Die Akte Daddy

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Georgias Herz klopft wie verrückt: Sie muss Nick sagen, dass sie ein Baby erwartet! Vier Monate ist ihre zärtliche Liebesnacht jetzt her - mit süßen Folgen. Wie wird er reagieren? Doch als Georgia ihn sieht, trifft sie fast der Schlag: Nick hat bereits ein Baby auf dem Arm …


  • Erscheinungstag 13.04.2020
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716318
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Gerade einmal fünfzehn Minuten hatte Nick Slater gebraucht, um sich fürs Mittagessen bei Hurley’s Homestyle Kitchen ein Roastbeefsandwich mit Salat zu besorgen. Als er in sein Büro zurückkehrte, hatte jemand ein Baby in einer blau-weißen Tragetasche auf seinem Schreibtisch zurückgelassen.

Konsterniert blieb Nick an der Hintertür der ansonsten leeren Polizeistation von Blue Gulch stehen. Während er das Baby betrachtete, machte er sich in seinem Kopf bereits Notizen.

Neugeborenes, ca. einen Monat, vielleicht sechs Wochen alt. Junge, dem Blau nach zu urteilen. Pfirsichfarbige Pausbäckchen, rosige Lippen, die leicht zucken. Allem Anschein nach gut genährt. Gut versorgt, saubere Ausstattung, eingewickelt in eine gehäkelte Decke. Schläft tief und fest – vorläufig.

Als er das Büro verlassen hatte, lagen nur ein paar handschriftlichen Notizen über einen Einbruch auf seinem Schreibtisch, eine Geburtstagskarte für seine Schwester mit zwei Zwanzigern und einer Zehndollarnote, die er ihr ins Dallas City College schicken wollte, sowie ein Zettel mit dem Hinweis, dass er sich etwas zum Mittagessen besorgte und in zehn Minuten zurück sein würde.

Und jetzt war da ein Baby.

„Hallo?“, rief er in der Hoffnung, dass die Mutter oder sonst irgendjemand in der Nähe war, zu dem das Baby gehörte. Das Polizeirevier von Blue Gulch war nicht sehr groß. Neben dem Dienstzimmer mit dem lang gestreckten Empfangstresen, den Schreibtischen von Nick sowie zwei weiteren Beamten und dem Büro des Revierchefs, das direkt neben den beiden Gefängniszellen lag, gab es noch einen Raum, der als Verhör- und Pausenraum diente.

„Hallo?“, versuchte er es erneut.

Stille.

Ohne das Baby aus den Augen zu lassen, betrat Nick den Pausenraum. Leer. Das Büro des Chefs – leer. Die Gefängniszellen – leer.

Misstrauisch, wie er von Berufs wegen war, hob er die Babytasche auf seinem Schreibtisch hoch, um sich zu vergewissern, dass das Bargeld noch vorhanden war. Es lag an seinem Platz. Beruhigt stellte er die Tasche wieder ab.

Okay. Offenbar war die Mutter hereingekommen, hatte niemanden gesehen, ihr Baby abgestellt und die Toilette aufgesucht.

Allerdings stand die Toilettentür offen, und das Licht war ausgeschaltet.

Nick schaute aus dem Fenster, um nachzusehen, ob jemand auf den Stufen oder der Bank vor dem Revier saß. Niemand.

„Hallo?“, wiederholte er, obwohl ihm inzwischen klar war, dass keine Menschenseele in der Nähe war. Bis auf das eintönige Summen des Ventilators in der Ecke herrschte absolute Stille im Büro.

Warum sollte jemand ein Baby auf seinem Schreibtisch zurücklassen – wenn das Revier menschenleer war? Er überlegte, wer in Blue Gulch kürzlich ein Kind bekommen hatte. Die Loughs, die etwa eine Viertelmeile von der Wache entfernt wohnten. Aber sie hatten ein Mädchen mit blonden Locken. Das Baby in der Trage war jedoch dunkelhaarig.

Dann waren da noch die Andersons, die in einem Vorort lebten und nicht oft nach Blue Gulch kamen. Sie hatten im Juni einen Jungen bekommen. Hatte einer von ihnen das Baby aus irgendeinem Grund auf Nicks Schreibtisch zurückgelassen? Nick suchte nach ihrer Adresse, nahm das Telefon zur Hand und wählte ihre Nummer.

Sobald Mike Anderson sich meldete, hörte er im Hintergrund ein Baby jauchzen. Geistesgegenwärtig behauptete Nick, die Anwohner der Umgebung vor einem Kojoten warnen zu wollen, der tatsächlich in der Gegend gesichtet worden war, und riet Mike zur Vorsicht.

Nachdem er aufgelegt hatte, zermarterte er sich den Kopf, wer sonst noch infrage kommen könnte. Blue Gulch war eine Kleinstadt mit 4304 Einwohnern – 4305, korrigierte er sich. Eine andere hochschwangere Frau wäre ihm im Sommer gewiss aufgefallen.

Nick betrachtete das Baby. Ein kleiner blaubestrumpfter Fuß schob sich unter der Decke hervor. Kurz darauf der zweite. Das Baby drehte den Kopf nach links. Dann nach rechts.

Die kleinen Augen öffneten sich einen Spalt. Und schlossen sich wieder.

Das erste Quäken ertönte. Rasch wurde es zu einem lauten Schreien. Lauter, als man es von so einem kleinen Wesen erwartet hätte.

Nick schaute auf die Uhr. 13.16 Uhr. Michelle Humphrey, die Sekretärin, war noch in der Mittagspause. Officer Manning, der die Stellung halten sollte, lümmelte wahrscheinlich zum sechsten Mal an diesem Tag im Coffeeshop herum, trank einen Eiskaffee und flirtete mit der Kellnerin, auf die er ein Auge geworfen hatte.

Und der Chef, der kurz vor der Pensionierung stand, machte während der heißen Sommertage ausgedehnte Nickerchen in seinem Truck auf dem rückwärtigen Parkplatz. Übernimmst du mal für mich, Nick? war Chief McTiernans Standardfrage. Nick verspürte wenig Lust, den Boss zu spielen. Er zog es vor, Detective zu sein und vor Ort zu arbeiten.

Außerdem plante er, Blue Gulch in den kommenden Wochen für immer zu verlassen. Vor zwei Jahren war er wieder hier hergekommen, weil er sich nach dem Tod ihrer Mutter um seine sechzehnjährige Schwester kümmern musste. Aber nun, da Avery in einem Wohnheim auf dem College lebte, war es nicht nötig, länger in dieser ungeliebten Stadt zu bleiben – ein Ort, der ihn an die schlimmste Zeit seines Lebens erinnerte.

„Bäääh! Bääääh! Bäääääh!“

Himmel! Er musste etwas unternehmen. Zum Beispiel das Baby in den Arm nehmen.

Er griff in die Tasche, schob die Decke beiseite – und erstarrte.

Auf dem Strampler klebte ein Zettel.

Detective Slater: Bitte kümmern Sie sich um Timmy, bis ich ihn in einer Woche wieder abholen kann. Ich lasse ihn nicht im Stich. Ich weiß, dass ich Ihnen vertrauen kann.

Was zum Teufel …?

Er betrachtete den Zettel und las ihn wieder und wieder. Die Mitteilung war auf ein halb abgerissenes weißes Blatt geschrieben; das Wörtchen bitte rot unterstrichen. Noch hoffte er, dass seine Augen ihm einen Streich spielten, dass er Woche las, wo Minuten gemeint waren.

Wovor hatte die Mutter Angst? Warum musste sie ihn für eine Woche abgeben?

Timmy. Wenigstens hatte er einen Namen. Ein toller Hinweis! Wen kannte er, der ein Baby namens Timmy hatte? Niemanden. Nick betrachtete den Säugling.

Das Baby streckte sich und gähnte und hatte keine Ahnung, dass die Entscheidung eines Menschen sein ganzes Leben aus der Bahn werfen konnte.

Das vermochte Nick nur zu gut nachzuempfinden.

Vor ihm lag ein unschuldiges Baby, allen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Jetzt war es ihm ausgeliefert. Ich weiß, dass ich Ihnen vertrauen kann.

Offenbar kannte die Mutter ihn.

Plötzlich schlug das Herz in seiner Brust schneller. Nein. Unmöglich. Nein und nochmals nein …

Seine Schwester?

Reg dich ab, Slater, befahl er sich. Vor zwei Wochen hast du Avery ins College gebracht. Da war sie immer noch die dünne Bohnenstange, die sie immer schon gewesen war. Seine achtzehnjährige Schwester war nicht die Mutter des Babys. Sein Herzschlag normalisierte sich wieder.

Aber warum hatte man ausgerechnet ihn ausgewählt? Er war nicht gerade der väterliche Typ.

Was du willst, spielt keine Rolle! Die ganze Stadt hatte ihn gehört, als er Avery vor ein paar Monaten vor dem Burgerladen den Satz an den Kopf geschleudert hatte, nachdem sie ihm gestanden hatte, sie sei sich nicht sicher, ob sie wirklich aufs College gehen wolle.

Und dass ihr Freund Quentin ihr geraten habe, es als Sängerin zu versuchen. Quentin, der große Reden hielt und Nick einen Blödmann nannte, glaubte allen Ernstes, seine achtzehnjährige Schwester, die gern sang und Gitarre spielte, sollte das College schmeißen, in einem Coffeeshop auftreten und vom Trinkgeld der Kunden leben. Nur über meine Leiche, hatte Nick sich geschworen.

Ratlos betrachtete er das quengelnde Baby. Wer zum Teufel ließ einen Säugling allein zurück? Auf einem fremden Schreibtisch? Plötzlich wurde Nick wütend. Wie rücksichtslos manche Menschen sein konnten!

Du bist nicht irgendjemand. Du bist Polizist. Und die Nachricht ist an dich gerichtet.

Dennoch musste er das Jugendamt verständigen. Kopfschüttelnd ging er zur Tür, öffnete sie und ließ seinen Blick schweifen – über den gepflasterten Weg bis hin zur Trauerweide. Niemand war zu sehen.

Das Polizeirevier lag mitten in Blue Gulch, nicht weit von der Autobahnabfahrt entfernt. Hinter dem Parkplatz erstreckte sich am Horizont die Silhouette des Sweet-Briar-Gebirges und erinnerte ihn einmal mehr daran, wie groß die Welt jenseits von Blue Gulch war.

Wer immer das Baby zurückgelassen hatte, war wohl längst über alle Berge.

„Ich gebe dir eine Stunde“, murmelte er. „Dann rufe ich das Jugendamt an.“

Timmy brüllte noch immer. Nimm ihn in den Arm. Er schob die Decke beiseite. Neben dem Baby lagen zwei Fläschchen, von dem eines mit Milch gefüllt war, drei Windeln, ein gelbes Stoffkaninchen mit langen braunen Ohren und eine Tüte mit Milchpulver. Jemand sorgt sich um dieses Baby, dachte er, während er Timmy vorsichtig hochhob.

Sein Gewicht erschreckte ihn fast. Der Kleine wog nicht einmal neun Pfund. Nick legte das Köpfchen an seinen Arm, wie er es vor Jahren auf der Polizeischule gelernt hatte, und Timmy hörte auf zu schreien. Bis er eine Minute später wieder loslegte.

Ratlos verdrehte Nick die Augen. Vorsichtshalber nahm er den Zettel noch einmal zur Hand. Bitte kümmern Sie sich um Timmy, bis ich ihn in einer Woche wieder abholen kann. Nein, an der Nachricht hatte sich nichts geändert.

Eine Woche! Um Himmels willen!

Aber das rot unterstrichene Bitte versicherte ihm, dass die Mutter zurückkommen würde, wenn sie ihre Probleme – was immer die sein mochten – gelöst hatte. Er sah auf die Uhr. Achtzehn Minuten nach eins. Die Zeit kroch wirklich dahin.

Als Timmy an seinem Fläschchen nuckelte, warf Nick einen Blick nach draußen. Hoffentlich kam seine Sekretärin bald zurück. Michelle konnte wunderbar mit Kindern umgehen.

Tatsächlich. Da lief jemand über den Weg zur Wache. Vielleicht war es Timmys Mutter, der inzwischen klar geworden war, dass sie etwas Dummes angestellt hatte und ihr Baby abholen wollte. Obwohl er ihr Timmy nicht so schnell zurückgeben würde. Zuerst würde er sich davon überzeugen, ob die Mutter psychisch gefestigt war.

Er eilte ans Fenster, um sie genauer zu betrachten. Möglicherweise überlegte sie es sich ja im letzten Moment noch einmal anders und machte auf dem Absatz kehrt.

Er musste zweimal hinsehen.

Georgia Hurley lief über die Einfahrt. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr Bauch vor vier Monaten flach wie ein Surfbrett gewesen war – er musste es wissen; er hatte schließlich jeden Zentimeter davon ausgiebig geküsst, als er sie in Houston kennengelernt hatte –, konnte sie unmöglich Timmys Mutter sein.

Georgia war nun also doch nach Blue Gulch zurückgekehrt.

Nick hielt sie für ziemlich egoistisch. Als ihre Großmutter vor ein paar Monaten plötzlich krank geworden war und das Familiengeschäft Hurley’s Homestyle Kitchen in finanzielle Schwierigkeiten geriet, hatte sie die Bitten ihrer Schwestern, nach Hause zu kommen, einfach ignoriert. Stattdessen war sie bei ihrem reichen Freund in Houston geblieben.

Nick wusste so gut darüber Bescheid, weil ihre Schwester Annabel sich große Sorgen um sie gemacht hatte. Damals hatte er von Georgias Existenz noch gar nichts gewusst. Nichts würde Georgia davon abhalten, nach Hause zu kommen, wenn ihre Familie sie brauchte – es sei denn, irgendetwas stimmt nicht, hatte Annabel Nick erzählt.

Nick hatte auch Annabel kaum gekannt, aber da er nach Houston fuhr, um seine Kameraden von der Polizeiakademie wiederzusehen, hatte er ihr versprochen, bei der Gelegenheit Georgia zu besuchen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging.

Und wie gut es ihr ging! Es hatte damit begonnen, dass er an die Tür ihrer Wohnung in Houston geklopft hatte, und ein paar Stunden später hatten sie nackt im Bett gelegen. Er hatte ihr Dinge aus seinem Leben erzählt, die er noch keinem Menschen anvertraut hatte. In jener Nacht war er Georgia Hurley rettungslos verfallen.

Die kalte Dusche folgte prompt. Als sie beide am nächsten Morgen das Haus verließen und ihr schnieker Freund – sie hatte tatsächlich einen Freund und trotzdem mit ihm, Nick, geschlafen! – in seinem italienischen Maßanzug und mit sündhaft teuren Schuhen unerwartet vor ihr stand, hatte sie so getan, als sei Nick nur ein entfernter Bekannter. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie gerade eine heiße Nacht mit ihm verbracht hatte.

„Ich kenne ihn aus Blue Gulch“, hatte sie ihrem Freund beiläufig gestanden und Nick mit einem abschätzigen Blick bedacht. „Habe ich dir noch nicht von ihm erzählt? Vermutlich nicht.“ Dann hatte sie sich bei ihrem Freund untergehakt. „Wollen wir, Schatz?“ Sie ließ Nick stehen, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.

Nick war nicht leicht zu schockieren. Als Kind hatte er schwere Zeiten durchgemacht. Er hatte sich um seine Schwester kümmern müssen, und in den ersten fünf Jahren als Polizist in Houston hatte er immer wieder in die Abgründe der menschlichen Seele geblickt. Er war also nicht leicht zu erschüttern.

Aber Georgia hatte es geschafft. In den wenigen Minuten vor ihrer Haustür in Houston hatte er das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Auf der Heimfahrt nach Blue Gulch musste er die ganze Zeit an ihr merkwürdiges Verhalten denken.

Sie hatte ihn für eine Nacht benutzt – warum, wusste er nicht. Was hatte sie damit bezweckt? Was hatte sie davon gehabt? Wilden Sex? Wo sie doch einen gut aussehenden und wohlhabenden Freund hatte. Was immer sie sich dabei gedacht haben mochte – sie hatte Nick verleugnet und ihn abserviert wie einen dummen Jungen.

Er würde nie wieder etwas von ihr hören. Er würde nach Blue Gulch zurückkehren, Annabel versichern, dass es ihrer Schwester ausgezeichnet ging – ohne darauf hinzuweisen, dass Georgia ein ziemlich egoistischer Mensch war –, und sein altes Leben wieder aufnehmen.

Und jetzt kam sie in seine Polizeiwache. Kein guter Zeitpunkt, dachte er mit einem Blick auf Timmy in seinen Armen.

Nick wartete darauf, dass die Tür aufgehen würde. Aber niemand kam herein. Er schaute aus dem Fenster. Sie stand neben der Trauerweide und holte tief Luft. Und dann noch einmal.

Von seinem Standpunkt aus sah er, dass ihr Bauch nicht flach war. Im Gegenteil: Nick vermutete, dass Georgia Hurley im fünften Monat schwanger war.

Der Anblick von Nick, selbst durchs Fenster und dreißig Meter weit entfernt, erfüllte Georgia Hurley mit unsagbarer Freude. Das Baby in seinen Armen nahm sie kaum wahr. Er hatte es an seine Brust geschmiegt und hielt ein Fläschchen an seine Lippen.

Doch dann blieb sie verblüfft stehen und beäugte ihn durch das Laub der Trauerweide. Langsam sank sie auf eine Bank. Nick hatte ihr in jener Nacht unmissverständlich klargemacht, dass er weder an Heirat noch an Kindern interessiert sei. Er war ein überzeugter Junggeselle und wollte es bleiben. Dieses Baby war bestimmt nicht seines.

Sie zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte. Er war weder Ehemann noch Vater. Georgia schätzte die Menschen manchmal falsch ein – manchmal sogar sehr falsch –, aber an Nick hatten sie seine Ehrlichkeit und Integrität fasziniert, die sie in ihrer ersten gemeinsamen Nacht erlebt hatte. Sie hatte es tief in ihrem Herzen gespürt, als sie miteinander geschlafen hatten.

Und als sie ihn am nächsten Morgen vor den Kopf gestoßen hatte.

Trotz der warmen Augustluft fröstelte sie plötzlich. Georgia schloss die Augen, als sie sich an seinen ungläubigen Gesichtsausdruck erinnerte – und an ihre eigene Hilflosigkeit. Wahrscheinlich hasst er mich, dachte sie zum hundertsten Mal. Wie sollte er auch nicht?

Noch einmal holte sie tief Luft und schaute erneut zum Fenster. Doch dieses Mal sah sie nur seinen Rücken.

Geh hinein. Höchste Zeit, ein paar Dinge richtigzustellen. Jedenfalls, soweit es in ihrer Macht stand.

Er trat zur Seite, und sie sah, dass er noch immer das Baby im Arm hielt. Das Fläschchen war inzwischen halb leer. Wahrscheinlich fütterte er den Säugling einer Kollegin. Dass er sich mit dem Kind beschäftigte, deutete sie als gutes Zeichen. Es passte zu dem, was sie bereits von ihm wusste.

Ein wenig selbstsicherer schritt Georgia auf die Eingangstreppe zu. Doch dann bewegte sich etwas in ihrem Bauch, und sie ließ sich erneut auf die Bank sinken.

Es war erst das zweite Mal, dass sie ihr Baby spürte. Sie legte die Hand auf den Bauch und staunte einmal mehr über das Wunder, das sie soeben erlebte. Zum ersten Mal hatte sich ihr Baby auf der langen Fahrt von Houston nach Blue Gulch bemerkbar gemacht – als habe es sie daran erinnern wollen, was sie nach ihrer Ankunft zu tun habe: Nick mitzuteilen, dass er Vater wurde.

Vor ein paar Minuten, fast am Ende der dreistündigen Fahrt, hatte sie das Spitzdach des aprikosenfarbenen viktorianischen Hauses gesehen, in dem Hurley’s Homestyle Kitchen untergebracht war. Seit Weihnachten hatte sie ihre Großmutter und ihre Schwestern nicht mehr gesehen. Beinahe waren ihr die Tränen gekommen. Am liebsten wäre sie sofort zu ihnen gefahren und hätte ihnen alles erklärt. Aber statt nach links abzubiegen und zu ihrer Familie zu fahren, hatte sie die rechte Straße zur Polizeiwache genommen.

Erst musste sie es Nick erzählen und Schluss machen mit der Geheimniskrämerei der vergangenen Monate.

Georgia erhob sich. Okay, bringen wir’s hinter uns. Erzählen wir es ihm.

Guten Tag, Detective Slater. Nick, vielleicht erinnerst du dich nicht mehr an mich, aber wir haben uns im April in Houston kennengelernt, und obwohl du es nicht wissen konntest, hast du neue Hoffnungen in mir geweckt und mich wieder träumen lassen. Am nächsten Tag habe ich mich allerdings schrecklich benommen, und ich kann dir jetzt auch endlich den Grund dafür beichten.

Ja, so würde sie anfangen – und ihm dann von dem Baby erzählen. Oder sollte sie zuerst ihre Schwangerschaft erwähnen? Die war schließlich offensichtlich.

Georgia biss sich auf die Unterlippe und setzte sich wieder auf die Bank. Sie kannte Nick Slater kaum. Eigentlich gar nicht. Aber sie wusste, dass er sie nicht vor Freude in die Arme nehmen und sie durch die Luft wirbeln würde, sobald er die Neuigkeiten erfahren hatte.

In den wenigen schönen Stunden, die sie miteinander verbracht hatten, hatte er ihr von seiner schweren Kindheit erzählt. Zwei harte Jahre habe er erlebt, als er sich allein um seine inzwischen achtzehnjährige Schwester hatte kümmern müssen. Dabei habe er doch nur seinen Job ordentlich machen wollen, hatte Nick ihr erzählt, die bösen Jungs fangen und dafür sorgen, dass Blue Gulch ein sicherer Ort zum Leben war.

Er wollte nicht einmal Verantwortung für den Kater übernehmen, den seine Schwester gegen seinen Willen ins Haus geholt und bei ihm zurückgelassen hatte, als sie Mitte August aufs College nach Dallas gegangen war.

Georgia fragte sich, wie Nick wohl mit dem Kater zurechtkam. Vielleicht hatte das schnurrende Stoffknäuel sich mittlerweile in sein Herz hineingeschlichen und seine Meinung über atmende Lebewesen geändert. Obwohl das eher unwahrscheinlich war …

Georgia schnitt eine Grimasse. Was war bloß aus ihr geworden? Sie hatte dem Leben und seinen Möglichkeiten immer offen und positiv gegenübergestanden – ganz nach dem Motto Man weiß nie, was passiert. Doch inzwischen war dies genau das, was ihr am meisten Angst machte: dass nämlich alles passieren konnte. Georgia sehnte sich nach nichts mehr als Geborgenheit und Sicherheit – schöne Worte, aber ohne Bedeutung, wie sie befürchtete.

Sie stand auf und wischte sich den Staub von ihrem Sommerkleid, fuhr sich durch das schulterlange braune Haar und stieg die Treppen hoch. Noch einmal holte sie tief Luft. Dann öffnete sie die Tür.

Nick stand vor ihr, das Baby im Arm. Mit versteinerter Miene musterte er Georgia. „Das ist aber eine Überraschung“, begrüßte er sie kühl.

Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß – ein Meter neunzig groß, breite Schultern, dunkelbraune Augen, dichtes dunkles Haar, helle Haut. Die Grübchen in seinen Wangen waren der einzige weiche Zug im ansonsten undurchdringlichen Gesicht eines Police Detective.

„Ich – oder das Baby in deinem Arm?“, fragte sie zögernd.

Er betrachtete das Baby. „Beides. Ich habe mir etwas zu essen gekauft, und als ich zurückkam, habe ich es auf meinem Schreibtisch gefunden. Mit dir habe ich am allerwenigsten gerechnet.“

Moment mal … „Du hast das Baby auf deinem Schreibtisch gefunden?“

Er bewegte das Fläschchen hin und her. „Mit einem anonymen Hinweis, dass die Mutter in einer Woche zurückkommt. Dass sie ihr Kind nicht im Stich lässt und dass sie mir vertrauen kann.“

Georgia erstarrte. „Könntest du der Vater sein?“

Er sah sie an, als sei sie übergeschnappt. „Niemals!“

Sie betrachtete das süße Baby auf seinem Arm. Es sah so unschuldig aus. Wie musste sich die Mutter gefühlt haben, als sie es zurückließ? „Und was tust du jetzt?“

Nick betrachtete den Säugling. „Ich gebe ihr noch eine halbe Stunde. Dann rufe ich das Jugendamt an.“

„Das kannst du nicht tun“, widersprach sie. „Die Mutter hat dir das Baby anvertraut. Etwas Schreckliches muss passiert sein, sodass sie sich in dieser Woche nicht um ihr Kind kümmern kann.“

Nick musterte sie durchdringend. „Und das weißt du woher?“

Autor

Meg Maxwell
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