Die Connelly Dynastie - 12-teilige Serie

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HEIßE KÜSSE - STRENG NACH PROTOKOLL
Eigentlich soll sie Daniel Conelly,den angehenden Fürsten von Altaria, in der strengen Hof-Etikette unterweisen - jetzt spielt plötzlich er den Lehrer. Und seine Lektionen zum Thema "Küssen" sind so aufregend, dass Erin beinahe ihren ganz speziellen Auftrag vergisst ...

DIE EISPRINZESSIN UND DER PLAYBOY
Brad Connellys Jagdinstinkt ist geweckt, als die faszinierende Elena ihn kühl zurückweist. Unter einem Vorwand lockt er sie in sein romantisches Haus am See. Gelingt es ihm, bei Kerzenschein das Herz seiner Eisprinzessin zum Schmelzen zu bringen?

MEIN MÄRCHEN AUS 1001 NACHT
Prinzessin Catherine fühlt sich wie in tausendundeiner Nacht, als der faszinierende Scheich Kaj al bin Russad sie in seine Welt der Sinnlichkeit entführt. Bis sie fürchten muss: Nicht aus Liebe hat er sie erobert, sondern weil er eine Wette gewinnen will …

EIN MANN MIT ZU VIEL SEX-APPEAL
In seiner weißen Uniform sieht Chance beinahe unwiderstehlich aus! Aber eben nur beinahe: Jennifer hat sich geschworen, ihr Herz nie wieder an einen Mann in Uniform zu verlieren! Doch Chances weiche Lippen bringen ihren Vorsatz ins Wanken …

MIT UNGEAHNTER LEIDENSCHAFT
Etwas romantischer hatte Maura sich die Trauung schon vorgestellt. Aber schließlich hat Dr. Douglas Connelly sie nur geheiratet, weil sie schwanger ist, oder? Nicht von ihm - eine heiße Hochzeitsnacht wird es also kaum geben, glaubt Maura. Doch da irrt sie sich gewaltig …

WIE EROBERT MAN SEINEN CHEF?
Wieso hat ihn seine Assistentin Kim auf der Wohltätigkeitsveranstaltung ersteigert? Sie sieht ihn doch täglich im Büro! Aber als Justin in Kims leuchtende Augen schaut, ahnt der reiche Manager, dass es in dieser Nacht in seinem Appartement nicht um Geschäfte gehen wird …...

KÜSS MICH, GELIEBTER PRINZ
Ein Wochenende mit nur zehn Dollar in der Tasche? Das ist für Alexandra Connelly und Prinz Phillip Kinrowan eine echte Herausforderung. Nach zwei Tagen erkennt Alexandra: Sie kann zwar ohne viel Geld, aber nicht ohne die Küsse des Prinzen leben!

VERLIEB DICH NIE IN EINEN MILLIONÄR
Endlich steht er vor ihr – Drew, ihr Traummann aus dem Internet! Der Millionär lädt Kristina in seine Villa nach Chicago ein, aber von der Leidenschaft seiner E-Mails ist plötzlich nichts mehr zu spüren. Warum sollte sie zu ihm kommen, wenn er sie jetzt so spröde zurückweist?

ALTE LEIDENSCHAFT - NEU ENTFLAMMT
Tara traut ihren Augen nicht: Michael ist wieder da! Ihr Ehemann, der vor zwei Jahren für tot erklärt wurde. Doch er ist eindeutig lebendig - und schon seine kleinste Berührung löst prickelndes Verlangen in Tara aus. Aber sie trägt jetzt den Ring eines anderen …

EBEN NOCH IM SIEBTEN HIMMEL?
In der Hochzeitsnacht in Las Vegas hat Seth sie voller Leidenschaft geliebt. Lynn schwebt im siebten Himmel. Erst ein zufällig belauschtes Telefonat holt sie unsanft auf die Erde zurück. Hat Seth sie etwa nur geheiratet, um eine alte Schuld zu begleichen?

OZEAN DES VERLANGENS
Dieser Mann raubt ihr den Atem. Und doch muss Charlotte den Heiratsantrag des weltgewandten Unternehmers Rafe Connelly ablehnen! Denn ein Familiengeheimnis steht zwischen ihnen, das sie ihm nicht enthüllen kann. Bis Rafe sie mit einer Reise für alle Sinne überrascht …

DER RHYTHMUS DER SEHNSUCHT
Detective Luke Starwind ist ein Rätsel für Maggie. Gerade noch berühren sich ihre Körper beim Tanz verführerisch, schlagen ihre Herzen im selben Rhythmus. Kurz darauf weist er sie eiskalt ab. Kann sie jemals die Dämonen vertreiben, die ihren heißen Traummann quälen?


  • Erscheinungstag 25.08.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774165
  • Seitenanzahl 1728
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Leanne Banks, Kathie Denosky, Caroline Cross, Maureen Child, Kate Little, Metsy Hingle, Kathryn Jensen, Kristi Gold, Cindy Gerard, Katherine Garbera, Eileen Wilks, Sheri Whitefeather

Die Connelly Dynastie (12-teilige Serie)

IMPRESSUM

Heiße Küsse – streng nach Protokoll erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2002 by Harlequin Books S. A.
Originaltitel: „Tall, Dark & Royal“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 285 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733768904

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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PROLOG

Frohe Weihnachten. Du bist der neue Herrscher von Altaria.

Es schneite leicht, als Daniel Connelly aus dem Fenster seiner Eigentumswohnung in einem Wolkenkratzer in Chicago blickte und die Worte seiner Mutter zu begreifen versuchte. Welcher Amerikaner konnte schon von sich behaupten, eine Prinzessin zur Mutter zu haben, auch wenn Emma Rosemere Connelly für Daniel immer einfach seine Mom gewesen war.

Vor fünfunddreißig Jahren hatte sie auf ihren Titel verzichtet, um seinen Vater heiraten zu können. Doch die hoheitliche, würdevolle Haltung, die ihr in den Jahren als Prinzessin von Altaria anerzogen worden war, hatte sie nie abgelegt. Selbst jetzt, nachdem sie gerade die Nachricht ereilt hatte, dass ihr Vater und ihr Bruder bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen waren, saß sie völlig gefasst neben ihrem Mann auf der braunen Ledercouch.

„Sag das bitte noch einmal, Mom“, bat Daniel und sank auf seinen Lieblingssessel.

Seine Mutter ergriff seine Hände und beugte sich zu ihm. Ihre kalten Finger und der Schmerz in ihren blauen Augen verrieten ihre Gefühle. Sie lächelte traurig. „Ich habe dir viel von Altaria erzählt. Du bist sogar schon oft dort gewesen.“

Daniel nickte, als ihm vage die Kindheitserinnerungen durch den Kopf schossen. „Ich habe Altaria als eine wunderschöne Insel vor der italienischen Küste mit einem tollen Strand in Erinnerung. Aber wie kann ich der neue Herrscher werden?“

„Die Verfassung von Altaria sieht vor, dass nur ein männlicher Nachkomme die Regentschaft übernehmen kann. Mein Vater und mein Bruder sind tot“, sagte sie und drückte in einem verräterischen Moment tiefer Trauer seine Hand.

Aus den Augenwinkeln heraus sah Daniel, dass sein Vater tröstend den Arm um die Schultern seiner Mutter legte. Sie fuhr fort: „Mein Bruder hat nur ein Kind, eine Tochter. Catherine. Keine Söhne.“

Daniel erinnerte sich der Klatschgeschichten, die er im Laufe der Jahre über seinen Onkel Prinz Marc gehört hatte. „Ich will ja nicht schlecht über Tote sprechen, aber bist du wirklich sicher, dass Onkel Marc nicht noch weitere Kinder hat? Wenn es stimmt, was man so gehört hat, ließ er doch nichts anbrennen.“

Sein Vater hätte sich fast verschluckt.

Seine Mutter runzelte die Stirn. „Daniel“, wies sie ihren Sohn scharf zurecht. „Marc hatte vielleicht seine Fehler, aber er hätte nie ein eigenes Kind verleugnet. Du bist der alleinige Thronerbe.“

Daniels Gedanken wirbelten durcheinander. Nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, dass er einmal der Herrscher eines kleinen Fürstentums sein könnte. Er war jetzt vierunddreißig Jahre alt, in Chicago geboren und aufgewachsen, und war immer davon ausgegangen, dass er sein Leben in Amerika verbringen würde. Dann betrachtete er seinen Vater. Grant Connelly hatte die Textilfabrik der Familie übernommen und zu einem gigantischen Unternehmen ausgeweitet. Seine Leidenschaft hatte immer dem Geschäft gehört.

Daniels nicht.

Er war im College ein erfolgreicher Sportler gewesen, und als Leiter der Marketingabteilung von Connelly Corporation war er ebenfalls sehr ehrgeizig und erfolgsorientiert. Und doch hatte ihn das Gefühl gequält, dass seinem Leben irgendetwas fehlte. War dies die Antwort?

Fürst? Gott steh ihm bei.

Er blickte zu seinen Eltern und schüttelte den Kopf. „Fürst?“

Sein Vater nickte und beugte sich vor. „Du hast die besten Voraussetzungen, um ein Land zu regieren. Aber es ist deine

Entscheidung, ob du diesen Weg wirklich gehen willst.“

Seine Mutter drückte wieder seine Hand. Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Stolz und Sorge an. „Überleg es dir gut. Mein Vater hatte weitreichende Planungen für Altaria. Als er das Rosemere Institut zur Erforschung neuer Möglichkeiten in der Krebsbekämpfung gründete, hat er nicht nur meiner Mutter ein wunderbares Denkmal gesetzt, sondern auch Altaria in das Zeitalter der Wissenschaft geführt. Es birgt eine große Verantwortung, das Fürstentum zu regieren. Und wenn du dieses Amt übernimmst, ändert sich dein Leben für immer.“

1. KAPITEL

Ich komme zu spät, dachte sie, dabei kann ich doch es eigentlich nicht erwarten, meine Mission kennenzulernen. Erin Lawrence biss sich bei diesem Lapsus auf die Lippe. Meine Mission anzutreten, korrigierte sie sich im Geiste. Seine Hoheit schätzte es sicherlich nicht, als Mission betrachtet zu werden. Auch wenn es der Wahrheit entsprach.

Erin rückte ihren Hut zurecht und zeigte dem Wachmann im Erdgeschoss des Wolkenkratzers, in dem Daniel Connelly wohnte, ihren Ausweis. Trotz ihres Jetlags verspürte sie gespannte Vorfreude, als sie in den Fahrstuhl trat. Schon bei ihrer Ankunft war ihr trotz der Dunkelheit aufgefallen, wie sehr sich die Architektur in Chicago von den mediterran anmutenden Häusern in ihrem Heimatland Altaria unterschied.

Die Fahrstuhltüren glitten leise zur Seite, und Erin ging den Flur entlang zu Daniel Connellys Eigentumswohnung. Sie hob die Hand, um zu klingeln. Ihr Herz begann laut zu schlagen, und sie holte noch einmal tief Luft. Was für ein Moment! Gleich würde sie dem Thronfolger von Altaria gegenüberstehen.

Sie straffte die Schultern, drückte mit dem Zeigefinger die Klingel und wartete. Und wartete.

Ein Hund bellte im Hintergrund.

Sie zählte bis zwanzig. Dann klingelte sie noch einmal und wartete weiter.

Der Hund hörte nicht auf zu bellen.

Die Tür wurde geöffnet, und ein großer Mann mit zerzausten Haaren und grünen Augen starrte sie an. Seine Brust war nackt und muskulös, und das einzige Kleidungsstück, das er trug, war eine Pyjamahose, die tief auf seinen schmalen Hüften hing. „Sie haben geklingelt?“

„Vielleicht habe ich an der falschen Tür …“ Sie verstummte, total fixiert auf seine breiten Schultern und die nackte Haut. Die leichte Brustbehaarung verjüngte sich zur Hüfte hin und verschwand schließlich unter dem Hosenbund. Er lehnte lässig am Türrahmen und erweckte den Eindruck, als hätte er kein Problem damit, einer Frau halbnackt die Tür zu öffnen. Er gehörte zu den Männern, vor denen sie auf dem Mädchenpensionat eindringlich gewarnt worden war. Der Typ Mann, der die bösen Mädchen inspirierte, nachts aus den Fenstern zu klettern.

Erin riss sich von dem beeindruckenden Anblick los und prüfte die Wohnungsnummer. Nein, sie hatte sich nicht geirrt. Sie schluckte. „Hoheit?“, fragte sie leise.

Er nickte langsam, als ihm dämmerte, wer vor ihm stand. „Sie müssen Erin Lawrence sein, die Frau, die mir Manieren beibringen soll.“

„Höfische Etikette, Sir. Ich bin Ihre Beraterin in allen Dingen, die Förmlichkeit und Rituale des Hofs betreffen“, sagte sie leicht irritiert über seine flapsige Beschreibung ihrer Position. Sie verbeugte sich leicht. „Ich stehe zu Ihren Diensten, Sir.“

Er taxierte ihren Körper mit einem Blick, der eine ungeheure Sinnlichkeit ausstrahlte. Erin hielt den Atem an, bis er ihr wieder ins Gesicht sah. „Eigentlich hatte ich Sie früher erwartet.“

„Ja, natürlich, Sir. Tut mir leid. Mein Flug hat sich verspätet.“

„Das kann passieren“, sagte er großzügig und hielt ihr die Tür auf. „Kommen Sie herein. Entschuldigen Sie, dass ich nicht anständig angezogen bin. Ich hatte heute neun Meetings. Deshalb habe ich mich früh in die Falle gehauen.“

Bevor Erin eintrat, blickte sie sich vorsichtig nach dem Hund um, der immer noch bellte. „Keine Angst“, beruhigte Daniel sie. „Ich habe Jordan weggesperrt, bevor ich an die Tür gegangen bin.“

„Jordan, Sir?“

„Zu Ehren Michael Jordans, dem besten Basketballspieler, den die Chicago Bulls jemals hatten, bis er vor ein paar Jahren leider seinen Rücktritt erklärt hat.“

Erin würde sich später über American Basketball informieren; das nahm sie sich in diesem Moment vor. Sie hatte keine Ahnung von dem Sport. Kaum war sie durch die Tür gegangen, blieb sie stehen und blickte Daniel erwartungsvoll an. „Das Protokoll schreibt vor, dass der Fürst vorangeht, Sir. Niemand darf dem Herrscher den Rücken zudrehen.“

„Oh.“ Er musterte sie noch einmal. „Schade eigentlich.“ Erin merkte, dass sie rot wurde. Sie hoffte inständig, dass er es nicht bemerkte. „Bitte, gehen Sie vor, Sir. Ich folge Ihnen.“

Daniel nickte und führte sie durch ein geräumiges Wohnzimmer mit einer modernen schwarzen Ledergarnitur und Glastischen. Sie folgte ihm in eine makellos saubere, gut ausgestattete Küche. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Tüte Milch heraus. „Möchten Sie etwas trinken? Oder etwas essen? Ein Sandwich vielleicht?“

Der Mann ist sich seiner Stellung gar nicht bewusst, dachte Erin und fragte sich, inwieweit er sich verändern würde, wenn er anfing, von seiner Macht als Herrscher Gebrauch zu machen. Falls es überhaupt dazu kam. Daniel Connelly wirkte nicht wie ein Mann, der einen Titel nötig hatte, um Befehle zu erteilen. Sie starrte auf seine breiten Schultern und erwischte sich dabei, dass ihre Gedanken in eine unerlaubte Richtung wanderten. Schnell dachte sie an etwas anderes. Der Fürst bot an, ihr einen Drink oder ein Sandwich zu bringen. Das ging nun gar nicht. „Nein, danke, Sir.“

Er zog eine Grimasse. „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“

„Zweiundzwanzig, Sir.“

„Sie sind zwar noch jung, aber wir sind beide erwachsen. Müssen Sie immer ‚Sir‘ sagen?“ „Es gehört sich so, Sir.“ „Okay, wenn’s denn sein muss.“ Er seufzte und trank einen Schluck direkt aus der Milchtüte.

Erin riss entsetzt die Augen auf.

Daniel musste es gesehen haben, denn er grinste breit. „Keine Angst. Das war der Rest“, sagte er und warf die leere Packung in den Abfalleimer. Erin tat das, was ihr in den Jahren auf den besten Schweizer Internaten eingetrichtert worden war: Sie hielt den Mund geschlossen. Vor ihr stand schließlich der neue Fürst von Altaria – ein attraktiver Amerikaner mit einem Körper, bei dem jede Frau ins Schwärmen geriet, aber ohne jede Ahnung von höfischer Etikette. Seine Vorfahren würden sich im Grab umdrehen.

Gott steh Altaria bei.

Gott steh mir bei, dachte sie.

„Ich weiß nicht wirklich, in welcher Funktion Sie hier sind.“

„Ich soll Sie mit dem königlichen Protokoll vertraut machen und so viel wie möglich über Ihre Vorlieben erfahren, damit sich der Palast auf Ihre Ankunft vorbereiten kann, Sir.“

Er fuhr sich durch die Haare. „Was bedeutet ‚königliches Protokoll‘?“

„Traditionelle höfische Etikette, Sir. Es ist meine Aufgabe, Sie darin zu unterrichten, wie die Menschen von Altaria Ihnen begegnen werden, und welche Umgangsformen von Ihnen erwartet werden.“

Er seufzte wieder und rieb sich das Gesicht. „Benimmunterricht. Ich muss ihn irgendwo zwischen Flughafenerweiterungsplan und Budgetprüfung einbauen. Was halten Sie davon, wenn Sie sich erst einmal ein paar Tage von Ihrem Jetlag erholen? Und dann treffen wir uns.“

„Ich bin absolut in der Lage, meinen Pflichten sofort nachzukommen, Sir.“

„Ruhen Sie sich aus, und wir unterhalten uns morgen oder übermorgen.“

Erin hatte das Gefühl, dass er sie abwimmeln wollte. So ging es nicht. Ihr Vater, der Außenminister von Altaria, hatte ihr diese Aufgabe übertragen – trotz ihres nervösen Ticks, unter dem sie ihr Leben lang gelitten hatte. Sie durfte ihren Vater nicht enttäuschen. Dies war die Chance, eine engere Beziehung zu ihm aufzubauen. „Ich kann Ihnen sehr nützlich sein, Sir. Mein Vater ist der Außenminister von Altaria; ich bin also mit dem politischen Klima vertraut.“

Daniel Connelly betrachtete sie eingehend. „Okay. Ich rufe Sie an, sobald ich alle wichtigen Dinge erledigt habe.

Willkommen in Windy City. So wird Chicago im Volksmund genannt“, fügte er erklärend hinzu, als er ihren fragenden Blick sah.

„Danke, Sir.“

„Kann ich Ihnen wirklich nichts zu trinken anbieten?“

Seine Beharrlichkeit verwirrte sie. „Wirklich nicht, Sir. Danke.“

Er nickte und nahm das Telefon. „Dann bitte ich den Sicherheitsdienst, Ihnen ein Taxi zu rufen.“

„Das ist nicht nötig, Sir. Das kann ich allein.“

„Ich bin sicher, dass Sie das können, aber meine Erziehung lässt nicht zu, dass ich eine junge Dame auf die Straßen von Chicago schicke, ohne einen Wagen bestellt zu haben, der sie nach Hause bringt.“

Ein Gentleman? Gab es so etwas tatsächlich noch? Erin hatte so viele Männer kennengelernt, die hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie kaum wusste, wie sie reagieren sollte. „Danke, Sir“, murmelte sie, als er dem Sicherheitsdienst telefonisch entsprechende Anweisungen gab.

Daniel führte sie zur Tür und hielt sie ihr auf. „Warum sprechen Sie mit britischem Akzent?“ „Ich war zwar auf einem Schweizer Internat, aber die Schulleiterin war Engländerin.“

„Ihr Auftreten ähnelt dem meiner Mutter.“

„Das nehme ich als großes Kompliment“, erwiderte sie. „Ich habe dasselbe Internat besucht wie sie. Prinzessin Emma ist bei den Menschen auf Altaria sehr beliebt und angesehen.“

„Obwohl sie auf ihren Titel verzichtet und einen derben amerikanischen Emporkömmling geheiratet hat?“

„Sie hat vielleicht offiziell auf ihren Titel verzichtet, aber in den Herzen der Altarianer ist sie immer eine Prinzessin geblieben.“

Daniel lachte. „Sie sind wirklich gut. Sind Sie sicher, dass Sie nicht PR-Expertin sind?“

„PR-Kenntnisse werden in meiner Position vorausgesetzt, Sir. Wie ich Ihnen jedoch schon sagte, gehört es auch zu meiner Aufgabe, herauszufinden, was Ihnen gefällt, damit Sie sich auf Altaria wohlfühlen.“

„Ich bin leicht zufriedenzustellen. Ein Basketballspiel mit den Chicago Bulls und ein Chicago Hotdog, und ich bin glücklich.“

Erin blinzelte und versuchte sich vorzustellen, wie der Palastkoch einen Chicagoer Hotdog zubereitete. Was auch immer das sein mochte. „Das werde ich mir merken, Sir.“

„Davon bin ich überzeugt. Gute Nacht.“

Daniel verzog das Gesicht, als er zwei Tage später seinen Anrufbeantworter abhörte. Drei Nachrichten kamen von Erin Lawrence, dieser gouvernantenhaften förmlichen Frau mit den tollen Kurven. Sie war so schrecklich anständig und korrekt, dass er sich in seiner Fantasie ausmalte, wie sie sein könnte, wenn sie ihre perfekten Manieren und ihre Kleidung ablegte. Daniel hatte jedoch auch bemerkt, dass Miss Lawrence zwar eine attraktive Frau war, aber auch den Eindruck von Unschuld, von einer verbotenen Frucht, erweckte.

Er hatte sie wirklich nicht abwimmeln wollen, doch bevor er sich auf sein Amt als Fürst von Altaria vorbereitete, musste er als Marketingleiter bei Connelly Corporation noch viel regeln.

Um die Kontinuität der Amtsgeschäfte zu sichern, trat der Nachfolger eines Herrschers normalerweise sofort die Regentschaft an. Doch der Außenminister hatte Daniel mitgeteilt, dass für seine Ankunft noch nicht alles vorbereitet war. Dieser wunderte sich zwar etwas, aber er stellte keine weiteren Fragen. Er hatte genug mit den Dingen zu tun, die in Chicago noch erledigt werden mussten. Insofern kam ihm die Verzögerung sehr gelegen.

Er blickte auf seinen randvollen Terminkalender, sah, dass er abends einen Termin frei hatte, und wählte die Nummer des Hotels, in dem Erin abgestiegen war. „Daniel Connelly“, sagte er, als sie sich meldete.

„Vielen Dank, dass Sie anrufen, Hoheit“, sagte sie förmlich, aber mit harmonisch modulierter Stimme.

Daniel fragte sich, was er anstellen musste, um sie aus dem Konzept zu bringen. Er überlegte auch, was für Dessous sie wohl trug, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder.

„Entschuldigen Sie, dass ich mich erst jetzt melde. Aber ich hatte unzählige Termine, und heute sieht es auch nicht viel besser aus. Hätten Sie Zeit, mit mir zu Abend zu essen? Ich bestelle uns eine Pizza, und wir treffen uns bei mir.“

Es folgte eine lange Pause.

„Probleme?“

„Nein, Sir“, erwiderte sie zögernd.

„Ich höre Ihrer Stimme an, dass es ein Problem gibt, Miss Lawrence.“ Er wurde ungeduldig. „Was ist los?“

„Ich überlege nur gerade, ob es sich schickt, Ihnen in Ihren Privaträumen Unterricht in höfischer Etikette zu erteilen.“

„Haben Sie nicht gesagt, dass Sie Privatsphäre haben wollen?“

„Ja, Sir, aber …“

„Brauchen Sie eine Anstandsdame oder etwas in der Art?“

„Natürlich nicht, Sir“, erwiderte sie mit einer Spur Trotz in der Stimme. „Wir sehen uns also zum Dinner. Um wieviel Uhr?“

„Nicht so früh. Halb acht.“

„Sehr gut, Sir. Ich werde um halb acht bei Ihnen sein.“

>Daniel legte auf und seufzte laut, gerade als die Tür geöffnet wurde und sein Bruder Brad eintrat.

„Wie läuft’s, IM?“, fragte Brad und grinste breit. „Geht dir die ganze Geschichte schon auf die Nerven?“

Daniel warf seinem Bruder einen mürrischen Blick zu. „IM?“

„Abkürzung für Ihre Majestät“, erklärte Brad. „Die Presse macht Druck. Alle wollen ein Interview, aber ich müsste es eigentlich schaffen, dir die Journalisten noch etwas vom Hals zu halten.“

Brad war ein begnadeter Rhetoriker und damit die Idealbesetzung für den Job des PR-Chefs bei Connelly Corporation. Er besaß die Fähigkeit, die Presse so zu manipulieren, dass es dem Unternehmen zum Vorteil gereichte. Doch Brad war nicht nur wortgewandt, sondern auch ein Charmeur, der sein Singledasein im höchsten Maße genoss – eine Lebensweise, die für Daniel im Laufe der letzten Jahre immer mehr an Reiz verloren hatte.

„Glaubst du, dass Justin für die Welt des Marketings bereit ist?“, fragte Brad.

Ihr Bruder Justin war ruhig und verantwortungsbewusst und mehr als bereit, die Karriereleiter bei Connelly Corporation hinaufzuklettern. „Justin wird seine Sache hervorragend machen“, sagte Daniel voller Überzeugung.

„Wir werden dich alle vermissen, aber …“

„… aber ihr könnt es trotzdem nicht abwarten, bis ich endlich weg bin.“ Daniel lachte. Ob beim Sport oder im Geschäft, die Connelly-Brüder hatte immer eine Mischung aus Kameradschaft und Rivalität verbunden.

„Du hast fantastische Arbeit geleistet“, sagte Brad. „Versteh mich nicht falsch. Aber ich hatte immer den Eindruck, dass du etwas anderes willst. Glaubst du, das ist jetzt deine wahre Berufung?“

Daniel nickte, überrascht über die Erkenntnis seines Bruders. „Das muss es wohl sein. Ich will einfach daran glauben, dass es Schicksal ist. Solange ich zurückdenken kann, wollte ich immer etwas bewirken, und das nicht unbedingt in der Textilbranche.“

„Diese Altarianer haben verdammtes Glück, dass sie dich bekommen“, sagte Brad.

„Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt habe ich nicht das Gefühl, dass der Außenminister meine Ankunft herbeisehnt. Er sendet die Informationen, um die ich gebeten habe, nur sehr zögerlich, aber dafür hat er seine Tochter geschickt.“ Daniel verzog leicht das Gesicht.

„Tochter? Warum?“

„Höfische Etikette.“

Brad blinzelte kurz und brach dann in Gelächter aus. „Sie soll dir all die Dinge beibringen, die du nicht von Mom lernen wolltest.“

„Und noch mehr, fürchte ich.“ Daniel stöhnte. „Ich habe im Moment wirklich keine Zeit für solche Dinge, aber ich will auch nicht unhöflich sein.“

„Wie ist sie?“

„Ziemlich etepetete …“, sagte Daniel, „… aber mit einer Wahnsinnsfigur.“

„Dann bleibt es vielleicht nicht beim Unterricht …“

Obwohl ihn der Gedanke reizte, Erins Körper zu erforschen, schüttelte Daniel den Kopf. „Das wird wohl nichts.

Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so entschlossen war, mich zu kultivieren.“

Erin balancierte den großen Pizzakarton, zwei dicke Bücher über höfische Etikette und einem Bildband mit Uniformen auf den Armen. Mit dem Ellenbogen drückte sie den Klingelknopf zur Wohnung Seiner Hoheit. Da der Pizzabote gleichzeitig mit ihr eingetroffen war, hatte sie ihm die Pizza abgenommen.

Daniel öffnete die Tür, und Erin war einmal mehr beeindruckt von seiner Körpergröße.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen …“

Gerade als er nach den schweren Büchern greifen wollte, schoss etwas Großes, Braunes quer durch den Raum und sprang an Erin hoch. Erin kam ins Stolpern und stürzte.

„Jordan, bei Fuß!“, brüllte Daniel.

Der Hund gehorchte sofort.

Erin schlug mit den Knien auf dem harten Boden auf, und ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Körper. Unwillkürlich klammerte sie die Finger um die Pizzaschachtel. Entweder falle ich mit dem Gesicht auf den Boden oder auf den Pizzakarton, dachte sie gerade verzweifelt, als zwei starke Hände nach ihren Schultern griffen.

Daniel fluchte. „Tut mir leid. Jordan hat die Pizza gerochen und ist verrückt geworden. Die vielen Besucher in den letzten Tagen haben ihn verängstigt.“

Er hob sie hoch, als wäre sie leicht wie eine Feder, und trug sie zur Couch.

Erin spürte seine muskulöse Brust, die gegen ihre drückte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal getragen worden war, nicht einmal von ihrem Vater. Diese freundliche Geste brachte eine versteckte Saite in ihrem Inneren zum Schwingen und verwirrte Erin. Sie merkte, dass Daniel ihr den Pizzakarton aus der Hand nehmen wollte.

„Sie können die Pizza jetzt loslassen“, sagte er lächelnd.

Erin wurde bis über beide Ohren rot. „Oh, tut mir leid, Hoheit.“

„Ich wundere mich nur, dass Sie nicht alles fallen gelassen haben, als Jordan an Ihnen hochgesprungen ist.“

„Alles Übungssache, Sir. Egal, was passiert, lass niemals das Tablett fallen, wurde uns eingetrichtert.“

Daniel musste lachen. „Ihre Lehrer können stolz auf Sie sein.“ Er stellte den Pizzakarton hoch auf die Musikanlage und drehte sich zu dem Hund. „Du bekommst heute Abend zur Strafe keine Pizza. So behandelt man eine Dame nicht“, schimpfte er.

Erin betrachtete den zerknirscht wirkenden Hund. Das Tier war groß, hatte dunkle Augen, einen seelenvollen Blick und große Pfoten. „Was ist das für eine Rasse, Sir?“, fragte Erin neugierig. Der Hund sah aus wie eine Mischung aus Braunbär und Bulldogge.

Daniel kraulte Jordan. „Ein Mischling.“ Er lachte verschmitzt und strahlte dabei ungeheuren Sexappeal aus. „Genau wie ich. Halb altarianisches Adelsgeschlecht, halb amerikanischer Rebell“, sagte er und führte den Hund in einen anderen Raum.

Stimmt, dachte Erin, mit dem Unterschied, dass Daniel viel besser aussah als sein Hund. Was hatte sie eigentlich mehr durcheinandergebracht? Der Hund, der an ihr hochgesprungen war, oder Daniel, der sie zur Couch getragen hatte? Sie holte tief Luft. Konzentrier dich auf deine Aufgabe und nicht auf den tollen Körper Seiner Hoheit, ermahnte sie sich. Wo waren die Bücher abgeblieben? Sie blickte zur Tür und sah sie auf dem Boden liegen. Daniel hatte sie offensichtlich fallen lassen, um Erin aufzufangen.

Erin wollte aufstehen, doch sie verspürte einen stechenden Schmerz. Sie blickte auf ihre Strumpfhose. Diese war zerrissen, und ein Knie war zerkratzt und blutete leicht.

Genau in dem Moment kehrte Daniel zurück. Als er ihr zerschundenes Knie sah, eilte er zu ihr, ging in die Hocke und berührte sanft ihr Bein. „Verdammt. Ich hole etwas zum Desinfizieren und einen Verband.“

Verlegen schüttelte Erin den Kopf. „Das ist nicht nötig!“, rief sie ihm nach, als er den Raum verließ. Sie sprang auf und folgte ihm. „Sir, das schickt sich nicht!“, protestierte sie, aber sie hätte genauso gut gegen die Wand reden können.

Daniel hörte überhaupt nicht auf sie. Als er das Badezimmer betrat, blieb sie in der Tür stehen, unsicher, was sie jetzt tun sollte.

Sie beobachtete, wie er einige Dinge aus dem Arzneischrank nahm und einen Waschlappen unters Wasser hielt. Dann drehte er sich zu ihr um. „Setzen Sie sich wieder auf die Couch.“ Sein Blick ließ keinen Widerspruch zu.

„Aber, Sir …“

„Kein Aber“, unterbrach er sie und ging an ihr vorbei.

„Mein Hund ist schuld, also bin ich verantwortlich.“

Bekümmert folgte sie ihm ins Wohnzimmer und setzte sich wieder auf das Sofa. „Sir, das schickt sich wirklich nicht.“

„Und was wäre schicklich? Einen Bediensteten zu holen, der sich dann um die Wunde kümmert?“

„Ja, Sir, oder ich könnte es auch allein tun.“

Er schüttelte den Kopf und kniete vor ihr nieder. „Das ist für mich beides nicht in Ordnung. Ich bin der Fürst, und ich habe das Sagen.“ Er blickte auf ihr Bein und dann in ihre Augen. „Sie müssen die Strumpfhose ausziehen.“

Erin schlug das Herz bis zum Hals, und sie hielt den Atem an, als sie die Entschlossenheit in seinen Augen sah. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und räusperte sich. „Könnten Sie sich bitte umdrehen, Sir?“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme schrill.

Er zuckte nur mit den Schultern. „Natürlich. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie fertig sind.“

Mit zittrigen Händen schob sie die Strumpfhose über ihre Beine und sah plötzlich das entsetzte Gesicht ihrer Lehrerin im Mädchenpensionat vor sich. Erin hatte gewusst, dass dieser Auftrag eine Herausforderung darstellte, doch nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass sie sich in eine derart peinliche Situation manövrieren könnte. Sie trat aus ihren Pumps und zog die Strumpfhose über die Füße.

„Fertig?“, fragte Daniel, als hätte er die Augen hinten im Kopf.

„Ja, Sir“, erwiderte sie zögernd.

Er drehte sich um und legte die Hand direkt oberhalb ihres Knies. Als sie zusammenzuckte, blickte er zu ihr auf. „Tut das weh?“

„Ein bisschen, Sir“, stieß sie hervor. Die Tatsache, dass Seine Hoheit vor ihr kniete, war ihr mehr als peinlich, und ihre Nerven waren aufs Äußerste angespannt. Schon spürte sie, dass sich der verhasste nervöse Tick ankündigte. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und stellte sich eine friedliche, verschneite Schweizer Landschaft vor.

Eine seltsame Intimität entstand zwischen ihnen, als Daniel ihren Schenkel berührte. Mit sanften Händen reinigte er die Wunde und desinfizierte sie. Er legte den Verband an, und Erin öffnete wieder die Augen.

Sie erwischte ihn dabei, wie er auf ihre lackierten Fußnägel sah. Unwillkürlich krallte sie die Zehen in den Teppich.

Er strich über ihr Bein bis hinunter zu ihren Füßen. Ein Prickeln ging durch ihren Körper. „Ihre Füße werden ganz kalt. Ich gebe Ihnen ein Paar Socken.“ Er stand auf und blickte auf Erin hinab.

Ihre Blicke trafen sich, und einen Moment lang schien die Zeit stehen zu bleiben. Erin hielt den Atem an, als sein Blick zu ihren Lippen wanderte.

Dann sah Daniel weg. Er schüttelte kaum merklich den Kopf, fast, als wäre er einen Moment lang versucht gewesen, sie zu küssen, dann aber zur Vernunft gekommen.

Erin fragte sich, wann sie wohl endlich wieder zur Vernunft kam.

„Socken“, murmelte er. „Sie entsprechen vielleicht nicht Ihren Modevorstellungen, aber damit haben Sie es etwas gemütlicher.“ Er kniff die Augen zusammen. „Wahrscheinlich wollen Sie in der Kälte auch nicht mit nackten Beinen zurück ins Hotel. Ich hole Ihnen eine Jogginghose und ein Sweatshirt.“

Erin merkte, dass sie langsam in Panik geriet. Sie sollte Kleidung von Seiner Hoheit tragen? Wie war es nur möglich, dass ihr die Situation so sehr entglitten war? „Vielen Dank, Sir, aber das ist wirklich nicht nötig.“

„Natürlich ist es das. Es ist Januar, und wir sind in Chicago. Kein vernünftiger Mensch läuft um diese Jahreszeit mit nackten Beinen herum.“ Er hatte plötzlich ein teuflisches Leuchten in den Augen. „Auch wenn es eine Schande ist, so schöne Beine unter einer Jogginghose zu verstecken.“

Erins Herz schlug Purzelbäume, und ihr wurde heiß. Wie sollte sie ihren Job erfolgreich ausführen, angemessene Distanz wahren und – so die ausdrückliche Order ihres Vaters – Daniel davon abhalten, die Thronfolge anzutreten, wenn er sie wie eine begehrenswerte Frau behandelte und nicht wie seine Beraterin in allen Fragen der Etikette? Wie um alles in der Welt sollte sie Haltung bewahren in der Nähe eines Mannes, der so viel Sexappeal hatte?

2. KAPITEL

Erin stellte fest, dass es äußerst schwierig war, in einem Jogginganzug, in dem sie fast versank, förmlich und korrekt zu bleiben. Sie setzte sich kerzengerade hin.

„Ich habe Ihnen einige Bücher mitgebracht, Sir“, sagte sie. „Diese beiden handeln von höfischer Etikette, und in diesem finden Sie Abbildungen der Gala-Uniformen, die Sie bei den unterschiedlichsten Anlässen tragen werden. Manche Menschen nehmen Informationen besser auf, wenn sie Bilder dazu sehen können.“

Daniel blätterte durch eines der Bücher und sah Erin fragend an. „Sie haben gedacht, dass ich vielleicht ein Bilderbuch brauche?“

Ups. Erin hoffte, dass sie ihn mit ihrer Bemerkung nicht beleidigt hatte. „Bei der Fülle an Informationen, die Sie bekommen werden, Sir, dachte ich, es wäre vielleicht anschaulicher, wenn sie nicht ganz so trocken übermittelt werden.“

Daniel zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. „Ich bin wirklich neugierig, was man Ihnen von mir erzählt hat.“

Erin schossen die vielen Dinge durch den Kopf, die ihr Vater ihr gesagt hatte, die sie jedoch nicht wiederholen konnte. „Ich weiß, dass Sie vierunddreißig Jahre alt sind und Chef der Marketingabteilung bei Connelly Corporation, Sir. Sie haben das College besucht und hatten ein Football-Stipendium. Und Sie sind durch und durch Amerikaner.“

Er grinste breit.

„Das Wichtigste ist aber, Sir, dass Sie der älteste Sohn von Prinzessin Emma sind und damit der Thronfolger. Und Sie haben eingewilligt, Ihr Leben als Amerikaner aufzugeben und Altaria als Fürst zu dienen.“

Er nickte. „Ergänzen möchte ich noch, dass ich meinen Abschluss in Betriebswirtschaft und Philosophie an der Northwestern University gemacht habe. Haben Sie einen Laptop im Hotel?“

Erin bejahte.

„Dann können Sie sich ja mal die Website der Universität ansehen, falls es Sie interessiert. Sie ist sehr informativ.“

Erin hatte das ungute Gefühl, dass es noch so manches gab, was man ihr über Daniel nicht gesagt hatte. „Das werde ich tun, Sir.“

Daniel sah wieder auf das Buch. „Nur damit ich Sie richtig verstehe, zu meinem Job gehört es doch, bei diversen Events in Gala-Uniformen zu erscheinen, oder?“

„So ist es, Sir. Die Wahrung der Traditionen gibt den Menschen eine gewisse Sicherheit.“

„Okay. Gibt es jemanden im Palast, der weiß, welche Uniform ich zu welcher Gelegenheit tragen muss?“ „Selbstverständlich, Sir. Dafür stehen Ihnen mindestens zwei Bedienstete zur Verfügung.“

„In dem Fall kann ich die Entscheidung, ob ich rot oder blau trage, mit gutem Gewissen den Bediensteten überlassen, richtig?“

„Ich vermute es, Sir. Ich dachte nur, dass Sie informiert sein möchten, da es einen signifikanten Unterschied geben wird zu Ihrer jetzigen Art, sich zu kleiden.“

Daniel schloss lächelnd das Buch. „Solange mich niemand in ein pinkfarbenes Ballettröckchen steckt, ist mir das eigentlich vollkommen egal. Erzählen Sie mir lieber von den Menschen auf Altaria.“

Erin blinzelte. Ihr Gespräch mit Daniel verlief völlig anders als geplant. Ihr Vater hatte sie angewiesen, Daniel davon zu überzeugen, dass der Fürst hauptsächlich Repräsentationspflichten zu übernehmen hatte, falls sie ihn nicht davon abhalten könnte, die Thronfolge anzutreten. „Die Menschen auf Altaria, Sir?“

„Ja. Sie sind Altarianerin. Wie würden Sie Ihre Landsleute beschreiben?“

„Als warmherzig und engagiert, Sir.“ Sie dachte an die Menschen, die den Touristen ihre Dienste, frisches Obst und Gemüse anboten. „Familienorientiert. Aufgrund der Inselsituation ist den jungen Leuten der Zugang zu höherer Bildung erschwert.“

„Erklären Sie mir das bitte genauer.“

„Wir haben auf der Insel keine Universität.“

„Warum nicht?“

„Es hat dort noch nie eine gegeben. Junge Menschen, die studieren sollen, müssen aufs Festland.“

Daniel runzelte die Stirn. „Wenn also jemand intelligent und motiviert ist, die Familie aber nicht die finanziellen Mittel hat, um das Kind an die Universität nach Europa zu schicken, dann bleibt es auf der Insel?“

Erin nickte. „Korrekt, Sir. Diese jungen Leute treten dann meist in die Fußstapfen ihrer Eltern.“

„Und wie steht das Parlament dazu?“

„Das Parlament steht Veränderungen träge gegenüber, solange es keinen massiven Druck gibt.“

Seinem Gesichtsausdruck sah sie an, dass ihm die Antwort nicht gefiel. „Was glauben Sie, erwarten die Menschen von ihrem Fürsten?“

Erin fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits faszinierte sie Daniels Interesse an ihren Landsleuten, gleichzeitig aber konnte sie die Wünsche ihres Vaters nicht ignorieren. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ehrlich zu antworten. „Sir, ich glaube, die Bürger von Altaria wünschen sich einen Fürsten, der eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlägt. Auch Amerikaner wissen, dass die Tradition in schweren Zeiten eine Quelle der Zuversicht sein kann. Altaria ist stolz auf die ununterbrochene Thronfolge, die die Rosemeres gesichert haben. Die Altarianer wollen einen Herrscher, der die Vergangenheit schätzt und weiß, wo die Zukunft hinführen muss.“

Daniel nickte. „Das heißt also, dass ich die Geschichte Altarias büffeln muss. Sie haben gesagt, dass Sie mit dem politischen Klima vertraut sind. Wie steht das Parlament zu einem Amerikaner als Thronfolger?“

Erin sah weg. „Die offizielle Haltung ist, dass das Parlament hocherfreut ist, dass es einen gesunden Thronfolger gibt, der bereit ist, das Erbe anzutreten, Sir. Viele Menschen waren überrascht, dass Sie zugestimmt haben, Ihr Privatleben und Ihre Freiheit aufzugeben, um den Thron zu besteigen.“

Daniel seufzte und stand auf. Er trat an das große Panoramafenster und sah hinaus. „Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich vor Pflichten drücken. Unsere Eltern haben uns dazu erzogen, Verantwortung zu übernehmen. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen, wenn ich mich vor der Verantwortung drücken würde, aber …“

Er machte eine kurze Pause und drehte sich zu Erin um. „Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich nicht mein Leben lang bei Connelly Corporation bleiben würde. Zugegeben, ich hätte nicht gerade einen Job als Fürst ausgewählt, aber offensichtlich hat der Job mich auserkoren.“ Er sah ihr in die Augen, und sie spürte die Intensität seines Blickes bis in die Zehenspitzen. „Ich bin ein Connelly, und ich werde mein Bestes geben.“

Seine Worte hingen zwischen ihnen, und Erin spürte langsam, dass mehr hinter Daniel Connelly steckte, als sie oder ihr Vater gedacht hatten.

Langsam näherte er sich Erin. „Das war die offizielle Haltung des Parlaments. Wie sieht die inoffizielle aus?“

Erin geriet in Panik. Sie musste ihrem Vater gehorchen und seine Wünsche befolgen, aber sie versuchte einen Weg zu finden, seinen Erwartungen gerecht zu werden, ohne ihr eigenes ausgeprägtes Gespür für Integrität zu verletzen. „Inoffiziell und offiziell gilt, dass unsere Politiker auf Traditionen setzen und Veränderungen skeptisch gegenüberstehen, Sir.“

„Eine geschickte Art auszudrücken, dass ich sie nervös mache.“

„Das habe ich nicht gesagt, Sir.“

„Das war auch nicht nötig.“ Er neigte den Kopf zur Seite. „Ich mache auch Sie nervös.“

Verlegen wäre treffender, dachte sie. „Nein, Sir. Natürlich nicht“, sagte sie, was allerdings nicht ganz der Wahrheit entsprach.

„Überhaupt nicht?“ Er setzte sich neben sie auf die Couch.

Seine Nähe irritierte sie. „Nun, vielleicht ein bisschen, Sir.

Sie sind ganz anders, als ich erwartet hatte.“

„Inwiefern?“, fragte er. Sein Blick war so durchdringend, dass sie sich fragte, ob er durch sie hindurchblicken konnte.

Erin fühlte sich ausgesprochen unbehaglich. „Es steht mir nicht zu, das zu sagen, Sir.“

„Und wenn ich es gern wissen möchte? Ich bin der Fürst.“

„Ist das ein Befehl, Sir?“

„Ist denn einer nötig?“

„Ja, Sir.“

„Okay, dann ist es einer. Also, sagen Sie mir, inwiefern ich anders bin, als Sie dachten.“

Erin holte tief Luft und wäre am liebsten im Boden versunken. „Sie sind intelligenter, als ich erwartet habe, Sir“, gestand sie mit leiser Stimme. Erklärend fügte sie hinzu: „Football-Stipendium, Sie wissen schon.“

„Die akademischen Anforderungen an der Northwestern University sind für alle Absolventen sehr hoch, auch für das Footballteam.“

„Oh.“

„Was sonst noch?“

„Sie haben ein Ehrgefühl, das mich überrascht, Sir. Ihr Interesse an den Altarianern kommt unerwartet. Sie sind freundlicher und weniger von sich eingenommen, als ich dachte“, fuhr sie fort. „Sie sehen mich an, wenn Sie mit mir sprechen. Sie hören mir wirklich zu.“

„Das überrascht Sie?“

Sie erwiderte seinen Blick und nickte schweigend.

„Warum sollte ich Ihnen nicht zuhören?“

Sie zuckte mit den Schultern und dachte daran, wie oft sie das Gefühl gehabt hatte, ihr Vater würde an ihr vorbeiblicken, statt sie wirklich anzusehen. „Ich weiß nicht, Sir. Vermutlich bin ich einfach nicht daran gewöhnt.“

Daniel runzelte nachdenklich die Stirn. Dann sah er Erin wieder an. „Was noch?“

Nervös faltete sie die Hände im Schoß. „Sie sind größer, Sir.“ Und sehen besser aus, fügte sie in Gedanken hinzu.

„Wie groß ist der Durchschnittsaltarianer?“

„Ich weiß es nicht, Sir. Kleiner als Sie.“

Er lachte. „Gibt es auch Dinge an mir, die Sie nicht überrascht haben?“

„Sie sind sehr amerikanisch, sehr locker und absolut desinteressiert an höfischer Etikette.“ Erin entspannte sich. Sie war fertig. Noch mehr ehrliche und peinliche Enthüllungen gab es nicht.

„Damit haben Sie recht“, sagte er. „So, und jetzt werde ich Ihnen sagen, inwiefern Sie anders sind, als ich erwartet habe. Das ist nur fair.“

Erin hatte sofort einen Knoten im Magen.

„Obwohl ich wusste, dass Sie die Tochter des Außenministers sind, habe ich Sie mir älter vorgestellt.“

„Älter, Sir?“

„Um die fünfzig, mit orthopädischen Schuhen und furchtbar brav und anständig.“

Seine Worte ärgerten sie. Brav und anständig drückte genau das aus, was sie zu Hause sein musste.

„Stattdessen sind Sie eine Blondine mit tollen blauen Augen und fantastischen Beinen, die furchtbar brav und anständig ist.“ Er schwächte seine Einschätzung mit einem unwiderstehlichen Lächeln ab. „Aber vielleicht gehört es zu Ihrem Job, so zu sein. Ich stelle mir immer wieder vor, wie Sie wohl als Privatmensch sind.“ Er legte seine Hand auf ihre. „Vielleicht finde ich das ja irgendwann heraus.“

Nicht, wenn ich es verhindern kann, dachte Erin.

Anderthalb Stunden später lief Erin nachdenklich in ihrem Hotelzimmer auf und ab. Gleich nach ihrer Rückkehr hatte sie die Website der Northwestern University aufgerufen.

Ihr Telefon klingelte, und sie wusste sofort, wer es war. Ihr Vater.

„Hast du diesen Amerikaner getroffen?“, fragte er ohne Einleitung.

„Ja, heute Abend.“

„Machst du Fortschritte?“

Eigentlich nicht, dachte sie und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Ich habe das Gefühl, ich habe nicht die richtigen Informationen über unseren neuen Fürsten bekommen.“ Die Verärgerung war ihrer Stimme deutlich anzuhören.

„Welche Information?“

„Man hat mich glauben lassen, dass er nicht besonders intelligent ist.“

„Ist er auch nicht. Er ist ein Football-Spieler.“

„Vater, dieser Mann hat an einer Eliteuniversität seinen Abschluss mit Auszeichnung gemacht.“

„Das qualifiziert ihn nicht für seine Aufgabe als Herrscher von Altaria.“

„Nein, das Einzige, was ihn qualifiziert, ist die Tatsache, dass er der älteste männliche Rosemere ist. Es hätte also auch ein achtzehnjähriges Milchgesicht sein können. Stattdessen ist der Thronfolger ein intelligenter, erfahrener vierunddreißigjähriger Mann.“

„Ein Achtzehnjähriger wäre leichter zu manipulieren“, murmelte ihr Vater. „Glaubst du, dass du ihn davon abhalten kannst, die Thronfolge anzutreten?“

Erin befand sich in einer zwiespältigen Situation. Sie hatte Verständnis für die Vorbehalte ihres Vaters Daniel gegenüber. Schließlich war er Amerikaner, der die Geschichte Altarias weder kannte noch schätzte. Ihr Vater fürchtete, Daniel könnte sich wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten und den Frieden und die Ruhe in dem Fürstentum stören.

Erin erinnerte sich an Daniels entschlossenen Gesichtsausdruck, als er darüber sprach, die Thronfolge anzutreten. „Ich weiß nicht, Vater. Ich habe das Gefühl, Seine Hoheit sieht es als seine Pflicht und auch als Ehre an, die Rolle des Fürsten zu übernehmen.“

Das missbilligende Schweigen ihres Vaters dauerte an.

Erin schloss die Augen.

„Du wechselst doch nicht etwa die Seiten?“, fragte er misstrauisch.

„Nein.“ Trotzdem fragte sie sich, wie sie den Konflikt lösen sollte. „Du bist mein Vater, und Altaria ist mein Heimatland.“

„Denk daran, Erin: Ein guter Mann muss noch lange nicht ein guter Fürst für Altaria sein. Schlaf jetzt etwas, Kind. Ich rufe dich wieder an.“ Damit beendete er das Gespräch.

Erin legte den Hörer auf und starrte aus dem Fenster auf die beleuchtete Skyline von Chicago. Sie schlang die Arme um sich. Ihr Vater hatte sie „Kind“ genannt. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr wie ein Kind gefühlt. Sie war noch sehr klein gewesen, als ihre Mutter starb, und so hatte sie nur vage Erinnerungen an das sanfte, freundliche Lachen, ihre liebevollen Berührungen und ihr Parfum.

Die Jahre in den Internaten hatten sie früh erwachsen werden lassen. Von klein auf war sie auf sich allein gestellt gewesen. Sie hatte unter Einsamkeit gelitten, doch sie hatte sich nie etwas anmerken lassen. Jetzt bekam sie endlich die Chance, ihrem Vater näherzukommen, und sie war überhaupt nicht sicher, dass sie es schaffen würde.

Geistesabwesend strich sie über das weiche Fleeceshirt und blickte an sich hinunter auf die viel zu große Jogginghose, die sie immer noch trug. Es war merkwürdig, doch in Daniels Jogginganzug hatte sie das Gefühl, von ihm umarmt zu werden. Sie fragte sich, wie es wäre, in Daniels Armen zu liegen und von ihm geküsst und gestreichelt zu werden. Der Gedanke erregte sie.

Lächerlich, dachte sie und verdrehte die Augen. Sie ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, und versuchte, die aufregenden Gedanken an Seine Hoheit zu verdrängen. „Seine Hoheit, Seine Hoheit, Seine Hoheit.“ Laut murmelte sie seinen Titel vor sich hin, um sich einzuprägen, dass dieser Mann absolut tabu war. Dann holte sie sich ein Nachthemd und zog sich um.

Sofort war das warme, tröstliche Gefühl einer Umarmung verschwunden. Erin krabbelte unter die Decke und zog sie über den Kopf, so wie sie es unzählige Male als Kind getan hatte. Sie bemühte sich, nicht an Daniel zu denken, doch sie konnte nicht vergessen, wie zärtlich er ihren Schenkel berührt hatte, und wie er darauf bestanden hatte, dass sie seinen Jogginganzug anzog. Und sie konnte nicht vergessen, dass er ihr ins Gesicht gesehen hatte, als sie mit ihm sprach, und nicht an ihr vorbei. Sie konnte ihn nicht vergessen.

„Ich weiß, es ist sehr kurzfristig“, sagte Daniel am folgenden Morgen. „Aber wenn Sie heute Abend nichts anderes vorhaben, hätten Sie dann Lust, mich zu einem Wohltätigkeitsball zu begleiten?“

Seit Erin in Chicago angekommen war, hatte sie mehr Zeit denn je in ihrem Leben. Aber ließ sich die Einladung mit ihrem Job vereinbaren? „Ein Wohltätigkeitsball?“, wiederholte sie.

„Es ist einer der Lieblingsbälle meiner Familie, und ich habe versprochen, daran teilzunehmen, bevor die Nachricht von der Thronfolge kam. Ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich trotzdem kommen werde, solange ich im Hintergrund bleiben kann. Mit anderen Worten, wir kommen spät und gehen früh. Sind Sie dabei?“

Erin wickelte sich nervös das Telefonkabel um den Finger. „Warum gerade ich, Sir?“

„Natürlich könnte ich mit anderen Frauen hingehen, aber ich würde den ganzen Abend damit verbringen, Diskussionen über meine Zukunft auszuweichen. Ich verlasse diese Welt und betrete eine andere. Sie sind die Frau, die das am besten versteht.“

Erin fühlte sich gegen ihren Willen geschmeichelt.

„Also, ja oder nein?“

„Ich habe nichts Passendes anzuziehen.“

„Wir sind hier in Chicago, dem Einkaufsmekka“, setzte er ihrem Einwurf entgegen. „Die Rechnung übernehme ich. Der Ball beginnt um acht. Ich hole Sie um halb neun ab.“

„Ja, Sir.“ Was würde dieser Auftrag als Nächstes von ihr verlangen?

Zehn Stunden später klopfte es an Erins Tür. Sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag. Sie öffnete die Tür, und ihr stockte der Atem, als sie Daniel in einem Smoking mit schwarzem Mantel und weißem Kaschmirschal sah. Das Bild des amerikanischen Emporkömmlings wurde sofort ersetzt durch das eines weltgewandten, gefährlich attraktiven Mannes.

Er betrachtete sie wohlwollend. „Sie haben sich sehr hübsch zurechtgemacht, Miss Lawrence“, sagte er mit seiner erotischen Stimme.

„Danke, Hoheit. Sie auch …“ Entsetzt über diese unangebrachte Bemerkung biss sie sich auf die Lippe.

Daniel deutete ein Lächeln an. „Verdammt, jetzt sagen Sie mir nicht, dass es unanständig ist, dem Fürsten ein Kompliment zu machen?“

Erin wurde rot. „Natürlich nicht, Sir, aber ich stehe in Ihren Diensten.“

Er nickte. „Und welches ist die korrekte Weise, einem Fürsten ein Kompliment zu machen?“

Erin holte tief Luft und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Mit Verlaub, ich würde sagen, Eure Hoheit sieht heute Abend sehr schneidig aus.“

„Schneidig“, wiederholte er amüsiert. „Das klingt wie aus einem alten englischen Roman. Verstehe ich das richtig, es wäre also nicht angebracht zu sagen, ‚Sie sehen heute Abend so heiß aus, dass der Ballsaal in Chicago Feuer fangen könnte‘?“

Genauso ist es aber, dachte sie. „Das ist korrekt, Sir.“

„Aber Sie haben nichts dagegen, wenn ich die Feuerwehr schon einmal vor Ihnen warne?“

„Vor mir?“

Er ließ seinen Blick gefährlich langsam über sie schweifen.

„Ja, vor Ihnen.“

Daniel führte Erin durch die große Lobby des Hotels, in dem der Ball stattfand, zum Fahrstuhl. „Wir werden nicht lange bleiben“, sagte er, als die Türen leise zuglitten. „Seit ein paar Jahren habe ich keine Lust mehr, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Ich würde lieber alles andere tun, als solche Repräsentationspflichten auszuüben.“

„Entschuldigen Sie, Sir, aber Sie wissen hoffentlich, dass genau diese Repräsentationspflichten Ihr neues Amt ausmachen? Die Menschen von Altaria wollen ihren Fürsten sehen“, sagte Erin.

Er nickte. „Natürlich weiß ich, dass Auftritte in der Öffentlichkeit wichtig sind. Aber ich weiß auch, dass die Persönlichkeit und die Visionen des Mannes, der die Krone trägt, seine Rolle bestimmen. Ich habe vor, mindestens genauso viel Zeit damit zu verbringen, etwas für das Land zu tun, wie mit Repräsentationspflichten.“

Erin fühlte sich ziemlich unwohl, als sie an die völlig gegensätzliche Sicht ihres Vaters bezüglich Daniels Rolle als Fürst dachte. Sie betrachtete den starken, dynamischen Mann, der ihr gegenüberstand, und fragte sich, wie sie ihn davon überzeugen sollte, dass die Rolle der Repräsentationsfigur wichtig war. Kaum möglich. Vor allem, da ihre eigene Einstellung zu seinen Aufgaben ins Wanken geriet. Sie verdrängte die Gedanken, denn sie hatte einen Job zu erledigen. Für ihr Land und für ihren Vater.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und Daniel führte Erin zu einem Seiteneingang des Ballsaals. „Wir haben entschieden, dass ich weniger Aufmerksamkeit auf mich ziehe, wenn ich nicht angekündigt werde“, erklärte er. „So muss die Presse nach mir suchen.“

Erin sah ihn an und musste unwillkürlich den Kopf schütteln.

Er blieb stehen. „Was ist?“

„Nichts, Sir.“

Daniel seufzte. „Ich will es eigentlich nicht tun, aber …“

Erin zuckte zusammen. Sie ahnte, was kommen würde.

„Ich befehle Ihnen, mir zu sagen, was Sie denken“, sagte er. „Der Befehl gilt für den Rest des Abends.“

Erin starrte ihn entsetzt an. „Den ganzen Abend, Sir?“, wiederholte sie fassungslos.

Er nickte. „Also, heraus mit der Sprache. Warum haben Sie den Kopf geschüttelt, als ich sagte, die Presse müsste nach mir suchen?“

Erin schloss peinlich berührt die Augen. „Muss ich das wirklich sagen, Sir?“

„Ja.“

Sie seufzte resigniert. „Bei Ihrer Größe, Ihrem Aussehen und Ihrem Auftreten ist es unvermeidlich, dass Sie Aufmerksamkeit erregen, Sir. Sie müssen nur einen Raum betreten, und schon ziehen Sie alle Blicke auf sich.“

Er beugte sich an ihr Ohr. „Es ist viel amüsanter mit Ihnen, wenn Sie ehrlich sind“, murmelte er und nahm ihre Hand. „Lassen Sie uns gehen.“

Daniel zog sie in einen riesigen Raum voller elegant gekleideter Partygäste. Am anderen Ende des Saals spielte eine Kapelle. Der stilvoll eingerichtete Raum war mit Spiegeln und Kerzen dekoriert. An einer Seite standen Tische mit köstlichen kleinen Kanapees und Pastetchen. Kellner liefen mit silbernen Tabletts durch die Menge und boten Champagner an.

Erin erinnerte sich an die Feste, zu denen sie ihren Vater begleitet hatte. Nach der Begrüßung der Ehrengäste hatte sie verschwinden müssen. „Ich kann mich zurückziehen, während Sie Ihren notwendigen Rundgang machen, Sir“, bot sie an und nahm ihre Hand aus seiner.

Er blickte sie fragend an. „Warum?“

„Weil ich sicher bin, dass Sie mit einigen der Gäste sprechen müssen, Sir.“

„Gibt es einen Grund, warum Sie nicht auch mit ihnen sprechen können?“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Nein, Sir. Ich dachte, meine Aufgabe an diesem Abend sei es, als Ihre Begleiterin aufzutreten und mich so weit wie möglich im Hintergrund zu halten.“

„Nein“, widersprach er. „Ihre Aufgabe ist es, mir den Abend erträglich zu machen, und dazu gehört vor allem, dass Sie das ‚Sir‘ weglassen. Wenn das irgendjemand hört, wird er nur neugierig. Besser, Sie tun so, als würden Sie mich mögen.“

Nervös verflocht sie die Finger ineinander. „Wenn ich fragen darf, Si…“ Sie brach ab. „Wie soll ich Ihnen den Abend erträglich machen? Und wie soll ich vorgeben, Sie zu mögen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ich das wüsste. Da kommt mein Bruder Brad.

Sie können bei ihm üben.“

Brad schlug ihm auf die Schultern. „Schön, dass du gekommen bist.“

„Wo sind die Presseleute?“, fragte Daniel und ließ seinen Blick über die Menge schweifen.

„Hier schwirren einige Journalisten herum, aber sie tragen besondere Namensschilder und eine rote Rose. Sie sind also leicht zu erkennen.“

„Sehr clever. Brad, darf ich dir Erin Lawrence vorstellen? Erin, das ist mein Bruder Brad. Er ist der Chef der PR-Abteilung bei Connelly Corporation. Seinetwegen bin ich heute Abend hier.“

Daniel beobachtete, wie sein Bruder, der große Frauenheld, Erin bewundernd anblickte, und sein Beschützerinstinkt erwachte.

Brad nahm Erins Hand und hob sie an seine Lippen „Enchanté, mademoiselle.“

Merci beaucoup, Ho…“ Ihre Augen weiteten sich entsetzt, als sie Daniel anblickte. „Tut mir leid, Si…“ Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Es ist mir so herausgerutscht.“

„Jahrelange Erziehung“, meinte Daniel trocken.

„Ich habe nichts dagegen, Hoheit genannt zu werden“, sagte Brad ruhig. „Vor allem nicht von einer so reizenden jungen Dame.“

Daniel verspürte leichte Verärgerung. „Entschuldigen Sie uns für einen Moment“, sagte er zu Erin und entfernte sich ein paar Schritte mit seinem Bruder. „Hör auf, sie anzubaggern. Sie ist jung.“

„Nicht zu jung“, entgegnete Brad. „Ihr Akzent ist sehr sexy, und diese Figur …“

„Sie ist erst zweiundzwanzig, und sie hat ihr Leben in Internaten verbracht. Sie hätte genauso gut in einem Kloster aufwachsen können.“

Brad hob die dunklen Augenbrauen. „Wen willst du eigentlich überzeugen? Mich oder dich?“

Mich, dachte Daniel. Das Letzte, was er im Moment gebrauchen konnte, war, dass er sich sexuell zu seiner spröden Beraterin hingezogen fühlte, aber verdammt, er konnte nichts dagegen tun. „Wie geht es Mom?“, fragte er. Er wusste, dass seine Mutter noch mit dem gleichzeitigen Verlust von Vater und Bruder zu kämpfen hatte.

Brad machte ein ernstes Gesicht. „Nach außen ist sie völlig gefasst. Aber wenn man ihr länger in die Augen sieht, weiß man, wie sehr sie leidet.“

Daniel blickte sich in dem Saal um und entdeckte seine Eltern. „Dad ist an ihrer Seite.“

„Er lässt sie keine Sekunde allein.“

„Das hilft ihr sicherlich.“

„Dass du die Thronfolge antrittst, hilft ihr auch“, fügte Brad ruhig hinzu.

Daniel wünschte, es wäre schon soweit, doch er wusste, dass der Übergang in sein neues Leben Zeit brauchte. „Dreh jetzt deine Runde“, sagte er.

„Danke, dass du gekommen bist. Ich weiß, dass es eine merkwürdige Zeit für dich ist. Wenn du clever bist, dann tröstest du dich mit Erin Lawrence.“

„Eher erlebt Chicago im Januar eine Hitzewelle, als ich von dir einen Rat in Sachen Liebe annehme.“

„Ich finde sie ziemlich heiß“, gab Brad zurück und verschwand dann schnell in der Menge, um Daniels wütender Antwort zu entgehen.

Seufzend kehrte Daniel zu Erin zurück. „Ich sehe gerade meine Eltern. Kommen Sie, wir wollen sie begrüßen.“

Erin legte sich erschrocken die Hand an den Hals. „Ihre Mutter? Die Prinzessin?“

„Meine Mutter, Emma Rosemere Connelly“, sagte er, obwohl er diese Reaktion gewohnt war. Emma übte eine fast mystische Faszination auf die Menschen aus. „Denken Sie daran, den Titel wegzulassen“, fügte er noch hinzu, als er Erin durch die Menge führte.

Seine Mutter trug ein schwarzes Abendkleid. Die meisten Gäste bewunderten sicherlich ihre Schönheit und Eleganz und sahen nicht den Schmerz in ihren Augen, doch Daniel entging er nicht. Er küsste seine Mutter auf die Wangen. „Du siehst toll aus.“

Emma lächelte. „Ich werde dich vermissen“, sagte sie und blickte dann zu Erin. „Ah, Sie müssen die Frau sein, die meinem Sohn höfische Etikette beibringen soll. Erin Lawrence. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

Daniel merkte, dass Erin einen Hofknicks machen wollte. Schnell legte er die Hand um ihre Taille, um sie daran zu hindern.

Erin warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Ho…“ Sie verstummte und lächelte. „Mrs. Connelly. In dem Internat, das ich besucht habe, werden Sie sehr verehrt.“

„Das war nicht immer so.“ Emma lächelte bei der Erinnerung daran. „Damals sind die Lehrer an meinem mangelnden Interesse für diesen langweiligen Benimmunterricht fast verzweifelt. Erstaunlich, was Zeit und Distanz bewirken können. Darf ich Ihnen meinen Mann Grant vorstellen?“

Daniels Vater begrüßte Erin. Er schüttelte den Kopf. „Sie sind sehr jung für so einen herausfordernden Job“, sagte er und blickte demonstrativ auf Daniel.

„Das habe ich auch gerade gedacht“, sagte Emma. „So jung und ganz allein in einem fremden Land. Da kann man sich ganz schön einsam fühlen. Sie müssen in den nächsten Tagen unbedingt zum Dinner zu uns kommen.“

„Vielen Dank“, sagte Erin. Sie schien ziemlich perplex, als Daniel sie fortführte.

Er nahm zwei Gläser Champagner und gab Erin eins. „Trinken Sie etwas. Als Tochter eines Außenministers müssen Sie doch viele bekannte Menschen kennengelernt haben.“

Sie trank einen Schluck, dann noch einen. „Das habe ich. Aber Ihre Familie ist so freundlich. Ihre Mutter, Ihr Vater, Ihr Bruder, sie alle lieben Sie, und umgekehrt genauso. Wie können Sie es ertragen, Ihre Familie zu verlassen und nach Altaria zu gehen?“

Daniel sah weg. Unwissentlich hatte sie einen Punkt angesprochen, den er für sich behalten hatte. Das Schwierigste an der Entscheidung für oder gegen die Thronfolge war, dass er sich von den Menschen trennen musste, denen er bedingungslos vertraute, und an einen Ort ziehen musste, wo es vielleicht niemanden gab, dem er vertrauen konnte. Er begegnete ihrem Blick.

„Ich glaube, ich habe mich dafür entschieden, weil unser Familienzusammenhalt sehr stark ist. Und daran können auch Titel, Ozeane oder sonst etwas nichts ändern.“

Erin bekam feuchte Augen, und sie senkte den Blick.

Er fragte sich, was ihr durch den Kopf gehen mochte. „Sprechen Sie es laut aus.“

Überrascht blickte sie zu ihm auf. „Wie bitte?“

„Sagen Sie mir, was Sie gerade denken.“

„Ich versuche, mir vorzustellen, wie es wäre, eine Familie wie Ihre zu haben. Eine Familie, in der so ein liebevoller Umgang herrscht.“

„Ist das bei Ihnen und Ihrem Vater nicht so?“

Er sah in ihre Augen und entdeckte dort eine Einsamkeit, die ihn schockierte.

Als fürchtete sie, er könnte zu viel sehen, blickte sie schnell weg. „Doch, natürlich“, murmelte sie, doch die Antwort kam zu spät und zu wenig überzeugend.

Daniel beschloss, später darüber nachzudenken. Wenn er mal nicht an die anderen dreihundert Dinge dachte, die auf seiner To-do-Liste standen. Er trank sein Glas leer und blickte auf ihren gesenkten Kopf. „Sie versagen in Ihrem Job.“

Ihr Kopf schnellte hoch. „Wie bitte?“

„Sie sollen mir diesen Ball eigentlich erträglich machen.“

„Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das anstellen soll“, erwiderte sie und trank einen Schluck von ihrem Champagner. „Was machen Sie normalerweise auf Veranstaltungen dieser Art?“

„Ich suche nach einer Möglichkeit, ganz schnell wieder von hier zu verschwinden“, sagte er. „Und Sie?“

Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. „Ich mache mir immer einen Spaß daraus zu erraten, was in den Appetizern enthalten ist. Manchmal tanze ich auch Walzer.“

„Gehen wir ans kalte Büfett. Ich bin kein großer Walzertänzer.“

„Sie müssen aber Walzer tanzen“, sagte sie streng. „Sie werden bei vielen Gelegenheiten den Tanz eröffnen müssen.“

„Dann werde ich wohl einen offiziellen Vortänzer einstellen müssen“, scherzte er und lachte über ihren entsetzten Blick.

Sie kamen ans Büfett, und Daniel wählte einen Appetizer. Er führte das Häppchen an seinen Mund, doch Erin hielt ihn davon ab.

„Sie müssen raten, bevor Sie essen“, erklärte sie.

„Ich dachte, danach.“

„Das wäre zu einfach. Es sei denn, das Essen ist sehr schlecht.“ Sie blickte auf den kleinen Leckerbissen. „Ich vermute, Krabben und Pilze.“

„Das glaube ich auch.“

Sie sah ihn an und seufzte. „Eigentlich müssen Sie etwas anderes sagen. Aber egal.“

„Mal sehen, ob Sie recht haben.“ Daniel hielt ihr den Happen vor den Mund.

Überrascht riss sie die Augen auf, doch sie öffnete die Lippen. Daniel beobachtete, wie sie das Häppchen auf die Zunge nahm, und verspürte eine leichte Erregung. Ihr Versuch, immer perfekt zu sein, hatte etwas an sich, was ihn unglaublich reizte. Am liebsten hätte er Erins strenge Frisur gelöst, sie zum Lachen gebracht und so lange und ausgiebig geküsst, bis ihr Lippenstift ganz verschmiert war.

Doch er durfte nicht vergessen, dass sie erst zweiundzwanzig war. Zwölf Jahre jünger als er.

Sie schluckte und leckte sich die Lippen.

Wieder wurde Daniel ganz heiß. Bei dem Anblick ihrer rosaroten Zunge schossen ihm ein Dutzend verbotene Bilder durch den Kopf.

„Definitiv Krabben und Pilze“, sagte sie. „Ich wähle das Nächste aus.“ Sie ließ ihren Blick schweifen und deutete auf den Dessertwagen. „Jetzt müssen Sie raten.“

„Das ist einfach. Das ist ein Blätterteigteilchen“, sagte Daniel.

„Aber womit ist das Teilchen gefüllt?“

Daniel nahm eines der Gebäckstücke und betrachtete es eingehend. „Es erinnert mich an Sie. Bei Ihnen weiß ich auch nicht, was sich in Ihrem Inneren verbirgt.“ Manchmal erinnerte sie ihn an ein hilfloses kleines Mädchen. Dann wieder wollte er ihr die Kleidung vom Körper reißen und sie kennenlernen, wie ein Mann eine Frau nur kennenlernen konnte.

Verlegen wandte sie sich ab. „Ich bin nicht so kompliziert“, murmelte sie und sah ihn wieder an. „Also, was raten Sie?“

„Sahnekaramell“, sagte er und hielt das Teilchen an ihre Lippen. Er hatte keine Zeit, sich Gedanken über diese Frau zu machen. Neugierig zu sein. Doch er war es.

Sie öffnete den Mund und aß das Dessert. „Woher wussten Sie, dass es Karamell ist?“

„Insider-Information. Mein Vater liebt Karamell. Und das weiß der Küchenchef und plant das Dessert entsprechend.“

„Was mögen Sie am liebsten?“

„Ich liebe die Abwechslung.“ Daniel nahm ihre Hand. „Ich sehe jemanden mit einer Rose. Lassen Sie uns in den Nebenraum gehen.“

Daniel führte sie in einen kleinen, schummrigen Raum und schloss die Tür hinter sich. Die einzige Beleuchtung waren die Lichter der Stadt, die durch die großen Fenster einfielen. Aus Deckenlautsprechern erklang die Musik des Orchesters.

Abgesehen von der Musik hörte Erin nur das Pochen ihres Herzens. Jetzt war sie allein mit Daniel Connelly. Sie war nicht das erste Mal mit ihm allein, doch die gebotene Förmlichkeit hatte sie geschützt. Heute Abend aber hatte Daniel darauf bestanden, auf die Förmlichkeit zu verzichten, und er hatte sie eher wie eine Freundin und nicht wie eine Angestellte behandelt. Wie eine Frau und nicht wie seine Beraterin in Sachen höfisches Protokoll.

Sie hatte die Zärtlichkeit erlebt, die er seiner Mutter entgegenbrachte, und war gerührt gewesen. Und sie hatte gesehen, wie kameradschaftlich und respektvoll die Brüder miteinander umgingen. So eine Familie hatte sie sich immer gewünscht, doch nie gehabt.

Ihre Aufgabe war es, Daniel davon abzubringen, die Thronfolge anzutreten, weil er nicht der Richtige für Altaria war. Doch je näher sie ihn kennenlernte, desto unsicherer wurde sie.

Sie spürte seinen Blick und konnte kaum noch atmen.

Die ersten Takte eines bekannten Walzers drangen an ihr Ohr, und sie hatte eine Idee. „Das ist ein Walzer“, sagte sie. „Ich kann Ihnen beibringen, wie man Walzer tanzt. Sie müssen ihn tanzen können, wenn Sie erst einmal in den Palast eingezogen sind.“ Sofort biss sie sich auf die Lippen und nahm Tanzhaltung ein.

„Sie wollen mir den Walzer beibringen?“ Er ergriff ihre Hand und legte die andere an ihre Taille.

Seine Nähe nahm ihr wieder den Atem. War dieser Tanz wirklich eine gute Idee gewesen? Sie räusperte sich und richtete ihren Blick auf seine linke Schulter.

„Ja. Der Walzer wird im Dreivierteltakt getanzt. Einszwei-drei, eins-zwei-drei.“ Dank jahrelangen Trainings bewegten sich ihre Füße automatisch. Sie zählte immer weiter, und Daniel folgte ihr langsam. Bevor sie jedoch wusste, wie ihr geschah, hatte er schon die Führung übernommen.

Erin sah ihn argwöhnisch an. „Ich dachte, Sie können nicht Walzer tanzen.“

„Das habe ich nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, dass ich kein großer Walzertänzer bin. Glauben Sie wirklich, Emma Rosemere Connelly hätte ihrem ältesten Sohn erlaubt, die Tanzstunden zu schwänzen, nur weil er lieber Fußball spielen wollte?“

Sie stellte sich vor, wie Daniel als Teenager heftig gegen die Tanzstunden protestierte, und musste lächeln. „Nein, sicher nicht. Aber Sie tanzen wirklich gut für jemanden, der nicht gern tanzt.“

Die Musik wurde langsamer und so auch Daniel. Die unverhohlene Sinnlichkeit in seinem Gesichtsausdruck ließ ihr Herz schneller schlagen. Er legte seine Stirn an ihre und flüsterte: „Vielleicht brauchte ich nur eine andere Tanzpartnerin.“

3. KAPITEL

„Ich weiß, dass noch einiges getan werden muss, bis die Amtsübernahme über die Bühne gehen kann, und ich bin bereit weiterzumachen“, sagte Daniel drei Tage später zu seinem Bruder, als er eine weitere Marketingidee für Connelly Corporation notierte.

„Wie meinst du das?“, fragte Brad.

Daniel konnte nicht länger ruhig sitzen. Ungeduldig sprang er auf. Er war es leid, sich zwischen zwei Welten zu bewegen. „So langsam verliere ich die Geduld. Wenn alles nach meinem Willen ginge, dann wäre ich bereits in Altaria. Ich bekomme die gewünschten Informationen von Erins Vater, dem Außenminister, immer noch nicht so schnell, wie ich sie gern hätte. Es ist fast so, als würde mir jemand Steine in den Weg legen, um mich zu bremsen.“

Brad warf ihm einen neugierigen Blick zu. „Du weißt, dass du nicht alles innerhalb eines Tages ändern kannst.“

„Natürlich weiß ich das. Aber solange ich die Informationen nicht bekomme, kann ich gar nichts tun. Ich sage dir das, weil ich meine Zeit bei Connelly einschränken werde. Ich werde es meiner Assistentin irgendwann nächste Woche mitteilen.“

Brad nickte. „Du weißt, dass deine Thronbesteigung sofort in den Nachrichten erscheinen wird.“

Daniel holte tief Luft. Er war sich bewusst, dass sich sein Leben von Grund auf ändern würde, sobald die Presse herausfand, dass er die Thronfolge antrat. „Das gehört zum Job. Ebenso wie dieses höfische Protokoll, das Miss Perfekt Erin mir beibringen will.“

Genau in diesem Moment erschien Miss Perfekt hinter seinem Bruder.

Daniel sah ihren verletzten Gesichtsausdruck und unterdrückte einen Fluch. Er sollte seinen Frust nicht an ihr auslassen, aber verdammt, die Frau hatte ihn nach dem Ball so oft mit „Hoheit“ und „Sir“ angeredet, dass er ganz verrückt wurde.

„Wir machen später hiermit weiter“, sagte Daniel zu Brad.

Verwirrt sah Brad ihn an. „Aber …“

„Hallo, Erin“, sagte Daniel bedeutungsvoll und merkte, dass sein Bruder endlich begriff.

„Oh.“ Brad nickte. „Später. Halt mich auf dem Laufenden. Hi, Erin.“ Er ging zur Tür.

„Hallo“, murmelte sie.

„Hoheit“, sagte sie kühl zu Daniel.„Mit Verlaub, aber vielleicht haben Sie vergessen, dass wir uns vor dem Lunch für eine Stunde treffen wollten.“

„Ich habe es tatsächlich vergessen“, gestand er und schloss die Tür hinter ihr. „Und ich habe Sie verletzt. Tut mir leid.“

Sie winkte ab. „O nein, Sir. Es ist mein Job, ein bestmögliches Vorbild zu sein, und natürlich ist es Ihr Recht, Ihre Meinung zu äußern. Ich bedaure außerordentlich, dass ich es bisher nicht geschafft habe, Ihnen die Wichtigkeit von Traditionen und höfischer Etikette zu vermitteln.“

Ihre knappe Sprechweise traf sein Gewissen wie ein Dolchstoß. Schuldbewusst rieb Daniel sich das Gesicht. „Sie haben recht. Mir ist die Tradition nicht so wichtig wie Ihnen. Aber das gibt mir noch lange nicht das Recht, Ihre Gefühle zu verletzen.“

Ihre Augen weiteten sich. „Nein, Sir, Sie haben meine Gefühle nicht …“

„Natürlich habe ich das“, unterbrach er sie. „Und das ärgert mich. Wir müssen Waffenstillstand schließen.“

„Waffenstillstand, Sir?“

„Wir kommen nicht weiter, wenn Sie an Ihren Prinzipien festhalten und ich an meinen. Ich werde versuchen zu verstehen, warum dieses königliche Protokoll so wichtig für Sie ist, wenn Sie daran arbeiten, einen Weg zu finden, wie ich einen Teil meiner Welt nach Altaria bringen kann.“

Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. „Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen, Sir.“

Daniel warf frustriert seinen Stift auf den Schreibtisch. „Ich meine, dass ich versuchen werde, die Dinge aus Ihrer Sicht zu sehen, und Sie werden die Dinge von meinem Standpunkt aus betrachten.“

Erin runzelte die Stirn. „Wie soll das funktionieren, Sir? Ich weiß viel zu wenig über Ihr Leben.“

Daniel fragte sich, ob er sich nur deshalb über ihr ständiges „Sir“ ärgerte, weil es ihn daran erinnerte, dass er zwölf Jahre älter war als sie. „Sie werden mehr Zeit mit mir verbringen müssen. Außerdem kein ‚Sir‘ und ‚Hoheit‘ mehr; es sei denn, wir diskutieren gezielt das königliche Protokoll.“

Sie hob das Kinn. „Entschuldigen Sie, Sir, aber es ist absolut korrekt, wenn ich Sie mit ‚Hoheit‘ anspreche.“

„Das mag sein, aber es geht mir total auf die Nerven.“

„Tut mir leid, aber jeder in Altaria wird Sie so anreden.“

„Es sei denn, ich befehle ihnen, mich anders anzusprechen.

Richtig?“

„Ja, Sir.“

„Dann befehle ich Ihnen, das ‚Sir‘ wegzulassen. Nennen Sie mich einfach Daniel.“

„Wenn Sie darauf bestehen, Si…“

„Daniel!“

„Ja, Daniel.“

„Danke, Erin. Morgen ist Samstag. Ich hole Sie gegen elf Uhr ab. Ziehen Sie Jeans an.“

Erin blinzelte. „Ich besitze keine Jeans. Auf den Schulen, die ich besucht habe, waren sie nicht erlaubt, und mein Vater billigt sie auch nicht.“

„Nun, Sie sind nicht mehr auf der Schule, und Ihr Vater ist weit weg“, sagte Daniel. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, obwohl er mehr als einen Grund hatte, ärgerlich auf Erins Vater zu sein. „Für unseren Ausflug morgen brauchen Sie unbedingt legere Kleidung. Das Einzige, was ich an Ihnen bisher an Freizeitkleidung gesehen habe, war mein Jogginganzug. Kaufen Sie sich Jeans und was Sie sonst noch benötigen, und lassen Sie die Rechnung an mich schicken.“

Sie nickte widerstrebend. „Und wann setzen wir unseren Unterricht fort?“, fragte sie.

„Nach unserem Ausflug.“ Und dann sind wir quitt, dachte er. Erin würde der Ausflug vermutlich genauso wenig gefallen wie ihm der Benimmunterricht.

Am nächsten Morgen fuhr Daniel mit seinem Geländewagen vor Erins Hotel vor. Er öffnete gerade die Fahrertür, als er sie schon durch die Drehtür kommen sah. Sie trug Jeans, einen kuscheligen Pullover und einen flotten Mantel. Ihre Haare fielen in seidigen Wellen auf ihre Schultern.

„Guten Morgen, Daniel.“

„Guten Morgen, Erin.“ Er half ihr in den Wagen und stieg dann selbst ein. „Sie sehen gut aus“, sagte er, als er sich in den Verkehr einreihte.

Ungläubig zog sie eine Augenbraue hoch. „Mein Vater würde mich wahrscheinlich enterben, wenn er mich so sähe.“

„Ist Ihr Vater so konservativ, oder hat er Angst vor den Männern, die sich um Sie reißen könnten?“

„Um mich?“

„Ja, wenn Sie die Haare immer offen tragen und nicht versuchen würden, immer perfekt sein zu müssen, dann könnten Sie sich vor Verehrern wahrscheinlich nicht mehr retten.“

Erin schwieg für einen Moment. „Das Problem hat sich bisher nicht ergeben. Außerdem weiß mein Vater genau, dass ich nicht perfekt bin. Sie haben mir erzählt, dass Sie und Ihr Bruder nicht nur Freunde, sondern auch Rivalen waren. Da müssten Sie doch eigentlich dieses Streben nach Perfektion verstehen.“

„Mein Vater hat uns den Unterschied zwischen Streben nach Perfektion und sein Bestes zu geben gelehrt. Sein Bestes zu geben bedeutet, dass man erkennt, dass man seinen Teil dazu beitragen kann, so gut wie möglich zu sein. Nach Perfektion zu streben lässt einen Menschen unleidlich werden.“

Erin sah Daniel an und unterdrückte einen Seufzer. Sie wünschte, sie würde ihn nicht mögen. Wie viel einfacher wäre ihr Job dann. Doch wenn er über Perfektion philosophierte und etwas sagte, was zwar alles infrage stellte, was ihr Vater sie gelehrt hatte, aber irgendwie ihr Herz berührte, dann schaffte sie es nicht, ihn nicht zu mögen. „Sie haben Glück, dass Sie Eltern wie Ihre haben.“

„Das haben Sie schon einmal gesagt. Wie ist Ihre Mutter?“

Erin verflocht die Finger ineinander. „Sie starb, als ich noch ganz klein war. Da mein Vater beruflich sehr angespannt war, habe ich die meiste Zeit meines Lebens in Internaten verbracht.“

Daniel schwieg einen langen Moment. „Das muss hart gewesen sein.“

Erin wollte nicht, dass er Mitleid mit ihr hatte. „Eigentlich kann ich mich glücklich schätzen. Ich habe die bestmögliche Erziehung und Ausbildung genossen.“

Daniel nickte, doch er schien nicht überzeugt. Er bog in eine schmale Gasse ein und hielt hinter einem alten Gebäude an.

„Wo sind wir …“

Sie sprach nicht weiter, als er ihre Hände nahm und ihr tief in die Augen blickte. „Nur weil Sie nicht die Unterstützung innerhalb der Familie bekommen haben wie ich, bedeutet das nicht, dass Sie sie nicht verdient gehabt hätten.“

Kräftiger Griff, sanfte Worte. Ihr wurde warm ums Herz. Als hätte er gewusst, wonach sie sich sehnte. Nein, das kann nicht sein, sagte sie sich. Das war unmöglich.

„He! Daniel!“, rief ein Mann und unterbrach damit den kurzen magischen Moment, in dem Erin sich Daniel sehr nah gefühlt hatte. „Mach den Kofferraum auf.“

Erin sah Daniel verwirrt an. „Den Kofferraum. Was machen wir hier?“

„Wir sind bei einer kirchlichen Suppenküche. Ich bekomme Spenden von einigen der hiesigen Restaurants, hole samstagmorgens Sandwiches, und dann versorgen wir diejenigen Menschen, die eine Mahlzeit brauchen.“

Erstaunt blickte Erin die Männer an, die Daniels Wagen entluden. „Das machen Sie jeden Samstag?“

„Seit vier Jahren.“ Er stieg aus und lief um den Wagen herum, um ihr die Tür zu öffnen. Hilfreich bot er ihr seine Hand. „Sie scheinen überrascht zu sein.“

Erin nahm seine Hand und sprang aus dem Wagen. „Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber das ganz bestimmt nicht.“ Ihre Blicke trafen sich.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin ein Mann der Tat.“

Erin verspürte ein Ziehen in der Magengegend. Ihr Vater würde diese Information nicht gerade mit Begeisterung aufnehmen. Sie zog die Hand zurück. „Wie kann ich helfen?“

„Sie können zusehen. Sie müssen nichts tun.“ Er ging an den Kofferraum und nahm ein großes Tablett mit Sandwiches heraus.

Erin folgte ihm. „Ich möchte aber helfen.“

Abschätzend sah er sie an. „Okay, aber Sie müssen wissen, dass Sie hier die unterschiedlichsten Menschen sehen werden. College-Absolventen, wohnungslose Familien, Alkoholiker, aber bestimmt keine Adligen.“

Beleidigt runzelte sie die Stirn. „Ich bin doch kein Snob.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Wie konnte ich mich so täuschen.“

„Was die Regeln des Protokolls betrifft, bin ich vielleicht etwas streng, aber ich bin kein Snob.“

Er nickte, obwohl er nicht ganz überzeugt schien. „Okay. Wenn Sie helfen wollen, dann stelle ich Sie dem Leiter der Suppenküche vor. Joe!“, rief er laut, als er einen großen Raum betrat, der mit Tischen vollgestellt war, auf denen weiße Papierdecken lagen.

Erin folgte Daniel. Ihr Blick fiel auf seine langen Beine und den knackigen Po in den engen Jeans. Sie blinzelte. Um Gottes willen. Schon wieder gab sie sich Fantasien hin, die absolut nicht angebracht waren. Das Blut stieg ihr vor Entsetzen und Verlegenheit in die Wangen.

Ein hünenhafter Mann mit einem struppigen Bart und freundlichen Augen näherte sich ihnen. Er schlug Daniel auf den Rücken. „Schön, dich zu sehen.“

„Hallo, Joe.“ Daniel deutete mit dem Kopf auf Erin, während er das riesige Tablett auf einem langen Tisch abstellte. „Ich habe jemanden mitgebracht. Darf ich bekannt machen? Joe Graham, Erin Lawrence. Sie möchte gern helfen.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Graham.“

Joe strahlte. „Mich auch. Nennen Sie mich bitte Joe. Einen hübschen Akzent haben Sie. Er wird den Leuten hier auch gefallen. Sie müssen nicht helfen. Reden Sie einfach die nächsten zwei Stunden.“

Daniel stöhnte.

„Wie bitte?“, fragte Erin verwirrt.

„Joe mag Ihren Akzent. Amerikanische Männer mögen ganz allgemein diesen Akzent. Er klingt sexy.“

Erin schnappte nach Luft und schüttelte den Kopf. „Mein Akzent ist ganz und gar nicht sexy.“ Sie senkte die Stimme. „An mir ist überhaupt nichts sexy“, sagte sie mehr zu sich als zu ihm. Sie durfte einfach nicht vergessen, dass Daniel ihr Lichtjahre voraus war, was die sexuellen Erfahrungen betraf.

Daniel sah sie durchdringend an. „Wer hat denn das behauptet?“

Erin hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl im Magen. „Nun, eigentlich niemand. Aber es hat auch niemand das Gegenteil gesagt.“

„Hmm.“ Keine Antwort, nur ein Geräusch, das aber viele Fragen aufwarf.

Die Antworten darauf bekam sie nicht, denn ihr wurde eine Arbeit zugeteilt. Sie füllte Schüsseln mit heißer Suppe, während andere Helfer Teller mit Sandwiches und heißen Kaffee ausgaben.

Daniel hatte recht gehabt, dass die unterschiedlichsten Typen zu einer Mahlzeit in die Suppenküche kamen. Bei ihren Gesprächen stellte Erin fest, dass Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und die verschiedensten Berufe vertreten waren. Es machte ihr Spaß, sich mit den Leuten zu unterhalten, und sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so nützlich und geschätzt gefühlt zu haben.

Gerade als die Schlange an der Essensausgabe kürzer wurde, stieß Joe einen glücklichen Aufschrei aus. „Ein Kamerateam vom Fernsehen kommt die Treppe hinunter. Alle bitte freundlich lächeln.“

Sofort war Daniel an Erins Seite. „Los, weg hier. Ich möchte nicht erkannt werden, und ich will auch nicht, dass die Reporter Sie auf Schritt und Tritt verfolgen“, flüsterte er in ihr Ohr. Die Tür, durch die sie gekommen waren, war blockiert von Menschen, die auf einen Platz warteten. Daniel ergriff sie am Arm. „Kommen Sie“, sagte er und führte Erin durch einen schmalen Gang mit drei Türen. Die ersten beiden waren verschlossen. Die dritte schließlich ging auf.

„Bingo“, sagte er und runzelte die Stirn, als er einen Blick durch die Tür warf. „Das muss reichen. Wir werden nicht lange warten müssen.“

„Wo sollen wir warten?“ Irgendwie gefiel ihr sein Gesichtsausdruck nicht.

„In diesem Schrank.“

4. KAPITEL

„Warum um alles in der Welt müssen wir uns im Schrank verstecken?“, fragte Erin.

„He, Daniel!“, rief eine Stimme aus dem Hauptraum. „Wo ist Daniel?“

„Deshalb.“ Daniel schob sie in den Schrank und zog schnell die Tür zu. Es war stockdunkel. Weitere Rufe nach Daniel hallten durch den Gang.

Erin spürte, wie er den Arm um ihre Taille legte.

Er legte ihr sanft die Hand auf den Mund. „Seien Sie die nächsten Minuten ganz still“, flüsterte er.

Auf behutsame Weise zeigte Daniel ihr, dass sie keine Angst haben musste allein mit ihm im Dunkeln. Als hätte er geahnt, dass ihr die Situation unangenehm sein könnte. Wieder ein Punkt für ihn.

Schweigend harrte Erin aus und atmete seinen männlichen Duft ein. Daniels Stärke und Ruhe gaben ihr Sicherheit. Gleichzeitig aber war sie total angespannt, weil er so dicht bei ihr stand, dass sich ihre Oberkörper berührten. Erin hörte kaum die Schritte im Gang, so laut pochte ihr Herz.

„Ich glaube, sie sind weg, aber wir sollten noch ein paar Minuten warten, bevor wir das Gebäude verlassen“, sagte er schließlich leise, als eine Tür am anderen Ende des Ganges ins Schloss fiel. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“

Sie nickte. „Ja“, flüsterte sie. Nur widerstrebend brach sie den merkwürdigen Zauber.

„Nachdem ich Sie in diesen Schrank gezogen hatte, kam mir der Gedanke, dass Sie vielleicht Platzangst haben könnten. Aber da war es schon zu spät.“

Er sprach mit leiser, erotischer Stimme. Genauso klang seine Stimme vielleicht im Bett beim Sex. Bei dem Gedanken wurde Erin heiß. Sie holte Luft. „Schon als Kind habe ich enge Räume gemocht“, gestand sie. „Irgendwie gaben sie mir ein Gefühl der Sicherheit.“

Sie spürte, wie er mit den Fingern durch ihr Haar glitt. „Manchmal, wenn ich Sie ansehe, frage ich mich, wie Sie als kleines Mädchen gewesen sind.“

Erin verspürte bei der Bemerkung leichtes Unbehagen. Obwohl ihre Kindheit nicht unglücklich gewesen war, hatte sie sich immer nach Wärme und Nähe gesehnt. Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals.

„Wollten Sie als Kind auch schon immer perfekt sein?“

Die Dunkelheit machte es ihr leichter zu reden. „Ich habe es versucht, aber natürlich war ich es nicht. Ich habe immer geglaubt, wenn ich perfekt bin, dann würde mich jemand …“ Die Worte blieben ihr im Hals stecken.

„Jemand würde was?“

„Jemand würde mich bei sich haben wollen, und ich müsste nicht mehr allein sein“, sagte sie leise. Eine Träne lief ihr über die Wange. Entsetzt über diese Gefühlsduselei blinzelte sie die Tränen weg und dankte den Sternen, dass Daniel sie nicht sehen konnte. Sie versuchte, einen Schritt zurückzuweichen, doch er hielt sie fest.

Wieder hob er die Hand an ihre Haare, und sie hielt den Atem an aus Angst, er könnte ihre feuchte Wange bemerken. Noch nie hatte sie sich jemandem so ausgeliefert gefühlt. Er strich über ihre Wange und hielt plötzlich inne.

Sie hörte und spürte, dass er nach Luft schnappte. Dann legte er die Finger an ihre Lippen und ihr Kinn und senkte den Kopf, bis sein Mund ihren streifte. Es war eine zärtliche Berührung, beruhigend und eindringlich.

Alles an diesem liebevollen Kuss zeigte ihr, dass sie nicht einsam sein musste. Zumindest in diesem Moment war es in Ordnung, nicht vollkommen zu sein.

Er strich mit den Lippen über ihre, und die Luft um sie herum schien plötzlich wie elektrisiert. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während er weiter ihre Lippen mit seinen erkundete. Leise seufzend verlagerte er sein Gewicht und zog Erin an sich.

Wie von selbst legte sie die Arme um seinen Hals und presste ihre Brüste gegen seinen muskulösen Oberkörper. Er schob die Hand unter ihren Pullover, und sie spürte seine warmen Finger auf ihrer Haut direkt über ihren Jeans. Ihr stockte der Atem.

„Welcher Dummkopf hat dir gesagt, dass du nicht perfekt bist?“, murmelte er gegen ihre Lippen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, küsste er sie begierig und mit einer Leidenschaft, die sich auch in den Bewegungen seiner Lenden ausdrückte.

Wie benommen löste sie sich von ihm und schnappte nach Luft. Es dauerte einen Moment, bis ihr Gehirn so weit mit Sauerstoff versorgt war, dass ihr bewusst wurde, dass sie gerade Seine Hoheit geküsst hatte. Panik ergriff sie. Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Oh Gott, was habe ich getan?“

„Auf jeden Fall hast du es verdammt gut gemacht“, entgegnete er.

Erin biss sich auf die Lippen und dankte dem Himmel für die Dunkelheit, da sie wahrscheinlich bis zu den Zehenspitzen knallrot geworden war. Sie räusperte sich und wich so weit zurück, wie es in dem engen Schrank möglich war. Sofort überkam sie wieder das Gefühl des Alleinseins. „Meinen Sie … meinst du, wir könnten vergessen, was wir gerade getan haben?“

Schweigen.

„Nein“, sagte Daniel schließlich mit belegter Stimme.

Erin unterdrückte ein Stöhnen. „Könnten wir dann wenigstens so tun, als wäre nichts passiert?“

Er neigte sich vor, und sie spürte seine Hand an ihren Haaren. „Nein.“

Ihr Atem stockte, ihre Brust schnürte sich zusammen. „Was sollen wir dann tun? Ich habe gerade den zukünftigen Fürsten von Altaria geküsst.“ Ihre Bestürzung darüber war nicht zu überhören.

„Das ist eine mögliche Sichtweise.“ Seine Stimme klang ruhig und sexy zugleich.

„Und die andere?“

„Du hast mich geküsst – Daniel Connelly. Und ich habe dich geküsst“, sagte er. „Aber das nächste Mal wird es nicht im Dunkeln geschehen.“

Nachdem Erin und Daniel dem Fernsehteam erfolgreich aus dem Weg gegangen und in seine Wohnung zurückgekehrt waren, hielt er sich an die Abmachung und ließ den Benimmunterricht über sich ergehen.

Es fiel ihm schwer, denn ihr Mund lenkte ihn immer wieder ab. Wenn sie sprach, dachte er daran, wie ihre Lippen geschmeckt und sich angefühlt hatten. Sobald sie den Mund bewegte, dachte er an all die Dinge, die er mit ihr tun wollte.

Er begegnete ihrem Blick und merkte, dass sie ihn ungeduldig anstarrte. „Soll ich wiederholen, was ich gerade gesagt habe, Sir?“

Bloß nicht, dachte Daniel und schüttelte den Kopf. „Du hast gesagt, dass ich erst offiziell angekündigt werden muss, bevor ich mich den Menschen nähere. Es ist üblich, dass die Altarianer sich verneigen oder einen Knicks machen, mich zuerst mit Hoheit ansprechen und dann mit Sir. Meine Frage ist, was muss ich tun, wenn jemand die Verbeugung vergisst?“

„Das liegt ganz in Ihrem Ermessen, Sir. Doch wenn ich Fürst Thomas als Beispiel nennen darf, er hat die Menschen, die ihm nicht mit der gebotenen Höflichkeit gegenübertraten, einfach ignoriert.“

„Dann muss ich also niemanden foltern lassen oder von der Insel werfen, der mich nicht korrekt begrüßt hat?“

Erin musste unwillkürlich lächeln. „Nein, Sir.“

„Schon wieder ‚Sir‘. Ich verbiete dir jetzt ein für alle Mal, mich mit Sir anzureden und mich zu siezen.“

„Ja, Sir … Daniel.“

„Zurück zur Begrüßung. Dann könnte ich also von jedem Begrüßungssünder verlangen, dass er Jordan badet.“ Daniel deutete auf seinen Hund, der vor dem Kamin lag und schnarchte.

Ungläubig sah Erin Daniel an. „Sie … Du willst deinen Hund mit in den Palast bringen?“

„Natürlich. Ich kann meine Familie nicht mitnehmen, und ich habe diese merkwürdige Vorahnung, dass ich bei meiner Ankunft nicht viele Freunde haben werde.“ Er machte eine Pause und beobachtete, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. „Deinem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass Fürst Thomas keinen Hund hatte.“

„Das ist richtig.“ Erin warf einen zweifelnden Blick auf das Tier.

„Überlegst du gerade, wie du Jordan Hofmanieren beibringen kannst?“ Daniel trat näher zu ihr. „Unterschätz ihn nicht. Er ist vielleicht lernfähiger und leichter zu erziehen als ich.“

Erin presste die Lippen zusammen, als wagte sie nicht auszusprechen, was sie gerade gedacht hatte.

„Sag es laut.“

„Ich vermute, Jordan ist tatsächlich viel leichter zu erziehen, vorausgesetzt, ich habe einen ausreichenden Vorrat an Pizza.“

„Ich brauche mehr als Pizza.“ Daniel lächelte verschmitzt, und in Gedanken sah er Erin nackt auf seinem Bett liegen.

Erin blickte verlegen weg. „Das kann ich mir vorstellen, Sir.“

Daniel seufzte frustriert, als sie ihn schon wieder mit ‚Sir ‘ ansprach. „Ich wette, du magst lieber Katzen.“

„Ich wollte immer gern einen Hund haben, aber im Internat waren außer Goldfischen keine Haustiere erlaubt. Und mein Vater hatte zu viel zu tun, um sich um ein Tier zu kümmern.“

„Du hast dir sicher einen Pudel gewünscht“, versuchte Daniel, sie aus der Reserve zu locken.

Trotzig hob sie den Kopf. „Pudel sind sehr intelligent.“

Daniel grinste. „Und wohlerzogen.“

„Sie sabbern und haaren nicht“, hielt sie ihm entgegen.

Daniel konnte nicht vergessen, wie sich ihr Körper in seinen Armen angefühlt hatte. „Wenn du nicht so jung wärst, würde ich dich wieder küssen.“

„Ich bin nicht zu jung“, entgegnete sie, bevor sie schnell ergänzte: „Aber Sie … du hast damit recht, dass es ein unangemessenes Verhalten wäre, mich zu küssen.“

„Warum?“

„Weil ich in deinen Diensten stehe.“

„Was ist, wenn ich dich feuere?“

Sie riss die Augen auf. „Das kannst du nicht! Das darf nicht sein! Ich meine …“ Sie verstummte, als fehlten ihr die Worte.

Daniel sah ihr tief in die Augen. „Fühlst du dich nicht zu mir hingezogen?“

Sie sah ihn an, dann senkte sie den Blick. „Das habe ich nicht gesagt.“

„Dann fühlst du dich also zu mir hingezogen.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Das habe ich auch nicht gesagt.“

„Was nun? Ja oder nein?“

Erin stieß einen langen Seufzer aus. „Ich muss dir wohl kaum sagen, dass du sehr attraktiv bist.“ Das war Daniel nicht genug. „Aber welche Gefühle löse ich in dir aus?“ Erin runzelte die Stirn. „Du darfst keine Gefühle in mir auslösen.“

„Vielleicht darf ich es nicht, aber du willst es trotzdem. Das ist genau wie mit dem Pudel. Du durftest keinen haben, und trotzdem hast du dir einen gewünscht.“

Ihre Augen funkelten dunkel und voller verborgener Geheimnisse. „Zwischen dir und einem Pudel besteht ein großer Unterschied.“

Er schob die Hand in ihre Haare. „Dem kann ich nicht widersprechen“, sagte er und zog sie näher zu sich. Er senkte langsam den Kopf, bis sein Mund ihren fast berührte. „Ich werde dir nicht befehlen, mich zu küssen, denn ich will meine Position nicht ausnutzen.“

Erin schloss die Augen und kämpfte mit den widersprüchlichsten Gefühlen. „Ich darf dich nicht küssen“, sagte sie verzweifelt. „Es ist nicht richtig.“ Es gibt viele Gründe, warum es nicht richtig ist, dachte sie. Man erwartete von ihr eine professionelle Haltung Daniel gegenüber. Und dann war da noch ihr Vater. Fürst Daniel zu küssen, schon ihn überhaupt zu mögen, gab ihr das Gefühl, ihrem Vater gegenüber illoyal zu sein.

Aber mein Vater kennt ihn nicht, dachte sie. Wenn ihr Vater Daniel kennen würde, würde er … Ihr Magen zog sich zusammen. Selbst dann würde er ihn nicht mögen. Ihr Vater wollte einen Fürsten haben, der seine Pläne nicht durchkreuzte. Ihr Vater wollte einen Regenten, den er beherrschen konnte. Und Daniel würde sich von niemandem beherrschen lassen.

Sie seufzte resigniert. Ob sie jemals diese Unabhängigkeit erlernen konnte? Langsam öffnete sie die Augen und starrte Daniel an. Er war so stark, so unerschrocken. Er brachte sie dazu, alles infrage zu stellen, was vor ihm gewesen war. Seinetwegen wollte sie so stark sein wie er. Wie um alles in der Welt sollte sie ihm widerstehen?

„Es wird Zeit, dass ich gehe“, stieß sie schließlich hervor.

Erin kehrte in ihr viel zu ruhiges Hotelzimmer zurück und beschloss, früh ins Bett zu gehen. Fragen über Fragen schossen ihr durch den Kopf, als sie unter die Decke schlüpfte. Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte auf ihre Uhr und wusste, dass der Anruf von ihrem Vater kam. Er würde sich nach ihren Fortschritten erkundigen und fragen, ob sie Daniel demotiviert oder ihn zumindest im Griff hatte. Keins von beidem.

Das Telefon hörte nicht auf zu klingeln. Erin hielt den Atem an. Wie konnte sie ihren Vater davon überzeugen, dass Daniel ein Mann von Ehre war, und dass er sich wirklich um die Menschen auf Altaria kümmern würde? Wie konnte sie ihn überzeugen, dass mit Daniel eine neue Ära beginnen könnte?

Das Klingeln hörte auf, und Erin bedeckte ihr Gesicht. Sie hatte ein Problem. Ihren Vater zu überzeugen war schon schwierig genug. Wie aber sollte sie Daniel davon überzeugen, dass sie nichts miteinander anfangen durften, wenn sie schon Probleme hatte, diesem Mann zu widerstehen?

Daniel hatte darauf bestanden, Erin am Montag im Büro zu treffen, damit sie sich ein Bild von seinem beruflichen Umfeld machen konnte.

Mit dem Taxi fuhr sie zu dem Gebäudekomplex der Connelly Corporation. Sie blickte an dem modernen Glas- und Stahl-Bau hoch und brachte sich wieder den Wohlstand und den Erfolg der Familie in Erinnerung.

Erin betrat die elegante Eingangshalle und blieb vor den Bildern der verschiedenen Familienmitglieder stehen, die die Firma im Laufe der Jahre auf- und ausgebaut hatten. Je mehr Zeit sie mit Daniel verbrachte, desto neugieriger wurde sie auf diese Seite seiner Familie.

Die Sicherheitskräfte ließen Erin passieren, und sie fuhr mit dem Fahrstuhl in die Etage, in der sich Daniels Büro befand. Hinter dem Schreibtisch der Empfangsdame hing ein wunderschönes Aquarell von einem der Strände von Altaria. Während sie der Angestellten ihren Namen nannte, bewunderte sie das Gemälde und versuchte, sich Daniel in der Umgebung vorzustellen. Es fiel ihr nicht schwer, ihn am Strand zu sehen. Etwas anderes war allerdings die Vorstellung, wie Daniel sich im Palast bewegte.

Daniel kam um die Ecke. Er trug einen dunklen Anzug, der seine breiten Schultern und seine Körpergröße noch betonte. Er winkte Erin zu sich. „Komm. Ich zeige dir mein Büro, und dann gebe ich etwas bekannt.“

Erin staunte, wie einfach er vom saloppen Privatmenschen zum weltgewandten Geschäftsmann wechseln konnte. Vielleicht machte er sich deshalb keine ernsthaften Gedanken über seine neue Rolle als Regent. Wahrscheinlich hat er seine Führungsfähigkeiten bei Connelly Corporation geschult, dachte sie, als er sie durch ein Großraumbüro und an mehreren Einzelbüros vorbeiführte. „Befindet sich auf dieser Etage nur die Marketingabteilung?“, wollte sie wissen.

„In dieser Etage und in der darunter. Aber dies ist nur ein Sitz der Firma, der Hauptsitz“, erklärte er. „Wir haben in der ganzen Welt Marketingbüros.“ Er führte sie zu einer jungen Frau mit goldblonden Haaren und blaugrünen Augen. „Darf ich bekannt machen? Erin Lawrence, Kimberly Lindgren, meine Assistentin. Blitzgescheit und schnell.“

Kimberly warf Daniel einen herzlichen, aber skeptischen Blick zu. „So viel Schmeichelei kann nur bedeuten, dass ich mich auf Überstunden einstellen muss. Stimmt’s?“

Daniel lachte. „Dieses Mal nicht.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Erin und bewunderte, mit welcher Leichtigkeit die Frau mit Daniel umging.

„Ganz meinerseits. Sie haben übrigens einen hübschen Akzent.“

„Danke“, sagte Erin und folgte Daniel in sein großes, luxuriöses Eckbüro. Der Blick aus den großflächigen Fenstern war atemberaubend. „Was für eine tolle Aussicht. Es muss Spaß machen, in diesem Umfeld zu arbeiten.“

Daniel trat direkt hinter sie. „Das ist der Michigan-See. Ich liebe den Blick auf das Wasser.“ Er sah sie an, legte den Finger unter ihr Kinn und schaute ihr in die Augen. „Aber nicht nur der Blick auf den See ist schön“, murmelte er und meinte dabei eindeutig sie.

Erins Herz machte einen Satz. Es ist dir egal, ob er dich attraktiv findet oder nicht, redete sie sich ein. Aber das stimmte leider nicht. Es war ihr überhaupt nicht egal. Verwirrt über ihre widersprüchlichen Gefühle, verflocht sie die Finger ineinander und blickte wieder aus dem Fenster.

„Es muss schwer für dich sein, all dies für Altaria aufzugeben. Deine Familie, dein Land und alles, was du dir hier mit deiner Familie geschaffen hast.“ Sie machte eine ausladende Geste.

„Nun, wir Connellys besitzen vielleicht ein großes Stück des Kuchens, aber uns gehört der Michigan-See nicht“, sagte er leichthin.

„Trotzdem wundere ich mich, dass du alles, was dir vertraut ist, für Altaria aufgeben kannst. Hier findest du Unterstützung bei deiner Familie, deinen Angestellten und Freunden. In Altaria wird das alles anders sein.“ Die Feindseligkeit, die ihr Vater ihm entgegenbringen würde, machte ihr Sorgen.

„Ich weiß, dass es nicht leicht werden wird. Es ist aber nicht das erste Mal, dass ich meine Gegner überzeugen muss. Und ich kann in Altaria etwas bewirken“, sagte er selbstbewusst.

Irgendetwas in seiner Stimme ließ sie an ihn glauben.

„Meine Tage in diesem Unternehmen sind gezählt“, sagte er und blickte zur Tür. „Deshalb werde ich Kimberly heute ins Vertrauen ziehen.“

„Hältst du das für klug? Ich dachte, du wolltest es noch für dich behalten.“

„Ich werde es nicht an die große Glocke hängen. Aber es ist nur fair, wenn meine engste Mitarbeiterin meine Pläne kennt. Sie wird das Geheimnis nicht lange hüten müssen.“ Er drückte den Knopf der Gegensprechanlage. „Kimberly, könnten Sie bitte für einen Moment in mein Büro kommen?“

„Ja, Daniel.“

Erin wunderte sich, dass Kimberly ihren Chef mit dem Vornamen ansprach. „Gehen alle Amerikaner so ungezwungen mit ihrem Chef um?“

„Mir gefällt es so. Bist du eifersüchtig?“, fragte er mit leiser Stimme.

Erin spürte, dass sie rot wurde. „Absolut nicht. Ich bin nur nicht an diese lockere Art zwischen Angestellten und Vorgesetzten gewöhnt.“

„Kimberly ist sehr attraktiv und intelligent, aber es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, mich mit meinen Angestellten einzulassen“, sagte Daniel, als hätte Erin gestanden, eifersüchtig zu sein.

„Tatsächlich? Und was ist mit dem Flirt mit mir?“ Entsetzt über ihren mangelnden Anstand, stieß sie hervor: „Entschuldige, das wollte ich nicht sagen.“

Daniel bedachte sie mit seinem gefährlichen Lächeln und trat zu ihr. „Du bist eben anders, Erin.“

Inwiefern?, wollte sie fragen, doch sie unterließ es.

„Außerdem haben wir längst nicht eine Beziehung der Art, wie ich sie gern hätte.“

Erin schluckte und bekam plötzlich weiche Knie.

„Daniel?“ Kimberly stand in der Tür und blickte neugierig von ihrem Chef zu Erin.

„Bitte schließen Sie die Tür hinter sich“, sagte er und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. „Nehmen Sie Platz.“

Kimberly setzte sich und wartete.

„Was ich Ihnen jetzt sage, ist noch ganz geheim. Aber ich möchte, dass zumindest Sie informiert sind, weil es einige Veränderungen geben wird und Sie in der Zeit keinen Urlaub nehmen können. Ich werde Connelly Corporation in einigen Wochen verlassen.“

Kimberly riss die Augen auf und schüttelte ungläubig den Kopf. „Sie wollen das Unternehmen verlassen? Aber Sie sind ein Connelly. Was wollen Sie machen? Und wer soll Sie ersetzen?“

„Mein Bruder Justin.“

Kimberly senkte den Kopf. „Justin?“, wiederholte sie. „Er ist so …“ Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „So … ernst“, sagte sie schließlich.

„Genau“, stimmte Daniel zu. „Er arbeitet sich zu Tode, wenn man nicht aufpasst. Deshalb möchte ich, dass Sie dafür sorgen, dass er ab und zu entspannt.“

Kimberly blinzelte. „Wie denn?“

„Ich weiß nicht. Da ist Ihre Kreativität gefragt.“

Kimberly schien total verwirrt. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie waren ein toller Chef. Ich habe unglaublich viel von Ihnen gelernt. Darf ich fragen, warum Sie gehen wollen?“

„Ich ziehe nach Altaria. Nach dem Tod meines Großvaters und meines Onkels bin ich der Thronerbe.“

Es dauerte einen Moment, bis Kimberly die Neuigkeit verdaut hatte. Dann stand sie auf und hob die Hand an den Mund. „Mein Gott, Sie sind der neue Fürst!“ Sie schüttelte wieder den Kopf. „Fürst von Altaria. Das ist doch eine kleine Insel, nicht wahr? Nun, wahrscheinlich ist das nicht anders, als der Boss von Connelly Corporation zu sein. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Sie sah Erin an. „Irgendwie müssen Sie daran beteiligt sein.“ Sie ging auf Erin zu. „Werden Sie seine neue Assistentin?“

„Nicht direkt.“ Erin war verwirrt über die Reaktion der Frau.

„Aber in gewisser Weise“, sagte Kimberly aufgeregt. „Sie müssen wissen, dass Daniel ein wundervoller Chef ist. Ich bin sicher, er wird auch ein fantastischer Fürst sein.“

Die aufrichtige Bewunderung der Frau rührte und beunruhigte Erin gleichermaßen. „Ja, natürlich ist er …“

Kimberly drehte sich zu Daniel. „Das ist Wahnsinn. Gratuliere. Ein Fürst. Ich kenne einen Fürsten! Wir werden Sie alle schrecklich vermissen“, sagte sie mit bebender Stimme.

Daniel nahm Kimberlys Hände in seine. „Danke. Aber denken Sie bitte daran, dass Sie diese Information noch streng vertraulich behandeln“, erinnerte er sie.

„Das werde ich“, versprach sie feierlich.

„Und kümmern Sie sich um Justin.“

„Es wird einige Zeit dauern, bis ich das alles begriffen habe“, murmelte Kimberly und ging zur Tür. „Ein Fürst“, flüsterte sie. „Und Justin …“

Erin sah der fassungslosen Frau nach und begegnete dann Daniels Blick. Sie wusste, was kam, noch bevor er den Mund öffnete.

„Sag es laut.“

„Muss ich?“

Er nickte.

Erin seufzte. „Deine Familie und deine Angestellten stehen sehr loyal zu dir. Wie willst du agieren, wenn die Voraussetzungen völlig anders sind?“

„Du meinst, weil ich bisher niemanden in Altaria habe, der mir treu ergeben ist?“

Sie nickte langsam.

„Immer wieder begegnet man einem Menschen, dem man bedingungslos vertrauen kann. Bis ich nach Altaria komme, möchte ich zumindest einen Menschen haben, dem ich vertrauen kann“, sagte er und legte den Zeigefinger unter ihr Kinn. „Einen Menschen, der auf meiner Seite steht.“

Er meinte sie. Erins Herz zog sich zusammen. Daniel wollte ihr Vertrauen und ihre Loyalität. Er hatte ja keine Ahnung, um was er da bat.

5. KAPITEL

Erin saß mit Daniel in seinem Lieblingsrestaurant im belebten Zentrum von Chicago, nachdem sie ein Spiel der Chicago Bulls besucht hatten. Da sie ihre widersprüchlichen Gefühle Daniel gegenüber leid war, hatte sie beschlossen, Sitte und Anstand im Hotelzimmer zu lassen und den Abend mit diesem aufregenden Mann einfach nur zu genießen.

Nur einmal wollte sie so tun, als wäre er ein ganz normaler Mann und nicht der zukünftige Fürst von Altaria. Denn sie hatte das ungute Gefühl, dass sich ihr Verhältnis zu ihm schneller ändern konnte, als ihr lieb war. Ein halb leeres amerikanisches Bier stand vor ihr auf dem Tisch, und sie wartete darauf, ihren ersten Chicago Hotdog zu essen.

„Was sagst du zu dem Spiel?“, fragte Daniel.

„Die Spieler sind alle ungewöhnlich groß. Und schnell. Die reinsten Ballkünstler“, versuchte sie zu loben. „Aber?“ Wie war es nur möglich, dass er es immer wieder schaffte, in ihr wie in einem offenen Buch zu lesen?

„Ich fand es nicht besonders spannend“, gestand sie. „Es gab nur zwei richtige Kämpfe, und die waren schnell vorbei.“

Daniel starrte sie an, dann lachte er. „Du sensationsgierige Frau.“

Erin streckte das Kinn vor. „Als sensationsgierig würde ich mich nicht bezeichnen. Ich sehe nur keinen Unterhaltungswert darin, einer Horde Männer in schlabberigen Shorts zuzusehen, die durch eine Halle rennen und einen Ball in einen Korb werfen. Beim Rugby bricht sich fast immer jemand die Knochen oder verliert einen Zahn.“

Daniel trank von seinem Bier und schien sich köstlich zu amüsieren. „Wird auf Altaria Rugby gespielt?“

„Ja, aber ich kann nicht behaupten, dass unsere Spieler das Kaliber von Profispielern haben. Die Briten nennen uns Weichlinge.“

Die Kellnerin brachte die Hotdogs und Pommes frites. „Dies ist also der berühmt-berüchtigte Chicago Hotdog“, sagte Erin und neigte den Kopf leicht, um ihn sich genauer anzusehen. „Ich muss mir die Zutaten für unseren Palastkoch merken. Wenn ich das richtig erkenne, dann ist es ein weiches Brötchen mit einem Würstchen, dazu Senf, Würzsauce, Gurken, Zwiebeln und eine Scheibe Tomate.“

„Und Selleriesalz“, fügte Daniel hinzu. Er biss herzhaft in seinen Hotdog.

„Selleriesalz“, wiederholte Erin und beobachtete entsetzt, wie Daniel das fettige Gericht verzehrte. Sie starrte auf ihren Hotdog und fragte sich unwillkürlich, welche Empfehlung Miss Emily Philpott, die feine und vornehme Internatsleiterin, zum Verzehr einer solchen Speise gegeben hätte.

„Der Hotdog beißt dich nicht“, neckte Daniel.

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Das weiß ich.“

„Du kannst einen Hotdog nicht mit Messer und Gabel essen, sondern musst ihn in die Hand nehmen. Aber du traust dich ja doch nicht.“

Sie erwiderte seinen Blick und verspürte den lächerlichen Drang, ihn zu provozieren. „Wie bitte?“

„Du traust dich nicht, den Hotdog in die Hand zu nehmen und hineinzubeißen“, sagte er. „Ich wette, das schaffst du nicht.“

Erin durchschaute Daniel. Er wollte sie reizen. Es würde ihm nur recht geschehen, wenn sie mit Messer und Gabel aß, um ihn zu ärgern. Aber sie tat es nicht. Sie nahm den Hotdog mit der Hand von ihrem Teller und biss kräftig hinein. Zu ihrer Überraschung war er richtig lecker, ließ sich aber unmöglich essen, ohne dass es tropfte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Dann aß sie ungerührt weiter.

Als sie fertig war, sah sie Daniel an und leckte sich die Lippen. „Ich habe es geschafft“, sagte sie und merkte, dass Daniel auf ihren Mund starrte. Sie griff nach einer Serviette. „Habe ich etwas am Mund?“

Er schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Bier. Sein Blick klebte noch immer an ihren Lippen. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du einen unglaublich schönen und sinnlichen Mund hast?“

Unwillkürlich fuhr sie sich erneut mit der Zunge über die Lippen. Sie hörte ihn leise stöhnen. „Nein. Ich kann nicht sagen …“ Die Begierde, die sie in seinen Augen sah, ließ sie verstummen. Ihr wurde heiß, und sie verspürte ein erregendes Prickeln im ganzen Körper, in ihren Brüsten … und tiefer.

Erin beobachtete, wie er sein Bier trank, und sah verstohlen auf seinen Mund. Sie erinnerte sich an seinen leidenschaftlichen Kuss in dem Schrank, obwohl sie versucht hatte, ihn zu vergessen. Sie holte Luft. „Das war sehr lecker“, stieß sie hervor und trank einen Schluck Bier, in der Hoffnung, sich damit abkühlen zu können. Es funktionierte nicht.

„Isst du noch deine Pommes frites?“, fragte Daniel. Erin schüttelte den Kopf. In ihrem Bauch tanzten Schmetterlinge. Sie würde keinen Bissen mehr hinunterbekommen. „Dann lass uns gehen.“ Daniel legte ein paar Dollarnoten auf den Tisch.

Er nahm ihren Arm und führte sie aus dem Lokal hinaus. Draußen wütete ein Schneesturm. „Warte hier im Eingang. Ich hole den Wagen.“

Erin schüttelte sofort den Kopf. Er sollte nicht glauben, dass sie Angst vor etwas Schnee hatte. Außerdem war es ihr aus irgendeinem unerklärlichen Grund lieber, bei ihm zu bleiben und nass zu werden, als ohne ihn trocken zu bleiben. „Ich komme mit. Schließlich ist es nicht weit.“

„Sicher?“

„Ganz sicher.“ Sie zog ihn hinaus in den Schneesturm. „Kannst du rennen, oder bist du schon zu alt dazu?“, neckte sie ihn.

„Noch nicht“, erwiderte er mit seiner erotischen Stimme, und gemeinsam liefen sie los. Schnee und Wind peitschten ihr ins Gesicht, und Erin, die schon eiskalte Winter in der Schweiz erlebt hatte, fror bis auf die Knochen. Als sie endlich den Wagen erreicht hatten, bibberte sie vor Kälte, und ihre Zähne klapperten.

Daniel stellte sofort die Heizung an. Er blickte zu Erin und runzelte die Stirn. „Du zitterst ja richtig. Du hättest doch warten sollen, bis ich den Wagen geholt habe.“

„So schlimm ist es nicht.“

„Oh.“ Daniel schien nicht überzeugt. Schnell fuhr er nach Hause, parkte den Wagen in der Tiefgarage und drängte Erin in seine Wohnung. An der Tür wurden sie von Jordan mit lautem Bellen begrüßt.

Daniel streichelte den Hund, dann zog er Erin die Jacke aus. „Wir müssen dich wieder warm bekommen“, sagte er und rieb ihre Arme. Er warf seine Jacke über einen Stuhl, führte Erin zum Sofa und wickelte eine warme Decke um ihre Schultern.

Seine liebevolle Fürsorge verschlug ihr die Sprache. Er schaltete das elektrische Kaminfeuer an, dann setzte er sich zu ihr. „Besser?“

Sie nickte und konnte den Blick nicht von seinen Augen wenden. Im Licht des künstlichen Feuers tanzten kleine Funken in seinen Augen. Ein Anblick, der Erin faszinierte.

„Mir gefällt dieser Wet-Look an dir“, sagte er und strich über ihre nassen Haare.

Bei dem Gedanken an ihr Aussehen zuckte Erin zusammen. „Natürlich. Da bin ich mir sicher.“

„Ich meine es ernst. Du gefällst mir, so wie du jetzt aussiehst.“

Ihre Haare hingen in Strähnen hinunter, womöglich war auch ihr Make-up verschmiert, und trotzdem gefiel sie ihm. Skeptisch blickte sie ihn an. „Warum?“

„Du siehst nicht so unnahbar aus.“ Er rieb wieder ihre Arme.

„Ich sehe schrecklich aus“, korrigierte sie.

„Nein.“ Er strich mit dem Daumen über ihre Wange. „Du siehst aus, als hättest du nichts dagegen, in den Arm genommen zu werden. Oder geküsst zu werden.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während sie Daniel unentwegt in die grünen Augen blickte. Er strahlte so viel Wärme und Stärke aus, und er mochte sie auch dann noch, wenn sie alles andere als vollkommen war.

Sie wusste nicht warum und wieso, aber Daniel berührte eine Saite ihres Inneren, die bisher niemand gekannt hatte. In diesem Moment lösten sich alle ihre Bedenken auf. Und als Daniel sie in seine Arme schloss, hatte sie das Gefühl, endlich angekommen und zu Hause zu sein. Das Gefühl war so stark, dass ihr Tränen in die Augen traten.

Es kann nicht sein, versuchte sie sich einzureden. Doch als sie seinen Duft einatmete und in seine Arme sank, schien nichts mehr zu existieren außer Daniel.

Erin spürte seinen Herzschlag und wollte sich noch enger an ihn schmiegen. Sie zog die Arme unter der Decke hervor und schlang sie um seinen Hals. Dann verschmolzen sie zu einer innigen Umarmung und hielten sich lange Zeit einfach fest umschlungen.

Schließlich legte Daniel den Finger unter ihr Kinn und hob sanft ihren Kopf. Er senkte die Lippen auf ihren Mund und küsste sie behutsam. Kurz darauf wich er zurück, doch Erin spürte, dass er noch nicht fertig war.

Ihr Herz pochte immer lauter. „Ist das wirklich klug, was wir machen?“ Einen Moment klammerte sie sich an das letzte bisschen Vernunft, das ihr noch geblieben war.

„Und ob es das ist.“ Wieder streifte er zärtlich ihre Lippen, und sofort beschleunigte sich ihr Pulsschlag. „Es ist meine Schuld, dass du so durchgefroren bist. Jetzt muss ich auch dafür sorgen, dass dir wieder warm wird.“

Erin schluckte. „Mir ist schon warm.“

„Ich will, dass dir noch wärmer wird.“ Er zog sie auf seinen Schoß.

Erin hatte kaum Zeit, über dieses unschickliche Benehmen nachzudenken, da eroberte er schon wieder ihren Mund und schob die Zunge zwischen ihre Lippen. Sie öffnete sich seinem Kuss, und ihre Lippen teilten sich zu einer leidenschaftlichen Erwiderung. Sie hörte, dass er leise stöhnte. Das lustvolle Geräusch erregte sie.

Es wurde ein sehr langer Kuss, als könnte Daniel nicht genug davon bekommen, ihre Lippen zu erforschen.

Doch auch Erin wollte mehr; sie wusste nur nicht wie … Sie wurde ungeduldig und vertiefte den Kuss.

Daniel reagierte sofort, und aus dem liebevollen Kuss wurde ein heißer, leidenschaftlicher. Er glitt mit der Hand unter ihren Pullover und streichelte ihren nackten Rücken.

„Deine Haut“, murmelte er. „So weich und zart.“ Mit den Fingerspitzen strich er über ihre Rippen direkt unter ihrem BH.

Erin hielt den Atem an. Ihre Brustspitzen richteten sich auf und drückten gegen den dünnen Stoff. Sie sehnte sich danach, seine Hände an ihren Brüsten zu spüren, doch Daniel bewegte die Hände wieder abwärts. Tapfer schluckte sie ihre Enttäuschung hinunter.

Als seine Hände erneut zu ihrem BH wanderten, hielt sie wieder den Atem an. Er schob einen Finger unter das Körbchen und berührte die aufregenden Rundungen ihrer Brüste.

Als er seinen Finger wieder zurückzog, hätte sie fast aufgeschrien.

Wieder verschmolzen ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Erin seufzte leise. Sie spürte Daniels Finger an ihrem Rücken, merkte, dass er ihren BH aufhakte. Und dann lagen seine Hände endlich an ihren Brüsten. Heißes Verlangen überkam sie. Unruhig rutschte sie auf seinem Schoß herum.

„Gefällt dir das?“ Zärtlich rieb er mit dem Daumen über die zarte Haut.

„Ja, aber …“

„Ja, aber“, wiederholte er und näherte sich immer weiter den harten, empfindlichen Spitzen.

Erin biss sich auf die Lippe und schloss die Augen.

Daniels Finger fanden die aufgerichteten Knospen, und er hörte Erin stöhnen. Er fachte ihre Begierde weiter an, indem er die Spitzen zwischen Daumen und Zeigefinger rieb.

Wogen der Lust schlugen über ihr zusammen. Sie suchte seine Lippen und verlor sich in einem langen, heißen Kuss.

Schließlich löste Daniel sich von ihr, zog den Pullover über ihren Kopf und befreite sie von ihrem BH. Voller Verlangen betrachtete er ihre nackten Brüste. Ungeduldig zog er sich den Pullover über den Kopf. Er wollte ihre Haut an seiner spüren.

Das Licht des künstlichen Feuers schimmerte auf seiner muskulösen Brust. Erins Blick hing wie gebannt an der Brustbehaarung, die sich zu seinen Jeans hin verjüngte und geradezu provokativ in der Hose verschwand.

Sie strich über seine breiten Schultern und seine Brust und genoss es, das Spiel seiner Muskeln unter ihren Fingerspitzen zu spüren.

Daniel legte die Hände unter ihren Po und zog sie näher an sich heran. Dann senkte er den Kopf, bedeckte ihre Brüste mit heißen Küssen und nahm schließlich eine Brustspitze zwischen die Lippen. Die Berührung sandte einen feurigen Schauer durch ihren Körper.

Erfüllt von einem unbekannten Verlangen, blickte Erin auf Daniels Mund an ihrer Brust. Sie hatte sich selbst nie als sinnliche, begehrenswerte Frau gesehen. Allein schon der Gedanke war tabu gewesen.

Doch Daniels verführerisches Liebesspiel stellte ihre Welt auf den Kopf. Sie spürte, wie er ihren Gürtel öffnete und den Reißverschluss ihrer Jeans hinunterzog. Das Herz schlug Erin bis zum Hals. Sie konnte kaum noch atmen. „Was machst du da?“

Seine Finger glitten unter den Bund ihrer Hose. „Willst du, dass ich aufhöre?“, fragte er leise. Seine Augen funkelten gefährlich.

Ja zu sagen, wäre eine Lüge gewesen.

Er wanderte mit den Fingern tiefer, dann zog er die Hand zurück. „Soll ich lieber aufhören?“

Wahrscheinlich würde sie eines Tages wegen ihres ungehörigen Benehmens in der Hölle schmoren, doch Erin brachte es nicht fertig, Daniel zu stoppen. Sie schüttelte den Kopf. Sofort hob er sie leicht hoch, um ihr die Jeans und den Slip auszuziehen.

Erins Herz klopfte vor Aufregung und Nervosität wie verrückt. Sie beobachtete, wie Daniels Blick über ihren nackten Körper wanderte und erbebte.

„Ist dir kalt?“

Sie schüttelte den Kopf.

Daniel zog sie näher zu sich. Seine Jeans fühlten sich rau an ihren nackten Schenkeln an, aber seine Hände waren sanft und weich. „Ich will dich schon lange so sehen“, flüsterte er mit belegter Stimme.

„So lange kennst du mich doch noch gar nicht“, stieß sie hervor.

„Seit ich dich kenne, träume ich davon, dich nackt zu sehen. Und ich möchte dich nicht nur ansehen. Ich möchte so viele andere Dinge mit dir tun.“

Während sich seine Lippen auf ihren Mund senkten, fand seine Hand ihre empfindsamste Stelle.

Erin verspürte einen fürchterlichen Reiz und geriet in Panik. Verzweifelt wich sie zurück und hielt die Luft an.

Daniel sah sie an. „Probleme?“

Sie schüttelte den Kopf, doch ihr Körper verriet sie. Sie hatte Schluckauf.

Erin schloss die Augen und verteufelte ihren Tick, der zum Fluch ihres Lebens geworden war. Warum ausgerechnet jetzt? Sie schnappte nach Luft und hickste wieder.

„Erin?“

„Es ist eine schreckliche …“ sie hickste wieder, „… Schwäche …“ hicks, „… aber normalerweise schaffe ich es …“ hicks, „… dass er schnell wieder verschwindet.“

„Willst du einen Schluck Wasser?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Wasser hilft …“ hicks, „… nicht. Es war mein Slip.“

Ungläubig blickte er sie an. „Dein Slip?“

Peinlich berührt bedeckte sie ihr Gesicht. „Lass mir bitte einen Moment Zeit.“

Daniel schob sie von seinem Schoß und reichte ihr die Decke, damit sie sich bedecken konnte. Dankbar nahm Erin sie und legte sie über ihren nackten Körper. Sie schloss die Augen. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann schaffte sie es, das Bild einer friedlichen Schweizer Winterlandschaft heraufzubeschwören. Der Schluckauf hörte auf.

Widerstrebend begegnete sie Daniels neugierigem Blick. Ihr Herz schlug wieder schneller. Seine Haare waren zerzaust, seine Lippen geschwollen von den leidenschaftlichen Küssen, und seine nackte Brust lenkte sie ab. „Seit ich ein kleines Mädchen war, bekomme ich Schluckauf, wenn ich besonders angespannt oder überdreht bin.“ Sie seufzte und blickte weg.

„Willst du damit sagen, dass ich dich so sehr erregt habe, dass du Schluckauf bekommen hast?“ Die Belustigung in Daniels Stimme war nicht zu überhören.

Erin blickte ihn finster an. „Hör auf, dich darüber lustig zu machen.“

Er zog sie zurück auf seinen Schoß. „Ich mache mich nicht lustig. Du hast mir gerade ein tolles Kompliment gemacht. Aber du hast etwas von einem Slip gesagt.“

Erin wurde rot. „Ja, ich glaube, es ist passiert, als du mir den Slip ausgezogen hast.“ „Verstehe. Bekommst du immer Schluckauf, wenn du in dieser Situation bist?“

„Nein.“

Er betrachtete sie einen Moment lang. „Wie oft ist es schon passiert?“

„Ich ziehe ihn jeden Tag aus“, wich sie aus. „Ich meine, wie oft hat dir schon ein Mann den Slip ausgezogen?“ Sie biss sich auf die Lippen und zog die Decke fester um ihren Körper. „Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.“ „O doch, das tut es. Denn ich möchte noch viel mehr tun, als dir nur den Slip auszuziehen.“

6. KAPITEL

Daniel hatte ein flaues Gefühl im Magen, als er sah, wie Erin sich schon wieder auf die Lippen biss. „Ich wusste, dass du unerfahren bist, aber ich wusste nicht, dass du …“ Er verstummte.

„Ich war mein Leben lang von Frauen umgeben“, erzählte sie. „Es haben sich mir ein paar Gelegenheiten mit Männern geboten, aber …“ Sie sprach nicht weiter, sondern zuckte nur mit den Schultern.

„Aber was?“

„Ich wollte nie wirklich …“ Sie räusperte sich, und ihre Augen verdunkelten sich geheimnisvoll. Wie gern wollte Daniel diese Geheimnisse aufdecken. „Es hat nie jemanden gegeben, dem ich so nah kommen wollte“, sagte sie.

Er spürte die Anspannung in seiner Brust und in seinen Lenden. Ihre Offenheit erregte ihn, doch ihre Verletzlichkeit rührte ihn tief im Inneren und weckte seinen Beschützerinstinkt. „Wir haben nicht von einer festen Partnerschaft gesprochen“, erinnerte er sie so vorsichtig wie möglich.

„Natürlich nicht“, sagte sie, als wäre schon der Gedanke empörend. „Das wäre doch dumm bei all den Veränderungen, die dir bevorstehen.“

„Warum hast du …“ Er stockte. „Warum hast du dann diese Intimität zugelassen?“

„Darauf habe ich noch keine Antwort. Es ist viel zu kompliziert und wahrscheinlich auch nicht besonders klug von mir, mich mit dir einzulassen, aber …“

„Aber?“, fragte er.

Sie begegnete seinem Blick.„Aber ich will es“, sagte sie leise.

Seine Erregung steigerte sich weiter, und er hasste es, derjenige zu sein, der vernünftig sein musste, obwohl Erin ihn so heißmachte. Seine Gedanken drehten sich nur um ihren nackten Körper unter der Decke. „Ich bin viel erfahrener als du“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.

„Natürlich bist du das. Ich hätte im Alter von zwei Jahren anfangen müssen, sexuelle Erfahrungen zu sammeln, wenn ich es mit dir aufnehmen wollte.“

Musste sie auf den Altersunterschied anspielen? „Jetzt übertreibst du aber“, sagte Daniel mit finsterer Miene.

Sie zog vielsagend die Augenbrauen hoch und bewegte ihren nackten Po auf seinem Schoß.

Daniel stöhnte auf.

Ohne den Blick abzuwenden, ließ Erin die Decke von ihren Schultern gleiten und entblößte sich vor Daniel.

Daniel nahm den Anblick ihres nackten Körpers begierig in sich auf, ihre zarte, elfenbeinfarbene Haut, die verführerischen Brüste, die schmale Taille und die Schenkel. Oh, wie sehr sehnte er sich danach, sich zwischen diese Schenkel zu legen.

Die Versuchung war zu groß, um ihr gänzlich zu widerstehen. Er senkte den Kopf, und ihre Lippen verschmolzen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Während sein Kuss immer ungestümer wurde, träumte Daniel davon, sie zu erforschen. Bei dem Gedanken, wie erregt sie wahrscheinlich schon war, wurde ihm heiß, und er erbebte.

Er streichelte ihre glatte Haut, liebkoste ihre Brüste und widmete sich ausgiebig den aufgerichteten Spitzen. Zufrieden seufzend legte er sich zurück auf die Couch und zog sie mit sich. Während er mit einer Hand weiter ihre Brüste streichelte, fand die andere Erins empfindsamste Stelle.

Erin verkrampfte sich.

„Entspann dich, Erin. Du fühlst dich unglaublich gut an“, sprach er leise auf sie ein. „Lass mich zwischen deine Beine.“

Er küsste sie leidenschaftlich, während er wie spielerisch ihren Körper erkundete.

Erin begann, sich aufreizend gegen seine Hand zu drücken. Ihre Bewegungen waren so sexy, dass Daniel heiß wurde. Ihre lustvollen Seufzer erregten ihn so sehr, dass seine Jeans eng wurden. Mit unendlicher Zärtlichkeit streichelte er sie weiter. Er hörte auch nicht auf, als er ihren nahenden Höhepunkt spürte. Unaufhörlich machte er weiter, bis sie schließlich seinen Namen rief. „Daniel!“

Laut stöhnend klammerte sie sich an ihn und gab sich ganz den berauschenden Gefühlen hin.

Er hielt sie fest in seinen Armen, bis ihr Höhepunkt langsam verebbte. Ihr keuchender Atem beruhigte sich, und sie sah ihn an. In ihren blauen Augen sah er Glücksgefühle und Befriedigung. Zärtlich strich sie über seine Brust und seinen Bauch, bis hinunter zum Gürtel seiner Jeans.

Daniel unterdrückte einen Seufzer, und obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, als von seiner fast schmerzhaften Erregung erlöst zu werden, legte er die Hand auf ihre.

„Lass mich.“ Ihre sexy Stimme erregte ihn. Er sah auf ihre sinnlichen Lippen und stellte sich vor, sie an sich zu spüren.

„Nicht heute Abend.“ Heute Abend würde er sich mit einer kalten Dusche begnügen müssen, statt Erins warmen Körper zu spüren. „Du bist noch nicht so weit“, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage.

„Wie bitte?“

„Du bist noch nicht bereit für mich. Wenn wir jetzt weitermachen, wirst du nur wieder von einem Schluckauf geplagt.“

Sie zog ihre Hand zurück. „Ich bin kein Kind mehr.“

„Das habe ich auch nicht behauptet, aber ich will dir nicht wehtun. Es ist das erste Mal für dich, und das wirst du spüren.“

„Das will ich doch hoffen.“

Daniel stöhnte und setzte sich auf. „Es wird Zeit, dass wir uns anziehen. Zeit für dich, in dein Bett zu gehen. Und ich in meins“, sagte er, obwohl er genau wusste, dass er nicht schlafen würde. Als sie sich nicht schnell genug rührte, nahm er ihren Pullover und zog ihn ihr über den Kopf.

Sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Gehörst du zu den Männern, die eine Frau erst heißmachen und sie dann kalt abservieren?“

Bei ihrem Vorwurf verschlug es ihm für einen Moment die Sprache. „Nein. Ich bin nur vernünftig und versuche, mich wie ein Gentleman zu verhalten. Aber du machst es mir verdammt schwer. Zieh dich jetzt bitte an“, forderte er sie auf.

Sie gab einen wütenden Laut von sich, sammelte ihre restlichen Kleidungsstücke zusammen und stolzierte mit wiegenden Hüften ins Badezimmer.

Daniel fluchte und rieb sich das Gesicht. Er hatte das Richtige getan. Das erste Mal sollte für eine Frau etwas ganz Besonderes sein. Außerdem war sie nicht irgendeine Frau. Sie war Erin. Ihre Verletzlichkeit und ihre Entschlossenheit rührten ihn zutiefst. Er konnte es nicht erklären, aber mehr als alles andere wünschte er sich, dass sie ihm vertraute. Und er wollte ihr vertrauen können.

Daniel zog seinen Pullover wieder an. Als Erin ins Wohnzimmer zurückkehrte, waren ihre Haare noch wild zerzaust, und ihre Augen funkelten sexy und wütend zugleich. „Ich rufe mir jetzt ein Taxi“, sagte sie.

„Nein.“ Er zog seine Jacke an und griff nach ihrer.

„Es ist nicht nötig …“

„Oh doch, das ist es.“

Sie setzte ein trotziges Gesicht auf, ließ sich von ihm aber in die Jacke helfen und folgte ihm zu seinem Wagen. Während der kurzen Fahrt zum Hotel sah sie ihn weder an, noch sprach sie mit ihm.

Daniel litt still vor sich hin, bis er vor dem Hotel hielt. „Du warst wunderbar heute Abend“, sagte er leise. Ihre Augen leuchteten hoffnungsvoll, doch dann sah sie weg. „Offensichtlich nicht wunderbar genug“, murmelte sie.

„Was meinst du denn damit?“

„Es ist ziemlich demütigend, die Einzige zu sein, die …“ sie senkte den Kopf, „… die so erregt war.“

Er starrte sie an und blickte dann hilfesuchend gen Himmel. Jede Verwünschung, die er jemals gehört hatte, schoss ihm durch den Kopf. Er zählte bis zehn, dann drehte er sich zu ihr. „Glaubst du wirklich, ich war nicht heiß auf dich?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Zumindest nicht genug.“

Leise fluchend zog er sie an sich und küsste sie. Es war ein ungestümer, leidenschaftlicher Kuss, der erahnen ließ, wie heftig er Erin begehrte. Er nahm ihre Hand und legte sie an seine immer noch harte Männlichkeit. „Was meinst du, bin ich erregt oder nicht?“, fragte er mit leiser Stimme.

Überrascht sah sie ihn an.

„Ich will mit dir schlafen. Aber ich will dir nicht wehtun.“

„Wie soll das gehen?“

„Wir müssen es langsam angehen lassen.“ Zärtlich strich er über ihre Haare. „Ich werde dich nicht in dein Zimmer bringen, denn wenn ich mit dir in die Nähe eines Bettes komme, kannst du die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht mehr laufen.“ Er küsste sie wieder. „Träum schön.“

Zwei Tage später saß Erin neben Daniel im Wagen. Unruhig faltete sie die Hände im Schoß.

„Du brauchst nicht nervös zu sein“, beruhigte Daniel sie. Er legte kurz seine Hand auf ihre, als sie bei Rot an einer Ampel stehen bleiben mussten. „Meine Familie ist sehr nett.“

„Das glaube ich dir gern“, sagte Erin. „Es ist nur so, dass ich mit der früheren Prinzessin Emma zu Abend essen werde, und das ist einfach aufregend. Deine Mutter ist bei den Altariern so beliebt, dass sie fast eine Legende ist.“

„Warum fühle ich mich plötzlich so klein und unbedeutend?“, mokierte er sich im Spaß.

Erin begegnete seinem Blick und spürte das erotische Knistern vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen. Daniel war ein äußerst ungewöhnlicher Mann, und sie empfand starke Gefühle für ihn. Und gerade das war ihr Problem. „Ich muss dir doch wohl nicht sagen, dass dich niemand als unbedeutend betrachtet.“

„Nein?“ Er zog seine Hand zurück und bog von der Straße ab, als die Ampel auf Grün schaltete.

„Nein. Und klein bist du auch nicht“, fügte sie vielsagend hinzu.

Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Wenn ich bedenke, dass du mich vor Kurzem noch ehrfürchtig Hoheit genannt hast …“, neckte er sie.

Verärgert biss sie sich auf die Lippe. „Du hast recht. Verzeih mir, dass ich dir nicht den gebotenen Respekt entgegenbringe.“

„O nein, damit fangen wir nicht wieder an. Ich habe nur einen Witz gemacht“, sagte er.

„Aber du hast einen wichtigen Punkt angesprochen“, sagte sie und sah sich veranlasst, ein „Sir“ hinzuzufügen.

Daniel fuhr an die Seite, hielt an und zog Erin an sich. Er senkte den Kopf und küsste sie mit einer Leidenschaft, die sie an die Intimität erinnerte, die sie schon miteinander erfahren hatten, und einen Vorgeschmack auf das lieferte, was noch vor ihnen lag.

Er löste sich von ihr, und sie holte tief Luft, um sich wieder in den Griff zu bekommen. „Ich denke, über das ‚Sir‘ sind wir längst hinaus, meinst du nicht?“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Erin nickte. „Ich denke, ja, aber was ist, wenn wir nach Altaria kommen? Man wird erwarten …“

„Darüber machen wir uns später Gedanken“, sagte er und legte einen Gang ein.

Erin konnte nur nicken. Sie verspürte einen stechenden Schmerz bei dem Gedanken daran, wie sich zwischen ihnen alles gezwungenermaßen ändern würde, sobald Daniel seinen Wohnsitz endgültig nach Altaria verlegte.

Sie war mittlerweile sicher, dass er die Thronfolge antreten würde, und er würde das Land auf seine Weise regieren. Ihre eigene Zukunft sah sie nicht so deutlich vor sich. Wenn ihr Vater erfuhr, dass sie seine Pläne für Daniel nicht durchsetzen konnte, würde er sehr enttäuscht sein.

Und wenn er je erfuhr, dass Erin sich in Daniel … Den Gedanken dachte sie lieber nicht zu Ende. Sonst würde sie nur wieder Schluckauf bekommen. Mit all diesen Problemen würde sie sich beschäftigen, wenn die Zeit gekommen war.

Daniel fuhr die lange, von Bäumen gesäumte Einfahrt entlang, die zu einem wunderschönen gregorianischen Herrenhaus führte. „Willkommen im trauten Heim“, sagte er.

„Es ist wunderschön. Und so riesig.“

„Meine Eltern haben sich eine große Familie gewünscht. Deshalb war ihnen ein Haus mit viel Platz wichtig.“

„Wie viele Kinder haben sie?“ Erin faszinierte die Vorstellung von einer großen Familie.

„Meine Eltern haben neun Kinder großgezogen“, sagte er und hielt vor der Treppenflucht, die zum Eingang führte. „Warum?“

„Ich habe gerade versucht, mir vorzustellen, so viele Geschwister zu haben. Man würde nie einsam sein.“

„Nie allein sein – das ist manchmal auch ganz schön anstrengend“, korrigierte er trocken. „Aber ich würde meine Geschwister nicht gegen alle königlichen Juwelen der Welt eintauschen, und meine Eltern würden es auch nicht tun, obwohl wir sie manchmal reichlich genervt haben.“ Er machte eine Pause und hob die Hand an ihr Haar. „So wie du mich ganz schön Nerven gekostet hast.“

Erin starrte ihn überrascht an. „Ich? Warum denn das? Bis du mir befohlen hast, die förmliche Anrede zu unterlassen, habe ich mich absolut anständig verhalten.“

Er lächelte, und seine Augen funkelten. „Genau das meine ich. Erin, wann begreifst du endlich, dass ich dich auf eine Art und Weise will, die alles andere als anständig ist?“, fragte er.

Bevor sie antworten konnte, war Daniel schon ausgestiegen und um den Wagen herumgegangen, um ihr die Tür zu öffnen. „Bist du bereit?“, fragte er und reichte ihr die Hand.

„Ja“, erwiderte sie, obwohl ihr vor Aufregung ganz schlecht war.

Daniel führte sie zur Haustür und läutete. Die Haushälterin öffnete die Tür und bat sie in die herrschaftliche Diele mit einem edlen Kronleuchter. Eine breite, geschwungene Treppe führte in die erste Etage. Die Haushälterin nahm ihnen die Mäntel ab, und Erin war sich plötzlich sicher, dass Daniel sich auch in einem prunkvollen Palast wohlfühlen würde.

Voller Anmut und Grazie schwebte Emma Rosemere Connelly in das Foyer. Die Liebe lachte ihr aus den Augen, als sie ihren ältesten Sohn ansah. „Da bist du ja.“ Daniel umarmte seine Mutter. „Wir haben dich in letzter Zeit viel zu wenig gesehen“, tadelte sie ihn mit sanfter Stimme.

„Ich bin sehr damit beschäftigt, mich auf mein neues Amt vorzubereiten“, erzählte Daniel.

„Natürlich. Es ist einfach nur, dass ich dich gar nicht mehr sehen werde, wenn du erst einmal nach Altaria abgereist bist.“

„Jetzt übertreibst du aber. Du kannst mit Dads Jet jederzeit über den Atlantik fliegen. Außerdem hat Erin mir gesagt, dass die Menschen von Altaria sich über einen Besuch ihrer Prinzessin Emma sehr freuen würden.“ Daniel zwinkerte Erin verschwörerisch zu.

Emma drehte sich zu Erin. „Verzeihen Sie mir, dass ich Sie nicht sofort begrüßt habe.“ Sie hieß Erin mit einem warmherzigen Lächeln willkommen. „Mein Sohn ist unverbesserlich wie eh und je. Das hat er von seinem Vater. Ich habe jahrelang versucht, ihm Kultur beizubringen, aber als Mutter habe ich da keine große Chance“, lachte sie. „Ich bin froh über Ihre Ausdauer. Wissen Sie, ich hatte wirklich Angst, Sie würden wegen Daniels Sturheit den ersten Flieger zurück nach Altaria nehmen.“

Positiv überrascht über Emmas natürliches Auftreten, erlaubte Erin sich ein Lachen. „Danke für Ihre freundliche Begrüßung. Ich muss zugeben, meine Aufgabe ist nicht ganz einfach. Daniel ist ziemlich willensstark.“

Emma strahlte. „Sein Vater hat immer den Ausdruck dickköpfig benutzt, aber das muss er gerade sagen. Willensstark“, überlegte seine Mutter laut und warf Daniel einen vergnügten Blick zu. „Eine reizende Beschreibung. Du musst Erin mit deinem Charme verzaubert haben.“

„Und den Charme habe ich ganz offensichtlich von meiner Mutter“, sagte Daniel zu Erin.

„Scheint so.“ Emma lächelte strahlend und begleitete Erin und Daniel durch das Foyer. „Ich freue mich, dass ihr beide kommen konntet. Ich vermute, Daniel wird nicht mehr lange in Chicago sein. Schade, dass Sie gerade zu der ungemütlichsten Jahreszeit hier sind, Erin. Ich erinnere mich noch gut an das liebliche Klima auf Altaria und sehne mich oft nach den milden Temperaturen im Winter.“

Emma betrat einen geräumigen, gemütlich eingerichteten Raum mit edler Holzvertäfelung und hohen Bücherwänden voller ledergebundener Bücher und Trophäen, in dem die Familie sich versammelt hatte.

Daniels Vater unterbrach sein Gespräch mit einer jungen Frau und hob sein Glas. „Auf den Fürsten“, sagte er mit ernsten Augen und einem verhaltenen Lächeln.

„Auf den Fürsten!“, riefen auch die anderen und stürzten sich auf Daniel.

„Wann reist du ab?“, fragte eine junge Frau.

„Was machst du mit Jordan?“, wollte ein Mann wissen.

Daniel hob die Hände und lachte. „Langsam. Ich weiß noch nicht, wann ich abreise, aber wenn es so weit ist, werde ich Jordan mitnehmen. Jetzt aber möchte ich euch erst einmal Erin Lawrence vorstellen. Erin, Brad hast du schon kennengelernt.“

Erin nickte Daniels jüngerem Bruder zu.

„Das ist mein Bruder Drew.“ Daniel deutete auf einen großen Mann mit Emmas blauen Augen. „Er ist verantwortlich für die Überseegeschäfte bei Connelly und Vater einer sechsjährigen, computerbegeisterten Tochter.“

„Sehr erfreut.“ Drew reichte Erin die Hand.

„Angenehm“, murmelte Erin.

„Das ist meine Schwester Maggie.“ Daniel umarmte eine junge Frau mit langen braunen Haaren. „Sie ist Studentin und die Jüngste in der Familie.“

„Ich bin und bleibe das Nesthäkchen“, seufzte Maggie und sah Erin neugierig an. „Verzeihen Sie meine Neugier, aber welche Rolle spielen Sie in diesem ‚Königsspiel‘?“

„Sie bringt ihm Hofmanieren bei“, sagte Brad sichtlich amüsiert.

Maggie zuckte zusammen. „Sie Arme. Mein Beileid.“

„Maggie ist ein freches Luder“, sagte Daniel.

Vielleicht, aber auch ein sehr scharfsinniges, dachte Erin. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Was studieren Sie?“

„Betriebswirtschaft und Kunst“, erwiderte Maggie, als wäre diese Fächerkombination das Natürlichste auf der Welt.

„Ich interessiere mich auch sehr für Kunst und würde gern einmal mehr über Ihr Studium hören“, sagte Erin.

Maggie lächelte erfreut. „Vielleicht kann ich meine Mutter überreden, dass ich beim Dinner neben Ihnen sitzen kann.“

„Da wir gerade davon sprechen“, warf eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren und traurigen dunkelblauen Augen ein. „Ich kann nicht bleiben. Ich habe eine Verabredung mit John Parker.“

Daniel zog die Augenbrauen hoch. „Ist das nicht einer von Dads Geschäftspartnern?“

„Ja, das ist er“, sagte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, als sie Daniel umarmte. „Ich wünsche dir alles Gute für dein neues Leben. Arbeite nicht zu hart.“ Sie drehte sich zu Erin. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Daniels Schwester Tara. Tut mir leid, dass ich nicht länger bleiben kann.“

„Kein Problem“, sagte Erin. „Ich freue mich, dass wir uns kennengelernt haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“

In Taras Augen flackerte etwas auf, was Erin nicht deuten konnte. Dann presste sie die Lippen aufeinander. „Danke.“ Sie drehte sich um und winkte Daniel zu, als sie zur Tür ging. „Pass auf dich auf, Hoheit.“

Nachdenklich sah Daniel seiner Schwester nach. „Ob die alte Tara jemals zurückkehren wird?“, murmelte er.

„Wie bitte?“ Erin sah ihn verwirrt an.

Seine Mutter und sein Vater traten hinter sie. „Vor ein paar Jahren hat Tara ihren Mann bei einem Zugunglück verloren. Seitdem ist sie nicht mehr dieselbe.“ Der Kummer darüber, dass sich ihre Tochter von dem Schicksalsschlag nicht erholte, war Emma deutlich anzumerken.

Grant Connelly legte tröstend den Arm um seine Frau, doch Erin sah auch in seinen Augen eine tiefe Traurigkeit. „Eines Tages wird ihr alter Schwung zurückkehren“, sagte er zu Emma.

Erin verspürte einen Stich ins Herz, als sie sah, wie eng die Connellys durch ihre gegenseitige Liebe und die gemeinsame Geschichte miteinander verbunden waren. Wahrscheinlich hatten sie nicht einmal eine Ahnung, wie wertvoll dieses besondere Band war.

Grant verdrängte die traurigen Gedanken und reichte Erin lächelnd die Hand. „Wir freuen uns, dass Sie kommen konnten. Emma hätte es sich nie verziehen, wenn es mit einem Besuch nicht geklappt hätte. Sie ist vielleicht als Prinzessin geboren, aber vor allem ist sie Mutter. Sie bemuttert jeden, der jünger ist als sie selbst.“

Eine zarte Röte überzog Emmas Wangen. „Du übertreibst.“ Grant schüttelte den Kopf. „Habe ich mich verhört, oder hast du nicht auch Marcs Tochter eingeladen, uns zu besuchen?“

„Catherine hat gesagt, dass sie gern kommen würde, sobald sie Marcs Angelegenheiten geregelt hat. Natürlich habe ich sie eingeladen. Catherine ist meine Nichte, und ich weiß, wie schrecklich es für sie war, ihren Vater und ihren Großvater zu verlieren.“

„Auch für Sie ist der zweifache Verlust tragisch, Mrs. Connelly“, sagte Erin ruhig.

Emma ergriff Erins Hand. „Was für eine einfühlsame junge Frau. Danke für Ihr Mitgefühl. Auch wenn ich Daniel schrecklich vermissen werde, so ist es mir doch ein Trost zu wissen, dass er die Rosemere-Tradition fortsetzt. Und ich bin Ihnen für jede Hilfe dankbar, die Sie ihm geben können.“

Erin verspürte ein schlechtes Gewissen. Wenn Emma wüsste, dass Erins Vater wünschte, Daniel würde niemals kommen.

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte Grant, während Erin noch mit den unterschiedlichsten Gefühlen kämpfte.

„Sehr freundlich. Ich hätte gern ein Glas Weißwein. Vielen Dank.“

Eine Frau erschien in der Tür, um das Dinner anzukündigen, und die kleine Gruppe begab sich in das große Esszimmer, das mit Spiegeln und Gemälden wunderschön dekoriert war.

Maggie saß während des Essens neben Erin, und die beiden jungen Frauen unterhielten sich angeregt über Kunst und Maggies Studium. Erin fühlte sich der jüngsten Connelly sofort freundschaftlich verbunden. Dennoch vergaß sie während des gesamten Dinners nicht, dass Daniel direkt neben ihr saß. Die Art, wie er sich mit seiner Familie unterhielt und lachte, war von einer bemerkenswerten Leichtigkeit. Erin begriff langsam, dass Daniel jeder Situation gewachsen war. Fasziniert sah sie ihn an.

„Du starrst mich so an“, murmelte er so leise, dass nur sie es hören konnte.

Verlegen senkte Erin den Blick und schaute auf die Erbsen auf ihrem Teller. „Entschuldige“, flüsterte sie.

„Ist schon in Ordnung. Du kannst mir nach dem Dinner sagen, was du gedacht hast.“

Sie warf ihm einen gequälten Blick zu.

Daniel grinste. „Du hast dich lange mit Maggie über Kunst unterhalten. Aber hat sie dir auch schon ihre Leidenschaft für schnelle Autos verraten?“

Erin sah Daniels Schwester erstaunt an. „Schnelle Autos?“

Maggie verdrehte die Augen. „Wenn ich ein Mann wäre, dann hätten wir diese Diskussion gar nicht. Ich fahre einen Lamborghini. Meinen Brüdern wäre es lieber, ich würde ein Auto mit weniger PS fahren.“

„Das hat vielleicht etwas mit der Anzahl deiner Strafmandate zu tun“, warf Grant ein.

„Unsinn. Ich bin wirklich eine sehr sichere Fahrerin. Der Wagen fährt fantastisch. Vielleicht haben Sie ja mal Lust auf eine kleine Spritztour“, sagte sie zu Erin.

Begeistert von der Idee, lächelte Erin. „Ja, wahnsinnig gern.“

Daniel gab ein missbilligendes Geräusch von sich. „Wir werden sehen. Das Dinner war fantastisch. Wie üblich. Und jetzt entschuldigt Erin und mich bitte. Ich würde sie gern herumführen.“

Daniel führte Erin durch das Foyer die breite Treppe hinauf in die erste Etage. Fotos und Gemälde dokumentierten die Geschichte der Familie. Private Fotos zeigten einen stolzen Fürst Thomas und das stille Glück von Fürstin Lucinda. Prinz Marc, dem schon als Kind der Charme aus den Augen lachte. Prinzessin Emmas natürliche Schönheit, die von der Entschlossenheit in ihrem Blick ablenkte. Diese Entschlossenheit und die Abenteuerlust hatten sich als nützlich erwiesen, als sie auf ihren Titel verzichtete. Mit großem Interesse betrachtete Erin das Hochzeitsbild von Grant und Emma.

Daniel erzählte Geschichten aus seiner Kindheit, während sie durch das herrschaftliche Haus wanderten. Erin konnte die Liebe und Leidenschaft, die diese Familie verband, buchstäblich mit Händen greifen. Schließlich führte Daniel sie in ein kleines Arbeitszimmer mit einer breiten Glasfront. Er schaltete das Licht aus und lotste sie an eines der Fenster.

„Sieh dir das an“, sagte er und deutete auf ein Labyrinth aus Buchsbaumbüschen im parkähnlichen Garten, das mit Tausenden von kleinen Lichtern beleuchtet war.

Für Erin war es ein Bild aus dem Märchenland. „Unglaublich schön. Habt ihr als Kinder dort gespielt?“

Daniel nickte. „Dieses Labyrinth gibt es schon, solange ich denken kann. Als Kinder haben meine Geschwister und ich dort Verstecken gespielt. Und als ich älter wurde, habe ich mich dorthin zurückgezogen, wenn ich allein sein wollte.“

„Können wir jetzt dorthin?“, fragte Erin impulsiv.

Zweifelnd blickte er sie an. „Es friert.“

„Hast du Angst, dass du dich erkältest?“, neckte sie ihn.

Daniels Augen verdunkelten sich. „Absolut nicht. Ich habe an dich gedacht.“

„Aber du bist doch ein Experte darin, mich zu wärmen.“

„Ja, das ist allerdings wahr.“ Er schob sie zur Tür. „Komm, wir holen unsere Mäntel.“

7. KAPITEL

Umgeben von Buchsbäumen, winzigen weißen Lichtern und der kalten Nacht stand Erin mit Daniel mitten in dem Labyrinth. Es war so kalt, dass ihr Atem in kleinen weißen Wölkchen hochstieg. Am klaren, dunklen Himmel funkelten Tausende von Sternen wie Brillanten.

„Es ist wunderschön hier“, sagte Erin mit belegter Stimme.

Daniel nickte. Er schloss die Arme um Erin, damit ihr nicht kalt wurde. „Die ideale Nacht, um sich von den Sternen etwas zu wünschen, falls du an solche Dinge glaubst.“

Erin blickte in sein markantes Gesicht und verspürte das tiefe Verlangen, ihn besser kennenzulernen. „Glaubst du daran?“

„Aus Erfahrung weiß ich, dass man selbst etwas dafür tun muss, wenn ein Wunsch erfüllt werden soll. Doch ich besitze die irischen Wurzeln meines Vaters, und wir glauben nur zu gern an Glück und Magie.“

Erin blickte in den Himmel hinauf, und eine Flut von Wünschen schoss ihr durch den Kopf. Geheime Herzensangelegenheiten, über die sie nicht sprach. Ich wünschte, meine Mutter hätte länger gelebt. Ich wünschte, mein Vater und ich ständen uns näher.

Erin wurde das Herz schwer. Die Aussicht, den Auftrag ihres Vaters zu seiner Zufriedenheit zu erledigen, wurde mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Doch in Daniels Armen fühlte sie sich sicherer und weniger allein als je zuvor in ihrem Leben. Sie fragte sich allerdings, was sie eigentlich diesem starken Mann geben konnte. Er schien nichts zu brauchen, vor allem nicht sie.

Erin schloss die Augen. Ich wünschte, er würde mich brauchen. Obwohl sie wusste, dass es kindisch war, suchte sie sich den hellsten Stern am Himmel für ihren geheimen, sinnlosen Wunsch aus. Ihr ganzes Leben hatte sie sich gewünscht, von jemandem gebraucht zu werden.

„Ich habe mir etwas gewünscht“, hörte sie seine Stimme direkt an ihrem Ohr.

Sie öffnete die Augen, und die Leidenschaft, die in seinen Augen blitzte, ließ sie erbeben. „Was hast du dir gewünscht?“

„Dass du mich küsst.“

Erin stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Daniel, um ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Dabei dachte sie, dass sie viel mehr mit ihm erleben wollte, als nur harmlose Küsse auszutauschen, auch wenn das bedeutete, dass ihr Vater sich für immer von ihr abwandte.

Als sie das erkannt hatte, legte sich ihre Scheu. Sie glitt mit den Händen unter seinen Mantel und vertiefte den Kuss. Daniel zog sie fester in seine Arme, und eine wohlige Wärme breitete sich trotz der eisigen Kälte in Erin aus. Während sie sich in einem langen, heißen Kuss verlor, schmiegte sie sich an ihn und drückte ihre Brüste gegen seinen Körper.

Daniel stöhnte leise und löste sich von ihren Lippen. Er legte die Stirn gegen ihre und holte tief Luft. „Jetzt wünsche ich mir noch viel mehr als einen Kuss.“

Erins Herzschlag beschleunigte sich. Sie hatte das Gefühl, sich an einer Weggabelung zu befinden. Und egal, für welche Richtung sie sich entschied, es würde kein Zurück mehr geben. Doch ihre Entscheidung war längst gefallen. Sie konnte nicht länger leugnen, wie stark sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Und auch wenn sie genau wusste, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft mit ihm gab, wollte sie mit ihm zusammen sein.

Sie versuchte, ihr laut klopfendes Herz zu beruhigen, und strich mit den Lippen zärtlich über seinen Mund. „Du musst dir nur den richtigen Stern aussuchen.“

An die nächsten Minuten hatte sie später nur noch eine nebelhafte Erinnerung. Daniel führte sie zurück ins Haus seiner Familie, damit sie sich verabschiedeten. Dann fuhren sie zu seiner Wohnung. Sie sprachen nur wenig, doch jeder Blick von ihm sagte mehr als tausend Worte. Und bei jeder roten Ampel beugte er sich zu ihr und küsste sie leidenschaftlich.

Kaum hatten sie sein Apartment betreten, drehte er sich zu ihr, als könnte er es nicht mehr abwarten, sie zu berühren. Er schob ihr den Mantel von den Schultern und öffnete in Sekundenschnelle den Reißverschluss ihres Kleides. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hob er sie schon hoch und trug sie in sein Schlafzimmer.

Erin hatte das Gefühl, als hätte sie ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet.

Daniel legte sie behutsam auf das Bett, holte ein Päckchen mit Kondomen aus seiner Nachttischschublade und begann sich auszuziehen.

Erin bewunderte seinen muskulösen Körper. Als er seine Boxershorts auszog und sie sah, wie unglaublich kraftvoll er gebaut war, verspürte sie einen Hauch Angst.

Er legte sich vorsichtig auf sie, wobei er sich auf den Ellenbogen abstützte. „Bist du wirklich sicher?“ Fragend blickte er sie an.

Erin liebte es, ihm so nah zu sein, und verdrängte den Anflug von Panik. Auf keinen Fall sollte ein Schluckauf diesen magischen Moment zerstören. „Ja“, stieß sie hervor.

„Du siehst nicht so aus.“ Er liebkoste ihren Nacken, und ein Prickeln ging durch ihren Körper.

„Ich bin sicher“, wiederholte sie und drängte sich ihm entgegen.

„Du hast noch zu viel an“, sagte Daniel und strich mit der Zungenspitze über ihren Hals.

Erin biss sich auf die Lippen und nestelte an dem Vorderverschluss ihres BHs herum. Dann entblößte sie ihre Brüste.

Daniel verschlang sie fast mit seinen Augen. „Deine Brüste machen mich verrückt. Soll ich sie streicheln oder mit dem Mund verwöhnen?“

Erin spürte, dass sich die Knospen aufrichteten, und sie warf ganz bewusst das letzte bisschen Scheu ab. „Mit dem Mund“, schlug sie vor.

Überrascht sah er sie an. Dann blickte er wieder auf ihre Brüste und rutschte etwas tiefer. Während er die eine Brust streichelte, liebkoste er die andere mit dem Mund. Sein Atem strich heiß über ihre Haut, und Erin stöhnte leise, als er die harte Knospe zwischen die Lippen nahm und sanft daran saugte.

Verlangend bog sie sich ihm entgegen.

„Du machst es mir verdammt schwer, es langsam angehen zu lassen“, murmelte er und hob den Kopf.

„Mag sein, aber ich habe nicht die Absicht, etwas daran zu ändern.“

„Dein Slip stört noch.“

„Dann hilf mir, ihn auszuziehen.“

Heiße Leidenschaft blitzte in seinen Augen auf, als er den Slip über ihre Beine schob, und Erin schließlich nackt vor ihm lag. Bewundernd betrachtete er ihren verführerischen Körper. Dann schob er die Hand zwischen ihre Schenkel und begann, sie sanft zwischen den Beinen zu reizen. „Du bist so schön“, flüsterte er und sah ihr in die Augen. „Streichel mich auch.“

Erin legte die Hand an Daniels Brust. Zärtlich strich sie über die harten Brustspitzen, über seinen muskulösen Bauch und noch tiefer.

Daniel ergriff ihre Hand und legte sie um seine Männlichkeit.

Wie von selbst begann Erin mit einem verführerischen Liebesspiel.

Daniel schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf Erins sanfte Handbewegungen. Erst als er kurz vor dem Orgasmus stand, hielt er ihre Hand fest. „Nicht so schnell, Darling“, flüsterte er und ließ den Daumen um ihre empfindlichste Stelle kreisen, bis Erin sich lustvoll wand.

Ihr Atem wurde schneller, ebenso wie der Rhythmus seiner Finger. „Komm zu mir“, sagte sie und legte die Hand über seine. „Ich will dich in mir spüren.“

Daniel streifte sich schnell ein Kondom über. Dann legte er sich zwischen ihre Beine und drang behutsam in sie ein.

Sie drängte sich ihm entgegen.

„Du machst es mir nicht leicht, vorsichtig zu sein. Ich will, dass es für dich schön und unvergesslich wird. Ich will dir nicht wehtun.“

„Du tust mir nicht weh; du tust mir gut. Ich will …“ Sie verstummte, als er tiefer in sie drang.

Daniel spürte einen leichten Widerstand, doch es gab kein Zurück mehr.

Erin hielt den Atem an. Er war zu groß, zu hart, und es tat ein bisschen weh.

Aber nur fünf Sekunden lang.

Er blickte ihr in die Augen. „Sag mir, wenn es für dich okay ist.“

Erin biss sich auf die Lippe. „Bei mir ist gar nichts mehr okay, seit ich dich getroffen habe“, gestand sie.

Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er sie so zärtlich an, dass ihr fast die Tränen kamen. „Erin, du bist ein wahrer Schatz. Du weckst in mir das Bedürfnis, dich zu beschützen und mich um dich zu kümmern“, sagte er und begann, sich langsam zu bewegen.

Er senkte den Kopf, und ihre Lippen verschmolzen, während ihre Körper in einen immer schneller werdenden Rhythmus verfielen. Die Bewegungen waren so intensiv, dass Erin schon bald den Höhepunkt erreichte. Sie hatte das Gefühl, im freien Flug vom Himmel zu fallen. Und kurz bevor sie auf dem Boden landete, fand auch Daniel die Erlösung und verströmte sich in ihr.

Erin hatte sich noch nie so weiblich, so begehrt, so vollkommen gefühlt – fast, als würde sie gebraucht.

Die ganze Nacht über blieb Erin bei Daniel. Am nächsten Morgen schliefen sie wieder zusammen, und anschließend zog er sie mit unter die Dusche. Am liebsten wäre er den ganzen Tag mit ihr im Bett geblieben und hätte Sex mit ihr gehabt, doch er wollte es nicht übertreiben. Er war sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass er der erste Mann in ihrem Leben gewesen war. Auch wenn er es sich nicht erklären konnte, hatte er das Gefühl, sie beschützen zu müssen.

Sie war eine sinnliche Frau, die nur darauf wartete, ihre Weiblichkeit zu entdecken. Und er wollte jeden Schritt mit ihr erleben. Als er ihren nackten Körper ansah, wollte er wieder mit ihr schlafen. Er war erregt und verspürte eine Besitzgier, die ihn selbst überraschte.

„Warum starrst du mich so an?“, fragte sie.

„Ich habe gerade gedacht, dass du eine wunderschöne Frau bist“, erwiderte er und ließ seinen Blick über ihre feuchten Haare wandern, ihre Lippen, die von seinen Küssen geschwollen waren, und die rosigen Spitzen ihrer Brüste.

„Ich bin nicht vollkommen.“

„Ich dachte, das Thema hätten wir bereits abgehakt. Trotzdem muss ich dir widersprechen.“ Er senkte den Mund auf eine der Knospen, und strich mit der Zunge sanft über die Spitze, umspielte und reizte sie. „Diese herrlichen Knospen passen perfekt in meinen Mund.“ Seine Erregung steigerte sich. „Verdammt, ich könnte schon wieder mit dir schlafen.“

Sie blickte ihn verträumt an. „Wäre das denn so schrecklich?“

Er lächelte über ihren britischen Akzent. „Nein, aber ich möchte dir nicht wehtun.“

„Und was ist mit Küssen?“ Erin zog ihn zu sich hoch.

Daniel stöhnte leise, als ihre Lippen zu einem heißen Kuss verschmolzen.

Erin öffnete sich ihm mit einer Leidenschaft, die über ihre Unerfahrenheit hinwegtäuschte. „Du bist ein toller Liebhaber“, flüsterte sie gegen seine Lippen und legte die Hand an seine Männlichkeit. „Liegt das daran, dass du so viel Erfahrung hast?“

„Vielleicht auch ein bisschen, aber vor allem liegt es an dir. Du motivierst mich so.“

„Es ist eigentlich nicht fair, dass du so viel Erfahrung hast und ich gar keine. Ich muss unbedingt noch Erfahrungen sammeln.“ Aufreizend streichelte sie ihn.

Ihre Berührungen machten ihn fast verrückt. „Ich habe absolut nichts dagegen.“

Diesem Angebot konnte Erin nicht widerstehen. Sie wanderte mit den Lippen über seine Brust und hauchte zärtliche Küsse auf seinen Bauch. Mit der Wange berührte sie seine Männlichkeit, und er unterdrückte ein Stöhnen.

„Erin, was machst du da?“

Sie beantwortete seine Frage, indem sie ihn sehr aufreizend mit dem Mund berührte.

Daniel blickte auf sie hinab. Ihre Haare ergossen sich über seinen Bauch, und ihre Lippen lagen an seiner Männlichkeit.

Kurz löste sie sich von ihm und sah zu ihm auf. „Ich will es richtig machen“, sagte sie und senkte wieder den Kopf. „Sag mir, wenn es gut ist.“

Sie umschloss ihn mit den Lippen und liebte ihn mit solchem Eifer, dass Daniel sie wegschieben musste, als er kam. Er zog sie in seine Arme und drückte ihren Kopf an seine Schulter.

„Du hast mir nicht gesagt, ob ich es richtig mache?“

Daniel konnte nur stöhnen.

Zwei Tage später erhielt Daniel einen Anruf von seinem Bruder Brad, und Erin konnte beobachten, wie sich Daniels Welt daraufhin veränderte. Die Presse hungerte nach Informationen und musste gefüttert werden. Die Zeit für Daniels erstes Interview als zukünftiger Fürst von Altaria war gekommen.

Um die Bürger von Altaria nicht vor den Kopf zu stoßen, beschloss Daniel, dass das Interview zuerst im Fernsehen und Radio von Altaria ausgestrahlt werden sollte, bevor es im amerikanischen Fernsehen erschien. Erin liebte ihn für sein Einfühlungsvermögen. Um der trauernden Nation die Ehre zu erweisen, zeigte seine Mutter sich an seiner Seite, zögerte jedoch, dem amerikanischen Sender ein Interview zu geben.

Der Reporter von Altaria verhielt sich respektvoll und zurückhaltend; die amerikanische Journalistin dagegen war eher kritisch und knallhart. Doch Daniel gab sich selbstbewusst und beherrscht.

„Welchen Grund kann es für einen erfolgreichen amerikanischen Geschäftsmann geben, die eher unbedeutende Rolle des Fürsten eines kleinen, exotischen Inselstaates zu übernehmen?“, fragte die amerikanische Reporterin.

„Dieser Amerikaner hat beschlossen, die Rolle aus ganz altmodischen Gründen zu akzeptieren: Familienehre und Pflichtgefühl. Und ich stimme Ihnen nicht zu, dass die Aufgabe unbedeutend ist. Ich denke, sie steht und fällt mit dem Menschen, der sie übernimmt.“

Die Reporterin schien überrascht. „Ist das so? Dann haben Sie also schon Pläne für Ihre Regentschaft, Hoheit?“, fragte sie skeptisch.

Erin hätte der Frau am liebsten ihre Meinung gesagt, doch sie merkte, dass Daniel sich nicht aus der Reserve locken ließ.

„Es wäre falsch von mir, das Amt mit der Vorstellung anzutreten, alles verändern zu wollen. Altaria kommt seit Jahrhunderten gut ohne meine Ideen zurecht. Andererseits hielte ich es auch für verantwortungslos, wenn ich gar keine Neuerungen umsetzen würde.“

Er machte eine kurze Pause. „Im Moment erkunde ich die Möglichkeiten zum Ausbau des Flughafens von Altaria. Das hätte positive Auswirkungen auf den Tourismus und auf die Wirtschaft. Außerdem werde ich nach Möglichkeiten suchen, das Hochschulwesen auf der Insel einzuführen. Ich will eine Wirtschaftlichkeitsprüfung für alle Regierungsabteilungen einführen, einschließlich des Rosemere Instituts, das meine Familie gegründet hat.“

Die Antwort würde ihrem Vater wahrscheinlich nicht gefallen, doch Erin fand sie inspirierend.

Ein PR-Mitarbeiter von Connelly flüsterte Erin zu: „Daniel ist einfach brillant. Er geht so souverän mit der Presse um, als wäre er für diese Aufgabe geboren.“

„Das ist er auch“, erinnerte Erin den Mann. Gleichzeitig dachte sie daran, dass sich ihre Beziehung zu Daniel viel zu schnell ändern würde. Bei dem Gedanken wurde ihr schlecht.

„Dann werden Sie also nicht nur Repräsentationspflichten übernehmen?“, sagte die Reporterin.

Daniel lächelte. „Ganz bestimmt nicht.“

„Erzählen Sie mir vom Rosemere Institut.“

„Mein Großvater, der verstorbene Fürst Thomas, hat das Institut gegründet, um die technische und medizinische Forschung zu fördern. Nach dem Krebstod meiner Großmutter widmete sich das Institut vor allem der Erforschung neuer Wege zur Krebsbekämpfung.“

Erin beobachtete Daniel, der gekonnt seinen natürlichen Charme und seine Intelligenz einsetzte, um die Fragen der Reporterin souverän zu beantworten. Seine Umsicht und Aufrichtigkeit würden Mauern zu Fall bringen. Am Ende des Interviews war Erin überzeugter denn je, dass Daniel geeigneter als jeder andere Mann war, Fürst von Altaria zu werden.

Er schaltete sein Mikrofon aus, schüttelte der Reporterin die Hand und blickte sich suchend im Studio um. „Erin?“, rief er, und ihr Herz schlug Purzelbäume.

Sie machte sich bemerkbar. Als er sie erblickte, lächelte er erleichtert und eilte zu ihr. „Nach diesem Duell mit dem Teufel bin ich ganz schön hungrig“, sagte er so leise, dass nur sie es verstehen konnte. „Chicago Hotdog oder Pizza?“

„Wie sieht es mit dem Personenschutz aus?“

„Ab morgen“, sagte er, und sie spürte, dass ihre Uhr angefangen hatte zu ticken. „Wir haben noch einen Abend ganz für uns, und den werden wir nicht verschwenden.“

Erin und Daniel ließen keine Minute des restlichen Tages und der Nacht ungenutzt. Sie holten sich Hotdogs, und Daniel fütterte Erin damit auf höchst erotische und provokante Art und Weise. Das Essen war schnell vergessen, und sie verschlangen sich gegenseitig.

Am nächsten Morgen standen sie früh auf. Gemeinsam duschten sie und unternahmen anschließend einen flotten Spaziergang mit Jordan.

„Ein schöner sonniger Tag“, sagte Daniel.

„Ein eiskalter sonniger Tag“, entgegnete sie.

„Ich werde dich wärmen“, versprach er. Der Ausdruck in seinen Augen ließ ihr Herz schneller schlagen. Er verlangsamte seinen Schritt und küsste sie.

„Du wirst viel zu beschäftigt sein, um mich zu wärmen“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Für heute sind viele Meetings anberaumt.“

„Ich werde niemals zu beschäftigt sein, um dich zu wärmen, Erin. Vergiss das nie.“ Er ergriff ihre Hand und setzte den Marsch fort.

Als sie um eine Straßenecke bogen, hörte Erin ein lautes Geräusch, als hätte ein Wagen eine Fehlzündung gehabt. Der Knall durchbrach die Stille des Morgens. Direkt über ihnen zerbarst eine Fensterscheibe.

Verwirrt blickte Erin hoch.

„Runter!“, schrie Daniel und riss sie zu Boden, als der nächste Schuss durch die Luft peitschte.

Sie hörte das Quietschen von Reifen und sah einen schwarzen Wagen, der die Straßen hinunterraste.

Die eiskalte Faust der Angst schloss sich um Erins Herz. Sie klammerte sich an Daniel. „Daniel? Daniel!“ Als er nicht sofort antwortete, setzte ihr Herzschlag für einen Moment aus. Sie drehte sein Gesicht zu sich und wäre fast in Ohnmacht gefallen, als sie das Blut auf seiner Stirn sah.

8. KAPITEL

Stunden, nachdem Daniel und Erin ausführlich auf dem Police Department von Chicago befragt worden waren und die Connellys sich zu einem privaten Meeting getroffen hatten, stand ein offizieller Sicherheitsbeamter von Altaria vor Daniels Wohnung.

Erin konnte wieder frei atmen.

Daniel sah sie an und strich ihre Haare zurück. „Die Kugel hat meine Stirn kaum gestreift.“

Erin spürte, wie die Wut in ihr hochstieg. „Du hast geblutet. Du bist verletzt worden!“

Daniel zog sie in die Arme. „Dir hätte auch etwas passieren können.“

„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Angst.“ Was, wenn Daniel ernsthaft verletzt worden wäre? Was, wenn sie ihn verloren hätte? Auch wenn sie wusste, dass er ihr nie wirklich gehören würde, konnte Erin den Gedanken an seinen Tod nicht ertragen. Sie begann zu zittern.

Daniel wich leicht zurück und runzelte die Stirn. „Du zitterst ja“, sagte er. „Beruhige dich. Dir ist nichts passiert – und mir auch nicht.“ Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. „Und es ist jetzt beschlossene Sache, dass wir beide morgen nach Altaria reisen werden.“

Erin suchte seinen Blick. „Wer hat die Entscheidung getroffen? Der Sicherheitsdienst?“

„Der Sicherheitsdienst, die Connellys und ich. Es wird Zeit, dass ich den nächsten Schritt gehe. Natürlich könnte ich mir einreden, dass der Schuss nicht wirklich mir galt, aber …“ Er sprach nicht weiter, sondern schüttelte nur den Kopf.

„Aber es wäre ein zu großer Zufall, dass gestern Abend dein Interview weltweit ausgestrahlt und ein paar Stunden später auf dich geschossen wird.“

Er nickte langsam. „Irgendjemand hat offensichtlich etwas dagegen, dass ich der Fürst von Altaria werde.“

Erins Herz schnürte sich zusammen. Sie dachte an ihren Vater, doch sie wusste, dass er nicht so weit gehen würde. „Warum?“, fragte sie laut.

„Keine Ahnung. Ich habe aber auch keine Zeit, mir jetzt Gedanken über Gegner zu machen. Es gibt noch so viele andere Dinge zu erledigen. Der Sicherheitsdienst wird seinen Job machen.“

Erin schüttelteden Kopf. „Du könntest tot sein. Wie kannst du einfach zur Tagesordnung übergehen? Machst du dir keine Gedanken, ob du das Amt wirklich annehmen sollst?“

„Nein“, sagte er mit einer Unerschrockenheit in den Augen, die einfach nur bewundernswert war. „Im Gegenteil, ich bin entschlossener denn je. Einige Leute haben mir gesagt, dass ich als Fürst nur Repräsentationspflichten und keine wirkliche Macht haben werde. Angeblich habe ich keine Chance, etwas zu verändern. Wenn das wirklich so ist, warum will mich dann jemand umbringen?“

Am nächsten Tag flog Erin zusammen mit Daniel und mehreren Bodyguards in einem gecharterten Flieger nach Altaria. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde, sobald sie auf der Insel angekommen waren. Sie wusste nur, dass sich die Beziehung zwischen Daniel und ihr drastisch ändern würde.

Sie landeten wie geplant spätabends, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Doch die Ankunft des zukünftigen Fürsten hatte sich offensichtlich herumgesprochen, denn eine riesige Menschenmenge und mehrere offizielle Wagen standen wartend vor dem Flughafengebäude.

Die Menschen hießen Daniel winkend und applaudierend willkommen.

„Du kommst mit mir“, sagte Daniel zu Erin.

„Ganz bestimmt nicht“, erwiderte sie.

Verblüfft blickte er sie an. „Und warum nicht? Jetzt sag nicht: ‚Weil es sich nicht gehört‘.“

„Das ist Grund genug“, sagte sie. Das Herz wurde ihr schwer. „Ich möchte nicht, dass die Presse dir meinetwegen neugierige Fragen stellt.“

„Nach dieser Schlange von Journalistin in Chicago, glaube ich, kann ich mit solchen Fragen ganz gut umgehen.“

„Ich bestehe darauf“, sagte sie ruhig.

Ungeduldig steckte er die Hände in die Taschen. „Ich habe das Gefühl, dass du nicht mit dir reden lässt.“

„Stimmt“, sagte sie und lächelte sanft. „Du musst deine Untertanen begrüßen. Du repräsentierst ihre Bindung zur Vergangenheit und ihre Hoffnung in die Zukunft. Allein deine Anwesenheit wird ein Lichtblick sein.“

„Okay. Aber du musst mit in den Palast kommen.“

Sie schüttelte den Kopf.

„In diesem Punkt komme ich dir nicht entgegen. Falls du eine Jobbeschreibung brauchst, du bist meine persönliche Beraterin und Vertrauensperson im Palast, und deine erste Aufgabe wird es sein, Jordan in den Palast zu bringen. Man hat mir gesagt, dass er nicht in Quarantäne muss.“

Erin starrte Daniel an. „Jordan?“

Daniel nickte und zog sein Jackett an. „Dagegen kann niemand etwas sagen. Ich will rund um die Uhr mindestens zwei Lebewesen an meiner Seite haben. Jordan und dich.“ Er beugte sich vor und küsste sie. „Noch irgendwelche Anweisungen das Protokoll betreffend? Sitzt meine Krawatte richtig?“

Mit klammen Fingern zog Erin die Krawatte zurecht. Daniel wollte es vielleicht noch nicht wahrhaben, aber dies war der Anfang vom Ende ihrer Beziehung. „Gib den Menschen die Gelegenheit, sich vor dir zu verbeugen oder zu knicksen. Sie wollen dir ihren Respekt erweisen.“ Die unterschiedlichsten Gefühle ergriffen von ihr Besitz. „Du wirst ein wundervoller Fürst werden“, sagte sie.

Sein Blick wurde ernst. „Wir sehen uns später im Palast.“

Jordan zeigte sich nicht besonders kooperativ. Erin sah sich gezwungen, einen Mann vom Personenschutz zu beauftragen, ein Stück Fleisch zu holen, um das Tier damit zu bewegen, mit ihr zu gehen. Schnell gab sie den Versuch auf, ihn zurück in die Hundebox zu drängen, in der er die Flugreise verbracht hatte. Nachdem er zunächst jeden Menschen angeknurrt hatte, der seinen Weg kreuzte, blieb er schließlich dicht bei Erin, als die Limousine das Flughafengelände verließ und in Richtung Palast fuhr.

Als er mit den Pfoten gegen das Fenster schlug, ließ Erin es ein paar Zentimeter hinunter.

Der Sicherheitsmann sah sie missbilligend an.

„Der Hund ist durcheinander“, erklärte sie. „Er hat ein paar harte Tage hinter sich.“

Jordan verbrachte den Rest der Fahrt winselnd und heulend. Er wollte zu Daniel.

Erin konnte es ihm nicht verdenken. Nachdem sie den Palast erreicht hatten, machte sie einen Spaziergang mit Jordan, damit er sein Geschäft erledigen konnte. Als sie ihn gerade mit in den Palast nehmen wollte, bog Daniels Wagenkolonne auf das private Palastgelände ein.

Jordan stellte die Ohren auf, als sich die Fahrzeuge näherten. Als Daniel aus seinem Wagen stieg, war das Tier kaum noch zu halten und begann lauthals zu bellen und an der Leine zu zerren.

Daniel blickte auf und entdeckte Erin und Jordan. „Bring ihn zu mir!“, rief er.

Jordan zog Erin mit sich, bis sie sein Herrchen erreichten. Freudig bellend sprang der Hund an Daniel hoch.

Daniel kraulte ihn und redete beruhigend auf ihn ein. Er blickte zu dem mittelalterlichen Palast, dann zu Erin. „Dort sollte Platz genug für meine Beraterin sein.“

„Sir“, sagte Erin, die sich der neugierigen Blicke ringsherum bewusst war.

„Fang nicht wieder damit an“, stöhnte Daniel.

„Ich muss“, flüsterte sie. „Zumindest, wenn andere Leute in der Nähe sind. Es wird erwartet.“

Daniel war alles andere als begeistert und runzelte die Stirn. „Das gefällt mir nicht.“

„Verzeihen Sie, wenn ich das sage, Sir. Es muss Ihnen auch nicht gefallen.“

„Ich bin nicht in der Stimmung, etwas zu verzeihen. Deshalb lass uns sehen, dass wir von diesen Gorillas wegkommen“, sagte er und wartete, dass sie mit ihm ging.

„Sie müssen vorangehen, Sir“, erinnerte sie ihn.

Daniel unterdrückte einen Fluch. Er würde sich mit den Veränderungen arrangieren. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, wie wichtig es war, sich den jeweiligen Bedingungen anpassen zu können. Nach den Ereignissen der letzten Tage musste Erin wegen der neugierigen Blicke die respektvolle Untertanin mimen. Dennoch ärgerte es ihn wahnsinnig, dass sie ihre Beziehung verstecken mussten, obwohl ihm natürlich klar war, dass es klüger war.

Am Eingang des Palastes begrüßte ihn der Pförtner mit einer höflichen Verbeugung.

Daniel schüttelte dem überraschten Mann die Hand.

Ein Palastangestellter führte Daniel durch das Schloss. Obwohl dieser müde und erschöpft war, nahm er die verschwenderische Dekoration wahr, die einzigartigen mittelalterlichen Wandteppiche und auf den roten Steinböden die kostbaren Orientteppiche.

Daniel wartete Verbeugungen und Knickse ab, dann schüttelte er den nächsten fünfzehn Palastbediensteten die Hand. Als er der leitenden Schlossverwalterin vorgestellt wurde, bat er sie um ein Zimmer für Erin.

Kaum befand er sich in seinen privaten Gemächern, schickte er die Bodyguards und Palastangestellten fort und bestand darauf, dass Erin Jordan in seinen Privatbereich brachte. Dann legte er sein Jackett und seine Krawatte ab und sah sich um. Das Wohnzimmer war mit antiken Möbeln eingerichtet. Etwas dunkel, dachte er, und ging ins Arbeitszimmer mit deckenhohen Bücherwänden und einem wunderschönen großen Schreibtisch, den sein Großvater benutzt haben musste.

Daniel verkrampfte sich der Magen bei dem Gedanken an seinen Großvater und die anderen Rosemeres, die vor ihm an diesem Schreibtisch gesessen hatten. Auf einmal spürte er die Last der Verantwortung. Sein Großvater entstammte einer langen Linie von Rosemeres, die das Land alle mit Leidenschaft regiert hatten. Daniel war entschlossen, diese Tradition fortzusetzen.

Aus dem Augenwinkel heraus sah er Jordan, der jeden Zentimeter der neuen Umgebung erschnüffelte.

Erin suchte in einem kleinen Kühlschrank nach etwas Essbarem. Bei ihrem Anblick nahm Daniels innere Unruhe etwas ab.

„Möchtest du ein Sandwich?“, fragte sie. „Offensichtlich hat jemand vor deiner Ankunft den Kühlschrank aufgefüllt. Sieht nach Schinken, Putenbrust, Roastbeef und Käse aus.“

Gott sei Dank kein ‚Sie‘ und kein ‚Sir‘ mehr. „Ich möchte einen Kuss“, sagte er, und sie drehte sich um und begegnete seinem Blick.

Sie sah so sanft und schön aus und verkörperte all das, wonach er sich, ohne es zu wissen, immer gesehnt hatte.

Lächelnd trat sie zu ihm, und Daniel hatte das Gefühl, als würde die Last des Tages von ihm abfallen. „Ein Kuss. Das ist machbar“, sagte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und presste ihre weichen Lippen auf seine.

Daniel schloss sie in seine Arme und genoss es, ihren Körper an seinem zu spüren.

Ein Klopfen störte den innigen Moment.

Daniel stöhnte. „Ich hatte ihnen befohlen zu verschwinden.“

Jordan begann zu bellen.

„Du solltest an die Tür gehen“, sagte Erin, streichelte über Daniels Wange und wich dann zurück. „Ich halte Jordan fest.“

Daniel öffnete einem großen, schlanken Mann mit Geheimratsecken die Tür.

„Hoheit“, begrüßte ihn der Mann. „Mein Name ist Gregor Paulus. Ich war Prinz Marcs persönlicher Assistent. Bitte verzeihen Sie die Störung. Ich konnte Sie vorhin nicht begrüßen, da ich da gerade diesen Imbiss für Ihre Ankunft bestellt hatte. Darf ich hereinkommen, Sir?“

Obwohl der Mann die Höflichkeit in Person war, empfand Daniel ihn als aufdringlich und penetrant. Doch er machte seine Müdigkeit für dieses Gefühl verantwortlich und verdrängte es.

Gregor trat ein. Als Jordan ihn anbellte, ließ der Mann fast das Tablett fallen. Daniel konnte es gerade noch retten.

„Gregor Paulus, das ist Erin Lawrence, mein persönliche Beraterin, und das ist mein Hund Jordan.“

Gregor nickte Erin zu und murmelte einen höflichen Gruß. Dann blickte er Jordan an und streckte widerstrebend die Hand aus, um den Hund zu streicheln.

Daniel erkannte sofort, dass Gregor kein Hundefreund war.

Während er Jordan nicht aus den Augen ließ, bewegte sich Gregor an das andere Ende des Raumes. „Ich wollte Sie persönlich begrüßen, Hoheit“, sagte er. „Ich weiß, dass sich Ihr Leben in vielerlei Hinsicht ändern wird, und ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Ihnen in jeder Hinsicht behilflich sein werde. Tag und Nacht.“

Daniel spielte mit dem Gedanken, den Mann darum zu bitten, den Hund auszuführen, doch das wollte er Jordan nicht antun. „Vielen Dank für das freundliche Angebot“, sagte er stattdessen. „Wenn ich Sie brauche, lasse ich Sie rufen. Und danke für den Imbiss. Ich werde mich heute Abend so früh wie möglich zurückziehen.“

Gregor nickte. Sein Blick hing immer noch an Jordan. „Wie Sie wünschen, Sir. Und wenn Sie etwas brauchen, zögern Sie nicht, mich zu rufen.“ Er entfernte sich rückwärtsgehend.

Kaum hatte Gregor den Raum verlassen, wandte Daniel sich an Erin. „Bilde ich es mir ein, oder war der Mann ein bisschen überspannt?“

„Er war extrem korrekt und respektvoll“, sagte sie und machte eine Pause. „Aber ich stimme dir zu: Er hat irgendetwas an sich, was mich verrückt macht.“

„Außerdem mag er Jordan nicht“, fügte Daniel hinzu. „Es sagt viel über einen Menschen aus, ob er Hunde mag oder nicht.“

„Ich habe auch keinen Hund“, erinnerte Erin ihn.

„Aber du hättest gern einen“, entgegnete Daniel und lachte. „Pudel sind zwar ziemlich angepasst, aber immerhin, es sind Hunde. Und Jordan mag dich.“

„Er mag mich, wenn ich etwas zu fressen für ihn habe“, korrigierte Erin.

„Ich möchte, dass du heute Nacht bei mir bleibst.“ Daniel ging auf sie zu. Er wusste, dass sie Widerstand leisten würde.

Sie schüttelte den Kopf. „Das gehört sich nicht. Es wäre nicht richtig. Die Palastangestellten würden sofort anfangen zu tratschen“, sagte sie. „Ich kann nicht zulassen, dass du …“

Daniel verschloss ihre Lippen mit einem Kuss, sodass kein weiterer Protest möglich war. Er küsste sie leidenschaftlich.

Erin erwiderte seinen Kuss, und alle Einwände waren vergessen.

Erin und Daniel hatten gerade das Frühstück in seinen Privaträumen beendet, als das Telefon klingelte.

Daniel nahm den Anruf entgegen.

„Daniel?“ Es war sein Bruder Brad. Seine Stimme klang ungeduldig und merkwürdig angespannt.

„Ja.“

„Es wird aber auch Zeit. Das ist schon mein dritter Versuch, dich zu erreichen, aber man hat mich nicht durchgestellt, weil Hoheit geschlafen hat.“

Daniel stöhnte. „Ich muss sie anweisen, dass Anrufe meiner Familie grundsätzlich durchgestellt werden sollen“, sagte er und formte mit den Lippen Brads Namen, als er Erins fragenden Blick sah. „Was gibt es denn so Dringendes?“

„Nichts Gutes, aber wir sind noch nicht sicher. Es scheint, als wären Fürst Thomas und Prinz Marc ermordet worden.“

Daniel lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. „Was? Sag das noch einmal.“

„Wir glauben nicht, dass der Bootsunfall tatsächlich ein Unfall war. Deshalb haben wir einen Ermittler engagiert. Sein Name ist Albert Dessage. Er lebt in Frankreich und wird nach Altaria kommen. Außerdem hat Elena Delgado, die Mitarbeiterin einer Spezialeinheit des Chicago Police Departments, den Auftrag, den Schuss auf dich näher zu untersuchen.“

Es dauerte einen Moment, bis Daniel die Worte seines Bruders verdaut hatte. Warum? Warum hätte jemand Fürst Thomas umbringen sollen? Daniel hatte nie engen Kontakt zu seinem Großvater mütterlicherseits gehabt, doch er hatte immer geglaubt, dass Fürst Thomas ein beliebter Regent gewesen war.

„Bist du noch dran?“

Daniel rieb sich das Gesicht. „Ja, ich versuche nur gerade, mir darüber klar zu werden, wem ich hier vertrauen kann.“

„Pass auf dich auf“, sagte Brad.

„Danke. Ich werde deinen Rat beherzigen.“

„Und hab Mitleid mit mir“, fügte Brad etwas lockerer hinzu. „Ich bin auserkoren, mich um die Detektivin zu kümmern.“

Daniel grinste. „Warum sollte ich Mitleid mit dir haben? Ich bin sicher, du wirst die Situation zu deinem Vorteil nutzen.“

„Miss Delgado ist sicher ein alter Drachen. Außerdem hast du leicht reden. Du hast diese hübsche Blondine mit dem hinreißenden Akzent an deiner Seite.“

Daniel lächelte Erin an. „Ich brauche etwas Zuspruch.“

„Ja, natürlich. Wie ist der Palast?“

„Alt und dunkel, und die Rohre in der Dusche klopfen“, sagte er. „Aber es ist fünfundzwanzig Grad warm, und der Blick auf die Küste ist atemberaubend.“

„Wir haben zehn Grad minus, und es schneit.“

Daniel lachte. „Dann besuch mich doch.“

„Ich kann leider nicht. Schließlich muss ich mich doch um diesen Drachen kümmern. So, jetzt habe ich leider keine Zeit mehr. Pass auf dich auf. Das meine ich ernst.“

Die aufrichtige Sorge in der Stimme seines Bruders rührte Daniel. „Versprochen. Haltet mich bitte auf dem Laufenden.“

Daniel legte auf und begegnete Erins neugierigem Blick. Er durchquerte den Raum und schloss sie in seine Arme. „Ich bin froh, dass du bei mir bist“, sagte er.

Ihre Augen weiteten sich. „Warum?“

„Je mehr ich über Altaria erfahre, desto weniger habe ich das Gefühl, dass ich den Menschen vertrauen kann. Ich weiß aber, dass ich dir vertrauen kann.“

Erin holte Luft und senkte den Blick. „So schlimm ist es gar nicht. Es muss doch noch andere Menschen geben, denen du vertrauen kannst.“

Daniel lachte, aber sein Lachen klang nach Galgenhumor. „Das wird schon werden, aber im Moment ist es etwas schwierig. Es besteht der Verdacht, dass Fürst Thomas und Prinz Marc ermordet worden sind. Dann war da der Anschlag auf mein Leben. Das alles ist nicht besonders lustig.“

Ungläubig sah Erin ihn an. „Fürst Thomas wurde ermordet?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist ja entsetzlich. Wenn das stimmt, dann wollen diese Leute wahrscheinlich auch deinen Tod.“ Erin war plötzlich leichenblass, und Tränen standen ihr in den Augen. „Daniel, du musst ganz vorsichtig sein.“

„Das werde ich auch“, versicherte er ihr. Es rührte ihn, dass sie sich Sorgen um ihn machte. Nie im Leben hätte er gedacht, dass diese hochanständige, züchtige Frau eine solche Wirkung auf ihn ausüben könnte. Sie war zu jung, zu unerfahren. Doch jetzt hatte er nur noch das Gefühl, dass es richtig war, mit ihr zusammen zu sein. Er blickte in ihre blauen Augen und fragte sich, ob sie wusste, dass sie ihm von Tag zu Tag wichtiger wurde.

„Fürst Thomas hat sich nicht häufig unter die Menschen von Altaria gemischt. Er präsentierte die Würde und Tradition des Thrones bei formalen gesellschaftlichen Angelegenheiten“, erzählte der Premierminister Daniel bei dem ersten Meeting im Kabinettsaal des Palastes.

Daniel fand sich umgeben von einem Dutzend Beratern, die entweder dem Premierminister oder dem Palast nahestanden.

„Ich stimme zu, dass diese offiziellen Auftritte wichtig für die Menschen sind“, sagte Daniel und dachte, dass er ein Stück dieser wertvollen antiken Möbel zertrümmern würde, wenn der Premierminister noch einmal „Fürst Thomas hat das so gemacht“ sagte. „Da die Einwohner von Altaria mich aber nicht kennen, halte ich es für wichtig, für sie erreichbar zu sein. Sie müssen mich kennenlernen, und ich muss sie kennenlernen.“

Louis Gettel, der reservierte, kluge Premierminister, ein Mann mittleren Alters, räusperte sich und zupfte an seiner Krawatte. „Darf ich fragen, wie Sie die Einwohner von Altaria kennenlernen wollen, Sir?“

„Ich würde gern die Schulen und Farmen besuchen. Und ich möchte die Besitzer von Geschäften und Unternehmen in den Palast einladen, um mit ihnen über ihre Sorgen zu sprechen“, sagte Daniel und beobachtete, dass Gettels linkes Augenlid nervös zuckte. Daniel überlegte, einen Scherz über geplante Palastorgien zu machen, doch er hielt sich zurück.

„Außerdem habe ich einen Freund gebeten, die Möglichkeiten einer Vergrößerung des Flughafens zu analysieren, und ich erwarte einen vollständigen Finanzbericht aller Regierungsabteilungen, einschließlich des Rosemere Instituts.“

Louis nickte. „Ihrer Bitte wird man nachkommen, Sir. Die Ihnen zugedachten Berater werden …“

„Ich werde mir meine Berater selbst auswählen“, unterbrach Daniel.

Louis zog die Augenbrauen hoch. „Wie Sie wünschen, Sir.“

„Mr. Gettel, darf ich offen mit Ihnen reden?“, fragte Daniel.

Überrascht sah der Mann Daniel an. „Natürlich, Sir.“

„Nach allem, was man hört, sind Sie ein hervorragender Premierminister. Altaria kann sich glücklich schätzen, Sie zu haben“, sagte Daniel.

„Danke, Sir.“ Der Mann war sichtlich erleichtert und erfreut über Daniels Beobachtung.

„Ich habe kein Interesse daran, der Premierminister von Altaria zu werden, und ich bin auch nicht Fürst Thomas. Aber ich werde alles tun, um der beste Fürst zu werden, der ich sein kann.“

Gettel blinzelte, als würde Daniel eine Überraschung nach der anderen präsentieren.

Daniel sah die Skepsis aus den Augen des Mannes weichen. Er verzog die Lippen zu einem vorsichtigen Lächeln. „Mehr können wir uns nicht wünschen, Sir.“

Daniel streckte die Hand aus. Gettels Händedruck war fest und herzlich. Daniel verspürte einen Anflug von Hoffnung, dass der Beginn seines neuen Lebens doch kein Gang durch die Hölle werden würde.

Nach dem Meeting wanderte Daniel durch den Palast auf der Suche nach Erin. Er wollte ihr von seinem ersten Treffen mit dem Premierminister erzählen. Als er sich dem Foyer näherte, glaubte er, Erin mit jemand reden zu hören. Die Stimmen wurden deutlicher.

„Ich bin froh, dass du wieder in Altaria bist. Gesund und munter“, sagte ein Mann. „Es scheint, dass du deinen Job erfolgreich ausgeführt hast.“

Erins Vater. Daniel wurde neugierig.

„Vater, ich glaube nicht …“, begann Erin.

„Sei nicht so bescheiden, Darling. Es ist nicht zu übersehen, dass du dich unentbehrlich gemacht hast. Ich bin sicher, du hast ihm alle größeren Veränderungen ausgeredet, die er geplant hat.“

Daniel verlangsamte seinen Schritt und runzelte die Stirn.

„Vater, ich glaube wirklich nicht …“

„Vielleicht war es nicht möglich, den Amerikaner davon abzubringen, die Thronfolge anzutreten, aber du hast es geschafft, ihn gefügig zu machen“, sagte ihr Vater. „Genau, wie ich dir aufgetragen hatte.“

Daniel stutzte. Hatte es eine Art Plan gegeben? Hatte Erin etwas gegen ihn im Schilde geführt? Der Gedanke, dass sie ihn verraten hatte, war unerträglich.

„Vater, Daniel Connelly ist …“

Daniel wurde schlecht vor Wut. Aufgebracht betrat er das Foyer und sah Erin an.

Sie wurde blass, und aus ihren Augen sprach ihr schlechtes Gewissen.

Daniel brach das Herz. Er blickte Erins Vater an, und die Galle stieg ihm hoch. „Minister Lawrence, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Mein Name ist Daniel Connelly.“

Erins Vater, ein untersetzter Mann mit schütterem Haar, versuchte vergeblich, sein Entsetzen zu verbergen. Er verbeugte sich tief. „Hoheit.“

„Verdammt richtig“, sagte Daniel. „Und nur fürs Protokoll, Ihre Tochter hat es vielleicht geschafft, sich unentbehrlich zu machen. Aber niemand außer meinem Vater hat mich je gefügig gemacht. Und er könnte Ihnen sagen, dass es verdammt schwierig gewesen ist.“ Sein eisiger Blick glitt über Erin. „Offensichtlich habe ich dem falschen Menschen vertraut“, sagte er und verließ den Raum.

9. KAPITEL

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als Erin hinter Daniel her rannte. Sie hörte ihren Vater laut rufen.

„Erin! Komm sofort zurück!“

Sie verschwendete keinen Gedanken an ihn. Nicht eine Sekunde länger konnte sie so tun, als würde sie ihrem Vater zustimmen. Selbst wenn es sie die Beziehung zu ihrem Vater kostete, nach der sie sich so sehr gesehnt hatte. Ihr Herz und ihr Verstand waren bei Daniel. Sie hatte die tiefe Enttäuschung in seinem Gesicht gesehen, und sie war verantwortlich dafür.

„Daniel!“, rief sie und versuchte, ihn einzuholen. Er blieb erst vor seinen privaten Gemächern stehen. „Daniel, bitte … lass mich erklären.“

Langsam drehte er sich zu ihr um und sah sie mit solcher Verachtung an, dass ihr der Atem stockte. Es herrschte beinah Totenstille. Das einzige Geräusch war ihr keuchender Atem vom Laufen.

„Zwei Minuten. Ich habe einen Termin“, sagte er knapp und öffnete die Tür zu seinem Privatbereich.

Zwei Minuten! Erin geriet fast in Panik, als sie ihm in seine Räume folgte, und spürte, dass ein Schluckauf drohte. Nicht gerade jetzt, betete sie. Nicht jetzt, wo sie Daniel alles erklären musste.

Er sah sie mit versteinerter Miene an.

Erin holte tief Luft. „Ich weiß, die Unterhaltung mit meinem Vater muss in deinen Ohren vernichtend geklungen haben, aber du hast nicht alles gehört.“

„Ich glaube auch nicht, dass ich alles hören möchte“, entgegnete Daniel und verschränkte die Arme vor der Brust.

Erin biss sich auf die Lippe. „Du musst. Es stimmt, mein Vater hat mir den Auftrag erteilt, dich davon abzuhalten, die Thronfolge anzunehmen. Er hat Angst vor großen Veränderungen, und da du Amerikaner bist, fürchtete er, du könntest nicht der geeignete Fürst für Altaria sein. Es ist auch richtig, dass ich meinem Vater gefallen wollte, weil ich dachte, dass wir uns dann endlich so nahestehen, wie ich es mir immer gewünscht habe. Deshalb wollte ich dir das Amt ausreden.“

Erin machte eine kurze Pause. „Doch nachdem ich dich kennengelernt hatte, war ich mit meinem Vater nicht mehr einer Meinung.“ Erin rang die Hände. „Es war schrecklich. Erst fühlte ich mich ihm gegenüber illoyal, dann dir.“

„Das ist jetzt ja vorbei“, sagte er mit so kalter Stimme, dass Erin an das Winterwetter in Chicago denken musste. „Die Geschichte ist ans Licht gekommen. Du bist genau wie alle anderen. Ich weiß nun, dass ich mich nicht auf dich verlassen kann.“

Es zerriss Erin das Herz. Sie schloss die Augen. Daniel lag so falsch, doch wie um alles in der Welt sollte sie ihn davon überzeugen? „Möchtest du, dass ich aus dem Palast verschwinde?“, fragte sie und kämpfte mit den Tränen.

„Das überlasse ich dir“, sagte er, als wäre es ihm völlig egal.

Seine Gleichgültigkeit bohrte sich wie ein scharfes Messer in ihr Herz. Die Frist von zwei Minuten war abgelaufen, genauso wie ihre wundervolle Zeit mit Daniel Vergangenheit war.

Erin fühlte sich total verloren, als sie seine Räume verließ, in ihr Zimmer zurückkehrte und sich auf das Bett setzte. Sie strich über die wunderschöne Tagesdecke und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

Warum war alles schiefgegangen? Ich habe von Anfang an gewusst, dass es kein glückliches Ende geben kann, rief sie sich in Erinnerung. Selbst wenn Daniel diese schrecklich einseitige Unterhaltung nicht gehört hätte, war er der Fürst von Altaria und würde eine standesgemäßere Frau als Braut wählen müssen.

Trotz allem hatte sie sich nie im Leben so sicher und so begehrt gefühlt wie bei ihm. Das Bild seiner wütenden Miene schoss ihr durch den Kopf, und sie zuckte zusammen. Sie schlang die Arme um ihren Körper, doch sie empfand keinen Trost. Die schreckliche innere Leere wurde nur noch größer.

Bittere Tränen rannen über Erins Wangen. Nie wieder würde Daniel sie in den Armen halten. Nie wieder würde er sie mit diesem Strahlen in den Augen ansehen.

Bei diesen Gedanken stürzten ihr die Tränen erneut über die Wangen, und zu allem Überfluss bekam sie wieder Schluckauf. Sie rieb sich mit dem Handrücken über die nassen Wangen.

Das Klingeln des Telefons auf ihrem Nachttisch schreckte sie auf. Wer konnte es sein? Daniel? Wunschdenken. Ihr Vater?

Erin beschloss, das Klingeln zu ignorieren. Jetzt konnte sie nicht mit ihrem Vater sprechen. Sie schämte sich, jemals seinem Plan zugestimmt zu haben, Daniel mit allen Mitteln davon abzuhalten, die Thronfolge anzunehmen. Und sie konnte nicht vortäuschen, es wäre anders. Ihr Vater würde sich schrecklich über ihre Illoyalität ärgern.

Ihre Kehle schnürte sich zusammen. Sie hatte Daniel und ihren Vater verloren. Merkwürdigerweise bedrückte sie der Verlust ihres Vaters weit weniger als die Tatsache, dass sie Daniel einen so tiefen Schmerz zugefügt hatte.

Daniel war unglaublich stark, doch er befand sich gerade in einer schwierigen Lebenssituation, und sie hatte ihm den Übergang in sein neues Leben noch erschwert. Er war so wütend gewesen, so kalt. Sie konnte nur ahnen, wie verraten er sich fühlen musste.

Erin seufzte und hickste wieder. Der Schluckauf ärgerte sie, und so konzentrierte sie sich darauf, ihn loszuwerden. Sie stellte sich wie immer in dieser Situation eine friedliche Schweizer Winterlandschaft vor, doch der Schluckauf wollte nicht aufhören. Erin machte ein finsteres Gesicht.

Sie schloss die Augen und ließ ihre Gedanken wandern. Ein anderes Bild erschien vor ihrem geistigen Auge. Die kalte, sternenklare Nacht, in der sie mit Daniel zwischen Buchsbaumsträuchern gestanden hatte, in denen winzige weiße Lichter funkelten. Das Herz wurde ihr schwer bei der Erinnerung. Nie in ihrem Leben würde sie die Magie jener Nacht vergessen.

Ihr Schluckauf verging, und sie öffnete die Augen.

Daniel würde sie niemals lieben. Das war eine Tatsache, unter der sie bis an ihr Lebensende leiden würde. Doch es stand in ihrer Macht, ihm das Leben in diesem Moment wenigstens ein bisschen leichter zu machen. Sie kannte ihn wie niemand sonst auf Altaria. Und dieser Entschluss begann in ihr zu reifen.

Nach einem anstrengenden Nachmittag voller Meetings mit Regierungsmitgliedern suchte Daniel die wohltuende Stille seiner Privaträume. Er lockerte seine Krawatte, trat ein und fand Erin an seinem Schreibtisch sitzend.

Sofort wurde er misstrauisch. „Was machst du hier?“, fragte er ruhig.

Erin blickte ihn unsicher an. „Ich räume die Sachen ein“, sagte sie und zeigte auf die Bücher, die sie in die Regale gestellt hatte.

Daniel warf einen Blick auf die Bücher. Es waren die, die er aus Chicago mitgebracht hatte. Er entspannte sich etwas.

„Ich wusste, dass man Sie sofort mit Meetings und den Pflichten eines Fürsten überfrachten würde. Deshalb habe ich mir erlaubt, einige Ihrer Sachen auszupacken, Sir“, sagte sie und arrangierte eines der vielen Familienfotos auf seinem Schreibtisch. „Ist Ihnen das recht, Sir?“

Obwohl er wegen des Verrats immer noch wütend auf sie war, gingen ihm die förmliche Anrede und das Siezen auf die Nerven. Er ließ seinen Blick über ihre weiblichen Kurven wandern und erinnerte sich daran, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte. Trotz seiner Wut war er plötzlich heiß auf sie.

„Es ist okay“, sagte Daniel. „Danke. Noch etwas. Für dich bin ich immer noch Daniel. Jedenfalls, wenn wir allein sind.“

Er hörte sie seufzen und begegnete ihrem Blick. Tiefer Schmerz flammte in ihren Augen auf und erlosch sofort wieder. Nervös schlug sie die Hände zusammen. „Wie du meinst. Ich habe mir erlaubt, eine Mahlzeit für dich zu bestellen“, sagte sie. „Einer der Palastangestellten konnte das Ende der Meetings abschätzen, und ich dachte, du bist dann vielleicht hungrig.“

„Richtig vermutet“, murmelte er und entdeckte das abgedeckte Silbertablett hinter Erin.

„Sehr gut“, sagte sie schnell. „Auf dem Schreibtisch liegen die Zeitung von Altaria, The Altarian Chronicle, und das Wall Street Journal. Außerdem habe ich dafür gesorgt, dass die Tageszeitung von Chicago geliefert wird, aber das wird erst ab nächster Woche der Fall sein. Der Palast ist jedoch mit Satellitenfernsehen ausgestattet. Wir haben über zweihundert Kanäle, und es wird dich freuen zu hören, dass einer davon die Chicago Station ist.“

Sie machte eine kurze Pause. „Ferner habe ich die Hausmeister beauftragt, einen großen Auslauf für Jordan zu bauen. Und jetzt lasse ich dich allein, damit du dein Dinner genießen kannst, solange es noch warm ist.“

Daniel schüttelte leicht den Kopf. „Warum?“

Sie sah ihn an. „Warum was?“

„Warum machst du das alles?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es ist mein Job, es dir hier im Palast so angenehm wie möglich zu machen.“

„Es war auch dein Job, mich davon abzubringen, die Thronfolge anzutreten, oder mir zumindest einzureden, dass der Fürst nur Repräsentationspflichten hat“, sagte er so ruhig, wie es ihm angesichts ihres Verrats möglich war.

Sie wurde blass und zuckte zusammen, als wäre sie geschlagen worden. „Offensichtlich war ich nicht die richtige Besetzung für den Job“, sagte sie. „Vielleicht war ich erfolglos, weil ich mich mit der Aufgabe irgendwann nicht mehr identifizieren konnte.“ Sie machte einen vollendeten Hofknicks. „Guten Appetit, Hoheit“, sagte sie und ging.

Daniel schloss die Augen. Widersprüchliche Gefühle ließen sein Herz schneller schlagen. Erins blumiger Duft hing in der Luft. Er atmete ihn tief ein, und das Bild ihres verführerischen nackten Körpers schlich sich in seine Gedanken. Leise fluchend öffnete er wieder die Augen.

Ihr Feingefühl war ebenso bemerkbar wie ihr Duft. Mit den Fingerspitzen strich er über die Familienfotos, die sie auf seinen Schreibtisch gestellt hatte. Nie waren sie ihm wichtiger gewesen. Und seine eigenen Bücher neben denen seines Großvaters zu sehen, nahm ihm etwas von dem Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Es war, als hätte Erin genau gewusst, was ihm guttat. War es ein Versuch, sein Vertrauen zurückzugewinnen?

Daniel verwarf den Gedanken sofort und überlegte, ob er sie entlassen sollte. Nach allem, was passiert war, würde er ihr nie wieder bedingungslos vertrauen. Er ärgerte sich, überhaupt zugelassen zu haben, dass sie so wichtig für ihn geworden war.

Sein Magen machte sich bemerkbar. Entschlossen verdrängte er den Gedanken an Erin, ging an das Tablett mit seinem Dinner und hob die schwere Silberglocke hoch. Es war ein richtiges Männeressen: Dickes, saftiges Steak, neue Kartoffeln und grüne Bohnen.

Daniel trank einen Schluck von dem kalten Bier, das auch auf dem Tablett stand, und nahm seinen Teller mit zum Sofa. Er griff nach der Fernbedienung und stellte fest, dass der an erster Position programmierte Kanal ein Chicagoer Sender war. Anscheinend war Erin entschlossen, ihm jede nur mögliche Annehmlichkeit zu bieten.

Sein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken, doch Daniel würde niemals die vernichtenden Worte ihres Vaters vergessen. Nie im Leben.

Die nächsten zwei Tage war Daniel von morgens bis spätabends unermüdlich im Einsatz. Und jeden Abend erwarteten ihn ein kaltes Bier und irgendeine Überraschung in seinen privaten Räumen. Zuletzt war es ein Basketballkorb über dem Papierkorb neben seinem Schreibtisch gewesen.

Heute Abend war er zu einer Dinnerparty ins Haus des Premierministers eingeladen gewesen. Jetzt war er müde und sehnte sich nur noch nach dem Komfort und der Privatsphäre seiner Räume. Doch als er diese betrat, merkte er sofort, dass Jordan nicht da war. Mit finsterer Miene blickte er den Flur entlang.

Gregor Paulus kam näher und verbeugte sich höflich. Verdammt, der Mann schien immer in der Nähe zu sein. „Guten Abend, Hoheit. Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich suche meinen Hund.“

Gregor zuckte leicht zusammen. „Ich glaube, Miss Lawrence ist mit ihm spazieren gegangen. Er hat die ganze Zeit gebellt und sich offenbar einsam gefühlt. Soll ich sie suchen?“

„Nein, vielen Dank. Ich könnte selbst einen Spaziergang gebrauchen“, sagte Daniel und schlenderte durch die breiten Flure. Ich will Erin nicht sehen, redete er sich ein, als er den Palast durch einen Seiteneingang verließ. Ich vermisse sie überhaupt nicht, auch wenn ich ihr vor zwei Tagen zuletzt begegnet bin. Ich will nur Jordan sehen. Eine gewisse hübsche Blondine mit schönen blauen Augen und einem warmherzigen Wesen unter dem kühlen englischen Auftreten interessierte ihn überhaupt nicht.

Daniel hörte sie, bevor er sie überhaupt sah.

„Es wird dir gut gehen“, sagte sie mit leiser, tröstender Stimme. „Du wirst sehen. Morgen ist dein Auslauf fertig, und dann kannst du draußen herumtoben und Löcher graben und die Hausmeister des fürstlichen Palastes verrückt machen.“

Er musste unwillkürlich lächeln, als er Erin neben Jordan im Gras sitzen sah. Sie streichelte und kraulte den Hund, während sie sanft auf ihn einsprach.

„Du musst nur auf deine Manieren aufpassen, wenn Seine Hoheit besondere Gäste bewirtet.“ Sie rümpfte die Nase. „Ich glaube, du könntest ein Bad gebrauchen und ein paar Leckerli mit Minzgeschmack.“

„Bist du jetzt auch für meinen Hund zuständig?“, fragte Daniel und beobachtete, wie Erin und Jordan den Kopf zu ihm drehten.

Jordan bellte und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Er sprang los und zog Erin mit sich.

Daniel ging in die Hocke und streichelte seinen treuen Hund. „Schwerer Tag, mein Großer? Ich hatte pausenlos Termine“, sagte er. Um nicht unhöflich zu sein, blickte er Erin an. In ihrem pinkfarbenen, verlockend weiblichen Kleid, die Hundeleine fest um die Hand gewickelt, bot sie einen Anblick, der ihm unvermittelt auf den Magen schlug. Magenverstimmung, dachte er. „Du kannst ihn jetzt von der Leine lassen.“

Voller Zweifel sah sie ihn an. „Bist du sicher, Daniel? Ich hatte schon einige Male Schwierigkeiten, ihn zurückzurufen.“

Das war ihm neu. „Wie oft bist du denn schon mit ihm spazieren gegangen?“

„Einige Male. Er winselt und bellt, wenn du nicht da bist.“

Daniel nickte. Er wollte sich von ihrer Sorge um seinen Hund nicht besänftigen lassen. „Du kannst ihn laufen lassen. Er kommt, wenn ich pfeife.“

„Dann sollte ich vielleicht lernen zu pfeifen“, murmelte sie und ließ Jordan laufen. Der Hund tollte über den Rasen.

Daniel sah seinem Hund nach. Erins Nähe ließ ihn nicht kalt, und das ärgerte ihn. „Nur um meine Neugier zu befriedigen, wie hast du es geschafft, ihm das Halsband anzulegen?“

„Ich habe ihn mit einem Steak verführt“, gestand sie.

Bei dem Wort verführt schossen ihm gleich die aufregendsten Bilder durch den Kopf.

„Nur ein oder zwei Bissen“, fuhr sie fort. „Der Koch gibt mir immer bereitwillig ein Stück Fleisch, aber ich will es nicht übertreiben. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Jordan mich auslacht, wenn ich ihm befehle zu kommen.“

Daniel musste lächeln, als er sich bildlich vorstellte, was Erin gerade gesagt hatte. Er legte die Finger an die Lippen und pfiff laut. Sofort kam Jordan zu ihm gesprungen und machte keuchend und mit hängender Zunge vor seinem Herrchen Platz.

Erin starrte Daniel an. „Das ist unglaublich. Kannst du mir vielleicht zeigen, wie man das macht?“

Daniel pfiff noch einmal, aber leiser.

Jordan neigte den Kopf.

Erin trat näher und blickte gebannt auf Daniels Mund. „Du legst beide Zeigefinger in die Mundwinkel.“

Sie nahm die Finger an die Lippen. „Was mache ich mit meiner Zunge?“

Daniel wurde heiß, und er unterdrückte ein Stöhnen. Ihm fielen tausend Dinge ein, die sie mit ihrer Zunge tun könnte. Er versuchte, seine Erregung zu ignorieren und sich auf das Pfeifen zu konzentrieren. „Du machst mit der Zunge ein V und presst sie gegen die Unterlippe. Dann pustest du kräftig.“

Erin pustete, doch es kam kein Ton heraus. Sie runzelte konsterniert die Stirn und versuchte es noch einmal.

Daniel betrachtete ihren roten Mund und legte die Hand unter ihr Kinn. „Versuch es noch einmal“, drängte er. „Und drück die Zunge gegen die untere Zahnreihe.“

Erin versuchte es erneut und seufzte frustriert. „Ich glaube, ich muss noch etwas üben.“

„Du hast im Mädchenpensionat nicht gelernt zu pfeifen“, sagte Daniel mit einem Lachen in der Stimme.

„Es gibt viele Dinge, die ich dort nicht gelernt habe“, murmelte sie, und ihre Blicke trafen sich.

Daniels Magen verkrampfte sich, als er ihren sinnlichen Gesichtsausdruck sah. Er war der Mann gewesen, der ihr all das beigebracht hatte, was eine Frau in einem Mädchenpensionat nicht lernte. Heftiges Verlangen überkam ihn plötzlich und brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Obwohl sie ihn betrogen hatte, begehrte er sie.

Am nächsten Tag erhielt Erin die Aufforderung, in einem der Sitzungssäle des Palastes zu erscheinen. Sie überlegte, ob Daniel dem Personalchef die Anweisung gegeben hatte, sie zu feuern. Der Gedanke erfüllte sie gleichzeitig mit Angst und Erleichterung. Obwohl die Aussicht, ihn nicht mehr täglich zu sehen, schrecklich war, begrüßte sie die Möglichkeit, seiner Wut und seiner Missachtung aus dem Weg zu gehen.

Als sie den Raum betrat, warteten dort bereits einige der Palastmitarbeiter, Sicherheitskräfte und Daniels neuer Personalchef Anthony Muller. Erin befürwortete die Wahl Anthony Mullers zum Leiter des Personals. Sie hatte befürchtet, Daniel könnte sich für Gregor Paulus entscheiden, einfach, weil der Mann mit allen Mitteln versuchte, sich einzuschmeicheln. Sie hätte es besser wissen müssen.

Daniel ließ sich nicht von devotem Verhalten beeindrucken. Er wählte den Mann, den er für den geeignetsten auf dieser wichtigen Position hielt. Anthony Muller war nur wenig älter als Daniel und hatte in den Vereinigten Staaten studiert. Das Wichtigste aber war, dass Anthony kein Schleimer war. Wenn die Wahrheit gefordert war, dann sprach er sie auch unverblümt aus.

Anthony nickte ihr grüßend zu und richtete dann das Wort an alle. „Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie ausgewählt worden sind, Seine Hoheit heute Nachmittag auf seiner ersten offiziellen Tour zu begleiten.“

Leises, aufgeregtes Gemurmel setzte ein. Erin fragte sich überrascht, warum auch sie ausersehen worden war. Vielleicht will Daniel Jordan mitnehmen und braucht einen Aufpasser für seinen Hund, dachte sie.

„Einige von Ihnen haben sicherlich von dem Feuer gehört, das kürzlich einige Farmen zerstört hat. Seine Hoheit möchte die Farmer besuchen, um seine moralische Unterstützung zu zeigen. Wir brechen Punkt dreizehn Uhr auf“, sagte Anthony. „Seien Sie bitte fünfzehn Minuten vorher hier, damit ich Ihnen weitere Anweisungen geben kann.“ Er entließ die Gruppe und gab Erin ein Zeichen, noch einen Moment zu bleiben.

„Seine Hoheit wünscht Ihre Dienste als Protokollberaterin bei diesem Besuch“, sagte Anthony.

Erin nickte. Sie war immer noch überrascht, dass Daniel überhaupt etwas von ihr wollte.

Ein paar Stunden später suchte Erin Daniel in seinen Privaträumen auf. Er brütete über seiner Garderobe. „Es ist einfach lächerlich, beim Besuch einer Farm einen Anzug zu tragen, zumal es über fünfundzwanzig Grad warm ist.“

„Da stimme ich dir zu“, sagte Erin. „Lächerlich, aber notwendig. Schließlich ist das der erste öffentliche Auftritt als Fürst, und da sollst du einen entsprechend royalen Eindruck vermitteln.“

Er sah sie finster an. „Soll ich vielleicht auch noch eine Krone tragen?“, fragte er ironisch.

„Selbstverständlich nicht“, entgegnete Erin ernsthaft. „Die Krone bekommst du erst bei der Thronbesteigung. Aber die Presse wird dich heute belagern.“

„Ich habe vor, jedem die Hand zu schütteln, den ich kennenlerne.“ „Kein Problem. Gib den Leuten aber bitte die Möglichkeit, dir zuerst den Respekt zu erweisen“, sagte sie und fügte dann spontan hinzu: „Ich glaube, du hast eine ausgezeichnete Wahl mit deiner ersten Tour getroffen. Die Menschen, die du heute besuchst, werden sich durch deine Anwesenheit sehr geehrt fühlen.“

„Eine neue Scheune wäre ihnen sicher lieber“, entgegnete Daniel trocken und zupfte an seiner Krawatte. Er blickte auf die Uhr. „Zeit zu gehen. Übrigens, dieser Premierminister schickt seine Nichte. Er hat erzählt, ihr beide hättet dasselbe Internat besucht. Christina Whitestone.“

„Nur kurz.“ Erin erinnerte sich daran, dass Christina von dem Internat geflogen war, weil sie sich nachts heimlich mit Jungen getroffen hatte. Christina hatte nichts anbrennen lassen. Wahrscheinlich plante sie, Daniel zu verführen und sich mit ihm zu amüsieren. Oder schlimmer noch, ihn zu heiraten. Erin drehte sich der Magen um vor Eifersucht.

„Was weißt du über sie?“, wollte Daniel wissen, als sie seine Räume verließen.

Dass sie ein Flittchen ist, dachte Erin. Sie verkniff sich jedoch die Bemerkung und holte tief Luft. „Ich kenne sie wirklich nicht sehr gut. Wir waren nicht lange auf derselben Schule.“

Daniel blieb abrupt stehen und betrachtete Erin. „Was weißt du über sie? Und ich will die Wahrheit hören“, forderte er. „Es ist schon ohnehin schwer genug herauszufinden, wem ich im Palast vertrauen kann, ohne mir Gedanken über die Nichte des Premierministers machen zu müssen.“

„Ich kenne sie wirklich nicht gut, sondern nur vom Hörensagen“, versuchte Erin sich herauszureden.

Daniel zog die Augenbrauen hoch. „Und was hast du über sie gehört?“

„Dass sie einen ziemlich lockeren Lebenswandel hat“, sagte Erin schließlich.

Daniel verzog den Mund, und seine Augen blitzten verräterisch. „Wie erfrischend.“ Er setzte seinen Weg durch den langen Gang fort. „Ich hatte schon befürchtet, du würdest mir sagen, sie wäre eine Regierungsspionin.“

„Ich bin ziemlich sicher, Politik und alles, was damit zusammenhängt, ist das Letzte, was Christina interessiert.“ Sie erreichten das Foyer.

Erin entdeckte sofort die aufgedonnerte Christina.

Ihr enges Kleid schmiegte sich provozierend an ihre üppigen Kurven. Als Christina Daniel sah, verzog sie die rot geschminkten Lippen zu einem sexy Willkommenslächeln und vollführte einen Hofknicks, der Daniel einen freien Blick auf ihr beachtliches Dekolleté gewährte.

Erin betete, dass man ihr die bohrende Eifersucht nicht ansah.

10. KAPITEL

Abgesehen von Christinas ständigem schrillen Lachen hätte Daniels Besuch auf der ersten Farm nicht besser laufen können. Erin beobachtete, wie Daniel zuerst die Respektbezeugungen des Farmers entgegennahm und dann seine eigene Hochachtung zeigte, indem er dem Mann die Hand schüttelte und Fragen stellte, während er mit seinen Begleitern über den vom Feuer zerstörten Besitz wanderte.

Gerade als sie Farm wieder verlassen wollten, sprach der Farmer von seiner Dankbarkeit seinen Nachbarn gegenüber, die mit Materialspenden und hartem körperlichen Einsatz halfen, die Scheune wieder aufzubauen. Kaum waren die Worte ausgesprochen, wusste Erin, was in Daniels Kopf vorging.

„Kann ich auch helfen?“, fragte Daniel.

Der Farmer starrte ihn an. Das ungewöhnliche Angebot brachte ihn in Verlegenheit. „Ich kann nicht …“ Der Mann schüttelte gequält den Kopf. „Sir, ich kann doch nicht …“

„Mein Vater hat dafür gesorgt, dass ich mit dem Hammer umgehen kann. Und je mehr Leute mit anpacken, desto schneller ist die Scheune fertig“, sagte er und zog schon sein Jackett aus.

Erin trat sofort an seine Seite. „Willst du das wirklich?“, fragte sie leise und nahm ihm das Jackett ab.

„Natürlich“, erwiderte er, riss sich die Krawatte vom Hals und öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes. „Ich habe doch gesagt, dass ein Anzug auf dieser Tour absolut lächerlich ist.“

Anthony Muller beugte sich zu ihm. „Sir, wir wollen nicht, dass Sie sich verletzen.“

„Ich vermute, das ist eine höfliche Umschreibung dafür, dass Sie mir keine handwerklichen Fähigkeiten zutrauen und mir die Peinlichkeit ersparen wollen, mir mit dem Hammer auf den Daumen zu hauen. Aber ich kann Sie beruhigen. Sagen Sie den anderen, dass der Palast die Rechnung für die chemische Reinigung übernimmt, wenn sie auch helfen wollen.“

Christina und einige der Palastangestellten beobachteten fassungslos, wie ihr neuer Fürst den Farmern half, die Scheune aufzubauen. Fotografen schossen ein Foto nach dem anderen.

Erin schloss sich den Frauen der Farmer an und servierte gemeinsam mit ihnen frisches Obst und Wasser.

Die Farmer arbeiteten gerade auf dem Dach, während Daniel ein Glas Wasser hinunterkippte. Feiner Schweiß glänzte auf seinem Hals, und unter seinem weißen, durchschwitzten Hemd zeichneten sich seine Muskeln ab.

Erin starrte ihn an und bekam einen trockenen Mund. In dem Moment hörte sie einen Schrei und blickte genau in der Sekunde auf, als ein schwerer Hammer vom Dach direkt auf Daniel zuflog. Das Tablett fest in den Händen haltend, stürzte sie vor und stieß Daniel zur Seite. Alles passierte ganz schnell. Sie hob eine Hand, um den Hammer aufzufangen, während sie mit der anderen immer noch das Tablett festhielt. Ihr Plan ging schief, und der Griff des Hammers schlug gegen ihren Kopf. Sie verspürte einen stechenden Schmerz.

„Erin!“, rief Daniel.

Ihr wurde einen Moment lang schwarz vor Augen, ihre Hand erschlaffte. „Das Tablett.“ Ihr Kopf pochte, ihre Knie wurden weich, und plötzlich hatte sie das Gefühl, durch die Luft zu fliegen.

Langsam wurde ihr Blick wieder klar, und sie blickte zu Daniel auf, der sie auf den Armen hielt und mit finsterer Miene auf sie herabsah und fluchte.

„Habe ich das Tablett fallen lassen?“, flüsterte sie und zuckte vor Schmerz zusammen.

Er verdrehte die Augen und fluchte wieder.

Sekunden vergingen, und dann waren sie von Farmern und Palastangestellten umgeben. Ein Sicherheitsmann nahm Erin aus Daniels Armen und trug sie zur Limousine.

Daniel folgte ihnen. „Wie geht es dir?“

„Alles in Ordnung“, sagte Erin. Obwohl ihr Kopf schmerzte, war ihr die ganze Situation peinlich. „Ich fürchte, ich kann nicht gut fangen. Das ist auch etwas, was ich im Internat nicht gelernt habe.“

Daniel lächelte nicht. „Was ist mit deinem Kopf?“

Sie tastete sich behutsam den Kopf ab und bemerkte die dicke Beule. „Es ist nichts“, log sie. „Nur eine kleine Schramme. Tut mir leid, dass ich so viele Umstände mache.“

Daniel strich ihr über den Kopf. „Das ist nicht nur eine kleine Schramme. Ich lasse dich sofort zurück in den Palast fahren, damit ein Arzt sich um dich kümmert.“

Erin wurde rot vor Verlegenheit. „Das ist völlig unnötig.“

Daniel ignorierte sie und wandte sich an den Personenschutz. „Bringen Sie sie in den Palast, und sorgen Sie dafür, dass der Arzt sie untersucht.“

„Wie Sie wünschen, Sir.“ Daniel schloss trotz ihrer Proteste die Wagentür, und Erin hatte das Gefühl, dass er seine Macht als Regent genoss.

Nach der Ankunft im Palast ließ Erin eine gründliche Untersuchung durch den Palastarzt über sich ergehen. Er verordnete ihr Ruhe und Dinner im Zimmer.

Erin maulte, weil sie wie ein kleines Kind behandelt wurde. Doch sie schlief noch vor acht Uhr ein. Bei Licht.

Stunden später riss ein Geräusch sie aus dem Schlaf. Erin richtete sich erschrocken auf und sah die Konturen eines Mannes neben ihrem Bett. Voller Angst öffnete sie den Mund und wollte schreien, doch vor lauter Panik kam kein Laut über ihre Lippen.

„Ich bin es. Daniel“, sagte der Schatten und trat näher, sodass Erin sein Gesicht sehen konnte.

Erleichtert, aber immer noch mit laut pochendem Herzen, sank Erin zurück auf das Kissen. „Du hast mich zu Tode erschreckt.“

„Was meinst du, was ich heute Nachmittag für einen Schreck bekommen habe, als du dich auf einen Zusammenstoß mit dem Hammer eingelassen hast“, tadelte er sie mit sanfter Stimme.

Erin seufzte. „Ich konnte doch nicht zulassen, dass du getroffen wirst“, sagte sie. „Ich wusste nur nicht, wo ich so schnell das Tablett abstellen sollte.“

Daniel lachte. Der Klang sandte ein Prickeln durch ihren Körper. „Du hast einfach Probleme loszulassen.“

Sie schloss die Augen und legte die Hand gegen die Stirn. „Das ist die Erziehung, von der ich dir erzählt habe. Obwohl es besser gewesen wäre zu lernen, wie man einen Hammer auffängt oder pfeift.“

Sie spürte, dass er seine Hand auf ihre legte. Das Gefühl war so tröstlich, dass sie den Atem anhielt. Oh, wie sehr hatte sie seine Berührungen vermisst.

„Wie geht es deinem Kopf wirklich?“

„Gut“, erwiderte sie mit ruhiger Stimme. Wenn sie sich absolut still verhielt, würde Daniel vielleicht noch etwas länger bleiben.

„Danke, dass du den Hammer abgewehrt hast“, sagte er und strich ihr durch die Haare. „Jetzt sind wir quitt.“

Fragend sah sie ihn an. „Was meinst du damit, wir sind quitt?“

„Ich habe geholfen, einer Kugel auszuweichen, du hast geholfen, einen Hammer abzulenken.“

Erin schüttelte den Kopf. „Der Hammer hätte dich nicht getötet.“

„Warum hast du mir nicht gesagt, dass Christina so ein furchtbares Lachen hat?“

Erin musste lächeln. „Ich glaube, die meisten Männer hören sie gar nicht, weil sie viel zu abgelenkt sind von ihren anderen … Vorzügen.“ Erin machte eine kurze Pause. „Der Premierminister hofft wahrscheinlich, dass du eine Ehe mit ihr in Erwägung ziehst. Obwohl sie …“ Erin suchte nach einer möglichst höflichen Beschreibung „… extrem erfahren ist, hat sie einen ausgezeichneten Stammbaum. Du könntest es schlechter treffen“, sagte sie pflichtgemäß und wunderte sich, warum die ganze Diskussion bei ihr einen schlechten Geschmack hinterließ.

Daniel führte ihre Hand an seine Lippen. „Warum sprechen wir überhaupt über Christina?“

Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Du hast von ihr angefangen.“

Er setzte sich auf die Bettkante und sah Erin ins Gesicht. „Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll“, murmelte er. „Erst hintergehst du mich, und dann rettest du mich vor einem Hammer.“

Erin hatte plötzlich einen Kloß im Hals. „Ich wollte dich nicht hintergehen“, begann sie, doch er legte den Finger an ihre Lippen und schüttelte den Kopf.

„Fang nicht wieder davon an.“ Er machte ein finsteres Gesicht.

Erin sah Daniel an, dass er noch immer wütend und verletzt war. „Wirst du mir irgendwann verzeihen können?“, flüsterte sie angstvoll.

Er sah sie lange an und strich mit dem Finger über ihren Mund. Schließlich nickte er. „Ich werde dir verzeihen. Aber ob ich dir wieder vertrauen kann, ist eine andere Geschichte.“

Erin erkannte in diesem Moment, dass sie etwas sehr, sehr Wertvolles verloren hatte.

Sein Blick ruhte auf ihr, und Erin spürte, dass es gewaltig zwischen ihnen knisterte. „Merkst du es auch?“, fragte sie.

Er nickte und senkte den Mund auf ihren. Erin schloss die Augen, atmete seinen Duft ein und spürte seine Lippen. Sie fragte sich, ob es möglich war, ihm mit einer leidenschaftlichen Erwiderung zu zeigen, wie sehr sie ihn liebte.

Seine Zunge spielte mit ihrer. Erin schob die Hand in seine dichten Haare, während Daniel sie immer stürmischer küsste. Mit den Fingerspitzen glitt er über die dünnen Träger ihres Nachthemdes, und dann rieb er mit dem Daumen über ihre Brüste.

Erin spürte, wie sich die zarten Knospen aufrichteten.

„Ich muss aufhören“, sagte er und wich etwas zurück. „Du hast doch wahrscheinlich ziemliche Kopfschmerzen.“

Erin biss sich auf die Lippen. Eine Welle heißen Verlangens erfasste sie. „Habe ich nicht!“ Sie schob die Hand unter sein geöffnetes Hemd und legte sie auf seine muskulöse Brust. „Hast du eigentlich gemerkt, dass du heute alle Frauen mit deinen breiten Schultern und Muskeln verrückt gemacht hast?“

Er verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen. „Ich muss zugeben, der Gedanke ist mir gekommen. Ich wusste allerdings nicht, dass dir mein Körper aufgefallen ist.“

Erin unterdrückte ein Stöhnen. „Das ist das Lächerlichste, was du je gesagt hast.“

„Nein, ist es nicht. Du hast nie ein Wort über meinen Körper verloren.“

Erin verdrehte die Augen. „Vielleicht habe ich nichts gesagt, sondern einfach Taten sprechen lassen.“

„Und wie stehst du jetzt dazu?“ Seine Worte waren gleichermaßen Herausforderung und Einladung.

Erins Herz schlug wie verrückt. „Leg dich zu mir, dann zeige ich es dir.“ Und genau das tat sie.

Sie bedeckte seine Brust mit vielen zärtlichen Küssen und glitt tiefer, wobei sie seine Hose öffnete und seine Männlichkeit umschloss. Dann zeichnete sie einen Pfad mit der Zunge und wäre noch weiter gegangen, wenn Daniel sie nicht aufgehalten hätte.

Ohne auf ihren Protest zu achten, nahm er die Knospen ihrer Brüste zwischen die Lippen und saugte daran, bis sie sich ihm entgegen drängte. Um ihre Begierde weiter anzufachen, schob er die Hand zwischen ihre Schenkel und liebkoste ihre empfindsamste Stelle.

Er spreizte ihre Beine und drang in sie ein. Erin seufzte, als sie ihn in sich spürte. Einen Moment lang blieb er ganz still liegen, dann begann er, sich in einem Rhythmus zu bewegen, der ihr den Atem nahm.

Unablässig machte er weiter und trieb sie immer weiter dem Höhepunkt entgegen, bis die Wogen der Lust über ihr zusammenschlugen.

Daniel erbebte und löste sich von ihr, kurz bevor er selbst die ersehnte Erlösung fand.

Erin spürte sofort die Leere. Eben waren sie sich noch so nah gewesen. Ihr Atem ging keuchend, so wie auch seiner. Verwirrt blickte sie zu ihm auf. „Warum hast du …“

„Ich hatte kein Kondom …“ stieß er hervor. Das, was da gerade geschehen war, schien ihn ebenso zu verwirren wie sie. Er schloss die Augen. Nach einer Weile stand er auf und deckte Erin mit der Decke zu. „Das hätte nicht passieren dürfen“, murmelte er.

Seine Worte taten weh. Sie hatte Verständnis, dass er von ihr enttäuscht war, dass er wütend war. Sie verstand sogar seine Verdrossenheit. Aber sein Bedauern konnte sie nicht ertragen. „Geh jetzt“, flüsterte sie. Er sollte ihre Tränen nicht sehen. „Lass mich allein.“ Sie spürte, dass er auf sie hinabblickte, doch sie begegnete seinem Blick nicht.

„Schlaf gut, Erin.“

Sie wartete darauf, dass sich die Tür hinter ihm schloss, dann vergrub sie das Gesicht im Kissen und begann zu weinen. Heftige Wellen der Verzweiflung schüttelten sie, und sie wusste, dass sie ihm nie wieder in die Augen sehen konnte. Und so hatte sie nur eine Möglichkeit: Sie musste den Palast verlassen.

Zwei Tage lang ging Daniel Erin aus dem Weg. Da er sehr beschäftigt war, bereitete ihm dies kein Problem. Seine Schwäche für sie ärgerte ihn. Er hätte nicht wieder mit ihr schlafen dürfen, doch das Verlangen nach ihr war übermächtig gewesen.

Am dritten Tag nach jener Nacht hielt er es nicht mehr aus. Er musste sie unbedingt sehen. Den ganzen Tag hielt er nach ihr Ausschau, doch er konnte sie nirgends entdecken.

Während eines offiziellen Dinners erwähnte er Erin ganz beiläufig in Gegenwart seines Personalchefs Anthony Muller.

Anthony zuckte mit den Schultern. „Sie hat ihren Job vorgestern quittiert, Sir.“

„Wie bitte?“

Anthony musste Daniels Unmut gespürt haben. Er runzelte die Stirn. „Tut mir leid, Sir. Ich dachte, Sie wüssten es. Sie hat den Palast verlassen und eine Stelle bei der hiesigen Reiseagentur angenommen.“

„Reiseagentur?“, wiederholte Daniel. „Ist sie nicht bei ihrem Vater eingezogen?“

Anthony schüttelte den Kopf. „Nein. Sie hat sich ein kleines Apartment am anderen Ende der Stadt genommen. Die Reiseagentur arbeitet recht erfolgreich. Sie hat ihre Angebote auf Geschäftsreisende ausgerichtet, bietet Touren in die Berge an und veranstaltet Beachpartys.“

„Beachpartys mit Geschäftsleuten? Das klingt mir verdammt nach einem Begleitservice.“

Anthony rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. „Soweit ich weiß, Sir, handelt es sich um eine seriöse Agentur.“

Daniel holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Finden Sie bitte ihre Termine heraus. Und dann möchte ich ihre neue Adresse haben. Sofort“, fügte er hinzu. Er war so aufgewühlt, dass er keinen Bissen mehr hinunterbrachte.

Nach dem endlos langen Essen erhielt Daniel die gewünschten Informationen. Die meisten davon gefielen ihm überhaupt nicht. An diesem Abend veranstaltete Erin offensichtlich ein Lagerfeuer am Strand. Schon bei dem Gedanken, dass sie mit all diesen Männern dort war, wurde ihm schlecht.

Er fragte sich, warum sie nicht zu ihrem Vater zurückgekehrt war. Vermutlich sprachen Erin und ihr Vater nicht mehr miteinander, worunter sie wahrscheinlich sehr litt. Es war so offensichtlich gewesen, dass sie sich eine enge Beziehung zu ihrem Vater gewünscht hatte. Es war ihr sehnlichster Wunsch gewesen, und doch hatte sie ihn für ihre Gefühle für Daniel aufgegeben.

Diese Erkenntnis nagte an ihm. Oje, was für ein Durcheinander. Tatsache war, dass sie den hinterlistigen Plan ihres Vaters nicht ausgeführt hatte. Sie hatte sich dem Wunsch ihres Vaters widersetzt. Daniel fragte sich, ob sie aus dem Grund nicht bei ihrem Vater wohnte. Sein Beschützerinstinkt erwachte.

Er dachte an die wundervollen Umstände, unter denen sie ihm ihre Unschuld geschenkt hatte, und das Entsetzen in ihren Augen, als die Kugel seine Stirn streifte. Er erinnerte sich an ihren verletzten Gesichtsausdruck, als er sie zurückgewiesen hatte und an ihre Entschlossenheit, seine Privatgemächer so zu gestalten, dass er sich wie zu Hause fühlte.

Er wollte sie zurückgewinnen.

Er gab Anthony seine Anweisungen, als die beiden Männer in der geparkten Limousine saßen.

„Sir, ich rate Ihnen dringend davon ab, heute Abend unangemeldet bei der Strandparty zu erscheinen“, sagte der Personalleiter frei heraus.

„Danke für Ihren Rat. Haben Sie die Sicherheitsleute informiert, wohin ich gehen will?“ Daniel zog seine Krawatte zurecht und die rote Schärpe.

„Ja, und der Sicherheitschef ist höchst beunruhigt.“

„Er wird sich wieder beruhigen.“

Anthony seufzte. „Sir, sind Sie wirklich sicher, dass Sie das tun wollen?“

„Ich war noch nie so sicher wie jetzt“, sagte Daniel und genehmigte sich einen Drink aus der Bar der Limousine, während die Sicherheitsleute ihre Aufgaben erledigten.

Wenn Erin noch mit einem weiteren Mann tanzen müsste, würde sie anfangen zu schreien. Das Feuer flackerte im Wind, und das Rauschen des Ozeans wurde gedämpft von dem Streichquartett, das schwungvoll Lieder der Insel spielte.

Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf, als die Musik endlich verstummte, und warf einen verstohlenen Blick auf ihre Uhr. Noch fünfundvierzig Minuten; dann endlich könnte sie in ihr Apartment zurückkehren.

Obwohl sie Tag und Nacht an Daniel denken musste, war der Umzug in das kleine Apartment befreiend gewesen. Und da sie einen Job hatte, war sie von niemandem abhängig und niemandem verpflichtet, außer sich selbst. Auch wenn sie darunter litt, Daniel verloren zu haben, wollte sie nicht länger bei diesem Gedanken verweilen. Das Leben ging weiter.

Die Musik setzte wieder ein, und ein anderer Mann näherte sich lächelnd. „Darf ich bitten?“

Erin unterdrückte einen Seufzer und ließ es zu, dass er ihre Hand nahm. Der Tanz war zur Hälfte geschafft, da deuteten die Gäste plötzlich den Strand hinunter. Erin blickte über die Schulter ihres Partners, doch er wirbelte sie herum, sodass sie nichts erkennen konnte.

Im nächsten Moment stand Daniel vor ihnen. Ihr Herz schlug Purzelbäume; sie kam aus dem Takt und trat dem Kunden auf den Fuß.

Der Mann knurrte.

Daniel tippte dem Mann auf die Schulter, und der Kunde warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Der Tanz gehört mir.

Ich habe schon den ganzen Abend gewartet.“

Eine Palastwache trat neben den Mann. „Darf ich Ihnen Seine Hoheit, Daniel Connelly, Fürst von Altaria, vorstellen?“

Dem Mann fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Seine Hoheit!“ Er wirbelte herum. „Sie sind der Fürst?“

„Ja.“ Daniel reichte ihm die Hand. „Und wer sind Sie?“

„Bob“, sagte der Mann und überschlug sich fast. „Bob Fuller.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Bob. Gefällt es Ihnen auf Altaria?“

„O ja. Es ist fantastisch hier. Das Wetter, der Strand, die Frauen.“ Bob warf einen vielsagenden Blick auf Erin.

Daniels herzliches Lachen verblasste. „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich den Tanz mit der Dame beende?“

Bob sah zu Erin. „Nein, natürlich nicht. Ich kann sie ja später noch einmal auffordern.“

Daniel zog sie sofort in seine Arme. „Nur über meine Leiche“, murmelte er vor sich hin. „Was zum Teufel machst du hier?“

Erin konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Ich arbeite. Dies ist mein Job.“

„Nein, ist es nicht. Du hast einen Job im Palast“, widersprach Daniel.

„Ich habe gekündigt.“ Erins Herz pochte wie verrückt.

Daniel sah aus, als würde er in Gedanken bis zehn zählen, um ruhig zu bleiben. „Ich spreche von einer anderen Position.“

„Was? Fürstlicher Gassi-Geher und Hundekot-Entsorger?“

Daniel schnappte nach Luft, und Erin hatte das Gefühl, dass sie jetzt zu weit gegangen war.

„Wir müssen dringend miteinander reden. Du kommst jetzt mit mir.“

„Das geht nicht“, protestierte sie. „Ich brauche diesen Job.“

„Du wirst kündigen.“

„Das glaube ich kaum.“

„Ich weiß es“, entgegnete er und schockierte sie damit, dass er sie hochhob und wegtrug.

Brüllendes Gelächter begleitete die Aktion.

„Was zum Teufel machst du da?“, zischte sie, als er sie zu einer schwarzen Limousine schleppte. „Wenn die Presse Wind davon bekommt, wird jeder denken, du wärst verrückt geworden.“

„Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern.“ Er setzte sie auf den Rücksitz.

„Und die wäre?“

„Das sage ich dir, wenn wir im Palast angekommen sind.“

Erin verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte auf der kurzen Rückfahrt. Dieses Mal war er wirklich zu weit gegangen. Sie würde gefeuert werden, und das war allein seine Schuld.

Kaum hielt die Limousine, sprang Daniel schon hinaus und lief um den Wagen herum, um Erin beim Aussteigen behilflich zu sein.

Erin rührte sich jedoch nicht vom Fleck. „Ich möchte in meine Wohnung. Du hast kein Recht dazu, mich in den Palast zu entführen“, schimpfte sie.

Er fluchte leise. „Okay, du willst es ja nicht anders …“ Er zog sie aus dem Wagen und warf sie sich über seine Schulter.

Erin schoss das Blut in den Kopf. „Lass mich sofort runter!“, forderte sie mit schriller Stimme. „Lass mich runter! Du bringst uns beide in Verlegenheit.“

„Mir ist das nicht peinlich.“ Er schleppte sie durch das große Foyer.

„Lass mich runter!“ Langsam verlor Erin die Beherrschung. „Lass mich …“ Sie bekam Schluckauf. „Das ist deine Schuld …“ Hicks. „Jetzt habe ich wieder Schluckauf.“

Er ließ sie von seiner Schulter und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ich möchte für den Rest deines Lebens verantwortlich für deinen Schluckauf sein.“

Verwirrt und den Tränen nahe, hickste Erin wieder. „Wovon sprichst du?“, fragte sie, bevor der nächste Hicks kam.

„Ich möchte dich heiraten.“

Erin blinzelte. Ihr stockte der Atem. Eine Sekunde später hickste sie. „Du kannst mich nicht heiraten“, flüsterte sie. „Du hast kein Vertrauen zu mir.“

„Dann sorg dafür, dass ich es wieder habe“, forderte er sie heraus. „Ich bin schon fast so weit.“

Sie biss sich auf die Lippen. Ihr Schluckauf wollte einfach nicht aufhören. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einen nachhaltigen Einfluss auf einen Mann haben könnte, der so willensstark ist wie du.“

„Dann musst du an deiner Vorstellungskraft arbeiten.“

Erin wurde ruhig. Abgesehen von ihrem Schluckauf. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihre Welt auf den Kopf gestellt worden. Sie starrte Daniel an und fragte sich, ob ein Mensch vor Liebe und Hoffnung platzen konnte.

„Ich möchte dich immer bei mir haben, Erin“, sagte Daniel. „Wenn es sein muss, kaufe ich dir auch einen Pudel.“

Sie blinzelte. Ein Pudel war das Letzte, woran sie im Moment dachte.

Er wurde plötzlich todernst. „Wenn ich dich ansehe, will ich Dinge, die ich noch nie gewollt habe. Ich möchte dich für den Rest meines Lebens lieben und beschützen. Ich möchte Kinder mit dir haben. Mit dir an meiner Seite möchte ich Altaria in ein neues Zeitalter führen. Aber vor allem, Erin, möchte ich jeden Tag meines Lebens mit dir verbringen.“ Unsicher sah er sie an. „Verdammt, Erin, sag doch etwas!“

„Ja“, flüsterte sie und hatte das Gefühl, endlich angekommen zu sein.

„Ja“, wiederholte er, als würde er ihrer Antwort nicht ganz trauen.

„Ja“, sagte sie und legte ihre ganze Überzeugungskraft in dieses eine Wort. „Ja, ich werde dich heiraten. Ich werde deine Kinder bekommen. Und ich werde an deiner Seite sein.“ Sie legte die Hand an sein Kinn. „Ich liebe dich, und ich werde dich bis an mein Lebensende lieben.“

EPILOG

Eine Woche später heirateten Erin und Daniel im Park des Palastes. Die Hofschranzen hatten gegen die übereilte Hochzeit protestiert, doch Daniel war unerbittlich geblieben. Allerdings mussten sie die Hochzeitsreise auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, doch das war Erin egal. Die Krönungsfeier hatte Vorrang. Außerdem belasteten Daniel die Ermittlungen wegen des Todes von Fürst Thomas und Prinz Marc schwer, und er würde nicht ruhen, bis die Mörder gefunden und bestraft waren.

Trotz des angespannten Verhältnisses zu Erins Vater bestand Daniel darauf, dass dieser an der Zeremonie teilnahm. Er wollte, dass Erin eine Familienzugehörigkeit erlebte, die ihr das ganze Leben lang verwehrt worden war. Es hatte ein oder zwei unangenehme Momente gegeben, doch Erin spürte, dass ihr Vater sich die Versöhnung genauso sehr wünschte wie sie.

Nach den Feierlichkeiten, die das Fernsehen weltweit übertrug, flüchteten Erin und Daniel nach Dunemere ins Feriendomizil der Rosemeres.

Erin war sicher, dass sie und Daniel auch in Zukunft häufig Zuflucht in dem zweigeschossigen Holzhaus suchen würden. Sie betrachtete ihren Mann, der nackt und befriedigt auf dem Bett lag, nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt hatten. Noch immer war sie überrascht, wie eilig er es gehabt hatte, die Feier zu verlassen. Offensichtlich konnte er es nicht abwarten, die Ehe zu vollziehen.

„Ich liebe dich“, sagte er und küsste sie zärtlich.

Erin lief das Herz über vor Glück. „Ich könnte jedes Mal heulen, wenn du mir das sagst.“

Er lächelte sie liebevoll an. „Ist das besser als Schluckauf?“

Sie lachte. „Ich denke, ja.“ Sie streichelte über sein Kinn und dachte an das Ehegelübde, das sie gerade abgelegt hatten. „Ich verstehe immer noch nicht, warum gerade ich? Warum wolltest du ausgerechnet mich heiraten?“

Er sah einen Moment weg. „Gleich beim Kennenlernen hatte ich das Gefühl, dass ich dir vertrauen kann.“

Erins Magen verkrampfte sich, und sie schloss die Augen. Sie mochte immer noch nicht daran denken, wie verletzt er gewesen war.

„Sieh mich an“, sagte er und küsste sie. „Selbst als ich Zeuge dieser fürchterlichen Unterhaltung mit deinem Vater wurde, hat ein Teil von mir daran geglaubt, dass ich dir vertrauen kann. Und dieser Teil hatte recht. Ich vertraue dir.“

Tränen traten ihr in die Augen. „Weißt du eigentlich, dass du mich zu der glücklichsten Frau der Welt gemacht hast?“

„Ich fange gerade erst damit an, Erin“, sagte er und aus seinen Augen strahlten Liebe und Leidenschaft.

– ENDE –

IMPRESSUM

Die Eisprinzessin und der Playboy erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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© 2002 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Maternally Yours“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 287 - 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733768911

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
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1. KAPITEL

Elena Delgado presste die Hand gegen den Magen, holte tief Luft und stand dann langsam auf. Sie schloss die Augen und lehnte sich gegen die Toilettenwand. Die Übelkeit sollte eigentlich nicht den ganzen Tag über anhalten, denn schließlich sprach man von morgendlicher Übelkeit. Aber ihr war von dem Moment an schlecht gewesen, als sich das Teststäbchen blau gefärbt hatte.

Es machte Elena nicht das Geringste aus. Sie würde alles ertragen, Hauptsache, sie bekam ein gesundes Baby. Sie biss sich auf die Unterlippe und atmete noch einmal tief durch. Dies war ihre letzte Hoffnung auf ein eigenes Kind – sie konnte sich einfach keinen weiteren Gang zur Samenbank leisten. Weder finanziell noch emotional.

Als sich ihr Magen beruhigt hatte, öffnete sie die Kabinentür und trat ans Waschbecken. Das Klacken ihrer halbhohen Pumps auf dem gefliesten Boden hallte im dem leeren Raum wider. Das hohl klingende Geräusch ließ sie erschaudern. Es lag so viel Einsamkeit darin.

Tränen traten ihr in die Augen, als sie in den Spiegel über dem Waschbecken blickte. Sie war ihr Leben lang allein gewesen. Warum fühlte sie sich ausgerechnet jetzt so einsam?

Ärgerlich auf sich selbst riss Elena Papiertücher aus dem Spender, hielt sie unter den Wasserhahn und drückte dann die nassen, kalten Tücher gegen ihre erhitzten Wangen. Ihr labiler Gemütszustand musste mit dem veränderten Hormonhaushalt während der Schwangerschaft zusammenhängen. Das war die einzig mögliche Erklärung.

Normalerweise weinte Elena Delgado nicht. Niemals.

Sie wischte die letzten Tränen weg und warf einen Blick auf ihre Uhr. Seufzend hängte sie sich die Tasche über die Schulter, schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass ihr Magen in der nächsten Stunde ruhig bleiben möge, und trat dann in den eleganten Empfangsbereich des Connelly Imperiums im Connelly Tower.

Elena eilte zu den Fahrstühlen. Sie hasste es, zu spät zu kommen. Es war unhöflich und rücksichtslos, Menschen warten zu lassen. Ungeduldig trat sie von einem Fuß auf den anderen, während sie auf einen der Lifte wartete. Eine weitere Verzögerung an einem Tag, der von einer Serie von Verspätungen und Frustrationen gekennzeichnet war.

Der Ärger hatte morgens mit dem Wachwerden begonnen. Die veraltete Heizung in ihrem Wohnblock hatte endgültig den Kampf gegen den kalten Chicagoer Winter aufgegeben und war irgendwann in der Nacht ausgefallen. Schlotternd vor Kälte hatte sie sich für die Arbeit fertig gemacht. Dann hatte ihr Wagen sie im Stich gelassen und war nicht angesprungen. Also war sie an diesem eisigen Morgen im Februar sechs Straßen weiter zur Station der L gelaufen, der Hoch- und Tiefbahn von Chicago.

Endlich glitt die auf Hochglanz polierte Messingtür des Fahrstuhls geräuschlos auf, und Elena betrat die Kabine. Sie drückte die Taste für die 17. Etage. Als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte, wurde ihr erneut übel. Elena schloss die Augen. Schnelle Aufzüge sollten verboten sein, dachte sie, als die rasante Auffahrt ihren ohnehin empfindlichen Magen völlig durcheinanderbrachte.

Ein paar Sekunden später stoppte der Aufzug, die Tür glitt auf, und Elena trat auf wackeligen Beinen in einen mit Teppichboden ausgelegten Flur. Nach ihrem Termin mit Brad Connelly, bei dem die Gesprächstermine mit den restlichen Familienmitgliedern arrangiert werden sollten, würde sie das Wochenende nutzen, um wieder ein Mensch zu werden.

Aber sie würde nicht den Fahrstuhl benutzen, sondern die Treppe hinunterlaufen.

Brad Connelly klopfte mit seinem Füllhalter auf die polierte Oberfläche seines Mahagonischreibtisches. Zum dritten Mal innerhalb weniger Minuten blickte er auf seine Uhr, dann starrte er wieder aus dem Fenster auf den Michigan See, auf den die ersten Schatten des frühen Abends fielen.

Brad hasste es, wenn man ihn warten ließ. Sollte die Beamtin, die das Attentat auf seinen älteren Bruder Daniel untersuchte, nicht bald auftauchen, würde er Feierabend machen. Babe mochte es gar nicht, wenn er spät aus dem Büro nach Hause kam. Er konnte froh sein, wenn sie nicht seine Sachen zerfetzte, um es ihm heimzuzahlen. Es wäre nicht das erste Mal.

Das Summen der Sprechanlage auf seinem Schreibtisch riss ihn aus seinen Gedanken. „Ja, Fiona?“

„Die Dame, die um vier Uhr einen Termin bei Ihnen hatte, ist jetzt da, Mr. Connelly.“

„Danke. Schicken Sie sie herein. Sie können jetzt gehen, wenn Sie wollen.“

„Danke, Mr. Connelly. Dann bis Montag. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“

„Danke, Ihnen auch, Fiona.“

Sekunden später wurde die Bürotür geöffnet, und eine junge Frau mit hellbraunen schulterlangen Haaren betrat den Raum. Brad konnte nicht anders, er starrte die Frau an. Das sollte die hoch geschätzte Kriminalbeamtin der Spezialeinheit beim Chicago Police Department sein?

Wow! Er hatte eine Frau mittleren Alters erwartet, die wie ein Mann aussah und sich knallhart gab. Stattdessen stand eine zierliche Frau von Mitte zwanzig vor ihm, die jede Schönheitskönigin in den Schatten stellte. Im Geiste machte er sich eine Notiz, seinen Vater anzurufen und sich bei ihm zu bedanken, dass er ihn zum Mittelsmann zwischen Familie und Polizei auserkoren hatte.

Brad stand auf. Unwillkürlich fiel sein Blick auf ihre Hand, um zu sehen, ob sie einen Ehering trug. Tat sie nicht.

Er sandte einen stummen Dank an den Mächtigen im Himmel, ging um seinen Schreibtisch herum, setzte sein charmantes Lächeln auf – das Lächeln, das ihm schon seit seinem letzten Jahr an der Highschool einen vollen Kalender mit Verabredungen beschert hatte – und reichte ihr die Hand. „Ich bin Brad Connelly. Leiter der PR-Abteilung. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

Elena schüttelte seine Hand, erwiderte das Lächeln jedoch nicht. „Elena Delgado. Entschuldigen Sie, dass ich mich verspätet habe, Mr. Connelly.“

Sie gab keine Erklärung für ihre Verspätung, und Brad fragte nicht nach. Zu sehr lenkte ihn das prickelnde Gefühl ab, das sich in ihm ausbreitete. „Da wir eng zusammenarbeiten werden, nennen Sie mich bitte Brad, Mrs. Delgado.“ Er rieb mit dem Daumen über die weiche Haut ihres Handrückens.

Sie ließ seine Hand los, und ihr Blick gab ihm zu verstehen, dass sie weder von seinem umwerfenden Lächeln noch von seiner Berührung beeindruckt war. „Lassen Sie uns zur Sache kommen, Mr. Connelly“, sagte sie höflich, aber bestimmt.

Sachliches Gebaren gehörte sicherlich zu ihrem Job. Aber Brad erlebte es nur selten, dass er eine Frau nicht in seinen Bann ziehen konnte. Er sah es als persönliche Herausforderung an.

Als sie ihn weiter erwartungsvoll anblickte, fiel ihm etwas auf, was ihm bisher entgangen war. Elena Delgado sah müde aus. Sehr müde. Sie war blass, unter ihren schönen schokoladenbraunen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, und ihre Stimme klang erschöpft und matt. Vielleicht verhielt sie sich deshalb so distanziert und weigerte sich, ihn mit Vornamen anzureden.

Was auch immer der Grund für ihren Zustand sein mochte, ihr Desinteresse reizte ihn und forderte ihn heraus, etwas zu unternehmen, was ihre Stimmung verbesserte.

Brad sah auf die Uhr. Es war Essenszeit, und er kam sowieso zu spät nach Hause. Daniel und seine Frau Erin befanden sich auf dem kleinen Inselstaat Altaria in Sicherheit vor weiteren Anschlägen auf ihr Leben. Und Babe würde ihm auf jeden Fall die kalte Schulter zeigen. Wahrscheinlich hatte sie schon damit begonnen, sein Wohnzimmer zu verwüsten. Es würde also keinen Unterschied machen, wenn er noch eine oder zwei Stunden später kam.

Außerdem wirkte Elena so, als könnte sie etwas Aufmunterung gebrauchen.

„Ich wollte gerade Feierabend machen.“ Brad nahm sein Jackett von dem Garderobenständer aus poliertem Messing. Er schlüpfte hinein und griff nach seinem Ledermantel. „Lassen Sie uns die Details der Befragung beim Abendessen besprechen.“

Elena schüttelte den Kopf, und wenn der Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht nicht täuschte, würde es nicht einfach werden, sie umzustimmen. „Lieber nicht, Mr. Connelly.“

Er ließ sich nicht abschrecken. „Ich habe nicht gefrühstückt und die Mittagspause durchgearbeitet“, sagte er wahrheitsgemäß. „Jetzt ist Zeit fürs Abendessen, und ich bin hungrig.“ Er lächelte. „Ich könnte wetten, Sie auch.“

In diesem Moment meldete sich ihr Magen vernehmlich, was jeden möglichen Protest ihrerseits im Keim erstickte. Elena wurde rot.

Seit Jahren hatte Brad keine Frau mehr erröten sehen. Er lachte. „Dann wäre das also geklärt.“ Er zog seinen Mantel an, legte Elena die Hand auf den Rücken und schob sie zur Tür. „Wir unterhalten uns beim Essen.“

Sie machte kein glückliches Gesicht, doch Brad wertete es als positives Zeichen, dass sie sich von ihm zum Fahrstuhl führen ließ. Die rasante Fahrt in die Tiefgarage verlief schweigsam, und er fragte sich langsam, ob er sein Gespür für Frauen verloren hatte. Elena fühlte sich in seiner Gegenwart ganz offensichtlich miserabel. „Wir kommen später hierher zurück, damit Sie Ihren Wagen holen können.“ Sie verließen den Fahrstuhl.

„Mein Wagen ist heute Morgen nicht angesprungen.“ Sie klang noch erschöpfter als zuvor. „Ich habe die Bahn genommen.“

„Zurück fahren Sie nicht mit der Bahn“, sagte er mit Nachdruck. Kripobeamtin oder nicht, ihm missfiel der Gedanke, dass eine Frau abends allein öffentliche Verkehrsmittel benutzte. Es war viel zu gefährlich. Bevor Elena protestieren konnte, führte er sie zu seinem schwarzen Jaguar Cabriolet und öffnete die Beifahrertür. „Mögen Sie italienisches Essen?“

Erschöpft sank sie in den Schalensitz. „Ja. Eigentlich liebe ich italienisches Essen, aber ich glaube nicht, dass es …“

„Gut, dann wäre das geklärt.“ Er schloss die Tür. Als sie zu ihm aufblickte, hatte er das Gefühl, dass sie etwas grün im Gesicht war. Doch er verwarf den Gedanken. Das Neonlicht in der Tiefgarage warf auf alles einen unnatürlichen Schimmer. Er ging um den Wagen herum, öffnete die Fahrertür und setzte sich hinter das Lenkrad. „Ich kenne ein tolles kleines italienisches Restaurant nicht weit von hier.“

Brad hatte das Gefühl, dass sie wieder protestieren wollte, doch als er den Motor anließ und ausparkte, presste sie die Lippen zusammen, schloss die Augen und lehnte sich zurück.

Brad hatte fast ein schlechtes Gewissen, dass er darauf bestanden hatte, sie zum Essen einzuladen. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich kam noch auf den Beinen halten konnte. Doch nun setzte sich die Fürsorge durch. Elena musste etwas essen. Und so brauchte sie sich nichts mehr zu kochen, wenn sie nach Hause kam. Zufrieden, dass er ihr mit der Einladung wahrscheinlich einen Gefallen tat, lenkte er den Wagen aus der Tiefgarage und fädelte sich in den dichten Verkehr auf der Michigan Avenue ein.

Zehn Minuten später führte Brad Elena an den Stammplatz bei seinem Lieblingsitaliener, half ihr aus dem Mantel und rückte ihr den Stuhl zurecht. Nachdem er auch seinen Mantel ausgezogen und beide an die Garderobe gehängt hatte, setzte er sich Elena gegenüber und starrte sie über die Kerze in einer Chianti-Flasche hinweg an. Sie wirkte schrecklich erschöpft.

„Lassen Sie uns unser Gespräch auf Montag verschieben“, schlug er vor. „Sie sehen aus, als würden Sie gleich zusammenbrechen.“

„Mir geht es gut.“ Sie zog einen Notizblock aus ihrer Tasche. „Ich würde gern heute alles erledigen, was im Vorfeld geregelt werden kann, damit ich am Montagmorgen direkt mit der Befragung beginnen kann. Sind Sie darüber informiert worden, was ich von Ihnen brauche, Mr. Connelly?“

Brad lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er versuchte, zur Sache zu kommen und das erotische Bild zu verdrängen, das ihre unschuldige Frage heraufbeschworen hatte. Ihm fielen einige sehr aufregende Dinge ein, die er mit Elena gern unternehmen würde, doch Treffen mit seiner Familie zu vereinbaren – das gehörte nicht dazu.

Brad räusperte sich und konzentrierte sich auf die Aufgabe, die sein Vater ihm übertragen hatte und die er gern erfüllte. Er wollte unbedingt herausfinden, wer versucht hatte, seinen Bruder Daniel zu ermorden. „Mein Vater hat mir gesagt, dass Sie mit sämtlichen Familienmitgliedern sprechen möchten.“

Elena nickte. „Richtig. Ihr Vater hat mir zugesagt, dass Sie die Zeiten koordinieren und den Ort für die Gespräche festlegen würden.“

Brad lächelte. Seine effiziente Arbeitsweise und seine Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer Menschen vorauszuahnen, hatten ihm den Ruf eingebracht, einer der besten PR-Männer in der Textilbranche zu sein. „Das ist alles schon erledigt. Ich habe dafür gesorgt, dass Ihnen ab Montag ein Konferenzraum im Connelly Tower zur Verfügung steht, damit Sie ungestört Ihre Gespräche führen können.“

„Gut.“

„Es kann jedoch einige Tage dauern, bis Sie mit jedem gesprochen haben.“ Brad stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab und legte das Kinn in die Hand. Er beobachtete, wie sie sich eine Strähne ihrer seidig glänzenden Haare aus dem Gesicht strich. Wie gern würde er ihre makellose Haut berühren und ihr Haar zerzausen. Das Kerzenlicht warf einen sanften Schimmer auf ihr hübsches Gesicht. Brad fragte sich, wie es wäre, Elena in den Armen zu halten und sie zu küssen.

„Mir ist bewusst, dass es ein paar Tage dauern wird“, sagte sie und riss ihn aus seinen höchst angenehmen Gedanken. Sie blickte von ihrem Notizblock auf. „Ich würde auch gern einige der Angestellten befragen. Sie könnten über Informationen verfügen, die meinen Nachforschungen dienlich sind.“

„Das kann alles arrangiert werden. Sonst noch etwas?“

„Im Moment nicht.“ Sie sah auf ihre Notizen. „Natürlich muss ich auch Sie befragen.“ Sie lächelte ihn zaghaft an. „Und ich sehe keinen Grund, warum wir das nicht schon heute Abend erledigen sollten.“

Ermutigt durch ihr sanftes Lächeln kam er zu dem Schluss, dass noch nicht alles verloren war. Auch wenn es kein besonders warmherziges Lächeln war, der Anfang war gemacht.

Und darauf konnte er aufbauen.

„Nicht heute Abend.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin müde, und Sie sind es auch. Außerdem stehe ich am Montag als Erster auf Ihrer Liste.“ Er grinste. „Sie wollen doch den Zeitplan nicht durcheinanderbringen, bevor wir überhaupt angefangen haben, oder?“

Sie runzelte die Stirn. „Es macht sicher keinen Unterschied, wenn ich Ihre Aussage jetzt schon aufnehme.“

„Oh doch.“ Er versuchte, ernst zu bleiben. „Wir könnten unser Essen nicht genießen, was bei mir zu Verdauungsstörungen führen könnte. Das hätte dann zur Folge, dass ich die ganze Nacht wach liege und morgen nichts schaffe, weil ich so müde bin. Dieses wiederum würde bedeuten, dass ich am Sonntag alles nachholen muss, was ich am Samstag nicht erledigt habe, und …“ Er setzte eine bedauernswerte Miene auf. „Ich denke, Sie sehen ein, dass es meinen ganzen Zeitplan über den Haufen werfen würde.“

Elena starrte ihn eine Weile lang schweigend an. Dann legte sie ihren Stift auf den Tisch. „Lassen Sie uns eines klarstellen, Mr. Connelly. Dies ist kein …“

Genau in diesem Moment stellte der Kellner einen Korb mit Brot auf den Tisch. „Guten Abend, Mr. Connelly. Möchten Sie die Weinkarte?“

Brad warf Elena einen fragenden Blick zu. Diese schüttelte den Kopf und blickte zu dem Ober auf. „Für mich bitte keinen Wein.“

„Ein Glas Wein wird Ihnen helfen, sich nach einem stressigen Tag zu entspannen.“ Brad wandte sich an den Kellner. „Bringen Sie bitte zwei Gläser und eine Flasche von Ihrem besten Wein, Vinnie.“

Elena kochte innerlich. Was bildete der Mann sich eigentlich ein? Nur weil er ungewöhnlich attraktiv, sehr erfolgreich und Mitglied einer einflussreichen Familie war, hatte er noch lange nicht das Recht, über sie zu bestimmen. Es wurde Zeit, ihm das unmissverständlich klarzumachen.

Jede andere Frau würde wahrscheinlich im siebten Himmel schweben und dem Himmel danken, dass sie mit dem tollen Brad Connelly dinieren durfte. Aber Elena war nicht wie andere Frauen. Glücklicherweise war sie immun gegen sein attraktives Äußeres, seine ungewöhnlich blauen Augen und sein einnehmendes Lächeln. Auf so etwas war sie einmal hereingefallen. Ein zweites Mal würde ihr das nicht passieren. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war eine Affäre mit einem Playboy, wie ihr Exmann einer gewesen war.

Sie wollte dem Kellner gerade sagen, dass er ihr kein Glas bringen sollte, als Brad sich wieder an den jungen Mann wandte. „Ich denke, wir nehmen beide einen Salat mit dem Hausdressing und dazu Calamares, Vinnie.“

„Sehr gern, Sir.“

Kaum hatte der Kellner sich entfernt, starrte Elena Brad an. „Finden Sie nicht, dass das etwas anmaßend war?“

„Mögen Sie keine Calamares?“ Brad machte ein erschrockenes Gesicht. „Ich dachte, jeder mag sie. Wenn Sie möchten, bestelle ich Ihnen etwas anderes.“

Als er die Hand hob, um Vinnie heranzuwinken, schüttelte sie den Kopf. „Darum geht es nicht, Mr. Connelly.“

Mit der widerspenstigen Haarsträhne, die ihm immer wieder in die Stirn fiel, dazu diesem verwirrten Gesichtsausdruck, sah er aus wie ein kleiner Junge, der nicht wusste, was er falsch gemacht hatte. Fast hätte sie gelacht. Sie könnte wetten, dass dieser Gesichtsausdruck Seltenheitswert hatte.

„Worum dann, Elena?“ Er bedeckte ihre Hand mit seiner. „Und bitte nennen Sie mich Brad.“

Plötzlich war er alles andere als ein kleiner Junge. Die Berührung und seine sympathische, warme Baritonstimme lösten die merkwürdigsten Gefühle in ihr aus. Auf einmal hatte sie Schmetterlinge im Bauch. Hastig entzog sie ihm ihre Hand und legte sie auf den Schoß. Der Mann machte seinem Ruf als Playboy alle Ehre. Schade nur, dass er seinen Charme bei ihr verschwendete. Dank ihres Exmannes Michael war sie gegen diese Art von Anmache total immun.

„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich keinen Wein trinken möchte.“ Die Schmetterlinge beruhigten sich wieder. Stattdessen verspürte sie ein unangenehmes Rumoren, und ihre Handflächen wurden kalt und feucht. „Ich denke, es wird höchste Zeit, dass wir ein paar Regeln festlegen, Mr. Connelly. Ich bin nur an der Aufklärung des versuchten Mordes an Ihrem Bruder interessiert. Sie können also aufhören.“

Er zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an. „Wie kommen Sie darauf, ich hätte etwas anderes im Sinn, Elena? Ich will Sie lediglich bei Ihrer Arbeit unterstützen.“

„Mr. Connelly …“

„Brad, bitte.“

„Sie haben mich mit diesem Dinner überrumpelt.“ Sie steckte ihren Notizblock und ihren Stift in ihre Tasche. „Sie haben beschlossen, dass ich mit der Befragung bis Montag warten kann. Sie sind sogar so weit gegangen, mir Wein zu bestellen, obwohl ich klar und deutlich gesagt habe, dass ich keinen trinken möchte. Verstehen Sie, was ich meine, Mr. Connelly?“

„Nicht ganz.“

„Ich lasse mir nicht gern sagen, was ich zu tun habe.“ Um Abstand zwischen sich und Brad Connelly zu bringen, sprang Elena auf. Plötzlich begann sich der Raum um sie zu drehen, und Elena musste sich am Tisch festhalten. „Ich bin daran gewöhnt, das Sagen zu haben, wenn ich … an einem Fall arbeite.“

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Brad stand auf.

Elena musste ihm zugutehalten, dass er ernsthaft besorgt schien. „Mir geht’s … gut.“ Sie schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, stand Brad neben ihr und hatte die Hand an ihren Ellbogen gelegt. „Es war ein langer, anstrengender Tag nach einer arbeitsreichen Woche, Mr. Connelly. Ich denke, ich lasse das Essen ausfallen und fahre mit dem Taxi nach Hause.“

„Ich fahre Sie.“

„Nein, das ist nicht nötig.“ Elena versuchte verzweifelt, gegen die aufsteigende Übelkeit anzukämpfen. „Bitte … bleiben Sie … und genießen Sie Ihr Essen.“

Brad sah sie nachdenklich an. Er wusste nicht, was das Problem war, aber er war sicher, dass Elena nicht nur unter Erschöpfung litt. Ihr Atem ging schwer, und ihr Gesicht war kreidebleich.

„Mario!“ Brad rief nach dem Chef des Restaurants. Als der kleine Mann zu ihnen geeilt kam, erklärte Brad: „Mrs. Delgado fühlt sich nicht wohl, und wir haben beschlossen, nichts zu essen.“

„Natürlich, Signore Connelly.“ Mario warf Elena einen besorgten Blick zu, als Brad ihr in den Mantel half. „Tut mit leid, dass die signorina krank ist. Ich hoffe, dass es ihr bald besser geht.“

Brad nickte. Er legte die Hand an Elenas Ellbogen und wollte sie zum Ausgang führen. Doch als sie sich umdrehte, kam sie ins Straucheln und blieb abrupt stehen.

Sie blickte zu ihm auf, und er sah die Angst und Panik in ihren ausdrucksvollen Augen. Und die Verzweiflung, als sie gegen ihn sackte. „Bitte … helfen Sie mir … Brad“, flüsterte sie. Im nächsten Moment verlor sie das Bewusstsein.

Ohne nachzudenken hob er sie auf seine Arme und trug sie zum Ausgang. Glücklicherweise hatte er direkt vor dem Restaurant geparkt. So waren es nur ein paar Schritte bis zum Wagen.

Er setzte sie auf den Beifahrersitz, schnallte sie an und lief dann um den Jaguar herum zur Fahrerseite, startete den Wagen, legte den ersten Gang ein und schoss vom Parkplatz.

„Halt durch, Elena“, sagte er und kämpfte gegen die ungewohnte Panik an, als er langsamer fahrende Autos überholte. „In zwei Minuten sind wir in der Notaufnahme des Memorial Hospitals.“

2. KAPITEL

Brad lockerte seine Krawatte, steckte die Hände in die Hosentaschen und lief nervös vor dem Untersuchungszimmer der Notaufnahme auf und ab. Er war daran gewöhnt, dass ihm die Frauen sprichwörtlich zu Füßen lagen, aber heute war das erste Mal, dass es im wahrsten Sinne des Wortes geschah. Und das Schlimmste daran war, dass er Schuld hatte.

Warum hatte er nicht auf sie gehört? Elena hatte ihm gesagt, dass sie nicht essen gehen wollte, dass sie einen schweren Tag gehabt hatte und nur noch nach Hause wollte. Doch er konnte ein Nein nicht akzeptieren.

Im Gegenteil, Brad Connelly, der Frauenkenner, hatte ihr Nein als Herausforderung angesehen, seinen ganzen Charme spielen zu lassen – als wäre sie eine Trophäe, die erobert werden wollte. Ihm war einige Male aufgefallen, dass sie ein Gesicht machte, als fühlte sie sich nicht wohl, doch er hatte es ignoriert. Er hatte sich sogar eingeredet, dass ein Glas Wein und ein leckeres Essen genau das waren, was Elena brauchte. Wie hatte er nur so unsensibel sein können? So verdammt dumm?

„Brad Connelly, du bist der Letzte, den ich hier zu sehen erwartet hätte!“, rief eine weibliche Stimme.

Brad blickte auf und sah Meg O’Reilly auf sich zu kommen. Toll. Was würde heute Abend noch alles passieren? Nicht nur, dass er dafür verantwortlich war, dass eine Frau beim Dinner mit ihm zusammenbrach, jetzt verfolgte ihn auch noch die Vergangenheit.

Brad hatte Meg seit fünf Jahren nicht gesehen. Seit jener Nacht, als ihm die hübsche Blondine gestanden hatte, dass sie ihn liebte und heiraten wollte, sobald sie ihr Medizinstudium beendet hatte. Nur einen Monat zuvor war Talia gestorben, die Frau seines Zwillingsbruders Drew. Und die Verzweiflung seines Bruders war ihm noch zu präsent gewesen. Wie es meistens bei Zwillingen der Fall war, litt Brad genauso wie Drew. Damals hatte Brad sich geschworen, sich nie freiwillig diesen Schuldgefühlen, diesem Gefühl des Versagens auszusetzen.

Und so hatte er Meg an jenem Abend nach Hause gebracht und ihr freundlich, aber bestimmt erklärt, dass er für die Ehe nicht geschaffen war. Wortreich hatte er versucht, ihr zu erklären, dass sie zwar keine feste Beziehung haben, trotzdem aber befreundet bleiben könnten. Doch sie hatte ihm seine Ehrlichkeit übel genommen und eine Lampe nach ihm geworfen.

Als er sie jetzt mit einem Kunststoffschlauch in der Hand sah, der für intravenöse Flüssigkeits- und Medikamentenzufuhr benutzt wurde, fürchtete er, sie würde ihn damit gleich hier im Gang des Krankenhauses erdrosseln.

„Hallo, Meg.“ Sein Blick fiel auf ihre Hand, und er atmete erleichtert auf, als er den schmalen goldenen Ehering erblickte. „Wie ist es dir inzwischen ergangen?“

Sie deutete auf den Titel vor ihrem Namen auf dem kleinen Schildchen, das an ihrem weißen Kittel steckte. „Ich habe mein Medizinstudium beendet.“ Sie lächelte ihn schief an. „Und ich stelle fest, dass du immer noch auf den Ringfinger einer Frau schielst.“

Brad nickte zerstreut. In Gedanken war er schon wieder bei der zierlichen blonden Kripobeamtin in dem Untersuchungszimmer gegenüber. Er hatte das Gefühl, als wäre sie seit Stunden dort. „Würdest du mir einen Gefallen tun, Meg? Könntest du herausfinden, was der Patientin in dem Zimmer dort drüben fehlt?“

„Sicher. Gehört sie zur Familie?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich war mit der Frau essen. Sie ist ohnmächtig geworden.“

Meg warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. „Mal sehen, was ich erfahren kann.“

Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis die Tür endlich geöffnet wurde. „Ist alles in Ordnung mit ihr?“ Megs Gesichtsausdruck verriet nichts, was seine Angst noch erhöhte.

Was auch immer Elena fehlen mochte – wenn sich ihr Zustand verschlechtert hatte, weil er darauf bestanden hatte, dass sie mit ihm essen ging, dann würde er sich das nie verzeihen.

„Sie muss sich einfach etwas mehr schonen.“ Meg lächelte vielsagend. „Sie wird entlassen, sobald ihr die diensthabende Ärztin etwas gegen die Übelkeit verschrieben hat. Aber deine Aufgabe ist es jetzt, darauf zu achten, dass sie regelmäßig isst und etwas Ruhe bekommt. Das ist für jeden wichtig, aber besonders für jemanden in Mrs. Delgados Zustand.“

„Okay.“ Er würde allem zustimmen, wenn er damit sein mangelndes Feingefühl wettmachen konnte.

Meg machte ein ernstes Gesicht. „Wenn sie es nicht tut, verliert sie das Baby, Brad.“

„Das Baby“, wiederholte er tonlos.

„Ja, das Baby.“ Megs Pieper ertönte. Nachdem sie einen Blick auf das schmale Display geworfen hatte, lächelte sie. „Ich muss los.“ Sie berührte verständnisvoll seinen Arm. „Hör zu, Brad, sie ist ziemlich durcheinander und hat schreckliche Angst vor einer Fehlgeburt. Ich merke, dass sie und das Baby dir sehr viel bedeuten. Pass einfach gut auf die beiden auf, dann wird nichts passieren.“

„Ich? Ich habe nicht … ich meine … ich bin nicht …“

„Entspann dich. Du wirst ein wundervoller Vater werden.“ Meg drehte sich um. „Alles Gute für euch drei.“ Brad blickte der Frau nach, die um die Ecke verschwand. Meg hielt ihn für den Vater von Elenas Baby.

Die Vermutung, dass er der Vater war, war einfach lächerlich. Er konnte von keinem Baby der Vater sein. Kopfschüttelnd wartete er auf Elena. Wenn die Wahrheit ans Licht käme, wären die Klatschbasen der feinen Gesellschaft geschockt. Brad Connelly war vielleicht beim Dinner oder irgendwelchen gesellschaftlichen Anlässen in unterschiedlicher weiblicher Begleitung gesehen worden, aber eine feste Beziehung hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Und abgesehen davon, dass er sehr verantwortungsvoll mit der Verhütung umging, wenn er mal mit einer Frau schlief, hatte er seit mehr als einem Jahr keinen Sex gehabt.

Angst ergriff Besitz von Elena, und Tränen verschleierten ihren Blick, als sie sich langsam wieder anzog. Sie konnte nur an eines denken: Sie durfte das Baby nicht verlieren. Es durfte einfach nicht passieren. Während ihrer katastrophalen Ehe hatte sie bereits zwei Fehlgeburten erlitten.

Sie holte tief Luft und zwang sich, positiv zu denken. In sieben Monaten würde sie ein wunderschönes Baby in den Armen halten, das sie lieben konnte und das ihre Liebe erwiderte. Dieses Mal würde sie ihr Kind nicht verlieren.

Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und hoffte inständig, dass Brad das Warten leid geworden war und das Krankenhaus verlassen hatte, um den Abend noch zu genießen. Sie war stolz auf ihren beruflichen Erfolg und den hart erkämpften Job in dieser Spezialeinheit. Wenn sie im Dienst war, so wie heute Abend, ließ sie es nicht zu, dass irgendjemand sie schwach und wenig professionell erlebte.

Brad jedoch war Zeuge ihrer Schwäche geworden. Es war schon demütigend genug, ihm am Montagmorgen wieder unter die Augen treten zu müssen, wenn sie mit der Befragung der Familienmitglieder begann. Heute Abend wäre es eine Katastrophe.

Sie steckte das Rezept und die Tabletten, die ihr die Ärztin gegen die Übelkeit gegeben hatte, in ihre Tasche, stieß die Tür des winzigen Untersuchungszimmers auf und trat hinaus in den Gang. Fast hätte sie laut aufgestöhnt. Da stand Brad. Groß und attraktiv wie eh und je.

Er wirbelte herum, als er ihre Schritte hörte. Sein Gesichtsausdruck überraschte sie. Sie hätte Ungeduld und Verärgerung wegen der Unannehmlichkeiten erwartet, die sie ihm bereitet hatte. Diesen bedrohlichen Gesichtsausdruck hatte ihr Exmann Michael immer gehabt, wenn sie irgendwie seine Pläne durchkreuzt hatte. Brad dagegen schien einfach nur besorgt zu sein.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Er trat zu ihr und legte die Hände auf ihre Schultern. Sie empfand die Wärme seiner Handfläche als seltsam beruhigend.

Elena nickte, konnte ihm jedoch nicht in die Augen sehen. Wie sollte sie auch? Die ganze Geschichte war ihr viel zu peinlich. Er war Zeuge ihrer Schwäche geworden.

„Soll ich irgendjemanden anrufen? Ihren Mann oder Freund?“

Immer noch unfähig, seinem Blick zu begegnen, schüttelte sie den Kopf. „Es gibt keinen Mann in meinem Leben.“

Brad legte den Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht. „Es tut mir aufrichtig leid, Elena.“ Seine Stimme klang sanft und beruhigend. „Ich hätte auf Sie hören sollen, als Sie sagten, Sie wären zu müde, um mit mir essen zu gehen. Können Sie mir verzeihen, dass ich so unsensibel war?“

Bei seiner zarten Berührung, dem ernsten Tonfall und dem flehentlichen Blick traten ihr die Tränen in die Augen, und sie hatte einen Kloß im Hals. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sich jemals ein Mann bei ihr für irgendetwas entschuldigt hatte. Geschweige denn, sie um Verzeihung gebeten hatte.

In den vier Jahren ihrer Ehe hatte Michael höchstens einmal sein Bedauern ausgedrückt, aber niemals hatte er sie gebeten, ihm zu verzeihen. Nicht, als sie seine erste Affäre entdeckte. Nicht, als er ihr sagte, dass er ausziehen würde, um mit der Frau zu leben, mit der er bereits seit sechs Monaten ein Verhältnis hatte.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe. Aber Sie hätten nicht warten müssen. Ich bin sicher, Sie haben abends etwas Besseres zu tun, als im Krankenhaus herumzustehen.“

„Kein Problem.“ Lächelnd half er ihr in den Mantel. „Sobald wir in Ihrer Wohnung sind, lasse ich vom Lieferservice etwas zu essen bringen.“

Elena schüttelte den Kopf. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich nehme ein Taxi und mache mir dann selbst etwas zu essen.“

„Die Ärztin hat gesagt, dass Sie regelmäßig essen müssen und Ruhe brauchen.“ Brad geleitete sie zum Ausgang am Ende des langen Korridors. „Und diese Ruhe bekommen Sie nicht, wenn Sie selbst kochen müssen. Außerdem ist es spät, und Sie sind müde. Sie müssen die Füße hochlegen und sich schonen.“

„Ich bin es gewohnt, für mich selbst zu sorgen.“

„Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass Sie den Abend in der Notaufnahme verbringen mussten.“

Als sie hinaus in die kalte Nacht traten, legte er den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, um sie vor dem eisigen Wind zu schützen, der vom Michigan See herüberwehte. Bevor sie ihm sagen konnte, dass er ihr nichts schuldete, saßen sie schon in seinem Jaguar.

„Meinen Sie, Ihr Magen verträgt eine Suppe?“

„Ich glaube schon, aber Sie müssen nicht …“

„Doch, Elena, ich muss“, unterbrach er sie. „Ich hätte auf Sie hören sollen. Doch ich habe es nicht getan und mit meiner Sturheit Sie und Ihr Baby in Gefahr gebracht. Es tut mir wirklich leid, und ich möchte mein Vergehen gern wiedergutmachen.“

Das war zu viel für Elena. Die ehrliche Entschuldigung und der Selbstvorwurf, der sich in seinen blauen Augen widerspiegelte, kombiniert mit ihrem labilen Gemütszustand sprachen Gefühle tief in ihrem Innern an, die sie verschüttet geglaubt hatte. Schon wieder traten ihr Tränen in die Augen. Schnell drehte sie sich weg.

Zu spät.

Brad hatte die Tränen gesehen und zog Elena in seine Arme. „Elena, Liebes, bitte nicht weinen.“ Er hielt sie eng an sich gepresst und streichelte ihr liebevoll über die Wange. „Alles wird gut. Ihrem Baby geht es gut. Die Ärztin hat mir gesagt, dass Sie nur mehr Ruhe brauchen. Und ich werde dafür sorgen, dass Sie sie bekommen.“

Die Tränen flossen noch stärker. Wie toll! Sie weinte nicht nur, weil ihr Hormonhaushalt durch die Schwangerschaft völlig durcheinandergeraten war, sondern auch, weil es ihr schrecklich peinlich war, dass er erst ihren Ohnmachtsanfall im Restaurant und jetzt auch noch ihren Nervenzusammenbruch erlebte.

Seine liebevolle Umarmung und der zärtliche Tonfall ließen sie fast daran glauben, dass er ehrlich meinte, was er sagte. Fast. Doch da sie mit einem Mann wie Michael verheiratet gewesen war, wusste sie es besser. Männer würden alles sagen, wenn sie ihren Kopf damit aus der Schlinge ziehen oder eine Frau in ihrem Sinne manipulieren konnten.

Aber im Moment war sie viel zu erschöpft und emotional ausgelaugt, um zu protestieren. Sie wollte nur noch nach Hause, ins Bett krabbeln und vergessen, dass es diesen Tag überhaupt gegeben hatte.

Als sie sich schließlich wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass sie sprechen konnte, gab sie Brad die Adresse ihrer Wohnung. „Bitte, bringen Sie mich einfach nach Hause.“

Er nickte und ließ sie los. Dann startete er den Wagen und legte einen Gang ein. „Das ist nicht weit von hier. Gleich sind Sie zu Hause.“

Brad sah sich um, als er vor einem schäbigen Apartmenthaus hinter einem wartenden Taxi anhielt. Eigentlich war es eine respektable Gegend, doch der Eigentümer dieses Hauses schien keine Notwendigkeit darin zu sehen, seine Immobilie in Ordnung zu halten.

„Danke, dass Sie mich nach Hause gebracht haben, Mr. Connelly.“

Brad runzelte die Stirn, als Elena wieder die förmliche Anrede gebrauchte und ihm die Hand geben wollte. Sie versuchte also, die Zeit zurückzudrehen und auf die rein berufliche Ebene zurückzukehren.

Nicht mit mir, dachte er und ignorierte ihre Hand. Er hatte gut zwei Stunden in der Notaufnahme verbracht und sich Sorgen um sie gemacht. Dadurch verband sie seiner Meinung nach mehr als nur die gemeinsame Arbeit an der Aufklärung des versuchten Attentats auf seinen Bruder.

Außerdem war sie im Moment extrem empfindlich, ob sie es nun wahrhaben wollte oder nicht. Sie brauchte jemanden, der für sie da war und sie moralisch unterstützte. Und da er zumindest teilweise für ihre Probleme am heutigen Abend verantwortlich war, fühlte Brad sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass es ihr an nichts fehlte, bevor er ihr eine gute Nacht wünschte. Die Tatsache, dass es ihm gefallen hatte, sie in den Armen zu halten, hatte nichts mit seiner Entscheidung zu tun.

„Mr. Connelly …“

„Brad.“ Er lächelte sie an. „Ich finde, wir können endlich zum Du übergehen, Elena. So, und jetzt lass uns endlich ins Warme gehen.“

Der eisige Februarwind blies ihnen den Schnee ins Gesicht. Brad legte den Arm um Elenas Schultern. Er redete sich ein, dass er sie nur vor der Kälte schützen wollte. Aber es war herrlich, ihren zierlichen Körper an seinem zu fühlen, und Brad fragte sich unwillkürlich, wie es wäre, wenn sie nicht diese dicken Mäntel anhätten.

Als sie die Treppe erreichten, öffnete eine rundliche Frau um die fünfzig die Tür. In der Hand trug sie eine Sporttasche. „Sie müssen heute Nacht woanders schlafen, Elena“, sagte sie durch den Wollschal, der Mund und Nase bedeckte. „Die Heizung wird frühestens morgen repariert, vielleicht auch erst am Montag. Der Hausmeister hat gesagt, es hängt davon ab, wie schnell die benötigten Teile geliefert werden.“

Die wie ein Eskimo vermummte Frau eilte zu dem Taxi, das vor dem Haus wartete, warf die Tasche auf den Rücksitz und ließ sich dann selbst hineinfallen.

„Na toll“, murmelte Elena und sah dem Taxi nach. „Das hat mir heute gerade noch gefehlt.“

Brad hielt ihr die Tür auf. „Kein Problem. Pack ein paar Sachen zusammen, und dann kommst du mit zu mir. Ich habe ein schönes großes Gästezimmer, und ich garantiere dir, dass es warm ist.“

Er war selbst über seine Einladung überrascht, doch je länger er darüber nachdachte, desto logischer erschien sie ihm. Angesichts der Umstände würden seine Eltern von ihm erwarten, dass er sich um Elena kümmerte. Diese Frau hatte den Auftrag, den Anschlag auf seinen Bruder, den neuen Fürsten von Altaria, aufzuklären. Und er war dazu auserkoren, ihr in jeder Hinsicht behilflich zu sein.

Wenn Elena bei ihm übernachtete, konnte er außerdem sein Versprechen einlösen, auf sie aufzupassen. Und wenn ihr später danach war, dann könnten sie auch noch die Fragen durchgehen, die sie seiner Familie stellen wollte.

„Nein, ich kann nicht bei dir übernachten.“ Sie betraten die Lobby des Apartmenthauses.

Sie drehte sich zu ihm, und wenn er ihren Gesichtsausdruck richtig deutete, dann würde eher die Hölle zufrieren, als dass sie sein Angebot annahm. Brad hätte fast gelacht. „Jetzt stell dich nicht so an, Elena. Wir wissen doch beide, dass du nicht hierbleiben kannst.“

„Ich werde … ich gehe zu …“

Als sie verstummte, nickte er. „Das habe ich mir gedacht. Du weißt nicht, wohin du gehen sollst. Richtig?“

„Ich gehe ins Hotel“, erwiderte sie trotzig.

Er schüttelte den Kopf. „Das kommt gar nicht infrage.“

Sie warf ihm einen empörten Blick zu. „Ach ja? Und warum nicht?“

„Weil du jemanden brauchst, der sich um dich kümmert.“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wünschte er, er wäre etwas diplomatischer gewesen. Ihre unvermittelt abweisende Haltung und das wütende Funkeln in ihren großen braunen Augen sagten ihm, dass er einen großen Fehler gemacht hatte.

„Mr. Connelly, ich habe noch nie jemanden gebraucht, und werde ich auch niemals jemanden brauchen, der auf mich aufpasst. Solange ich mich erinnern kann, war ich auf mich allein gestellt, und das hat immer sehr gut funktioniert. Ich sehe keinen Grund, warum das jetzt anders sein sollte.“

Warum ließ er sie nicht endlich in Ruhe? Sie wollte seine Hilfe nicht. Aber egal, ob sie sie wollte oder nicht, sie brauchte Hilfe. Er hatte keine Ahnung, wer Elena geschwängert hatte, doch offensichtlich spielte der Mann keine Rolle mehr in ihrem Leben. Sie war auf sich allein gestellt. Und das beunruhigte ihn mehr, als es sollte.

„Elena, du willst doch dein Kind nicht verlieren, nur weil du die irrige Vorstellung hast, du könntest deine Unabhängigkeit aufgeben. Überleg doch mal, was das Beste für dein Kind ist. Und wenn es bedeutet, dass du heute Nacht bei mir übernachtest, dann schluck deinen Stolz hinunter und nimm mein Angebot an.“

Ihr empörter Gesichtsausdruck verwandelte sich in einen angstvollen. Brad fühlte sich total mies. Er zog sie in seine Arme. „Entschuldige, das hätte ich nicht sagen sollen.“ „Doch, du hast ja recht. Ich muss an das Baby denken. Aber es wäre das Beste, ich ginge …“ Wohin sollte sie gehen? In ein Hotel? Zu Verwandten konnte sie nicht. Sie hatte keine. Ihre letzte Pflegemutter – die einzige, die sich wirklich etwas aus Elena gemacht hatte und auch den Kontakt aufrechterhalten hatte, als Elena volljährig wurde und die Pflegefamilie verlassen musste – würde ihr sicherlich gern helfen. Aber Marie Waters lebte dreihundert Meilen entfernt in dem kleinen Ort Johnston City.

Elena könnte auch zu Freunden gehen, doch seit ihrer Scheidung vor einem Jahr war der Kontakt zu den Freunden nicht mehr so eng.

Als Brad sie weiterhin in den Armen hielt, fühlte sie ihren Widerstand dahinschmelzen. Sie waren eigentlich Fremde, dennoch hatte er angeboten, sie in seinem Haus aufzunehmen.

Ihr wurde auf einmal warm ums Herz, was sie seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Sie versuchte dieses Gefühl zu ignorieren, denn sie wollte Brad Connelly als oberflächlichen, egoistischen Playboy sehen. Nur so konnte sie die Situation nüchtern betrachten und sich ihre Professionalität bewahren.

Er rieb über ihren Rücken. „Fällt dir niemand ein, zu dem du gehen könntest?“

Als sie nicht antwortete, hielt er sie noch einem Moment länger fest. „Dann wäre das also geklärt.“ Er schenkte ihr sein charmantes Lächeln, blies sich in die Hände und rubbelte sie aneinander. „Jetzt lass uns in deine Wohnung gehen, ein paar Sachen packen und dann fahren. Es ist kalt hier.“

3. KAPITEL

Zwanzig Minuten später parkte Brad auf seinem Platz in der Tiefgarage seines Apartmenthauses und begleitete Elena zum Fahrstuhl. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Stöhnen, als er den Sicherheitscode eingab, um die Tür zu öffnen. Warum konnte er nicht im Erdgeschoss arbeiten und wohnen? Oder zumindest die Treppe hinauf zu seinem Apartment nehmen?

Elena hielt den Atem an und betete, dass das Medikament, das ihr die Ärztin in der Notaufnahme gegeben hatte, mittlerweile wirkte, als die Tür leise aufglitt und sie die Kabine betraten. Zu ihrer großen Erleichterung war die Fahrt bei Weitem nicht so schlimm wie befürchtet, und als Elena in der 12. Etage den Fahrstuhl verließ, verspürte sie nur leichte Übelkeit.

Brad führte sie ans andere Ende des Gebäudes zu seinem exklusiven Penthouse und schloss die Tür auf. „Wundere dich nicht, wenn hier das absolute Chaos herrscht“, warnte er. „Babe verwüstet die Wohnung immer, wenn ich zu spät von der Arbeit nach Hause komme.“

„Babe?“ Er lebte mit jemandem zusammen?

Brad nickte und schaltete das Licht in der Diele an. In dem Moment kam schon ein schwarzes Wollknäuel um die Ecke gestürmt. Der kleine Hund bellte aufgeregt und hüpfte fröhlich um Elenas Füße herum, doch als Brad sich bückte, um ihn hochzuheben, lief er davon, drehte sich dann um und starrte sein Herrchen an.

„Na, spielst du wieder die beleidigte Leberwurst?“ Brad lachte und brachte Elena in sein geräumiges Wohnzimmer. „Zu dir ist sie superfreundlich, aber mir wird sie den ganzen Abend die kalte Schulter zeigen.“

Als er Licht machte, stieß er einen leisen Fluch aus. „Sieht ganz so aus, als müsste ich wieder neue Kissen kaufen.“

Elena lachte auf, als sie die Füllung der Sofakissen auf dem dicken beigefarbenen Teppich verstreut liegen sah. „Verstehe ich das richtig? Du hast dies schon häufiger erlebt?“

Brad half Elena aus dem Mantel. „Jedes Mal, wenn ich zu spät nach Hause komme.“

„Das macht sie nur, wenn du zu spät bist? Während des Tages ist sie friedlich?“ Elena bückte sich, um das zerfetzte Kissen aufzuheben.

„Lass liegen.“ Brad klang beunruhigt. Er deutete auf einen bequem aussehenden, dick gepolsterten Sessel mit einem Hocker davor. „Mach es dir gemütlich und leg die Füße hoch, während ich das Chaos beseitige.“

„Ich helfe dir.“

„Nein, du setzt dich hin.“ Er nahm Elena die Kissenreste ab und geleitete sie fürsorglich zu dem Sessel. „Entspann dich einfach. Babe hat es heute gut mit mir gemeint und nur zwei Kissen zerfetzt. Normalerweise müssen drei oder vier dran glauben. Und meistens auch noch ein paar Zeitschriften.“

Elena saß gerade, da sprang der Hund schon auf ihren Schoß. Aus dem dichten, langen Fell blickten zwei schwarze Knopfaugen zu ihr empor, dann stieß das freundliche Tier mit dem Kopf gegen Elenas Hand, um gestreichelt zu werden.

„Was ist das für eine Rasse?“ Elena kraulte Babe.

Brad zuckte mit den Schultern, als er sich bückte und die Kissenfüllung einsammelte. „Der Tierarzt meint, sie ist ein Shih-Tzu, unter den sich vor ein oder zwei Generationen ein Pekinese gemischt hat.“ Grinsend richtete er sich auf. „Aber ich bin ziemlich sicher, dass in ihr auch etwas von einem Tasmanischen Teufel steckt.“

Lächelnd streichelte Elena den kleinen Körper. „Egal, was sie ist, sie ist einfach süß. Wie alt ist sie?“

„Der Tierarzt schätzt, dass sie etwa sechs Monate alt war, als ich sie vor dem Connelly Tower fand. Sie war halb verhungert, total verängstigt und äußerst dankbar.“ Er lachte. „Das war vor etwa einem Jahr. Jetzt ist sie gut gefüttert, unglaublich arrogant und meint, mich zu besitzen statt andersherum.“

Brad brachte die Kissenreste in den Müll. Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, hielt er eine Hundeleine in der Hand. Elena sah, dass er sich Jeans und ein Sweatshirt angezogen hatte. „Ich hoffe, du magst chinesisches Essen.“ Als sie nickte, schien er erleichtert. „Gut. Ich habe nämlich gerade eine Hühnersuppe mit Nudeln, Reis und Pfannengemüse bestellt. Das Essen müsste in zwanzig Minuten hier sein.“

Er kam zu ihr und hakte die Hundeleine an Babes Halsband ein. Dabei berührte er Elenas Hand.

Ein Prickeln lief über ihren Arm. Schnell zog sie die Hand zurück. Sie wusste nicht, warum, aber jedes Mal, wenn Brad sie berührte – egal, wie flüchtig der Kontakt war –, wurde ihr heiß. „Hast du jemanden, der mit ihr Gassi geht, wenn du arbeitest?“

„Zweimal am Tag kommt jemand vom Dog-Walking-Service.“ Brad nahm Elena den Hund vom Schoß und setzte ihn auf den Fußboden. „Wollen wir los?“

Elena lachte laut, als der Hund zu seinem Herrchen aufblickte und dann beleidigt den Kopf wegdrehte. „Es war gar kein Witz, als du gesagt hast, sie würde dir den ganzen Abend die kalte Schulter zeigen, oder?“

„Sie hat einfach keinen Respekt vor mir.“ Dann fügte er ernst hinzu: „Bleib dort sitzen und entspann dich. Ich bin in ein paar Minuten zurück.“

Brad zog seinen Mantel an und ließ sich von Babe zur Tür ziehen. Elena legte die Füße hoch und dachte über Brad Connelly nach. Zuerst hatte sie den Eindruck gehabt, dass er genauso wie ihr vergnügungssüchtiger Exmann war. Ein Mann, der für den Moment lebte und vor allem davonlief, was sein bequemes Leben störte oder Verantwortung forderte.

Sie schüttelte den Kopf. Normalerweise konnte sie die Persönlichkeit eines Menschen schon nach fünf Minuten sehr genau einschätzen. Es gehörte zu ihrem Job, schnell zu erkennen, ob der Gesprächspartner der Mensch war, der er zu sein vorgab.

Doch sie musste sich eingestehen, dass sie mit ihrem ersten Eindruck von Brad etwas voreilig gewesen war. Er hatte sie nicht nur mit seiner ehrlichen Entschuldigung im Krankenhaus und später in ihrer Wohnung überrascht, sondern auch mit seinem großzügigen Angebot, dass sie bei ihm wohnen könnte, bis die Heizung in ihrem Apartment wieder funktionierte.

Elena sah sich in seiner Wohnung um, betrachtete die exklusiven Möbel und Originalgemälde. Welcher Playboy, der etwas auf sich hielt, rettete einen streunenden Hund und regte sich nicht groß darüber auf, wenn das Tier die Wohnung verwüstete? Oder versprach einer schwangeren Polizistin zu helfen, die niemanden hatte, an den sie sich wenden oder zu dem sie gehen konnte?

Als Babe auf seinen Bauch sprang und dort einen Stepptanz aufführte, öffnete Brad verschlafen ein Auge. „Jetzt sag nicht, dass du jetzt rauswillst“, murmelte er. „Es ist noch nicht einmal hell.“

Als Antwort jaulte das kleine Tier und schleckte Brads Wange ab.

Brad kraulte den Hund. „So, du meinst also, ein feuchter Hundekuss reicht aus, und dein Verhalten gestern Abend ist vergessen und vergeben?“

Babe legte sich auf Brads nackte Brust, bettete den Kopf auf die Vorderpfoten und starrte ihn aus ihren unschuldsvollen Augen an, während sie ihre Entschuldigung winselte.

Brad stöhnte. „Okay, ich habe dir verziehen. Ich gehe mit dir spazieren. Aber ich will nicht diesen traurigen Hundeblick sehen.“

Er schob Babe von seiner Brust, rollte sich auf die Seite und setzte den Hund auf den Boden. Als er seinen Jogginganzug anzog, sprang Babe aufgeregt um seine Füße herum. Hoffentlich fing sie nicht noch an zu bellen. Elena schlief in dem Gästezimmer direkt gegenüber, und er wollte sie nicht wecken. Sie brauchte Ruhe.

Schnell zog Brad seine Joggingschuhe an, hob Babe hoch und trat hinaus in den Flur. Die Tür zum Gästezimmer war noch geschlossen, und es waren auch keine Geräusche zu hören. Gut. Sie hatten Elena nicht gestört.

Gestern Abend, als er mit Babe vom Spaziergang zurückkehrte, hatte er Elena zusammengekauert auf dem Sessel vorgefunden. Er musste unwillkürlich lächeln, als er sich an den Anblick erinnerte.

Sie hatte so entspannt ausgesehen und friedlich wie ein Kind geschlafen, dass Brad nicht den Mut gehabt hatte, sie zu wecken. Daher hatte er sie hochgehoben und ins Bett getragen. Sie hatte sich nicht einmal gerührt, als er ihr die Schuhe auszog und mit der Decke zudeckte. Heute Morgen würde ihr das sicher peinlich sein.

Ihm dagegen waren zwei äußert angenehme Dinge bei der Aktion aufgefallen. Erstens, dass ihr Körper sehr weich und weiblich war. Und zweitens, dass er scharf auf sie war. Ihm wurde jetzt noch heiß, wenn er daran dachte.

Und noch etwas war ihm aufgefallen. Er hatte zwar keine Erfahrung mit schwangeren Frauen, doch er war ziemlich sicher, dass sie kräftiger sein sollten, als Elena es war. Es hatte ihn beunruhigt, wie leicht sie war und was für einen zerbrechlichen Eindruck sie machte. Sie wog sicherlich kaum fünfzig Kilo.

Die Ärztin hatte regelmäßige Mahlzeiten angeordnet, doch das Abendessen gestern hatte Elena schon wieder verpasst. Brad würde dafür sorgen, dass sie heute Morgen alles nachholte. Er würde ihr ein kräftiges Frühstück zubereiten und dafür sorgen, dass sie alles aufaß.

Als er eine halbe Stunde später die Wohnungstür öffnete, stieg ihm ein köstlicher Duft nach gebratenem Schinken in die Nase. „Elena?“

„Ich bin hier!“, rief sie.

Er zog seine Jacke aus und nahm Babe von der Leine. „Was zum Teufel machst du?“ Er trat in die Küche. „Du sollst dich doch schonen.“

„Dir auch einen guten Morgen.“ Sie nahm einen Streifen des knusprigen Schinkens aus der Pfanne. „Wo ist Babe?“

Brad deutete mit dem Daumen in Richtung Wohnzimmer. „Sie liegt auf dem Sofa unter den noch vorhandenen Kissen.“ Er bemerkte, dass Elena geduscht und sich umgezogen hatte. Sie trug jetzt Jeans und ein legeres graues Sweatshirt mit dem Logo der Chicagoer Police Academy über der Brust.

„Warum?“, fragte Elena und holte eine Packung Eier aus dem Kühlschrank.

„Das macht sie immer, um sich nach einem Spaziergang aufzuwärmen.“ Brad nahm Elena die Eier aus der Hand und stellte sie auf die Arbeitsfläche.

„Verständlich.“ Elena lächelte. „Der Februar in Chicago kann verdammt kalt sein.“ Sie nahm ein Ei. „Wie möchtest du die Eier? Normales Spiegelei oder von beiden Seiten gebraten oder Rührei?“

Autor

Kathryn Jensen

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