Der Milliardär und die schöne Diebin

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Milliardäre bestiehlt man nicht! Diese Lektion muss die schöne Charity erst lernen. Denn nachdem die Ex-Diebin ihrem Vater bei einem letzten Coup geholfen hat, rächt sexy Tycoon Rocco Amari sich auf seine Art … und raubt ihr die Unschuld! Eigentlich sollten damit ihre Schulden beglichen sein, aber die gefährlich heiße Nacht hat unerwartete Folgen. Und obwohl Charity die sinnlichen Küsse Roccos nicht vergessen kann - ein Familienleben mit diesem arroganten Playboy? Einfach absurd! Das sieht Rocco ganz anders, denn der stolze Italiener hat Pläne … mit ihr und seinem Erben!


  • Erscheinungstag 21.06.2016
  • Bandnummer 2236
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706807
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Wir treffen uns um halb zwei im The Mark. Sie ziehen das Kleid an, das Sie heute Nachmittag bekommen haben. In der Tüte ist die Unterwäsche, die Sie dazu tragen. Das ist ein Befehl. Wenn Sie nicht mitspielen, wird es Ihnen leidtun.

– R

Peinlich berührt betrachtete Charity Wyatt die exklusive Einkaufstüte auf dem Dielentisch ihres Apartments. Sie war anthrazitgrau und wirkte ganz harmlos – bis auf das berühmte Dessous-Label, das darauf prangte. Zuoberst in der Tüte raschelte passendes Seidenpapier, unter der ersten Schicht steckte ein dicker weißer Umschlag mit einer Karte. Das wusste Charity, weil sie ihn geöffnet und die auf der Karte vermerkten Anweisungen gelesen hatte.

Die Karte hatte sie sofort in die Einkaufstüte zurückgeworfen. Sie einmal zu lesen genügte!

The Mark. Ausgerechnet im Restaurant des exklusiven New Yorker Luxushotels wollte er sie treffen – seit er ihren Vater vor sechs Monaten aufgesucht hatte.

Ein symbolischer Treffpunkt. Er passte zu den Betrügereien ihres Vaters. Damit hatte Rocco Amari sie jetzt festgenagelt. Er hatte sie völlig in der Hand. Wie verhasst Charity das alles war! Sie hasste es zu verlieren und sich nicht dagegen wehren zu können.

Hätte sie ihren Dad nur weggeschickt, nachdem er fast ein Jahr verschwunden und dann unerwartet wieder bei ihr aufgetaucht war.

Nur noch ein Mal, Charity. Ein einziges Mal.

Nur noch ein einziger, letzter Coup – dann sei er ganz groß heraus. Wie oft hatte sie das inzwischen von ihm gehört! Und jedes Mal hatte er sie mit diesem unwiderstehlichen Lächeln und mit seinem Charme überrumpelt, mit dem er überall ankam. Früher hatte Charity sich sehnlichst gewünscht, zu seinen Kreisen zu gehören. Zu ihm. Ihm so unentbehrlich zu sein, dass er sie überallhin mitnahm. Stattdessen hatte sie sich auf der Couch ihrer Großmutter herumgedrückt und sich gefragt, wann ihr Dad zurückkommen würde. Wann endlich Schluss mit den einsamen Nächten im ihrem Apartment sein würde, während er ausging und „arbeitete“.

Mit alldem sollte Schluss sein, wenn ihm der ganz große Wurf gelungen war.

Stets konnte er aus dem Handgelenk mit den tollsten Geschichten aufwarten. Und Charity hatte sich nichts mehr gewünscht, als die Glitzerwelt zu betreten, von der er so schwärmte. Wo alles so einfach war. Wo sie immer zusammen sein würden.

Immer brauchte er nur noch den einen Job.

Regenbogen nach den Stürmen hatte er ihr wieder und wieder versprochen. Doch bisher hatte sie nur Donner und Blitz erlebt. Auf ihren Regenbogen wartete Charity bis heute. Und die Geschichte hier war keine Ausnahme.

Diesmal hatte ihr Vater sie in einer Pfütze mit einem Blitzableiter in der Hand stehen lassen.

Als er die Stadt überstürzt verlassen hatte, war Charity klar gewesen, dass sie in der Patsche saß. Trotzdem war sie geblieben. Weil ihr nichts anderes übrig blieb. Schließlich wohnte sie in New York. Hier waren ihre Freunde, und hier hatte sie einen Job. Außerdem war sie sicher gewesen, nicht entdeckt zu werden. So war es immer gewesen.

Sechs Monate Schweigen. Sechs Monate, die vergangen waren wie immer. Sechs Monate, in denen Gras über die jüngste Betrügerei ihres Vaters wuchs. Sechs Monate, um zu vergessen, dass sie sich einen mächtigen Mann zum Feind gemacht hatten.

Und jetzt das.

Diese Forderung.

Gestern hatte er sich zum ersten Mal bei ihr gemeldet: ein Handyanruf mit unterdrückter Nummer.

Natürlich wusste Charity, wie er aussah. Rocco Amari war ein bekannter Geschäftsmann und der Lieblingsplayboy der Medien. Und er sah umwerfend aus. Chromblitzende Wagen, superglamouröse Freundinnen.

Natürlich kannte Charity Fotos von ihm – seine Stimme jedoch hatte sie noch nie gehört. Bis gestern. Als er sie angerufen hatte. Ihr war schnell klar geworden, dass sie diesem Mann nicht entfliehen, sich nicht vor ihm verstecken konnte.

Jedenfalls nicht, ohne ihre Zelte abzubrechen und bei Nacht und Nebel unterzutauchen. Nicht ohne ihr kleines Apartment aufzugeben, den Job im Restaurant, ihren kleinen Freundeskreis. Sich einfach in Luft aufzulösen, wie in der Kindheit. Sich unsichtbar machen … mit dem Wenigen, was sich schnell in eine Reisetasche stopfen ließ, mit der sie und ihr Dad blitzschnell verschwinden konnten, wenn Not am Mann war. In der Regel hatte ihr Vater sie dann von einer Minute zur anderen einfach für „eine Weile“ bei seiner Mutter abgegeben.

Nein. Das wollte Charity nie mehr durchmachen. Ein Geist in der Welt der anderen, der nichts berühren durfte, nie dazugehörte.

Also war sie geblieben.

Was bedeutete, dass sie nun zu einem Trick greifen musste, der höchst gewagt war. Ein Trick, mit dem sie Rocco Amari hoffentlich loswürde und endlich frei wäre. Sie würde sich diesem Mann stellen. Ihn irgendwie überzeugen, dass sie unschuldig war.

Stattdessen war er unverhofft aufgetaucht und hatte sie angerufen.

„Charity Wyatt?“

„Ja?“

„Wir haben noch nicht miteinander telefoniert, aber Sie wissen, wer ich bin. Rocco Amari. Sie haben etwas, das mir gehört, meine schöne kleine Diebin.“

Es war nicht zu überhören, dass er Italiener war. Seine Stimme klang dunkel und rauchig und ließ Charity an schottischen Whisky und Zigarren denken. Ihre Kehle fühlte sich trocken an. Es kostete sie Mühe, halbwegs normal zu sprechen.

„Ich bin keine Diebin.“ Sie gab sich betont forsch. „Mein Vater mag ein Betrüger sein …“

„Und Sie sind seine Komplizin“, schnitt Rocco Amari ihr scharf das Wort ab.

„Ich kann Ihnen alles erklären. Er hat mich belogen. Ich hatte keine Ahnung von seinen Machenschaften!“

„Jaja. Sehr nett. Hysterische Beteuerungen Ihrer Unschuld. Die mich nicht rühren.“

Charity kämpfte mit sich. Sie durfte sich nicht schwach zeigen. Angestrengt versuchte sie, sich vor Augen zu rufen, was vor der überstürzten Flucht ihres Vaters geschehen war. Es musste überzeugend klingen, so viel stand fest. „Aber ich wollte Sie nicht bestehlen.“

„Dennoch fehlt mir eine Million Dollar. Und Ihr Vater ist verschwunden. Da muss ich etwas unternehmen.“

„Wenn ich wüsste, wo mein Vater ist, würde ich dafür sorgen, dass er Ihnen das Geld zurückgibt.“ Natürlich wusste Charity, dass es längst sonst wo gelandet war.

„Aber leider haben Sie keine Ahnung, wo Ihr Vater ist, stimmt’s?“

Nein. Die hatte sie wirklich nicht. Und selbst wenn sie es wüsste, wäre ihr Dad bestimmt nicht bereit, seinen Kopf hinzuhalten, um ihr aus der Patsche zu helfen.

„Ich hätte Ihnen einen Vorschlag zu machen … eine Art Handel.“

„Handel?“, echote Charity.

„Ja. Aber wichtige geschäftliche Dinge bespreche ich grundsätzlich nicht am Telefon. Morgen erfahren Sie Näheres. Falls Sie meinen Forderungen nicht nachkommen, gibt es keinen Handel. Dann gehe ich vor Gericht, und Sie, Ms. Wyatt, verbringen einige Jährchen im Gefängnis … wegen Betrugs und Beihilfe zur Unterschlagung.“

Dieser teuflischen Lage war Charity nun ausgesetzt: Rocco Amaris Forderungen und der Tüte mit dem Kleid, das sie immer noch nicht ausgepackt hatte, weil sie nicht wagte, es sich anzusehen.

Aber damit würde es nicht verschwinden. Auch Rocco Amari würde sich nicht in Luft auflösen, wenn sie ihn ignorierte. Und noch weniger seine Drohung, die sie die Freiheit kosten konnte.

Also blieb ihr nichts anderes übrig, als bei dem Treffen zu erscheinen und den Anweisungen dieses Mannes zu folgen.

Was sie danach tun würde, war ihr schleierhaft.

Stockend blickte Charity wieder auf die Tüte mit der Reizwäsche. Sie hatte keine Ahnung, was für einen Handel Rocco Amari ihr anbieten wollte … aber einen Verdacht. Der ihr gar nicht gefiel. Und sich nicht mehr verdrängen ließ.

Natürlich war das idiotisch, denn sie konnte sich nicht vorstellen, warum er sie wollte – statt eine Million Dollar. Oder was er sich davon erhoffte, sie vor Gericht zu zerren. Aber da war die Reizwäsche …

Ob es ihr gefiel oder nicht – notgedrungen müsste sie erst einmal mitspielen.

Entweder das – oder sie landete im Gefängnis.

Und obwohl die Tüte mit den Dessous sie beunruhigte – eine Gefängniskluft war weitaus schlimmer. Im Fernsehen hatte Charity genug Gerichtsdramen gesehen, um zu wissen, dass die meisten die Justiz als Schutzinstitution und für alle geltende Gerechtigkeit ansahen.

Sie nicht.

Ihr Vater hatte oft von Robin Hood gesprochen, Geschichten erzählt, in denen Diebe Helden waren und Uniformierte darauf angesetzt wurden, Schutzmauern um die Reichen und Eliten zu errichten. Mauern, die Privilegierte schützend umgaben und Menschen wie sie ausschlossen.

Die Justiz war ein lästiges Übel. Und eine Gefängnisstrafe das Schlimmste, was jemandem wie ihnen passieren konnte, weil man darin spurlos verschwand. Niemand draußen kümmerte sich um Leute wie sie. Sie mussten für sich selbst sorgen, weil es sonst niemand tat.

Selbst in diesem Moment klammerte Charity sich noch an die Lebensphilosophie ihres Vaters, die sie geprägt hatte.

Was immer Rocco im Sinn hatte – sie hatte garantiert schon Schlimmeres erlebt.

Und sobald sie eine Rettungsleine entdeckt hatte, würde sie sich mit allen Mitteln daran klammern. Darin hatte sie es im Lauf der Jahre zu wahrer Meisterschaft gebracht.

Rocco mochte glauben, am längeren Hebel zu sitzen. Aber etwas zu glauben war eine Sache …

Das Kleid saß so eng, dass Charity kaum atmen konnte. Die teure schwarze Spitze umschloss ihre wohlproportionierte Figur wie eine zwei Haut und ließ hier und da ahnen, was sich darunter befand. Auch passende High Heels hatten in der Tüte gesteckt. Sie waren nicht nur der neueste Schrei, sondern zeigten auch mehr von ihren langen schlanken Beinen, als ihr in dieser Situation lieb sein konnte.

Andererseits kam ihr das vielleicht auch zugute. Es konnte für sie sprechen, dass sie sich in den Sachen nicht ganz wohlfühlte.

Charity atmete tief ein und trat durch die schwarzen Pendeltüren von The Mark. Dabei klapperten ihre halsbrecherischen hohen Absätze laut auf dem schwarz-weiß gestreiften Fliesenboden. Tapfer durchquerte sie die Lobby zum Restauranteingang. Ihr wurde heiß, als die Empfangsdame sie diskret begutachtete.

Zwar zeigte die Frau keine Regung, doch Charity spürte einen Hauch von Herablassung.

Frauen in hautengen Minikleidern hatten in einem Nobelrestaurant wie diesem sicher nur eins im Sinn. Und falls Rocco sie demütigen wollte, war es ihm schon jetzt gelungen.

Aber vielleicht war das ganz gut so. Dass sie errötete und ihre Schritte unsicher wirkten, passte ausgezeichnet zur Rolle der schüchternen Unschuld, die sie zu spielen gedachte.

Damit hoffte sie, glaubwürdiger an Roccos Verständnis appellieren zu können.

„Ich treffe mich hier … Rocco Amari erwartet mich.“ Ihrer Rolle gemäß sprach sie seinen Namen bewusst zögernd aus.

Bei der Empfangsdame bewirkte das immerhin ein schwaches Lächeln. „Natürlich, Miss. Mr. Amaris Tisch steht im privaten rückwärtigen Teil des Restaurants. Er ist noch nicht hier, aber ich führe Sie natürlich gern an seinen Tisch.“

Sie wandte sich ab und ging voraus. Charity folgte ihr. Ihre High Heels versanken in dem hohen roten Teppichboden, sodass ihre Fesseln bei jedem Schritt leicht wippten. Es kostete sie Mühe, geradeaus zu laufen, ohne sich etwas zu brechen.

Solche Schuhe hatte sie lange nicht mehr getragen. Die baufälligen Gehwege in ihrem New Yorker Viertel waren für solche Knöcheltester völlig ungeeignet. Und beruflich trug sie selten etwas Ausgefalleneres als schwarze Hosen und schwarze T-Shirts. Dazu praktische Turnschuhe, in denen sie den ganzen Tag durchhielt.

Die Arbeit als Kellnerin in einem sehr viel weniger exklusiven Restaurant war Charitys erster Job. Nachdem ihr Vater im Vorjahr untergetaucht war, hatte sie beschlossen, aus dem „Familiengeschäft“ auszusteigen. Inzwischen war sie alt genug, um zu wissen, dass die großen Coups ihres Dads nicht einfach nur Jobs waren. Und ganz egal, wie reich die Leute waren, die er „ausnahm“ – das war auf Dauer kein Leben.

Doch dann war er unverhofft strahlend wieder aufgetaucht. Und da er ihr sehr gefehlt hatte, hatte sie sich ausnahmsweise noch einmal überreden lassen, bei ihm einzusteigen.

Nur noch ein einziges Mal …

Idiotin! Charity hätte sich sonst wohin kneifen können. Sie war eine Betrügerin, die sich von einem Betrüger hatte einspannen lassen! Und jetzt steckte sie tief in der Patsche. Zu tief.

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, fragte die Empfangsdame.

Charity überlegte kurz. Nüchtern zu bleiben war eindeutig klüger, wenn man es mit einem Mann wie Rocco Amari zu tun hatte. Andererseits brauchte sie etwas, um ihre Nerven zu beruhigen. Mit Wein flossen Unterhaltungen sehr viel glatter.

„Einen trockenen Weißwein“, bat sie. Sie musste ihn ja nicht trinken. Aber falls sie ihn brauchte, stünde er griffbereit da.

„Natürlich, Miss.“ Die Empfangsdame verschwand.

Um sich zu beschäftigen, nahm Charity die Karte auf und überflog die Speisenauswahl. Lauter Gerichte der Spitzenklasse, doch leider war sie hochgradig nervös. Denn ihr Magen spielte schnell verrückt, wenn sie log. Was lästig war, wenn man oft lügen musste.

Während Charity die Speisekarte studierte, wurde es im Restaurant unerwartet still. Irgendwie schlug die Atmosphäre um, sie wurde seltsam andächtig, fast gespannt.

Da war etwas …

Charity blickte genau in dem Moment auf, als ein Mann das Restaurant betrat. Er sah umwerfend aus, und sie war nicht die Einzige, der das auffiel. Fast alle im Restaurant – Frauen wie Männer – wurden auf ihn aufmerksam. Er war groß, athletisch gebaut und bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Panthers. Sein dunkles Haar war zurückgekämmt. Er trug einen eleganten dunklen Maßanzug. Aber es waren nicht seine Kleidung, die handgearbeiteten italienischen Schuhe und oder die kostspielige goldene Armbanduhr, die alle Blicke auf sich zogen.

Da war mehr. Etwas, das alle in seinen Bann schlug. Der Mann verströmte eine fast magnetische Ausstrahlung, der sich niemand entziehen konnte.

Als er näher kam, musste Charity sich eingestehen, dass Rocco Amari wirklich fantastisch aussah: gebräunte Haut, hohe Wangenknochen, kraftvolle, gerade Nase. Und die Lippen … auf sie hatte Charity bei einem Mann bisher nie geachtet, doch diese Lippen würden wirklich jedem auffallen.

Leibhaftig sah Rocco Amari noch viel besser aus als auf den Fotos der Hochglanzmagazine. Das fehlte ihr gerade noch!

„Ms. Wyatt“, begrüßte er sie so arrogant wie am Telefon. „Freut mich, dass Sie kommen konnten und dass das Kleid Ihnen gefällt.“

Die ironische Anspielung machte Charity wütend. Denn er hatte ihr bei beidem keine Wahl gelassen, und das wusste er auch genau. Wenn sie ihren Wein schon hätte, würde sie ihn Rocco Amari ins Gesicht schütten.

Nicht herausfordern lassen! Schließlich will ich etwas von ihm.

„Es passt wie angegossen“, erwiderte sie. „Und da wir uns noch nie begegnet sind, hat mich das überrascht.“

„Ich habe Sie überprüfen lassen. Sehr gründlich sogar.“ Amari setzte sich ihr gegenüber, knöpfte sich das Jackett auf, und wie von Zauberhand tauchten mehrere Restaurantangestellte aus dem Nichts auf.

„Wir nehmen, was der Chefkoch empfiehlt“, bestellte er für Charity mit.

Das Personal zog sich diskret zurück, woraufhin er sie so eindringlich betrachtete, dass Charity unruhig wurde.

Eine neue Kellnerin stellte den Weißwein vor sie hin, und sie griff nach dem Glas, um etwas in den Fingern zu haben.

„Hoffentlich passt der Wein zum Essen“, bemerkte Rocco.

„Ehrlich gesagt ist das im Moment meine geringste Sorge.“

„Ich lege Wert auf Luxus … gepflegtes Essen, guten Scotch und schöne Frauen. Und Sie sind eine schöne Frau, Ms. Wyatt, das muss ich Ihnen lassen.“ Sein Ton jagte ihr Schauer über die Haut.

Doch Charity dachte nicht daran, auf die Schmeichelei einzugehen. Flirten und kokettieren war nicht ihre Sache. Ihr lag daran, stets einen klaren Kopf zu behalten. Sie schmolz nicht dahin, wenn ein sexy Mann sie mit Komplimenten zu überrumpeln versuchte.

„Nun sollte ich wohl Danke sagen – aber ich durchschaue Sie. Sie versuchen, das unvermeidliche Gespräch, das wir führen müssen, nur ein bisschen aufzuschieben.“

„So?“ Rocco überging ihren Einwand einfach. „Das Essen hier ist ausgezeichnet“, erwiderte er stattdessen. „Also sollten wir uns den Appetit nicht vorher verderben.“

Unauffällig blickte Charity zum Nebentisch, wo sich eine Runde Manhattaner Elitevertreterinnen versammelt hatte, die zu ihnen herüberblickte. Sicher fragten sie sich, wie eine Frau aus der Mittelschicht zu einem Mann wie Rocco Amari kam. Auch ein Couture-Modell konnte nicht darüber hinwegtäuschen, woher sie stammte. Garantiert sah man ihr an, dass sie sich dieses teure Restaurant nicht leisten konnte und ihr Begleiter die Rechnung übernahm.

Mit diesen Dingen war Charity bestens vertraut, da ihr Vater die Oberklasse gründlich unter die Lupe genommen hatte. Er hatte sich ihre Manieren und Verhaltensmuster bis ins Kleinste angeeignet, um sich unauffällig unter ihnen bewegen zu können. Und sie um ihr Geld zu erleichtern.

Charity hatte nicht lange bei dem Spiel mitgespielt. Anfangs jedoch war sie als unschuldiger Fratz aufgetreten, um den man sich kümmern musste.

In genau diese Rolle würde sie sich jetzt flüchten.

Obwohl sie ihrem Vater den Schlamassel verdankte, in dem sie gerade steckte, war sie froh, dass er ihr beigebracht hatte, sich geschickt aus einer Patsche zu ziehen.

„Der Appetit aufs Essen ist mir schon vergangen, bevor ich herkam“, erklärte sie herausfordernd.

Er ging darauf nicht ein. Als er ihr mit dem Handrücken sanft über die Wange strich, errötete Charity und saß wie versteinert da. Nervös spähte sie zu den Frauen am Nebentisch, bemerkte die abschätzigen Reaktionen und blickte auf ihren Wein.

Natürlich hielt man sie für ein Callgirl. In so einem Kleid nachmittags hier aufzutauchen war unmissverständlich. Oder die Frauen hielten sie für Roccos Geliebte, was auch nicht viel besser war. Eines war klar: Sie hielten sich für etwas Besseres. Weil sie mit etwas aufgewachsen waren, zu dem sie keinen Zugang hatte.

Aber daran war sie gewöhnt.

„Kommen Sie“, sagte Rocco. „Ich mag es nicht, wenn meine Begleiterin sich ziert.“

„Sie wussten, dass man die Situation missdeuten würde“, zischte Charity ihm zu. „Sie wussten, dass man mich für Ihre … Hure halten würde.“ Sie blickte ihm bewusst in die Augen. „Aber das bin ich nicht.“

War das nicht ein bisschen zu dick aufgetragen? Erstaunlich, wie leicht es ihr fiel, ihrer Empörung Luft zu machen. Fast hätte sie selbst an die ahnungslose Unschuld geglaubt.

Rocco umfasste ihr Kinn mit Daumen und Zeigefinger – und Charity vergaß ihre Entrüstungsnummer. „Aber das sind Sie doch, cara mia. Sie sind hier, weil ich Ihnen etwas angeboten habe: einen eindeutigen Handel. Und vergessen Sie nicht, dass ich Sie großzügig von Kopf bis Fuß eingekleidet habe.“

So ein Scheusal! Der Mann war völlig herzlos. Was problematisch werden könnte.

Entschlossen befreite Charity sich aus seinem Griff, und er ließ die Hand sinken. „Sagen Sie mir endlich, was Sie wollen!“

Wieder umschwirrte das Restaurantpersonal sie und servierte Speisen.

Charitys Magen rebellierte. Wenn es doch nur schon vorbei wäre! Je länger das Essen sich hinzog, umso geringer wurde ihre Chance, Rocco zum Einlenken zu bringen.

Er genoss jeden Bissen. Schweigend, entspannt und hingebungsvoll widmete er sich dem Essen. Die Minuten zogen sich endlos hin, jede Sekunde wurde zur Qual. Charity wollte nicht zu viel sagen, aber natürlich auch nicht zu wenig. Das Schweigen schien ihm nur recht zu sein. Wenn er sie gelegentlich betrachtete, kam sie sich wie eine Maus in der Falle vor.

Schlimmer noch – je öfter er sie so eindringlich ansah, desto unruhiger wurde Charity bei dem Gedanken an die teuren Dessous, die sie unter dem hautengen Kleid trug. Wie er mich beobachtet! Er weiß Bescheid.

Das verriet ihr der Ausdruck in seinen Augen. Und da ihm klar war, was sie darunter trug, weil er ihr die heiklen Spitzendinger geschickt hatte, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie sie darin aussah.

Er sah sie an, als wäre sie sein Besitz. Jetzt schon.

Das musste sie verhindern. Mit allen Tricks, die sie auf Lager hatte. Je länger sie hier saß, desto mehr Zeit hatte sie, sich mit ihrem möglichen Schicksal auseinanderzusetzen. Noch wusste sie nicht, was Rocco von ihr verlangen würde. Sondern nur, was geschehen würde, wenn sie sich weigerte, auf seinen Handel einzugehen …

Noch etwas war Rocco gelungen, indem er Charity in dieses Hotel bestellt hatte. Er demonstrierte ihr, dass Welten sie voneinander trennten.

Sie war Kellnerin. Und konnte ihre Verbindung zu Kriminellenkreisen nicht leugnen, obwohl sie nie verhaftet worden war. Ihr Vater war mit dem Geld abgetaucht, um das er die Amari Corporation gebracht hatte, und würde kaum wieder auftauchen, selbst wenn seine Tochter verhaftet wurde. Nolan Wyatt würde seinen Kopf für niemanden hinhalten. Schon gar nicht, wenn er ein Leben in Luxus gegen einen langjährigen Gefängnisaufenthalt eintauschen müsste.

Darum würde man sich an ihr schadlos halten und ein Exempel statuieren. Sie würde als Betrügerin, die einen Konzernchef hinters Licht geführt hatte, vor Gericht gestellt werden und ins Gefängnis wandern. So viel war Charity bereits klar.

Andererseits bot Rocco Amari ihr einen Ausweg an. Einen Handel, der sie vor dem Gefängnis retten konnte.

Wenn sie vernünftig darüber nachdachte, konnte sie sein Angebot nicht ablehnen egal wie es lautete.

Selbst wenn sie mit dem Schlimmsten rechnen musste.

Ich bin ein Feigling! In diesem Moment hasste Charity sich selbst. Wollte sie sich tatsächlich verkaufen, um dem Gefängnis zu entgehen? Aber sie hatte Angst. Eingesperrt zu werden wäre ein Horror! Nach allem, was sie bei ihrem Vater erlebt hatte, waren Anwälte, Richter und Uniformierte ihre schlimmsten Feinde.

Bei der bloßen Vorstellung, hinter Gittern zu landen, brach Charity der kalte Schweiß aus. Wenn sie beide Übel gegeneinander abwog – Amari oder eine Haftstrafe – war Ersteres schnell vorbei.

Außerdem wusste sie noch nicht einmal, was er von ihr wollte.

Rocco Amari hat mir Reizwäsche geschickt. Sagt das nicht eigentlich alles?

So naiv war sie nun auch wieder nicht. Mit Männern hatte sie ihre Erfahrungen. Ihr Vater war ein Lügner und Betrüger. Und er hatte ihr beigebracht, Lügner und Betrüger und ihre dunklen Absichten schnell zu durchschauen und auf das Schlimmste gefasst zu sein.

In diesem Fall war eigentlich sonnenklar, dass Rocco Amari sie für den Job eingekleidet hatte, den er ihr zugedachte.

Ein weiterer Ober erschien, sobald Rocco mit dem Hauptgang fertig war. „Nachtisch, Mr. Amari?“

„Nein …“, wehrte Charity schnell ab. „Kein Nachtisch.“

„Schicken Sie den Nachtisch und den Kaffee in meine Suite“, überging Rocco Amari ihren Einwand glatt. „Ms. Wyatt und ich möchten uns zurückziehen.“

Der Ober nickte und verzog keine Miene. Taktvoll verschwand er.

Charitys Magen spielte verrückt, sie fühlte sich elend. Rocco Amari wollte sie mit aufs Zimmer nehmen. Um mit ihr allein zu sein. Ihr schwante Böses. „Sprechen wir jetzt über den Handel?“ Sie durften das Restaurant auf keinen Fall verlassen, sie musste ihn hier unten von seinem Vorhaben abbringen.

„Natürlich. Oben in meinem Zimmer. Jetzt kommt der Teil, bei dem ich mich überzeugen werde, ob Sie meine Warnung befolgt haben.“

Charitys Herz begann zu rasen, ihr Puls spielte verrückt. „Welche Warnung?“ Ihre Kehle fühlte sich trocken an. Natürlich wusste sie, welche Warnung.

„Jetzt wird sich zeigen, ob Sie die Dessous tragen, die ich Ihnen geschickt habe.“

„Ich habe nichts versprochen.“ Mutig blickte sie ihm ins Gesicht. Sie musste die Sache rückgängig machen und an Rocco Amaris Verständnis, seine Menschlichkeit appellieren.

Mit jemandem wie ihm die Klingen zu kreuzen würde ihr nichts bringen. Er war ein Alphatier. Wenn sie ihn frontal anging, würde er sie abschmettern. Wenn sie aber das hilflose, bittende Weibchen spielte, könnte es ihr gelingen, bei ihm Beschützerinstinkte zu wecken. Daran sollte sie denken. Sie musste ihre Rolle konsequent durchziehen.

„Sie werden alles akzeptieren, was ich fordere. Weil Sie nicht gewinnen können, falls wir vor Gericht gehen. Der Sieger bin und bleibe ich, und das wissen Sie auch.“

Charity schluckte schmerzlich. Das musste sie nicht überspielen. Es war gut, wenn Rocco merkte, wie verzweifelt sie war und dass sie Angst hatte. Mit Tapferkeit konnte sie bei ihm nicht punkten.

„Ich verstehe nicht, was Sie davon hätten“, versuchte sie vorsichtig, ihn auf ihre Linie einzustimmen.

„Ach cara, Sie sollen gar nichts verstehen. Ich muss mich Ihnen nicht erklären, ich lasse Ihnen nur die Wahl.“ Rocco legte die Hände flach auf das makellos weiße Tischtuch. „Nun? Kommen Sie mit in meine Suite, oder wollen Sie ins Gefängnis wandern?“

Charity blickte auf ihr unberührtes Essen, ihre Lippen fühlten sich eiskalt an. „Wenn mir keine andere Wahl bleibt, gehe ich lieber mit in Ihre Suite“, erwiderte sie tapfer.

Autor

Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

Von da an konnte nichts und niemand...
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