Süße Versuchung, verbotenes Glück

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Für Olivia Harrington ist die Berlinale der perfekte Ort, um ihren neuen Film zu feiern … aber seit ihrer Ankunft im Luxushotel The Chatsfield läuft einfach alles schief! Nicht nur, dass sie mit dem arroganten, aber aufregend attraktiven Hoteltycoon Ben Chatsfield im Dauerstreit liegt, nein, das Foto eines Paparazzo zeigt sie beide auch noch als Liebespaar! Dabei ist Ben der letzte Mann auf der Welt, in den sie sich verlieben darf - schließlich sind ihre Familien seit jeher verfeindet! Aber warum fühlt es sich so verwegen sinnlich an, als der sexy Rivale sie trotzdem küsst?


  • Erscheinungstag 16.08.2016
  • Bandnummer 2244
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706920
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Du wusstest es …“

Ben Chatsfield starrte seinen Bruder Spencer an und versuchte, seinen aufwallenden Ärger im Zaum zu halten. Die Hände zu Fäusten geballt, gelang es ihm nur mit äußerster Anstrengung, die bitteren Worte, die ihm auf der Zunge lagen, zurückzuhalten. Natürlich schluckte er sie herunter.

So, wie er immer alles heruntergeschluckt hatte.

Stattdessen rang er sich ein ironisches Lächeln ab, als würde ihn Spencers Eröffnung eher amüsieren als schockieren. „Und wie lange weißt du es schon?“

„Dass ich illegitim bin?“ Spencer zuckte mit den Schultern. „Fünf Jahre. Seit meinem neunundzwanzigsten Geburtstag.“

Fünf Jahre!

Ben blinzelte, versuchte seinen inneren Aufruhr zu kaschieren und das Gehörte zu verdauen. Fünf lange Jahre, in denen er sich von seinem Bruder und der ganzen Familie ferngehalten hatte. Und wofür? Wie es aussah, absolut grundlos.

„Nettes Plätzchen hier“, registrierte Spencer mit Rundumblick auf den stylisch eleganten Speiseraum von Bens Flagship-Bistro im Herzen von Nizza. Wie ein x-beliebiger Tourist war er ohne Vorwarnung durch die getönten Glastüren hereingeschlendert, die Sonnenbrille lässig auf die Stirn geschoben. Mit dem Anführer der drei Musketiere von früher hatte er in diesem Moment nichts gemein.

Als Ben aus der Küche um die Ecke kam, grinste Spencer ihn so unbefangen an, als hätten sie sich zuletzt vor einer Woche gesehen.

„Hey, Ben!“

„Spencer …“

Und dann eröffnete sein großer Bruder ihm ohne Vorwarnung, dass er bereits seit fünf Jahren wisse, was Ben mit achtzehn Jahren entdeckt hatte. Ein schockierendes Geheimnis, das ihn damals zutiefst verstört und dazu gebracht hatte, sein Zuhause zu verlassen und mit der Familie zu brechen. Ihm hatte es nahezu alles genommen, und Spencer selbst lächelte darüber.

„Ist doch eine alte Geschichte, Ben“, versuchte er einen versöhnlichen Ton anzuschlagen.

Fünf Jahre zu spät!

„Ich ahnte schon immer, dass es einen Grund geben musste, warum Michael sich mir gegenüber anders verhält als James und dir gegenüber. Ich bin fast froh darüber, nicht sein leiblicher Sohn zu sein und habe meinen Frieden damit geschlossen.“

„Schön für dich.“ Ben tat sein Bestes, um sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen. Das Wechselspiel zwischen Reue, Schuldbewusstsein, Sorge und der aufkeimenden Freude, seinen Bruder vor sich zu sehen, gipfelte in einer vorherrschenden Emotion: Wut.

Ein alt vertrautes Gefühl, das wie eine heiße Woge seinen Körper überschwemmte. Glaubt Spencer wirklich, einfach so in mein neues Leben reinplatzen zu können? Keine Entschuldigung, keine Erklärung, nur ein lässiges Wegwedeln von vierzehn endlosen Jahren?

„Was willst du hier, Spencer?“

Die direkte Frage und der fast feindselige Ton schienen Spencer zu befremden. „Freust du dich gar nicht, mich zu sehen? Es ist so lange her, Ben.“

„Du wusstest die ganze Zeit, wo du mich findest.“

„Du ebenso.“

„Aber nicht, dass du inzwischen die Wahrheit kennst.“

„Hätte das denn für dich einen Unterschied gemacht?“

„Vielleicht …“ Ben wich seinem forschenden Blick aus, weil er sich plötzlich selbst unsicher war. Wäre ich wirklich in den Schoß der Familie zurückgekehrt, wenn ich geahnt hätte, dass Spencer von seiner Illegitimität weiß? Schwer zu sagen. Ein Chatsfield zu sein, hatte ihm nur wenig angenehme Erinnerungen beschert. „Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Was tust du hier?“

„Ich habe beschlossen, dass es höchste Zeit für eine Réunion der drei Musketiere ist“, eröffnete ihm Spencer. „James ist auch in Nizza, allerdings nur übers Wochenende. Er würde dich ebenfalls gern sehen. Wir könnten uns wieder zusammentun, Ben. Zum Besten für unser Familienunternehmen.“

The Chatsfield!

Das weltweite Hotel-Imperium, für das ihr Vater gelebt hatte, und das Spencer hätte übernehmen sollen, wäre er nicht illegitim. Doch dank der Intervention ihres Onkels Gene, war er jetzt offenbar als CEO für dessen Tochter Lucilla eingesprungen, weil ihre Cousine die Hotelleitung abgegeben hatte. Ohne dass es Ben nach derartigen Informationen verlangte, erreichte ihn die eine oder andere Neuigkeit, wenn auch eher zufällig.

Und, wenn er sich nicht sehr täuschte, war Spencer nur gekommen, um auch ihn wieder für das Chatsfield-Imperium einzuspannen.

„Warum versuchst du, mir etwas vorzumachen?“, fragte er kühl. „Dir geht es nicht um die drei Musketiere. Du willst, dass ich etwas für dich tue … respektive für die Firma, stimmt’s?“

Spencers Miene verriet ihn. Sie wirkte regelrecht ertappt, fast beleidigt.

Wahrscheinlich nimmt er an, dass ich immer noch der eifrige, harmoniesüchtige Bengel bin, der ihm wie ein Hündchen auf Schritt und Tritt folgt und jedermann glücklich machen will. Gelungen war es ihm ohnehin nie.

Aber all das war eine Ewigkeit her. Inzwischen war er längst nicht mehr darauf aus, jedermann zu gefallen und es jedem recht zu machen. Und für Spencer und das Chatsfield arbeiten wollte er schon gar nicht.

„Ich bin sehr eingespannt, wie du selbst siehst“, bemerkte Ben leichthin mit entschuldigendem Lächeln. Ein taktischer Zug, um nicht der Versuchung zu erliegen, wild um sich zu schlagen – möglicherweise sogar direkt auf Spencers Kinn.

„Ich weiß, dass du Fantastisches auf die Beine gestellt und sogar einen Michelin-Stern erobert hast“, beeilte sich Spencer zu versichern. „Wie viele Restaurants sind es inzwischen?“

„Sieben.“

„Beeindruckend.“

Ben pfiff auf Spencers Anerkennung!

„Ich nehme an, du hast von dem geplanten Deal mit den Harringtons gehört?“

„Dass er einfach nicht vorankommt? Ja, kann schon sein.“ In der letzten Zeit war das Chatsfield gleich mehrfach in Pressemitteilungen aufgetaucht: einmal wegen des Angebots vom Chatsfield, die Harrington Group zu übernehmen, und dann durch die aufsehenerregende Brautwerbung seines Bruders James um Leila Al-Ahmar, Prinzessin von Surhaadi. Äußerst werbewirksam hatte James vor dem Chatsfield New York um Leilas Hand angehalten, während sein Antrag gleichzeitig über eine riesige Leinwand mitten auf dem Time Square flimmerte.

Genau die Art von Medienzirkus, die Ben hasste wie die Pest. Doch der breiten Öffentlichkeit hatte es gefallen, was wiederum Chatsfields Popularität und Ansehen steigerte.

„Die Verhandlungen und Abwicklung werden nicht einfach sein“, gab Spencer zu. „Einige Aktionäre sind inzwischen mit an Bord, aber eben nicht alle. Noch nicht.“

Ben zuckte nur mit den Schultern. Das Hotelgewerbe interessierte ihn schon lange nicht mehr.

„Hör zu“, forderte Spencer. „Ich muss unbedingt am Ball bleiben, in New York wie in London und mich um diese Übernahmegeschichte kümmern. In dieser kritischen Phase …“

„Lass dich nicht aufhalten.“

„Außerdem erwartet man von mir, während der Berlinale Anfang nächster Woche im Chatsfield Berlin zu sein.“

„Während was?“

„Berlinale, das Filmfestival. Viele der avisierten Hollywoodgrößen werden im Chatsfield absteigen. Es ist ein wichtiger Termin für das Hotel und unser gesamtes Unternehmen.“

„Mag schon sein. Ich weiß nur nicht, warum du mir das alles erzählst.“

„Ich brauche jemanden zur Unterstützung … einen Chatsfield.“

Und das war er in der Tat, so gern Ben das auch manches Mal geleugnet hätte.

„Erwartest du etwa von mir, dass ich mein eigenes Geschäft im Stich lasse, nur um dir auszuhelfen und dich nach Berlin zu begleiten?“, fragte er ungläubig. „Und das nach vierzehn Jahren Stillschweigen?“

„Du warst es doch, der damals einfach gegangen ist!“, brauste sein Bruder auf.

Bens Puls schoss in die Höhe. Instinktiv ballte er die Hände zu Fäusten. Da war er wieder, der Drang einfach zuzuschlagen. Aber natürlich beherrschte er sich … wie immer.

Immerhin ist durch meine Unbeherrschtheit fast ein Mann zu Tode gekommen.

„Das ist richtig“, bestätigte er mit rauer Stimme und lockerte seine Fäuste. „Aber ich werde weder deinetwegen noch wegen des Hotels zurückkommen.“

„Du hast dich verändert.“

„Ja.“

Spencer lächelte traurig. „Trotzdem sind und bleiben wir Brüder, Ben. Ich hätte mich schon viel früher bei dir melden sollen … verdammt, und ob ich das hätte tun müssen!“, ging er mit sich selbst ins Gericht. „Aber dasselbe gilt für dich. Ich denke, wir haben uns beide nichts vorzuwerfen, oder?“

Der alte Ben hätte sich überschlagen, Spencer beizupflichten und bereitwillig die Schuld auf sich genommen, nur um den Familienfrieden wiederherzustellen. Doch der Ben, der seit vierzehn Jahren Wut und Bitterkeit unterdrückte und wie ein Besessener nur für seine Arbeit lebte, zuckte nur mit den Schultern.

„Bitte, Ben …“

Verdammt! Spencer zog wirklich alle Register. Jetzt neigte er den Kopf und setzte dieses schiefe Koboldlächeln ein, das Ben unversehens in seine Kindheit zurückkatapultierte und ihn zu dem Jungen machte, der seinen Bruder kritiklos angehimmelt hatte.

„Ich brauche dich, Bruderherz.“

Abwehrend schüttelte er den Kopf. „Ich habe gerade ein Restaurant in Rom eröffnet. Dort werde ich in den nächsten Tagen erwartet und …“

„Zwei Wochen, Ben, mehr nicht. Ich dieser Sache müssen wir als Familie auftreten und vereint hinter dem Chatsfield stehen. Nichts wünsche ich mir mehr.“

Eine vereinte Familie …

Das war alles, was Ben sich als Kind ersehnt hatte. Stattdessen hatten ihm die ständigen Streitereien seiner Eltern und die unkontrollierten Wutausbrüche seines Vaters das Leben zur Hölle gemacht. Egal, was er versucht hatte, um Harmonie und Frieden zu stiften, keine seiner Bemühungen hatte etwas verändert. Dass er sich damals quasi auf dem Altar der Familie geopfert hatte, schien nicht gereicht zu haben. Nun war Spencer gekommen, um mehr zu fordern.

Weil er weiß, dass ich am Ende doch nachgeben werde?

Wie oft hatte er es bereut, einfach gegangen zu sein, obwohl es sich damals so anfühlt hatte, als bliebe ihm keine andere Wahl. Wie oft hatte er heimlich bedauert, derjenige gewesen zu sein, der die Familie auseinandergebracht hatte? Hoffe ich insgeheim vielleicht doch auf eine Wiedergutmachung?

Der ewige Friedensstifter! verhöhnte Ben sich selbst.

„Zwei Wochen.“ Er bemühte sich, seine Stimme neutral zu halten und senkte rasch den Blick, als er sah, wie sich Spencers Gesicht erhellte.

„Ja …“

„Aber ich bin Küchenchef und kein Mann für die erste Reihe und öffentliche Auftritte. Das überlasse ich anderen.“

„Alles bestens“, versicherte Spencer eifrig. „Freundliches Shake Hands reicht.“

Innerlich schüttelte Ben den Kopf, während er instinktiv das Lächeln seines Bruders erwiderte. Dabei hätte er am liebsten einen Rückzieher gemacht. Offenbar hatte er sich doch nicht so verändert, wie er dachte. Das ärgerte ihn.

„Immerhin ist es vierzehn Jahre her, dass ich zum letzten Mal etwas mit dem Chatsfield zu tun hatte“, brummte er. „Fast mein halbes Leben …“

„Ein Grund mehr, endlich zurückzukommen, Bruderherz.“

Es war die Aufrichtigkeit in Spencers Stimme, die ihn anrührte.

„Ich habe dich vermisst, Ben. Es tut mir schrecklich leid, dass du von zu Hause weggegangen bist, um mich zu beschützen und …“

„Vergiss es.“ Ben spürte einen Kloß im Hals. Ob aus Ärger, Trauer oder schlicht zu viel Emotion, vermochte er nicht zu sagen. Er wollte einfach nicht über die Vergangenheit sprechen, ja, nicht einmal daran denken.

„Ich rechne dir hoch an, was du damals versucht hast zu tun“, ließ Spencer nicht locker.

Doch Ben wehrte ihn kopfschüttelnd mit einer heftigen Geste ab. „Also, ich ziehe diese Berlin-Sache mit dir durch, verlange dafür aber eine Gegenleistung.“ Besser, sein Bruder gewöhnte sich daran, dass er sich nicht mehr auf seine bedingungslose Loyalität verlassen durfte. Nichts war mehr wie früher, alles hatte sich geändert. Ich habe mich verändert.

Spencers Brauen wanderten nach oben. „Okay … was willst du von mir?“

„Im Chatsfield London eine Filiale meines Bistros eröffnen.“

Bedenkliches Kopfschütteln. „Dort gibt es bereits ein Restaurant, das einen Michelin-Stern hat.“

„Und dessen Küchenchef kurz vor der Pensionierung steht“, ergänzte Ben kühl. „Abgesehen davon hat er schon seit Jahren sein Format verloren. Also?“

Spencer starrte ihn lange wortlos an, und Ben erwiderte seinen Blick mit einer Gelassenheit, die er nicht empfand. Dann gab sein Bruder sich einen Ruck. „Okay, der Deal steht: Du unterstützt mich während der Berlinale und ich dich bei der Eröffnung deines Restaurants in London.“

„Unterstützung reicht mir nicht, ich will einen unterzeichneten Vertrag.“

„Traust du mir etwa nicht?“

„Hier geht’s ums Geschäft.“

„Schick irgendwas in mein Büro, das ich unterschreibe.“ Spencer sah ihn prüfend an. „Alles wieder in Ordnung zwischen uns?“

Ben nickte langsam. „Yeah … alles in Ordnung.“

Spencer lachte und schüttelte den Kopf. „Du kämpfst mit harten Bandagen, Bruder. Hast dich ganz schön gemausert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.“

Als ich gerade mal achtzehn und für mein Alter reichlich naiv war? Das hoffe ich aber ganz schwer!

Zum ersten Mal wurde Ben in aller Konsequenz bewusst, dass es wirklich sein Bruder war, der nach vierzehn langen Jahren vor ihm stand. Was bedeutete, dass er seine Familie wieder hatte – wenigstens zum Teil. Und neben Ärger, Aufregung und Abwehr meldete sich ein neues Gefühl. Unerwartet, aber warm und willkommen: Freude.

1. KAPITEL

Olivia Harrington schaute sich in dem Standardzimmer um, das sie im Chatsfield gebucht hatte, und hob die Brauen. Sie hatte schon Schränke gesehen, die über mehr Raum verfügten als dieser hier. Über viel mehr!

Seufzend stellte sie ihren Koffer ab, zog die mörderischen High Heels aus, die sie während des ermüdenden Flugs von L. A. hierher getragen hatte, und ließ sich auf die Bettkante sinken. Dann streckte sie ein Bein aus, kickte die Tür zu und sah sich erneut in der Gefängniszelle um, die für die nächste Woche ihr Heim sein würde.

Okay, mit der Präsidenten-Suite war nicht zu rechnen gewesen, schließlich gehörte sie nicht in die Riege der A-Promis. Aber immerhin war sie wegen des Filmfestivals hergekommen, und unter einem Zimmer im besten Hotel am Platz hatte sie sich etwas anderes vorgestellt. Es gab ja nicht mal ein En-Suite-Bad! Und als attraktive Aussicht bot sich ihr die gegenüberliegende Wand an, die sie mit dem ausgestreckten Arm hätte erreichen können, wenn sie so verwegen wäre, das einzige Fenster zu öffnen. Was sie nicht vorhatte.

Außerdem sah es nicht so aus, als ob das Zimmer nach dem letzten Gast, oder besser Insassen, ordentlich geputzt worden wäre. Auf dem Teppichboden lagen Krümel, und das Bettzeug wirkte ziemlich verkrumpelt und auf den zweiten Blick … benutzt!

Ugh! Olivia rümpfte die Nase, beugte sich vor und öffnete die Tür des eingebauten Mini-Kühlschranks unter dem noch winzigeren Fernseher.

Das Horrorszenario um sie herum schrie geradezu nach einem Drink!

Allerdings schien die Minibar bereits von ihrem verärgerten oder verzweifelten Vormieter geplündert worden zu sein. Außer einer Flasche Wasser und einem angebrochenen Schokoriegel starrte ihr gähnende Leere entgegen. Fassungslos schüttelte Olivia den Kopf.

Was für ein Tag! Dabei hatte Olivia geglaubt, es könne nicht schlimmer kommen.

Nach zwei in L. A. gecancelten Flügen fand sie sich schließlich in einem Economy-Sitz wieder, eingeklemmt zwischen einer Mutter mit schreiendem Kind und einem übergewichtigen Geschäftsmann, der die gesamte Armlehne beanspruchte.

Dabei hatte sie sich extra aufgestylt. Denn Olivia wusste sehr wohl, dass Paparazzi auf Schnappschüsse von Promis ohne Make-up aus waren, wie sie völlig übernächtigt aus dem Flieger stolperten. Das hatte sie zumindest verhindern können, dafür brachten sie ihre Füße fast um. Und an erholsamen Schlaf war in dieser unaussprechlichen Unterkunft schon gar nicht zu denken!

Gerechte Empörung trat an die Stelle totaler Erschöpfung.

Mit einer gemurmelten Verwünschung stand Olivia auf, zwängte die schmerzenden Füße in ihre High Heels, die in den wenigen Minuten um mindestens zwei Größen geschrumpft zu sein schienen, und frischte ihren Lippenstift vor dem schmalen Spiegel auf, der über einem ebenso schmalen Schreibtisch hing.

Sie war wirklich keine Diva, aber das hier spottete jeder Beschreibung! In dieser engen Zelle bekam man kaum Luft, geschweige denn, dass man sich für Filmpremieren und Network-Partys zurechtmachen konnte!

Langsam dämmerte Olivia, warum man ihr dieses Gelass angedreht hatte: weil sie eine Harrington war! Und weil ihre Schwester Isabelle sich weigerte, Spencer Chatsfield ihre Anteile am Harrington zu verkaufen, um die Übernahme des Familienunternehmens durch die Chatsfield Group zu verhindern.

Bestimmt hatte Spencer Chatsfield einen diebischen Spaß daran, sich eine Harrington in einem begehbaren Chatsfield-Schrank vorzustellen, der sich auch noch Hotelzimmer schimpfte! Sehr witzig!

Okay, vielleicht hätte sie angesichts der spannungsgeladenen Situation zwischen den beiden Hotelketten gar nicht erst hier buchen sollen. Aber jeder, der etwas auf sich hielt, wohnte während des Filmfestivals im Chatsfield Berlin. Und darauf hatte sie einfach nicht verzichten wollen. Schon gar nicht aus albernem Familienstolz. Dafür hatte sie zu hart gearbeitet und zu viel investiert, um ihre erste große Chance in der Filmbranche nicht optimal zu nutzen.

Olivia wusste, wie das Spiel funktionierte: Bussi hier, Bussi da, mit den Wimpern klimpern, den richtigen Leuten Honig um den Bart schmieren – eben Networking. Sie war bereit, so ziemlich alles zu tun, um ihre Filmkarriere voranzutreiben. Um zu beweisen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte und ihre Mutter bestimmt stolz auf sie wäre.

Außerdem war es Isabelle und nicht sie, die mit den Chatsfields im Clinch lag!

Sie selbst interessierte sich weder für die familieneigene Hotelkette noch für ihre Konkurrenz. Trotzdem war Olivia nicht bereit, sich von einem Chatsfield auf diese Art vorführen zu lassen. Mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel ging sie auf die Suche nach dem Mann, der es offenbar genoss, eine Harrington an der Nase herumzuführen und zu demütigen.

Die luxuriöse Hotellobby mit dem glamourösem Art Nouveau Charme wimmelte förmlich von Stars, Sternchen und Medienvertretern. Olivia sah nur wenige Bekannte, setzte aber ihr strahlendstes Lächeln auf. Winkend und nach allen Seiten Luftküsse verteilend, bahnte sie sich ihren Weg durch die Eingangshalle.

„Ich möchte den Manager sprechen“, wandte sie sich an eine Rezeptionistin.

Die wohlfrisierte Brünette hob indigniert die feingezupften Brauen. „Ich fürchte, Mr. Chatsfield ist außerordentlich beschäftigt, Miss …“

„Harrington. Olivia Harrington.“

Die Empfangsdame wirkte nicht beeindruckt, was Olivia mit den Zähnen knirschen ließ. Okay, man kannte sie offenbar nicht. Noch nicht!

Aber in dieser Woche würde ihr Film auf der Berlinale laufen. Beziehungsweise ein Film, in dem sie eine der tragenden Rollen hatte ergattern können – und dazu das Versprechen auf einen noch größeren Part in einem Streifen, der ihr wirklich etwas bedeutete. Ein Film, der die Herzen der Zuschauer erobern und Preise abräumen würde.

Ob die Rezeptionistin sie kannte oder nicht, konnte ihr egal sein, allerdings war sie auf die Kooperation der kapriziösen Brünetten angewiesen.

„Ich gehe davon aus, dass Mr. Chatsfield momentan sehr beschäftigt ist“, demonstrierte Olivia lächelnd Verständnis. „Aber wenn Sie ihm sagen, dass ihn Miss Harrington von der Harrington Hotel Group sprechen möchte, wird er sich bestimmt Zeit für mich nehmen, glauben Sie mir …“

Irritation und Unsicherheit fochten einen stummen Kampf auf den aparten Zügen der armen Frau, bevor sie knapp nickte. „Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, Miss Harrington.“

Olivia nickte ebenfalls und wartete, bis sich die Rezeptionistin abgewandt hatte, ehe sie den angehaltenen Atem ausstieß. Die erste Hürde war genommen.

„Olivia Harrington?“

Mit zusammengeschobenen Brauen musterte Ben die Angestellte, die in der Tür seines improvisierten Büros hinter dem Rezeptionsbereich stand. Sein Kopf rauchte bereits angesichts schier unlösbarer Probleme, zu deren größten die Liste abstruser Wünsche der Prominentenliga aus Hollywood gehörte.

Von wegen nur Lächeln und Händeschütteln! Sobald Spencer ihm über den Weg lief, würde er ihm sagen, wohin er sich seine Blumen samt kapriziösen Filmsternchen stecken konnte!

Gegen seinen Willen wieder in die typische Chatsfield-Welt zurückkatapultiert zu sein, machte Ben einmal mehr klar, warum er sich bewusst gegen das Rampenlicht und für die Küche entschieden hatte.

„Soll das etwa heißen, eine Harrington von den Harringtons will mich sprechen?“, knurrte er ungnädig.

Die Rezeptionistin nickte mit entschuldigendem Lächeln. „Sie verlangte, den Manager zu sprechen. Und das ziemlich … nachdrücklich.“

Ben schloss die Augen. Verdammt! Was, zur Hölle, hat die Frau überhaupt hier in Berlin verloren? Sollten diese leidigen Grabenkämpfe zwischen Isabelle Harrington und seinem Bruder nicht eher in New York oder London ausgetragen werden?

„Schicken Sie Miss Harrington herein“, ordnete Ben mit schmalen Lippen an.

Zehn unerträgliche Minuten ließ diese unverschämte Frau sie warten, bevor sie mit eisigem Lächeln an den Empfangstresen zurückkehrte, während Olivias Füße im Sekundentakt weiter anzuschwellen schienen.

„Mr. Chatsfield lässt bitten, Miss Harrington. Wenn Sie mir folgen wollen …“

„Oh, besten Dank“, murmelte Olivia sarkastisch. Rühmten sich nicht gerade die Chatsfield Hotels ihres herausragenden Gästeservices? Angesichts ihrer untragbaren Kemenate und des spröden Verhaltens der Rezeptionistin ein wahrer Hohn. Aber vielleicht war diese Spezialbehandlung auch nur den Harringtons vorbehalten.

Mit geschürzten Lippen und innerlich bebend vor gerechter Empörung betrat Olivia das Büro und erstarrte beim Anblick des Mannes, der sich hinterm Schreibtisch verschanzt hatte und sich eindeutig gereizt mit einer Hand durch das dichte dunkle Haar fuhr.

Das sollte Spencer Chatsfield sein? Auf den wenigen Pressefotos, die sie kannte, hatte sie einen ganz anderen Eindruck von ihm gewonnen. Nie hätte sie ihn als so attraktiv und regelrecht … umwerfend eingeschätzt. Galt er nicht eher als konservativ und zugeknöpft?

Das war der Typ vor ihr ganz sicher nicht, trotz des schicken, maßgeschneiderten Anzugs, der seinen athletischen Körperbau eher betonte als verbarg. Wie er ihn trug, ließ Olivia unwillkürlich vermuten, dass er sich in Jeans und T-Shirt wesentlich wohler fühlte. Vielleicht sogar in einer ledernen Motorradjacke und passenden Biker-Boots. Sie sah es förmlich vor sich.

„Was kann ich für Sie tun?“

Oh, da fällt mir auf Anhieb so einiges ein …

Erst jetzt wurde Olivia bewusst, dass sie ihn anstarrte oder, noch viel schlimmer, förmlich anhimmelte! Energisch hob sie das Kinn.

„Mr. Spencer Chatsfield?“ Musste der Kerl zu allem Überfluss auch noch dermaßen intensive Augen und diesen sexy dunklen Bartschatten auf den markanten Wangenknochen haben?

„Nicht Spencer, sondern Ben Chatsfield“, wurde sie kühl korrigiert. „Und Sie sind?“

„Olivia Harrington.“

Keine Reaktion. Oder wenn, dann nicht mehr als ein Anflug von Langeweile und Ungeduld. „Was kann ich für Sie tun, Miss Harrington?“

Er weiß von meiner unzumutbaren Unterbringung! dachte Olivia grimmig. Sie konnte es in den haselnussbraunen Augen und der lässigen Haltung ablesen. Was hatte dieser Mann gegen sie, von dessen Existenz sie bis eben gar nichts gewusst hatte? Spencer war der Chatsfield, den Isabelle am häufigsten erwähnte, und James war dank seiner extravaganten Eskapaden, die in der Presse genüsslich ausgeschlachtet wurden, nahezu jedem ein Begriff. Aber Ben Chatsfield?

Eins stand jedenfalls felsenfest: Der Kerl war ein … ein mieser Schuft!

Olivia stützte sich mit beiden Handflächen auf der Schreibtischplatte ab und brachte ihr Gesicht bewusst so dicht an seines heran, dass es nur als Drohung verstanden werden konnte. Doch ihr Gegenüber zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Sie mögen es amüsant finden, eine Harrington in einem Verschlag unterzubringen, der kaum die Größe eines Wandschranks hat. Ich hingegen halte es für schlechten Service. Eine absolut miserable Gästebetreuung, Mr. Chatsfield, die mir ein extrem negatives Bild Ihrer Firmenphilosophie vermittelt“, sagte sie eisig.

Autor

Kate Hewitt
<p>Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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