Der Teufel und die Lady

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Er wird der "Teufel" genannt! Cullen Duncan ist der berüchtigste Clanführer von Schottland: stolz, kaltherzig und vielleicht noch Schlimmeres. Trotzdem hat die liebliche Evelinde gerade zugestimmt, diesen Mann zu heiraten. Denn was kann schon furchtbarer sein als das Leben mit ihrer grausamen Stiefmutter? Zwar sollte Evelinde besser auf der Hut sein wegen des schlechten Rufs, der Cullen vorauseilt. Doch wie, wenn sie sich seiner schier unglaublichen Anziehungskraft einfach nicht erwehren kann? Die Küsse des Highlanders entzünden ein verzehrendes Feuer in ihr, anders als alles, was sie jemals kannte.

In ihrem unnachahmlich witzigen Stil erzählt Lynsay Sands eine wunderbare Liebesgeschichte voller Intrigen und Überraschungen.
www.romantictimes.com

Amüsant, sinnlich, romantisch: Der Teufel und die Lady und Lynsay Sands zaubern ein Lächeln auf Ihr Gesicht.
www.aromancereview.com


  • Erscheinungstag 01.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738037
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nordengland, 1273

„Mylady!“

Der besorgte Ausruf ließ Evelinde im Gespräch mit dem Koch innehalten und herumfahren. Durch die Küche kam ihre Magd auf sie zugestürmt, sowohl Wut als auch Besorgnis im Blick. Diese Mischung wurde für gewöhnlich nur durch Eddas Handeln hervorgerufen. Evelinde fragte sich, was ihre Stiefmutter sich nun schon wieder hatte einfallen lassen, und versprach dem Koch hastig, die Besprechung des Speiseplans später fortzusetzen, bevor sie ihrer Magd entgegenging.

Mildrede ergriff Evelindes Hände, kaum dass sie ihre Herrin erreicht hatte. „Eure Stiefmutter verlangt nach Euch“, verkündete sie, den Mund grimmig zusammengekniffen.

Etwas Derartiges hatte Evelinde bereits befürchtet, aber dennoch verzog sie das Gesicht. Edda ließ nur dann nach ihr schicken, wenn sie wieder einmal übler Stimmung war und sich aufheitern wollte, indem sie ihre unglückselige Stieftochter schikanierte. Einen Augenblick lang war Evelinde versucht, einfach zu übergehen, dass sie gerufen worden war, und sich für den Rest des Tages eine Aufgabe fernab des Wohnturms der Burg zu suchen. Das jedoch würde die Stimmung dieser Frau – und die nachfolgenden Schikanen – nur verschlimmern.

„Dann werde ich wohl besser nachsehen, was sie wünscht“, erwiderte Evelinde und drückte Mildrede beruhigend die Hände, bevor sie an ihr vorbeischritt.

„Sie hat gelächelt“, warnte Mildrede, die sich an ihre Fersen heftete.

Evelinde hielt inne, die Hand bereits an der Tür zur großen Halle. Ein eisiger Schauer überlief sie. Eine lächelnde Edda war kein gutes Zeichen. Meist bedeutete es, dass Evelinde Ungemach bevorstand. Nicht dass diese Frau es je gewagt hätte, Evelinde zu schlagen, aber es gab Übleres – Aufgaben, die so unerquicklich waren, dass man Prügel beinahe vorgezogen hätte. Unsicher kaute sie auf ihrer Unterlippe. „Weißt du, was sie dieses Mal für einen Anlass hat?“, wollte sie von ihrer Magd wissen.

Nay, nein“, entgegnete Mildrede bedauernd. „Sie war gerade dabei, Mac dafür zu schelten, dass er ihre Stute nicht genügend verhätschelt, als ein Bote des Königs eintraf. Sie las die Nachricht, lächelte und ließ nach Euch rufen.“

„Oh.“ Evelinde atmete kaum merklich durch, straffte dann die Schultern, hob den Kopf und schritt energisch durch die Tür. Ihr blieb nichts anderes übrig – abgesehen davon, zu hoffen, dass sie eines Tages von der Tyrannei und den Drangsalierungen ihrer Stiefmutter befreit würde.

„Ah, Evelinde!“ Edda lächelte in der Tat – ein sehr breites, strahlendes Lächeln, das wahrlich nichts Gutes verhieß.

„Man hat mir mitgeteilt, dass Ihr mich zu sprechen wünscht?“, fragte Evelinde ruhig. Hinter sich spürte sie Mildredes Anwesenheit. Die Magd bot ihr während Eddas kleinen Angriffen stets Rückendeckung.

Aye, ja.“ Edda behielt ihr Grinsen bei und entblößte dabei ihre Zähne – oder vielmehr das, was von diesen noch übrig war. Die Hälfte fehlte, und die verbliebenen waren bräunlich und standen schief. Edda lächelte selten und wenn, dann nie so breit, dass man einen Blick auf den Zustand ihres Mundes erhaschen konnte. Dass sie es nun tat, ließ Evelindes Anspannung um das Zehnfache wachsen.

„Seit dem Tod deines Vaters ist es an mir, für dein Wohlergehen zu sorgen, und deine Zukunft wie auch dein Glück liegen mir sehr am Herzen, mein Kind“, setzte Edda an.

Evelinde rang das spöttische Lächeln, das sich angesichts der geheuchelten Sorge Bahn zu brechen drohte, erfolgreich nieder. Ihr Vater, James d’Aumesbery, war ein guter Mann und ein loyaler Baron des Königs gewesen. Als Henry III. ihn aufgefordert hatte, die unbequeme Edda zu heiraten und auf diese Weise den Hof – an dem sie zu einer wahren Plage geworden war – von ihrer Gegenwart zu befreien, war Evelindes Vater dieser Verpflichtung anstandslos nachgekommen. Nicht so Edda. Sie hatte es übel aufgenommen, dass sie an einen Mann gebunden werden sollte, der lediglich eine Baronie hielt, und schien schon sofort bei ihrer Ankunft auf d’Aumesbery eine spontane Abneigung gegen Evelinde zu entwickeln.

Zunächst war es nicht allzu arg gewesen. Als Evelindes Vater und ihr Bruder Alexander noch dagewesen waren, hatte Edda sich ihr gegenüber zumindest höflich verhalten. Alexander jedoch war vor drei Jahren gemeinsam mit Prinz Edward zu einem Kreuzzug aufgebrochen. Zwar war der Prinz inzwischen zurückgekehrt und nach seines Vaters Tod zum König gekrönt worden, doch Alexander weilte immer noch in Tunis. Und schlimmer noch – kurz nach seinem Aufbruch war ihr Vater einem Brustleiden erlegen.

James d’Aumesbery war noch nicht einmal in der Familienkrypta beigesetzt worden, da hatte Edda schon ihre höfliche Maske abgenommen und ihre wahren Gefühle zutage treten lassen. Die vergangenen drei Jahre waren Evelinde wie die Hölle vorgekommen, und sie befürchtete, dass sie dieser Hölle niemals würde entfliehen können. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, die Rückkehr ihres Bruders abzuwarten, damit dieser sie verheiraten und sie sich weit weg von dieser Frau niederlassen konnte. Leider aber schien Alexander es nicht so eilig mit seiner Rückkehr zu haben.

„Ich habe beschlossen, dass es jetzt höchste Zeit ist, dich zu verheiraten“, beschied Edda, „und der König ist ganz meiner Meinung.“

„Was sie meint, ist, dass der König beschlossen hat, dass Ihr heiraten sollt, und sie sich dem Entschluss beugen musste“, murmelte Mildrede in Evelindes Rücken so leise, dass Edda sie nicht hören konnte. „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass sie freiwillig auf das Vergnügen verzichten würde, Euch zu schikanieren. Schließlich ist dies ihr liebster Zeitvertreib.“

Evelinde aber hörte kaum, was ihre Magd sagte, denn sie war ganz damit beschäftigt, Eddas Worte aufzunehmen. Ein Teil von ihr fürchtete, dass es sich bei alldem lediglich um den grausamen Versuch Eddas handelte, ihr erst Hoffnung zu machen, nur um sie dann zu zerschlagen.

„Also habe ich einen Gemahl für dich ausgewählt, und der König hat einen Ehevertrag ausgehandelt“, verkündete Edda würdevoll. „Gerade habe ich die Nachricht erhalten, dass alles bereit ist. Du wirst also heiraten.“

Evelinde wartete. Sie wusste, dass da noch mehr war. Edda würde nun entweder erklären, dass dies alles nur ein Scherz gewesen sei, oder aber den Namen eines absolut grässlichen, muffigen alten Lairds nennen, mit dem Evelinde ganz sicher unglücklich werden würde.

„Dein Verlobter ist bereits aufgebrochen und auf dem Weg hierher. Es ist der Laird of Donnachaidh“, sagte Edda triumphierend, wobei sie den Namen Don-o-keh aussprach.

Evelinde keuchte. Dies war schlimmer als irgendein muffiger, alter Laird, dies war … „Der Teufel von Donnachaidh?“

Eddas Gesichtsausdruck triefte vor gehässiger Schadenfreude. „Aye, und ich wünsche dir alles Unglück dieser Welt.“

„Miststück!“, zischte Mildrede hinter Evelinde wütend.

Evelinde ignorierte ihre Magd und schaffte es, Schrecken und Abscheu zurückzukämpfen und eine ausdruckslose Miene beizubehalten. Sie würde nicht noch zu Eddas Vergnügen beitragen, indem sie preisgab, wie hart dieser Schlag sie getroffen hatte. Der Teufel von Donnachaidh? Diese Frau hasste sie nicht nur, sondern sie musste sie zutiefst verabscheuen, wenn sie nicht davor zurückschreckte, sie diesem berüchtigten schottischen Laird zu geben.

„Und nun fort mit dir“, sagte Edda, die offenbar auf ihre Kosten gekommen war. „Geh mir aus den Augen.“

Evelinde nickte steif und wandte sich zum Gehen, wobei sie Mildredes Arm ergriff und sie aus der großen Halle und hinaus aus dem Wohnturm führte.

„Diese Kuh!“, stieß Mildrede hervor, sobald das Portal hinter ihnen zugefallen war.

Evelinde zog die Magd zügig weiter über den Burghof in Richtung der Stallungen.

„Dieses niederträchtige, hässliche, herzlose Weibsstück!“, schimpfte Mildrede weiter. „Sie hat ein Herz aus Stein und das passende Gesicht dazu. Der Leibhaftige muss herzlich gelacht haben an dem Tag, an dem der König Euren Vater zwang, diese Teufelin zu ehelichen.“

Evelinde schenkte Mac, dem Stallmeister, ein dankbares Lächeln, als sie Mildrede in den Stall schob und dort ihr eigenes Pferd bereits gesattelt neben dem Rotschimmel vorfand, den Mac am liebsten ritt.

„Ich habe Eddas Lächeln gesehen, als sie diese Nachricht bekam“, erklärte der Stallmeister. „Und ich hab mir gedacht, dass Euch ein Ausritt guttun wird, wenn sie erst einmal mit Euch fertig ist.“

Aye, ich danke dir, Mac.“ Evelinde schob Mildrede auf die Stute zu.

„Euer Vater würde sich im Grabe umdrehen“, knurrte Mildrede, während Evelinde ihr aufs Pferd half.

Mac half Evelinde, sich ebenfalls auf den Pferderücken zu schwingen, und sie kam hinter der älteren Magd zu sitzen, die ihre Tirade ungehemmt fortsetzte. „Und Eure liebe, selige Mutter muss vor Wut schäumen und wird wünschen, dass sie noch am Leben wäre, um diesem Miststück Strähne um schlammbraune Strähne einzeln auszureißen.“

Evelinde stieß ihrer Stute die Fersen in die Seite und trieb sie zu einem leichten Galopp an, als auch Mac aufgesessen war und dicht hinter ihr folgte.

„Ich sollte diesem garstigen Scheusal Gift in den Met tun“, drohte Mildrede, während sie in gesetztem Galopp den Burghof überquerten und auf das Tor und die Zugbrücke zuhielten. „Es gibt niemanden auf der ganzen Burg, der mir dafür nicht dankbar wäre. Sie ist die widerlichste, habgierigste, kaltherzigste, durchtriebenste … Ach!“

Evelinde lächelte schwach über Mildredes Gezänk. Sie hatten die Zugbrücke zur Hälfte gequert, als sie die Zügel schießen und ihre Stute Lady galoppieren ließ. Mit einem freudigen Wiehern schüttelte das Tier die Mähne und stürmte los. Evelinde blickte nicht erst zurück, um zu sehen, ob Mac ihr folgte, denn sie wusste, dass er mithalten würde. Zudem hatte sie alle Hände voll damit zu tun, die Zügel festzuhalten, da Mildrede sich an ihren Armen festklammerte, als fürchte sie, aus dem Sattel zu fallen.

Erst als Mildrede ihren Griff lockerte, zügelte Evelinde ihre Stute behutsam. Lady wurde sofort langsamer, sie war diesen Ablauf gewohnt. Jedes Mal, wenn Edda grausam oder gemein war, verlor Mildrede die Beherrschung, sodass Evelinde sie auf einen Ausritt mitnahm, um zu verhindern, dass sie etwas sagte oder tat, was ihr eine Strafe einhandeln mochte.

Als Lady wieder in eine gemächliche Gangart gefallen war, trieb Mac sein Pferd neben die Stute und hob fragend eine Augenbraue. Doch Evelinde schüttelte nur den Kopf. Ihr war nicht danach zu erklären, worin Eddas „freudige Botschaft“ bestanden hatte. Es würde Mildrede nur aufs Neue aufbringen, und auch sie selbst war noch zu erschüttert. Anstatt ihre Zeit darauf zu verwenden, ihre Magd zu besänftigen, wäre Evelinde gern allein gewesen, um die Lage zu überdenken.

„Ihr könnt nun umkehren“, sagte Mildrede. „Ich habe mich beruhigt. Ich werde zu dieser bösartigen Kreatur weder etwas sagen noch ihr etwas antun. Das wäre ohnehin Zeitverschwendung. Ich bin mir sicher, dass der Teufel etwas ganz Besonderes für sie bereithält, wenn sie einst abtritt. Wobei es für uns alle ein Segen wäre, wenn dies möglichst bald geschähe.“

Evelinde rang sich ein schwaches Lächeln ab, brachte aber nicht die Kraft für eine Antwort auf. Stattdessen hielt sie ihr Pferd an und sah zum Stallmeister hinüber. „Würdest du Mildrede zurückbringen, Mac?“

„Werdet Ihr nicht mit uns zurückreiten, Mylady?“, fragte Mac besorgt.

„Noch nicht“, erwiderte Evelinde. „Ich würde gerne eine Weile allein sein.“

Mac zögerte, nickte dann aber und hob Mildrede mühelos von Ladys Rücken auf den seines eigenen Pferdes. Mac war nicht besonders groß und von eher drahtigem Körperbau, aber er war erstaunlich stark.

„Reitet nicht allzu weit, damit Ihr nicht in Schwierigkeiten geratet“, sagte er warnend. „Und bleibt nicht zu lange hier draußen, ansonsten werde ich nach Euch suchen.“

Evelinde nickte und sah den beiden dann nach, die den Rückweg sehr viel gemäßigter antraten als den Hinweg. Die Art und Weise, auf die Mac den Kopf zu Mildrede hinabneigte, sagte Evelinde, dass die Magd dem Stallmeister erklärte, was vorgefallen war und was noch bevorstand.

Eine Hochzeit. Mit dem Teufel von Donnachaidh.

Evelinde schluckte gegen die Angst an, die ihr die Kehle zuschnürte. Sie lenkte ihr Pferd auf eine kleine Lichtung zu, die ihr besonders gefiel. Das offene Terrain war nicht groß und zog sich an einer Stelle des Flusses entlang, an der sich ein kleiner Wasserfall befand. Dieser war nicht einmal mannshoch, aber dennoch berückend schön.

Evelinde ritt Lady ans Ufer, damit die Stute trinken konnte, und glitt von ihrem Rücken. Während sie auf das Wasser blickte, strich sie mit der Hand geistesabwesend über den Hals des Pferdes.

Sie hatte diesen Ort immer als beruhigend empfunden. Hierher kam sie mit all ihren Kümmernissen und Sorgen. Für gewöhnlich trugen das Plätschern des Wassers und der feine Sprühnebel, den das herabrauschende Nass in die Luft zauberte, all ihre Trübsal mit sich fort, und Evelinde fühlte sich stets besser, wenn sie ging. Dieses Mal war sie sich allerdings nicht sicher, ob das auch geschehen würde. Sie hatte so eine Ahnung, dass eine Menge Wasser nötig wäre, um diese neue Sorge fortzutragen.

Sie verzog das Gesicht und ließ sich auf einem großen Findling direkt am Fluss nieder, wo sie sich ihrer Schuhe entledigte. Dann beugte sie sich vor, ergriff den hinteren Saum ihres Kleides und führte ihn durch ihre Beine nach vorn, um ihn in dem Gürtel festzustecken, der ihr Gewand locker schnürte. Anschließend trat sie erneut an den Fluss, tauchte anmutig einen Zeh ins Wasser und lächelte, als das kühle Nass ihre Haut umspülte. So verharrte sie einen Augenblick, bevor sie in den Strom stieg und wohlig seufzte, als das Wasser erst ihre Füße und dann ihre Knie umfloss.

Sie schloss die Augen, stand einfach nur da und versuchte nicht daran zu denken, dass sie den Teufel von Donnachaidh heiraten musste. Evelinde sehnte sich nach ein paar Augenblicken des Friedens und der Ruhe – danach würde sie sich gedanklich ihrer Zukunft stellen.

Diese Augenblicke jedoch dauerten nicht lange, denn der Saum ihres Kleides löste sich aus dem Gürtel und fiel um ihre Beine herum ins Wasser.

Mit einem Aufschrei wollte Evelinde aus dem Fluss springen, doch ihre Füße verhedderten sich im nassen Saum des Gewands, sodass sie seitwärts taumelte. Im letzten Moment warf sie sich mit ausgestreckten Armen nach vorn, in der Hoffnung, dadurch ihren Sturz abzufangen, doch ihre Hand glitt an einem Findling ab und fand erst auf dem Grund des Flusses Halt. Evelinde prallte mit Rippen und Hüfte schmerzhaft gegen den Felsen und stieß sich das Kinn an einem danebenliegenden Stein.

Gequält stöhnte sie auf und ging kurz unter, wobei sie einen Mundvoll Wasser schluckte. Sofort kämpfte sie sich wieder hoch und spuckte und hustete aus, was ihr davon in die Kehle gedrungen war. Ohne auf ihre schmerzende Seite zu achten, rappelte sie sich auf, sodass sie im Fluss zum Sitzen kam. Mit einer Hand tastete sie die empfindliche Stelle ab und stellte erleichtert fest, dass diese zwar wehtat, scheinbar aber nichts gebrochen war, woraufhin sie ihre Hand über ihre ebenfalls wunde Hüfte gleiten ließ. Verzweiflung übermannte sie, und sie stieß einen gequälten Fluch aus.

War dies nicht wahrlich der krönende Abschluss? Evelinde war nie die anmutigste aller Frauen gewesen, aber derart ungeschickt zeigte sie sich höchst selten. Es schien, als habe das Glück ihr für heute den Rücken gekehrt.

Kopfschüttelnd kam sie auf die Beine und stolperte aus dem Fluss. Ihre Stute, stellte sie fest, war zurückgewichen und rollte unheilvoll mit den Augen. Evelinde nahm an, dass sie das Tier bei ihrem Sturz nass gespritzt hatte. Sie versuchte gar nicht erst, sich zu entschuldigen, sondern ließ sich stattdessen zitternd auf dem Findling nieder.

An ihren Zehen hatte sich das Wasser angenehm kühl angefühlt, doch ihr vollständig durchnässtes Gewand fühlte sich eiskalt an, wo das Tuch ihre Haut berührte – also überall.

Evelinde schnitt eine Grimasse und versuchte, das Kleid so zu halten, dass es zumindest ihre Beine nicht berührte, was sie schnell wieder aufgab. Sie konnte den Stoff unmöglich so lange von ihrer Haut fernhalten, bis er getrocknet war.

Wütend vor sich hinmurmelnd, machte sie sich daran, die Bänder zu lösen und sich aus dem Obergewand zu winden. Dies entpuppte sich als harter Kampf. Es war einigermaßen leicht, das Kleid in trockenem Zustand überzustreifen; sich seiner jedoch in nassem Zustand zu entledigen, war der reinste Albtraum. Als Evelinde es endlich geschafft hatte, war sie hochrot, außer Atem und schweißgebadet.

Erleichtert ließ sie das Gewand zu Boden fallen und setzte sich erneut auf den Findling. So heiß ihr bei all der Anstrengung geworden war, so schnell ließ dieses Gefühl nach, und bald fror Evelinde erneut in ihrem feuchten Unterkleid. Dieses jedoch würde sie ganz gewiss nicht ausziehen, um dann gänzlich nackt dazusitzen. Zwar verirrten sich nur selten Menschen an ihren Lieblingsort, doch es kam durchaus vor, und sie würde es nicht riskieren, sich in einer solch misslichen Lage erwischen zu lassen.

Doch einfach nur herumzusitzen und zu zittern, so närrisch war Evelinde auch nicht. Sie musste einen Weg ersinnen, um sich selbst, ihr Unterkleid und ihr Gewand zu trocknen – und zwar rasch, bevor sie sich verkühlte.

Ihr Blick fiel auf ihre Stute. Lady starrte sie nicht länger argwöhnisch an, sondern stand wieder am Ufer und labte sich am kristallklaren Wasser. Evelinde zögerte noch kurz, um zu überlegen, wie sie ihre aufkeimende Idee in die Tat umsetzen sollte. Dann stand sie auf, klaubte ihr Kleid auf und schritt zu ihrem Pferd.

Cullen war der Erste, der sie sah. Der Anblick ließ ihn sein Pferd so abrupt zügeln, dass es stieg. Er schloss die Schenkel um den Pferdekörper, damit er sich im Sattel halten konnte, und beruhigte das Tier geistesabwesend, ohne seine Augen von der Frau im Tal abzuwenden.

„Allmächtiger! Was tut sie da?“, fragte Fergus, als er sein Pferd neben das Cullens trieb.

Cullen schenkte dem hochgewachsenen, stämmigen Rotschopf, der sein erster Mann war, keine Aufmerksamkeit. Er schüttelte nur stumm den Kopf, von dem Bild vollkommen gebannt. Die Frau ritt auf der Wiese immer hin und her, ließ ihr Pferd erst in die eine, dann in die andere Richtung galoppieren. Das allein war schon seltsam, doch was Fergus zu einem gedämpften Tonfall veranlasst und Cullen gleich gänzlich die Sprache verschlagen hatte, war der Umstand, dass sie dies in nichts als einem durchscheinenden Unterkleid tat und die Zügel ihres Reittiers zwischen den Zähnen hielt. Ihre Hände nämlich waren anderweitig beschäftigt. Sie hielten etwas hoch in die Luft, das wie ein Umhang wirkte und oberhalb ihrer goldenen Haarflut bauschend hinter ihr herwehte, während die Frau immer hin und her ritt … hin und her … hin und her.

„Wer ist sie wohl?“ Rorys Frage war das einzige Zeichen, das Cullen zu verstehen gab, dass auch die übrigen Männer aufgeschlossen hatten.

„Keine Ahnung, aber ich könnte der Kleinen den ganzen Tag zusehen“, erwiderte Tavis mit begehrlichem Unterton. „Wobei es da noch ein paar Dinge gibt, die ich weit lieber den ganzen Tag mit ihr anstellen würde.“

Cullen stellte fest, dass diese Bemerkung ihn ärgerte. Tavis war sein Cousin und der Schürzenjäger unter seinen Männern – blond, gut aussehend und mit einem gewinnenden Lächeln versehen, kostete es ihn keine Mühe, Frauen für eine Nacht in sein Bett zu locken. Und er nutzte diese Gabe voll aus und ließ bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Charme spielen, um die Damen dazu zu bringen, ihre Röcke zu heben. Wenn für dieses Talent Titel vergeben würden, wäre Tavis längst König von Schottland.

„Erst einmal wüsste ich gern, warum sie tut, was sie da tut“, wandte Fergus bedächtig ein. „Mir liegt nichts daran, ein Frauenzimmer zu verführen, das nicht ganz richtig im Kopf ist.“

„Ich würde ja nicht mit ihrem Kopf ins Bett gehen“, erwiderte Tavis lachend.

„Aye“, sagte Gillie verträumt.

Cullen wandte sich um und bedachte seine Männer mit einem strengen Blick. „Reitet weiter. Ich komme nach.“

Darauf folgte ein Moment des Schweigens, in dem Augenbrauen gehoben und Blicke getauscht wurden, bevor alle fünf Männer die Zügel aufnahmen.

„Reitet um die Wiese herum“, wies Cullen sie an, als die Krieger sich anschickten, einfach geradeaus zu reiten.

Wieder wurden Blicke getauscht, doch die Reiter hielten sich gehorsam am Waldsaum.

Cullen wartete, bis sie nicht mehr zu sehen waren, und wandte sich dann wieder der Frau zu. Er folgte ihr mit den Augen mehrmals hin und her, bevor er sein Pferd vorwärtstrieb.

Vom Rande der Wiese aus war nicht ersichtlich gewesen, dass die Frau auf dem Pferd ein atemberaubendes Tempo anschlug und nur verlangsamte, um zu wenden, bevor sie ihr Reittier erneut zu einem wilden Galopp quer über die freie Fläche antrieb. Der Stute schien dies nichts auszumachen. Im Gegenteil – sie hielt es scheinbar für eine Art Spiel und schoss nach jedem Wenden mit beeindruckender Geschwindigkeit vorwärts.

Cullen zog mit der Stute gleich, doch die Reiterin nahm ihn nicht sofort wahr. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf den vor ihr liegenden Pfad und das Kleidungsstück in ihren nach oben gestreckten Händen gerichtet. Als sie seiner schließlich doch aus den Augenwinkeln gewahr wurde, verhielt sie sich gänzlich unerwartet.

Die Augen der jungen Frau weiteten sich, und sie wandte ruckartig den Kopf, wodurch sie unbeabsichtigt an den zwischen ihren Zähnen klemmenden Zügeln zog. Jäh kam die Stute zum Stehen und stieg. Sofort ließ die Frau die Hände sinken, um nach den Zügeln zu greifen, und das Kleidungsstück, das sie gehalten hatte, wirbelte herum und schlug Cullen schwer und nass ins Gesicht. Der Schlag brannte, und der Stoff machte ihn für einen Moment blind, wodurch auch Cullen, derart überrumpelt, an den Zügeln seines Pferdes riss, sodass dieses scheute und ebenfalls stieg.

Cullen stürzte zu Boden, und das lange Stoffstück, in dem er sich verfangen hatte, dämpfte seinen Fall kein bisschen. Ein scharfer Stich schoss ihm durch den Rücken und nahm ihm den Atem, und dann fuhr ihm ein heftiger Schmerz wie eine gezackte Klinge durch den Schädel und schien ihn zu spalten. Abrupt verlor Cullen das Bewusstsein.

Das Gefühl, das etwas an ihm zog, weckte Cullen. Blinzelnd öffnete er die Augen, und einen Moment lang glaubte er, der harte Aufprall habe ihn erblinden lassen. Dann aber spürte er, wie erneut etwas an ihm zerrte, und er erkannte, dass etwas sein Gesicht bedeckte. Das feuchte Tuch, rief er sich ins Gedächtnis. Er war also nicht blind. Zumindest glaubte er, dass er es nicht war. Sicher konnte er sich dessen erst sein, wenn er sich des Hindernisses entledigt hatte.

Wieder zog etwas, dieses Mal untermalt von einem Ächzen und um einiges stärker. Stark genug, dass sein Kopf hochgerissen und sein Hals unangenehm verdreht wurde. Da Cullen fürchtete, sich auf diese Weise das Genick noch nach dem Sturz zu brechen, beschloss er, dass es das Beste sei, wenn er sich am Befreiungsversuch beteiligte. Er hob die Hände an seinen Kopf, um nach dem hinderlichen Material zu greifen. Offenbar aber hatte sich sein Peiniger dicht über ihn gebeugt, denn statt des Stoffes bekam er etwas ganz anderes zu fassen. Zwei ganz andere Dinge … die von weichem, feuchtem Stoff bedeckt, wohlgerundet sowie weich und zugleich fest waren und – wie er mit blind umhertastenden Fingern feststellte – in der Mitte jeweils eine knospenartige Verhärtung hatten. Cullen war so sehr vertieft darin, all diese Einzelheiten aufzunehmen, dass er das entsetzte Keuchen zunächst nicht wahrnahm, das von jenseits des Kleidungsstücks um seinen Kopf zu ihm durchdrang.

„Verzeihung“, murmelte Cullen, als er endlich erkannte, dass er die Brüste einer Frau hielt. Er zwang seine Hände loszulassen und sich stattdessen dem Stoff zu widmen, der ihm so wirkungsvoll die Sicht nahm. Er zerrte rücksichtslos daran, begierig darauf, ihn loszuwerden.

„Vorsicht! Nicht so hastig, Sir, Ihr werdet den Stoff zerreiß…“ Die Warnung verlief sich in einem Stöhnen, als das Ratschen des reißenden Tuchs die Luft durchschnitt.

Cullen hielt kurz inne, fuhr dann aber ohne Entschuldigung fort, an dem Kleid zu zerren. Er hatte es noch nie gemocht, eingeengt zu sein, und hatte das Gefühl, er werde ersticken, wenn er nicht umgehend dieses Hindernis loswürde.

„Lasst mich … Ich kann … Wenn Ihr einfach nur …“, sagte eine weibliche Stimme verzweifelt.

Cullen jedoch hörte die Worte kaum, die in seinen Ohren nicht mehr waren als nichtssagendes Gezwitscher. Er beachtete sie nicht weiter und fuhr stattdessen fort, gegen das Tuch anzukämpfen, bis dieses endlich – mit einem erneuten reißenden Geräusch – nachgab und Cullen wieder Luft bekam. Er schloss die Augen und atmete erleichtert durch.

„Oh weh.“

Die leise, fast gehauchte Klage ließ Cullen die Augen aufschlagen. Sein Blick fiel auf die Frau, die neben ihm kniete. Diese ließ den Stoff durch ihre Hände gleiten und begutachtete das beschädigte Material mit vor Bestürzung weit aufgerissenen Augen.

Cullen zog eine weitere Entschuldigung in Betracht, aber er hatte bereits eine abgegeben, und das war mehr, als er gemeinhin in einem ganzen Jahr hervorbrachte. Bevor er sich noch entscheiden konnte, ließ die blonde Reiterin von dem Gewand ab und bedachte stattdessen Cullen mit einem erschrockenen Blick.

„Ihr blutet ja!“

„Was?“, fragte Cullen überrascht.

„Auf meinem Kleid ist Blut. Ihr müsst Euch beim Sturz den Kopf angeschlagen haben“, erklärte sie und beugte sich über ihn, um seine Kopfhaut zu untersuchen. Durch diese Haltung war ihr Oberkörper nur eine Handbreit von Cullens Gesicht entfernt, und wieder machte sich ein Gefühl der Enge in ihm breit, bis er von den weiblichen Rundungen abgelenkt wurde, die sich direkt vor seinen Augen wiegten.

Das Unterkleid, das die Frau trug, war sehr dünn und derzeit nass, wie Cullen bemerkte – zweifelsohne auch der Grund dafür, dass das Tuch durchscheinend war. Cullen konnte nicht anders, als fasziniert die beiden wunderbaren, wohlgeformten Kurven anzustarren, wobei er seinen Blick von der linken zur rechten springen ließ, während die Frau seinen Kopf hin und her drehte, um zu erkunden, woher das Blut stammte.

Offenbar fand sie keine Verletzung, die für das Blut auf ihrem Gewand verantwortlich sein konnte. „Es muss Euer Hinterkopf sein“, murmelte sie und hob unvermittelt Cullens Kopf vom Boden auf, vermutlich, um den hinteren Teil seines Schädels begutachten zu können. Zumindest nahm Cullen das an, als sein Gesicht plötzlich in eben den Hügeln versank, die er bis dahin so interessiert betrachtet hatte.

Aye, hier ist es. Ihr müsst Euch den Kopf an einem Stein oder etwas Ähnlichem aufgeschlagen haben, als Ihr gestürzt seid“, sagte die Frau in einem Ton, der sowohl Triumph als auch Sorge ausdrückte.

Cullen seufzte nur und schmiegte sich an die Brüste, die ihn umschlossen hielten. Obwohl feucht, fühlten sie sich durchaus wundervoll an, und wenn ein Mann schon ersticken musste, dann war dies nicht der unangenehmste Weg. Er spürte, wie etwas Hartes gegen seine rechte Wange nahe seinen Lippen drückte, und merkte, dass die beiden kleinen Erhebungen auf den üppigen Rundungen sich in zwei feste Perlen verwandelt hatten. Die Frau erstarrte jäh, wie ein Raubtier, das Gefahr wittert. Da Cullen nicht wollte, dass sie verängstigt aufsprang, öffnete er den Mund und versuchte den Kopf so zu wenden, dass er ein, zwei beschwichtigende Worte sagen konnte.

„Beruhigt Euch“, war alles, was er herausbrachte. Cullen hielt nichts von langen Reden. Allerdings war es zweifelhaft, ob die Frau ihn überhaupt verstand, da Cullens Worte von der Knospe gedämpft wurden, die mit einem Mal seinen offenen Mund ausfüllte. Obwohl er der festen Absicht gewesen war, die junge Frau nicht zu verängstigen, konnte er nicht widerstehen, als er erkannte, dass diese köstliche Kirsche ihrer Brust angehörte. Er umschloss die Wölbung unter dem Tuch mit den Lippen und umspielte sie mit der Zunge.

Nur einen Augenblick später schoss erneut Schmerz durch seinen Schädel, als dieser einmal mehr abrupt den Boden traf.

2. KAPITEL

„Oh!“ Evelinde keuchte, als sie erkannte, dass sie den Kopf des Mannes hart auf den Boden hatte fallen lassen. Das hatte sie nicht gewollt, aber ihr war mit einem Mal aufgegangen, an was sie sein Haupt gedrückt hatte, während sie nach der Wunde suchte. Zunächst war sie einfach erstarrt, zutiefst beschämt über sich selbst, und als der Mann dann zu sprechen ansetzte, hatten seine sich bewegenden Lippen an ihrer Brust ein äußerst befremdliches Prickeln entflammt. Die Wonne, die diesem Prickeln folgte, nahm Evelinde den Atem. Also hatte sie den Mann losgelassen. Was sich so gut anfühlte, konnte nur schlecht sein.

Der Mann rollte sich auf die Seite, wobei der Karostoff seines Plaids so verrutschte, dass sich Evelinde ein reizvoller Blick auf seine Beine bis fast hinauf zu dem Bereich bot, in dem es sehr persönlich wurde. Evelinde riss sich von dem faszinierenden Ausblick los und beugte sich stattdessen vor, um sich die Wunde am Hinterkopf des Mannes anzuschauen. Er war Schotte, aber das beunruhigte sie nicht weiter. Zahlreiche Freunde ihres Vaters waren Schotten gewesen, zumeist Highlander, Hochland-Schotten, die er bei Hofe oder auf seinen Reisen kennengelernt hatte. Im Laufe der Jahre hatten sie auf d’Aumesbery viele Besucher aus Schottland willkommen geheißen, und Evelinde nahm an, dass dieser Mann hier ein weiterer dieser Besucher war. Sie setzte einfach voraus, dass er sie ebenso respektvoll und freundlich behandeln würde, wie all die anderen es bislang getan hatten. Schotten, das hatte Evelinde gelernt, waren nicht annähernd die primitiven Heiden, als die sie galten.

Der Mann stieß einen schmerzerfüllten Fluch aus, und das lenkte Evelindes Aufmerksamkeit zurück zu der Kopfwunde. Auf ihrem Kleid war eine erhebliche Menge Blut gewesen, und auch in seinem Haar war nicht wenig davon. Allerdings konnte sie unmöglich sagen, wie schwerwiegend die Verletzung war, solange diese derart blut- und schmutzverkrustet war.

„Geht es Euch gut?“, fragte sie besorgt. Sie ließ ihren Blick über den Teil seines Gesichts gleiten, den sie von der Seite sehen konnte. Der Mann schnitt eine gequälte Grimasse, wobei er das für Evelinde sichtbare Auge fest zukniff. Evelinde, die auf dem Boden kniete, verlagerte ihr Gewicht und sah über die Wiese, während sie nachdachte, was zu tun sei. „Denkt Ihr, dass Ihr aufstehen könnt?“, fragte sie schließlich.

Als Antwort erhielt sie nur ein Brummen. Unsicher, ob dieses nun ein Ja oder ein Nein war, erhob sie sich, beugte sich dann zu dem Mann hinunter, ergriff seinen Arm und versuchte, ihm auf die Beine zu helfen. „Kommt“, sagte sie. „Wir müssen uns um Euren Kopf kümmern.“

„Meinem Kopf geht es gut“, knurrte er, doch seine nach wie vor schmerzverzerrte Miene nahm seinen Worten die Überzeugungskraft.

Die raue Intonation seiner Worte erinnerte Evelinde daran, dass sie einen Schotten vor sich hatte, und aus einem Impuls heraus beugte sie sich wieder vor. „Kennt Ihr den Teufel von Donnachaidh?“, fragte sie ängstlich.

Dass er jäh erstarrte, ließ vermuten, dass er zumindest den Namen kannte, doch den kannten die meisten Leute. Es war ein Name, mit dem Eltern in ganz England und Schottland ihre Kinder einschüchterten, um ihnen gutes Benehmen einzubläuen. „Wenn du nicht brav bist, holt dich der Teufel von Donnachaidh“, war eine Drohung, die Kindermädchen wie Mütter häufig anbrachten.

Als der Mann sich aufsetzte, wich Evelinde rasch zurück, um ihm Platz zu machen. Sehr zu ihrem Missfallen blieb er ihr die Antwort jedoch schuldig und starrte sie stattdessen mit verschlossenen Zügen schweigend an.

„Kennt Ihr ihn nun?“, bohrte Evelinde leicht gereizt.

Aye, ich bin der Duncan“, erwiderte er schließlich. Evelinde runzelte die Stirn, weil sie nicht wusste, was er damit meinte. War Duncan sein Name oder sein Titel? Sie vermutete, dass es sein Titel war, fragte sich aber, ob es nicht auch möglich war, dass die Duncans ein benachbarter Clan der Donnachaidhs waren. Sie setzte zu einer Frage an, entschied dann aber, dass es egal sei. Wichtig war, dass der Mann den Teufel kannte, den sie heiraten sollte.

„Ist er so grausam, wie die Leute sich erzählen? Das ist er nicht, oder?“, fragte Evelinde hoffnungsvoll. „Das ist nur ein Gerücht, nicht wahr? Geschichten, die man sich am Kaminfeuer erzählt und die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, oder? Ich bin mir sicher, dass er ein guter Gemahl sein wird. In Wahrheit kann er gar nicht grausamer sein als Edda, nicht wahr?“

Der Mann antwortete nicht auf eine einzige ihrer Fragen, was Evelinde als überaus taktlos empfand. Dann sah sie das rote Rinnsal an seinem Hals und rief sich seine Verwundung ins Gedächtnis. Es war ebenfalls nicht besonders taktvoll von ihr, einfach dazusitzen und ihn mit Fragen zu malträtieren, wo er doch verletzt war.

„Ihr blutet stark“, sagte sie voller Besorgnis. Der Mann tastete nach seinem Hinterkopf, und Evelinde sah, dass selbst schon diese vorsichtige Berührung Schmerz in seinen Augen aufblitzen ließ.

Evelinde griff nach ihrem ruinierten Kleid, stand auf und sah sich um. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass der Mann sich für seinen Sturz das Ende der Wiese ausgesucht hatte, das an den Fluss grenzte. Als ihre Pferde scheuten, hatte Evelinde nicht darauf geachtet, wo sie sich befanden, da sie alle Hände voll damit zu tun gehabt hatte, im Sattel zu bleiben. Dann war sie vor allem um den Mann besorgt gewesen, und sie war blindlings abgestiegen und zu ihm geeilt. Zum Glück mussten sie nur einem kurzen Pfad durch eine schmale Baumgruppe hindurch folgen, um das Wasser zu erreichen.

Sie wandte sich dem Schotten zu, der noch immer auf dem Boden saß, und streckte ihm eine Hand entgegen. „Kommt. Wir sollten Eure Wunde versorgen.“

Der Mann sah die Hand, die sie ihm reichte, kam aber auf die Beine, ohne Evelindes Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Männer können ja so selbstgefällig sein, dachte Evelinde und schüttelte verärgert den Kopf.

„Wartet hier, ich werde unsere Pferde einfangen“, wies sie ihn an. Beide Tiere hatten sich einige Schritte entfernt. Evelindes Stute stand bewegungslos da und übersah geflissentlich das andere Pferd, das neben ihr stand und sie beschnupperte.

Evelinde war kaum einen Schritt gegangen, da ließ ein schriller Pfiff sie innehalten. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie sich nach dem Duncan um und keuchte dann verblüfft auf. Der Schotte hatte plötzlich ihren Arm gepackt und sie zur Seite gezogen, und da war auch schon sein Pferd herangaloppiert, rammte vor ihnen die Hufe ins Gras und warf stolz seinen Kopf zurück.

Evelinde stand noch kurz völlig überrascht da, sodass sie sah, wie der Duncan dem Tier ein Lob zuraunte und ihm über den Hals strich. Dann wandte sie sich ab, um ihre Stute zu holen.

„Direkt hinter den Bäumen dort liegt ein Fluss“, sagte sie, als sie mit Lady zurückkehrte. „Dort können wir Eure Wunde reinigen, damit ich sie besser in Augenschein nehmen und feststellen kann, wie schlimm sie ist.“

„Mir geht es gut“, brummte der Duncan, folgte Evelinde aber, als diese mit der Stute am Zügel an ihm vorbei durch die Bäume schritt.

„Kopfwunden können heikel sein, Sir“, sagte Evelinde fest, während sie den Mann auf die Lichtung am Flussufer führte. „Die Wunde muss gereinigt und versorgt werden, und Ihr solltet Euch in nächster Zeit beim Schlafen sorgsam betten. Zudem habt Ihr nach dem Sturz kurz das Bewusstsein verloren.“

„Mir geht es gut“, wiederholte der Mann mit rauer Stimme.

„Das möchte ich gerne selbst beurteilen“, erwiderte Evelinde, ließ Ladys Zügel fallen und ging in Richtung Ufer. Dort kniete sie nieder, suchte an dem Rock des Gewandes, das sie in der Hand hielt, nach einer sauberen Stelle und tauchte diese ins Wasser. Sie hatte gehofft, dass der Wind ihr Gewand trocknen würde – deshalb war sie immer hin und her geritten, das Kleid über ihrem Kopf schwingend. Wahrscheinlich hätte sie mehr Erfolg damit gehabt, wenn sie Lady einfach zu einem weiteren halsbrecherischen Rennen querfeldein angetrieben hätte, aber sie hatte nicht dabei gesehen werden wollen, wie sie mit nichts als einem Unterkleid am Leibe durch d’Aumesbery galoppierte. Die Wiese war von Bäumen gesäumt, und so hatte sie gehofft, dass sie ihr Kleid ohne Zeugen würde trocknen können. Offenbar war ihr Plan nicht aufgegangen. Sie war nicht nur gesehen, sondern auch noch so erschreckt worden, dass sie beinahe vom Pferd gepurzelt wäre. Und ihr Kleid war nach wie vor nass.

Evelinde verzog das Gesicht und stand auf, das nun wieder triefende Kleid in den Händen. Sie wandte sich nach dem Schotten um, stockte und starrte. Der Mann hatte seine Stiefel ausgezogen und stand vornübergebeugt bis zu den Knien im Fluss, den Kopf unter dem Wasserfall.

„Nun sieh sich einer das an“, murmelte Evelinde und wünschte, sie hätte den gleichen Einfall gehabt, bevor sie erneut ihr Kleid durchtränkte. Seufzend breitete sie das Gewand auf dem Findling aus, auf dem sie zuvor gesessen hatte, und ging dann über die Lichtung zum Ufer am Wasserfall hinüber, wo der Duncan sich unter dem niederprasselnden Nass das Blut abspülte.

„Kommt, lasst mich einmal sehen“, forderte Evelinde ihn auf, als der Schotte sich aufrichtete, sich das Haar aus dem Gesicht strich und in Richtung Ufer watete.

Der Mann hob angesichts des Befehlstons eine Braue, blieb aber gehorsam vor ihr stehen und wandte sich um. Evelinde starrte auf den breiten Rücken, der wie eine Mauer vor ihr aufragte, und verdrehte die Augen. Der Duncan war fast einen Fuß größer als sie. Evelinde erkannte gar nichts.

„Ihr werdet Euch schon setzen müssen“, sagte sie, ergriff seine Hand und führte ihn zu einem umgestürzten Baumstamm am Rande der Lichtung. Dort drückte sie ihn nieder, trat zwischen seine Beine und nahm seinen Kopf in beide Hände, um ihn nach vorn zu neigen und den hinteren Teil sehen zu können. Mit Mildredes Hilfe hatte sie sich nach dem Tod ihrer Mutter um die Verwundeten und Kranken auf d’Aumesbery gekümmert. Das war keine Aufgabe, die Edda für sich beansprucht hatte, als sie die neue Herrin von d’Aumesbery wurde, und daher hatte Evelinde sie weiterhin versehen und war es somit gewohnt, erwachsene Soldaten herumzukommandieren, als wären sie Kinder. Und um die Wahrheit zu sagen, hatte sie die Erfahrung gemacht, dass Männer sich wie eben solche verhielten, wenn sie verletzt oder krank waren. Ja im Grunde waren sie unerträglicher als jedes Kind, wenn es ihnen schlecht ging.

„Hmm“, machte sie, während sie die aufgeschürfte Stelle begutachtete. Diese blutete immer noch, aber Kopfverletzungen bluteten meist stark, und diese hier war mehr ein Kratzer als eine tiefe Wunde. „Scheint nicht allzu schlimm zu sein.“

„Ich habe Euch ja gesagt, mir geht es gut“, knurrte der Duncan und hob den Kopf.

„Ihr habt aber das Bewusstsein verloren, Sir“, erwiderte Evelinde gereizt. „Lasst mich Eure Augen sehen.“

Er hob den Kopf, und Evelinde umschloss seine Wangen mit den Händen und sah ihm in die Augen. Ihr fiel nichts Außergewöhnliches auf – bis auf die Augen selbst, die außergewöhnlich schön waren, groß und von einem satten Braun, so dunkel, dass sie fast schwarz schienen. Lange dunkle Wimpern rahmten diese Augen ein. Das übrige Gesicht war dagegen kantig und scharf geschnitten, die Nase pfeilgerade. Und seine Lippen …

Evelinde ließ ihre Augen dort verharren. Sie bemerkte, dass seine Oberlippe schmal war, seine Unterlippe dagegen voll. Sie wirkte, als würde sie sich weich anfühlen, wenn man sie berührte. Ohne nachzudenken und von Neugier übermannt, rieb Evelinde mit dem Daumen über die üppig gerundete Oberfläche und stellte fest, dass diese in der Tat weich war. Dann ging ihr auf, was sie getan hatte. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und ließ das Gesicht des Schotten abrupt los.

„Da war ein wenig Schmutz“, log sie und wollte zurückweichen, als der Duncan sie mit beiden Beinen umschloss. So zwischen seinen Knien gefangen, fühlte sich Evelinde zum ersten Mal unbehaglich in seiner Gegenwart, wenngleich sie keine Angst hatte. Aus irgendeinem Grunde spürte sie, dass sie vor diesem Mann nichts zu fürchten hatte, aber was er tat, beunruhigte sie dennoch.

Evelinde öffnete den Mund, um ihn aufzufordern, sie loszulassen, doch stattdessen zog sie vor Schmerz scharf die Luft ein, als der Duncan die Hände hob und ihre Hüften umfasste. Sofort lockerte sich sein Griff wieder, aber er ließ Evelinde nicht los. Stattdessen hielt er sie und ließ seinen Blick zu der Stelle hinabgleiten, die er berührt hatte. Grimmig verzog er die Lippen.

„Auch Ihr habt bei dem Sturz Schaden genommen“, brummte er ungehalten. „Ihr habt Euch die Hüfte aufgeschürft.“

Evelinde biss sich auf die Lippe und versuchte sich vorzustellen, sie sei irgendwo anders, nur nicht hier, während er seinen Blick an ihrer Seite heraufwandern ließ und mit einer Hand dieser Spur folgte. An der Seite ihres Oberkörpers hielt die Hand inne, knapp unterhalb ihrer linken Brust. Dies jagte Evelinde einen seltsamen Schauer über die Haut.

„Und hier“, sagte der Duncan.

Verwirrt blickte Evelinde an sich herab. Die Prellung musste von ihrem Sturz im Wasser stammen, aber der Mann konnte doch unmöglich durch ihr Unterkleid hindurchschauen, um die Wunde zu erkennen, die er …

Evelindes Gedanken brachen abrupt ab, als sie sah, dass ihr noch immer feuchtes Unterkleid durchscheinend war. Durch den Stoff hindurch, der sich an ihre Haut schmiegte, konnte sie deutlich mehrere dunkle Stellen erkennen. Eine davon war ein großer, marmorierter Bluterguss an ihrer Hüfte, eine weitere die noch größere Prellung über ihren Rippen, doch die übrigen waren alles andere als Verletzungen. Die dunkleren Wölbungen auf ihren Brüsten waren durch das feuchte Hemd hindurch klar zu erkennen, und auch das mattgoldene Dreieck dort, wo ihre Schenkel sich trafen, hob sich deutlich von ihrer hellen Haut ab.

Ein entsetztes Keuchen entrang sich Evelindes Kehle, doch bevor sie sich noch entwinden und bedecken konnte, hatte der Schotte schon ihren Arm ergriffen.

„Und hier.“

Geistesabwesend ließ Evelinde den Blick an ihrem Arm hinabgleiten, den der Mann leicht gedreht hatte. Sie kannte all diese Blutergüsse bereits, denn sie hatte sich diese bei ihrem Fall im Fluss eingehandelt und nicht, wie der Duncan annahm, bei einem Sturz vom Pferd. Derzeit beschäftigten Evelinde allerdings eher andere Dinge, wie zum Beispiel die Tatsache, dass sie so gut wie nackt war. Als der Mann sich über sie beugte, um ihren Oberarm eingehender betrachten zu können, zog Evelinde vor Überraschung scharf die Luft ein. Sein Atem strich angenehm heiß über die kühle rosa Knospe unter dem klammen Unterkleid. Die Wirkung, die dies hatte, war beinahe schockierend.

Evelinde stand vollkommen reglos da und hielt den Atem an, während der Duncan die Wunde in Augenschein nahm. Dafür brauchte er außergewöhnlich lange, viel länger, als es bei den anderen Blutergüssen der Fall gewesen war. Und die ganze Zeit über atmete er ein und aus und streichelte die bebende kleine Rundung auf ihrer Brust mit dem warmen Hauch seines Odems. Jeder Atemstoß von ihm sandte einen seltsamen kleinen Schauer durch Evelinde. Dann hob der Schotte plötzlich die Hand, um mit einem Finger sanft die Verfärbung an ihrem Arm zu umkreisen. Dabei streifte er mit dem Handgelenk die kleine, harte Perle auf Evelindes Brust unter dem feuchten Stoff.

Evelinde war sicher, dass dies zufällig geschah und er es nicht einmal bemerkt hatte, doch was dies in ihr auslöste, war geradezu erschreckend. Sie schloss die Augen, als eine eigenartig wohlige Woge sie durchbrandete, und mit einem Mal war sie hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, auf Abstand zu dem Mann zu gehen und sich nicht vom Fleck zu rühren, um die erstaunliche Wirkung, die er auf sie hatte, weiter auszukosten. Als der Duncan schließlich ihren Arm freigab und ihre Beine nicht länger mit den seinen umklammert hielt, öffnete Evelinde die Augen und sah, wie der Mann sich erhob. Ehe sie noch so viel Verstand zusammenbringen konnte, um nach ihrem Obergewand zu greifen und sich zu bedecken, hatte er schon eine Hand um ihren Kopf gelegt und ihr Gesicht dem seinen zugewandt, wobei er den Daumen zart unterhalb ihrer linken Wange kreisen ließ.

„Und auch hier“, hörte sie ihn mit rauer Stimme sagen.

„Oh.“ Evelindes Brust hob und senkte sich, als der Duncan mit dem Finger den Rand der Prellung entlangfuhr und ihren Mundwinkel streifte. Auch diese Verletzung stammte von ihrem Sturz im Fluss, aber irgendwie schaffte Evelinde es nicht, ihre Zunge so weit zu entwirren, dass sie ihm dies sagen konnte, denn noch immer strich der Mann mit den Fingern über ihre Haut.

„Ihr habt wundervolle Augen“, raunte er und ließ seinen Blick in eben jene sinken, anstatt die Wunde zu betrachten, die er noch immer mit der Hand nachzeichnete.

„Ihr auch“, flüsterte Evelinde, ohne nachzudenken.

Er verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, ehe seine Lippen die ihren fanden.

Evelinde erstarrte unter dieser unerwarteten Berührung. Seine Lippen waren in der Tat weich und dennoch fest – und keineswegs da, wo sie sein sollten. Sie setzte zu einer entsprechenden Bemerkung an, als etwas gegen ihre Lippe drängte. Evelinde wollte zurückweichen, aber die Hand des Schotten an ihrem Hinterkopf hinderte sie daran. Und dann spürte sie plötzlich, wie er mit der Zunge in ihren Mund vorstieß.

Zunächst wollte sie den Mann unwillkürlich zurückstoßen, doch dann glitt seine Zunge über die ihre, und Evelinde wehrte sich nicht länger. Seine Liebkosung war überraschend angenehm. Sie stellte fest, dass sie seine Arme umklammerte, anstatt ihn wegzudrängen, und schloss die Augen. Ein leiser Seufzer entschlüpfte ihrem Mund und verschwand zwischen seinen Lippen.

Sie war nie zuvor geküsst worden. Niemand hätte dies je gewagt. Sie hatte d’Aumesbery nie verlassen, und als Tochter des Lairds war sie für die Ritter und Bediensteten der Burg unantastbar. Dies also war ihr erster Kuss, und sie war sich nicht sicher, ob ihr diese Art von Berührung nun gefiel oder nicht. Es war interessant, zugegeben, und ließ wonnige Erregung in ihr aufbranden, doch diese Wellen schlugen nicht besonders hoch und wurden zudem von ihrer Verwirrung geglättet. Daher war Evelinde nicht übermäßig enttäuscht, als der Schotte sich zurückzog. Doch anstatt sie freizugeben, wie sie es erwartet hatte, ließ er seine Lippen über ihre unverletzte Wange gleiten.

„Sir“, murmelte Evelinde, die es langsam an der Zeit fand, sich ihm vorzustellen und ihm zu sagen, dass er aufhören solle. Sie hatte keine Zweifel, dass er von ihr ablassen würde. In dem Augenblick, da er erfuhr, dass sie dem Teufel von Donnachaidh versprochen war, würde er sie wahrscheinlich freiwillig von sich stoßen. Jeder fürchtete diesen Teufel, dachte Evelinde noch, bevor der Duncan die Seite ihres Halses zu liebkosen begann und sie erneut erstarrte.

Ihr stockte der Atem, und ihr Inneres geriet in Aufruhr. Erneut schloss sie die Augen, und dann stieß sie einen überraschten Laut der Lust aus, während sie den Kopf zur Seite neigte, um dem Mann mehr von sich darzubieten. Sie drückte sich gar ein wenig an ihn, und ihre Hände umschlossen seine Arme und zogen ihn näher, anstatt ihn wegzustoßen. Die verschiedensten erregenden Empfindungen durchrieselten sie, als er die Lippen über ihre Haut und zu ihrem Ohr wandern ließ. Diesem widmete der Duncan sich so ausgiebig, dass Evelinde sich ihm auf Zehenspitzen entgegendrängte und, von seinen Armen umschlungen, erst keuchte und dann leise aufstöhnte.

Wieder fand er mit seinem Mund den ihren, und dieses Mal verharrte Evelinde nicht reglos. Sie erwiderte seinen Kuss und umspielte seine Zunge mit der ihren. Der Schotte löste seinen Griff um ihren Kopf und ließ seine Hände stattdessen an ihrem Rücken hinab und über die Rundungen ihres Hinterteils gleiten. Jede Hand legte sich um eine der Kurven, und dann hob der Mann Evelinde hoch und presste sie an sich.

Sie stöhnte an seinen Lippen, während etwas Hartes durch ihrer beider Kleidung hindurch gegen ihren Schoß drängte. Eine ganz neue, heftige Erregung durchzuckte sie, und sie verlagerte die Hüften und umschloss den Nacken des Mannes noch fester mit den Armen in dem Versuch, ihm noch näher zu kommen.

Als der Duncan sich plötzlich von ihren Lippen löste, stöhnte Evelinde enttäuscht auf, doch als er sich erneut auf dem umgestürzten Baumstamm niederließ und sie an sich zog und auf seinen Schoß gleiten ließ, kehrte Evelindes Verstand kurzzeitig zurück.

„Oh, nay, Sir! Wir sollten das nicht tun. Ich bin dem Teufel von Donnachaidh versprochen“, wandte sie ein.

Sie hatte erwartet, dass dies das Geschehen abrupt enden lassen würde, aber der Mann raunte nur: „Ich bin der Duncan, und nun möchte ich einen Kuss.“

Wieder traf sein Mund den ihren, und Evelinde gab ihren schwachen Widerstand auf. Ein Kuss dürfte nicht allzu verwerflich sein, dachte sie, während seine Zunge einmal mehr zwischen ihre Lippen drängte und das Feuer der Erregung erneut in ihr anfachte. Zumindest würde sie sich in ihrem kalten Ehebett an diesen Erinnerungen wärmen können – und dann, als ihr Gewissen endlich beruhigt war, schob sie alle Gedanken beiseite und gab sich dem Genuss der Liebkosungen hin.

Auf seinem Schoß zu sitzen, war weit reizvoller. So war sie gänzlich von ihm umschlossen, geborgen zwischen seiner harten Männlichkeit unter ihr, seiner warmen Brust und den sie umfangenden Armen. Evelinde ließ sich gegen die Arme in ihrem Rücken sinken und schlang ihre Hände um seinen Nacken, sorgsam darauf bedacht, nicht an die wunde Stelle an seinem Hinterkopf zu kommen, während sie ihn leidenschaftlich küsste. Als der Duncan seine Finger über ihren Rücken gleiten ließ, erschauerte Evelinde und drängte sich an ihn, und als er mit einer Hand zu ihrer Brust fuhr und diese unter dem klammen Tuch umfasste, keuchte sie und bäumte sich auf. Sie stöhnte unter seinem Kuss, ergriff den Stoff seines Plaids, verzweifelt um Halt ringend, während er die sinnliche Rundung knetete und Evelinde von einer Welle ganz neuartiger Empfindungen fortgerissen wurde.

Der Duncan strich mit dem Daumen über die vor Erregung feste Knospe auf ihrer Brust, die sich unter dem Stoff abzeichnete, und Evelinde überliefen Schauer der Wollust. Ohne dass sie es verhindern konnte, wand sie sich in seinem Schoß: Ihre Hüften bewegten sich ohne ihr Zutun und drängten ihr Gesäß gegen die Härte, die sie unter sich schwellen spürte.

Dies schien eine berauschende Wirkung auf den Duncan zu haben, und sein Kuss wurde umgehend fordernder. Er ließ die Hand auf Evelindes Rücken zu ihrem Kopf hinaufwandern und wand diesen unter seinen Küssen mal hierhin, mal dorthin, während er mit den Fingern der anderen Hand ihre Brust fester umschloss und dann mit der harten Perle unter dem nun rasch trocknenden Stoff zu spielen begann.

Dieses Mal neigte Evelinde von selbst den Kopf, um dem Duncan den Weg zu ihrem Ohr zu erleichtern, den er nun erneut mit dem Mund nachfuhr. Was er mit ihrem Ohr tat, ließ sie einmal mehr aufkeuchen und stöhnen. Zwar vergrub sie ihre Finger Halt suchend noch tiefer in seinen Schultern, nahm aber ansonsten kaum Notiz davon, dass er sie in seinen Arm zurücksinken ließ, um mit den Lippen an ihrer Kehle hinabzugleiten. Seine Hand tat noch immer betörende Dinge mit zuerst der einen und dann der anderen Brust – und dies entlockte ihr im Zusammenspiel mit seinen sanft neckenden Lippen an ihrem Hals ein lang gezogenes, nicht enden wollendes Stöhnen. Nachdem er Evelindes überraschend empfindliche Schulterbeuge erreicht hatte, zerfloss sie in Ekstase und wand sich in seinem Schoß, weil es wie heiße Lava in ihrem Leib zu brodeln begann.

Evelinde war so versunken, dass sie erst merkte, wie der Duncan den Ausschnitt ihres Unterkleids herabzog und eine ihrer empfindsamen Rundungen enthüllte, als er die Lippen von ihrer Schulter löste und den Kopf senkte. Mit dem Mund umschloss er die nun bloß daliegende harte rosa Wölbung auf ihrer Brust.

Evelinde schrie auf, vor Schreck und Erregung gleichermaßen, und zerrte wild am Plaid des Schotten, während dieser an der Knospe sog und zog und sie mit der Zunge umspielte.

Sie wusste, dass sie dies nicht zulassen sollte. Sie war einem anderen versprochen, und selbst wenn sie nicht verlobt gewesen wäre, hätte sie dies als unverheiratete Dame nicht erlauben dürfen … aber es fühlte sich doch so gut an. Und dann – wenn sie schon mit dem Teufel von Donnachaidh verheiratet werden sollte, um elendig dahinzuwelken oder, was wahrscheinlicher war, von dem Scheusal zu Tode geprügelt zu werden, erschien es ihr nicht allzu sündig, sich den flüchtigen Genuss von ein, zwei Küssen herauszunehmen.

Außerdem war dies das Erstaunlichste, was sie je erlebt hatte. Evelinde hatte sich noch nie so … lebendig gefühlt. In ihr brannte eine Leidenschaft, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab. Ihr Körper ließ sich davon leiten, übernahm das Steuer und drängte sich dem Mann entgegen, suchte dessen Berührung und sehnte sich nach etwas, das Evelinde nicht begriff.

Die Erregung, die dieser Schotte in ihr entfachte, war etwas Lebendiges, das wuchs und wuchs, bis Evelinde zu bersten glaubte. Erst da ließ der Duncan die empfindlich feste Rundung auf ihrer Brust aus seinem Mund gleiten, umkoste sie ein letztes Mal mit der Zunge und hob dann den Kopf, um erneut ihre Lippen mit den seinen zu bedecken. Schon sein erster Kuss war leidenschaftlich und fordernd gewesen, doch das war nichts im Vergleich zu diesem. Der Mann führte seine Zunge wie eine Waffe und stieß in ihren Mund vor, als würde er einen Gegner mit dem Schwert durchbohren. Evelinde hieß ihn willkommen und parierte.

Wieder umfasste der Mann Evelindes Brust, bedeckte sie mit den Fingern und knetete sie, während er mit dem Daumen über die empfindsame Perle auf der Kuppe rieb. Evelinde stöhnte und presste die Schenkel zusammen, überrascht von der Hitze, die dort aufwallte.

Als der Schotte seine Hand von ihrer Brust nahm, durchfuhr sie Enttäuschung. Diese jedoch verwandelte sich rasch in Furcht, weil Evelinde spürte, wie er seine Hand an ihrem Bein hinaufgleiten ließ und dabei den Saum ihres Unterkleides hob. Evelinde entfuhr ein Laut des Protestes, den sein Mund einfach schluckte, und sie begann sich zu wehren. Dies ging entschieden weiter, als sie selbst in Gedanken zu gehen bereit war.

Offenbar hatte sie ihn damit überrumpelt, denn Evelinde war sicher, dass er sie hätte festhalten können, wenn er dies gewollt hätte, aber das tat er nicht. Sofort zog er beide Hände zurück, und rasch stieß sie sich von seinem Schoß, wobei sie strauchelte und dem Duncan vor die Füße fiel.

Augenblicklich griff er nach ihr, aber Evelinde kroch rückwärts und entzog sich so seinen Händen, raffte sich auf und lief zu ihrem nassen Gewand. Sie merkte, dass er ihr folgte, und da sie fürchtete, er würde versuchen, sie zurückzuzerren, lief sie weiter und umkreiste die Lichtung, während sie sich ängstlich abmühte, das Kleid über ihren Kopf zu ziehen, immer darauf bedacht, nicht in Reichweite des Duncan zu gelangen.

„Bitte, Sir, hört auf“, flehte sie. „Ich hätte Euch nicht einmal den ersten Kuss gewähren dürfen. Ich bin dem Teufel von Donnachaidh versprochen. Es heißt, er sei bösartig und …“

Ihre Worte erstarben in einem Keuchen, als der Duncan sie von hinten fing und sie herumwirbelte, damit sie ihn ansah. Küssen konnte er sie allerdings nicht, denn das Kleid war nass und widerspenstig und hielt ihren Kopf fest umfangen. Evelinde erwartete, dass er es ihr wieder herunterreißen werde, um sie erneut mit Küssen zu überhäufen. Stattdessen aber zog und zupfte er daran und half ihr, es zu richten. Es schien, als habe die Erwähnung ihres Verlobten den Mann endlich zur Einsicht gebracht.

Erleichtert darüber, dass er sie nicht zu weiteren Sünden zu verführen gedachte, schenkte Evelinde ihm ein Lächeln, sobald der Stoff ihr Gesicht freigab. „Habt Dank“, sagte sie.

Als der Duncan ihr Kleid zurechtgezogen hatte, richtete er sich auf und sah ihr prüfend ins Gesicht.

Evelinde erwiderte seinen Blick und versuchte, sich seine Züge einzuprägen, um sie sich in den langen, elenden Jahren, die vor ihr lagen, immer wieder ins Gedächtnis rufen zu können. Sie war überzeugt davon, dass dies der einzige Lichtblick in ihrem Leben sein würde, sobald sie erst einmal mit dem Teufel von Donnachaidh verheiratet wäre. Sie war sicher, dass sie sich am deutlichsten an die Augen dieses Schotten hier vor ihr erinnern würde. In ihnen stand geschrieben, was er fühlte. Derzeit loderte in ihnen ein Hunger, der sich, wie sie vermutete, in ihren eigenen Augen widerspiegelte. Es war schon sonderbar – sie kannte diesen Mann nicht, und doch wollte sie in diesem Moment nichts anderes, als alles zu vergessen, Gewand und Unterkleid auszuziehen und ihn dazu zu bringen, sie wieder zu küssen. Sie wollte spüren, wie seine Hände über ihren Körper glitten und das Feuer unter ihrer Haut erneut entfachten, so wie es wenige Augenblicke zuvor geschehen war. Etwas Vergleichbares hatte Evelinde nie zuvor erlebt, und sie argwöhnte, dass sie es als Gattin des Teufels von Donnachaidh auch nie wieder erleben würde.

Offenbar gingen die Wünsche des Duncan in dieselbe Richtung, denn er senkte den Kopf und näherte seinen Mund dem ihren, doch Evelinde trat rasch einen Schritt zurück. „Nay, ich bitte Euch, Sir Duncan. Haltet ein.“

Er zögerte und verzog missmutig den Mund, so als verwirre ihn ihre Zurückweisung. „Ihr mochtet meine Küsse. Streitet es nicht ab. Ich weiß, dass es so war.“

„Aye“, gab sie traurig zu. „Und ich würde viel opfern, um mehr davon zu erhalten, aber nicht Euer Leben. Wenn er genauso ist wie sein Ruf, dann würde der Teufel von Donnachaidh Euch wahrscheinlich töten, wenn er auch nur von dem Kuss erführe, den wir bereits getauscht haben. Ich möchte nicht, dass er Euch wegen etwas umbringt, das mir als wunderbare Erinnerung im Gedächtnis bleiben und in so mancher garstigen Nacht in meinem Ehebett Kraft geben wird.“

Bei ihren Worten blinzelte er überrascht und schüttelte dann den Kopf. „Aber ich bin der Duncan.“

„Duncan“, wiederholte Evelinde leise. „Ich werde Euren Namen nie vergessen.“

„Typisch Sassenach – typisch Engländerin“, brummte er ungehalten und erklärte dann: „Duncan ist mein Clan-Name. Ich bin Cullen – der Duncan.“ Auf die letzten beiden Worte legte er eine besondere Betonung.

„Cullen“, raunte sie. Das fand sie viel netter als Duncan.

„Duncan heißt auf Gälisch Donnachaidh“, erklärte er.

Evelindes Augen weiteten sich, als sich ein schrecklicher Gedanke in ihr breitmachte. Das war furchtbar, das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte! Wenn er tatsächlich ein Angehöriger des Clans ihres zukünftigen Gemahls war, dann würde sie ihn zweifellos sehr oft sehen. Er wäre tagein, tagaus vor ihren Augen, eine Versuchung, der sie um ihrer beider willen würde widerstehen müssen. Sein wie ihr Leben würde davon abhängen.

„Oh, das ist entsetzlich“, hauchte sie, als sie sich die vor ihr liegenden qualvollen Jahre ausmalte. „Ihr seid mit meinem Verlobten verwandt.“

„Nay“, entgegnete er verzweifelt. „Ich bin Euer Verlobter.“

3. KAPITEL

„Unmöglich“, wisperte Evelinde.

Das bestürzte Flüstern, mit dem seine zukünftige Braut Evelinde d’Aumesbery reagierte, ließ Cullen die Brauen heben. Nur wenige Augenblicke zuvor hatte sie bereitwillig und nachgiebig in seinen Armen gelegen, und nun schien sie mit einem Mal vollkommen entsetzt zu sein. „Doch“, versicherte er, die Mundwinkel grimmig nach unten gezogen.

Autor

Lynsay Sands
Bekannt ist die kanadische Autorin Lynsay Sands für ihre historischen sowie übernatürlichen Geschichten, die sie mit ihrem speziellen Humor ausstattet. Sie hat eine Buchreihe über die Familie Argeneau verfasst, dabei handelt es sich um eine moderne Vampirfamilie. Für ihre über 30 Bücher hat sie bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. Ihr erstes...
Mehr erfahren