Rivalen der Sinnlichkeit

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Wenn Giganten lieben! Spencer Chatsfield hat es bis an die Spitze des elitärsten Hotelimperiums der Welt gebracht. Jetzt plant der ambitionierte Tycoon seinen letzten Coup: die feindliche Übernahme des größten Konkurrenten! Doch leider stellt sich ihm dabei Hotelerbin Isabelle Harrington höchstpersönlich in den Weg: seine hinreißende Erzrivalin und Jugendliebe. Für ihre Unterschrift muss er sie einfach nur verführen, glaubt der selbstherrliche Playboy … und ahnt nicht, dass er mit einem sinnlichen Kuss die Zukunft der beiden schillernden Hotel-Dynastien für immer verändert …


  • Erscheinungstag 11.10.2016
  • Bandnummer 2252
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707040
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Haarknäuel aus einem Katzenschlund zu entfernen, stand nicht auf Isabelles To-do-Liste, die sie eigentlich vor dem großen Meeting abgearbeitet haben wollte.

Seufzend musterte sie den blaugrauen Perserkater zu ihren Füßen. „Wie kannst du mir das antun?“

Atticus schnurrte und hob träge eine Vorderpfote, was offensichtlich so viel hieß wie: Wo ist dein Problem?

Nach einem hastigen Blick auf die Uhr seufzte Isabelle. „Nur noch fünf Minuten! Warum konntest du das Zeug nicht gestern verschlingen? Wieso heute, wo hundert Leute auf mich warten?“

Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Chatsfield-Klan bereits in den großen Sitzungssaal einmarschieren. Gene und seine acht erwachsenen Sprösslinge, dazu Genes Neffe Spencer samt seinen beiden jüngeren Brüdern.

Spencer! Allein an den Namen zu denken, brachte sie schon in Rage! Ganz zu schweigen davon, was er ihr vor zehn Jahren angetan hatte! Wie konnte ich nur so dumm sein, mich rettungslos in jemanden zu verlieben, der nur mit mir spielt? Bis heute regten Spencers Arroganz und Dreistigkeit Isabelle mindestens so auf wie ihre eigene Naivität und Schwäche.

Und dann war er vor sieben Monaten erneut in ihr Leben geplatzt – mit dem unfassbaren Angebot einer Firmenübernahme. Ein Übernahmeangebot! Als würde sie ihm auch nur ein einziges Zündholz verkaufen!

Doch wie es aussah, war es ihm gelungen – wahrscheinlich dank etlicher Tricks – neunundvierzig Prozent der Harrington-Aktien in seinen Besitz zu bringen. Da sie die anderen neunundvierzig Prozent hielt, hatten nun beide gleich viele Anteile. Aber abluchsen ließ sich Isabelle von ihm nichts mehr. Nie wieder!

Weder meine Aktien noch meine Zuneigung und schon gar nicht meine Kleider! Allein der Gedanke ließ sie erröten. Die am allerwenigsten …

„Ich hätte mir eine Sphynx anschaffen sollen“, brummte sie. „Nacktkatzen sind unter Garantie pflegeleichter.“ Mit grimmiger Miene wickelte sie den Haarball in ein Papiertaschentuch und beförderte ihn in den Mülleimer im Bad. „Oder einen dieser niedlichen kleinen Handtaschen-Chihuahuas, wenn Hunde im Harrington erlaubt wären.“ Mit kurzem Blick prüfte sie den Sitz ihrer schulterlangen Haare und schnitt eine Grimasse, die schwer zu interpretieren war. „Du kannst mir dankbar sein, dass ich deinetwegen die Hausregeln gelockert habe.“

Atticus gähnte herzerweichend und streckte sich.

„Sicher, dass du dich nicht zu Tode würgst, während ich unten bin?“

Ein erneutes Gähnen, diesmal gefolgt von einem trägen Blinzeln. „Purrh …“

„Ich kann nur hoffen, das ist kein Ja“, murmelte Isabelle, griff nach Handy und Handtasche und machte sich auf den Weg.

Sie sah ihn, sobald sie den Konferenzraum betrat. Er saß gleich vorne links, neben seinen Brüdern Ben und James. Im anthrazitgrauen Maßanzug, mit schneeweißem Hemd und schwarzsilberner Krawatte repräsentierte Spencer den Prototyp eines Global Players. Feilschen und Handeln waren seine Stärken. Je größer die Herausforderung und Gegenwehr, desto brillanter agierte er, egal ob in Vorstandsetagen oder im Bett. Besonders im Bett!

Über die Entfernung hinweg traf sie ein Blick aus saphirblauen Augen, den Isabelle wie einen Fausthieb in die Magengrube empfand. Seine Miene war undurchdringlich. Das hatte er schon immer bis zur Perfektion beherrscht: jede Regung hinter einer steinernen Maske oder einem umwerfenden Lächeln zu verbergen.

Ganz anders als sie. Seit Jahren arbeitete Isabelle verbissen daran, sich nicht so leicht in die Karten sehen zu lassen. Allerdings kostete es sie ungeheure Energie, ihre Emotionen zu kontrollieren und in Schach zu halten. Gelingen tat es ihr ungefähr so gut, wie man mit einem Fingerhut als Schöpfkelle ein leckgeschlagenes Dingi vor dem Untergang bewahrte.

Tapfer reckte sie ihr Kinn vor und umfasste mit einem Blick alle Anwesenden. „Ich entschuldige mich für die Verspätung. Leider wurde ich durch ein … internes Problem aufgehalten.“

Leonard Steinberg, Business Manager und Leiter des Meetings, hob leicht die Brauen und lächelte ihr zu. „Alles zur Zufriedenheit geregelt?“

„Absolut.“ Isabelle nahm den einzigen freien Platz am Konferenztisch ein, Spencer direkt gegenüber. „Auf wen warten wir noch?“, fragte sie in die entstandene Pause hinein.

„Auf den mysteriösen Anteilseigner.“ Spencer suchte ihren Blick und tippte provokativ mit einem schmalen Silberstift auf die polierte Platte vor ihm.

Beim Ton der dunklen Baritonstimme mit dem kultivierten englischen Akzent überlief sie ein heißer Schauer. Verdammt! Sie musste sich zusammenreißen!

Dies war die Chance, auf die der gesamte Chatsfield-Klan gewartet hatte. Der Moment, in dem die fehlenden zwei Prozent auf den Tisch kamen. Im Gegensatz zu ihnen wusste Isabelle sehr wohl, wer gleich durch die Tür kommen würde. Schon seit geraumer Zeit wunderte sie sich, warum niemand außer ihr es geschafft hatte, die Puzzleteile zusammenzufügen. Die Chatsfields waren schon immer gut darin gewesen, Skandale zu inszenieren, aber dieser würde alles Bisherige toppen.

Sobald die Bombe geplatzt war und die Presse davon Wind bekam …

Die Tür schwang auf, und herein trat Isabelles Stiefmutter. Der Schock auf den Gesichtern sämtlicher Anwesenden hätte nicht größer sein können, wenn ein leibhaftiger Geist sich zu ihnen gesellt hätte. Und irgendwie war es ja auch so.

„Mum?“

„Du?“

„Wie … woher?“

„Liliana?“

Für alle empfand Isabelle Mitleid, außer für Spencer. Wie es Liliana über all die Jahre hinweg geschafft hatte, ihre Identität zu verschleiern, konnte man nur als Wunder oder Glück bezeichnen. Besonders im Zeitalter von Kamerahandys und sozialen Netzwerken.

Sie selbst kannte ihre Stiefmutter nur als extrem verschlossene Frau, die sich kaum öffnete und noch weniger Nähe zuließ.

Die Chatsfield-Geschwister waren noch sehr klein gewesen – Cara, die jüngste von ihnen, ein winziger Säugling –, als ihre Mutter nach einer postnatalen Depression aus ihrem Leben verschwunden war und nie wieder Kontakt zu ihnen aufgenommen hatte. Für Isabelle war es völlig unverständlich, wie man sein eigenes Fleisch und Blut derart verleugnen konnte, doch Liliana nach den Gründen dafür zu fragen, ließ ihre komplizierte Persönlichkeit nicht zu.

Wie mochte es sich für die Chatsfields anfühlen, dass die verschollene Ehefrau und Mutter einer Hollywood-Diva gleich auf die Bühne rauschte, als habe sie sich spontan entschlossen, ins Rampenlicht zurückzukehren?

„Ich weiß, es muss für euch alle ein schrecklicher Schock sein“, sagte Liliana ruhig. „Und möglicherweise könnt ihr mir niemals vergeben. Trotzdem möchte ich versuchen, es euch zu erklären. Aber zunächst das Geschäftliche …“, wandte sie sich an Spencer. „Ich überlasse dir meine zwei Prozent.“

Isabelle fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen. Sie merkte nicht einmal, dass ihr Stuhl nach hinten flog. „Was?“

Liliana schaute in Richtung ihrer Stieftochter. „Unter der Bedingung, dass Isabelle Präsidentin der Harrington-Hotelkette bleibt“, fuhr sie fort.

Isabelle fühlte alle Farbe aus ihrem Gesicht weichen. Sie öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus. Das konnte unmöglich gerade geschehen! Diese Anteile standen ihr zu! Sie waren der Schlüssel zu ihrem Traum, ihrem Lebensziel: Hauptaktionärin von The Harrington zu sein.

Um Himmels willen, sie war eine Harrington und hatte, seit sie denken konnte, darauf hingearbeitet und dafür gekämpft. Die Hotelangestellten waren ihre Familie. Sie vertrauten ihr und bauten darauf, dass sie die Riesenmaschinerie am Laufen hielt und alles funktionierte wie ein gut geöltes Uhrwerk.

Wie konnte Liliana das Hotelunternehmen jemandem überlassen, der es nicht von ganzem Herzen liebte und mit ihm verwachsen war wie sie? Verdammt! Es gehörte ihr und nicht Spencer Chatsfield, diesem … diesem Dämon mit den zwingenden blauen Augen, die ihr bis in die zitternde Seele sehen konnten.

„Als Hauptaktionär wird er ab sofort CEO vom Harrington New York sein.“

Wie betäubt stellte Isabelle ihren Stuhl wieder auf, nahm Platz und blendete das Geraune von Gene Chatsfield und seinen Sprösslingen aus, die offenbar aus ihrer Schockstarre erwacht waren. Der Einzige, der sich ebenfalls zurückhielt, war Spencer.

Cool und scheinbar unberührt saß er da und ließ sie nicht aus den Augen.

Wie sehr er diese Szenerie genießen muss! dachte Isabelle und spürte einen bitteren Geschmack im Mund. Einfach nur dazusitzen und zuzusehen, wie sich ihre Hoffnungen in Luft auflösten. Ganz sicher hatte er den Ausgang des Meetings schon vorher gekannt. Wie sonst hätte er den Eindruck eines zufriedenen Katers mitten im Sahnetopf machen können? Ob er irgendein Druckmittel gegen Liliana in der Hinterhand gehabt hat? Sie selbst wusste ja nur zu gut, wie perfide und manipulativ dieser Mann sein konnte, egal ob mittels Charmeoffensive oder unfairen Methoden.

Isabelle schnaubte leise und presste die Lippen zusammen. Allein daran zu denken, wie er sie damals mit Geschenken und romantischen Aktionen geblendet und eingefangen hatte! Lange hatte sie verbissen Widerstand geleistet, nur um schließlich doch auf ihn hereinzufallen. Ein Fall, der sie viel tiefer und härter traf, als ihre Vorstellungskraft es zuließ. Aber wie hätte es auch anders sein können? Damals war sie in Sachen Flirt und Liebe ein völlig unbeschriebenes Blatt gewesen, während Spencer die Playboy-Akademie längst mit Auszeichnung abgeschlossen hatte!

„Ich werde nicht mit ihm zusammenarbeiten!“ Habe ich das gedacht oder laut herausgeschrien? Offenbar Letzteres angesichts der verblüfften Gesichter um sie herum.

Liliana versuchte es mit einem begütigenden Blick. „Glaub mir, Isabelle, ich habe lange darüber nachgedacht. Ich weiß, es ist der richtige Weg und genau das, was dein Vater auch getan hätte.“

„Mein Vater?“ Jetzt kreischte Isabelle fast. „Schon vergessen, dass er es war, der Jonathan neunundvierzig Prozent der Firmenanteile überschrieben hat, damit der sie sich am Pokertisch abzocken lässt? Aktien, die eigentlich mir zugestanden hätten!“

Ihre Stiefmutter runzelte die Stirn und schüttelte unwillig den Kopf. „Ich weiß, dass es dir momentan schwerfällt, meine Entscheidung nachzuvollziehen. Aber ich bin davon überzeugt, dass es der beste Schritt in eine erfolgreiche Zukunft ist … für beide Seiten.“

Isabelle schien sie gar nicht gehört zu haben. „Warum tust du das, wo du doch genau weißt, was mir The Harrington bedeutet und wie hart ich gearbeitet habe …“

„Macht das unter euch aus“, riet ihre Stiefmutter kühl und wandte sich ihrer Familie zu. Ihrer immer noch geschockten, aufgewühlten Familie. „Ich kann nur erahnen, was ihr jetzt gerade denkt und empfindet, möchte euch aber meine Seite der Geschichte darlegen. Die Gründe, warum ich damals auf eine derart rabiate Weise gegangen bin.“

Gene stand auf und verließ mit steifen Schritten und einem unterdrückten Fluch auf den Lippen den Sitzungssaal. Er warf die Tür hinter sich so heftig zu, dass die Gläser auf dem Konferenztisch leise klirrten.

Liliana seufzte und wandte sich erneut ihren inzwischen erwachsenen Kindern zu, deren Gesichter sämtliche Schattierungen von Schock, Schmerz und Fassungslosigkeit widerspiegelten.

„Und da hat uns gerade der erste Grund verlassen“, sagte sie trocken.

Isabelle sah, wie jeder von den Chatsfield-Sprösslingen mit sich zu kämpfen hatte. Doch bevor sie eingreifen konnte, war Spencer plötzlich an ihrer Seite und legte wie selbstverständlich eine Hand unter ihren Ellenbogen. „Ich denke, wir sollten Liliana und ihrer Familie ein wenig Privatsphäre einräumen“, murmelte er.

„Aber …“

„Wir beide haben auch noch einiges zu besprechen.“

Sein Ton ebenso wie der zwingende Blick ließen keine Diskussion zu … so sehr es Isabelle auch reizte, ihm Kontra zu bieten. Dazu kam, dass selbst die leise Berührung seiner Fingerspitzen sie bis ins Innerste elektrisierte und mit einer Art Bann belegte, der zehn Jahre im Sekundenbruchteil zu einem Nichts zusammenschmelzen ließ.

Das kann, nein, das darf nicht sein!

Zieh deinen Arm weg! befahl ihr Hirn. Doch ihr Körper folgte einem anderen Skript. Einem, das weit in der Vergangenheit verankert war. Ihr verräterischer Körper erinnerte sich an das Gefühl seiner Finger auf ihrer nackten Haut und reagierte mit einem Flächenbrand aus Sehnsucht und Verlangen. Und sie konnte nichts dagegen tun.

Spencer dirigierte sie aus dem Konferenzraum und schloss nachdrücklich die Tür vor dem ausbrechenden Sturm im Innern.

„Ich liebe derartige Familienzusammenkünfte.“

Isabelle entschlüpfte seinem Griff, bevor ihre aufgewühlten Emotionen noch völlig verrückt spielten. „Lass deine Finger von mir!“, fauchte sie.

Seine Miene verriet mildes Amüsement. „Das hast du damals nie zu mir gesagt“, murmelte er mit rauem Unterton.

Instinktiv ballte Isabelle die Finger so fest zur Faust, dass sich ihre perfekt manikürten Nägel in die weichen Handballen gruben. Empörung und Hass brannten so heiß in ihr, dass sie fast daran erstickte. Wie eine Furie wandte sie sich ihm zu. „Ich dachte, ich hätte vor sieben Monaten mehr als klargemacht, was ich von dir halte!“

Spencer hob eine Hand an die Wange und grinste schief. „Versuch ruhig noch einmal, mich zu schlagen, wenn du dich traust“, forderte er sie heraus. „Aber ich warne dich, diesmal wird es nicht ohne Konsequenzen für dich ausgehen …“

Ein kalter Schauer rann über ihren Rücken. Sie hatte nichts übrig für Gewalt und in ihrem ganzen Leben noch nie die Hand gegen jemanden erhoben. Doch bei ihrem Treffen mit Spencer vor sieben Monaten war ihr schlicht und einfach die Sicherung durchgebrannt. Wie ein Berserker war sie auf ihn losgegangen. Sie glaubte immer noch, das laute Klatschen zu hören und den Abdruck ihrer Finger auf seinem markanten Gesicht zu sehen.

Seiner beherrschten Miene war nichts zu entnehmen gewesen, nur der stählerne Glanz in den ausdrucksvollen Augen war ihr damals in die Knochen gefahren und hatte sie bis ins Innerste erbeben lassen. Derselbe Blick warnte sie auch jetzt, ihn nicht weiter herauszufordern. Isabelle schauderte, ob vor Angst, Aufregung oder atemloser Erwartung hätte sie selbst nicht sagen können.

Sie durfte Spencer nicht erlauben, immer noch Einfluss auf sie und ihre Gefühle zu nehmen. Das musste endlich aufhören!

Abrupt wandte sie sich zum Gehen. „Ich habe zu arbeiten“, warf sie über die Schulter zurück.

Spencer holte sie bereits nach zwei Schritten ein und umfasste ihr Handgelenk. „Wir haben zu arbeiten …“, korrigierte er, begleitete sie gelassen in ihr Büro und schloss die Tür hinter ihnen.

Seine Selbstherrlichkeit verschlug ihr die Sprache. Und dass er ständig einen Grund fand, sie zu berühren, brachte Isabelle geradezu in Rage. Was will er damit provozieren oder beweisen? Dass er mich selbst heute noch nach Belieben manipulieren und meine Gefühle an- und ausknipsen kann, wie es ihm passt? Hält er mich etwa immer noch für den unerfahrenen, leicht zu beeindruckenden Twen von früher?

Ohne sich vor dem Duell zu drücken, das er ihr aufzwang, löste Isabelle demonstrativ einen seiner Finger nach dem anderen von ihrem Handgelenk. Dann strich sie über ihre Haut, als wäre sie kontaminiert und müsste gesäubert werden. „Du scheinst mir nicht zugehört zu haben, Spencer. Ich will nichts mit dir und deinen Geschäften zu tun haben. Wenn du mit Hotels spielen willst, kauf dir ein Monopolybrett.“

Um seine Mundwinkel zuckte es. „Zehn Jahre, und du bist immer noch sauer auf mich?“

Sie knirschte lautlos mit den Zähnen und versuchte, sich ihren inneren Tumult nicht anmerken zu lassen. Wie konnte er es wagen, sich darüber lustig zu machen, dass sie sich selbst nach der langen Zeit immer noch betrogen fühlte? Wie hätte es denn auch anders sein können? Schließlich hatte er sie mit Vorsatz und miesen Tricks verführt, nur um sich hinterher vor seinen Freunden brüsten zu können, die uneinnehmbare Festung Isabelle Harrington geknackt zu haben! Sie konnte das obszöne Gelächter der widerlichen Typen förmlich hören, die sich damals über sie lustig gemacht hatten.

Zum Glück wusste Spencer nicht, was seine Liebkosungen und Küsse ihr bedeutet hatten, egal ob sanft und zärtlich oder so hungrig und lustvoll, dass sie sich ineinander verloren … Oder nur ich mich in ihm?

Nicht, dass sie seither keinen Mann mehr geküsst hatte, niemand war ihr je wieder so nahegekommen und unter die Haut gegangen wie Spencer Chatsfield. Niemand hatte sie bis in die Grundfesten erschüttern oder in schwindelnde Höhen der Ekstase entführen können, die ihr bis dahin und seither verschlossen geblieben waren.

Isabelle atmete scharf ein, als sie seine Finger unter ihrem Kinn spürte. Sanft hob er es an und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen. „Keine gute Voraussetzung angesichts der Tatsache, dass ich dein neuer Boss bin, oder?“

Abrupt trat sie einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich werde ganz sicher keine Befehle von dir entgegennehmen“, informierte sie ihn eisig und presste die Lippen zusammen, weil dieser Mistkerl schon wieder grinste.

„Du hast deine Stiefmutter gehört. Ich bin der neue Hauptaktionär.“

Ihre Arme sanken kraftlos herunter, doch bereits in der nächsten Sekunde stemmte Isabelle die Hände provokativ in die Hüften. „Wie hast du sie ihr abgeluchst? Was für ein sentimentales Märchen hast du dir ausgedacht, um sie weichzukochen? Die zwei Prozent standen allein mir zu!“

„Höre ich da eine versteckte Drohung heraus, oder reagiere ich zu sensibel?“

„Sensibel … du? Ha!“ Isabelle versuchte, ihre Fassung zu wahren. „Ich habe von Kindesbeinen an für diese Hotelkette geschuftet und den Großteil meines Lebens darauf verwendet, alles von der Pike auf zu lernen. Ich habe als Zimmermädchen und in der Hotelküche gearbeitet. Und es mir zur Aufgabe gemacht, alles in Sachen Management zu lernen, egal wie lange es dauerte und was es mich kostete.“

Sie fuhr sich mit zitternder Hand übers Haar, bevor sie fortfuhr.

„Als deine Tante mit meinem Vater zusammenkam, war ich es, die das Hotel am Laufen hielt, um das verunsicherte und überforderte Personal bei der Stange zu halten. Ich war diejenige, die kreative Pläne für die Zukunft schmiedete und alles andere hintanstellte, um das positive Image vom Harrington zu wahren, auszubauen und den Herausforderungen des Marktes anzupassen. Liliana weiß das besser als jeder andere. Sie hatte kein Recht, dir die Anteile zu überschreiben!“

„Es waren ihre zwei Prozent, und die konnte sie einsetzen, wie es ihr passte.“

„Ja, das ist typisch Liliana! Sie scheint immer nur zu tun, was sie will, und alle anderen müssen lernen, mit ihren Entscheidungen zu leben.“

„Wie lange weißt du es schon?“, fragte Spencer mit scharfem Blick.

„Was? Dass sie die Liliana ist?“

Er nickte.

„Eine Weile.“

„Wie lange?“

Isabelle schürzte die Lippen und musterte ihrerseits Spencer mit einem forschenden Blick. „Du wusstest es auch, bevor du den Konferenzraum betreten hast, oder?“

„Mir ist es erst in den letzten vierundzwanzig Stunden gelungen, einen Zusammenhang herzustellen“, antwortete er langsam, ohne den Blickkontakt abreißen zu lassen. „Heutzutage die eigene Identität zu verschleiern, ist so gut wie unmöglich. Eine Recherche im Internet, und man findet über jeden irgendwas heraus. Selbst, wenn derjenige versucht, es zu verhindern.“

Hat Spencer mich etwa auch gegoogelt? Vorwerfen könnte sie ihm das kaum, da sie selbst vor Jahren seinetwegen zum Cyberstalker mutiert war. Ständig hatte sie online auf der Lauer gelegen, um herauszufinden, mit wem er sich wo herumtrieb.

Eine kurzweilige Recherche bei seinen etlichen mehr als kurzlebigen Romanzen! dachte sie zynisch. Vielleicht war er nicht ganz so schlimm wie sein Cousin Lucca, bevor der geheiratet hatte, aber eine Schwingtür an Spencers Schlafzimmertür wäre sicher keine Fehlinvestition gewesen!

Isabelle schnaubte verächtlich und strich sich eine vorwitzige Haarsträhne aus der Stirn. „Ich habe sie vor einigen Monaten zur Rede gestellt und ihr gesagt, wie unfair ich es finde, die eigene Familie so lange im Unklaren über ihr Schicksal zu lassen. Dass es Situationen gibt, die einen gewissen Abstand erforderlich machen, kann ich noch nachvollziehen, aber welche Mutter lässt ihr sechs Wochen altes Baby im Stich?“

„So weit ich informiert bin, litt sie damals an einer postnatalen Depression.“

„Vierundzwanzig Jahre lang?“ Isabelle sah ihn skeptisch an.

Spencers Schulterzucken schien zu besagen, dass ihn das alles nichts anging. „Sie muss gewusst haben, dass es ihr nicht noch länger vergönnt sein würde, anonym zu bleiben.“

Bei dem Verdacht, der Isabelle beschlich, sträubten sich ihre Nackenhaare. „Hast du Liliana etwa bestochen oder sonst wie unter Druck gesetzt?“

Spencer stutzte kurz, dann lachte er auf. „Autsch! Du hast keine besonders gute Meinung von mir, oder, Darling?“

„Nenn mich nicht so!“

Lässig mit der Hüfte gegen ihren Schreibtisch gelehnt, vermittelte er den Eindruck, als gehöre alles ihm. Das ist nicht mal so weit von der Wahrheit entfernt! dachte Isabelle grimmig. Aber wohlfühlen soll er sich hier nicht, dafür werde ich sorgen!

„Wie war sie als Stiefmutter?“

Isabelle blinzelte und zuckte mit den Schultern. „Uns Kinder hat sie immer auf Armeslänge von sich weggehalten. Aber mein Vater und sie waren sich sehr nah. Nachdem sie in sein Leben getreten war, hatte er für nichts anderes mehr Zeit und Sinn. Nicht, dass er sich vorher mehr um uns gekümmert hätte. Aber selbst seine geliebte Arbeit interessierte ihn nicht mehr, und das sollte schon etwas heißen, denn der Hotelbetrieb ging ihm über alles. Er betete Liliana an. Sie bekam alles von ihm, wenn sie nur den kleinen Finger rührte. Vielleicht hütete er auch deshalb so eisern ihr Geheimnis. Es gehörte nur ihnen beiden.“

„Bis du eins und eins zusammengezählt hast.“

Irritiert schüttelte sie den Kopf. „Ich wundere mich immer noch darüber, dass es nicht früher herausgekommen ist. Ein veröffentlichtes Foto hätte sie auffliegen lassen. Sie hasste es, fotografiert zu werden, und behauptete immer, ihr Haar liege nicht richtig oder erfand andere Ausreden. Im Nachhinein ergibt das alles Sinn.“

„Offenbar steht ihr euch nicht besonders nah“, stellte Spencer fest. „Warum findest du dann, sie hätte dir die zwei Prozent geben müssen?“

Isabelle wünschte, sie hätte den Mund gehalten. Sie hatte viel mehr erzählt und damit auch über sich preisgegeben als beabsichtigt. Egal was es war, Spencer würde nicht zögern, es gegen sie zu verwenden. Vielleicht hatte er das ja bereits getan?

Selbst wenn er ihre Identität nicht kannte, muss ihm schon damals aufgefallen sein, dass ihr Verhältnis zu ihrer Stiefmutter nicht das Beste war. Dabei hatte sie jahrelang versucht, Liliana näherzukommen. Doch sie war einfach kein mütterlicher Typ. Immer hielt sie sich im Hintergrund, ohne besonderes Interesse an anderen Menschen zu zeigen – besonders nicht an drei kleinen Mädchen, die ihrer verstorbenen Mutter nachtrauerten. „Ich war dumm genug zu glauben, sie hätte bemerkt, wie hart ich in all den Jahren für das Unternehmen gearbeitet habe“, gestand Isabelle dumpf. „Offenbar ein Irrtum.“

„Damit, dass sie deine Präsidentschaft bestätigt hat, macht sie dir doch ein großes Kompliment.“

„Kam der Vorschlag etwa von dir?“, fragte sie misstrauisch.

Spencers Miene gab nicht den geringsten Aufschluss. „Du glaubst, ich würde mich darum reißen, unter dir zu arbeiten?“

„An meiner Seite, nicht unter mir!“

In Spencers blauen Augen blitzte ein mutwilliger Funke auf. „Komm schon, Isabelle. Wir beide zusammen können dieses großartige altehrwürdige Hotel-Imperium rocken. Ihm ein kleines Facelift verpassen, es auf den modernsten Stand bringen. Alles ein wenig auflockern. Was hältst du davon?“

Mit schmalen Lippen und bebenden Knien zog Isabelle sich hinter ihren Schreibtisch zurück. Sie brauchte ihn als Barriere gegen Spencers Anspielungen und Zweideutigkeiten. Er hatte es schon immer blendend verstanden, sie einzulullen, bis sie nicht mehr wusste, wer was gesagt hatte und was sie überhaupt dachte.

Jetzt schwang er auf der Schreibtischkante herum, um sie ansehen zu können, wodurch er ihr mit seinen langen Beinen den Fluchtweg versperrte. Wenn sie von ihm wegwollte, musste sie quasi über ihn hinwegsteigen. Im Geist sah sich Isabelle schon straucheln und in das auf Hochglanz polierte Sideboard aus Walnussholz stürzen.

„Du hast keinen blassen Schimmer von der Klasse die unser Hotel vertritt“, warf sie ihm vor. „Ihr Chatsfields seid doch alle gleich. Ihr glaubt, sobald ein Hotel bequeme Betten, einen Haufen weiche Federkissen und reichlich Alkohol in der Minibar bietet, gehört es zur First-Class-Kategorie.“ Hatte es gerade gefährlich in den blauen Augen aufgeblitzt, oder bildete sie sich das nur ein?

„Was kannst du mir hier bieten, was ich nicht auch zu Hause habe?“

Isabelle blieb wachsam. „Du meinst hier im Hotel?“ Das amüsierte Funkeln kehrte zurück, und innerlich atmete Isabelle auf, obwohl sie sich dafür verachtete.

„Was sonst könnte ich meinen?“, fragte Spencer gedehnt.

Errötend senkte sie den Blick. „Ich bin mir sicher, du hast unser Mission Statement mehr als gründlich studiert. Wir bieten einer vornehmen und stilbewussten internationalen Klientel allen Luxus und Komfort eines personengeführten Boutique Hotels.“ Natürlich war ihr nicht entgangen, wie sich seine Mundwinkel bei vornehm noch ein Stück anhoben.

„Also kein Gesindel …“

„Vergiss es, du kannst mich nicht provozieren“, behauptete sie. „Ich bin längst nicht mehr das naive dumme Ding, das du vor zehn Jahren vorsätzlich verführt hast.“

Sein Blick wanderte zu ihrem Mund, dann wieder nach oben zu ihren Augen. Dabei schien ihm etwas durch den Kopf zu gehen, was seine harte Miene sichtlich aufhellte. „So habe ich dich nie gesehen und noch weniger bezeichnet.“

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Chatsfield-Dynastie: Staffel 2