Ein königlicher Skandal

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Seit Jahrhunderten herrscht die mächtige Dynastie der Rinaldis über ein malerisches Inselreich im Mittelmeer. Jetzt muss der geschwächte König abdanken. Doch wer tritt das Erbe der Rinaldis an? Intrigen, Leidenschaft und zehn unumstößliche Regeln werden für jeden Thronanwärter zu einer persönlichen Herausforderung. Die Suche beginnt ...

Prinz Max fühlt sich wie verzaubert, als er Rosa wiedersieht: Das unscheinbare Mädchen von einst hat sich in eine wunderschöne junge Frau verwandelt, die ihn magisch anzieht. Aber so verlockend ihre süßen Küsse schmecken, muss er ihr doch mit aller Kraft widerstehen. Denn Rosa ist seine Cousine - und deshalb tabu für ihn als Thronfolger von Rinaldi. Doch er ahnt nicht, dass eine skandalöse Enthüllung seine Welt bald vollständig auf den Kopf stellen wird ...

Der sechste Teil der großen Königssaga!


  • Erscheinungstag 19.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769789
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Bilder/pic0.jpg

Das Königshaus Rinaldi

Eine der reichsten königlichen Familien der Welt – vereint durch Blut und Leidenschaft, zerrissen durch Verrat und Begierde, unterworfen den strengen Regeln der Rinaldis

Aus blauen Fluten, umweht vom Duft der Zitronen- und Orangenbäumen, ragt majestätisch eine Insel empor: San Rinaldi, die Perle des Mittelmeers. Gesegnet mit einzigartig schöner Natur, üppiger Vegetation und reichen Ernten, wird das idyllische Eiland seit vielen Jahren von König Giorgio aus dem Geschlecht der Fierezzas beherrscht. Schon seit dem Mittelalter lenkt seine Familie die Geschicke der Insel, machte sie zu einem florierenden Handelsplatz und gelangte so zu unermesslichem Reichtum – Reichtum, der zu allen Zeiten zu Neid, Intrigen, Verrat und Auseinandersetzungen führte.

Auseinandersetzungen und Probleme stehen auch König Giorgio ins Haus. Besorgt beobachtet man im Palast von San Rinaldi, dass es dem neunzigjährigen Monarchen gesundheitlich immer schlechter geht. Doch wer soll nach dem tragischen Tod der beiden Kronprinzen das Erbe der Rinaldis antreten?

König Giorgio muss seine Wahl treffen unter den Prinzen und Prinzessinnen der Dynastie. Kein leichtes Unterfangen! Denn wer den Thron von San Rinaldi besteigen und über das blühende Inselreich herrschen will, muss sich entscheiden, ob er sich den strengen Gesetzen des Hauses Rinaldi unterwirft – oder der Stimme seines Herzens folgt und statt der Krone die Liebe wählt …

1. KAPITEL

„Rosa! Telefon!“

Rosa Fierezza stand vom Sofa auf. „Komme!“, rief sie zurück, doch ihre Mitbewohnerin erschien schon in der offenen Tür und hielt ihr das Telefon hin.

„Ein Typ mit einer sagenhaften Stimme“, flüsterte sie und lächelte dabei vergnügt, „und mit einem sehr aufreizenden Akzent. Ich wette, dass er aus San Rinaldi anruft.“

Rosa wurde mulmig zumute. Neuseeland war weit entfernt von San Rinaldi, dem berühmten Inselkönigreich im Mittelmeer. Trotzdem hielt sie engen Kontakt zu ihren älteren Geschwistern. Doch das geschah zumeist per E-Mail. Nur an Geburtstagen oder in absoluten Notfällen griff einer von ihnen zum Telefon.

Es schnürte ihr die Kehle zu. Beim letzten Anruf aus San Rinaldi hatte Rosa erfahren, dass ihre Eltern und ein Onkel bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen waren. Sie schluckte schwer, kämpfte gegen ihre Angst an und meldete sich so unbekümmert wie möglich: „Hallo!“

„Rosa?“

Diese tiefe Stimme war unverkennbar. Der beherrschte und gleichzeitig sinnliche Unterton jagte Rosa einen wohligen Schauer über den Rücken. Hastig schloss sie die Augen, um sich gegen die Erinnerungen zu wehren. Und trotzdem fühlte sie sofort wieder die alte Sehnsucht. Es versetzte Rosa einen schmerzlichen Stich ins Herz.

„Bist du das, Max?“, fragte sie. Hoffentlich verriet sie sich dadurch nicht.

„Bin ich, Cousinchen“, erwiderte er. „Wie geht es dir?“

„Gut. Ist etwas passiert?“

„Nein, nein, es hat nichts mit der Familie zu tun“, versicherte er hastig. „Allen geht es gut.“

Rosa atmete tief auf. Der unerwartete Tod der Eltern hatte sie nicht nur tief erschüttert. Ihr war auch vor Augen geführt worden, dass das Leben eines jeden plötzlich zu Ende sein konnte.

„Mit Großvater ist das natürlich so eine Sache“, fuhr Max fort, „aber für seine neunzig Jahre ist er noch immer beachtlich gesund und kräftig.“

König Giorgio von Rinaldi war ihr gemeinsamer Großvater, der dringend die Nachfolgefrage regeln und danach abdanken wollte. Ursprünglich hatte Max in der Thronfolge so weit hinten gestanden, dass er sich nicht im Entferntesten damit konfrontiert gesehen hatte. Vor nicht allzu langer Zeit hatten jedoch Rosas und auch seine Brüder auf ihr Anrecht verzichtet und sich stattdessen für ihr privates Glück entschieden. Max war der nächste Thronanwärter.

„Wieso rufst du an?“, fragte Rosa neugierig.

„Weil ich deine Fachkenntnisse brauche. Erinnerst du dich noch an Giovanni Carini? Von ihm weiß ich, dass du deine Diplomarbeit über die Bekämpfung von Mehltau bei Weinstöcken geschrieben hast.“

„Natürlich erinnere ich mich an Giovanni.“ Er hatte sich sein Leben lang um die wertvollen Weingärten von San Rinaldi gekümmert. Sie lächelte bei dem Gedanken an Giovannis Hingabe an seine Arbeit. Diese Leidenschaft verband sie. Dann erfasste sie besorgt, in welchen Schwierigkeiten Max stecken könnte. Betroffen rief sie: „Ihr habt nicht etwa Mehltau auf San Rinaldi, oder?“

„Doch“, bestätigte er nüchtern.

„Wo?“, fragte sie atemlos. „Und wie verbreitet ist der Pilz?“

„Mindestens drei Weingärten im Valle di Cattina“, erwiderte Max.

Rosa fröstelte bei der Vorstellung. Im Tal von Cattina und im Vorgebirge herrschten die besten Anbaubedingungen. Am Rand der mächtigen Gebirgskette, die sich über die ganze Insel hinzog, wuchs der Wein am besten. Dort gediehen vor allem die berühmten weißen Trauben. Wenn dieses Gebiet von Mehltau befallen war, stand San Rinaldi eine wirtschaftliche Katastrophe bevor.

„Habt ihr die Felder schon gesperrt?“, fragte sie gepresst.

„Natürlich, und mein Bruder Nico ist heimgekommen und hilft mir, wo er kann. Ich muss mich aber schnellstens über die neuesten und besten Methoden zur Bekämpfung von Mehltau informieren. Kannst du mir helfen?“

Als Prinzessin von San Rinaldi lag ihr das Wohlergehen der Bevölkerung besonders am Herzen. Mehltau war eine schlimme Pilzerkrankung, die die Weingärten zerstörte, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wurde. Dadurch wäre Max’ harte Arbeit der letzten Jahre vernichtet.

Abgesehen von den wirtschaftlichen Verlusten würde eine hervorragende Rebsorte für immer verschwinden. Schon seit Jahrhunderten prägte der Porto Castellante Blanco den Charakter der Insel. Einfach unvorstellbar, wenn es ihn nicht mehr gab.

„Hoffentlich kann ich dir helfen“, erwiderte Rosa vorsichtig. „Wir arbeiten an einer Methode, bei der nicht alle Weinstöcke im Umkreis von fünf Kilometern verbrannt werden müssen. Unser Mittel wurde zwar noch nicht ausreichend erprobt. Aber vielleicht kann ich die Verantwortlichen überzeugen, es uns zu überlassen. Dann können wir das Mittel auf San Rinaldi testen.“

„Ich habe mir bereits die Namen und Telefonnummern der zuständigen Leute beschafft“, erklärte Max. „Sie werden das Mittel freigeben.“

Das war typisch. Max setzte immer seinen Willen durch. Deshalb erreichte er allerdings auch oft mehr als andere.

Schon vor Jahren hatte er Weingärten im Valle di Cattina geerbt. Dort arbeiteten die Winzer noch immer nach den überlieferten Methoden. Die alten Römer hatten an den sonnigen Hängen die ersten Weinstöcke gepflanzt. Weil die meisten Weinflaschen auf der Insel vertrieben wurden, gab es bis vor wenigen Jahren kaum Exporte. Dementsprechend bescheiden hatten die Weinbauern gelebt.

Sämtliche Verbesserungen waren Max zu verdanken. Mit Giovanni Carinis Hilfe und angetrieben von einem ungewöhnlich ausgeprägten Pflichtgefühl, hatte Max sich für Modernisierungen eingesetzt. Dank seines Charismas, seiner Autorität, aber auch mit Charme und Intelligenz war es ihm gelungen, die Winzer zur Gründung einer Genossenschaft zu bewegen. Heute verbanden sie bei der Weinherstellung wertvolle Traditionen mit moderner Technik.

Das brachte erstaunliche Ergebnisse. Der Porto Castellante Blanco wurde auf der ganzen Welt zu Spitzenpreisen verkauft. Die Verkaufserfolge sicherten die Existenz der Winzer. Als Max ihnen seine Ideen präsentiert hatte, wagten sie zunächst nicht davon überhaupt zu träumen. Und nun könnte ihnen durch den Mehltau alles wieder genommen werden. Für Rosa stand außer Frage: Sie würde alles tun, um ihren Landsleuten zu helfen.

„Meinst du nicht“, fragte sie in möglichst neutralem Tonfall, „dass es besser wäre, wenn ich mich an meine Vorgesetzten wende? Schließlich ist das mein Spezialgebiet, und außerdem kennen sie mich, dich nicht.“

„Und bestimmt schätzen sie dich“, erwiderte er. „Aber ich habe genug Macht und Einfluss und bin bereit, beides einzusetzen. Sieh mal, die Zukunft der Weingärten von San Rinaldi und somit mehr als tausend Arbeitsplätze hängen davon ab. Die Seuche muss eingedämmt werden. Der Wein wird gerade durch das Alter der Weinstöcke so besonders. Wenn wir die Pflanzen vernichten und durch neue ersetzen, erreichen wir dieselbe Weinqualität erst in Jahrzehnten. Schließlich müssten wir zehn Jahre warten, bis wir überhaupt an eine Neuanpflanzung denken können.“

Rosa kannte den entschlossenen Ton, den Max jetzt anschlug. Er hatte sich entschieden. Ihr war auch klar, was er von ihr hielt. Er nahm sie nicht ernst. Für ihn war und blieb seine Cousine das alberne Mädchen, dessen Schwärmerei ihn vor fünf Jahren in Verlegenheit gebracht hatte.

In keiner Weise war Max damals auf ihre Annäherungsversuche eingegangen. Darauf angesprochen hatte er sie auch nie. Allerdings war er seitdem weniger freundlich. Er hielt sich bewusst zurück und gab sich verschlossen. Zwischen ihnen war eine unsichtbare Wand entstanden.

Sie hatte nicht vergessen, wie er sich sehr schnell eine sagenhaft schöne und kluge Freundin zugelegt und ihr auch noch gezielt vorgeführt hatte. Sogar noch heute kränkte es Rosa. „Tja“, meinte sie kühl, „dann kann ich nichts weiter machen, als dir viel Glück zu wünschen.“

„Aber ich will dich hier haben“, entgegnete er hastig. „Du stammst von der Insel, die Weinbauern kennen dich, und du sprichst ihre Sprache. Sie werden dir vertrauen und auf dich hören.“

„Okay, ich tue, was ich kann“, entschied sie. Bemüht freundlich fügte sie hinzu: „Vielleicht reichen deine Macht und dein Einfluss nicht aus, damit das Sprühmittel freigegeben wird. Meine Vorgesetzten werden wohl so oder so verlangen, dass ich den Einsatz überwache und ihnen laufend Bericht erstatte.“

„Danke, Cousinchen. Ich zähle auf dich. Die Weinindustrie von San Rinaldi braucht im Moment jede nur erdenkliche Hilfe.“

Am liebsten hätte Rosa das Telefon an die Wand geschleudert. Cousinchen! Max nahm sie nicht für voll. Außerdem erinnerte er sie daran, dass Blutsverwandte nach dem Gesetz der Familie Fierezza nicht heiraten durften. Das konnte er sich sparen. Rosa war inzwischen erwachsen. Dass sie irgendwann mal für ihren Cousin geschwärmt hatte, bedeutete heute rein gar nichts.

Betont höflich verabschiedete sie sich von Max. Erst nachdem er aufgelegt hatte, murmelte sie eine Verwünschung, bei der er rote Ohren bekommen hätte.

Um sich zu beruhigen, atmete Rosa mehrmals tief durch. Nachdem sie sich im Bad frisch gemacht hatte, stellte sie sich schließlich den Fragen ihrer neugierigen Freundin.

Kate wartete schon an der Küchentür, zwei Kaffeetassen in Händen. Noch bevor sie Rosa eine reichte, fragte Kate: „Also, welcher Cousin war das?“

„Max“, entgegnete Rosa betont gleichgültig und nahm den Kaffee dankend an. „Er ist der jüngste Sohn des jüngeren Bruders meines Vaters.“

„Ach, der nächste König!“, rief Kate. „Sieht er genauso toll aus, wie seine Stimme klingt?“

Kate war Anwältin und schon von Berufs wegen äußerst verschwiegen. Seit der Medienrummel über die Nachfolge auf San Rinaldi eingesetzt hatte, war sie mehrmals von Journalisten mit Fragen überfallen worden. „Ich habe leider nicht die geringste Ahnung“, lautete jedes Mal ihre Antwort. Und zu einer besonders hartnäckigen Reporterin einer europäischen Zeitung hatte Kate betont freundlich gesagt: „Ach, wir Neuseeländer kümmern uns gar nicht um solche Dinge. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind, und richten uns nicht nach ihrer Herkunft.“

Weil sie sich auf ihre Freundin verlassen konnte, erwiderte Rosa aufrichtig: „Er sieht absolut so toll aus, wie seine Stimme klingt.“

„Und wird er einen guten König abgeben?“, hakte Kate nach.

„Einen ausgezeichneten. Er ist ein großartiger Winzer und ein harter Geschäftsmann, aber vor allem legt er größten Wert auf Ehre. Max geht oft hart mit sich ins Gericht und stellt sich der Verantwortung.“

„Mit anderen Worten wird er also den Job als König hassen“, bemerkte Kate. „Weißt du, euer winziges Inselchen sollte endlich den ganzen royalen Quatsch aufgeben. Schön und gut, das Drumherum wirkt nett, aber glücklich wird doch in der Königsfamilie keiner, am allerwenigsten der König selbst. Deine männlichen Verwandten sehen das jedenfalls offensichtlich so, sonst hätten nicht so viele auf den Thron verzichtet. Und deine Schwester hat einen Rebellen geheiratet, damit sie gar nicht erst für den Posten infrage kommt.“

Rosa zuckte die Schultern. „Sein Vater war der Rebell, nicht Domenic, und Isabella liebt ihn eben. Außerdem sind Frauen auf San Rinaldi von der Thronfolge ohnedies ausgeschlossen.“

„Wieso denn das?“ Obwohl sie im Grunde nicht viel für Monarchien übrig hatte, störte Kate sich sehr an dieser Ungerechtigkeit. „Das ist empörend! Sag jetzt nicht, dass es keine Königin geben darf!“

„Keine Ahnung, ob es so ein Gesetz gibt.“ Rosa überlegte einen Moment. „Interessante Frage. Unser Gesetz schreibt mehr als genug Regeln vor. Erstaunlich, dass noch niemand daran gedacht hat. Aber das war bisher wohl unnötig, weil es immer viele Söhne gab. Egal. Max hat angerufen, weil die Weinstöcke von Mehltau befallen sind.“

Kate wusste genug über Rosas Arbeit und San Rinaldi Bescheid. „Schlechte Nachricht“, erwiderte sie, warf einen Blick in Rosas Gesicht und verbesserte sich: „Sehr, sehr schlechte Nachricht.“

„Allerdings“, bestätigte Rosa. „Ich fliege so bald wie möglich nach Hause.“

„Ich besorge dir ein Ticket“, sagte Kate fröhlich. „Ich kaufe für mein Leben gern Flugtickets. So bald wie möglich und erster Klasse?“

„Spielt keine Rolle. Ich will nur so schnell es geht da sein.“

„Ach, ist es nicht herrlich, eine reiche Prinzessin zu sein“, meinte Kate seufzend und griff sofort zum Telefon.

Eine halbe Stunde später war alles geregelt.

„Business Class“, verkündete Kate stolz, während Rosa gerade den Koffer zumachte. „Direktflug nach Rom, dann geht es im Anschluss nach Porto di Castellante auf San Rinaldi. Ich bringe dich zum Flughafen.“

Rosa lächelte dankbar. Schon setzte sie zu einer Antwort an, da klingelte das Telefon.

„Mach du dich fertig“, befahl Kate. „Ich gehe ran.“ Nachdem sie sich gemeldet hatte, rief sie Rosa sofort zu: „Es ist für dich!“

Rief Max noch einmal an? Rosa ärgerte sich, weil sie bei dem Gedanken sofort Herzklopfen bekam.

Es war ihr Vorgesetzter, den sie bisher telefonisch nicht erreicht hatte. „Ich habe gehört, dass Sie uns vorübergehend verlassen“, sagte er. „Ihr Cousin hat eine äußerst energische Art und verfügt außerdem über sagenhafte Beziehungen. Ich erhielt vom Allmächtigen höchstpersönlich die Anweisung, Ihnen und Prinz Max in jeder Hinsicht zu helfen.“

Erleichtert atmete sie auf. Ihr Boss klang keineswegs verärgert, sondern eher beeindruckt. In wenigen Worten schilderte sie die Lage, und gemeinsam entwickelten sie einen Schlachtplan.

Als sie auflegte, schüttelte sie lächelnd den Kopf. Ja, Max setzte immer seinen Willen durch. Mit dem „Allmächtigen“ meinte ihr Chef keinen Geringeren als den Generaldirektor der multinationalen Firma, der das Versuchslabor gehörte. Und er war bereitwillig auf Max’ Wünsche eingegangen. Vermutlich wurde der Direktor nicht jeden Tag von einem zukünftigen König um Hilfe gebeten.

Von der VIP-Lounge aus musterte Max die Scharen von Touristen, die eilig durch den Flughafen eilten. Max hätte Rosa gern den Jet der Königsfamilie zur Verfügung gestellt. Als seine Assistentin deshalb anrief, war es bereits zu spät gewesen.

Hinter ihm öffnete sich die Tür. „Eure Hoheit!“ Ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, trat der Manager des Flughafens ein. „Prinzessin Rosa ist angekommen“, verkündete er und wich zur Seite.

Erstaunt betrachtete Max die Frau, die er zuletzt vor zwei Jahren beim Staatsbegräbnis ihrer Eltern und seines Vaters gesehen hatte. Damals war sie ganz in Schwarz gekleidet gewesen und hatte einen dichten Schleier getragen.

Heute sah sie völlig anders aus. So hatte Max seine Cousine gar nicht in Erinnerung. Höflich bedankte sie sich bei dem Manager und wartete, bis er hinter sich die Tür geschlossen hatte. Erst danach wandte sie sich Max zu.

Vor ihm stand eine neue Rosa, um deren volle schimmernde Lippen ein leichtes Lächeln spielte. Aus ihren exotisch wirkenden Augen traf ihn ein geheimnisvoller Blick. Das blauschwarze Haar war zu einem weichen Knoten geschlungen, sodass Max den schlanken Hals, die geradezu königliche Haltung und die rassigen Gesichtszüge bewundern konnte, die auf die Abstammung hindeuteten.

Selbst nach dem langen Flug vom anderen Ende der Welt nach San Rinaldi wirkte Rosa perfekt ausgeruht. Die langen schlanken Beine steckten in einer Jeans, die zusammen mit einer weißen Bluse sexy wirkte und einige sehr interessante Rundungen betonte.

Auch wenn Rosa nicht die glamouröse Ausstrahlung und die Eleganz ihrer Schwester Isabella hatte, sah sie auf ihre Art großartig aus. Dieser erotischen Aura konnte sich kaum ein Mann entziehen. Nur mit Mühe bekam Max seine Gedanken und seinen Körper wieder unter Kontrolle.

„Rosa!“, sagte er lächelnd.

„Hallo, Max.“ In ihrer Stimme schwang ein verheißungsvoller Unterton mit, der das Versprechen in Rosas geheimnisvollen Augen zu bekräftigen schien.

Verärgert wehrte Max sich gegen das Verlangen, das ihn unvermittelt packte. Sie war schließlich seine Cousine, eine in jeder Hinsicht verbotene Frucht!

„Willkommen auf San Rinaldi.“ Normalerweise hätte er sie zur Begrüßung auf die Wangen geküsst. Darauf verzichtete er nun vorsichtshalber.

„Ich wünschte, wir würden uns unter angenehmeren Umständen wiedersehen“, entgegnete sie und reichte ihm die Hand. „Du wirkst auffällig fröhlich für jemanden, der Mehltau bekämpft.“

„Und du wirkst auffällig fröhlich für jemanden, der soeben um die halbe Welt gereist ist“, antwortete er und genoss den kräftigen Druck ihrer warmen Hand. Ihre Haut zu fühlen gefiel ihm viel zu gut.

„Ich habe in der Maschine geschlafen“, erklärte sie und zog die Hand zurück.

Er musste sich unbedingt besser beherrschen. „Zoll und Passkontrolle sind glatt abgelaufen?“, fragte er betont kühl.

„Könnte man so sagen“, erwiderte Rosa amüsiert. „Ein Blick auf den Pass mit der goldenen Krone hat genügt, und die Zollbeamten haben mich durchgewunken und sich nicht um mein Gepäck gekümmert. Ja, ich bin ganz rechtmäßig hier. Ist das Zeug aus dem Labor schon angekommen?“

„Schon heute Morgen mit einer Frachtmaschine“, erklärte Max und hielt ihr die Tür auf. „Ich habe die Sachen schon ins Valle di Cattina schaffen lassen, und wir fahren jetzt gleich hin. Großvater fühlt sich nicht sonderlich wohl. Die Ärzte haben ihm strengste Ruhe verordnet. Er darf sich nicht aufregen. Darum schickt er dir seine besten Grüße, und ich soll dir seinen Dank für die Hilfe aussprechen. Du besuchst ihn lieber erst, wenn es ihm besser geht.“

Bildete sie sich nur etwas ein, oder sagte er sehr bewusst „Großvater“, um ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu betonen? Rosa senkte leicht den Kopf, damit Max nicht sah, wie sie rot wurde.

„Wie krank ist er denn?“, fragte sie auf dem Weg zu den Aufzügen und bekam Angst, da Max mit der Antwort zögerte. „Du kannst es mir offen sagen.“

Er zuckte die Schultern. „Die Herzoperation liegt nun einige Zeit zurück, er hat sie auch gut überstanden. Aber er ist alt und müde, die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit waren für ihn sehr belastend. Sobald er sich erholt hat, bringe ich dich zu ihm.“

Sie traten in den heißen Sonnenschein hinaus. Ein Blick auf Max genügte, und Rosa wurde völlig überraschend von heftigem Verlangen überwältigt. Er sah einfach hinreißend aus. Im Sonnenlicht schimmerten sein Haar und das Gesicht auf faszinierende Weise. Der Anblick raubte Rosa schier den Atem.

Das sind die Gene, dachte sie und versuchte, seine Wirkung auf sie zu unterdrücken. Rosa war fünf Jahre alt gewesen, als ihr Vater ihr eine über zweitausend Jahre alte Statue gezeigt hatte. Sie war im Norden von San Rinaldi ausgegraben worden. Der Anblick des unbeschreiblich schönen Athleten in typisch antiker Darstellung hatte auf Rosa einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Max hatte die gleichen klassischen Gesichtszüge und eine vielleicht noch kraftvollere Ausstrahlung. Er würde einen großartigen König abgeben. Auch wenn das ihren albernen romantischen Traum, den sie nie aufgegeben hatte, endgültig zerstören würde.

Sobald Max als zukünftiger König ins Gespräch gekommen war, hatte Rosa sich damit abfinden müssen: Ihre Gefühle für ihn gehörten der Vergangenheit an.

Leider bewies ihr ein einziger Blick das Gegenteil. Sie hatte sich nur etwas vorgemacht. Zwar war jeder Hoffnungsschimmer auf eine gemeinsame Zukunft vergebens. Aber wenn Max lächelte, nährte er ihre Sehnsucht nach ihm. Mit der Heftigkeit einer Feuersbrunst loderte das Verlangen in Rosa auf – gefährlich, schön und kaum zu kontrollieren.

„Wie denkst du darüber, dass du jetzt vielleicht König wirst?“, fragte sie, während sie sich einem unauffälligen schwarzen Wagen in der Sicherheitszone des Flughafengeländes näherten. Schon im nächsten Moment hätte Rosa die Worte am liebsten zurückgenommen. Max war sehr verschlossen, er redete nicht gern über seine Gefühle und Gedanken.

„Wenn es sein muss, dann ist es eben so“, entgegnete er in einem abweisenden Ton, der deutlich machte, dass sie ihm mit der Frage zu nahe getreten war.

Rosa war nicht mehr die liebeskranke Jugendliche, die seelisch beinah zusammenbrach, wenn Max sich distanzierte. „Du wirst ein ausgezeichneter König“, entgegnete sie betont gelassen.

Unter dem abschätzenden Blick aus seinen grüngoldenen Augen bekam sie Herzklopfen. Max ließ ihre Bemerkung unkommentiert im Raum stehen. Sobald sie den Wagen erreichten, sagte er nur: „Normalerweise hätte ich den Hubschrauber genommen, aber der ist ins Tal unterwegs.“

Augenblicklich erinnerte sie sich an den Anlass ihrer Rückkehr. „Hat sich der Befall ausgebreitet?“, erkundigte Rosa sich.

„Möglicherweise“, entgegnete er und verbesserte sich gleich darauf. „Es ist sogar wahrscheinlich. Danke“, sagte er dann zu dem Mann, der sich um Rosas Gepäck gekümmert hatte. „Ich mache das schon.“

Verstohlen sah sie zu, wie er den Kofferraum öffnete und sich seine Rückenmuskulatur anspannte, als Max die Reisetasche hineinstellte. Angesichts seiner Kraft und maskulinen Schönheit vergaß Rosa alles andere.

Er merkte, dass sie ihn eingehend musterte. „Fahren wir“, forderte er sie betont zurückhaltend auf und lächelte nur flüchtig. „Wir müssen einen ganzen Wirtschaftszweig retten.“

Warum verhielt sie sich bloß so albern! Ihre Reaktion regte Rosa schrecklich auf. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, stieg ein und blickte so lange aus dem Seitenfenster, bis sie sich beruhigt hatte. „Ich finde“, sagte sie irgendwann, „dass die neuen Bezirke sehr gut zur Altstadt passen.“

„Das haben wir Großvater zu verdanken“, erwiderte Max und steuerte den Wagen geschickt durch den chaotischen Verkehr. Um sie herum wurde gehupt, einige Bauern saßen auf Eselskarren. Überall standen oder saßen Leute herum, redeten miteinander oder genossen einfach den Sonnenschein. „Er findet schrecklich, was in anderen mediterranen Städten geschehen ist. Darum hat er alle neuen Projekte streng überwacht.“

Rosa schloss die Augen. Sie fühlte sich zurückgestoßen und versuchte, nicht enttäuscht zu sein. Genau wie damals zeigte Max ihr wieder, dass es zwischen ihnen eine unsichtbare Mauer gab. Er ließ keinen Zweifel daran, was aus ihrer jugendlichen Schwärmerei für ihn werden konnte: nichts. Das galt heute genauso wie damals.

Okay, dachte sie, dieses Mal bin ich eben genauso distanziert, kühl und, verflixt noch mal, genauso beherrscht.

Allerdings lag eine lange Fahrt vor ihnen, bis sie Cattina erreichten.

„Rosa!“

Die faszinierend tiefe Stimme drängte sich hartnäckig in ihre Träume. „Rosa“, wiederholte die Stimme.

Lächelnd öffnete sie die Augen und erblickte das Farbspiel einer vertrauten grüngoldenen Iris.

„Max“, murmelte sie schläfrig, wurde schlagartig wach und sah sich um. Der Wagen stand. „Wo sind wir?“

„In Cattina“, entgegnete er und lächelte flüchtig. „Willkommen im wahren San Rinaldi, Cousinchen.“

Davon hatte sie definitiv genug. „Max“, sagte Rosa frostig, „ich bin nicht mehr dein Cousinchen, eine alberne Jugendliche, die in dich verknallt war. Inzwischen bin ich eine Wissenschaftlerin, die hier eine wichtige Aufgabe zu erledigen hat.“ Damit es nicht ganz so hart klang, zwang sie sich zu einem Lächeln. „Ich bin erwachsen und außerdem größer als die meisten Frauen. Es ärgert mich, wenn du mich Cousinchen nennst. Das klingt abwertend.“

Ihm entglitten die Gesichtszüge. Max schlug einen eisigen Ton an. „Und ich bin zehn Jahre älter als du. Deshalb wirst du immer meine kleine Cousine bleiben, mein Cousinchen. Daran wird sich nichts ändern, egal wie ich dich nenne. Damit musst du dich abfinden, Rosa.“

Das traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Brutal und ohne Mitgefühl warf er ihr diese Worte einfach an den Kopf. Jede Hoffnung in ihr erstarb. Sekundenlang brachte Rosa kein Wort hervor. Schließlich nahm sie sich jedoch eisern zusammen und hielt seinem Blick stand.

„Gut“, erklärte sie beherrscht, „die zehn Jahre Vorsprung und dein Anrecht auf den Thron sichern dir Respekt. Wenn du aber willst, dass mir die Winzer vertrauen, musst du es selbst tun und auch zeigen. Es ist unmöglich, mich vor den Arbeitern in diesem herablassenden Ton Cousinchen zu nennen. Vielleicht muss ich zu drastischen Mitteln greifen und von den Leuten verlangen, dass sie ganze Weingärten vernichten. In dem Fall musst du mich unterstützen und darfst meine Position nicht schwächen, indem du mich wie ein Kind behandelst.“

Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, musterte Rosa eine Weile und lächelte schließlich. „Vielleicht habe ich mich getäuscht“, räumte er ein. „Du klingst tatsächlich sehr erwachsen. Also gut, dann werde ich dich nur noch privat Cousinchen nennen.“

Autor

Robyn Donald

Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich.

Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende Abenteuer...

Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Das Erbe von San Rinaldi