Der Playboy und die schöne Prinzessin

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Nach einem bösen Familienstreit flieht die unerfahrene Prinzessin Leila heimlich nach New York … und trifft in einer noblen Hotelbar auf den charmantesten Playboy der Stadt: James Chatsfield! Ein Blick aus den samtbraunen Augen des unwiderstehlichen Hoteltycoons und Leila spürt zum ersten Mal in ihrem Leben die prickelnde Macht sinnlicher Gefahr. Aus Vorsicht auf seine fantastischen Küsse verzichten? Daran denkt die rebellische Prinzessin nicht im Traum. Aber weiß sie nicht, was es für Folgen haben kann, sich mit dem weltbekannten Bad Boy eine Suite zu teilen?


  • Erscheinungstag 02.08.2016
  • Bandnummer 2242
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706890
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich wünschte, es hätte dich getroffen!“

Prinzessin Leilas Blut gefror zu Eis, als ihre Mutter, Königin Farrah Al-Ahmar, endlich mit der Wahrheit rausrückte. Tief in ihrem Innern hatte sie immer gewusst, dass es ihr lieber gewesen wäre, wenn sie anstatt ihrer Schwester Jasmine in jener schrecklichen Nacht das Leben verloren hätte. Doch laut ausgesprochen zu hören, was keine Mutter je über ihr Kind sagen sollte, war wie ein Dolchstich mitten ins Herz.

Doch Leila ließ es sich nicht anmerken. Nur wenn sie allein in ihrem Bett lag, weinte sie um die Elternliebe, die sie nie erfahren hatte. Auf eine gewisse Weise hatte ihr das auch Rückenstärkung verliehen, sodass sie ihrer Mutter äußerlich unbewegt gegenübersaß, während diese Salz in offene Wunden streute.

Zugleich war Leila schlicht fassungslos über so viel Bosheit und Gefühllosigkeit. Ihr Leben lang hatte sie versucht, diesem Moment auszuweichen, doch jetzt wollte und konnte sie nicht länger vor der Wahrheit davonlaufen.

Anstatt sich nach dem Dinner in ihre Suite zurückzuziehen, griff sie nach ihrer geliebten Qanun, einer Kastenzither, die für sie nicht nur ein Instrument, sondern Freundin und Gefährtin zugleich war. Die Töne, die sie dem Instrument mit dem Klang einer Harfe entlockte, konnten rein und lieblich klingen, manchmal aber auch wild und ungestüm. Wenn sie auf ihrer Qanun spielte, war Leila überzeugt, dass Liebe existierte, selbst wenn ihre Eltern sie ihr verweigerten.

Die Leidenschaft ihrer Tochter für Musik war Farrah ein Dorn im Auge. „Deine Schwester spielte unvergleichlich viel besser als du. Sie beherrschte das Instrument perfekt und hatte Gefühl.“

Nein, Jasmine hat nicht besser gespielt als ich! hätte Leila am liebsten empört ausgerufen. Doch sie schwieg.

Ihre Mutter hielt es nicht einmal für nötig, von ihrer Stickarbeit aufzuschauen, während sie Leila die Kränkung an den Kopf warf. Seit sechzehn Jahren saß sie über diesem Wandteppich, stickte verbissen, trennte alles wieder auf und weigerte sich, das Werkstück zu beenden, während ihr Mann, der König von Surhaadi, stumm daneben saß.

„Wenn Jasmine gespielt hat, sind die Menschen verzückt unter den Palastfenstern stehen geblieben, um ihr zu lauschen.“

Leila presste die Lippen zusammen. Seit Jahren wuchs die Spannung zwischen ihr und den Eltern kontinuierlich, doch heute Abend verweigerte sich Leila der stummen Aufforderung ihrer Mutter, sich endlich zurückzuziehen. Stattdessen spielte sie weiter, zupfte immer heftiger an den Saiten ihres Instruments, um auf ihre Weise gegen die unausgesprochene Regel der Palastruhe zu rebellieren. Wäre ihr älterer Bruder hier, hätte er die angespannte Situation entschärfen können. Zayn war der Liebling ihrer Mutter und fand immer einen Weg, um sie abzulenken oder aufzuheitern.

Aber Zayn war nicht da. Er stand kurz davor zu heiraten. Er und seine zukünftige Ehefrau waren einander seit Kindheitstagen versprochen.

Obwohl sie bereits vierundzwanzig war, gab es für Leila kein Heiratsarrangement. Im Gedanken daran, was Jasmine für eine zauberhafte Braut gewesen wäre und was für anbetungswürdige Babys sie bekommen hätte, ertrug Farrah es nicht, dieses Thema bezüglich ihrer jüngeren Tochter zu erörtern.

Jasmine, Jasmine, Jasmine!

Ich werde für immer Jungfrau bleiben, dachte Leila beklommen. Und mit meinen Eltern im Palast eingeschlossen sein, bis ich sterbe.

Die Vorstellung, Nacht für Nacht allein in ihrer Suite zubringen zu müssen, ängstigte sie so sehr, dass sie ihrer Bedrückung auf die einzige Weise Luft machte, die ihr zur Verfügung stand. Ihre Finger, die virtuos über die Saiten des geliebten Instruments strichen, sagten, was ihrem Mund verwehrt war: die Wahrheit. Und sie klang nicht friedlich und harmonisch an, sondern sprach eindringlich von jener Nacht vor sechzehn Jahren, als Jasmine ums Leben gekommen war.

Leila war damals erst acht Jahre alt gewesen, erinnerte sich aber sehr genau. Jetzt, als Erwachsene, verstand sie noch viel besser, was damals geschehen war. Ihre Musik erzählte von einer jungen Frau, die auf die falsche Bahn geraten war: von Drogen, Alkohol, provozierend kreisenden Hüften, wenn sie mit Zayns bestem Freund tanzte. Von Dingen, mit denen Leila selbst nie zu tun hatte, weil sie immer bemüht gewesen war, ein gutes Mädchen zu sein. Doch heute Nacht erklangen unter ihren Fingern ungewohnte Rhythmen, die von Sex, verbotenen Früchten und dem Tanz mit dem Teufel persönlich sprachen.

„Hör auf, Leila“, forderte ihre Mutter harsch.

Doch Leilas Finger gehorchten ihr nicht. Sie war völlig in der Musik verloren. Fühlte sich immer tiefer in Zayns Wut und Verzweiflung über den Vertrauensbruch seines Freundes und seiner Schwester hinein. Leila hatte damals nicht alles verstanden, erinnerte sich aber an Zayns Vorwürfe, dass Männer wie er Frauen nur ausnutzten und fallen ließen, sobald sie bekommen hatten, was sie wollten.

In jener Nacht hatte Zayn seinen Freund des Palastes verwiesen, und seine aufgebrachte Schwester entschied sich, mit dem heimlichen Geliebten zu gehen. Bis auf den heutigen Tag litt Zayn wie ein Tier, weil er sich die Schuld an dem gab, was geschehen war.

Leilas Finger entlockten den Saiten der Qanun Töne, die an die verzweifelten Schreie im Palast erinnerten, als man ihnen die schreckliche Nachricht überbrachte, dass die Prinzessin und ihr Liebhaber kurz nach dem Rauswurf bei einem Autounfall tödlich verunglückt waren. Ohne Worte, allein durch ihr musikalisches Talent deckte Leila die Wahrheit jener Nacht auf, die ihrer aller Leben für immer verändert hatte.

Khalas! Es reicht!“, schrie ihre Mutter erregt und sprang auf. Es hörte sich an wie ein verzweifelter Hilferuf. Da ihre Tochter nicht reagierte, griff die Königin nach dem Instrument und warf es zu Boden. Als Leila einen Wehlaut ausstieß und aufstand, um ihren kostbarsten Besitz zu bergen, entschlüpfte ihrer Mutter die schreckliche Verwünschung: „Ich wünschte, es hätte dich getroffen!“

Leilas bernsteinfarbene Augen weiteten sich vor Schock und Schmerz, begegneten dem wütenden Blick der Mutter und baten stumm darum, die Worte zurückzunehmen, die ihr gerade entschlüpft waren. Stattdessen tat Farrah auch noch den nächsten Schritt, von dem es kein Zurück mehr gab: „Ich wünschte, du wärst in jener Nacht gestorben, Leila.“

Sekundenlang blieb es totenstill zwischen ihnen.

„Das zu hören, überrascht mich nicht, weil ich weiß, dass du mir den Tod wünscht, seit ich auf der Welt bin.“ Leilas Stimme zitterte nicht und verriet auch nichts von dem wütenden Schmerz, der in ihr tobte. „Du wolltest mich nie. Selbst während des Stillens schmeckte deine Milch bitter, weil du mich innerlich abgelehnt hast.“

Vielleicht klang das albern und unreif, doch es war so. Seit sie denken konnte, fühlte sie sich abgelehnt.

„Du bist von Ammen genährt worden“, kam es kalt zurück. „Und die haben sich ständig beschwert, weil du so unglaublich gierig warst.“

Leila wünschte sich zu sterben oder in ein anderes Universum entrückt zu werden, doch das Schicksal kannte keine Gnade. „Schade für dich, dass ich in jener Nacht nicht umgekommen bin, Mutter. Aber ich bin noch da und habe ein eigenes Leben, von dem ich schon viel zu viel mit dem Versuch verschwendet habe, deine Liebe zu gewinnen. Das ist jetzt vorbei.“

Da ihre Mutter verbissen schwieg, drehte sich Leila auf dem Absatz um und ging hinüber zu ihrem Vater, der die ganze Zeit über reglos in seinem Sessel ausharrte, den Kopf in den Händen vergraben. Es schmerzte sie fürchterlich, dass er nicht einmal den Versuch machte einzugreifen und zu vermitteln. Sie hingegen hatte sich ehrlich bemüht, Verständnis dafür aufzubringen, dass er immer noch in der Trauer um seine älteste Tochter gefangen war. Trotzdem sprach sein Schweigen Bände.

Ihre juwelenbesetzten Slipper machten kein Geräusch auf dem Marmorboden, als sie davonrannte. Umso deutlicher wurde Leila bewusst, dass ihre Mutter nicht einmal versuchte, ihr zu folgen, um die grausamen Worte zurückzunehmen.

Auf dem Weg zu ihrer Suite musste sie durch einen langen Gang laufen, der Galerie für die Familienporträts. Normalerweise hastete sie hier vorbei, ohne einen Blick zu riskieren, weil es zu wehtat. Doch was sollte sie heute noch verletzen können? Leila verlangsamte ihre Schritte und blieb stehen. Dort an der Wand war ihre Geschichte für alle zu sehen – die Wahrheit, mit der ihre Mutter sie heute so brutal konfrontiert hatte.

Das erste Bild, ein großes Familienporträt, zeigte ihre Eltern in glücklicheren Tagen. Ihre Mutter hielt Zayn auf dem Arm und lächelte dem Säugling zu, der eines Tages König von Surhaadi sein würde.

Leila betete ihn förmlich an. Zayn war der perfekte große Bruder. Er hasste Ungerechtigkeit und war wieder und wieder für sie eingetreten. Seit ihrer Geburt sorgte er sich um sie, und nach Jasmines Tod nahm er seine Beschützerrolle noch viel ernster. Doch da seine Mutter ihn für Jasmines Tod verantwortlich machte, musste er nicht nur mit der Trauer um seine Schwester leben, sondern auch noch mit der Schuld, die ihm angelastet wurde. Und Leila litt mit ihm.

Wünsche ich mir, dass Zayn jetzt hier wäre? Die Antwort lautete nein. In diesem Fall war er ihr keine Hilfe. Er konnte ihre Mutter schließlich nicht zwingen, sie zu lieben.

Leila ging weiter zum nächsten Porträt. Jasmine sah auf sie herab … mit diesem kecken Lächeln, von dem ihre Mutter so oft sprach. Doch in Leilas Augen wirkte es einfach nur manipulativ, und oft genug war sie Empfängerin dieses Lächelns gewesen.

Leila schauderte. Ihre Schwester vereinte alle Attribute in sich, die ihr fehlten: Sie war hübsch, lustig und ausgesprochen charmant gewesen. Sie selbst hingegen war ernsthaft, fleißig und zurückhaltend. Wenn sie das Bild betrachtete, das alle drei Geschwister zeigte, zog sich ihr Herz vor Mitleid mit dem kleinen, verstört aussehenden Mädchen zusammen. Im Gegensatz zu den langen dunklen Locken ihrer Schwester trug Leila ihr Haar auf dem Porträt kurz und wirkte pummelig und unbeholfen. Doch schlimmer wog, dass sie eben nur ein Mädchen war.

Nach ihrer Geburt, die lange gedauert hatte und ausgesprochen kompliziert verlaufen war, teilte man Königin Farrah mit, dass sie keine weiteren Kinder bekommen könne.

Leila schloss gepeinigt die Augen. Wie verzweifelt hatte sie all die Jahre versucht, das zu sein, was ihre Eltern sich wünschten. Um so tapfer, furchtlos und verwegen wie Zayn zu werden, hatte sie ihren Vater angefleht, sie mit zur Jagd zu nehmen, wurde dafür von ihrer Mutter aber nur verspottet. Leila erinnerte sich noch sehr gut an den Morgen, als sie heimlich eine Schere aus der Küche entwendet und sich damit ins Bad geschlichen hatte, um ihr langes Haar abzuschneiden – in der Hoffnung, sie würde vielleicht geliebt, wenn sie aussah wie ein Junge.

Was warst du nur für ein gutes Mädchen! verhöhnte Leila sich selbst. Inzwischen war ihr Haar nachgewachsen, der Babyspeck verschwunden, und sie hatte sich zu einer wahren Schönheit gemausert … unbemerkt von allen um sie herum.

Anstatt in Tränen auszubrechen, presste sie die Lippen zusammen und lief weiter. „Du bist für heute entlassen“, sagte sie zu der Zofe, die sie vor ihrer Suite erwartete.

„Aber vielleicht brauchen Sie mich noch.“

„Ich brauche niemanden!“, zischte Leila und wartete, bis die verstörte Frau, die einen derart harschen Ton von ihr nicht gewohnt war, sich zurückgezogen hatte. Erst dann betrat sie ihre Gemächer und lief durch bis ins Ankleidezimmer. Es war gefüllt mit exquisiten Roben, alle kunstvoll handgefertigt von Schneiderinnen, die ausschließlich für die königliche Familie nähten. Frauen aus Surhaadi bestickten die Gewänder mit Ornamenten aus kostbaren Garnen und dekorierten sie zusätzlich mit Perlen.

Doch Leila hatte kein Auge für all die Pracht. Vor einem der deckenhohen Schränke ging sie auf die Knie, suchte mit zitternden Fingern die hinterste Ecke ab und zog schließlich eine große, juwelenbesetzte Holzschatulle hervor. Trotz ihrer Nervosität fand sie auch den dazugehörigen Schlüssel in der Tasche einer ihrer Roben. Während sie die Schatulle aufschloss, glaubte sie, die Stimme ihrer Schwester zu hören.

„Du musst diese Sachen für mich aufbewahren. Niemand darf sie sehen, sonst bekomme ich furchtbaren Ärger.“

„Und wenn man sie in meinem Zimmer entdeckt?“, hatte Leila gefragt.

„Wer sollte auf die Idee kommen, deine Sachen zu durchsuchen?“ Allein der Gedanke hatte Jasmine zum Lachen gebracht. „Was könnten sie hier schon finden? Nichts als Bücher. Komm, jetzt stell dich nicht so an.“

„Nein.“

Dann hatte Jasmine ihr spezielles Lächeln aufgesetzt und sie kurz an sich gezogen. „Bitte, Leila …“ Es war die kleine, ungewohnte Geste, die den Ausschlag gegeben hatte.

Die Schatulle, die sie all die Jahre in ihrem Schrank versteckt hielt, barg den Beweis, dass Jasmine weit davon entfernt gewesen war, perfekt zu sein. Am liebsten wäre Leila damit zu ihren Eltern gerannt und hätte ihnen die Augen über ihre vergötterte Tochter geöffnet. Selbst Zayn, der sich die Schuld am Tod seiner Schwester gab, wusste sicher nicht alles über Jasmines wilde Seiten.

Mit trockenem Mund starrte Leila auf das kurze schwarze Stretchkleid mit dem tiefen Ausschnitt und die schwarzen, lackledernen High Heels. Neben anderen Sachen fand sie auch eine halb volle Flasche Wodka, öffnete sie und schnupperte daran.

Und ob ich das alles meinen Eltern zeigen werde! Es wäre ein längst überfälliger Befreiungsschlag … Doch wie hätte sie das ihrer Schwester antun können?

Selbst nachdem Jasmine tot war, deckte Leila sie, als zwei Tage nach der Beerdigung ein Paket aus Übersee kam, das sie abfing und in ihre Suite schmuggelte. Es lag immer noch ungeöffnet in den Tiefen ihres Schranks. Leila fischte es hervor und überlegte, was Jasmine damals bestellt haben mochte. Sie öffnete das Päckchen und hielt als Erstes Dessous in den Fingern, einen weinroten Spitzen-BH mit passendem Slip – dekadent, provokativ, sexy. Nichts, was sich für eine Prinzessin zu tragen geziemte, aber unglaublich aufregend.

Leila seufzte, griff nach einer Tablettenpackung und wusste auch ohne persönliche Erfahrung, dass es sich dabei nur um die Pille handeln konnte. Solange man sie jeden Tag nahm, verhinderte sie, dass man schwanger wurde, wenn man mit einem Mann schlief. Leila legte das Päckchen zur Seite und griff stattdessen nach einem Lippenstift in der Farbe: Stolz. Was für ein unpassender Name, dachte Leila, schraubte ihn auf und sah, dass er exakt die Farbe der Dessous hatte.

Es müsste Scham heißen … aber warum eigentlich?

Sie war es doch, die ein Leben voller Einschränkungen und Scham führte, während Jasmine, auch wenn ihr nicht viel Lebenszeit vergönnt gewesen war, wenigstens reichlich Spaß gehabt hatte. Dazu die Liebe ihrer Eltern, und sicher hatte sie auch gewusst, wie es sich anfühlte, in den Armen eines Mannes zu liegen.

Leilas Augen wanderten erneut zu der Pillenpackung. Aus einem spontanen Impuls heraus öffnete sie das Päckchen und drückte eine Tablette aus der Folie …

Wie mag es sein, geküsst zu werden und den Körper eines Mannes am eigenen Körper zu spüren? Leila steckte die Pille in den Mund und schluckte sie hinunter. Dann zog sie einen kleinen Koffer hervor, den sie für gewöhnlich als Handgepäck im königlichen Privatjet mit sich führte, wenn sie zu offiziellen Anlässen unterwegs war. Um das restliche Gepäck kümmerten sich ihre Zofen und anderes Palastpersonal.

Zum Glück hatte sie eine eigene Kreditkarte, die sie meist zum Bücherkauf nutzte oder um online Musik herunterzuladen. Ob ich mit ihr auch ein Flugticket kaufen kann?

Ich bin dabei durchzubrennen! wurde Leila plötzlich bewusst. Aber wohin?

Gedankenverloren öffnete sie eine Kommodenschublade, nahm ihren Pass heraus und schob auf dem Bett Jasmines Sachen zur Seite, um ihren Koffer abstellen zu können. Dabei fiel ihr Blick auf den Absender des Päckchens: New York …

Leilas Herz machte einen kleinen Sprung, dann krampfte sich ihr Magen in unbestimmter Furcht zusammen. Das kann ich unmöglich tun!

Jasmine könnte es. Jasmine würde es tun!

Leila entschied sich für ein blassgoldenes Gewand, legte die üblichen Schleier an und stopfte Jasmines Sachen in den Handkoffer. Dann verließ sie ihre Suite und lief den gleichen Weg zurück, den sie eben erst gekommen war, vorbei an den Familienporträts und dem Raum, in dem ihre Eltern vermutlich immer noch saßen und zweifellos über Jasmine sprachen. Vielleicht hatten sie gar nicht gemerkt, dass ihre noch lebende Tochter inzwischen gegangen war.

In der Eingangshalle des Palasts befahl Leila einem der Diener, eine Limousine samt Fahrer zu ordern. „Yalla!“, drängte sie ihn zur Eile, und sobald der Mann da war, verlangte sie, zum Flughafen gebracht zu werden.

Als Leila dort ein Erste-Klasse-Ticket verlangte und ihre Kreditkarte über den Tresen schob, schlug ihr Herz bis zum Hals. Es klappte!

Es hätte ein komfortabler Flug werden sollen, doch dafür war Leila zu aufgeregt. Sie konnte sich einfach nicht entspannen, und als der Steward ihr anbot, ein Bett vorzubereiten, lehnte sie ab. Sie wollte nicht schlafen, weil sie genau wusste, was dann passieren würde. Im Schlaf hatte sie sich nicht unter Kontrolle und würde sich die Augen ausweinen.

Jasmine hatte sie deswegen immer aufgezogen, aber Jasmine war nicht mehr da.

Anstatt die Augen zu schließen, wählte Leila eines der bereitliegenden Hochglanzmagazine aus und blätterte es durch. Dabei stieß sie auf Bilder vom betriebsamen Time Square im abendlichen Lichterglanz. Allein beim Anblick überlief sie eine Gänsehaut. Schwer vorstellbar, dass sie tatsächlich bald dort sein würde, nach all den langen, einsamen Jahren hinter dicken Palastmauern.

Als Mann und Thronfolger genoss Zayn von jeher mehr Freiheiten, und Jasmine hatte sie sich einfach genommen. Sie selbst hatte bisher nie den konkreten Drang verspürt auszubrechen.

Mit großen Augen betrachtete Leila die Anzeige einer mondänen Bar, die mit verlockenden Bildern für bunte Drinks warb, denen man die absonderlichsten Namen gegeben hatte. Selbst wenn sie nicht genau wusste, was es bedeutete, errötete sie, als sie zum Screaming Orgasm kam. Optisch am besten gefiel ihr allerdings der Manhattan.

Sie las Reportagen über die derzeit angesagtesten Restaurants und zwei Luxushotels im Herzen New Yorks. Als Erstes fiel ihr das Chatsfield ins Auge. Zu der Kette gehörten mondäne Hotels, die über den ganzen Globus verstreut waren, und wie es aussah, verkehrten dort die reichsten, berühmtesten und skandalösesten Celebrities.

Offenbar herrschte zwischen den beiden Hotel-Dynastien Chatsfield und Harrington eine Art Rivalität, wobei die Harrington-Hotels anstatt für pompöse Dekadenz eher für Eleganz, Glamour und Diskretion standen und ihren illustren Gästen eine Privatsphäre garantierten, die man im Chatsfield gar nicht unbedingt suchte.

An diese beiden Hotels erinnerte sich Leila, als sie nach der Landung in New York fröstelnd in der Taxi-Warteschlange stand. Während alle um sie herum völlig unbeeindruckt schienen, zitterte sie vor Aufregung und Kälte und spürte zum ersten Mal im Leben die Konsistenz und den Geschmack von Schnee auf ihrem Gesicht und der spontan rausgestreckten Zungenspitze.

„Wohin?“, wollte ihr Taxifahrer wissen, nachdem sie eingestiegen war.

Leila wusste, welches Hotel Jasmine gewählt hätte, und wollte schon Chatsfield sagen, besann sich aber im letzten Moment anders. „Ins Harrington.“

Egal, wie oft und angestrengt sie es versuchte, wie Jasmine würde sie nie sein.

2. KAPITEL

Alles war wunderschön, aber unglaublich fremd und irgendwie beängstigend.

Während Leila auf die Rezeption zusteuerte, war sie dankbar für die schützenden Schleier. Sie wurde das Gefühl nicht los, von allen Seiten angestarrt zu werden, und darin irrte sie keineswegs. In ihrer fremdländischen Kleidung sah sie einfach atemberaubend aus. Mit stolz erhobenem Kopf fragte sie nach der besten Suite.

Doch so leicht, wie sie es sich gedacht hatte, war diese gar nicht zu buchen. Vorher musste sie eine Menge Fragen über sich ergehen lassen, die sie nicht alle wahrheitsgemäß beantwortete. Sie log, was ihre Adresse betraf, und zuckte nur mit den Schultern, als es um ihre Telefonnummer ging. „Ich würde jetzt gern meine Suite beziehen.“

„Miss?“

Leila runzelte fragend und leicht genervt die Stirn.

„Ihre Anrede“, präzisierte die Rezeptionistin.

Hastig warf Leila einen schnellen Blick auf ihre Kreditkarte und las: Leila Al-Ahmar. Instinktiv stieß sie den angehaltenen Atem aus. Kein Titel! Sie konnte also sein, wer sie wollte.

„Miss“, bestätigte sie und händigte ihre Karte aus. Dabei kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Ob meine Eltern das Konto bereits gesperrt haben? Lächelnd gab ihr die hübsche Brünette gleich zwei Karten zurück: ihre Kreditkarte und eine, die als Schlüssel zu ihrer Suite fungierte.

Leila atmete auf, aber nicht, ohne einen Stich im Herzen zu spüren. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern noch gar nicht registriert, dass sie geflohen war.

Als sie ihre Hotelräume betrat, packte das Zimmermädchen bereits ihren Handkoffer aus. Leila informierte sie kühl, dass sie nicht länger gebraucht wurde, und runzelte die Stirn, weil die junge Frau abwartend in der Tür stehen blieb.

„Sie sind entlassen“, erklärte sie noch einmal, schon eine Spur schärfer und atmete erst auf, als sie allein in der Suite war. Dann trat sie ans Fenster, blickte auf den regen Betrieb weit unter ihr und versuchte vergeblich, sich als ein Teil dieses bunten Treibens zu sehen. Es erschien ihr unmöglich, aber es war unumgänglich.

Seufzend legte Leila Schleier, goldene Robe und ihre solide Unterwäsche ab und schlüpfte mit leichtem Schaudern in Jasmines aufregende Dessous. Im Spiegel erkannte sie sich selbst nicht mehr. Was sie sah, war eine schamlose Person, deren Blick sich plötzlich verändert hatte. Mit bebenden Fingern streifte Leila das schwarze Stretchkleid über und reckte die Arme, um es im Rücken zu schließen. Ein Kleidungsstück mit Reißverschluss hatte sie noch nie getragen, und für die Knöpfe an den Roben waren normalerweise ihre Zofen zuständig.

Immer noch zweifelnd zog Leila die High Heels über die bloßen Füße, bürstete das lange nachtschwarze Haar, bis es glänzte, schminkte sich sorgfältig die Lippen und trat zurück, um im Spiegel die Wirkung zu überprüfen.

Sie hätte tatsächlich Jasmine sein können. Gut, sie war schlanker als ihre Schwester und einige Jahre älter, als Jasmine es am Tag ihres Unfalls gewesen war. Doch zum ersten Mal wurde ihr die unleugbare Ähnlichkeit zwischen ihnen bewusst.

Leila probte das keck herausfordernde Lächeln ihrer Schwester und überlegte, ob ihre Mutter sie vielleicht deshalb ablehnte, weil sie Jasmine so stark ähnelte.

Nein, nicht nach dem, was sie übers Stillen und meine Ammen gesagt hat! Wütend und verletzt stopfte Leila Schleier und Robe in den kleinen Koffer und stieß ihn mit der Fußspitze unters Bett. Prinzessin Leila von Surhaadi existierte nicht mehr …

Da sie keine Tasche für ihre Kreditkarte und keine Bedienstete bei sich hatte, die sie ihr hinterhertragen konnte, versteckte Leila sie zusammen mit der Schlüsselkarte in dem Spitzen-BH, verließ die Suite und fuhr mit dem Lift hinunter. Obwohl sich das Harrington seiner diskreten Eleganz und Zurückhaltung rühmte, war sie in ihrem neuen Outfit doch eine so auffallende und attraktive Erscheinung, dass sie etliche neugierige Blicke erntete.

Leila war es nicht gewohnt, in dieser Form angesehen zu werden und entschied für sich, dass es ihr nicht gefiel. Mit erhobenen Brauen schaute sie um sich, neigte lauschend den Kopf, als sie leise Klaviermusik hörte und folgte ihr instinktiv. Im Eingang zur Hotelbar blieb sie abrupt stehen.

Das Gläserklingen und die Konversation stockten, während sie mit klopfendem Herzen versuchte, den taxierenden Männerblicken standzuhalten. Einer dieser unverschämten Kerle erdreistete sich sogar, ganz offen auf ihr Dekolleté zu starren! Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht und wäre zurück in ihre Suite geflohen. Was habe ich mir nur dabei gedacht, in diesen Sachen hier aufzukreuzen?

Doch dann passierte es …

Zum ersten Mal im Leben fühlte sie sich wirklich wahrgenommen – und willkommen. Ein hochgewachsener Mann an der Bar wandte sich um, und ihre Blicke begegneten sich. Einen Sekundenbruchteil schien er irritiert, schob die dunklen Brauen zusammen, als versuche er, sie einzuordnen. Dann lächelte er.

Leila fühlte sich von einer Wärme durchflutet, die keiner Verlegenheit entsprang, sondern reinem Wohlbefinden. Anders als die anderen Männer tastete er mit seinen schokobraunen Augen nicht ihren Körper ab, sondern begegnete nur lächelnd ihrem Blick. Und Leila überraschte sich damit, dass sie sein Lächeln erwiderte und auf ihn zusteuerte, als wären sie alte Bekannte.

„Ich habe meine Meinung geändert“, sagte der Mann in Richtung des Barkeepers, ohne den Kopf zu wenden. „Ich sollte vielleicht doch noch einen Drink nehmen. Und was darf ich für Sie bestellen?“, fragte er Leila.

„Ich weiß nicht.“ Nicht verunsichert, sondern neugierig musterte sie die Reihen bunter Flaschen hinter der Bar und zuckte mit den Schultern. Ihre Unentschlossenheit schien ihn weder zu ärgern noch nervös zu machen. Geduldig wartete er darauf, dass sie sich entschied. Plötzlich fiel ihr das Magazin aus dem Flieger ein. „Wie wäre es mit einem Manhattan an meinem ersten Abend in New York?“, fragte sie unbefangen und stolz darauf, sich an den Namen ihres favorisierten Cocktails erinnert zu haben.

„Perfekt …“, murmelte er, denn das war sie in seinen Augen: absolut perfekt. Angefangen von dem schimmernden schwarzen Haar, über die wundervollen goldenen Augen und den anbetungswürdigen Mund. Nur der Lippenstift passte nicht. Aber lange würde er ohnehin nicht halten, wenn er sich erst diesen weichen vollen Lippen widmete.

Tödlich gelangweilt von der gedämpften Atmosphäre des Harrington hatte James Chatsfield gerade beschlossen, die Lokalität zu wechseln und seinen letzten Drink auf einen Zug heruntergekippt, als ein Raunen durch die Bar ging, das ihn aufmerken ließ. Selbst der Barkeeper hatte sich mitten im Satz unterbrochen und Stielaugen gemacht, worauf James sich umdrehte und die Frau sah, die dafür verantwortlich war.

Leila nickte, froh über seine Akzeptanz bezüglich ihrer Wahl und beobachtete den Barkeeper, während er ihren Drink mixte. Doch lange konnte er ihr Interesse nicht fesseln, dafür war der Mann neben ihr einfach zu aufregend.

Und unglaublich attraktiv: Das dichte dunkle Haar reichte bis zum Hemdkragen. Die Kleidung war exquisit, trotzdem hatte er etwas Raues, Ungezähmtes an sich, das sie instinktiv schaudern ließ. Aber es war ein wohliger Schauder, wie Leila überrascht feststellte. Auf den ersten, flüchtigen Blick erschien er konventionell. Er trug eine seriöse Krawatte, doch der oberste Hemdknopf war nicht geschlossen. Er war unrasiert und wirkte gleichzeitig unglaublich clean. Das vermittelte auch sein teures, maskulines Aftershave.

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands.

Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Chatsfield-Dynastie: Staffel 2