatte, an dem er heiraten würde, hätte er doch einen Schlussstrich unter ihre unmögliche Vernarrtheit in den König gesetzt. Denn zumindest würde es die absurde Hoffnung vernichten, dass er Sofia plötzlich in einem ganz anderen Licht sah. So weh es auch tun würde und sosehr sie ihren Job auch liebte, hatte sie seinen Hochzeitstag doch immer als den Moment gesehen, in dem sie gehen würde. „Ich habe andere Pläne.“

„Was für Pläne?“, fragte er mit der Arroganz des mächtigsten Mannes des Landes, wenn nicht des ganzen Kontinents …

„Ich bin nicht sicher, dass Sie das etwas angeht.“

Dafür erntete sie einen bösen Blick. „Ihr Job ist es, die Monarchie zu schützen.“

„Mein Job ja, aber nicht mein Leben.“

„Gefalle ich Ihnen nicht?“

Himmel, nein! Ganz im Gegenteil. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und gebaut wie ein junger Gott. Oder vielleicht auch ein Krieger. Mit seinen breiten Schultern und dem athletischen Körper passte er genauso gut zu Rüstung und Schwert wie zu Anzug und Krawatte. Mit seinen ein Meter neunzig überragte er sie um einiges, obwohl auch Sofia nicht gerade klein war. Sein Haar, durch das sie so gerne mit den Fingern fahren würde, war dicht und schwarz. Seine dunklen Augen vertrieben beinahe jeden klaren Gedanken, wann immer sie hineinsah. Und da sie zu Hause ein Poster von ihm als sechzehnjähriger Kronprinz hängen hatte, sah sie ziemlich oft in diese Augen.

Aber es war nicht allein seine Schönheit, in die sie sich verliebt hatte. Als sie angefangen hatte, für ihn zu arbeiten und ihn besser kennenzulernen, war ihre Schwärmerei noch schlimmer geworden. Sein Pflichtbewusstsein war unerschütterlich, seine Integrität enorm. Er rief Vertrauen und Loyalität hervor und gab beides zurück. Sofia war in einer Familie aufgewachsen, die von Streit und Missstimmungen geprägt war. Ständig waren sich ihre Eltern an die Kehle gegangen, besonders gegen Ende hin. Ivos Ruhe und Unerschütterlichkeit waren immer Balsam für ihre Seele gewesen. Nicht ein einziges Mal hatte sie ihn die Geduld verlieren sehen; er erhob kaum einmal die Stimme. Dass er Gegenstände nach jemandem warf, konnte sie sich einfach nicht vorstellen. Er verkörperte alles, was ihr wichtig war, alles, was sie bewunderte, und alles, was sie von einem Mann wollte.

„Doch, natürlich. Aber darum geht es nicht.“

Autor

Gefahren

  • Dieses Produkt enthält keine bekannten Gefahren.

Kontakt zum Herausgeber für weitere Informationen zur Barrierefreiheit

  • Weitere Informationen zur Barrierefreiheit unserer Produkte erhalten Sie unter info@cora.de.

Navigation

  • Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln innerhalb dieses E-Books zu erleichtern.