Die leidenschaftliche Rache des Scheichs

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Nur ein hemmungsloser One-Night-Stand im Hotel? Scheich Rafiq kann die geheimnisvolle Fremde einfach nicht vergessen. Mit ihr hatte er den besten Sex seines Lebens! Dabei ist er nach Texas gekommen, um sich an seinem Erzfeind Mac zu rächen. Unter einem Vorwand sucht er diesen auf und trifft überraschend auch die Fremde wieder: Sie ist ausgerechnet Macs Schwester Violet! Als sie ihm ein schockierendes Geständnis macht, muss er sich fragen: Hat sie ihn in eine Falle gelockt und aus purer Berechnung verführt?


  • Erscheinungstag 22.06.2020
  • Bandnummer 6
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717117
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Das war kein Traum …

Mit seinem schlanken, muskulösen Körper drückte Ben sie gegen die Fahrstuhlwand. Als Violet etwas Hartes, Heißes spürte, das sich gegen ihren Bauch presste, lachte sie leise. Nein, das war alles andere als ein Traum.

Sie hatte es wirklich gewagt.

„Küss mich“, sagte er mit diesem sexy Akzent, der ihr gleich aufgefallen war. Sie hatte keine Ahnung, wo Ben herkam. Aber seine Stimme hatte etwas Betörendes, Feuriges, als käme er aus einem Land voller Sonnenschein.

Sie fuhr mit gespreizten Fingern durch sein volles schwarzes Haar und zog seinen Kopf zu sich heran. Sofort drückte er seine Stirn gegen ihre. „Küss mich, du geheimnisvolle Frau, meine wunderschöne V.“ Zu ihrer Verblüffung wartete er tatsächlich darauf, dass sie den nächsten Schritt tat.

Ein Gefühl der Macht durchströmte sie. Genau das war der Grund, weshalb sie mit ihm im Fahrstuhl zum obersten Stockwerk des Holloway Inn fuhr. Mit einem Mann, der nicht wusste, dass sie Violet McCallum war, Mac McCallums kleine Schwester.

Ihr Leben lang war sie nur Violet gewesen, die kleine Violet, die vor der großen bösen Welt beschützt werden musste. Violet, deren Eltern gestorben waren, als sie noch ein kleines Mädchen war, und sie allein gelassen hatten. Violet, die immer noch in ihrem Elternhaus lebte, zusammen mit ihrem großen Bruder, der sie behütete und darauf achtete, dass ihr nichts zustieß.

Zum Teufel mit Violet. Sie wollte nicht mehr Violet sein, nicht in dieser Nacht.

Deshalb küsste sie ihn, diesen Fremden, tief und lange, während sie seinen Kopf festhielt und sich an ihn drückte. Er sollte wissen, was sie wollte: ihn.

Ursprünglich war sie nicht in die Hotelbar gegangen, um jemanden fürs Bett aufzugabeln, an einen One-Night-Stand hatte sie nicht gedacht. Sie hatte nur Lust gehabt, sich hübsch anzuziehen, ein bisschen zu flirten und sich begehrenswert zu fühlen. In Royal, ihrer texanischen Heimatstadt, war das natürlich nicht möglich. Da kannte sie jeder. Deshalb war sie in die Nachbarstadt gefahren.

Aber sie hatte nicht mit jemandem wie Ben gerechnet. „Du hast wunderschöne Augen“, flüsterte er mit seiner Samtstimme, strich ihr über den Rücken und legte die Hände auf ihren kleinen, festen Po. „Und nicht nur das, meine geheimnisvolle V.“ Dann hob er sie hoch, und ohne nachzudenken, legte sie ihm die Beine um die Hüften – und spürte seine pulsierende Härte jetzt genau da, wo sie sie ersehnte.

Stöhnend bog sie sich ihm entgegen. Ben küsste sie auf den Hals und strich ihr mit den Lippen über den großzügigen Ausschnitt bis zum Brustansatz. Während er sie mit einer Hand in dieser Position hielt, schob er mit der anderen ihr kleines Schwarzes hoch und liebkoste ihre nackten, heißen Oberschenkel. „Ben … ich …“, stieß sie halblaut hervor.

„Wenn du mit mir zusammen aus diesem Fahrstuhl aussteigst, gehörst du mir, das weißt du hoffentlich? Ich werde dich lieben, wie du noch nie geliebt worden bist. Dies ist deine letzte Chance, dich anders zu entscheiden.“

Im Vorgefühl dessen, was kommen würde, erschauerte sie. Violet McCallum hätte nie zugelassen, dass ein Mann so mit ihr sprach. Aber heute Abend war sie V.

„Ist das ein Versprechen?“

„Allerdings“, sagte er ernst. „Dir Lust zu verschaffen, ist für mich die Erfüllung meiner sexuellen Träume.“

So etwas Wundervolles hatte noch keiner zu ihr gesagt. Ihr Leben lang hatte sie nie das machen dürfen, was sie wollte, hatte sie nie das bekommen, wonach sie sich sehnte. Selten gingen ihrem Bruder die Erklärungen aus, weshalb dieses und jenes nicht möglich war. Sie hätte ja keine Ahnung, was für Folgen das hätte. Es sei viel zu riskant, viel zu gefährlich …

Wenn Mac wüsste, dass sie hier mit einem Mann im Fahrstuhl war, der ihr gerade das aufregendste Kompliment ihres Lebens gemacht hatte, dann würde sein Colt wohl locker sitzen. Denn was sie hier tat, war riskant und gefährlich und genau das, wovor er sie in den letzten zwölf Jahren gewarnt hatte.

Aber sie hatte es satt, wie ein Kind behandelt zu werden. Sie war eine erwachsene Frau, verdammt. Und sie wollte Ben.

„Und warum sind wir dann immer noch hier?“, fragte sie mit einem koketten Augenaufschlag.

„Bist du ganz sicher?“

„Ja. Aber sprich weiter. Ich höre deine Stimme so gern.“

Sie hatte kaum ausgesprochen, als sich die Fahrstuhltür öffnete und Ben auch schon mit ihr auf den Armen den langen Flur entlangging. „Bist du immer so abenteuerlustig?“, stieß er leise hervor.

Er trug sie, als wäre sie leicht wie eine Feder. Und so fühlte sie sich auch, losgelöst von allem. Am liebsten wäre sie nie wieder in die graue Wirklichkeit ihres Lebens zurückgekehrt. Doch eins machte ihr Sorgen. Wie konnte sie vor ihm verbergen, dass sie nicht wirklich viel Erfahrung hatte, was Bettgeschichten anging? Immer wenn sie sich ernsthaft für einen Mann interessiert hatte, war ihr Bruder dazwischengegangen. Sie wusste, er meinte es bestimmt nur gut mit ihr, wollte sie beschützen. Aber es endete immer auf dieselbe Art: dass ihr Auserwählter mit einer faden Entschuldigung die Flucht ergriff.

Violet hatte deshalb nur wenige Männerbekanntschaften gehabt. Aber bei V war es etwas ganz anderes. Sie war eine erfahrene sexy Frau, die es in diesem Punkt mit Ben ohne Weiteres aufnehmen konnte. Das zumindest würde er erwarten.

„Wollen wir das nicht gemeinsam herausfinden?“ Sie lächelte vielversprechend.

Er stöhnte nur leise und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Endlich blieb er vor einer Tür stehen und ließ Violet langsam an sich heruntergleiten. „Willst du mir wirklich nicht sagen, wie du heißt?“

„Nein.“ Sie schüttelte heftig den Kopf. Diese traumhafte und lang ersehnte Nacht wollte sie sich nicht von so etwas Langweiligem wie der Wirklichkeit kaputt machen lassen. „Keine Namen. Nicht heute Nacht.“

Er zog den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Dann schob er Violet langsam vor sich her in den Raum. „Wovor hast du Angst? Vor wem versteckst du dich? Vor deiner Familie?“ Er drehte sie zu sich herum und sah ihr tief in die Augen, während er den langen Reißverschluss ihres Kleides aufzog. „Vor einem anderen Lover?“

„Ich verstecke mich vor niemandem.“ Na ja, das war nicht ganz richtig. Mac durfte auf keinen Fall herausfinden, was seine Schwester hier trieb. Deshalb war sie ja auch nicht in Royal geblieben, sondern nach Holloway gefahren.

„Verstecken wir uns nicht alle vor irgendjemandem oder irgendetwas?“, bemerkte Ben leise seufzend. Dabei schob er ihr langsam das Kleid herunter, wobei ihr knapper BH aus schwarzer Spitze sichtbar wurde.

„Ich … also …“ Sie stockte und trat ein paar Schritte zurück. „Ich stelle dir keine Fragen, und du stellst mir keine Fragen“, sagte sie leicht frustriert. „Und nur mit Kondom, das sind meine Bedingungen. Wenn sie dir nicht passen …“ Sie zuckte mit den Schultern und griff nach dem Kleid, um es wieder hochzuziehen.

Ben sagte gar nichts, sondern sah sie nur mit diesem Lächeln an, dem sie kaum widerstehen konnte. Er würde doch hoffentlich ihre Bedingungen annehmen? Denn sie wollte hierbleiben, wollte ihn endlich nackt sehen und wilden Sex haben, bis sie total erschöpft und befriedigt war.

„Ich möchte diese eine Nacht mit dir verbringen“, fügte sie leise hinzu. Und erst jetzt wurde ihr dieser Wunsch in seiner ganzen Tragweite klar. Denn als sie nach Holloway gefahren war, hatte sie keine Sekunde gedacht, dass ihr Abend so enden würde, sie hatte sich nur ein paar Stunden amüsieren wollen. Aber als dieser dunkle Fremde in der Bar sie lächelnd von oben bis unten gemustert hatte, da hatte sie gewusst: Sie wollte ihn, und sie musste mit ihm schlafen.

„Mehr will ich nicht. Nur eine Nacht. Völlig ohne Verpflichtungen. Nur Sex.“

Ben kam wieder näher und umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen. „Das ist wirklich alles? Mehr nicht?“ Das klang überrascht, vielleicht auch ein wenig enttäuscht, und schnitt Violet ins Herz. Sie wusste nichts von ihm und hatte keine Ahnung, was er in Holloway machte. Auf keinen Fall kam er hier aus der Gegend. Aber irgendwie hatte sie den Eindruck, dass es auch in seinem Leben eine ganze Menge Einschränkungen gab.

Das Gefühl kannte sie nur zu gut. Aber heute Nacht wollte sie nur das tun, was sie selbst wollte, und sich nicht um die Vorstellungen anderer Menschen kümmern. Sie wollte mit Ben schlafen und würde es nicht bedauern. Ob er …?

„Nein. Dir Lust zu verschaffen, ist für mich die Erfüllung meiner sexuellen Träume“, wiederholte sie dicht an seinen Lippen.

„Küss mich.“

Sofort krallte sie die Finger in sein Haar, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn voller Verlangen. Und dann wussten beide nicht mehr, wer wen zuerst auszog. Lediglich, dass sie nackt auf das breite Bett fielen und sich mit einer Lust und Ausdauer liebten, die sie die Zeit vergessen ließ. Nur eins war Violet dabei bewusst: Ben war genau der Liebhaber, von dem sie immer geträumt hatte – nur noch viel besser. Leidenschaftlicher, einfühlsamer und voller überraschender Ideen.

Schließlich kuschelte sie sich in seine Arme, vollkommen befriedigt und glücklich. Und während er ihr flüsternd Geschichten in einer Sprache erzählte, die sie nicht verstand, schlief sie ein. Ben, war ihr letzter Gedanke.

1. KAPITEL

Vier Monate später

Das konnte einfach nicht wahr sein.

Lieber Gott, bitte mach, dass es nicht wahr ist! Violet starrte fassungslos auf den schmalen Plastikstreifen, der in schrecklichen Großbuchstaben verkündete: SCHWANGER.

Vielleicht hatte sie den Test nicht richtig gemacht. Hatte das falsche Ende eingetaucht oder so. Das musste es sein. Schließlich hatte sie noch nie einen Schwangerschaftstest gemacht. Wahrscheinlich hatte sie sich die Anleitung nicht genau durchgelesen.

Glücklicherweise hatte sie drei Tests gekauft. Um sicherzugehen, dass ihre leidenschaftliche Nacht vor vier Monaten mit einem Fremden namens Ben ohne Folgen geblieben war. Sie setzte sich auf den Badewannenrand und nahm sich die nächste Packung vor. Konzentriert studierte sie die einzelnen Schritte, um die Schachtel dann entnervt fallen zu lassen. Mist. Sie hatte alles richtig gemacht.

Dennoch, diese Tests waren nicht hundertprozentig zuverlässig. Also noch mal.

Die nächsten zwei Minuten waren die Hölle. Sie zwang sich, gleichmäßig weiterzuatmen, um die Panik zu unterdrücken. Der erste Test musste danebengegangen sein, das passierte doch dauernd. Sie konnte nicht schwanger sein! Dass ihr manchmal übel war, einfach so ohne Anlass, hatte sicher damit zu tun, dass sie etwas Falsches gegessen, vielleicht sich auch irgendwo einen Virus eingefangen hatte. Da es nie morgens auftrat, konnte es nicht die berüchtigte morgendliche Übelkeit sein, die typisch für Schwangere war. Nein, sie litt an einer leichten Magengrippe. Und ihr Zustand hatte nichts mit der Nacht im Holloway Inn vor vier Monaten zu tun …

SCHWANGER.

Oh Gott … Einmal konnte der Test falsch sein, aber zweimal? Nicht, wenn man wilden Sex mit einem Mann gehabt hatte, den man nicht kannte.

Was sollte sie bloß tun?

Sie wusste weder, wie dieser Ben mit Nachnamen hieß, noch hatte sie seine Telefonnummer. Er war mehr oder weniger eine Fantasiegestalt gewesen, die am frühen Morgen wieder verschwunden war. Als sie aufwachte, war sie allein gewesen. Ihr Kleid hing frisch gebügelt an der Badezimmertür. Und der Zimmerservice hatte ihr Frühstück gebracht, mit einer Rose und einer handschriftlichen Notiz, die sie zu Hause in ihrer Wäscheschublade versteckt hatte – auf keinen Fall durfte Mac sie finden.

Dir Lust zu verschaffen, war für mich die Erfüllung meiner sexuellen Träume. Ich danke Dir für diese Nacht.

Er hatte die Nachricht noch nicht einmal unterzeichnet. Kein Name, keine Unterschrift. Keine Möglichkeit, ihn zu erreichen. Dafür aber zwei positive Teststreifen …

Eine fatale Situation.

Okay, sie konnte also keinen Kontakt mit ihm aufnehmen, wenigstens momentan nicht. Vielleicht konnte sie später einen Privatdetektiv anheuern, der ihn über das Hotel ausfindig machte. Aber das half ihr jetzt recht wenig.

„Violet?“, rief Mac von unten. „Kannst du mal eben runterkommen?“

Ihr war schon wieder übel. Diesmal hatte das aber nichts mit der Schwangerschaft zu tun. Wie um alles in der Welt sollte sie ihrem Bruder erklären, was sie getan hatte? Dass sie eine leidenschaftliche Nacht mit einem Fremden verbracht hatte und nun schwanger war? Mac hatte die letzten zwölf Jahre nach dem Tod der Eltern alles darangesetzt, sie vor Unglück zu bewahren. Und nun das. Er würde entsetzt sein!

„Violet?“

Eine Stufe knarrte. Himmel, er kam die Treppe hoch!

„Ich komme gleich!“ Hastig steckte sie die gebrauchten Teststreifen in die Schachtel zurück und versteckte sie ganz hinten in der Schublade. Was sollte sie bloß tun? Mit Macs Verständnis konnte sie nicht rechnen.

Schnell spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete sich ab. Sie schminkte sich selten und schon gar nicht, wenn sie auf der Familienranch Double M zu tun hatte. Für die Rancharbeiter musste sie nicht schön sein. Mac hatte ihnen ganz sicher eingebläut, dass seine kleine Schwester tabu war. Was sie eigentlich ziemlich ärgerte. Zum einen heuerte sie ja die Leute nicht an, um sich in einem passenden Moment mit dem einen oder anderen im Heu zu wälzen. Zum anderen war sie der Boss hier, während Mac sich um McCallum Enterprises kümmerte, das Unternehmen, das ihr Vater gegründet hatte.

Die Ranch und McCallum Enterprises hatten nichts miteinander zu tun, was Mac nie so recht begreifen konnte. Denn er wollte einfach nicht einsehen, dass Violet sehr gut in ihrem Beruf war und es trotz langer Trockenperioden und dem fürchterlichen Tornado immer noch schaffte, dass die Ranch Profit abwarf.

Nein, für ihn war sie immer noch die hilflose Sechzehnjährige von damals, als ihre Eltern verunglückt waren. Egal, was sie tat und wie gut sie war, sie blieb seine kleine Schwester, nicht mehr und nicht weniger.

Wie sehr hatte sie sich gewünscht, mal nicht die Schwester zu sein, die behütet werden musste, sondern eine erwachsene Frau, wenigstens für eine Nacht. Wenn es sein musste, in den Armen eines Fremden.

Das hatte sie nun davon.

Sie hatte gerade das Haargummi abgezogen, das ihren Pferdeschwanz zusammenhielt, und angefangen, ihr kastanienbraunes Haar zu bürsten, als sie wieder Macs Stimme hörte: „Violet?“

Sie zuckte zusammen, weil er direkt vor ihrer Tür stand und sie ihn nicht hatte kommen hören. „Ja, was ist denn?“

„Wir haben Besuch von meinem alten Freund … Rafe.“

„Äh, ja … ich komme gleich.“ Rafe, irgendwie kam ihr der Name bekannt vor. Aber warum klang Mac so nervös? „Alles okay?“

„Ja, ja, alles in Ordnung. Es ist nur … Also, Rafe ist der Scheich, den ich damals auf dem College kennengelernt habe. Erinnerst du dich?“

„Warte …“ Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und starrte ihren Bruder an. „Doch nicht der, der diese unmögliche jüngere Schwester hatte, die dich reingelegt hat? Der Rafe?“

„Ja, der. Rafiq bin Saleed.“ Mac wirkte irgendwie aufgeregt und verwirrt zugleich.

„Was will der denn hier?“ Violet runzelte die Stirn. „Das ist doch der, der dich beschuldigt hat, seine Schwester – wie sagt man …?“

„Entehrt zu haben. Ja, genau der.“

„Und warum muss ich diesen Kerl dann begrüßen?“

„Na ja, er ist gerade in der Stadt. Und er hat sich für sein Verhalten vor zwölf Jahren entschuldigt.“

Verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Und damit ist für dich alles wieder gut?“ Männerfreundschaften würde sie nie begreifen.

„Ja, warum nicht? Das Ganze war ein Missverständnis. Sein Vater war derjenige, der sich so aufgeregt hat. Rafe versucht zu schlichten.“

Jetzt? Nach zwölf Jahren? Sehr seltsam. Männer! „Und du willst mich warnen, weil …“

„Weil ich dich kenne, Violet. Du bist einfach zu spontan und sagst Dinge, die nicht angebracht sind. Er kommt aus einem arabischen Land, wo andere Sitten und Gebräuche herrschen. Also versuch bitte, höflich zu sein, ja?“

Sie warf ihm einen genervten Blick zu. „Du liebe Zeit, hältst du mich wirklich für so unbeherrscht, dass ich mit jemandem aus einem anderen Kulturkreis keinen Small Talk machen kann?“ Sie stieß die Tür auf. „Vielen Dank, Mac. Du scheinst ja viel von deiner Schwester zu halten!“

„Siehst du?“ Er grinste. „Schon regst du dich wieder auf.“

„Ach, hör doch auf.“ Sie drehte sich um und ging zum Schrank. Was sollte sie anziehen? War ein Scheich so etwas wie ein Adeliger? Und wenn schon, ein sauberes T-Shirt sollte genügen. „Okay, bringen wir es hinter uns. Ich sage deinem Freund Guten Tag, und dann verschwinde ich wieder. Habe sowieso genug zu tun.“ Wie zum Beispiel diesen Ben ausfindig zu machen und einen Termin bei einem Frauenarzt zu besorgen.

Während sie ihre Arbeitshose auszog, dachte sie über ihre Situation nach, die ihr Leben total veränderte. Sie hatte ganz andere Pläne gehabt, hatte ihren Bruder allmählich davon überzeugen wollen, die im Norden angrenzende Ranch Wild Aces dazuzukaufen. Denn sie wollte raus aus ihrem Elternhaus, wollte endlich allein leben und nicht bei jedem Schritt von Mac überwacht werden. Und Wild Aces hatte ihr immer schon sehr gut gefallen.

Gepachtet hatten sie die Ranch ja bereits. Seit der Tornado die Wasserversorgung ihrer eigenen Farm zerstört hatte, brauchten sie die üppigen Wasservorräte von Wild Aces. Warum sie die Ranch nicht gleich gekauft hatten, verstand Violet immer noch nicht. Wahrscheinlich hatte Mac abgelehnt, weil der Vorschlag von seiner kleinen Schwester und nicht von seiner Assistentin Andrea Beaumont gekommen war. Aber immerhin hatten die beiden Frauen ihn überreden können, die Ranch zu pachten.

Doch nun war Violet schwanger, und das veränderte alles. Wie sollte sie weiterhin aktiv die Verantwortung für Double M übernehmen, ganz abgesehen von Wild Aces, wenn sie einen dicken Bauch vor sich hertrug oder ein Baby auf der Hüfte hatte?

Als Mac still blieb, sah sie ihn fragend an. „Was ist?“

„Alles in Ordnung?“

„Warum denn nicht? Alles bestens.“

Mac hob zweifelnd eine Augenbraue, aber bevor er etwas sagen konnte, fügte sie schnell hinzu: „Solltest du nicht unten sein und deinem Freund, dem Scheich, Gesellschaft leisten? Damit ich mich umziehen kann?“

„Äh … ja, natürlich. Entschuldige.“ Er verschwand.

Violet schloss die Tür hinter ihm. Sie würde erst einmal so tun, als wäre alles wie immer, und sich überlegen, wie sie weiter vorgehen würde. Sollte sie nach Ben suchen lassen? Aber was würde geschehen, wenn sie ihn fand? Wäre er froh darüber? Oder würde er darauf bestehen, dass es eine Begegnung vollkommen ohne Verpflichtungen gewesen war und dass das Baby deshalb allein ihre Sache sei?

Was für eine verkorkste Situation.

„Entschuldige“, sagte Mac und hob die Schultern. „Violet kommt gleich. Sie ist … na ja, sie ist eben Violet.“

Rafe saß auf der Couch und musterte den Raum und den Mann, der jetzt vor ihm stand. Mac sah zwar älter aus als vor zwölf Jahren, aber das, was er Rafe und damit seinem besten Freund und dessen Familie angetan hatte, schien keine Spuren bei ihm hinterlassen zu haben. Anders als bei Rafe … Aber dass Mac nicht weiter bekümmert schien, verwunderte Rafe eigentlich nicht. Als Mac damals Nasira und die ganze Familie entehrt hatte, hatte ihm Rafe offensichtlich wenig bedeutet. Er hatte kein schlechtes Gewissen gehabt, weil er wahrscheinlich unfähig war, so etwas wie Schuld zu empfinden.

Das steigerte Rafes Rachegefühl. Aber er wusste, er musste sich vorläufig zusammennehmen und den geeigneten Zeitpunkt abwarten, um zuzuschlagen.

Also nickte er Mac nur lächelnd zu. „Richtig, Violet ist deine jüngere Schwester. Als wir auf dem College waren, ging sie noch zur Schule, oder?“

„Ja, das stimmt. Aber nun zu dir, Mann. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Weshalb bist du hier in der Stadt?“

Rafe machte eine unbestimmte Handbewegung, als wäre es Zufall, dass er sich in Royal aufhielt. „Mein Vater ist tot.“

„Oh Mann.“ Mac ließ sich in einen Sessel fallen. „Das tut mir echt leid.“

„Danke, aber das ist nicht nötig.“ Wieder lächelte Rafe. Aber nicht, weil sein Vater tot war, sondern weil Macs Anblick ihn verrückterweise an diese geheimnisvolle Frau erinnerte, mit der er den besten Sex seines Lebens gehabt hatte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum sein Gehirn diese Verbindung herstellte. Wo sie jetzt wohl war? Darüber hatte er in den letzten Monaten immer wieder nachdenken müssen. „Er war, wie du weißt, ein schwieriger Mann, um es vorsichtig auszudrücken.“

Mac nickte.

Wieder musste Rafe sich zwingen, seinen Zorn zu unterdrücken. Wenn er daran dachte, wie nahe er sich dem früheren Freund immer gefühlt hatte, so nah, dass er ihm als Einzigem die Schwierigkeiten mit seinem herrschsüchtigen Vater anvertraut hatte. Um dann zu erleben, wie Mac und Nasira den ganzen Bin-Saleed-Clan entehrt hatten …

„Nach seinem Tod“, fuhr Rafe ruhig fort, „ging der Titel des Scheichs an meinen ältesten Bruder Fareed über. Und ich gewann mehr Freiheit, das zu tun, was ich gern tun wollte.“ Aber das bedeutete natürlich nicht, dass die Ehre und der Stolz der Familie für ihn keine Bedeutung mehr gehabt hätten. Oder dass nach zwölf Jahren das Bedürfnis nach Rache verschwunden wäre.

„Ich habe dich eigentlich viel früher aufsuchen wollen. Aber ich musste unsere Reederei übernehmen und erst mal dafür sorgen, dass sie wieder in die schwarzen Zahlen kam. Außerdem hoffe ich, unsere Unternehmen ausweiten zu können. Vielleicht in den Energiesektor. Weltweit wird immer mehr Energie benötigt. Und da habe ich an dich gedacht und wie begeistert du immer von dieser Gegend und ihren vielen Möglichkeiten gesprochen hast.“

Das war noch nicht einmal ein Bruchteil der Wahrheit. Denn heimlich ließ er über Samson Oil Land in und um Royal aufkaufen, obgleich er wusste, dass es hier kein Öl und kaum Bodenschätze gab. Das war auch in der Stadt kein Geheimnis. Lediglich als Viehweide war der Boden geeignet. Deshalb hatten auch viele Einheimische das großzügige Angebot nur zu gerne angenommen, das Anwalt Nolan Dane ihnen im Namen von Samson Oil gemacht hatte. Dass der charmante Nolan, der aus Royal stammte, lange Zeit der Strohmann von Rafe gewesen war, wusste keiner. Und wenn es rauskam, würde es zu spät sein.

Die Stadt würde zu großen Teilen Rafe gehören. Und er konnte mit ihr machen, was er wollte.

„Ja, die Arbeit kann einen wirklich auffressen“, meinte Mac seufzend. „Seitdem ich für McCallum Enterprises zuständig bin, weiß ich oft auch nicht, wo mir der Kopf steht. Ich habe keine Zeit mehr, mich um die Ranch zu kümmern. Das macht jetzt Violet.“

„Sie bewirtschaftet die Ranch? Allein?“ Aber eigentlich sollte ihn das nicht wundern. Violet war ganz anders als andere Mädchen, das hatte Mac schon früher gesagt. Schon als Kind hatte sie am liebsten mit den Jungs gespielt.

„Ja, und zwar mit großem Erfolg“, musste Mac zugeben.

Rafe sah ihn überrascht an. „Und ich dachte immer, sie würde wie du in Harvard studieren.“ Das hatte Mac wenigstens früher immer behauptet, als sie sich über die Schwierigkeiten mit jüngeren Schwestern austauschten. Aber wahrscheinlich war das auch nur eine Lüge gewesen, um sich bei Rafe einzuschmeicheln.

„Ja, das wollte sie auch. Aber als unsere Eltern dann bei dem Flugzeugabsturz umkamen …“ Mac stockte und blickte kurz zu Boden, um sich zu sammeln. „Sie war verzweifelt und fühlte sich vollkommen verloren. Und ich war noch nicht einmal da, als es passierte.“

„Das alles wusste ich gar nicht.“ Rafes Stimme klang mitfühlend, obgleich er die Umstände natürlich genau kannte. Macs Vater hatte selbst am Steuer des kleinen Flugzeugs gesessen, als es abstürzte. Es gab keine Überlebenden.

All das geschah, kurz nachdem Rafe Harvard auf Befehl seines Vaters hatte verlassen müssen, als Strafe dafür, dass er nicht besser auf seine Schwester aufgepasst hatte. An die Mac sich herangemacht hatte.

Von dem Unfall hatte Rafe erst Jahre später erfahren, genauer gesagt erst nach dem Tod seines eigenen Vaters. Denn erst dann hatte er die Möglichkeit gehabt, die Sache mit Mac und Nasira genauer zu untersuchen.

Dass er davon erst so spät erfahren hatte, ärgerte ihn immer noch. Denn unmittelbar nach dem Tod der McCallums hätte er sicher ohne Schwierigkeiten deren Besitz erwerben können. So aber musste er auf die nächste Gelegenheit warten, um Rache zu nehmen.

Seine Geduld hatte sich ausgezahlt. Als im letzten Jahr Macs Heimatstadt Royal durch einen gewaltigen Tornado fast zerstört worden war, hatte Rafe seine Chance gewittert. Die Stadt lag wirtschaftlich am Boden, und – was noch besser war – die Wasserversorgung der McCallum Ranch war zusammengebrochen. Mac würde die Ranch nicht mehr lange halten können, zumal Rafe unter dem Decknamen Samson Oil große Teile der Stadt und ihrer Umgebung aufgekauft hatte. Auch diese Ranch würde ihm bald in den Schoß fallen.

Das würde Rafe endlich die Genugtuung verschaffen, nach der er sich seit zwölf Jahren sehnte. Mac hatte ihn damals auf das Schlimmste hintergangen, als er sich an Nasira heranmachte und damit nicht nur das junge Mädchen, sondern die ganze Familie Bin Saleed entehrte.

Bisher wusste keiner, dass Rafe hinter Samson Oil steckte. Aber sobald er sein Ziel erreicht hatte, wollte er es öffentlich machen, dass er der Drahtzieher war. Erst dann war seine Rache vollkommen. Deshalb war er hergekommen.

Er sah den ehemaligen Freund ernst an. „Ja, ich kann mir vorstellen, dass es hart für Violet war.“

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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