Ein Paradies für zwei?

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

So reich wie Bill Gates und so sexy wie George Clooney? Für die aparte Brooklyn kein Grund, dem neuen Besitzer von Bellwether Island das letzte Stück Land zu verkaufen, das ihm nicht gehört! Sie hat sich hier ein Paradies geschaffen, und das verteidigt sie - auch gegen ihren erfolgsverwöhnten Nachbarn Cole Abbott. Doch als über der Insel ein Hurrikan tobt, findet sie bei ihm Zuflucht. Während am Kaminfeuer zwischen ihnen pure Leidenschaft entbrennt, beginnt sie Cole zu vertrauen - bis Brooklyn entdeckt, was der Firmen-Gigant ihr verschweigt …


  • Erscheinungstag 12.01.2021
  • Bandnummer 012021
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718480
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Brooklyn Graves hörte das Dröhnen der Rotorblätter schon, bevor sie den Hubschrauber am Horizont auftauchen sah. Sie beschirmte die Augen mit der flachen Hand gegen die Sonne und beobachtete, wie der Helikopter in großem Bogen über die Bucht flog und dann auf das Herrenhaus zusteuerte.

Vor einiger Zeit hatte Ernest Chetwynd sein Grundstück an einen reichen Amerikaner verkauft. Daher hatte sie gewusst, dass der Tag kommen würde, an dem dieser Cole Abbott hier auftauchte. Vermutlich war die demonstrative Ankunft auf der Insel erst der Anfang eines harten Stücks Arbeit. Abbott schien ein Egozentriker zu sein, der mit seinem Geld nur so um sich warf und mühelos Privatinseln kaufte.

Nachdem der Hubschrauber gelandet war und der ohrenbetäubende Lärm verstummte, hörte Brooklyn nur noch das Tosen der Wellen, die sich an den Felsen unterhalb der Steilküste brachen. Der Landeplatz stammte noch aus Ernests Zeiten. Auch er hatte gelegentlich einen Helikopter benutzt. Einmal, an ihrem Geburtstag, hatte er Brooklyn eingeladen und mit ihr einen Rundflug entlang der neuschottischen Küste unternommen. Es war wundervoll gewesen, all die Felsformationen, die kleinen Inseln und Sandbuchten aus der Luft zu sehen.

Ernest war mindestens fünfundsiebzig gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte, und in all den Jahren war er ein guter Freund geworden. Ihr Verhältnis war von gegenseitigem Respekt geprägt, und sie hatte sich auf der Insel immer geborgen und sicher gefühlt.

Früher hatte er in dem riesigen Haus zusammen mit seiner Frau gewohnt, die Kinder und Enkel waren oft zu Besuch gekommen. Nach Mariettas Tod aber hatte sich alles verändert. Auch wenn Brooklyn sich um das Grundstück gekümmert hatte und eine Haushälterin einmal in der Woche vom Festland herübergekommen war, stellte sich schnell heraus, dass das Haus mit seinen fast tausend Quadratmetern viel zu groß für einen verwitweten älteren Herrn war.

Brooklyn lebte auf einem Grundstück im Südosten der Insel. Ein idyllisches Fleckchen Erde, das ihre Urgroßeltern urbar gemacht hatten. Es lag völlig abgeschieden und bot eine unverwechselbare, friedliche Atmosphäre. Sie liebte es, hier zu leben, auch wenn sie häufig mit dem Boot aufs Festland fuhr. Dort kaufte sie ein, traf sich mit Freunden und kehrte anschließend zurück in die selbstgewählte Einsamkeit von Bellwether Island. Es war ihr sicherer Hafen, ihr ganz eigenes Paradies.

Aber nun drohte es, von einem neuen Nachbarn zerstört zu werden. Nachdem wochenlang Möbel und andere Gegenstände per Fähre ins Herrenhaus geschafft worden waren, flog Mr. Nobel nun also selbst ein.

Auch wenn sie gewusst hatte, dass das passieren würde, war Brooklyn unglücklich darüber. Insgeheim hatte sie gehofft, eines von Ernests Kindern würde das Haus übernehmen. Doch die Abgeschiedenheit und die viele Arbeit, die das Grundstück mit sich brachte, waren ihnen offensichtlich wenig reizvoll erschienen. Und so hatte es nun ein amerikanischer Milliardär gekauft, um es – ja, was? Seinen unzähligen Besitztümern hinzuzufügen?

Brooklyn atmete tief durch und trat den Rückweg an. Je weiter sie sich von der Küste entfernte, umso weniger wirbelte der Wind ihr langes Haar durcheinander. Das Rauschen der Wellen wurde leiser. Im Gemüsegarten hinter dem mehr als hundert Jahre alten Haus hielt sie kurz an. Jetzt, Mitte September, war nahezu alles abgeerntet. Der Sommer war warm und trocken gewesen, die Ernte reichlich.

Schon als Kind hatte sie jeden Sommer hier verbracht. Sie war im Meer geschwommen, hatte sich am Strand von der Sonne trocknen lassen, ihrer Großmutter im Garten geholfen und Stunden mit einem Buch in der Hängematte verbracht. Jede schöne Erinnerung an ihre Kindheit war mit dieser Insel verbunden. Als ihr Leben auseinanderzubrechen gedroht hatte, war sie hierher zurückgekehrt. An den Ort, an dem sie sich immer sicher und glücklich gefühlt hatte. Und sie war geblieben.

Doch jetzt war diese Idylle bedroht. Denn vor genau einer Woche hatte ihr der Anwalt von Cole Abbott ein Kaufangebot gemacht.

Natürlich hatte sie es sofort abgelehnt. Zugegeben, es war nicht immer einfach, hier zu leben. Spontane Einkäufe waren ebenso unmöglich wie ein schnelles Treffen zum Essen. Alles musste geplant werden. Ebbe und Flut gaben hier gemeinsam mit dem Wetter den Takt an. Im Winter war Brooklyn völlig isoliert. Sie würde hundert Dollar wetten, dass Abbott nach seinem ersten Winter hier draußen die Flucht ergriff. Danach hätte sie nichts mehr von ihm zu befürchten außer vielleicht ein paar Besuche in den Sommermonaten. Sein neues Spielzeug würde schnell an Glanz verlieren.

Sie musste nur tun, was sie immer tat: durchhalten.

Cole griff nach seiner Reisetasche und sprang aus dem Helikopter. Mit einem kurzen Winken verabschiedete er sich von dem Piloten, dann steuerte er zügig auf das Haus zu. Er war gerade im Garten angelangt, als der Hubschrauber sich wieder in die Lüfte erhob.

Nun bin ich also tatsächlich hier.

In einigen Tagen würden die Handwerker mit der Fähre kommen und mit den Renovierungsarbeiten beginnen. Anfang Oktober sollte sein erstes Seminar starten, ein Projekt mit Mitarbeitern aus einer seiner Firmen. Vier Tage lang konnten sie zur Ruhe kommen und sich ganz informell über Ideen und künftige Strategien austauschen – komplett ohne Internetverbindung.

Er hatte für jeden Abend ein erstklassiges Essen geplant, es gab verschiedene Sportangebote, das Team konnte den Whirlpool nutzen oder einfach das Rauschen des Meeres genießen. Es sollte ein völliges Kontrastprogramm zu dem täglichen Stress und Zeitdruck im Büro werden. Hier konnten sie wiederentdecken, warum sie ihren Beruf liebten.

Vor Kurzem hätte er ein solches Programm selbst gut gebrauchen können. Damals hatte er ein Burn-out-Syndrom erlitten und sich eine Weile komplett zurückgezogen.

Spontan ließ er seine Reisetasche an der Tür stehen und schlenderte hinunter zum Strand. Es war nur eine schmale Bucht, eingerahmt von schroffen Felsen, aber dieses kleine Stück genügte ihm völlig. Für einen Tag im September war es ungewöhnlich warm. Cole zog seine Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Jeans hoch und vergrub die Zehen im Sand. Der Wind zerzauste sein Haar, und Cole ließ die salzige Luft tief in seine Lungen strömen. Nur wenige Schritte weiter war er am Meeressaum angekommen. Der Atlantik war eisig, und die Wellen umspülten seine Knöchel, doch das störte ihn nicht.

Ihm erschien es wie die Antwort auf seine Gebete, dass sein Freund und Immobilienmakler Jeremy diese Insel für ihn entdeckt hatte.

Noch vor einem Jahr hatte er in einer schwierigen Phase gesteckt. Er hatte viel zu viel gearbeitet und unmerklich die Fehler seines Vaters wiederholt, obwohl er genau das immer hatte vermeiden wollen. Die Ärzte hatten ihn gewarnt, dass er einen Herzinfarkt erleiden könnte, wenn er nicht kürzertrat. Dabei war er erst fünfunddreißig! Sein Dad war mit dreiundfünfzig an einem Infarkt gestorben.

Cole machte keine halben Sachen. Wenn er sich für etwas einsetzte, dann mit voller Kraft. Doch hier ging es nicht mehr darum, ein Ziel zu erreichen. Hier ging es ums Überleben.

Fast eine Stunde lang blieb er am Strand, sah zu, wie sich die Wellen brachen und ihre Schaumkronen im Sand hinterließen. Dann erst kehrte er zurück zum Haus.

Das Gebäude war riesig – tausend Quadratmeter voller Luxus. In der Garage stand ein Golfcart, mit dem man über die Insel fahren konnte, außerdem ein Aufsitzmäher für das parkähnliche Grundstück und unzählige weitere Gartengeräte. Und eine Schneefräse. Bei der Vorstellung, wie eisig und einsam es hier im Winter sein würde, erschauerte er unwillkürlich. Andererseits … der Gedanke, gemütlich am Kamin zu sitzen, während draußen ein Schneesturm tobte, war durchaus reizvoll.

Unabhängig davon konnte er sowieso nicht das ganze Jahr über hier leben. Schließlich hatte er Verpflichtungen, in seinem Alter war es keine Option, sich zurückzuziehen. Nach dem Tod seines Vaters hatte er dessen Produktionsfirmen übernommen, und er brauchte die Herausforderung, auch wenn er inzwischen einiges an Verantwortung abgegeben hatte.

Etwa ein Drittel des Jahres, so hoffte Cole, würde er auf der Insel verbringen können und sich um die Seminare kümmern, die er hier für seine Mitarbeiter anbieten wollte. Den Rest der Zeit musste er am Hauptsitz von Abbott Industries in Manhattan vor Ort sein.

Seine Möbel standen bereits in der Suite, die er für sich selbst ausgewählt hatte. Die bodentiefen Fenster waren nach Südwesten ausgerichtet. Von hier sah er den Strand und den endlosen Ozean. Zwischen den Bäumen ließ sich der gemauerte Schornstein vom Cottage erahnen.

Cole stellte die Reisetasche ab und trat ans Fenster. Brooklyn Graves. So hieß die Eigentümerin, die sich standhaft weigerte, ihm ihre Parzelle zu verkaufen, damit ihm die gesamte Insel gehörte.

Das verkomplizierte die Dinge. Der Anleger stand ihnen beiden zur Verfügung, was ihn nicht weiter behinderte. Ihr gehörte ein Bootshaus an einer Landzunge der Insel. Cole hatte ein Ehepaar engagiert, das sich um das Haus und den Garten kümmern sollte. Im Moment waren sie in der kleinen Wohnung über der Garage untergebracht, doch es wäre ihm viel lieber, wenn er sie im Cottage unterbringen könnte.

Aber dafür müsste die dickköpfige Miss Graves verkaufen. Was um Himmels willen machte eine alleinstehende Frau überhaupt zwölf Monate im Jahr auf dieser Insel?

Er wusste kaum etwas über sie, außer dass sie einen kleinen Gewerbebetrieb unterhielt – Jeremy hatte etwas von Strickwaren erwähnt, wenn er sich richtig erinnerte – und dass ihre Familie seit Generationen auf der Insel lebte. Vermutlich würde er seinen ganzen Charme aufbieten müssen, um sie zum Verkauf zu überzeugen. Vielleicht sollte ich sie besuchen? Was Jeremy über sie erzählt hatte, klang, als wäre sie der Typ Frau, der ihm Tee und Scones anbieten würde, wenn er spontan bei ihr auftauchte. Strickwaren? Sicher eine sture alte Dame, die sich vom Leben zurückgezogen hatte. Da war vermutlich einiges an Überzeugungskraft nötig.

Auch wenn Cole wenig Lust verspürte, war es bestimmt ratsam, sich ihr so bald wie möglich vorzustellen. Je mehr Zeit er verstreichen ließ, umso schwieriger würde es werden. Auf jeden Fall stellte er sich auf einen kühlen Empfang ein.

Nach einem letzten Blick aus dem Fenster beschloss er, den Stier bei den Hörnern zu packen. Jetzt sofort. Er würde zu ihr gehen und das Eis brechen. Am besten war es wohl, den Verkauf zunächst nicht zu erwähnen.

Der Vorgarten sah auch um diese Jahreszeit noch wundervoll aus. Die gepflegten Rasenflächen umrahmten Beete mit farbenprächtigen Stauden. An der Auffahrt bogen sich zarte Gräser, Goldraute und dunkelrote Astern im Wind. Die Blätter der Birken begannen, sich gelb zu verfärben, während die Ahornbäume noch grün belaubt waren.

Der Weg zum Cottage dauerte gut zehn Minuten, und Cole genoss den kurzen Spaziergang. Als das kleine, weiß getünchte Bauernhaus unvermittelt unter ihm auftauchte, blieb er stehen. Das Haus war alt, aber gepflegt. Die Umrandung der Veranda war frisch gestrichen, auf den Steinstufen standen üppig bepflanzte Blumentöpfe. Das Cottage wirkte völlig unspektakulär, gleichzeitig aber einladend und gemütlich, fast ein bisschen aus der Zeit gefallen. Das Einzige, was fehlte, war …

Jetzt hörte er Hundegebell, und schon kam ein Retriever um die Ecke geschossen, direkt auf ihn zu. Gut, ein Hund fehlte also nicht in dieser Szenerie. Der Vierbeiner machte dieses Bild so perfekt, dass Cole am liebsten die Augen verdreht hätte. Mit heraushängender Zunge lief der Hund auf ihn zu, wedelte freudig mit dem Schwanz und setzte sich. Ganz offensichtlich erhoffte er sich ein paar Streicheleinheiten.

Und Cole konnte nicht widerstehen – er liebte Hunde.

„Na, du bist ja ein guter Junge“, begrüßte er den Retriever und kraulte ihn. Nur kurz blieb dieser bei ihm, dann rollte er sich übermütig im Gras und streckte seinen Bauch vor. Lachend kniete sich Cole vor ihn und tätschelte seine Unterseite.

„Marvin, komm her …“

Eine strenge Stimme durchbrach die Harmonie, und sofort erhob Cole sich. Marvin tat es ihm gleich und rannte zum Haus zurück, woher die Stimme gekommen war.

Als Cole Marvins Frauchen entdeckte, waren all die Begrüßungsfloskeln, die er sich auf dem Weg überlegt hatte, wie weggeblasen. Er hatte eine Frau mittleren Alters erwartet, wenn nicht älter. Eine … alte Jungfer. Auf keinen Fall aber eine Mittdreißigerin mit goldfarbenem Haar, deren lange Beine in schmalen Jeans steckten.

Das war Brooklyn Graves?

„Sie sind Mr. Abbott“, stellte sie fest.

Erst jetzt wurde ihm klar, dass er sie sekundenlang schweigend angestarrt hatte. Wortlos nickte er, fing sich wieder und trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Ja, Cole Abbott. Schön, Sie endlich kennenzulernen.“

Mehr als schön. Wow.

Ohne den Anflug eines Lächelns ergriff sie seine Hand. Als er nähertrat, bemerkte er, dass sich ein paar Sommersprossen über ihren Nasenrücken zogen. Ihre Augen waren von einem unfassbar strahlenden Blau. Ihr Händedruck war warm und fest, und die raue Handinnenfläche verriet, dass sie durchaus zupacken konnte.

Sie ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Abbott?“

„Bitte, nennen Sie mich Cole.“ Er schenkte ihr ein verbindliches Lächeln, doch sie blieb ungerührt. „Immerhin sind wir ja nun Nachbarn.“

„Aber das möchten Sie ja am liebsten ändern“, gab sie schulterzuckend zurück. „Lassen Sie uns deshalb gleich zur Sache kommen – ich bin nicht an einem Verkauf interessiert.“

Cole brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, ehe er darauf reagieren konnte. Dann brachte er immerhin ein schmales Lächeln zustande. „Das weiß ich bereits, Miss Graves. Und tatsächlich bin ich einfach nur hierhergekommen, um mich vorzustellen. Denn ich befürchte, dass die Insel uns noch kleiner vorkommen wird als sie ist, wenn wir nicht miteinander reden.“

„Sobald Sie mir mein Land nicht mehr abkaufen wollen, können wir die besten Freunde sein“, erwiderte sie und legte herausfordernd die Hand an die Hüfte. Marvin wich ihr nicht von der Seite – alles an ihm strahlte Treue und Gehorsam aus.

Cole beschloss, mit offenen Karten zu spielen. Zum einen, weil er das beklemmende Gefühl hatte, dass sie ihn durchschaute. Zum anderen, weil er wusste, dass Lügen kurze Beine haben.

Also tauschte er die freundlich-verbindliche Miene gegen eine geschäftsmäßige. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Natürlich möchte ich Ihr Anwesen am liebsten kaufen.“ Er beschloss, es könne nicht schaden, ihr die Entscheidung ein bisschen zu versüßen. „Mein Angebot ermöglicht es Ihnen, sich irgendwo anders sehr komfortabel niederzulassen.“

Sein bisheriges Angebot lag bei dreihundertfünfzigtausend Dollar – nicht schlecht für ein Haus, das dringend renoviert werden musste, und eine Anlegestelle, die ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hatte.

„Wäre Ihnen mein Anwesen eine Million Dollar wert?“

Mit scharfem Blick wartete sie auf seine Reaktion, doch Cole war lange genug Geschäftsmann, um seine Miene im Griff zu haben. Am liebsten hätte er kurz aufgelacht.

Für die restliche Insel hatte er sieben Millionen gezahlt und diese Summe als Schnäppchen empfunden. Ihr gehörte höchstens ein Sechstel des Eilandes, dennoch war eine Million nicht so abwegig, insbesondere, weil der Kauf ihm den Zugang zum Hafen sicherte.

„Das wäre vorstellbar.“ Himmel, wenn er diese Frau für eine Million Dollar loswurde, würde er die Summe mit links bezahlen. Jeremy war derjenige gewesen, der das Kaufangebot möglichst niedrig hatte halten wollen. Cole hatte kein Problem damit, den Preis zu erhöhen. „Ja, ich würde Ihnen eine Million Dollar zahlen.“

Ohne eine Miene zu verziehen, starrte sie ihn an, dann wandte sie sich ab. „Das glaube ich kaum“, meinte sie und ging zurück zum Haus. „Komm, Marvin.“

Sofort sprang der Hund auf und trottete ihr hinterher, während Cole perplex zurückblieb. Wortlos sah er ihr nach, wie sie die Fliegengittertür öffnete, wartete, bis Marvin im Haus war, und die Tür dann mit einem lauten Knall zufallen ließ.

Okay, die ersten beiden Runden gingen an Miss Graves. Aber das Spiel war noch nicht vorbei. Cole war es gewohnt zu bekommen, was er wollte. Das hier war nicht mehr als eine weitere Herausforderung für ihn.

2. KAPITEL

Brooklyn saß in ihrem Lieblingssessel. Ihre Stricknadeln klapperten, und das Wollknäuel am Boden rollte sich mit jeder Reihe, die sie strickte, weiter ab. Für den Schal, den sie für sich selbst strickte, hatte sie sich für ein ebenso schönes wie einfaches Muster entschieden. Sie hielt kurz inne, um ihr Werk zufrieden zu betrachten.

Die Handarbeit beruhigte sie, und das tat ihr gut. Nach dem Gespräch mit Cole Abbott hatte sie gestern fast eine halbe Stunde hinter der geschlossenen Tür gestanden und am ganzen Körper gezittert. Auch wenn sie hart und unnachgiebig auftreten konnte, hasste sie Streitigkeiten. Sie raubten ihr Kraft und brachten sie nicht selten an den Rand einer Panikattacke.

Als spürte er, dass es ihr nicht gut ging, war Marvin den ganzen Abend nicht von ihrer Seite gewichen. Seine Nähe schenkte ihr Trost. Brooklyns Therapeutin hatte angeboten, ihr einen Hund zu besorgen, der für ihre Zwecke geschult war, doch sie hatte abgelehnt. Sie liebte Marvin, und sie hatte bereits spürbare Fortschritte gemacht, seit sie die Therapie begonnen hatte.

Auf die Insel zurückzukehren, war zunächst nur eine Flucht gewesen. Inzwischen aber liebte sie das Leben, das sie sich hier aufgebaut hatte. Gut, gelegentlich fühlte sie sich einsam, aber es gab Schlimmeres. Sie hatte sich ihr Leben genauso eingerichtet, wie sie es wollte. Ohne Überraschungen.

Während sie ihre Gedanken schweifen ließ, wurden ihre Handbewegungen unwillkürlich langsamer. Mit Ernest und seiner weitläufigen Verwandtschaft hatte sie sich wunderbar arrangiert. Und auch wenn sie es nie jemandem gegenüber zugeben würde, hatte der Gedanke, nicht allein auf der Insel zu leben, etwas Beruhigendes gehabt. Dass sie das auch über Cole Abbott würde sagen können, bezweifelte sie. Seine Gegenwart bedrohte das Leben, das sie sich hier aufgebaut hatte.

Vielleicht sollte sie morgen mal wieder aufs Festland fahren und ein bisschen ausgehen. Ein paar Lebensmittel einkaufen, sich auf einen Kaffee mit Delilah oder Jen treffen. Die beiden Schwestern führten den Handarbeitsladen, in dem sie ihre Wolle kaufte.

Sie musste nur ein bisschen geduldig sein. Mr. Nobel würde nicht für immer bleiben. Ganz sicher war die Insel für ihn nur ein weiteres Spielzeug in seinem Luxusleben, dessen er bald überdrüssig wäre. Wenn sie auf Zeit spielte, musste sich an ihrem Leben nichts ändern. Irgendwann würde es wieder so sein wie vor Cole Abbott.

Frühnebel lag über der Insel, doch gegen zehn brach die milde Septembersonne durch und erwärmte die Luft. Brooklyn hatte sich ihre große Tasche über die Schulter gestreift und die fünf Pakete mit Strickwaren so aufeinandergestapelt, dass sie alle problemlos tragen konnte. Sie vertrieb ihre Handarbeiten auch in einem eigenen Onlineshop und versandte sie in alle Welt.

Als sie um die Kurve ging und den Hafen vor sich sah, stutzte sie. Am Kai lag ein weiteres Boot. Cole stand am Steg und unterhielt sich mit einem Fremden, der hin und her lief und Fotos mit seinem Smartphone schoss.

Was zum Teufel machten die beiden Männer da? Es brachte Brooklyn aus dem Gleichgewicht, Cole zu sehen, obwohl sie natürlich jederzeit damit rechnen musste – der Zugang zum Hafen gehörte schließlich ihnen beiden.

Sie musste zugeben, dass ihr sein Anblick in der ausgeblichenen Jeans und seiner dunkelblauen Windjacke gefiel. Er wirkte so … normal.

Als er sie entdeckte, ging ein Lächeln über sein Gesicht, und er winkte. „Miss Graves, guten Morgen.“

„Guten Morgen“, grüßte sie zurück und wünschte, sie hätte Marvin an die Leine genommen, denn der Hund war sofort zu Cole gerannt, als er dessen Stimme gehört hatte.

Verräter.

„Marvin, komm her“, rief sie, doch der Retriever ließ sich gerade hinter den Ohren kraulen und gab vor, sie nicht zu hören. Seufzend trat Brooklyn auf den Steg.

„Verwöhnen Sie ihn nicht zu sehr, er bekommt nie genug, wenn man ihn streichelt“, sagte sie, um einen freundlichen Ton bemüht. Sie wollte der Stimmung zwischen ihnen ein wenig die Spannung nehmen – was nicht bedeutete, dass sie ihre Meinung geändert hatte.

„Marvin ist so ein freundlicher Kerl, da kann ich nicht widerstehen“, erwiderte Cole. Sie fragte sich, ob er zwischen den Zeilen andeuten wollte, dass ihr Hund viel netter sei als sie. Nun, da hatte er nicht unrecht.

„Gibt’s Probleme?“, erkundigte sie sich und sah den anderen Mann erwartungsvoll an. Dieser war mittlerweile bis zum Ende des Stegs gegangen und schrieb etwas in sein Notizbuch.

„Oh, das ist Mike. Hey, Mike, darf ich dir Brooklyn Graves vorstellen? Wir teilen uns den Hafen.“

Mike trat auf sie zu und reichte ihr die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Brooklyn.“

„Mike will ein paar Dinge reparieren und umbauen“, wandte Cole sich an sie. „Der Anleger reicht für meine Planungen nicht aus.“

Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Zugegeben, der Anleger war alt, aber er war stabil und tadellos in Schuss.

Brooklyn balancierte die Pakete in einer Hand und reichte Mike die andere. „Was für Umbauarbeiten?“, hakte sie nach.

„Im Moment können hier noch keine größeren Fähren anlegen“, erklärte Cole. „Darum habe ich Mike gebeten, den Anleger zu erweitern und gleichzeitig ein paar Reparaturen durchzuführen.“

Seine Dreistigkeit schockierte und verblüffte sie. „Ihnen ist bewusst, dass der Hafen uns beiden gehört?“

Völlig unbeeindruckt schenkte er ihr ein charmantes Lächeln. „Natürlich. Für Mike ist es kein Problem, die Rechnung zu splitten.“

Eine weitere Schockwelle durchfuhr sie. Die Kosten teilen? Wie sollte sie das bezahlen? Panik stieg in ihr auf. Doch sie schaffte es, ihren Stolz die Oberhand gewinnen zu lassen.

„Solche Entscheidungen können Sie nicht treffen, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben.“

Angesichts ihres scharfen Tonfalls zog Marvin sich von Cole zurück und setzte sich neben Brooklyn. Mike zog sich diskret zurück und machte sich angelegentlich am Ende des Stegs zu schaffen.

„Nun, ich kann die Rechnung selbstverständlich allein bezahlen, wenn …“

Mit schmalen Lippen sah sie ihn an. „Wenn ich Ihnen mein Grundstück verkaufe, richtig? Dafür das ganze Theater? Ich bleibe hartnäckig, also treiben Sie mich mit sinnlosen Reparaturkosten in den Ruin?“ Hastig überschlug sie ihre Ersparnisse, dann hob sie das Kinn. „Muss ich meinen Anwalt einschalten, Mr. Abbott?“

Ganz sicher konnte er keine Reparaturaufträge vergeben, ohne dass sie sie auch unterschrieb. Heiß brannte der Zorn in ihren Adern. Warum waren erfolgreiche, wohlhabende Menschen immer überzeugt, dass sie ihren Willen durchsetzen konnten?

„Tja, Miss Graves …“

„In diesem Fall, Mister Abbott, werde ich nicht einmal für zwei Millionen Dollar an Sie verkaufen.“ Sie trat einen Schritt zurück. „Meine Urgroßeltern waren die ersten Menschen, die auf dieser Insel gelebt haben. Mein Uropa war Fischer, genau wie sein Vater. Meine Großeltern haben hier fünf Kinder großgezogen, und auch ich habe jeden Sommer hier verbracht, als ich klein war. Ich kenne jeden Quadratmeter dieser Insel und würde mich hier selbst im Schlaf besser zurechtfinden als Sie.“

Wütend funkelte sie ihn an. „Mag sein, dass meiner Familie nicht mehr die gesamte Insel gehört. Aber diese kleine Ecke, auf der seit Generationen das Cottage steht, ist ein Teil von mir. Und ich bin unverkäuflich.“

Ihre Hände zitterten, und sie umklammerte die Pakete fester, während sie ihn anstarrte.

„Verstanden“, gab er ruhig zurück.

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Ich werde mit meinem Boot aufs Festland fahren. Marvin, komm.“

Dieses Mal gehorchte der Hund sofort und folgte ihr auf den Fuß.

Mit sicherem Schritt ging sie über den Steg, löste die Leinen, sprang an Bord, verstaute ihre Pakete und startete den Motor. Erst als sie außer Sichtweite der beiden Männer war, erlaubte Brooklyn es sich, tief durchzuatmen und die Schultern zu lockern.

Es ging ihr gut. Das hatte nichts mit … dem anderen zu tun. Cole Abbott hatte keine Waffe, mit der er sie bedrohte. Sie war nicht in Gefahr. Noch einmal blickte sie zurück, doch von Cole und Mike war nichts mehr zu sehen. Es schien fast so, als hätte die Begegnung niemals stattgefunden.

Doch auch wenn ihr neuer Nachbar sie nicht persönlich bedroht hatte, brachte er doch ihr Leben, das sie sich auf der Insel aufgebaut hatte, und die damit verbundene Sicherheit in Gefahr. Und der Gedanke, etwas verändern zu müssen, erschreckte sie zutiefst.

Wie oft kann jemand neu anfangen? Vielleicht hatte sie in der Vergangenheit zu früh aufgegeben. Aber nicht dieses Mal. Sie würde mit Händen und Füßen für das kämpfen, was ihr wichtig war. Und wenn sie ihre wenigen Ersparnisse antasten musste, um einen Anwalt einschalten zu können, dann würde sie es eben tun.

Wieder hatte er alles verdorben. Dabei hatte Cole sich fest vorgenommen, dass das Gespräch mit Brooklyn dieses Mal völlig anders verlaufen sollte. Der Plan war gewesen, mit der Reparatur des Stegs seinen guten Willen zu zeigen. Doch sie hatte seinen Scherz, sie könne sich gern an den Kosten beteiligen, ernst genommen. Und nun wollte sie ihm einen Anwalt auf den Hals hetzen. Das war gründlich misslungen.

Auch Cole war nach dem Wortgefecht aufs Festland gefahren. Nun saß er in Jeremy Fishers großer Küche und trank einen Kaffee mit einem seiner beiden besten Freunde. Zu ihrem Trio gehörte außerdem noch Branson Black, doch er war im Moment in New York, weil er sein Haus dort verkaufen wollte.

Jeremy war der Erste von ihnen gewesen, der sein Glück in Neuschottland gefunden hatte. Mittlerweile lebte er hier mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Baby. Seit Brandon sich in die Künstlerin Jessica Blundon verliebt hatte, der er auf seinem Landsitz an der Küste begegnet war, schwebte auch er auf Wolken.

Für Cole dagegen spielte sich in Liebesdingen momentan nichts ab, doch das war in Ordnung. Kurzfristig zumindest. Er hatte sowieso viel zu wenig Zeit für eine Beziehung.

„Sie hat dir tatsächlich mit einem Anwalt gedroht?“, nahm Jeremy den Faden wieder auf. Er hatte seine kleine Tochter aus dem Bettchen geholt, die von ihrem Mittagsschlaf erwacht war. Cole hatte sich immer noch nicht an den Anblick seines Freundes als Vater gewöhnt.

„Genau“, bestätigte er. „Eigentlich wollte ich ihr sofort erklären, dass ich natürlich die Kosten übernehme. Aber sie war so kratzbürstig, dass ich zurückgefeuert habe. Sie nimmt es mir ziemlich übel, dass ich ihr Grundstück kaufen will.“ Nachdenklich trank er einen Schluck Kaffee. „Heute Morgen hat sie mir erklärt, sie werde es nicht einmal für zwei Millionen Dollar verkaufen.“

Autor

Donna Alward

Als zweifache Mutter ist Donna Alward davon überzeugt, den besten Job der Welt zu haben: Eine Kombination einer „Stay-at-home-mom“ (einer Vollzeit – Mutter) und einem Romanautor. Als begeisterte Leserin seit ihrer Kindheit, hat Donna Alward schon immer ihre eigenen Geschichten im Kopf gehabt. Sie machte ihren Abschluss in Englischer Literatur...

Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

South Shore Billionaires