Die gekaufte Braut des Wüstenprinzen

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Scheich Zayed braucht eine Braut, um sein Erbe anzutreten, Jane muss dringend die Schulden ihrer Familie zahlen. Eine Pflichtehe auf Zeit scheint da der perfekte Deal für den freiheitsliebenden Playboy. Dumm nur, dass sein Begehren für Jane bald heißer brennt als die Wüstensonne …


  • Erscheinungstag 20.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747039
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Also, was ist der Haken an der Sache?“

Zayed bemerkte das verhaltene Unbehagen seiner Ratgeber, als er in sanftem Ton seine Frage auf sie abschoss. Sie waren sichtlich nervös. Nervöser als sonst in der Gegenwart eines Scheichs mit seiner Machtfülle und seinem Einfluss. Was nicht hieß, dass er sich einen Deut um ihre Unruhe scherte. Im Gegenteil, er fand sie nützlich. Ehrerbietung und Furcht hielten die Leute auf Abstand, und genau dort wollte er sie haben.

Er kehrte dem Fenster mit Blick auf die prächtigen Palastgärten den Rücken zu und musterte die Männer, die vor ihm standen. Die arglose Miene seines engsten Beraters Hassan konnte ihn nicht eine Sekunde lang täuschen.

„Der Haken, Euer ehrwürdigste Hoheit?“, fragte Hassan.

„Ja, der Haken“, wiederholte Zayed, jetzt in gereizterem Tonfall. „Mein Großvater mütterlicherseits ist gestorben, und ich stelle fest, dass er mir einen der wertvollsten Landstriche in der gesamten Wüstenregion geschenkt hat. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass ich Dahabi Makaan erben könnte.“ Er runzelte die Stirn. „Weshalb ich mich frage, was ihn zu dieser Geste unverhoffter Großzügigkeit bewogen haben mag.“

Hassan verneigte sich knapp. „Die Tatsache, dass Sie einer seiner wenigen noch lebenden Blutsverwandten sind, Majestät. Vor diesem Hintergrund ist ein solches Vermächtnis doch sicher völlig normal.“

„Das mag wahr sein“, räumte Zayed ein. „Aber seit ich ein Junge von sieben Jahren war, hat er nicht mit mir gesprochen. Bis vor Kurzem.“

„Ihr Besuch an seinem Sterbebett hat Ihren Großvater zweifellos berührt. Sicherlich hatte er diese Geste nicht erwartet“, erwiderte Hassan diplomatisch. „Vielleicht ist das der Grund.“

Zayed biss die Zähne zusammen. Möglicherweise war das tatsächlich der Auslöser gewesen. Doch nicht Liebe hatte ihn zu diesem Besuch bewogen, denn alle Liebe war seit langer Zeit aus seinem Herzen gewichen. Er hatte den alten Mann aufgesucht, weil die Pflicht es verlangte, und Zayed drückte sich nie vor der Erfüllung einer Pflicht. Trotz des grimmigen Schmerzes, der ihn dabei befiel, hatte er seinen Großvater besucht. Und, ja, es war seltsam gewesen, in das ausgezehrte Gesicht des alten Königs zu blicken, der seine eigene Tochter nach ihrer Hochzeit mit Zayeds Vater verstoßen hatte. Doch der Tod ist der große Ausgleicher, hatte Zayed verbittert gedacht, als die knotigen Finger seine Hand umklammerten. Der verstohlene Feind, dem kein Mann, keine Frau entkommen konnte. Zayed hatte seinen Frieden mit seinem sterbenden Großvater geschlossen. Nicht, weil er auf irgendeine Form von materieller Belohnung hoffte, sondern weil er vermutete, es hätte seine Mutter gefreut.

„In dieser Welt verschenkt niemand irgendetwas ohne Gegenleistung, aber vielleicht ist dies eine Ausnahme.“ Zayed bohrte seinen Blick forschend in den seines Ratgebers. „Wollen Sie mir sagen, dass das Land ohne jegliche Bedingung mir gehören soll?“

Hassan zögerte, und das darauffolgende Schweigen lastete ahnungsvoll zwischen ihnen. „Nicht ganz.“

„Das heißt, es gibt einen Haken“, triumphierte Zayed. Sein sicherer Instinkt hatte ihn also doch nicht getäuscht.

Hassan nickte. „Ich vermute, dass Sie es als Haken betrachten werden, Majestät, denn um Dahabi Makaan zu erben, müssen Sie …“, nervös leckte er sich über die Lippen, „… verheiratet sein.“

„Verheiratet?“, wiederholte Zayed mit gefährlich grollender Stimme. Die Ratgeber tauschten zunehmend ängstliche Blicke.

„Ja, Majestät.“

„Sie wissen, was ich vom Heiraten halte.“

„Ja, Majestät.“

„Um jegliches Missverständnis zu vermeiden, will ich es noch einmal wiederholen. Ich habe nicht den Wunsch zu heiraten, zumindest nicht in den nächsten Jahren. Warum soll ich mich an eine Frau binden, wenn ich zwanzig haben kann?“ Zayed lächelte flüchtig in Gedanken an den Besuch bei seiner Geliebten in New York in der vergangenen Woche, an den Anblick, als sie in nichts außer einem engen schwarzen Mieder auf dem zerwühlten Seidenlaken gelegen hatte, die milchweißen Schenkel einladend geöffnet.

Die Erinnerung erregte ihn. Er räusperte sich und kämpfte dagegen an. „Ich akzeptiere, dass ich meinem Königreich eines Tages einen Erben bieten muss. Das ist der Zeitpunkt, zu dem ich eine Braut wählen werde, eine reine Jungfrau aus meinem eigenen Land. Doch dieser Zeitpunkt liegt noch Jahrzehnte entfernt, schließlich ist ein Mann fortpflanzungsfähig bis er sechzig, siebzig, in manchen Fällen sogar achtzig ist. Und da moderne junge Frauen meines Erachtens die Sachkenntnis eines älteren Liebhabers zu schätzen wissen, wird es für beide Beteiligten eine höchst befriedigende Regelung sein.“

Hassan nickte. „Ich verstehe Ihre Argumentation vollkommen, Majestät, und normalerweise würde ich mich Ihrer Beurteilung anschließen. Aber besagtes Land ist unbezahlbar. Es ist reich an Öl und von größter strategischer Bedeutung. Bedenken Sie, wie sehr Ihr Volk davon profitieren könnte, wenn es Ihnen gehörte.“

Zayed empfand hitzige Empörung. Dachte er nicht nahezu Tag und Nacht an sein Volk? War er nicht aufgrund seines Engagements für sein Land und seiner Entschlossenheit, ein Friedensstifter zu sein, der erfolgreichste aller Wüstenscheichs? Und trotzdem entsprachen Hassans Worte der Wahrheit. Dahabi Makaan wäre zweifellos ein glitzernder Diamant in der Krone seines Königreichs. Konnte er ein solches Angebot tatsächlich ausschlagen? Mit zusammengepressten Lippen dachte er an seinen sterbenden Großvater, der ihn krächzend angefleht hatte, nicht zu lange mit der Zeugung eines Erben zu warten, sondern den Stammbaum fortzusetzen. Und nachdem Zayed kühl angemerkt hatte, dass er auf Jahre hinaus nicht die Absicht habe zu heiraten, war das Gesicht des alten Mannes in sich zusammengefallen. War der gerissene alte König zu dem Schluss gekommen, dass sein Herzenswunsch sich nur erfüllen würde, wenn er Zwang ausübte, indem er eine Heirat zur Bedingung für das Erbe machte?

Der Gedanke an Heirat weckte Zayeds Widerwillen. Er wollte sich nicht binden. Nicht nur aufgrund seiner ausgeprägten Libido, die nach Abwechslung verlangte, schreckte er vor einem monogamen Leben zurück. Er hasste die Institution der Ehe mit all ihren Schwächen und haltlosen Versprechungen, und allein die Vorstellung, eine Braut nehmen zu müssen, um zu erben, stieß ihn ab.

Es sei denn …

Im Geiste erwog er seine Möglichkeiten, denn nur ein Dummkopf würde sich die Chance entgehen lassen, Herr über eine Region zu sein, die berühmt war für die Ölvorkommen, das schwarze Gold, und für ihre strategisch wertvolle Lage mit Grenzen zu vier anderen Wüstenländern.

„Vielleicht findet sich eine Möglichkeit, die Bedingungen des Testaments zu erfüllen“, sagte er bedächtig, „ohne mich langfristig in einer Ehe mit all ihren Unannehmlichkeiten binden zu müssen.“

„Wissen Sie eine solche Möglichkeit, Majestät?“, erkundigte sich Hassan. „Bitte klären Sie uns auf.“

„Wenn die Ehe nicht vollzogen würde“, fuhr Zayed nachdenklich fort, „dann wäre sie nicht gültig und könnte problemlos aufgelöst werden. Ist es nicht so?“

„Aber Majestät …“

„Kein Aber“, fiel Zayed ihm unwirsch ins Wort. „Die Idee gefällt mir von Sekunde zu Sekunde besser.“ In der Miene seines Ratgebers erkannte er den Zweifel und wusste durchaus, worauf dieser basierte. Denn Zayed war berüchtigt für seine Männlichkeit. Als Mann, der Sex als Ventil brauchte, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Er selbst bezweifelte, dass irgendeine Frau ihm im Bett widerstehen könnte, und die Vorstellung, dass er eine Ehe ohne Sex ertragen könnte, war nahezu lächerlich. Ja, einer solchen keuschen Verbindung standen nicht zu leugnende Hindernisse im Wege, doch Zayed liebte es, Hürden zu überwinden. Er blickte in Hassans ratloses Gesicht und ließ seine geniale Idee sich weiter entfalten.

„Wenn ich nun eine Frau nähme, die mich in keiner Weise verlocken kann?“, sinnierte er. „Eine farblose Frau, die alle Weiblichkeit ad absurdum führt und bei einem Seitensprung meinerseits beide Augen zudrückt? Das wäre doch die perfekte Lösung.“

„Kennen Sie eine solche Frau, Majestät?“

Zayed presste die Lippen zu einem harten Strich zusammen. Oh ja. Er kannte eine solche Frau. Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild auf. Jane Smith, die mit ihrem mattbraunen Haar und den schlotternden Kleidern den Anforderungen bestens entsprach. Wie nannte man gleich eine Frau, die in Bezug auf Aussehen von den Göttern arg vernachlässigt worden war? Eine graue Maus. Oh ja, auf keine Frau traf diese Bezeichnung so gut zu wie auf die verklemmte Akademikerin, die das Archiv seiner Botschaft in London leitete. Denn sie war nicht nur farblos, sie war auch immun gegen seinen Charme, missbilligte ihn sogar, wie Zayed vor einiger Zeit nahezu fassungslos festgestellt hatte.

Anfangs hatte er geglaubt, sie triebe ein Spielchen mit ihm. Er hatte vermutet, sie setzte weibliche List ein und täuschte einem mächtigen Mann gegenüber Gleichgültigkeit vor in der Hoffnung, auf diese Art Interesse in seinen Lenden und in seinem Herzen zu wecken. Als ob Jane Smith jemals irgendetwas in ihm wecken könnte! Doch als er Zeuge wurde, wie jemand seinen Namen nannte und sie daraufhin genervt die Augen verdrehte, war ihm klar geworden, dass sie ihre Missbilligung nicht vortäuschte. Unverschämtheit!

Doch Jane liebte sein Land mit einer Leidenschaft, die bei Ausländern selten zu finden war, und kannte es besser als mancher Einheimische. Deshalb hatte er sie nach diesem Vorfall auch nicht gleich wegen grober Unbotmäßigkeit entlassen. Sie liebte jede Düne in den Wüsten des Landes, seine Paläste und seine reiche, teils blutige Geschichte. Zayeds Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Diesen Schmerz hatte er nie ganz überwunden, ganz gleich, wie sehr er es auch versuchte. Vielleicht förderte es ja den Heilungsprozess, wenn er das Erbe seines Großvaters annahm und Dahabi Makaan in Besitz nahm. Um die Tür zur Vergangenheit zuzuschlagen und nach vorn zu blicken.

„Lassen Sie mein Flugzeug klarmachen, Hassan“, verlangte er barsch. „Ich fliege nach England und mache die verdammte Jane Smith zu meiner Braut.“

1. KAPITEL

Der Tag hatte schlecht angefangen für Jane, und jetzt drohte er noch sehr viel schlimmer zu werden. Zuerst kam dieses Telefonat, wieder einer von diesen ominösen und höchst beunruhigenden Anrufen, die sie inzwischen täglich erhielt und die sie hilflos und verängstigt zurückließen. Dann war der Bahnverkehr unterbrochen, während sie sich auf dem Weg zur Arbeit in der Botschaft von Kafalah befand. Dort schließlich erwartete sie heillose Panik. Und die Neuigkeiten, mit denen sie in Empfang genommen wurde, waren nicht dazu angetan, ihre Laune zu verbessern. Scheich Zayed Al Zawba hatte sich zu einem Blitzbesuch entschlossen. Sein Privatjet würde innerhalb der nächsten Stunden landen.

Zayed war ein stolzer, anspruchsvoller Mann, und der Botschafter hatte nervös in alle Richtungen Anordnungen gebellt, während ein Lächeln auf den Gesichtern sämtlicher Sekretärinnen lag. Sie freuten sich auf die Ankunft des Wüstenkönigs. Denn Zayed war nicht zuletzt für seinen arroganten Charme und seine erotische Ausstrahlung berüchtigt. Damit zog er die Frauen an wie das Licht die Motten. Janes Miene allerdings verdüsterte sich, als sie von seinem bevorstehenden Besuch hörte. Unnötig heftig schlug sie die Tür zu ihrem Büro zu, denn sie fand Zayed weder charmant noch sexy. Es interessierte sie nicht, dass er in Verhandlungen um Handelsabkommen oder den Bau von Schulen und Krankenhäusern in seiner Heimat ein wahrer Zauberer war.

Sie hasste ihn.

Sie hasste es, wie seine schwarzen Augen glitzerten, wenn er mit jemandem sprach, so, als wüsste er ein Geheimnis, das er nicht preisgeben wollte. Sie hasste die Reaktion der Frauen auf ihn, wie sie vor ihm katzbuckelten, als wäre er eine Art Gott. Ein Sexgott, wie man sich zuflüsterte.

Jane schluckte. Denn am meisten hasste sie die Tatsache, dass sie nicht immun gegen die unbestreitbare Ausstrahlung des Wüstenscheichs war, obwohl sie seine Scharen von Geliebten und seine herzlose Missachtung der Gefühle des anderen Geschlechts zutiefst verabscheute. Ja, sie wusste, dass er eine ziemlich harte Kindheit erlebt hatte. Aber war das ein Freibrief dafür, sich so zu verhalten, wie es ihm passte? Wie lange konnte eine unglückliche Vergangenheit als Entschuldigung für schlechtes Benehmen und Gefühlskälte herhalten?

Automatisch fuhr Jane ihren Computer hoch, und auf dem Monitor erschien als Bildschirmschoner sogleich eine wunderschöne Ansicht des berühmten Palasts von Kafalah, doch im Gegensatz zu sonst nahm Jane überhaupt nichts wahr. Sie bemerkte weder die blaue Kuppel noch die vergoldeten Bögen.

Ihre Gedanken kreisten nur noch um den Anruf, den sie am frühen Morgen erhalten hatte, und um die inzwischen schon vertraute Stimme des Anrufers. Seine Botschaft war schlicht und immer gleich, doch sein Tonfall wurde zunehmend feindselig. Jane wusste nicht, woher er ihre Telefonnummer hatte. Sie konnte an nichts anderes denken als an die stetig wachsende Bedrohung, die von dem Mann ausging. An diesem Morgen war er direkt zur Sache gekommen.

„Deine Schwester schuldet mir viel Geld, und irgendwer muss es mir zurückzahlen. Bist du dieser Irgendwer, Süße? Allmählich werde ich nämlich ungeduldig.“

Dann war die Leitung unterbrochen. Jane hätte weinen mögen, aber den Luxus von Tränen gestattete sie sich nicht. Weinen war Zeitverschwendung, und damit würde sie jetzt nicht anfangen, denn schließlich war sie die tüchtige Jane. Ihr Motto lautete seit Jahren, dass jedes Problem sich lösen ließ, wenn man sich nur genug Mühe gab.

Sie zog ihr Handy aus der Handtasche und tippte Cleos Nummer ein, doch sofort meldete sich der Anrufbeantworter mit der vermeintlich witzigen Ansage, die im Augenblick allerdings nicht annähernd lustig war:

Hi, hier ist Cleo. Hinterlasse eine Nachricht. Vielleicht rufe ich zurück. Vielleicht auch nicht.

Jane holte tief Luft und versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl ihr Herz dermaßen hämmerte, dass ihr das Atmen schwerfiel. „Cleo, ich bin’s, Jane. Ich muss dich dringend sprechen. Sofort. Wenn du mich hörst, geh bitte ans Telefon oder ruf mich an, sobald du meine Nachricht bekommen hast.“

Doch Cleo meldete sich nicht, und als Jane die Verbindung abbrach, machte sie sich keine großen Hoffnungen, dass ihre Schwester zurückrufen würde. Cleo lebte nach ihren eigenen Gesetzen, und in letzter Zeit kannte sie anscheinend überhaupt keine Grenzen mehr. Jane und ihre Schwester waren zweieiige Zwillinge, doch ihre Ähnlichkeiten erschöpften sich in dem gemeinsamen Geburtstag. Jane liebte die Sicherheit und Anregung der Welt der Bücher, während Cleo lieber die Nacht durchtanzte. Jane kleidete sich zweckmäßig, Cleo auffällig. Cleo war schön, Jane nicht.

Mit einiger Mühe schüttelte Jane die Gedanken an die Probleme ihrer Schwester ab und begann, sich auf das zu konzentrieren, was getan werden musste. Und schon bald war ihr Kopf frei von Sorgen um Schulden und Drohungen und einer Welt, an der sie nicht teilhaben wollte.

Sie war Wissenschaftlerin und hatte sich auf das Wüstenkönigreich Kafalah spezialisiert. Und es gefiel ihr, sich für diese Arbeit in ein kulturell und geschichtlich reiches Land zu versetzen, sich in der Vergangenheit zu verlieren. Wie konnte man den Tag angenehmer verbringen als mit dem Katalogisieren von Büchern oder der Organisation von Ausstellungen der fantastischen Kunstwerke aus jenem wunderschönen Land? Das war bedeutend befriedigender als die moderne Welt, zu der sie im Grunde kaum Verbindung hatte.

Sie war gerade völlig vertieft in die Übersetzung eines alten kafalahischen Liebesgedichts und suchte nach der passenden Formulierung eines eindeutig erotischen Akts, als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Ohne den Kopf zu heben, gab sie einen leisen gereizten Laut von sich.

„Jetzt nicht“, sagte sie. „Kommen Sie später noch einmal.“

Es folgte ein Moment völligen Schweigens, bevor eine samtige Männerstimme das Wort ergriff. „In meiner Heimat würde man eine derartige Reaktion auf das Eintreffen des Scheichs nicht dulden“, bemerkte er. „Halten Sie sich für etwas dermaßen Besonderes und Abgehobenes, dass Sie mich ignorieren dürfen, Jane Smith?“

Die Erkenntnis, wer da mit ihr sprach, brach in ihre Überlegungen ein. Ihr war, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser über ihrem Kopf ausgeleert. Entsetzt hob sie den Blick und stellte fest, dass Zayed Al Zawba ihr Büro betreten hatte. Jetzt schloss er die Tür hinter sich, sodass sie auf viel zu engem Raum mit ihm allein war.

Jane wusste, dass sie hätte aufstehen und sich verneigen müssen. Denn auch wenn sie nicht seine Untertanin war, verlangte sein königlicher Status doch eine gewisse Ehrerbietung, auch wenn sie sich insgeheim dagegen sträubte. Aber ihr Körper gehorchte ihr nicht, vielleicht, weil Zayeds Anblick ihren gesunden Menschenverstand ausgeschaltet hatte. Seine kraftvolle Gestalt schien den Raum ganz auszufüllen, und Jane verfluchte ihn für sein gutes Aussehen. Für die Empfindungen, die er in ihr wachrief.

Er trug ein langes Gewand. Natürlich. Zayed gab sich keine Mühe, sich seiner Umgebung anzupassen. Er fiel gern auf, was ihm auch ohne Weiteres gelang. Die fließende cremefarbene Seide ließ den harten, sehnigen Körper darunter erahnen, und sein einziger Kompromiss in Bezug auf die Kleidung der westlichen Welt bestand darin, dass er seinen dunklen Kopf nicht bedeckt hatte.

Widerwillig richtete Jane den Blick auf sein Gesicht mit den harten, schönen Zügen. Als Wissenschaftlerin hatte Jane Generationen von Männern der Familie Al Zawba studiert. Sie hatte ihre charakteristischen Züge auf alten Gemälden und Illustrationen gesehen, und die blitzenden Augen. Der braune Teint und die Adlernase waren ihr nur allzu vertraut. Doch nichts hatte sie darauf vorbereitet, einen Vertreter dieses stolzen, hochmütigen Geschlechts in Fleisch und Blut zu sehen, und die Wirkung wurde nicht geringer, je öfter sie Zayed begegnete, sondern nahm eher zu. Vielleicht war das angesichts seiner prachtvollen Erscheinung, die zu leugnen naiv gewesen wäre, nicht weiter verwunderlich.

Aber die Gefühle, die er in ihr weckte, waren ihr ebenso zuwider wie er selbst. Dieses Kribbeln in ihren Brüsten, das einsetzte, wenn er sie nur ansah, war höchst unangenehm. Und sie konnte nur beten, dass ihre geröteten Wangen nicht verrieten, wie ihr Blut in Wallung geriet und heiß durch ihre Adern pulsierte. Sie musste einfach die Nerven behalten wie jedem anderen gegenüber auch. Sich höflich erkundigen, warum er so unerwartet in ihrem Büro aufgetaucht war, allerdings nicht so höflich, dass er sich aufgefordert fühlte, solche Besuche zur Gewohnheit werden zu lassen. Und ihn dann hoffentlich so schnell wie möglich wieder loswerden.

Umständlich erhob sie sich und war sich seines Blicks aus diesen blitzenden schwarzen Augen sehr bewusst, mit dem er sie musterte, als sie den Kopf neigte.

„Verzeihung, ehrwürdigste Hoheit“, sagte sie. „Ich habe nicht mit Ihrem unangekündigten Eintreten gerechnet.“

Zayed zog die Brauen hoch. Schwang etwa Kritik in ihrer weichen Stimme mit? „Hätte ich mir vielleicht vorher einen Termin geben lassen sollen?“, gab er sarkastisch zurück. „Mich erkundigen sollen, ob Sie mich irgendwie in Ihren überfüllten Terminkalender einschieben können?“

Ihre Handbewegung, die das mit Büchern vollgestopfte Zimmer umfasste, war vielsagend, doch ihm fiel auf, dass sie nur spärlich lächelte.

„Ich hätte vorher Ordnung geschaffen, wenn ich gewusst hätte, dass Ihre königliche Hoheit mein Büro mit Ihrer Anwesenheit auszeichnen wollten.“

Ihm lag auf der Zunge, dass sie nicht nur ihr Büro, sondern auch sich selbst hätte in Ordnung bringen sollen, doch derartige Ehrlichkeit wäre seiner Sache nicht dienlich. „Der Zustand Ihres Büros ist im Augenblick bedeutungslos“, erwiderte er gereizt. „Ich komme Ihretwegen.“

„Ach?“

Fragend sah sie ihn an, auf eine Weise, die höchst eigensinnig wirkte, wenn er auch nicht wusste, wieso. Er war es nicht gewohnt, dass Frauen ihn so anschauten, als wünschten sie ihn dorthin, wo der Pfeffer wächst. Für ihn war es selbstverständlich, dass man ihm mit Verehrung und Unterwürfigkeit begegnete – auch bedeutend schönere Frauen als Jane Smith. Er hatte beabsichtigt, das Büro zu betreten und ihr zu sagen, dass er eine Ehefrau benötigte und zwar schnell. Aber Janes leicht feindselige Miene ließ ihn seinen Plan noch einmal überdenken, als ihm plötzlich das Undenkbare durch den Kopf ging.

Und wenn sie sich weigerte?

Zayeds Gedanken überschlugen sich. Eine Weigerung würde er nicht dulden, doch vielleicht musste er doch ein bisschen gute alte Diplomatie in die Waagschale werfen. Aber war es nicht paradox, dass er eine unscheinbare Frau wie sie quasi auf Knien um einen Gefallen bitten sollte?

„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen“, begann er.

Ihr Blick wurde dunkel, als sie ihn argwöhnisch ansah. „Was für einen Vorschlag?“

Nur mit Mühe konnte Zayed sich einen Ausruf der Missbilligung verbeißen. Wie unverschämt sie sich aufführte! War ihr nicht bewusst, dass seine Macht grenzenlos war? Warum nickte sie nicht unverzüglich zum Ausdruck ihrer Zustimmung, bedacht darauf, ihm zu Willen zu sein in allem, was er verlangte?

Mit betont samtiger Stimme setzte er sein seltenes Lächeln auf. Ihm war bewusst, wie machtvoll es auf das andere Geschlecht wirkte. „Bei einem Abendessen lässt sich vielleicht angenehmer darüber reden.“

„Abendessen?“

„Sie wissen doch?“ Seine Geduld neigte sich dem Ende zu. „Die Mahlzeit zwischen Mittagessen und Frühstück.“

„Sie wollen essen gehen?“ Sie runzelte die Stirn. „Mit mir?“

„Allerdings“, bestätigte er leise.

Fragend verzog sie das Gesicht. „Ich verstehe nicht.“

„Aber Sie werden verstehen, Jane. Ganz sicher. Zu gegebener Zeit wird Ihnen alles erklärt. Also.“ Er hob den Arm, sodass unter dem feinen Stoff seines Gewands ein behaartes Handgelenk zum Vorschein kam, und blickte auf die schwere goldene Uhr, die einst sein Vater getragen hatte. „Sie sollten jetzt lieber gehen.“

Verständnislos sah sie ihn an. „Sie meinen, aufhören zu arbeiten?“

„Ja, natürlich.“

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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