Der Milliardär und die süße Rebellin

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Der sündhaft reiche Wirtschaftstycoon Giancarlo Delucca will nur eins: den Weltmarkt erobern … auch wenn er dafür die widerspenstige Tochter seines größten Konkurrenten heiraten muss. Für den skrupellosen Womanizer steht fest, er wird seine Braut schon zähmen! Egal wie. Aber je raffinierter Keelin versucht, den Hochzeitsdeal zu stoppen, desto mehr ist er von der rothaarigen Schönheit fasziniert. Und plötzlich ist es nicht mehr die Welt, die der Milliardär erobern will, sondern Keelins Herz … bis sich ihr trotziges "Nein" endlich in ein süßes "Ja" verwandelt ...


  • Erscheinungstag 19.07.2016
  • Bandnummer 2240
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706869
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Das ist der Deal, Delucca, akzeptieren Sie ihn oder lassen Sie es sein. Ich muss Ihnen wohl nicht extra versichern, dass, sollten Sie sich gegen die Fusion entscheiden, die Marke ‚O’Connor‘ davon nicht im Geringsten beeinträchtigt würde …“

Angesichts des arroganten Tons verhärtete sich Giancarlo Deluccas Wangenmuskulatur. Die Anspielung des älteren Iren war kaum als subtil zu bezeichnen. Den unausgesprochenen zweiten Teil des Satzes konnte Gianni, wie er zumeist genannt wurde, problemlos für sich ergänzen: … während die Marke ‚Delucca‘ weiterhin über Jahre allein auf den Europäischen Markt beschränkt bliebe, bevor sie sich weltweit etablieren ließe.

Unter halb geschlossenen Lidern musterte er Liam O’Connor, der in seinem massiven Chefsessel thronte – Dublins Finanzdistrikt als eindrucksvolle Kulisse im Rücken. „Und was hält Ihre Tochter von dieser arrangierten Ehe?“

O’Connors stahlgraue Augen verdunkelten sich, und um seinen Mund zuckte es kaum merklich. „Was das Familienunternehmen betrifft, zeigt sich Keelin absolut loyal.“

„Loyal genug, um sich auf eine Vernunftehe einzulassen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, erhob sich Gianni von seinem Stuhl und schlenderte zu der deckenhohen Fensterfront. Damit er sich nicht mit allen zehn Fingern nervös durchs Haar fuhr, schob er die Hände in die Hosentaschen.

Hochzeit! Er spürte, wie sich sein Hals zuschnürte und er kaum noch Luft bekam.

Allein das Wort rief finstere Bilder und üble Erinnerungen in ihm wach. Habe ich nicht geschworen, niemals selbst in diese Falle zu tappen?

Trotzdem blieb Fakt, dass er auf die Fusion mit dem überaus erfolgreichen Firmenimage von O’Connor Foods angewiesen war, um den internationalen Markt und ganz besonders die USA zu erobern. Das würde ihn endlich seine schlimme Kindheit und die bitteren Erinnerungen an die quälenden Jahre seiner Jugend vergessen lassen. Denn nichts wünschte er sich mehr, als den Namen Delucca zu rehabilitieren, damit ihn irgendwann niemand mehr mit der Schreckensherrschaft der Mafia in Verbindung bringen würde.

„Keelin ist ungemein charmant und attraktiv“, brach O’Connor hinter ihm in seine Gedanken. „Gebildet und perfekt erzogen. Als Ehefrau ein echter Gewinn für Ihren ehrgeizigen Plan, zu expandieren und sich an die Weltspitze zu setzen.“

Es ekelte ihn an, dass O’Connor sein eigen Fleisch und Blut wie eine preisgekrönte Zuchtstute anpries. Doch da Gianni seine Emotionen für sich behalten wollte, blieb er vor dem Fenster stehen. „Glauben Sie etwa, ich selbst könnte mir keine Ehefrau suchen?“ Nicht, dass ich es je erwogen hätte!

Liam O’Connor lachte trocken. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie nur mit dem Finger schnipsen müssten, um in Sekundenschnelle eine Frau zu finden, Delucca! Schließlich eilt Ihnen Ihr Ruf als …“

Gianni schwang so abrupt herum, dass er dem anderen das Wort abschnitt. „Vorsicht, O’Connor …“ Obwohl es in ihm brodelte, zwang er sich zu einem ruhigen Ton.

Der ältere Mann erhob sich von seinem Chefsessel und kam um den Schreibtisch herum. Hochgewachsen und absolut imposant, mit markanten Gesichtszügen und silbergrauem Haar. Das ältere Alpha-Tier, das sich dem jüngeren Konkurrenten gelassen stellt, auch wenn der sich größer, kräftiger und attraktiver präsentierte, als O’Connor es je gewesen war.

Gianni wusste alles über Alpha Males. Er hatte es schließlich mit der Inkarnation dieser Spezies aufnehmen müssen: seinem Vater.

„Kein anderes Unternehmen kann Ihnen so eine Aura von Solidität und Achtbarkeit verschaffen wie unseres.“ O’Connor nahm kein Blatt vor den Mund. „Besonders im Fall einer Fusion. Wenn wir uns zusammenschließen, genießen Sie automatisch den Vertrauensbonus, der uns seit jeher entgegengebracht wird. Ich biete Ihnen die einmalige Chance, sowohl Ihre Marke wie Ihren Namen auf einem Niveau zu etablieren, das Sie allein nie erreichen würden. Und Sie wissen so gut wie ich, dass einem Familienmenschen grundsätzlich mehr Vertrauen entgegengebracht wird.“

Und wieder stand der unausgesprochene Rest hörbar im Raum: Jemandem, dem weder das despektierliche Image eines notorischen Playboys anhaftet noch eine Verbindung zur Unterwelt.

Verdammt! Auch wenn er den Mann dafür hasste, O’Connor hatte recht. Es wäre der Deal seines Lebens. „Das mag ja alles der Fall sein, aber vergessen wir dabei doch nicht, dass Ihr eigenes Unternehmen durch die Aufnahme italienischer Luxusprodukte in Ihr traditionelles Programm eine enorme Auffrischung erfahren würde“, führte Gianni kühl an, um seine eigene Position zu behaupten.

Augenblicklich umwölkte sich O’Connors Blick. Offensichtlich behagte es ihm nicht, daran erinnert zu werden.

„Warum ist diese arrangierte Ehe mit Ihrer Tochter für Sie eigentlich ein unverzichtbarer Teil des Deals?“, fragte Gianni abrupt.

„Keelin ist unser einziges Kind und alleinige Erbin, und ich bin ein altmodischer Mann, Delucca. Ich wünsche mir für meine Tochter eine gesicherte Zukunft. Mit einer Verbindung zwischen euch beiden wird unser Familienname am Leben bleiben.“

Der reichte allerdings nicht, um Giannis Misstrauen zu entkräften. Doch eine Gruppe gerahmter Fotos hinter dem älteren Mann an der Wand zog seinen Blick wie magisch an und lenkte ihn ab. Als er näher trat, erkannte er O’Connor in Gesellschaft prominenter Persönlichkeiten. Unter anderem neben zwei amerikanischen Präsidenten – stets begleitet von einer attraktiven Frau mit rötlichblondem Haar und grünen Augen, bei der es sich offensichtlich um seine Gattin handelte.

Darunter hing das Bild einer lachenden jungen Frau auf einem Pferd. Zu einer verwaschenen Jeans trug sie ein ebenfalls ziemlich verblichenes T-Shirt, das sich über ihren prallen Brüsten spannte. Die Taille wirkte sehr schmal, die Hüften durchaus weiblich. Sie war hinreißend attraktiv, allerdings nicht auf die elegante Weise wie ihre Mutter, hatte aber deren mandelförmige, grüne Augen. Die wilde rote Haarmähne war zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengezurrt, die milchweiße Haut zierten Sommersprossen, dafür leuchteten die Wangen wie voll erblühte Rosen.

Ihre natürliche, unverfälschte Schönheit brachte eine Saite in ihm zum Klingen, von der Gianni bisher nicht gewusst hatte, dass er sie besaß. Dabei entsprach sie absolut nicht seinem favorisierten Frauentyp.

„Das ist unsere Tochter Keelin“, erklärte O’Connor überflüssigerweise. „Also, wie sieht es aus, Delucca? Sind Sie zu einer Entscheidung gekommen?“

Gianni schwieg. Er musste nichts sagen, denn beide Männer kannten die Antwort …

1. KAPITEL

Keelin O’Connor ließ den Blick durch die elegante Hotelsuite im exklusiven Harrington Hotel in Rom schweifen. Allerdings waren momentan so ziemlich jedes Möbel und ein Großteil des Bodens mit Einkaufstüten, Taschen und Kartons bedeckt.

Als Shopping-Novizin konnte sie nur hoffen, verwegen genug gewesen zu sein, indem sie einfach alles zusammengerafft und mitgenommen hatte, was die Reichen und Schönen ihrer Ansicht nach in den einschlägigen TV-Serien trugen.

Ihr Verlobter – bei dem es sich um einen ihr völlig fremden Mann handelte – konnte jede Minute hier auftauchen. Und sie hasste es, wie feucht ihre Innenhandflächen waren und dass ihr Blut immer noch vor Ärger und Empörung kochte, angesichts dessen, was ihr Vater von ihr verlangte.

„Das kann unmöglich dein Ernst sein!“, hatte sie ihm vor zwei Wochen vorgehalten, als er ihr sein ungeheuerliches Ansinnen offenbart hatte.

„Und ob!“ Sein Gesicht hatte gewirkt wie aus Granit gehauen.

Keelin sprach bewusst langsam, um sicherzugehen, dass sie wach und nicht in einem schrecklichen Albtraum gefangen war. „Du hast mich an einen völlig Fremden als seine zukünftige Ehefrau verschachert?“

Zumindest für eine Sekunde konnte sie ihren Vater damit aus der Fassung bringen. „So ist das nicht“, erwiderte er gepresst, erhob sich und fuhr sich mit der Hand durch das dichte, graue Haar. „Giancarlo Delucca ist einer von Italiens innovativsten und erfolgreichsten Privatunternehmern. Innerhalb von nur drei Jahren haben sich seine italienischen Spezialitäten und Weine fest auf dem europäischen Markt etabliert und dem Namen Delucca überall Respekt verschafft. Ganz abgesehen von den Profiten, die einfach unerhört sind.“

„Und was zur Hölle hat all das mit mir zu tun?“

Um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, stützte ihr Vater beide Hände auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. „Was das mit dir zu tun hat? Alles!“ Mit jedem Wort klang seine Stimme fester und ultimativer. „Ich will eine Fusion mit diesem Mann, um die Zukunft von O’Connor Foods zu sichern. Und du bist Teil dieses Deals.“

Keelin ballte die Hände so fest zusammen, dass die Nägel ihr ins Fleisch schnitten. „Das ist archaisch! Und menschenverachtend.“

Ihr Vater richtete sich zu seiner vollen Höhe auf. „Sei nicht so naiv“, wies er sie kühl zurecht. „Hier geht es einzig und allein ums Geschäft. Davon abgesehen ist Giancarlo Delucca jung, reich und außerordentlich attraktiv. Jedes weibliche Wesen würde sonst was darum geben, ihn als Ehemann zu bekommen.“

„Jede, die nicht mehr als ein oder zwei Hirnzellen ihr Eigen nennt, meinst du wohl!“, höhnte Keelin, während sie versuchte, ihre dürftigen Informationen über diesen Delucca-Typen aus ihrem Hinterkopf zu kramen. Die finstere Miene ihres Vaters ignorierte sie dabei tunlichst. „Hat er nicht irgendwelche dubiosen Verbindungen zur Mafia?“

„Das betraf seinen Vater“, kam es defensiv, aber bestimmt zurück. „Und der ist tot. Giancarlo Delucca ist entschlossen, dieses Erbe nicht fortzuführen, sondern ein neues Kapitel in der Familiengeschichte zu beginnen. Darum will er auch heiraten und sich häuslich niederlassen.“

„Mit mir an seiner Seite …“ Keelin lachte auf und fand selbst, dass es eindeutig hysterisch klang. „Ich Glückliche!“

Kühle graue Augen trafen in einem stummen Duell auf hitzige grüne.

„Hast du nicht immer darauf gedrängt, stärker in die geschäftlichen Belange eingebunden zu werden?“

„Ja …“ Der Kloß in ihrem Hals und die Erinnerung daran, wie rigoros sie bisher von ihrem Vater ausgegrenzt worden war, ließen Keelins Stimme rau und brüchig klingen. „Aber nicht als Zuchtstute, die an den Meistbietenden versteigert wird, sondern als eigenständige Person und Erbin des Familienunternehmens.“

„Du hast mir bisher wenig Anlass gegeben, dich in diesem Licht zu sehen, Keelin.“ Den Zug um Liam O’Connors Mund konnte man nur als unerbittlich bezeichnen.

Es war die ewig gleiche alte Wut und Verzweiflung, die in ihr aufstieg und ihr den Hals zuschnürte. Aus Angst, ihr Vater könne das zu seinem Vorteil ausnutzen, trat Keelin an die riesige Fensterfront, die einen eindrucksvollen Blick auf die futuristisch anmutende Brücke über den Liffey River bot, benannt nach dem berühmten Schriftsteller Samuel Beckett.

Dublin präsentierte sich ihr im strahlenden Sonnenlicht eines wundervollen Frühlingstages, und sie hatte keinen Blick dafür. Wie durch eine unaufhaltsame Tsunamiwelle fühlte sich Keelin von dem Schmerz überflutet, ihr Leben lang missverstanden und nie wirklich wahrgenommen zu werden. Schon immer war sie für beide Elternteile eine einzige Enttäuschung gewesen. Für ihre Mutter, weil sie sich nicht zu dem niedlichen Modepüppchen dressieren ließ, das diese sich wünschte, und für ihren Vater hatte sie einfach das falsche Geschlecht.

Sobald Keelin erkannt hatte, weshalb ihre kindliche Liebe nicht von den Eltern erwidert wurde, setzte sie alles daran, ihre Aufmerksamkeit auf anderem Weg zu gewinnen. Das schlug sich hauptsächlich in einer Serie ungestümer Teenagerrebellionen nieder, die ebenso sinnlos gewesen waren, wie sie ihr heute als zu peinlich erschienen, um sich überhaupt noch daran zu erinnern. Doch selbst nachdem sie diese Phase ihres Lebens abgehakt hatte, änderte sich nichts. Ihre Eltern befanden es nicht einmal für nötig, an der Feier zu ihrem Universitätsabschluss teilzunehmen.

Keelin blinzelte und versuchte, ihr Gesicht, das sich in der riesigen Scheibe widerspiegelte, zu ignorieren … die Haut zu blass, die Augen zu groß, das Haar zu rot. Viel zu rot und auffällig, um sich jemals dezent im Hintergrund halten zu können, was gerade in der rebellischen Teenagerzeit ein Vorteil gewesen wäre.

Sobald sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, wandte sich Keelin um und suchte den Blick ihres Vaters. „Und was ist mit unserem Namen, der dir so viel bedeutet? Wenn ich diesen … Mann heirate, stirbt er doch in jedem Fall aus.“

Liam O’Connor schüttelte den Kopf. „Nein, das wird er nicht. Delucca hat zugestimmt, dass sowohl unser Familienname wie das Firmenlogo erhalten bleiben und an deine Söhne weitervererbt werden.“

Meine Söhne! Gezeugt mit einem völlig Fremden … einem Verbrecher!

Ihr Vater war um den Schreibtisch herumgekommen und stand jetzt dicht vor ihr, mit einem weichen Zug um den Mund, wie sie ihn nur sehr selten bei ihm sah. Keelin spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Bin ich etwa so verdammt süchtig nach Anerkennung, dass ich Gefahr laufe, auf diese dürftige Demonstration väterlicher Liebe hereinzufallen?

Liam seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Die nackte Wahrheit ist … O’Connor Foods steckt in ernsten Schwierigkeiten, wie so ziemlich jedes Unternehmen in dieser Region.“

Natürlich war Keelin nicht entgangen, dass sich die Zahlen des Familienbetriebs in den letzten Jahren verändert hatten, aber doch nicht so gravierend, um alarmiert sein zu müssen, oder doch? Aber woher sollte sie das auch wissen, wenn ihr nie Einblick gewährt wurde?

„Was meinst du mit ernsthaften Schwierigkeiten?“, fragte sie rau.

Ihr Vater reagierte darauf mit einer Handbewegung, die sie nur zu gut kannte und die ihn, nach seiner eigenen Meinung, einer konkreten Antwort enthob. „Eine Fusion mit Delucca verschafft uns die Schubkraft und Absicherung, die wir benötigen, um den Weg in die Zukunft zu ebnen. Und damit ist auch deine Zukunft gesichert.“

Habe ich wirklich auch nur für einen Sekundenbruchteil geglaubt, es ginge ihm bei dem Deal mit Delucca in erster Linie um mein Wohlergehen?

Nein! Natürlich nicht! Das war die einzige Antwort, die Keelin zulassen konnte, um ihrer fatalen Schwäche entgegenzutreten: der unstillbaren Sehnsucht, allein um ihrer selbst willen geliebt, geschätzt und für voll genommen zu werden.

„Aber meine Zukunft ist auch so in jedem Fall abgesichert“, behauptete sie spröde. „Ich habe nicht umsonst studiert und kann mit deiner Hilfe unser Unternehmen …“

Liam O’Connor hob die Hand, jede Weichheit war aus seinen Zügen geschwunden. „Wenn du mir wirklich beweisen willst, dass du für die Firma von Nutzen sein kannst, dann ist diese Heirat deine einzige Chance dazu, Keelin.“

Das winzige Hoffnungsflämmchen, das sie unsinnigerweise genährt hatte, erlosch. Alles in ihr fühlte sich taub an, als Keelin langsam den Kopf schüttelte. „Nein.“

Ihr Vater kehrte hinter den Schreibtisch zurück und schlug mit der flachen Hand auf die Platte. „Ich hätte wissen müssen, dass du versagst, sobald du die Chance bekommst, deine Loyalität, derer du dich immer so vollmundig rühmst, zu beweisen! Aber eines lass dir gesagt sein, Keelin: Solltest du bei deiner Entscheidung bleiben, stehst du ab sofort auf eigenen Füßen.“

Sekundenlang hatte sie das Gefühl, einen Faustschlag mitten in die Magengrube bekommen zu haben. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt, ihrem Vater ihre Loyalität zu beweisen, und die einzige Chance, die er ihr dazu bot, bekam sie nur durch die Aufgabe ihrer persönlichen Freiheit. Keelin konnte nicht fassen, was gerade passierte.

Und plötzlich tauchte er auf, ein Hoffnungsschimmer, ein kleiner, rettender Gedanke, aus purer Verzweiflung geboren: „Was ist, wenn wir uns treffen und Delucca feststellt, dass er mich gar nicht heiraten will?“

„Natürlich will er! Du bist eine attraktive junge Frau, und du hast im Gepäck, worauf er absolut scharf ist: die Eroberung des internationalen Markts. Diese Option wird er sich niemals durch die Finger gehen lassen.“

Doch an dem Punkt hatte sie ihrem Vater schon gar nicht mehr zugehört. Stattdessen war sie völlig davon gefangen genommen, einen Ausweg aus diesem absurden Szenario zu finden, ohne gleich alle Brücken hinter sich abbrechen zu müssen. Allein deshalb hatte sie schließlich einer Begegnung mit Delucca zugestimmt.

Und jetzt saß sie hier, und es blieben ihr nur noch wenige Sekunden bis zu dem geplanten Treffen …

In der Zwischenzeit hatte Keelin versucht, so viel wie möglich über Giancarlo Delucca herauszufinden. Offenbar war er regelrecht davon besessen, die Gerüchteküche über seine angebliche Verbindung zur Mafia im Keim zu ersticken.

Er galt als Musterbeispiel für italienische Eleganz, und zu Keelins Verdruss überlief sie jedes Mal ein Schauer, wenn sie sein Foto ansah. Delucca war ungewöhnlich attraktiv und geradezu gemeingefährlich maskulin, daran gab es nichts zu rütteln.

Und er war bemüht, sich Millionen von Meilen von dem schlechten Image seines Vaters zu distanzieren, der auf bestialische Weise von einer rivalisierenden Mafiafraktion liquidiert worden war. Was sein Liebesleben betraf, gab es kein Bild, das ihn mehr als einmal zusammen mit einer der extravaganten Schönheiten zeigte, die offenbar seinem Beuteschema entsprachen: groß, gertenschlank, brünett und atemberaubend. Modisch gesehen eher von schlichter Eleganz, mit dem gewissen ‚Je ne sais quoi‘, wie ein französisches Modemagazin titelte.

Der perfekte Prototyp Frau, um in seiner gegenwärtigen Situation nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig auf sich zu ziehen, dachte Keelin ketzerisch. Und obwohl Delucca einen geradezu legendären Ruf als notorischer Playboy genoss, schien es kein einziges Foto zu geben, das ihn in einer despektierlichen Situation zeigte. Keine Klatsch- oder Skandalgeschichten. Vielleicht war sein Womanizer-Etikett ja auch nur ein Gerücht? Oder waren ihm Frauen einfach nicht wichtig genug auf seinem rücksichtslosen Weg nach oben? Seriosität und Diskretion dagegen offenbar umso mehr …

Das alles zusammengenommen lieferte Keelin genügend Munition, um sich eine Strategie zurechtzulegen. Ein Mann wie Giancarlo Delucca konnte sich unmöglich eine anspruchsvolle Ehefrau wünschen! Daher hatte sie beschlossen, sich in eine Version dieser Spezies zu verwandeln, was es ihm leicht machen würde, diesen Teil des geplanten Deals mit ihrem Vater rundheraus abzuschmettern.

Herausgekommen war eine absolut überzeichnete Karikatur der Sorte Mädchen, die ihr schon in Schulzeiten verhasst gewesen waren: reich, privilegiert, hohlköpfig, grottenlangweilig und absolut austauschbar. Und hoffentlich exakt der Typ Frau, vor dem Giancarlo Delucca schreiend davonlaufen würde …

Keelin warf abschließend einen prüfenden Blick in den hohen Spiegel. Kleid: sehr kurz, rotes Haar: massenhaft, Make-up: viel zu dick aufgetragen. Ihre Mutter wäre hingerissen. Keelin schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse, legte noch einmal reichlich Parfum nach und musste prompt niesen.

Ein Klopfen an der Zimmertür ließ ihr Herz wild schlagen. Sie fühlte sich absolut lächerlich und nicht bereit für das, was ihr bevorstand. Er würde sie auf den ersten Blick durchschauen.

Es klopfte erneut, diesmal schärfer. Keelin schloss die Augen, holte tief Luft und stählte sich innerlich. Ich muss bereit sein für den bevorstehenden Kampf. Immerhin geht es hier um meine Freiheit und meine Zukunft! Mit einem, wie sie hoffte, ausdruckslosen Lächeln ging sie zur Tür und öffnete. Das Lächeln schwand, als sie ihren Blick an dem dunklen Adonis im nachtblauen Anzug emporwandern ließ.

Keines der zahlreichen Pressefotos hatte sie auf Giancarlo Delucca in Fleisch und Blut vorbereitet …

Gianni zuckte instinktiv zurück und versuchte, sich ein erstes Bild von der Frau vor ihm zu machen, ohne dem Würgereiz nachzugeben, den die üble Parfumwolke in ihm auslöste.

Von allem zu viel! war das Erste, was ihm durch den Kopf schoss. Viel zu viel …

Unmengen von rotem Haar, total überzogenes Make-up und ein enges, ärmelloses Kleid, das extrem viel, vermutlich im Sonnenstudio gebräunte Haut sehen ließ, sowohl unterhalb des sehr kurzen Saums als auch im mehr als großzügigen Dekolleté. Die Frau vor ihm glich in keiner Hinsicht dem Bild, das er in O’Connors Büro gesehen hatte. Der Verdacht, von dem alten Mann möglicherweise vorsätzlich getäuscht worden zu sein, ließ Wut in ihm hochkochen. Es verschlug ihm vorübergehend die Sprache – ein Zustand, den er nicht gewohnt war.

Sekundenlang starrten sie einander nur wortlos an.

Während sich die penetrante Parfumwolke langsam verflüchtigte, schluckte Gianni seinen Ärger herunter und ermahnte sich, nicht vorschnell zu urteilen. „Miss O’Connor, es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin Giancarlo Delucca. Benvenuto. Herzlich willkommen in Italien.“

Keelin blinzelte verwirrt, dann erwiderte sie sein Lächeln und trat zur Seite. „Verzeihung, aber ich bin eben erst vom Shoppen zurückgekommen … irgendwo in der Nähe einer Via del Corso.“

Gianni betrat das Hotelzimmer, wobei ihm auffiel, dass sein Date auch ohne die schwindelerregenden High Heels als durchaus hochgewachsen bezeichnet werden konnte. Über ein Meter fünfundsiebzig schätzungsweise, was ihn überraschte und ihn Keelin O’Connor noch einmal in einem ganz anderen Licht sehen ließ.

Als die Tür hinter ihm ins Schloss klickte, verspürte er einen kaum zu unterdrückenden Fluchtinstinkt.

Vigliacco! Feigling! schalt er sich selbst. Es gab eine Menge triftiger Gründe, warum er diesem kaltblütigen Deal zugestimmt hatte. Seine Überzeugung, eine Heirat als geschäftliche Transaktion akzeptieren zu können, war einer davon gewesen. Emotionale oder gar amouröse Verwicklungen hingegen nicht im Entferntesten.

Gianni wappnete sich innerlich, ehe er sich Keelin erneut zuwandte. Dieses Zuviel in jeder Hinsicht irritierte ihn immer noch, doch die unglaublich langen, wohlgeformten Beine und das geradezu spektakuläre Dekolleté machten einiges wieder wett.

Dio! Er hatte eine natürliche Schönheit erwartet. Eine intelligente, kultivierte junge Lady und kein aufgetakeltes Society-Girl.

Mit einer flatternden Geste wies Keelin auf anscheinend Hunderte von verstreut herumliegenden Tüten und Schachteln mit Luxus-Signets. „Nochmals vielen Dank für all das. Eine Kreditkarte als Willkommensgeschenk. Was für eine großzügige Geste. In Rom zu shoppen ist einfach fantastisch. Ich habe mich gleich zu Hause gefühlt!“

Der Blick, den sie ihm dabei zuwarf, verursachte ihm einen bitteren Geschmack im Mund. Auch wenn er überrascht feststellte, dass ihre Augen unter dem schwarzen Panda-Make-up tatsächlich so groß und strahlend waren, wie er es nach dem Foto vermutet hatte. Sie schimmerten in einem ungewöhnlich dunklen Grün.

„Ich muss gestehen, als ich das Wort ‚Brautausstattung‘ las, war ich schon ein wenig aufgeregt. Der Rest wird morgen hierhergeliefert.“

„Der Rest …“ Giannis Augen weiteten sich kaum merklich.

„Aber ja!“ Ihr zwitscherndes Lachen peinigte sein Ohr. „Nur noch ein paar entzückende Sachen, denen ich unmöglich widerstehen konnte! Aber wie es aussieht …“ Mit dramatischem Augenrollen vollführte Keelin eine ausholende Geste. „Das Harrington ist ein wirklich schönes Hotel, Mr. Delucca, aber ich bin an ein wenig mehr Platz gewöhnt. Im Chatsfield zum Beispiel ist alles großzügiger dimensioniert.“

Gianni versuchte, seinem aufkeimenden Widerwillen keinen Raum zu geben. Er hatte dieses Hotel wegen seiner diskreten Exklusivität ausgewählt. Der opulente Luxus des Chatsfield Hotels hätte der ganzen Aktion in seinen Augen nur noch mehr Gewicht verliehen, wovor er instinktiv zurückgeschreckt war.

„Wie auch immer“, verkündete Keelin sonnig. „Das geht schon in Ordnung. Besonders, seit mir zu Ohren gekommen ist, dass Scheich Zayn und Sophie Parsons hier abgestiegen sein sollen.“ Jetzt rollte sie auch noch theatralisch mit ihren wirklich eindrucksvollen Augen. „Haben Sie die Bilder von ihrer Hochzeit gesehen? So glamourös und romantisch. Ich würde die beiden unglaublich gern einmal live sehen!“

Nein! dachte Gianni grimmig. Natürlich habe ich mir keine Fotos von irgendeiner Promi-Hochzeit angesehen! Trotzdem schlug angesichts der erwähnten Namen eine kleine Alarmglocke in seinem Hinterkopf an. Er erinnerte sich an eine Schlagzeile James Chatsfield betreffend, der aktuell sein Playboy-Dasein in irgendeinem exklusiven Ski-Resort auslebte. Für ihn nur ein weiterer Grund, sich für die diskrete Atmosphäre im Harrington entschieden zu haben.

Keelin lächelte ihm unbefangen zu, süß, aber irgendwie … ausdruckslos.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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