Die Logan Geschwister - Eine texanische Familie im Sturm der Gefühle (3-teilige Serie)

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

SÜßES BLONDES CITY-GIRL
Rancher Brock Logan ist alles andere als begeistert, als das bildhübsche City-Girl Felicity plötzlich auf der Ranch in Texas erscheint. Nach seiner gescheiterten Ehe ist eine Frau wirklich das Letzte, was Brock in seiner Nähe haben will! Aber da Felicity von ihrem Ururgroßvater eine stille Teilhaberschaft an der Ranch geerbt hat, kann er sie nicht wegschicken. Und entgegen aller Erwartungen findet Brock es schon nach ganz kurzer Zeit phantastisch, Felicity bei sich zu haben. Sie kümmert sich um seine Zwillinge, ist süß, lieb und gut gelaunt. Und noch was: Sie ist unglaublich sexy. Mit ihrem langen blonden Haar und der hinreißenden Figur macht sie den starken Rancher Brock ganz schön schwach ...

KÜSS MICH - KÜSS MICH ÜBERALL
Er sieht unfassbar gut aus, und seine Küsse jagen ihr heiße Schauer über den Rücken: Der Herzchirurg Tyler weckt Jills längst vergessene Sehnsüchte. Dabei wollte die schöne PR-Managerin höchstens eine lockere Affäre mit ihm, Liebe sollte jedenfalls tabu bleiben ...

DENKST DU NOCH AN JENE NACHT?
Martina Logan ist auf die Familienranch zurückgekehrt, weil sie ein Baby erwartet.
Sein Baby! Daran zweifelt Noah Coltrane keinen Augenblick, auch wenn Martina ihrer Familie den Namen des Vaters verschweigt. Noah ist entschlossen, sie zu heiraten. Und vergisst dabei ganz, dass das Kriegsbeil zwischen den Logans und Coltranes noch längst nicht begraben ist …


  • Erscheinungstag 17.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719845
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Leanne Banks

Die Logan Geschwister - Eine texanische Familie im Sturm der Gefühle (3-teilige Serie)

Image

Leanne Banks

Süßes blondes City-Girl

Image

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: info@cora.de

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

CORA Leser- und Nachbestellservice
Haben Sie Fragen? Rufen Sie uns an! Sie erreichen den CORA Leserservice montags bis freitags von 8.00 bis 19.00 Uhr:
  CORA Leserservice Telefon 01805 / 63 63 65*
  Postfach 1455 Fax 07131 / 27 72 31
  74004 Heilbronn E-Mail Kundenservice@cora.de
  * 14 Cent/Min. aus dem Festnetz der Deutschen Telekom, abweichende Preise aus dem Mobilfunknetz

www.cora.de

PROLOG

Alles, was Brock Logan sich wünschte, war eine gut gehende Ranch, Sicherheit für seine Kinder und Frieden.

An den Aufregungen einer Romanze war er nicht interessiert. Denn den Fluch einer Leidenschaft hatte er kennengelernt, als seine Frau sich von ihm trennte und ihn mit gebrochenem Herzen und zwei kleinen Kindern zurückließ. Brock atmete tief durch. Wie froh er war, dass er seinen Sohn und seine Tochter hatte!

Ansonsten wollte er nur seine Ruhe haben.

Er stand auf der hölzernen Veranda des alten Hauses, das von seinen Vorfahren erbaut und von ihm vergrößert worden war, und schaute zu den dicken Regenwolken hoch, die sich am Himmel zusammenbrauten. Nervös knüllte er das Fax in seiner Hand zusammen.

“Wir könnten Regen gebrauchen”, sagte sein jüngerer Bruder Tyler, der zu ihm trat.

“Ja, aber einen richtigen Landregen, nicht nur einen Schauer. Flüchtige Besucher brauchen wir genauso wenig”, fügte er mit einem Blick auf das Fax hinzu.

“Besucher?”, fragte Tyler. “Von wem ist denn das Fax?”

Brock biss sich auf die Lippen. “Von Greg Roberts, unserem Anwalt. Er faxt, dass unser stiller Teilhaber uns besuchen will.”

“Stiller Teilhaber? Doch nicht diese Chambeaus?”

“Die Chambeau”, korrigierte Brock seinen Bruder, “es gibt nur noch eine. Felicity Chambeau.” Er zog das Fax glatt. “Ihr Anwalt hat Greg kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass sie als Partnerin des Vertrages, den unsere Urgroßväter geschlossen haben, ihren hiesigen Wohnsitz besuchen möchte.”

Tyler wirkte besorgt. “Ist das nicht das Haus, in dem unser Vormann wohnt?”

Brock nickte. Er zog den Hut vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. “Genau. Und da der Mann ein echter Profi ist, den wir jetzt unbedingt brauchen, möchte ich, dass er sich hier wohlfühlt. Nachdem der Coltrane-Bulle sich auf einer meiner Weiden vergnügt hat, könnte es nämlich eine anstrengende Kälbersaison werden. Nun sieht es so aus, als würde es in mehr als einer Hinsicht schwierig werden.”

“Wo soll sie denn wohnen?”

Ruhe und Frieden kann ich vergessen, dachte Brock missmutig. “Bei mir im Haus. In Blackstone gibt es kein anständiges Hotel.”

Tyler grinste. “Vielleicht bringt sie ja ein bisschen Leben in die Bude.”

Brock sah seinen Bruder finster an. “So was brauche ich nicht!”

Alles, was Felicity Chambeau wollte, war, die Hälfte ihrer Erbschaft loszuwerden. Müde schaute sie aus dem Fenster des Taxis, in dem sie durch eine Gegend fuhr, die ihr völlig unbekannt war. Geld, das nur auf dem Konto herumlag, war nutzlos. Deshalb hatte sie sich das Ziel gesetzt, es einem sinnvollen Zweck zuzuführen. Außerdem wollte sie von dieser verdammten Liste herunter, auf der jedes Jahr die fünfzig reichsten Frauen des Landes notiert waren. Solange sie noch auf dieser Liste stand, würde sich ein Mann immer nur aus finanziellen Gründen für sie interessieren.

Felicity hatte nicht besonders viel Nützliches gelernt, aber Geld loszuwerden konnte doch nicht so schwierig sein. Irgendwie würde sie das schon hinkriegen.

Ihre Anwälte hatten ihr geraten, erst einmal irgendwohin zu fahren, wo es ruhig war, bis der Skandal allmählich vergessen war und die gerichtlichen Untersuchungen nicht mehr in den Schlagzeilen der Zeitungen auftauchten. Wenn Felicity an etwas Ruhiges dachte, dachte sie an ein hübsches kleines Schloss in Südfrankreich. Ihre Anwälte meinten aber etwas, das näher lag – in Texas zum Beispiel –, falls sie eine Zeugenaussage machen musste.

Texas war ihr genauso fremd wie Europa. An die Skyline von Manhattan gewöhnt, fand sie das platte Land und den endlosen grauen Himmel ziemlich trostlos. Selbst die Taxifahrt war langweilig, da der Fahrer beharrlich schwieg.

Felicity schloss die Augen und lehnte sich zurück. Vielleicht hatte ihre stete Unrast sie in Schwierigkeiten gebracht. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie von einer Wohltätigkeitsveranstaltung zur anderen gehetzt.

Beschäftige dich, meide den Schmerz, schau nicht in den Spiegel, vermeide Trennungen und emotionale Verluste, schüttle das Gefühl der Leere ab! Das waren ihre Leitsätze gewesen.

Und so war sie in die offenen Arme ihres Finanzberaters Douglas geeilt. Dem hatte sie vertraut. Aber er dankte ihr das damit, dass er das Land mit einem beträchtlichen Teil ihres Geldes und mit einer exotischen Tänzerin namens Chi Chi verließ. All das hatte ziemlich viel Aufsehen erregt, und obgleich Felicity keineswegs pleite war, hatte sie doch das bittere Gefühl, eine schwere Niederlage erlitten zu haben.

Mehr noch als von Doug war sie von sich selbst enttäuscht. Die Geschichte hatte ihr die Sinnlosigkeit ihrer hektischen Aktionen vor Augen geführt. Und nun – sie schaute nach draußen – war sie mitten im Nichts gelandet, in Texas.

Vielleicht wurde es Zeit, sich auf sich selbst zu besinnen.

Aber davor hatte sie Angst. Doug war nicht der Einzige, der ihr gezeigt hatte, dass kein Mann sie um ihrer selbst willen lieben würde. Also konnte sie den Wunsch zu heiraten gleich aufgeben.

Sie konnte der Auseinandersetzung mit sich selbst nicht ausweichen, denn mehr als sich selbst hatte sie nicht.

Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie. Sich mit sich selbst zu konfrontieren erforderte Mut. Vielleicht würde sie die Frau ja gar nicht mögen, die ihr im Spiegel entgegenblickte. Sie atmete tief ein. Wenn ihr diese Frau nicht gefiele, dann gäbe es vielleicht eine Möglichkeit, sich zu ändern. Die einsame Umgebung könnte ihr dabei helfen. Denn hier gab es bestimmt kaum Ablenkungen.

1. KAPITEL

Es goss in Strömen. Der Taxifahrer hupte. Felicity stand am Eingang des Logan-Hauses und blickte in die blauen Augen und das wenig freundliche Gesicht eines großen, kräftigen Mannes.

Es war nicht nur seine Größe – alles an ihm kam ihr gewaltig vor: die breiten Schultern, die Hände, die momentan auf den festen Oberschenkeln lagen, selbst die kantigen Wangenknochen. Er wirkte wie ein energischer Mann, der keinerlei Unsinn duldete, schon gar nicht von einer problembeladenen Frau aus New York.

Als es donnerte, zuckte Felicity erschrocken zusammen. Vor Gewittern hatte sie schon immer Angst gehabt. Sie versuchte trotzdem zu lächeln. “Hallo, ich bin Felicity Chambeau.” Die Hand streckte sie ihm vorsichtshalber nicht hin, die würde er vermutlich zerdrücken. Ein alberner Gedanke, aber sie war müde, und er war so riesig.

“Sie kommen zu früh”, sagte er und musterte sie kühl.

Sicher ist er gerade mit etwas Wichtigem beschäftigt, dachte Felicity. “Ich …”, begann sie, schwieg dann aber. Auch noch zu stottern wollte sie sich ersparen. “Ich möchte Sie nicht lange stören. Vielleicht zeigen Sie mir nur mein Haus.”

“Da wohnt jetzt mein Vormann mit seiner Frau und den drei Kindern.”

Felicity blinzelte nervös. “Ach so.”

“Ich könnte sie natürlich bitten, woanders hinzuziehen.”

“Oh, nein”, versicherte sie. “Das sollten Sie nicht tun.”

Er nickte. “Sie können hier wohnen.”

Bei ihm? Felicity schluckte. Er schien davon genauso wenig erbaut zu sein wie sie. “Und Sie sind Mr Logan?”

“Brock Logan”, antwortete er und neigte leicht den Kopf. Dabei konnte Felicity eine große Narbe an seiner Wange sehen.

Brock signalisierte dem Taxifahrer, direkt vorzufahren, und der Mann lud Felicitys Koffer und Taschen aus. Felicity bezahlte. Brock schaute missmutig auf ihr Gepäck. Als er einen Schritt nach vorn machte, wich Felicity reflexartig zurück. Als sie daraufhin beide in die gleiche Richtung auswichen, stießen sie prompt zusammen, und Felicity, die leise aufschrie, stürzte beinahe. Aber Brock fing sie mit seinen kräftigen Händen auf. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Felicity nahm den Geruch nach Moschus und Leder wahr. Ein eindeutig männlicher Geruch und ganz anders als der, den sie von den eleganten Männern kannte, mit denen sie sonst zu tun hatte.

Meine Güte, was für ein Anfang! dachte sie.

Brock zog sie hoch und stellte sie wieder auf die Füße. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Seine Hände waren fest und warm, und eine Aura von Ehrgefühl und Anständigkeit umgab ihn – Eigenschaften, die man heutzutage selten fand.

“Vielen Dank”, stieß sie verlegen hervor.

Er ließ sie achselzuckend los, nahm ihre drei Koffer und ging ins Haus. “Hier entlang.”

Felicity nahm ihre Taschen und folgte ihm durch die Diele zu einer breiten Treppe mit geschwungenem Geländer. Sie schaute sich eilig um. Das Haus war geräumig, das viele Holz strahlte Wärme aus, und an der Wand hingen Porträts, die auf eine lange Familientradition hinwiesen.

“Frühstück gibt es um sechs”, verkündete Brock, “Abendessen um achtzehn Uhr, Mittagessen, wann Sie wollen. Wenn Sie sich etwas kochen, räumen Sie danach bitte alles wieder weg. Meine Haushälterin liebt es nicht, hinter anderen herzuräumen.”

Mit anderen Worten: Erwarte hier keine Luxusbehandlung, dachte Felicity, während er sie in ein kleines Zimmer führte, in dem ein Bett, eine Kommode, ein Nachtschrank und ein Schreibtisch standen.

Brock knipste die Nachttischlampe an. “Das Bad ist den Flur hinunter.”

“Ihr Haus ist sehr schön.” Felicity strich über die Kommode, die aus Kirschholz war. “Die Möbel wirken gar nicht wie vom Land.”

“Meine Vorfahren stammen aus Virginia.”

Felicity nickte. “Ihre Frau oder Ihr Innenarchitekt haben es ganz wunderbar eingerichtet.”

“Ich bin nicht verheiratet.” Sein Blick war hart. “Allerdings habe ich zwei Kinder. Bree und Jacob sind ziemlich lebhaft, aber ich werde sie bitten, Sie nicht zu behelligen. Mein Bruder, Tyler, ist Arzt, hält sich jedoch genauso oft hier auf wie in der Stadt. Meine Schwester Martina arbeitet in Chicago für eine Computerfirma und kommt auch gelegentlich her. Unsere Haushälterin heißt Addie. Sie hält alles gut instand, ich hoffe also, dass Sie ihr keinen Ärger machen.”

Felicity nahm die Informationen auf und nickte. “Ich werde mich bemühen, niemanden zu stören.”

Brock schaute sie zweifelnd an. “Falls Sie spazieren gehen, halten Sie sich von der Bullenweide fern.” Er hielt kurz inne. “Und vom Männerquartier.”

Felicity nickte wieder und schaute sich um. Konnte man hier überhaupt irgendwohin gehen? “Schön, dass hier wenigstens ein Fenster ist.”

Brock sah sie lange an. “Ja.”

Humor schien er nicht zu haben. Und der Blick seiner blauen Augen verunsicherte sie.

“Wie lange bleiben Sie?”, fragte er.

“Ich weiß es noch nicht. Das hängt auch von meinen Anwälten ab. Ich dachte, ich würde hier ein bisschen Einsamkeit finden, aber …” Sie hob die Schultern.

Er zog eine Braue hoch. “Dieser Besuch ist ein Rat Ihrer Anwälte?”

“Ja.” Felicity dachte an das Durcheinander, das sie hinterlassen hatte. “Das ist zu kompliziert, um es jetzt zu erklären. Vielen Dank für Ihre Gastfreundlichkeit und die Zeit, die Sie sich heute Abend für mich genommen haben.”

Brock schaute sie erneut lange an. “Haben Sie keine Familie?”

Seine Frage machte ihr erneut ihre Einsamkeit bewusst. Sie straffte sich. “Nein, aber das macht nichts.” Wenn sie es stets wiederholte, würde sie es eines Tages vielleicht sogar selbst glauben.

Er wirkte nicht überzeugt. Etwas Seltsames lag in seinem Blick. So als verstünde er sie.

“Einen Moment noch”, sagte er und verließ das Zimmer. Kurz darauf kam er mit Handtüchern und Waschlappen zurück, die er auf die Kommode legte. “Falls Sie jetzt duschen möchten … die Kinder schlafen schon.”

Sie führte seinen Satz lächelnd zu Ende. “Also singen Sie nicht unter der Dusche.”

Brock schmunzelte beinahe. “Ja.” Er schaute sie noch einmal kurz an.

“Vielen Dank, dass Sie mich so kurzfristig bei sich aufnehmen.”

Er nickte. “Gute Nacht, Miss Chambeau.”

“Gute Nacht, Mr Logan.”

Er schloss die Tür hinter sich, und sie war allein.

Mit einem Blick aufs Bett nahm Felicity sich vor, vierundzwanzig Stunden durchzuschlafen, traumlos und ohne störende Gedanken an ihren Exfinanzberater, der sie so schamlos ausgenommen hatte, oder an den kräftigen Rancher mit dem aufregenden Blick und dem fehlenden Humor.

Selbst nachdem er geduscht und einen Whisky getrunken hatte, nahm Brock immer noch ihr Parfüm im Haus wahr. Felicity war nicht so, wie er sie sich vorgestellt hatte – nämlich ziemlich aufgerüscht. In ihrem schwarzen Hosenanzug wirkte sie eher elegant. Ihr blondes Haar hatte sie schlicht hochgesteckt, das Make-up war dezent, und an den schlanken Händen steckten keine protzigen Ringe. Sie schien ihre Trümpfe nicht ausspielen zu wollen. Wieso wohl? Trauerte sie um jemanden? Ihre Eltern waren seit Jahren tot, aber in ihren grünen Augen war ein Hauch von Traurigkeit zu sehen gewesen, der ihn berührt hatte. Und ihre leicht geöffneten Lippen, so dicht vor seinen, als sie beinahe gestürzt wäre, hatten eine Sehnsucht in ihm geweckt, die ihn daran erinnerte, wie lange er schon allein lebte.

Er goss sich noch einen Whisky ein. Es konnte doch nicht sein, dass ihr tapferer Versuch, einen Kummer zu kaschieren, eine verborgene Saite in ihm zum Klingen brachte?

Felicity schlief fest, bis sie durch laute Schritte vor ihrer Tür geweckt wurde. Es war schon Nachmittag, aber eigentlich hatte sie vierundzwanzig Stunden durchschlafen wollen.

“Denk an Schafe”, murmelte sie und versuchte sich welche beim Sprung über ein Gatter vorzustellen. Die lauten Schritte ließen sie jedoch an Brock Logans Stiefel denken. An seine langen Beine, die muskulösen Schenkel, seinen so kräftigen, männlichen Körper …

Stöhnend schob sie die Decke beiseite. Die Wirklichkeit ließ sich nicht verleugnen. Sie war nicht in Manhattan, sondern auf einer Ranch.

Und warum? Weil du darüber nachdenken wolltest, wieso dein Finanzberater dich wohl gebeten hat, seine Frau zu werden. Die Erinnerung daran war wie die Berührung mit einer Drahtbürste.

Felicity schleuderte das Kissen gegen die Wand und rollte sich aus dem Bett. Das Nachthemd, ihre Haare, alles war in Unordnung. Wie so oft.

“Einen Morgenmantel”, murmelte sie und begann, in ihren Koffern herumzuwühlen. Dabei stieß sie auf ein gerahmtes Bild. Erstaunt hielt sie inne. Hatte ihre Haushälterin, Anna, vielleicht das gehütete letzte Foto von ihr und ihren Eltern eingepackt?

Als sie das Bild auspackte, starrte sie entsetzt in das Gesicht ihres Exverlobten Doug.

Brock, der mit Bree, seiner Tochter, gerade im Flur stand, hörte plötzlich einen wütenden Schrei, dann ein dumpfes Geräusch und splitterndes Glas. Mit einem Blick in Richtung Gästezimmer sagte er zu seiner Tochter: “Geh mal in dein Zimmer.”

“Irgendwas ist kaputtgegangen”, bemerkte Bree, deren Augen fiebrig waren.

“Ich kümmere mich darum. Geh du ins Bett.”

Sobald Bree verschwunden war, klopfte Brock und öffnete vorsichtig die Tür zum Gästezimmer. “Miss Chambeau?”

Felicity stand mit zerzausten Haaren und in einem kurzen Hemd, das ihre hübschen Beine freigab, mitten im Raum. Durch den seidigen Stoff konnte man ihre Brustspitzen sehen. Bei dem Gedanken daran, dass sie darunter nackt war, wurde sein Mund trocken.

Ihre grünen Augen funkelten, ihr Gesichtsausdruck drückte dennoch eher ein Schuldgefühl aus. Brock sah den zerbrochenen Bilderrahmen.

“Miss Chambeau?”, wiederholte er.

Felicity senkte den Blick. Brock wartete ab.

“Das ist das Bild meines ehemaligen Finanzberaters. Ich … es ist runtergefallen … Ich hatte nicht damit gerechnet, es in meinem Koffer zu finden. Der miese Kerl ist mit meinem Geld getürmt. Es geht nicht um das Geld, davon ist noch genug da, aber ich habe ihm vertraut! Ihn beinahe sogar …” Sie hielt inne. “Ich hoffe, er wird in Südamerika, wo er mit seiner exotischen Tänzerin hingeflüchtet ist, von einer Riesenkakerlake angefressen und stirbt langsam und schmerzvoll.” Sie holte Atem. “Aber das ist wohl nicht der passende Moment, darüber zu reden, entschuldigen Sie.”

Brock staunte, wie schnell sie die Fassung wiedergewann. Die Geschichte war vermutlich komplizierter, als er es wissen wollte. “Bewegen Sie sich nicht, sonst holen Sie sich einen Splitter in den Fuß. Ich hol was zum Auffegen.” Kopfschüttelnd verließ er das Zimmer. Auch das noch! Eine verrückte Reiche mit einer Figur, die jeden in Westtexas zum Wahnsinn treiben könnte …

Mit Schaufel und Besen kehrte er zurück. Felicity war schon dabei, Scherben in den Abfallkorb zu werfen. “Ich hatte doch gesagt, bewegen Sie sich nicht.”

“Ich habe diese Scherben verursacht, also muss ich sie auch beseitigen.”

“Hören Sie, meine Tochter ist krank, und eine Kuh wird bald zum ersten Mal kalben. Ich habe keine Zeit, Sie ins Krankenhaus zu fahren, weil Sie sich Schnittwunden geholt haben.”

“Ach”, fragte sie teilnahmsvoll, “Ihre Tochter ist krank?”

Brock fegte eilig die Scherben zusammen und bemühte sich, nicht Felicitys Duft einzuatmen. “Ja, Bree ist krank. Ich habe sie gerade von der Schule abgeholt. Möchten Sie das Foto behalten?” Darauf war ein gut aussehender Mann mit einem etwas weichen Kinn zu sehen.

“Nur um es zu verbrennen.”

Sie griff danach, aber er nahm es ihr wieder ab. “Nicht hier.” Sonst ging sein Haus noch in Flammen auf. “Ich bewahre es für Sie auf. Sie waren wohl mehr als Freunde, wie?”

“Nein, nicht mal Freunde.”

Der trostlose Ausdruck in ihren Augen berührte ihn. Aber damit wollte er sich nicht belasten. “Ich muss meine Tochter ins Bett bringen und zurück an die Arbeit.”

“Vielen Dank. Was hat sie denn?”

“Es ist vermutlich nur eine leichte Infektion, aber der Kinderarzt wohnt in Blackstone, meine Haushälterin hat heute frei, und eine Kuh wird bald kalben. Mit Ihnen scheint alles in Ordnung zu sein, darum gehe ich jetzt.” Er wandte sich zur Tür.

Als er schon fast unten war, hörte er ihre Schritte hinter sich.

“Entschuldigen Sie!”

Ungeduldig drehte er sich um. “Ja?”

“Wie alt ist Ihre Tochter denn?”

“Sieben, warum?” Brock klang gereizt.

“Ich könnte mich um sie kümmern”, bot Felicity an.

Er schaute an ihr herunter. “In dem Aufzug?”

Felicitys Wangen röteten sich. “Nein, ich ziehe mich gleich an.”

Brock schien immer noch Zweifel zu haben.

“Ich könnte ihr Saft bringen und ihr etwas vorlesen.”

Bree würde das bestimmt gefallen, dachte Brock sofort. Aber seine Tochter sollte den stillen Teilhaber der Ranch nicht allzu sehr ins Herz schließen. Er hoffte, dass Miss Chambeau ihnen recht bald wieder den schönen Rücken kehrte und nach New York zurückfuhr.

“Sie scheinen sehr beschäftigt zu sein, aber wenn Sie sie lieber allein lassen wollen …”

“Nein, nein …”, er fluchte innerlich, “vielen Dank.” Das klang eher missmutig.

“Das mache ich gern. Ich ziehe mich nur schnell an.”

Wollte er wirklich, dass sich diese Frau um seine Tochter kümmerte? Na ja, es wäre ja nur für ein paar Stunden. Seine Haushälterin würde bald zurück sein. Aber Felicity Chambeau beunruhigte ihn irgendwie. Leider nicht so sehr wegen ihres Charakters, sondern eher in erotischer Hinsicht.

Vor sich hin murmelnd, ging er in Brees Zimmer und erklärte ihr, dass Felicity sich eine Weile um sie kümmern würde.

Bree bestürmte ihn sogleich mit Fragen. “Woher ist sie?”

“Aus New York. Sie ist kein Cowgirl, kann dir aber etwas vorlesen.”

“Ist sie alt?”

“Nein.”

“Ist sie hübsch?”

Brock zupfte an seinem Kragen. “Das musst du entscheiden.”

“Aber wie findest du sie denn?”

Zum Glück erschien Felicity gerade in der Tür. Ihre Haare hatte sie zum Pferdeschwanz zusammengebunden, sie trug schwarze Jeans und eine weiße Seidenbluse. Brock musste daran denken, wie sie in dem leichten Hemd und mit zerzaustem Haar ausgesehen hatte.

Er stellte die beiden einander vor und sagte zu Bree: “Du hast ja meine Handy-Nummer. Falls irgendwas ist, ruf mich an.”

“Handy-Nummer?”, wiederholte Felicity. “Ich wusste gar nicht, dass es in Texas auch ein Mobilfunknetz gibt.”

Brock verzog den Mund. “Wir sprechen hier vielleicht etwas langsamer, aber wir haben trotzdem schon fließendes Wasser und Telefon. Was haben Sie denn erwartet?”

Felicity zuckte die Schultern. “Festanschlüsse, vielleicht.”

“Die haben wir natürlich auch. Aber ein Handy ist bequemer, weil man überall erreichbar ist.” Er setzte seinen Hut auf.

Bree schaute ihren Vater forschend an.

“Ruf an, wenn du mich brauchst, Kleines.”

Selbst nachdem Brock Logan gegangen war, empfand Felicity noch immer seine Gegenwart. Merkwürdig, dachte sie.

Bree musterte sie aufmerksam. Mit Kindern hatte Felicity kaum Erfahrung. Sie hatte ihre Hilfe nur angeboten, weil Brock als alleinerziehender Vater im Augenblick etwas überfordert zu sein schien, es aber nie zugeben würde. Nun, sie hatte zwar wenig Erfahrung mit Kindern, aber sie erinnerte sich gut daran, eins gewesen zu sein.

Die Wangen des Mädchens waren durch das Fieber leicht gerötet, aber ihr Blick wirkte wach und neugierig.

Felicity lächelte. “Du hast die Augen deines Vaters.”

Bree nickte und lächelte. “Seine Haare auch.” Sie zog an ihrer langen Mähne. “Aber das sieht man nicht, weil er sie nie so lang wachsen lässt.”

“Und du lächelst öfter als er, nicht?”

Bree nickte wieder. “Onkel Tyler sagt immer zu Daddy, er soll etwas fröhlicher sein und sich nicht so ernst nehmen.” Sie rollte mit den Augen. “Mein Bruder ist auch immer so ernst.”

“Dein Bruder, Jacob”, sagte Felicity mehr zu sich selbst.

“Ja, Ma'am, mein Zwillingsbruder.” Bree legte den Kopf schief. “Du sprichst irgendwie komisch.”

“Das kommt daher, weil ich aus New York bin”, erklärte Felicity.

“Du kannst ja nichts dafür, dass du nicht aus Texas bist”, sagte Bree mitfühlend. “Hier wird es dir bestimmt viel besser gefallen.”

Felicity lachte leise. “Wie kommst du darauf?”

“Texas ist der schönste Platz der Welt”, antwortete Bree entschieden. “Hier möchte jeder wohnen.” Sie fuhr mit der Hand über die Quiltdecke. “Nur meine Mum nicht. Die ist nach Kalifornien gezogen, weil sie zum Film will.” Als sie das Kinn hob, erinnerte sie Felicity erneut an Brock. “Daddy sagt, Jacob und ich seien viel lustiger als Filme.”

Die Mischung aus Stolz und Verletzlichkeit in Brees Blick berührte Felicity. Unwillkürlich dachte sie daran, wie oft ihre Mutter es vorgezogen hatte, auf eine Party zu gehen oder eine aufregende Reise zu machen, als Zeit mit ihr, ihrer Tochter, zu verbringen. War Brock ein Mann mit Charakter? Sie hatte gedacht, diese Spezies sei längst ausgestorben …

“Ich glaube auch, dass ihr beiden viel lustiger seid als Filme.”

“Daddy ist der liebste Mensch der Welt”, erklärte das Mädchen und schaute Felicity erneut forschend an. “Tante Martina sagt, alles, was er braucht, ist eine Frau, die ihn mal ein bisschen durcheinanderbringt. Aber hier auf der Ranch gibt es nicht viele Frauen. Willst du das nicht übernehmen?”

Felicity blinzelte erschrocken. Auf keinen Fall! dachte sie, bemühte sich aber, gelassen zu bleiben. “Darüber muss ich nachdenken. Aber jetzt könnte ich dir vielleicht erst mal etwas vorlesen.”

2. KAPITEL

“Eine andere Kuh auf der Nordweide ist auch bald so weit”, sagte Brock zu Chuck, der rechten Hand des Vormannes.

Tyler und Jacob warteten darauf, dass Addie das Essen auf den Tisch stellte.

“Morgen musst du …” Brock unterbrach sich, da ihm keiner zuhörte. Alle drei schienen etwas hinter ihm zu entdecken. “Hey, was ist …”

Felicity Chambeau stand in der Tür des Esszimmers. Sie trug ein Kleid aus rosa Kaschmir, das ihre Kurven betonte, und schaute fragend drein. “Sie sagten, Abendessen um sechs. Darf ich mich dazusetzen?”

Ihre elegante Erscheinung wirkte seltsam in dem schlichten Raum, der mit Eichenmöbeln aus drei Generationen ausgestattet war. Der Tisch, einst glänzend, war vom vielen Gebrauch ganz matt geworden. Und auch das rustikale Essgeschirr stand in deutlichem Gegensatz zu Felicitys Kaschmirkleid.

Chuck blickte sie mit großen Augen an, Tyler bot ihr seinen Arm. “Ja, bitte kommen Sie. Ich bin Tyler Logan, und Sie müssen Felicity Chambeau sein. Freut uns, Sie bei uns zu haben.”

Brock ärgerte sich über die galante Begrüßung seines Bruders. “Warum kniest du nicht gleich nieder und heulst ein bisschen”, knurrte er.

“Wenn er es nicht tut, mach ich das.” Chucks Blick ruhte noch immer auf Felicity.

Brock schnaubte verächtlich. “Man könnte denken, ihr habt noch nie eine Frau gesehen.”

“Ich habe lange keine mehr gesehen, die so toll aussieht wie sie”, gab Chuck zurück. “Nur weil du inzwischen desinteressiert und verbittert bist, müssen wir das ja nicht auch sein.” Er trat vor und hob grüßend die Hand. “Ich bin Chuck Granby. Freut mich, Sie kennenzulernen.”

Felicity lächelte die Männer an. Dann schaute sie zu dem kleinen Jungen, der ziemlich schüchtern wirkte. “Und du musst Jacob sein. Bree hat mir von dir erzählt. Sie sagte, du kannst schon beinahe ein Kalb mit einem Lasso fangen.”

Jacob stopfte die Hände in die Hosentaschen. “Das hat mein Dad mir beigebracht.”

Widerwillig erfreut über ihr Interesse an seinem Sohn, fuhr Brock Jacob durchs Haar. “Bree ist sehr gesprächig, wenn sie Gelegenheit dazu bekommt.”

“Ja, das ist sie wirklich.”

Brock konnte sich gut vorstellen, dass seine Tochter schon alle Familiengeheimnisse ausgeplaudert hatte. “Na, großartig.”

“Keine Sorge”, sagte Felicity, “sie macht richtig Werbung für die Familie Logan und den Staat Texas und ist fest entschlossen, mir den hiesigen Dialekt beizubringen.”

“Vielleicht können wir Sie ja zum Bleiben bewegen”, meinte Tyler grinsend, “wenn es Ihnen hier gefällt.”

“Na, großartig”, murmelte Brock erneut. Am liebsten hätte er Tyler erwürgt.

Die Haushälterin kam mit einer dampfenden Schüssel herein. “Wollt ihr alle nur rumstehn oder setzt ihr euch und esst?” Sie schaute Felicity an. “Sie müssen Miss Chambeau sein. Ich bin Addie und warne Sie gleich: Ich koche nichts Kompliziertes, wie Sie es wahrscheinlich aus New York gewohnt sind. Die Männer hier mögen am liebsten immer das Gleiche.”

Brock freute sich über Addies rauen Ton. Addie ließ sich nicht gleich von einer hübschen Frau in einem rosa Kleid einwickeln.

“Es riecht köstlich, Addie”, lobte Felicity.

“Kommen Sie”, sagte Tyler und führte Felicity an den Tisch.

Chuck hatte schon einen Stuhl hervorgezogen.

Felicity dankte und setzte sich zwischen die beiden Männer.

“Was führt Sie denn nach Texas?”, fragte Chuck, während Addie Kohleintopf auffüllte.

Felicity sah unsicher zu Brock. “Ich … äh …”

“Sie ist nur zu einem kurzen Besuch hier”, antwortete Brock. Es mussten ja nicht alle wissen, dass sie stille Teilhaberin der Ranch war. Am liebsten wäre es ihm gewesen, sie wüssten überhaupt nichts von ihrer Existenz!

“Sie ist stille Teilhaberin der Ranch”, verkündete Tyler.

Brock schaute finster zu seinem Bruder.

Tyler lächelte unschuldig.

“Stille Teilhaberin? Na, so was”, sagte Chuck erstaunt.

“Sehr still. So still, dass ich nicht mal den Unterschied zwischen einer Milchkuh und einem Stier kenne”, betonte Felicity, die Brocks Unbehagen spürte.

Dass diese Frau nicht unsensibel war, musste Brock immerhin anerkennen.

“Mein Urgroßvater hatte ein Abkommen mit Mr Logans Urgroßvater. Aber das Einzige, auf das ich hier noch ein Anrecht habe, ist, herzukommen und ein Bett zum Schlafen.”

“Stiller Teilhaber”, wiederholte Chuck und grinste von einem Ohr zum anderen. “Und dann noch so eine Bombe aus New York!”

Nun hör schon auf! dachte Brock wütend. Er räusperte sich. “Was machen Sie in New York?”

Felicity zögerte. “Nicht so viel, wie ich gern möchte, aber ich bemühe mich.”

“Wobei?”, wollte Tyler wissen.

Sie nahm einen Schluck Wasser. “Wenn ich es Ihnen erzähle, werden Sie darüber lachen, das tun sie in New York jedenfalls alle.”

Brock bemerkte, dass sie sich unbehaglich fühlte. “Ich lache nicht”, sagte er spontan.

Da sie ihm nicht zu trauen schien, schaute sie zu Chuck und Tyler. “Ich glaube, jeder von uns hat irgendeine Aufgabe. Wenn man sie gefunden hat und versucht, sie zu erfüllen, macht einen das glücklich, und dann wird die Welt dadurch vielleicht ein bisschen besser.”

Brock nickte. Er stimmte ihr zu, drückte es aber auf seine Weise aus. “Ein Mann muss das tun, wozu er bestimmt ist.”

Felicity verzog den Mund. “In diesem Fall eine Frau.”

“Nur keinen Streit”, murmelte Chuck.

“Ich bin in einer ungewöhnlichen Position”, fuhr Felicity fort. “Meine Familie hat eine lange Tradition darin, sehr erfolgreich zu investieren.”

“Dann sind Sie also reich?”, fragte Chuck unverblümt.

Tyler unterdrückte ein Lachen.

“Halt die Klappe, Chuck”, brummte Brock.

Chuck stopfte sich eine Gabel voll Fleisch in den Mund.

“Nun, da meine Eltern tot sind, muss ich einige Entscheidungen fällen”, sagte Felicity. Bei der Erwähnung ihrer Eltern huschte ein Schatten über ihr Gesicht. “Meine Familie war immer, was Wohltätigkeit betrifft, äußerst großzügig. Ich glaube, ich sollte noch einen Schritt weitergehen.”

“Und wie?”, fragte Tyler interessiert.

“Ich möchte einen beträchtlichen Teil meines Erbes für einen wohltätigen Zweck weggeben.”

Alle schauten Felicity an, als hätte sie Chinesisch gesprochen.

Brock unterdrückte einen Seufzer. Gott bewahre mich vor Frauen, die mehr Geld als Verstand haben, dachte er.

Felicity lächelte. “Na ja, Sie haben nicht gelacht, aber Sie schauen drein wie meine Finanzberater, als ich ihnen das erste Mal klarmachte, was ich vorhabe. Ich bin nicht verrückt, falls Sie das meinen.”

“Und wieso wollen Sie Ihr Geld nicht behalten?”, fragte Chuck.

“Weil es nichts anderes tut, als sich zu vermehren. Aber wofür? Man könnte doch etwas Sinnvolles damit tun.”

“Wenn Sie eine Verwendung brauchen”, sagte Tyler, “das Krankenhaus, in dem ich arbeite, benötigt dringend …”

“Tyler!”, unterbrach Brock ihn sofort.

“Wenn sie es spenden will, wir könnten doch …”

“Miss Chambeau ist Gast in unserem Haus”, sagte Brock ruhig, aber bestimmt. “Selbst wenn es um einen guten Zweck geht.”

Tyler seufzte ungeduldig, schwieg aber.

Chuck meinte: “So was habe ich noch nie gehört. Ihr Job ist es also, Geld wegzugeben. Wieso wollen Sie es nicht für Ihren Mann und Kinder aufbewahren?”

“Ich habe weder einen Mann noch Kinder.” Felicitys Stimme klang gepresst.

“Na ja, aber irgendein Glücklicher wird Ihnen doch eines Tages den Ring an den Finger stecken …”

Felicity schüttelte den Kopf. “Ich werde nicht heiraten. Bislang interessierten sich Männer nur wegen meines Geldes für mich. Sobald ich die Hälfte davon weggebe, wird sich das hoffentlich ändern.”

Die Hälfte ihres Vermögens! Ihre Bemerkung wirkte wie eine erneute Bombe. Brock schaute Felicity schweigend an. Diese Frau wusste doch sicher, dass sie mehr zu bieten hatte als eine Reihe verstorbener Industriekapitäne in der Familie.

Tyler räusperte sich. “Vielleicht treffen Sie mal jemanden, der Sie eines Besseren belehrt”, sagte er mit charmantem Lächeln.

Felicity schien seinen Flirtversuch zu übersehen. Sie schüttelte erneut den Kopf.

Chuck runzelte die Stirn. “Aber ich verstehe noch immer nicht, wieso Sie hier sind.”

“Miss Chambeau ist hier, um mal von der Stadt wegzukommen und über alles nachzudenken, ohne gleich mit tausend Fragen bombardiert zu werden”, erklärte Brock an ihrer Stelle. Diese Frau brauchte offenbar jemanden, der für sie eintrat. Er hatte allerdings kein Interesse an dem Job. Aber solange sie in seinem Haus war, sollte auch keiner sie belästigen. Ihre Anwälte betrachteten sie offenbar als Problem und hatten sie hergeschickt, damit sie die Idee, ihr Geld zu verschleudern, aufgab. Jetzt war sie also hier, und somit war sie sein Problem.

“Falls Sie nach dem Essen einen Rundgang auf der Ranch machen wollen, könnte ich Sie …”

“Auf der Nordweide ist eine Kuh kurz vorm Kalben”, unterbrach Brock Chuck.

“Ich dachte, du würdest dich darum kümmern.”

“Ich gehe später am Abend dorthin. Wenn Miss Chambeau die Ranch sehen möchte, werde ich das übernehmen, sie ihr zu zeigen.”

“Das wäre sehr nett”, sagte Felicity, “ich war heute noch gar nicht draußen.”

Für den Rest der Mahlzeit übernahm Tyler die Unterhaltung und erzählte eine lustige Geschichte von einem seiner jungen Patienten. Sie sprachen auch über Brees Erkrankung. Brock fiel auf, dass Felicity nicht nur ausgezeichnete Manieren hatte, sondern erstaunlicherweise auch viel Mitgefühl für andere. Sie schenkte ihrem Gesprächspartner ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und ihr Lächeln war sehr warm. Sie war eine angenehme Gesellschaft. Das wird sicher bald ganz Texas wissen, dachte er und biss sich auf die Lippen.

Brock bemerkte, dass sein Sohn Felicity die ganze Zeit still beobachtete. Ob Jacob seine Mutter wohl vermisst? überlegte er besorgt. Bei Bree war das kein Problem, sie äußerte ihre Bedürfnisse immer klar und deutlich. Aber Jacob war da viel verschlossener.

Als Addie als Dessert Kirschgrütze servierte, schaute Felicity zu Jacob. “Der Eintopf war so gut, dass ich höchstens ein bisschen naschen kann. Jacob, meinst du, du könntest mir bei der Kirschgrütze helfen?”

Jacob nickte eifrig. “Ja, Ma'am.”

Brock fluchte innerlich. Sein Bruder machte Felicity den Hof, Chuck lief bei ihrem Anblick das Wasser im Mund zusammen, und selbst sein Sohn war nicht immun gegen den Charme dieser Frau. Wenn er, Brock, nicht aufpasste, würde Felicity Chambeau auf der Ranch noch ein richtiges Chaos anrichten!

Nachdem er noch einmal nach Bree geschaut hatte, ging Brock nach draußen in die kühle Abendluft. Felicity folgte ihm. Sie hatte gern zugestimmt, als er erst einmal einen kleinen Spaziergang vorschlug statt einer ausgedehnten Besichtigungstour. Langsam gingen sie am Weidezaun entlang. Der Himmel war wolkenlos und voller Sterne.

“Hier ist es so ruhig, dass man die Stille beinahe körperlich spürt”, sagte Felicity erstaunt.

“Sie sind nur nicht daran gewöhnt”, erwiderte Brock. “Aber wenn Sie richtig hinhören, werden Sie das Rascheln der Blätter in den Bäumen bemerken oder Vogelgezwitscher und das Muhen von Kühen in der Ferne.”

Felicity blieb stehen und schloss die Augen. Tatsächlich: Sie hörte es rascheln. Es war ein feines melodisches Geräusch, das ihr auf einmal Lust machte, Klavier zu spielen.

“Pflegen Sie öfter zu erzählen, dass Sie vorhaben, die Hälfte Ihres Vermögens wegzugeben?”, fragte Brock und spielte auf das Gespräch beim Abendessen an.

Felicity schaute ihn an. Sein Blick machte sie nervös, aber sie hielt ihm stand. Außerdem hatte es sie erleichtert, von ihren finanziellen Plänen zu sprechen. Auch wenn ihre Eltern sich deswegen im Grab umdrehen würden.

“Ich dachte, Sie würden darüber lachen oder mich zumindest für verrückt halten”, antwortete sie.

“Ich frage mich nur, ob Ihr Plan der Grund ist, warum Ihre Anwälte Sie hierhergeschickt haben.”

Felicity seufzte und berührte den Holzzaun, der sich rau anfühlte. “Ja, sie hoffen, dass ich meine Meinung noch ändere.”

“Wenn Sie jedem, den Sie treffen, davon erzählen, werden viele versuchen, Sie zu übervorteilen. Ihre Anwälte wollen Sie vermutlich davor schützen.”

“Die sind selbst nur geldgierig. Sie finden die Idee erschreckend und hoffen, dass ich sie verwerfe. Meine Anwälte wollen mich bestimmt nicht schützen”, betonte Felicity.

“Wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie niemals heiraten werden? Schließlich sind Sie ja nicht hässlich.”

Soll das ein Kompliment sein? fragte sie sich und entschied sich dann dagegen. Komplimente passten nicht zu diesem harten Mann. “Dass Sie mir nicht schmeicheln, ist erfrischend. Ich trage Kontaktlinsen statt einer Brille, gehe ins Fitness-Studio, um in Form zu bleiben, und im Kosmetikstudio hat man mir ein paar Schminktricks beigebracht. Eine ernsthafte Beziehung würde voraussetzen, dass mich jemand wegen meiner inneren Werte mag. Die Chambeaus sind aber schon immer mehr für ihr Vermögen als für ihre inneren Werte berühmt gewesen. Ich möchte aber nie eine solche Ehe wie meine Eltern führen. Da ich allerdings nicht weiß, ob ich es besser hinbekommen würde, halte ich es für klüger, es lieber gar nicht erst zu versuchen, sondern mich und die Welt zu verbessern.”

Weil Brock sie noch düsterer ansah, fügte sie hinzu: “Das habe ich wohl eher zu mir selbst als zu Ihnen gesagt. Sie sind eigentlich nur ein Zufallspassant, der meine Lektion gehört hat. Tut mir leid.”

“Sie klangen ein bisschen wie Tyler, als er mal darüber nachdachte, ob er nicht lieber Psychiater werden sollte. Zum Glück dauerte diese Phase nicht lange.”

Felicity lachte. “Sich zu viel mit sich selbst zu beschäftigen …”

“Ist Zeitverschwendung und deprimierend”, beendete Brock den Satz. “Nicht nur das. Es verursacht Verdauungsbeschwerden. Sie sollten sich eine Arbeit suchen oder heiraten. Dann werden Sie sich besser fühlen.”

“Nein, heiraten werde ich nicht. Und das Einzige, was ich kann, ist Schecks für Anwälte, Finanzberater und Wohltätigkeitsorganisationen auszustellen.”

Brock nickte grimmig. “Es wäre mir lieb, wenn Sie, solange Sie hier sind, nicht jedem, den Sie treffen, davon erzählen, dass Sie Ihr halbes Vermögen weggeben wollen. Wir sind auf der Ranch nicht auf einen Massenandrang eingerichtet, besonders nicht während der Kälbersaison.”

“Sie halten mich für verrückt, geben Sie es doch zu!”

“Sie halten Ihre Erbschaft nicht in Ehren …”

“Ich habe keine Erbschaft in Ehren zu halten”, sagte sie fest. “Ich lehne ein Leben wie das meiner Eltern ab. Sie wohnten getrennt und empfanden mich als Enttäuschung. Ich war ein ungeschicktes, schüchternes kleines Mädchen mit schiefen Zähnen, las viel und spielte Klavier. Aber nicht gut genug, um eine gefeierte Pianistin zu werden.” Sie straffte die Schultern. “Wenn ich die Hälfte meines Vermögens weggebe, habe ich wenigstens etwas Sinnvolles damit gemacht.”

Brock strich sich über den Nasenrücken, als müsste er schrecklich überlegen. “Eigentlich wollte ich Sie das gar nicht fragen, aber … wieso sind Sie wirklich hier?”

“Ich sagte es Ihnen doch schon, meine Anwälte …”

“Wieso haben die Sie ausgerechnet zu mir geschickt?”

“Nicht direkt zu Ihnen.” Obgleich er, so wie er gebaut war, wohl mit jeder Schwierigkeit umgehen konnte. “Weil ich einen Finanzberater angeheuert hatte, der mir helfen sollte, eine Stiftung zu gründen.”

“Douglas?”

“Ja, Douglas.” Erneut packte Felicity der Zorn. “Er arbeitete früher für eine der Firmen meines Vaters. Ich traf ihn bei einem gesellschaftlichen Anlass, und er erzählte mir, er habe sich selbstständig gemacht. Er rief einige Male an und schien wirklich daran interessiert zu sein, mir bei dem Aufbau der Stiftung zu helfen. Aber vor drei Wochen nahm er das ganze Stiftungsgeld und verschwand damit nach Südamerika. Meine Anwälte misstrauen meinen Fähigkeiten. Ich mir im Augenblick auch. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Jemanden, der nicht an mir interessiert ist, einen Menschen mit Charakter.”

“Und wenn Sie Ihr Geld los sind, was dann?”

Felicity zuckte die Achseln. Sie hatte nur eine vage Vorstellung von ihrer Zukunft. “Keine Ahnung. Ich gehe in ein Kloster oder kaufe mir eine Hütte an der Küste von Maine, schaff mir drei Katzen an und lese. Das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich diese Stiftung gründe.”

“Mit der Figur wird man Sie nicht ins Kloster lassen”, bemerkte Brock leise.

Felicitys Herz machte einen Satz, aber sie war bestrebt, das zu ignorieren. “Maine wäre schön. Würden Sie mir vielleicht helfen?”

“Sie haben mich doch gerade erst kennengelernt, wie können Sie mir da trauen?”

“Aus verschiedenen Gründen. Reiner Instinkt.” Nichts Romantisches natürlich, fügte sie in Gedanken hinzu. Aber dieser Brock Logan flößte ihr trotz seiner mürrischen, um nicht zu sagen, barschen Art irgendwie Vertrauen ein. “Sie wirken solide und verantwortungsbewusst und machen den Eindruck, als wüssten Sie genau, was Sie wollten, und würden niemals davon abrücken. Außerdem hat Ihre Tochter Sie heiß empfohlen. Und Sie haben sich an die Abmachung unserer Urgroßväter gehalten, indem Sie mich in Ihr Haus aufnahmen. Es gibt auch noch andere Gründe.”

“Welche?”, fragte Brock skeptisch.

“Es passt Ihnen nicht, dass ich hier bin.” Felicity gab sich einen Ruck. “Kurzum: Sie mögen mich nicht besonders.”

Der Himmel bewahre mich vor Frauen, dachte Brock. “Ich sagte nur, dass Sie nicht hässlich sind”, erinnerte er sie.

“Zwischen 'nicht hässlich' und 'attraktiv' ist ein großer Unterschied”, erwiderte Felicity mit einem Mona-Lisa-Lächeln.

Fröstelnd schlang sie die Arme um sich, und Brock konnte nicht umhin zu sehen, dass ihre Brustspitzen sich unter dem Kaschmir abzeichneten. Sofort stellte er sich ihre Brüste nackt vor: elfenbeinfarben, prall und fest mit himbeerroten Spitzen. Sie würden sich wunderbar anfühlen in seinen Händen, und es müsste himmlisch sein, die Knospen in den Mund zu nehmen …

Aber der Preis dafür wäre die Hölle, sagte er sich, als ihm einfiel, dass Felicity ein weiblicher Krösus war.

“Ich glaube, Sie sind ein anständiger Mann”, fuhr sie fort, ihn einzuschätzen. “Ich dachte, Ehrenhaftigkeit wäre bei Männern eine verschollene Tugend, aber ich glaube, Sie besitzen sie und könnten mir helfen.”

Brock seufzte. Über Ehrenhaftigkeit dachte er selten nach. Er bemühte sich nur, stets das Richtige zu tun. “Was wollen Sie von mir? Ich bin kein Anwalt.”

“Sie könnten mir dabei helfen, jemanden zu finden, dem ich die Verwaltung der Stiftung anvertrauen könnte. Sie kann man vermutlich nicht so leicht übers Ohr hauen. Im Gegensatz zu mir – leider.”

Brock konnte sich mit diesem Vorschlag nicht so recht anfreunden. “Wie alt sind Sie eigentlich?”

“Vierundzwanzig, wieso?”

“Ich würde mich bei dieser Sache weitaus besser fühlen, wenn Sie sechzig wären, also mehr Lebenserfahrung hätten.”

“Vielleicht könnte ich so tun als ob”, schlug Felicity lächelnd vor.

Er musterte sie und schüttelte den Kopf. “Unwahrscheinlich. Sie sind weder verheiratet, noch haben Sie Kinder. Das würde Ihnen den Eindruck von einer gewissen Reife verleihen.”

“Ich sagte Ihnen ja schon, Ehe und Kinder sind nichts für mich.”

“Sie könnten Ihre Meinung ändern.”

“Nein, das ist nicht meine Bestimmung. Mein Ziel ist es, etwas anderes zu tun”, erwiderte Felicity ernst. “Ich bin noch ziemlich jung, unverheiratet und habe nicht viel Lebenserfahrung, aber ich weiß, wann jemand etwas braucht. Da möchte ich ansetzen. Ist es denn so schlimm, dass ich versuchen möchte, einigen Menschen das Leben zu erleichtern? Ist es verwerflich, dass ich mein Vermögen nicht horten will? Dass ich es mit anderen teilen möchte?”

Ihr Engagement rührte Brock. Für jemanden wie Felicity Chambeau waren Anteilnahme und Fürsorge erstaunlich. Er war hin- und hergerissen. Einerseits fand er ihre Idee absurd, andererseits faszinierend. “Also gut, nehmen wir mal an, ich helfe Ihnen, Ihr Geld zu verteilen. Was machen Sie danach?”

“Keine Ahnung, das ist auch nicht so wichtig.”

“Dem stimme ich nicht zu. Das Ganze ist eine unheimlich wichtige Entscheidung, mit der Sie den Rest Ihres Lebens klarkommen müssen. Und ich müsste damit klarkommen, Ihnen bei dieser verschwenderischen Großzügigkeit geholfen zu haben.”

“Aber …”

“Nichts aber. Ich möchte, dass Sie einige Wochen lang darüber nachdenken und mir dann sagen, was Sie für sich selbst entschieden haben, wie Sie Ihr Leben danach führen wollen. Dann sehen wir weiter.”

Aber Felicity wollte nicht warten, sie brannte darauf, endlich loszulegen. Seitdem Doug mit dem Geld verschwunden war, hatte sie das Gefühl, zehn Schritte zurück gemacht zu haben.

“Man nennt das seine Möglichkeiten abwägen”, fuhr Brock fort. “Ich kann mir vorstellen, dass Sie das als Umweg betrachten, aber wenn Sie meine Integrität, meine Ehrenhaftigkeit und meine Hilfe wollen, müssen Sie auch auf mich hören. Ich habe nämlich das dumme Gefühl, dass ich, wenn ich bei unserem gemeinsamen Weg die Zügel nicht anziehe, im Graben landen werde.”

Brock spürte, dass Felicity etwas dagegen einwenden wollte, aber dann verkniff sie es sich klugerweise.

3. KAPITEL

Nachdem er Felicity ins Haus zurückbegleitet hatte, setzte Brock sich in seinen Wagen, um trotz der späten Stunde noch einmal nach der trächtigen Kuh zu sehen. Sie hatte noch nie gekalbt, und es würde wohl morgen oder übermorgen passieren. Einer der Bullen von der Nachbarranch war durch den Grenzfluss gewatet, auf ihr Gebiet gedrungen und hatte sich mit den Logan-Kühen vergnügt. Die Sache war so und zu diesem Zeitpunkt nicht geplant gewesen, und da Kühe nicht gerade die intelligentesten Tiere waren, könnte es durchaus vorkommen, dass die Kälber nach der Geburt ins eisige Wasser fielen.

Und nachdem Felicity ihn so durcheinandergebracht hatte, brauchte Brock auch ein bisschen Zeit für sich, um den Kopf wieder klar zu bekommen.

Als er dann auf der Nordweide stand und in den Sternenhimmel schaute, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Kuh an diesem Tag nicht mehr kalben würde, wurde ihm einmal mehr bewusst, dass er hier in diesem weiten Land genau dort war, wo er hingehörte. Felicity kannte dieses Gefühl vermutlich gar nicht.

Später fuhr er zum Haus zurück. Er knipste das Licht aus und verschloss die Türen. Seit dem Tod seines Vaters war es immer seine Aufgabe gewesen, abends abzuschließen.

Er stieg nach oben, spähte ins Zimmer der Kinder und ging dann in sein eigenes.

Nachdem er geduscht hatte, stand er noch nackt im Dunkeln in seinem Schlafzimmer. Brock schloss immer systematisch alle Türen ab, um seine Familie zu schützen. In den vergangenen Jahren hatte er aber in gewisser Weise auch sich selbst verschlossen, um nichts fühlen zu müssen. Er wollte nie wieder von einer Frau gefühlsmäßig abhängig sein. Beinahe hatte er schon selbst geglaubt, keinerlei Bedürfnisse mehr hinsichtlich einer Frau zu haben.

Aber nun musste er an Felicitys Augen denken und an die Beharrlichkeit, mit der sie ihren Plan verfolgte, und – was ziemlich irritierend für ihn war – an ihr Vertrauen in seinen Charakter, in seine Anständigkeit.

Er dachte an den feinen Parfümduft, der von ihr ausging, und an ihre wundervollen Kurven. Anständig war er, das stimmte, aber dass diese Frau glaubte, er fände sie nicht attraktiv, war ein schwerer Irrtum ihrerseits!

Obgleich er sie nicht einmal berührt hatte, erregte ihn der bloße Gedanke an sie, und er stellte sich vor, wie er sie nehmen würde, immer wieder … und wie sie sich ihm voller Leidenschaft immer wieder hingäbe.

Er schloss die Augen und versuchte, seine erotischen Fantasien zu verdrängen. Es würde nichts stattfinden zwischen ihnen. So wie Felicity offenbar beschlossen hatte, wegen ihres Wohlstands keine Beziehung mehr einzugehen, würde er nie wieder riskieren, eine Frau zu lieben. Sonst würde ihn erneut der Logan-Fluch treffen, denn die Logans hatten nun einmal kein Glück in der Liebe.

“Ich langweile mich”, klagte Bree am nächsten Morgen, nachdem Felicity ihr das dritte Buch vorgelesen hatte.

Das kleine Mädchen warf voller Ungeduld den Kopf auf dem Kissen hin und her. Aber sich mit Bree zu beschäftigen war für Felicity immer noch weitaus leichter, als eine persönliche Lebensplanung zu machen.

Brock Logan war ehrlich, anständig – und unmöglich. Sie mochte nicht an die Aufgabe denken, die er ihr gestellt hatte.

“Dann geht es dir anscheinend schon besser”, sagte Felicity und überlegte, wie sie Brocks Tochter nun unterhalten könnte. Sie erinnerte sich an ihre eigene Kindheit und lächelte. “Aber um sicherzugehen, werde ich Marybels Heilkur anwenden.”

“Wer ist Marybel?” Bree schaute sie neugierig an.

“Das war mein Lieblingskindermädchen”, erzählte Felicity und dache zärtlich an die einzige Person in ihrem Leben, die ihr das Gefühl gegeben hatte, geliebt zu werden. Marybel hatte ihr applaudiert, als sie noch ziemlich ungeschickt auf dem Klavier spielte, und hatte sie auch dann hübsch gefunden, wenn sie Zöpfe und eine Brille trug. Als sie ins Internat geschickt worden war, war Marybel entlassen worden. Sie hatte sie sehr vermisst.

“Was für eine Heilkur war das?”, wollte Bree wissen.

“Warte mal.”

“Texaner sagen: Halt mal solange die Pferde fest”, erklärte Bree. “Das musst du dir merken.”

Felicity lachte über den Versuch der Kleinen, aus ihr eine Texanerin zu machen. “Also gut: Halt mal solange die Pferde oder Kühe fest.”

“Rinder”, verbesserte Bree.

“Genau.” Felicity ging in ihr Zimmer und holte fünf Flaschen Nagellack aus ihrem Kosmetikkoffer. Dann kam sie zurück und stellte sie in einer Reihe auf Brees Nachttisch. “Wähle eine aus.”

Bree setzte sich auf und schaute begeistert auf die verschiedenen Farben. “Das ist die Kur?”

“Eher eine Maniküre oder wie Marybel zu sagen pflegte: eine Kur gegen etwas, das einen plagt.”

“Das hab ich noch nie gehört.” Bree schaute so skeptisch drein wie ihr Vater.

“Dann wird es Zeit. Ob man seelischen Kummer hat oder einem sonst etwas wehtut, das ist egal, die Kur hilft dagegen.” Felicity fiel ihr jüngstes Desaster mit Doug ein. “Wenn ein Mann das Problem ist, braucht man einen ganzen Tag für die Kur. Also, Schätzchen, such dir eine Farbe aus”, forderte sie Bree auf.

“Nur eine?”

Felicity musste daran denken, dass vor allem der Spaß am Spiel ihr damals geholfen hatte. “Nein, du kannst alle fünf nehmen, wenn du willst.”

Bree lächelte. “Ja, das möchte ich gern.”

Felicity schaffte es, mit den verschiedenen Farbnuancen einen Regenbogen auf Brees Finger- und Fußnägel zu lackieren. Als sie damit fertig war, strahlte die Kleine. “Toll! Ich kann es kaum erwarten, es Dad zu zeigen.”

Felicity lachte leise. “Ich auch nicht.”

“Hast du dir schon überlegt, ob du ihn nicht ein bisschen durcheinanderbringen kannst?”, fragte Bree.

“Oh, ich glaube, wir bringen uns schon gegenseitig durcheinander. Ich habe deinen Vater gebeten, mir bei einer bestimmten Sache zu helfen. Aber dafür muss ich erst etwas anderes tun.”

“Das macht er immer so”, erklärte Bree. “Wenn ich ihn bitte, mir bei meinen Hausaufgaben zu helfen, muss ich es immer erst allein probieren. Musst du auch Hausaufgaben machen?”

“Sozusagen. Ich glaube, ich brauche dazu fachliche Unterstützung. Kennst du hier in der Nähe ein Buchgeschäft?”

“In der Stadt ist eins”, sagte Bree, die ihre Fingernägel bewunderte und mit den Zehen wackelte, als Felicity darauf pustete, damit sie trockneten.

“Und wie kommt man da hin?”

“Mit Daddy oder mit Addie. Oder mit einem der Cowboys, die oft in die Stadt fahren, um etwas zu besorgen.”

“Na gut.” Felicity sah, dass Bree zum dritten Mal gähnte. “Zeit für dich, dich auszuruhen. Du kannst die Füße jetzt ruhig unter die Decke legen. Die Nägel sind inzwischen bestimmt schon trocken.”

Bree widersprach nicht, was erst recht bewies, dass sie müde war. “Und was machst du heute Nachmittag?”

“Das weiß ich noch nicht. Vielleicht gehe ich ein bisschen nach draußen. Addie ist ja da, falls du etwas brauchst.” Felicity deckte das Mädchen zu und strich ihm die Haare aus dem Gesicht.

Merkwürdig, dachte sie, dass ihre Mutter Bree und Jacob verlassen hat. Sie, Felicity, würde zwar nie eine Mutter für Bree sein, aber sie erinnerte sich gut an all das, wonach sie sich als Kind gesehnt hatte. Vielleicht könnte sie das der Kleinen eine Zeit lang geben.

Sie küsste Bree auf die Stirn. “Schlaf ein bisschen, damit die Kur wirkt.”

Bree seufzte. Dann überraschte sie Felicity damit, dass sie ihr auch einen Kuss gab. “Du kommst doch heute Nachmittag wieder, ja?”, fragte sie.

“Na klar.”

Brock schaute auf seine Armbanduhr und schob kurz den Hut zurück, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Seit dem frühen Morgen war er ohne Pause unterwegs. Ein kaputter Zaun hatte ihm scharfe Worte seiner langjährigen Nachbarn, der Coltranes, eingebracht, da diesmal einige seiner Rinder auf Coltranes Gebiet gedrungen waren.

Ray, der neue Cowboy, müsste gleich aus der Stadt zurück sein mit einigen tierärztlichen Utensilien. Da erspähte er auch schon den Pick-up, der den Weg herunterkam.

Ray drosselte kaum das Tempo, als er vorbeifuhr. “Bin gleich zurück!”

Vom Beifahrersitz aus winkte Felicity.

In Brock stieg Zorn auf. Er hatte ihr doch extra gesagt, sie möge sich vom Männerquartier fernhalten! Er hatte ja auf Anhieb gewusst, dass es mit dieser Frau noch Probleme geben würde.

Ray parkte, stieg aus und begann abzuladen, während Felicity im Haus verschwand. “Mr Logan, ich hab die Sachen.”

Brock biss sich auf die Lippen, um seinen Ärger zu unterdrücken. “Was wollte Miss Chambeau denn?”

“Sie meinen Flip?”, erwiderte Ray. “Die wollte zum Buchladen mitgenommen werden.”

“Flip?”, wiederholte Brock.

“Ja, so hat eins ihrer Kindermädchen sie immer genannt. Nette Frau. Wenn sie mal wieder irgendwo hin will oder so, mach ich das gern für sie.” Ray grinste.

Brock kochte vor Wut. “Es ist nicht deine Aufgabe, Miss Chambeau irgendwohin zu kutschieren. Falls du es noch nicht weißt: Wir stehen am Beginn der Kälbersaison, da wirst du genug zu tun haben.”

Ray sah ihn erschrocken an. “Hey, ich hab das nur angeboten. Da sie immer in der Stadt gelebt hat, hat die Lady keinen Führerschein. Darum bat sie mich heute, sie mitzunehmen. Ich hab sie nicht angerührt! Obgleich ich nichts dagegen hätte. Sie ist eine verdammt attraktive …”

“Mach du nur deinen Job, Ray”, unterbrach Brock ihn und trug eine der Tüten zum Haus.

Ray wollte noch etwas entgegnen, überlegte es sich dann aber anders und schwieg.

Nach dem Abladen fuhr Brock zur Nordweide. Mit Felicity würde er später reden.

Als Brock Stunden später nach Hause kam, hörte er Klaviermusik. Melancholie erfasste ihn. Auf dem Steinway-Flügel hatte etwa zwanzig Jahre lang niemand mehr gespielt, seit der Geburt seiner Schwester Martina – und dem Tod seiner Mutter.

Diejenige, die jetzt so flink die Elfenbeintasten bearbeitete, wusste eindeutig, wie man richtig spielte. Das konnte nur Felicity Chambeau sein. Brock seufzte. Er ging zum Musikzimmer, das immer das Reich seiner Mutter gewesen war.

Vor dem Eintreten zögerte er. Dieses Zimmer wurde kaum noch benutzt. Mitten in der Melodie hielt Felicity inne, denn ein Ton klang verstimmt.

“Klingt ja scheußlich!”, schimpfte sie leise und fuhr fort.

Als Brock das Zimmer betrat, blieb er überrascht stehen. Die schweren Vorhänge, die sonst vor den Fenstern hingen, lagen in einem Haufen am Boden, die Messingstangen daneben. In der späten Abendsonne bemerkte man den vielen Staub in der Luft.

Felicity saß, mit dem Rücken zu ihm, in einer hellgrauen Seidenbluse und einem langen schwarzen Rock sehr aufrecht auf der Klavierbank, den Fuß aufs Pedal gedrückt. Ihre Finger, die über die Tasten flogen, waren rot lackiert – was Brock besonders sexy und weiblich fand. Während sie eine fröhliche Melodie spielte, musterte er sie von oben bis unten. Die Königin des Chaos', dachte er.

Als wieder ein falscher Ton erklang, murrte Felicity erneut und spielte etwas lauter. Sie beendete das Stück, dann hörte sie auf zu spielen.

“Der Flügel ist seit zwanzig Jahren nicht gestimmt worden”, sagte Brock entschuldigend.

Felicity drehte sich zu ihm um. “Länger ist es nicht her? Ich hätte gedacht, es müssten mindestens hundert Jahre sein.”

“Mein Vater hat den Flügel für meine Mutter gekauft, sie hat viel darauf gespielt. Aber sie starb bei der Geburt meiner Schwester.”

Felicity blickte Brock betroffen an. “Oh, wie traurig.” Sie schaute sich um. “Habe ich hier ihr Heiligtum entweiht?”

“Ja”, antwortete Brock schlicht.

“Aber es scheint Sie nicht wirklich zu stören.”

“Nein, aber mich stört etwas anderes. Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollten sich vom Männerquartier fernhalten.”

“Das habe ich auch getan. Ich habe mir nur den Hof angesehen.”

Brock zog eine Braue hoch. “Das ist Wortklauberei.”

“Darf ich auch nicht auf dem Hof herumgehen?”

“Nein”, sagte er mürrisch.

“Ich wollte nicht Addie bitten, mich in die Stadt mitzunehmen, da Sie mir ausdrücklich sagten, ich solle sie nicht behelligen. Bree hatte mir erzählt, dass einer der Cowboys regelmäßig in den Ort fährt. So bat ich den, mich mitzunehmen.”

“Ich möchte nicht, dass Sie die Männer nervös machen”, erklärte Brock.

“Ich habe Ray nicht nervös gemacht”, sagte Felicity ungeduldig. “Er hat mich beim Buchladen abgesetzt, während er zum Futtermittelgeschäft fuhr.”

“Sie haben ihn sehr wohl nervös gemacht”, klärte Brock sie auf. “Er deutete mir gegenüber nämlich unmissverständlich an, dass er gern weit mehr mit Ihnen machen würde, als Sie nur in die Stadt mitzunehmen.”

Felicity machte eine wegwerfende Handbewegung. “Das hat doch gar nichts zu bedeuten.”

“Das nächste Mal, wenn Sie in die Stadt wollen, fahren Sie entweder mit Addie oder mit mir”, ordnete Brock an.

Felicity erhob sich von der Klavierbank. “Bei allem Respekt, ich glaube, Sie übertreiben etwas. Schließlich habe ich mich nicht oben ohne auf dem Dach gesonnt.”

Der Gedanke an ihre nackten Brüste war wie ein erneuter Schock an einem Tag, an dem Brock sich ohnehin schon so fühlte, als müsste er ein Wildpferd einreiten. “Sie haben wohl vergessen, dass Sie nur stille Teilhaberin sind.”

“Ja, und zwar seitdem Sie vergessen haben, Ihren Verstand zu benutzen. Ehrlich, Brock, Sie haben mir einen Vorschlag gemacht. Wie soll ich dem wohl folgen, wenn ich nicht mal vor die Tür gehen darf?” Felicity nahm zwei Bücher vom Flügel und las die Titel vor. “'Selbsteinschätzung und Talent' und 'Wie bekomme ich einen Job, der mir liegt?'. Ich habe sie überflogen und gedacht, dass ich vielleicht einen Job in einer Bar bekommen könnte. Immerhin spiele ich Klavier und weiß, wie man Cocktails mixt.”

“Ich könnte mir vorstellen, dass Sie auch noch für andere Dinge Talent haben”, sagte Brock. Unglücklicherweise zeigten die Talente, die ihm bei ihr einfielen, Felicity nackt und in seinem Bett. Er fluchte innerlich.

“Ich verstehe nicht, wieso Sie so darauf bestehen, dass ich meine Zukunft plane. Ihnen gefällt doch die Idee, mein Vermögen für einen guten Zweck zur Verfügung zu stellen, das spüre ich einfach.”

Es war nicht das erste Mal, dass Brock sich wünschte, Felicity wäre nicht so intuitiv. “Damit würden Sie nur einen Teil des Problems lösen. Sie fühlen sich nutzlos und glauben, der Verzicht auf die Hälfte Ihres Vermögens würde Ihnen Erfüllung bringen. Das würde aber mehr beinhalten, als das Geld einfach nur zu verteilen. Vielleicht sollten Sie sich selbst um die Gründung der Stiftung kümmern.”

“Ach, da gibt es so viele Gesetze und Vorschriften.” Felicity stöhnte.

Brock trat zu ihr und schob ihr eine Locke aus der Stirn. “Benutzen Sie doch das, was sich unter diesem schönen blonden Haar befindet – Ihren Kopf.”

Ihre Blicke trafen sich, und Brock hatte das Gefühl, das ihn weit mehr traf als nur das Funkeln in Felicitys Augen. Ihm war, als sei der Ritt auf einem Wildpferd nichts dagegen. Und eine Sekunde lang glaubte er, dass es ihr genauso erging.

Felicity schluckte. “Das schöne blonde Haar stammt aus der Tube.”

Brock überlegte, wieso sie ihre Vorzüge eigentlich immer herunterspielte. “Kann ja sein”, meinte er und fuhr mit dem Daumen über ihre Wange, “aber du hast eine Menge, das nicht aus der Tube kommt, Mädchen.”

“Wenn du nicht aufpasst, könntest du mir den falschen Eindruck vermitteln, du fändest mich anziehend.” Ebenso selbstverständlich wie Brock ging auch Felicity zum Du über.

Er starrte auf ihre Lippen. “Ich hab nur gesagt, du seist nicht hässlich”, murmelte er und strich sanft über ihren Mund.

Felicity seufzte leise “Bitte küss mich nicht.”

“Wieso nicht?” Seine Hand glitt an ihrem Hals hinunter.

“Weil du ein ehrenwerter Mann bist.”

Oh, das nun wieder! “Wenn ich ein ehrenwerter Mann bin, kann ich dich nicht in dem Glauben lassen, du seist nicht attraktiv.”

“Natürlich kannst du das!”

Brock schüttelte den Kopf und beugte sich vor.

“Vergiss nicht, du magst mich gar nicht”, sagte Felicity nervös. Sie fühlte sich auf einmal wie gefangen, obgleich Brock sie gar nicht mehr berührte. “Du willst mich nicht hier haben, weißt du noch? Hältst mich für einen Störenfried. Du solltest es wirklich nicht tun. Außerdem”, erklärte sie schnell, “möchte Bree, dass du zu ihr kommst.”

Bei der Erwähnung seiner Tochter hielt Brock inne. “Geht es ihr schlechter?”

Felicity atmete tief durch und trat zurück. “Nein, es geht ihr besser, aber sie möchte, dass du sie besuchst.” Sie räusperte sich. “Sie möchte dir etwas zeigen.”

“Wieso, was denn?”

Felicity lächelte. “Ich habe ihr versprochen, es nicht zu verraten.”

Oh, oh, dachte Brock. “Na gut, dann werd ich mal zu ihr gehen.”

Auf dem Weg zur Tür spürte er Felicitys Blick im Rücken. “Sagst du deiner Tochter manchmal auch, wie hübsch und klug sie ist?”, fragte sie plötzlich.

Brock drehte sich um. “Ich sage ihr immer, dass sie die hübscheste, intelligenteste und beste Tochter ist, die man sich wünschen kann. Denn genau das ist sie.”

“Sehr gut”, meinte Felicity sanft.

In ihren Augen stand ein verträumter Ausdruck. Einen kurzen Moment lang stellte Brock sie sich als kleines Mädchen vor, das sich danach sehnte zu hören, wie hübsch oder wie klug es sei. Das schien man ihr selten gesagt zu haben. Irgendwie stimmte ihn das traurig und weckte den Wunsch in ihm, sie zu beschützen. Aber gleichzeitig begehrte er sie. Was einmal mehr bewies, dass er recht gehabt hatte damit, dass diese Frau ihm nur Chaos bescheren würde.

Er gab ihr noch eine Warnung mit auf den Weg. “Felicity, einem Logan zu sagen, er könne etwas nicht, ist übrigens eine dringende Einladung an ihn, das Gegenteil zu beweisen. Das solltest du wissen.”

Felicity stand starr da und hielt den Atem an, bis Brocks Schritte verklungen waren. Dann ließ sie sich wieder auf die Klavierbank sinken.

Ihre Hände zitterten. Sie war bis ins Innerste aufgewühlt. Er hatte sie beinahe geküsst, und sie wusste kaum noch, wo oben und unten war. Was würde erst sein, wenn er sie wirklich küsste?

Felicity schloss die Augen. Sie hatte seinen Kuss ebenso ersehnt wie befürchtet. Mit bebenden Fingern strich sie über ihre Wange und die Lippen, dort, wo Brocks schwielige Hand sie berührt hatte. War sein Mund so fest, wie er aussah? Wie würde er wohl schmecken? Wie würde sie sich in seinen Armen fühlen?

Ihr inneres Alarmsystem war total in Aufruhr. Sie begehrte Brock! Schlimmer noch, sie mochte ihn! Weil er ein anständiger Mann war und weil er seiner Tochter das gab, wonach sie sich als Kind vergeblich gesehnt hatte. Diese Mischung aus Begehren und Zuneigung war gefährlich. So stark hatte es sie bisher noch zu niemandem hingezogen.

Dabei wollte Brock doch gar nicht, dass sie sich auf der Ranch aufhielt, er betrachtete sie als Unbequemlichkeit – was sie genau betrachtet ja auch war. Dennoch hatte er sie vor wenigen Minuten mit einem Feuer in den Augen angeschaut, das sie jetzt noch erschauern ließ.

Brock löste eine Flut seltsamer Gefühle in ihr aus. Sie war weiterhin sicher, dass er ein anständiger Mann war, gleichzeitig hatte sie eben etwas Wildes, Leidenschaftliches bei ihm gespürt, von dem sie gern noch mehr erleben würde.

Wenn die Situation anders wäre, würde sie ihrer Neugier einfach nachgeben. Was sah Brock in ihr? Ihr Geld wollte er jedenfalls nicht. Eigentlich würde sie sogar darauf wetten, dass er sie bäte zu gehen, wären da nicht sein Ehrgefühl und seine gute Erziehung.

Wie wäre es wohl, wenn er bei ihr die Kontrolle über sich verlieren würde? Sie stellte sich seinen muskulösen Körper nackt vor, seine kraftvollen, geschickten Hände und seine Stimme, die vor Verlangen ganz tief und rau wäre, wenn er ihr sagte, dass er sie begehre …

Ihre Brustspitzen richteten sich auf, und zwischen den Schenkeln spürte sie ein lustvolles Pulsieren. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich, atmete tief durch und stand entschlossen auf.

Auf keinen Fall durfte sie etwas Wichtiges vergessen: Brock Logan begehrte sie vielleicht, und an ihrem Geld war er offenkundig nicht interessiert, was sehr für ihn sprach; dennoch, er mochte sie nicht wirklich.

4. KAPITEL

“Ich hasse Regen”, erklärte Addie, die einen Teller mit Hackfleischbällchen und eine Schüssel Bohnen ins Esszimmer trug. “Dann spüre ich wieder meine Arthritis.”

“Soll ich vielleicht die Getränke servieren?”, bot Felicity an.

“Ja. Ich habe für Sie Eistee gemacht, und die Kinder bekommen Milch. Bree, hast du deinen Bruder gesehen?”

“Nicht, seitdem wir aus der Schule gekommen sind”, antwortete Bree. “In meiner Klasse gab es heute Zwischenzeugnisse, bei Jacob wohl nicht. Ich habe lauter Einsen”, verkündete sie stolz.

Felicity lächelte bei der Erinnerung daran, wie Bree ihr diese Neuigkeit erzählt hatte, gleich als sie aus der Schule gekommen war, und dann gestrahlt hatte, weil sie so beeindruckt gewesen war.

“Freut mich für dich”, sagte Addie. “Aber wenn ich deinen Bruder erwische, kommt er nie wieder zu spät zum Abendessen! Also fangt ruhig schon an.” Sie ging nach draußen und brüllte die Treppen hinauf: “Jacob Logan, komm sofort zum Essen herunter!”

Felicity tauschte einen Blick mit Bree aus.

“Wenn ihre Arthritis sie plagt, ist sie immer schlechter Laune”, flüsterte Bree.

Felicity nickte. “Wo ist Jacob denn?”

“Keine Ahnung. Das Essen verpasst er eigentlich nie, höchstens wenn er beim Lassowerfen oder beim Reiten mit Dad ist.”

“Aber dein Vater ist beim Treffen des Rinderzüchtervereins, außerdem regnet es.”

Bree zuckte die Achseln und nahm sich ein Hackbällchen. Addie kam schnaubend ins Zimmer zurück.

Felicity schaute besorgt nach draußen. Es wurde schon dunkel, und es regnete immer heftiger. “Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen, Addie?”

“Als er aus der Schule kam. Er ist ja nie sehr gesprächig, aber heute sprach er kein Wort. Ist gleich in sein Zimmer gegangen, hat nicht mal was gegessen.” Addie runzelte die Stirn. “Vielleicht ist er krank.”

Felicity stand auf. “Ich gehe mal nachschauen. Schonen Sie lieber Ihre Knie.” Sie eilte in den Flur und die Treppe hinauf.

In Jacobs Zimmer war alles ordentlich, nur die Schulbücher lagen verstreut auf dem Boden herum. Von dem Jungen war keine Spur zu sehen. Felicity wollte die Bücher aufheben und zusammenlegen, als aus einem Ordner ein einzelnes Blatt herausfiel – die Zeugnisse! Bei “Englisch” entdeckte Felicity eine Fünf, bei einem anderen Fach eine Drei, bei “Mathematik” eine Eins. Eilig steckte sie das Zeugnis zurück in den Ordner – sie wollte nicht neugierig sein – und ging wieder nach unten.

“Jacob ist nicht da.”

“Ich mache mir Sorgen um den Jungen”, sagte Addie, “er verpasst sonst nie ein Essen.”

“Heißt das, ich kann sein Dessert haben?”, fragte Bree hoffnungsvoll.

“Du isst erst mal ordentlich auf, Kleines. Als Dessert gibt es heute eine Banane.”

Bree zog ein Gesicht, über das Felicity gelacht hätte, wäre sie nicht wegen Jacob so in Sorge gewesen. “Vielleicht sollte ich mal draußen nach ihm sehen. Gibt es einen Ort, an dem er sich besonders gern aufhält?”

“In einer der Scheunen”, antwortete Bree, nachdem sie sorgfältig gekaut und hinuntergeschluckt hatte.

“Sein Vater hat ihn gut erzogen”, erklärte Addie. “Deshalb sollte der Junge genug Verstand haben, bei diesem Regen nicht draußen zu sein. Wenn er nicht bald kommt, wird er bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr die Ställe ausmisten müssen.”

Die Strafe kam Felicity schlimmer vor als der Tod. Sie zog die Nase kraus. “Ich ziehe mir nur eben etwas über.”

Kurz darauf kam sie zurück. Sie trug einen Wettermantel von einem französischen Designer, griff nach einem Hut, den sie in der Garderobe auf der Ablage fand, um sich gegen den Regen zu schützen, verließ das Haus und eilte die Auffahrt hinunter. Sie verstand zwar nicht viel von Kindern, hoffte jedoch, den Jungen bald zu finden, schon um ihn vor dem schrecklichen Ausmisten zu bewahren.

Zur Ranch gehörten mehrere Scheunen. In der, die dem Haus am nächsten war und die Felicity schon einmal betreten hatte, war Jacob nicht, und sie ging nun zum ersten Mal zum Pferdestall.

Bis sie sich auf dem schlammigen Boden vorangekämpft hatte, waren ihre Schuhe durchweicht, und auch alles andere war pitschnass. Der schicke Wettermantel war offenbar nicht für den texanischen Platzregen gedacht.

Felicity stieß das Tor zum Pferdestall auf und wartete, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es roch nach frischem Heu, Pferdemist und Pferden. Sie schaute im Sattelraum nach, in einer Nebenkammer und ging dann die Gatter entlang. Ganz hinten im letzten Gatter hockte Jacob. Er hatte die Arme verschränkt und barg das Gesicht darin.

“Geh weg!”, schrie er.

Normalerweise hätte Felicity das auch gemacht, aber sie erkannte an seiner Stimme, wie unglücklich der Junge war. Ratlos überlegte sie, was sie tun sollte. Wenn sie im College doch ein paar Vorlesungen über Kinderpsychologie belegt hätte!

“Du sollst weggehen!”, schrie Jacob wieder.

“Hör erst mal zu”, erwiderte Felicity ruhig. “Als du nicht beim Abendessen aufgetaucht bist, haben Addie und ich uns Sorgen gemacht. Addie sagt, dein Vater würde sehr ärgerlich werden. Deshalb bin ich hier, um dich davor zu bewahren, dass du lebenslang die Ställe ausmisten musst.”

“Ich werde sowieso bestraft, wenn Dad herausfindet, wie mein Zeugnis ist”, sagte Jacob leise. “Ich lese schlechter als jeder Rancharbeiter, und jede noch so dumme Kuh ist gescheiter als ich.”

Felicity schob den Riegel hoch und trat in das Gatter. “Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Kühe intelligenter sein sollen als du”, antwortete sie. “Hat dich jemals eine mit dem Lasso eingefangen?”

“Nein, aber …”

“Aber ich habe doch gehört, dass du schon seit langer Zeit Kälber mit dem Lasso fangen kannst.”

“Ja, das schon. Na ja, vielleicht bin ich wirklich klüger als eine Kuh, aber das heißt nicht viel. Selbst Daddy sagt, Rinder sind dumm.”

“Ich wette, du kannst ein paar Dinge, die ich nicht kann. Weißt du, wie man mit Pferden umgeht?”

“Ja, das kann doch jeder.”

“Nein, ich nicht”, stellte Felicity klar. “Also hör auf, dich dumm zu nennen, nur weil du Schwierigkeiten beim Lesen hast. Einstein hatte die auch, als er klein war.”

Jacob hob den Kopf. “Wirklich? Der auch?”

“Ja. Seine Lehrer sagten, aus ihm würde nie was werden. Da kannst du mal sehen, wie sehr die sich geirrt haben.”

Einen langen Moment schaute Jacob sie mit seinen rot geweinten Augen groß an. Felicity sah einen Hoffnungsschimmer darin.

“Dad bringt mich um, wenn er das Zeugnis sieht.” Jacob wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.

“Oh, nein, das tut er nicht. Dazu hat er dich viel zu lieb.”

“Du verstehst das nicht. Dad ist so tüchtig! Er ist ein richtiger Aggie, hat bei der Football-Meisterschaft gewonnen und die Schule mit den besten Zensuren abgeschlossen. Das erwartet er jetzt auch von mir.”

Aggie, Football, beste Zensuren. Felicity versuchte, das alles zusammenzubekommen. “Ein Aggie? Was ist denn das?”

“Das sind die, die bei der Texas A & M, der besten Universität des Landes, abgeschlossen haben.”

Felicity verkniff sich ein Lachen. “Ein paar Leute von Harvard würden das vielleicht bestreiten, aber was hat das mit dir zu tun?”

Autor

Leanne Banks
Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen.
Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe und...
Mehr erfahren