Ein pikanter Deal

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"Verschlägt Ihnen mein Angebot die Sprache oder ist es mein Charme?" Empört mustert Julia den Mann neben sich. Was bildet dieser Ferro Calvaresi sich ein? Erst entführt ihr sexy Erzrivale sie in seiner Limousine, dann will er, dass sie zusammenarbeiten - und nun flirtet er auch noch mit ihr! Leider könnte ihr ohne Ferro tatsächlich ein Milliardenauftrag entgehen. Nur deswegen ist die Unternehmerin zu Verhandlungen bereit. Julias Wangen glühen vor Aufregung, als der Wagen die Tore seiner Villa passiert. Doch ihr wird noch heißer, als Ferro die pikanten Details des Deals verrät …


  • Erscheinungstag 31.03.2015
  • Bandnummer 2173
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701543
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„In Bezug auf Design und Nutzerfreundlichkeit ist unser neues Betriebssystem der Konkurrenz meilenweit voraus.“ Julia Anderson drehte sich um und zeigte auf eine HD-Leinwand hinter sich, wo die Benutzeroberfläche ihres Computerbildschirms dargestellt war – für Tausende von Zuschauern im Publikum und Millionen von ihnen, die die Präsentation weltweit vor dem Fernseher und im Internet verfolgten. „Es ist übersichtlich, leicht zu bedienen und ansprechend gestaltet, weil wir wissen, dass dies unseren Kunden wichtig ist. Technologie sollte sich nicht nur auf Leitungen und Leistungen konzentrieren, sondern vor allem auf Menschen.“

Sie lächelte für die Kameras und wusste, wie gut sie an ihrem großen Tag aussah. Gott sei Dank hatte sie einen persönlichen Stilberater, einen Friseur und ein Make-up-Team, die sich um sie kümmerten. Auf sich selbst gestellt war sie, was Styling betraf, ein hoffnungsloser Fall. Doch mit Hilfe einer Armee von Profis, die alles daransetzten, Julia ins rechte Licht zu rücken, konnte sie der Welt – und heute war es wortwörtlich die Welt – selbstbewusst gegenübertreten.

„Das Design ist jedoch nicht alles.“ Julia holte noch einmal tief Luft und blickte konzentriert auf ihren Computerbildschirm. „Das Wichtigste ist Sicherheit. Die neue Firewall unseres Betriebssystems ist sicherer als alle anderen auf dem Markt. Sie ist in der Lage, komplizierteste Arten von Viren zu finden und unschädlich zu machen. So sind ihre persönlichen Daten bestens geschützt.“

Der Bildschirm ihres Computers flackerte plötzlich auf, und ein Video öffnete sich. Erst war es nur klein, doch dann vergrößerte es sich so sehr, dass es schließlich den gesamten Monitor einnahm. Julia erstarrte. Alle Augen waren auf sie und die übergroße Leinwand hinter ihr gerichtet. Denn auch dort war das Video deutlich zu sehen.

„Sicher? Ich finde das keine sehr passende Beschreibung für Ihr System, Miss Anderson. Vielleicht ist es sicher, weil sich kein Hacker für Anfalas-Produkte interessiert. Jeder Nutzer, der etwas von sich hält, verwendet Datasphere. Und damit kann er sich dann direkt in Ihr Betriebssystem einhacken.“

Julia fühlte, wie sich eine seltsame Hitze auf ihrer Haut ausbreitete. Von ihrem Hals bis zu ihrem Gesicht. Ferro Calvaresi war ein unglaublicher Quälgeist. Obwohl sie gerechterweise zugeben musste, dass sie sich ihm gegenüber nicht besser verhielt. Und auch nicht Scott Hamlin gegenüber, der von Ferro ebenso genervt war wie Julia selbst. Im Grunde genommen waren sie einfach drei Technikgenies, die einander das Leben schwer machten. Doch das hier ging zu weit.

Ferros makelloses Gesicht beherrschte mittlerweile nicht nur den Bildschirm, sondern die gesamte Produktpräsentation. Mit einem selbstgefälligen Lächeln wies er Julia und ihr Publikum nochmals auf die Schwächen der Firewall hin.

„Sie verkörpern nicht unbedingt einen durchschnittlichen Hacker, Mr Calvaresi“, entgegnete Julia und versuchte ruhig zu bleiben. Doch ihr war schmerzhaft bewusst, dass man sie soeben vor den Augen der gesamten Welt gedemütigt hatte. Die Vorstellung ihres neuen OS-Betriebssystems war die Nachricht des Tages. So wie die Vorstellung jedes neuen Anfalas-Produktes die Nachricht des Tages war. Und Ferro hatte alles ruiniert. „Man braucht einen Abschluss als Informatiker, um Datasphere überhaupt zum Laufen zu bringen. Anfalas-Computer hingegen sind für jeden Nutzer zu verstehen.“

„Und Ihr Nutzer wurde soeben gehackt. Ich frage mich, was Ihr Computer so über Sie preisgibt. Vielleicht ein paar Kontoinformationen, auf die ich zugreifen könnte?“

Julia gab den Technikern mit einer heftigen Handbewegung zu verstehen, dass sie die Verbindung zwischen dem Computer und der Leinwand kappen sollten. Augenblicklich ging das Licht der Leinwand aus, und auch Ferros Stimme war für das Publikum plötzlich nicht mehr zu vernehmen. Nur Julia konnte ihn auf ihrem Laptop noch hören und sehen.

„Wir sind hier fertig“, erklärte sie ihrem Rivalen mit zusammengebissenen Zähnen, während sie ihm durch die Computerkamera noch einen letzten vernichtenden Blick zuwarf.

Dann blickte sie zu ihren Gästen zurück. „Ich möchte mich für dieses Theater entschuldigen. Sie wissen ja, wie Konkurrenz sein kann. Meistens werden derartige Spielchen genutzt, um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.“ Eine Welle nervösen Gelächters erhob sich im Raum.

Die Presseleute rutschten auf ihren Plätzen in der ersten Reihe hin und her, doch noch wagten sie es nicht, Fragen auf Julia loszufeuern. Sie wussten, dass sie Unterbrechungen erst nach ihren Präsentationen zuließ. Zumindest sie hielten sich daran.

Grrrrr.

In Sekundenschnelle brachten die Techniker einen neuen Computer, und so konnte die Präsentation weitergehen. Nachdem das Thema Sicherheit jedoch durch die jüngsten Vorfälle ein wenig ins Wanken geraten war, entschied sich Julia, mit der Ultra HD-Auflösung der neuen Monitore fortzufahren. Sie zeigte Beispiele für die hervorragende Foto- und Musiksoftware, Anwendungen, auf die die Mehrheit ihrer Kunden großen Wert legte. Als sie endlich fertig war, beschloss sie, an diesem Tag vor der Presse zu fliehen.

„Wo steht das Auto?“, fragte sie ihren Assistenten.

„Am Hinterausgang. Die Presse habe ich durch ein zweites Auto am Vorderausgang ablenken lassen.“ Thad entfernte Julia etwas von der Schulterseite ihres schwarzen T-Shirts. „So schlimm, dass dir die Haare ausfallen müssen, war es nun auch wieder nicht“, sagte er lächelnd.

„Danke.“ Für alles. In diesem Moment hätte Julia am liebsten die Arme um den Hals ihres Assistenten geschlungen und losgeweint. Doch Thad hätte ihr das sicher ausgeredet, weil sie dadurch ihr Make-up verschmieren würde. Außerdem war es nicht gut, Schwäche zu zeigen. Denn die Schwachen wurden ohne Skrupel niedergemacht – im Geschäftsleben und überall sonst. Julia wusste das nur allzu gut und hatte seit Langem beschlossen, sich nie wieder anmerken zu lassen, wie verletzlich sie war.

Sie wollte an diesem Abend nur noch in ihre Villa fahren, dort aus dem großen Wohnzimmerfenster die Aussicht auf die Meeresküste genießen und dabei eine ganze Packung Eiskrem essen. Oh ja, das würde helfen. Und dann … oh, und dann würde sie ihren Rachefeldzug gegen diesen unausstehlichen Ferro Calvaresi planen.

Julia öffnete die Tür, stieg in die wartende Limousine und verriegelte das Auto mit einem Knopfdruck.

„Hallo.“

Sie hatte das Gefühl, dass ihr Kopf sich aus eigenem Antrieb zur Seite drehte, bevor ihr Kiefer nach unten klappte. Neben ihr auf der Rückbank saßen – wie immer blendend aussehend – Ferro und sein selbstgefälliges Lächeln.

„Was …? Was tun Sie in meinem Auto?“

„Es ist mein Auto. Diese Limousinen sehen alle gleich aus.“

„Und was genau haben Sie mit meiner Limousine gemacht?“

„Ich habe Ihren Fahrer fortgeschickt und ihm gesagt, dass Sie ein Meeting haben. Mit mir.“

„Damit Sie sich für diese unglaublich blöde Nummer entschuldigen können, die Sie vorhin abgezogen haben?“

„Wir wollen doch nicht kleinlich sein. Haben Sie schon vergessen, was während meiner letzten Produktpräsentation geschehen ist?“

Julia biss sich auf die Unterlippe. „Was denn?“

„In allen Geschenktaschen bei der Produktvorstellung von Dataspheres neuem Smartphone war Ihr OnePhone versteckt. Und dann dieser dämliche Slogan, der plötzlich an die Wand projiziert wurde …“

„OnePhone für alle.“ Julia lachte. „Der Spruch wird nie alt.“

„Er ist alt.“

„Da bin ich anderer Meinung. Abgesehen davon war Ihre Präsentation nicht annähernd so gut wie meine. Da waren doch nur ein paar Technikfreunde, die die Leistungskraft ihrer Rechner verbessern wollten. Meine Präsentationen sind Weltereignisse.“

„Nur weil Sie um jedes Produkt, das auf den Markt kommt, so einen Riesenwirbel machen.“

„Das ist Teil unserer Firmenphilosophie. Eine Art Kundenservice. Die Menschen mögen das. Mein Unternehmen ist ein Trend, Calvaresi. Vielleicht sollten Sie das auch einmal versuchen.“

„Ein Trend, ja? Warum fragen Sie nicht mal die Fönwelle, was mit Trends so passiert?“

„Anfalas ist ein Trend, der sich weiterentwickelt“, konterte Julia. „Unsere Produkte bleiben beliebt.“ Sie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, als das Auto sich in Bewegung setzte. „Wohin fahren wir?“

„In mein Büro.“

„Ich habe für heute genug gearbeitet.“

„Nein, Julia, das haben Sie nicht. Nicht wenn Sie die Chance Ihres Lebens nutzen möchten.“

Julia senkte den Blick. „Die hatte ich vorhin bei der Produktpräsentation.“

„Ich biete Ihnen eine Chance, die niemals wiederkommt.“

„Sie scheinen sehr von sich überzeugt.“

Ferro blickte Julia mit seinen dunklen Augen an, und ein Lächeln umspielte seine schönen Lippen. „Sie haben eine Nachricht von Barrows erhalten.“

„Woher wissen Sie das?“

Seine Augen blitzten belustigt auf. „Ich war mir bis eben nicht ganz sicher. Doch er hat uns alle kontaktiert. Sie, mich und Hamlin. Wir alle sind auserwählt worden, ein neues Navigationssystem für eine Flotte von Hamlins Luxusautos zu entwickeln.“

„Ach ja?“, fragte Julia und versuchte, gleichgültig zu klingen. Barrows’ Angebot war das größte Projekt gewesen, das man Julia seit der Entwicklung des OnePhones – und damit des bestverkauften Smartphones aller Zeiten – vorgeschlagen hatte. Eine weitere Möglichkeit, eine ihrer Erfindungen dem weltweiten Markt zugänglich zu machen. Eine echt große Sache. Doch offensichtlich hatte sie mit mächtiger Konkurrenz zu kämpfen, wenn sie sich auf dieses Angebot einließ.

„Ach ja. Und ich kann Ihnen und Ihrer Firma helfen, das beste Navi zu bauen.“

„Ich brauche Ihre Hilfe nicht.“

Ferros Gesichtsausdruck blieb unverändert. „Doch, Julia. Ich habe Sie heute bis auf die Knochen blamiert. Sie brauchen meine Hilfe mehr, als Sie vielleicht glauben.“

Julia knirschte mit den Zähnen. Sie hasste es, dass Ferro genau wusste, was er ihr angetan hatte.

„Und Sie würden dadurch mehr Zeit mit mir verbringen“, erklärte er mit einem weiteren gewinnenden Lächeln. Himmel. Er war eine Nervensäge. Und er sah umwerfend aus. Was noch mehr nervte.

„Warum? Wenn Sie sich öfter so verhalten wie vorhin, würde ich nicht besonders gerne Zeit mit Ihnen verbringen.“

„Die meisten Frauen verbringen sehr gerne Zeit mit mir.“

„Die meisten Frauen leiten auch keine Firma, die mit Ihrer darum wetteifert, das beste Softwareunternehmen der Welt zu sein. Ganz einfach.“

„Die meisten Frauen sind auch nicht so ein Quälgeist wie Sie. Aber ich bin bereit, darüber hinwegzusehen. Zum Wohle aller.“

„Zum Wohle aller?“

„Lassen Sie mich ganz ehrlich sein. Ich kann diesen Auftrag alleine nicht bekommen. Und Sie können das auch nicht. Meinen Produkten fehlt die unkomplizierte Handhabung, die Ihre Technologie an den Tag legt.“

„Ihre Produkte sind nicht nutzerfreundlich.“

„Meine Firma hat sich eben nicht auf ein Massenniveau herabgelassen.“

„Sie sind ein Snob.“

„Wie dem auch sei …“, fuhr Ferro fort, „… meine Firma kann die notwendige Technik nicht bieten, um die Navigationsgeräte einfach und übersichtlich zu gestalten. Die Produkte Ihrer Firma hingegen lassen sich knacken. Sie wissen, dass meine Prozessoren besser arbeiten als Ihre und dass sie länger halten. Und Hamlin … nun ja … er ist in der Lage, eine zweitklassige Version meines Prozessors und Ihrer Benutzeroberfläche herzustellen. Nichts wirklich Gutes, doch sein Prozessor ist besser als Ihrer, und seine Benutzeroberfläche ist besser als meine.“

„Und woher wissen Sie das?“

„Durch Firmenspionage. Woher sonst?“

„So etwas macht man nicht.“

„Als hätten Sie es noch nie getan!“

Julia blickte schnell aus dem Fenster in die wunderschöne Landschaft Südkaliforniens hinaus. Das Auto fuhr durch sanfte Hügel, entlang an weiß gestrichenen Stuckmauern, hinter denen sich Häuser mit roten Dächern verbargen. Und dahinter das saphirblaue Meer. Obwohl sie bereits seit sieben Jahren hier wohnte, raubte dieser Anblick Julia noch immer den Atem. Er war es, der sie bei ihrer Ankunft in ihrem neuen Leben begrüßt hatte. Bei ihrem Neustart.

Zum Glück wurde sie der wunderschönen Landschaft niemals überdrüssig, und so konnte sie sich ein wenig von Ferro und all seinen Fragen, seinem Lächeln und dem frischen, herben Duft seines Aftershaves ablenken.

Denn all das war im sicher verriegelten Raum der Limousine nur schwer zu ignorieren. Die meisten Technikfreaks rochen immer so, als würden sie in einer Höhle leben. Einige von ihnen hatten sogar schon in jungen Jahren einen Buckel, weil sie ständig über die Tastatur gebeugt saßen. Hätte sie selbst keinen Stilberater gehabt, wäre es Julia wohl ebenso ergangen. Denn offen gesagt, hatte sie sich in ihrem Leben viel lieber damit beschäftigt, Daten zu ver- und entschlüsseln, als sich um ihr Äußeres zu kümmern.

Ferro hingegen war anders. Von ihm ging eine mühelose Art von Charme und Sexappeal aus, die für die meisten Menschen mit seiner Intelligenz unerreichbar waren. So wie auch für Julia.

Für sie stand fest, dass sie Sexappeal nicht einmal mit professioneller Hilfe erreichen konnte. Es wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

„Ich werte Ihr Schweigen als Zustimmung und komme gleich zur Sache“, unterbrach Ferro ihre Gedanken. „Ich will nicht, dass Hamlin den Auftrag bekommt – aus dem einfachen Grund, weil ich ihn haben möchte. Ich bin überzeugt, dass es Ihnen ähnlich geht.“

„Ja“, stimmte Julia leise zu, während sie noch immer auf die Küste hinausstarrte. Als sie bemerkte, dass die Limousine in Richtung der Berge fuhr, drehte sie sich um und blickte Ferro an. „Ich dachte, wir fahren zu Ihrem Büro?“

„Zu meinem Homeoffice.“

Julia runzelte die Stirn. „Warum?“

„Ich werde nicht riskieren, meine Zusammenarbeit mit Ihnen öffentlich zu machen, bevor ich weiß, wie das Ganze genau ablaufen wird.“

„Für jemanden, der soeben eine Art Partnerschaft vorgeschlagen hat, benutzen Sie ziemlich häufig das Wort ich.“

„Ist das ein Problem für Sie?“, fragte Ferro und zog seine dunklen Augenbrauen hoch.

„In einem Team sagt man wir, Calvaresi. Vielleicht haben Sie das schon einmal gehört.“

„Das ist nichts als ein Klischee.“

„Es gibt gute Gründe für Klischees. Die meisten von ihnen sind wahr.“

„Nicht unbedingt.“

Die Limousine bog um eine Ecke und fuhr schließlich auf ein Tor zu, das an den Hochsicherheitstrakt eines Staatsgefängnisses erinnerte. Dahinter befand sich – nahezu verborgen hinter Palmen und riesigen Topfpflanzen – ein Haus mit einer weißen Stuckfassade.

Ferro lehnte sich aus dem Fenster der Limousine und drückte seinen Daumen auf einen Scanner. Sein Fahrer tat dasselbe. „Jetzt Sie“, forderte er Julia auf.

„Das System kennt meine Abdrücke doch nicht.“

„Ich weiß“, entgegnete Ferro. „Es wird Ihnen auch nicht möglich sein, mit Ihrem Fingerabdruck das Tor zu öffnen. Aber ich habe ein Verzeichnis mit den Daten meiner Besucher angelegt.“

„Ein Verzeichnis mit Fingerabdrücken? Sie sind paranoid.“

„Ich habe meine Gründe.“

Julia reagierte mit einem Schulterzucken. Doch irgendwie konnte sie Ferro verstehen. Sie selbst stellte ja den perfekten Grund für seine Paranoia dar. Betriebsspionage war in ihrem Job etwas ganz Alltägliches. Auch wenn es sich nicht besonders gut anfühlte.

„Sie sind dran. Hand auf den Scanner.“

Julia blickte über Ferro hinweg zu seinem Seitenfenster. „Um das zu tun, müsste ich mich über Sie beugen …“

Seine Augen blitzten amüsiert auf. „Ja. Beugen Sie sich über mich, um es zu tun.“

Julia wich seinem Blick aus. Ihre Wangen glühten unangenehm, doch sie wollte Ferro nicht die Genugtuung geben, durch seine Bemerkung irgendwie durcheinander zu geraten. Sie war die Gesellschaft von Männern gewohnt. Ihre Branche war fast ausschließlich eine Männerdomäne, und Julia war mittlerweile so weit, dass derartige Anspielungen sie nicht mehr störten. Besonders nicht, wenn sie ihre Rüstung trug. Das Gesicht, das sie der Welt zeigte: eine unerschütterliche junge Frau in schwarzem Outfit und Lederboots, der in ihrem Job keiner etwas vormachte.

Denn das war die Person, die sie heute war. Und Ferro versuchte, diese Person anzugreifen. Das würde Julia nicht zulassen. Keinem Mann würde das je wieder gelingen.

Sie holte tief Luft, lehnte sich zum Fenster auf Ferros Seite des Autos und streckte ihre rechte Hand nach dem Scanner aus. Als ihr Arm dabei Ferros Brust streifte, schien es Julia, als würde ihr Herz einen Stromschlag durch ihren gesamten Körper senden. Für einen Augenblick fühlte sie sich atem-, ja beinahe besinnungslos.

Er roch so gut. Das herbe Aftershave. Die frische Seife. Und seine Haut …

Zumindest vermutete sie das. Sie war nicht wirklich vertraut mit dem Duft von Männerhaut, doch jetzt gerade war auch nicht der passende Zeitpunkt, um das zu ändern.

Scanne deinen Fingerabdruck, und dann lauf, so weit du kannst! Du machst dich nur lächerlich!

So lächerlich wie der traurige, sehnsüchtige Teenager, der sie einst gewesen war. Das Mädchen, das nirgends dazugehörte und irgendwann aufgab, es zu versuchen.

Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich noch ein kleines Stück weiter aus dem Fenster, um mit dem Daumen auf die Oberfläche des Scanners drücken zu können. Dass die Spitze ihrer linken Brust dabei Ferros Bizeps berührte und Julia in diesem Moment kaum noch atmen konnte, machte das Ganze nicht leichter.

Erst nachdem der Scanner endlich ihre Daten gelesen hatte, konnte sie wieder Luft holen. Erleichtert darüber, wieder ein wenig gesunden Abstand zwischen Ferro und sich selbst bringen zu können, ließ sie sich erschöpft auf ihre Seite der Rückbank fallen.

Als sie die Einfahrt hinauffuhren, versperrte ihnen ein weiteres Tor den Weg. Die Limousine hielt erneut an, und Julias Herz flatterte in ihrer Brust wie ein gefangener Vogel. „Soll das ein Witz sein?“

„Dieses Tor öffnet man mit einem Code“, antwortete Ferro schulterzuckend.

Er tippte eine Nummernfolge auf seinem Smartphone ein, und das Tor öffnete sich. Obwohl Julia sofort bemerkte, dass Ferros Telefon nicht annähernd so schick und unkompliziert war wie ihr OnePhone, war sie von der Anwendung beeindruckt.

„Nicht schlecht.“

„Kann man Ihr Smartphone mit Sicherheitssystemen verbinden?“

„Nein. Aber wir haben richtig coole Spiele zu bieten.“

„Woran liegt es nur, dass Ihre Telefone sich besser verkaufen als meine?“

„Haben Sie die Worte richtig coole Spiele gerade nicht gehört?“

„Spiele haben keinerlei praktischen Nutzwert.“

„Das stimmt. Der praktische Nutzwert ist sicher wichtig. Doch die meisten Menschen interessieren sich nicht für Sicherheitssysteme paranoider Art.“

„Wie steht es um das Sicherheitssystem in Ihrem Haus?“

„Es gehört zur paranoiden Art. Aber ich bin nicht so weit, dass ich es über mein Smartphone kontrolliere.“

Ferro deutete auf den Bildschirm seines Telefons. „Aber Sie müssen zugeben, dass es irgendwie … cool ist.“

„Na gut. Es ist cool.“

„Das macht unseren Fall ganz einfach.“ Die Limousine hielt in diesem Augenblick vor einem riesigen Haus, das mehr mit einem italienischen Palazzo gemeinsam hatte als mit irgendeinem Haus in Kalifornien.

„Welchen Fall?“

Ferro öffnete die Autotür und stieg dann aus. Sofort lief er zu Julias Seite des Autos und öffnete auch für sie die Tür. Als er sich dabei zu ihr beugte, nahm sie noch einmal seinen Duft wahr. Wieder begann ihr Herz zu stolpern. Ferro reichte ihr seine Hand.

„Schon gut, Calvaresi. Das hier ist ein geschäftliches Meeting.“ Julia stieg aus dem Auto, ohne Ferro zu berühren oder auch nur anzusehen. Dann schloss sie selbst die Tür hinter sich. „Das würden Sie doch auch niemals für einen männlichen Kollegen tun.“

„Ich respektiere die Tatsache, dass es Ihnen schwerfällt, mich zu berühren.“

„Es fällt mir nicht schwer. Es ist mir vollkommen gleichgültig. Ich will nur in keines Ihrer Spielchen verwickelt werden. Sagen Sie mir lieber, weshalb ich hier bin. Danach werde ich nämlich zurück in die Limousine steigen und Ihre Festung verlassen. Ich muss zurück in die Zivilisation. Nach diesem Tag brauche ich unbedingt ein Glas Wein.“

„Dann kommen Sie rein, und lassen Sie uns gemeinsam etwas trinken“, entgegnete Ferro. „Unser Fall kann nicht zwischen Tür und Angel besprochen werden.“

„Doch, das kann er. Denn ich kann Ihnen bereits jetzt versichern, dass mir das, was Sie zu sagen haben, nicht gefallen wird.“

„Es wird Ihnen nicht gefallen. Doch Sie sind nicht dumm. Deshalb werden Sie mich anhören. Unser Fall stellt sich folgendermaßen dar: Sie haben etwas, das ich brauche. Ich habe etwas, das Sie brauchen. Die einzige Möglichkeit, den Auftrag zu bekommen, besteht für uns beide darin, zusammenzuarbeiten.“

„Lieber würde ich im Fegefeuer schmoren.“

„Verständlich. Aber das wird Ihnen nicht dabei helfen, den Auftrag zu bekommen. Wenn Sie hingegen mit mir zusammenarbeiten, könnte es klappen.“

„Ich würde den Auftrag nur zur Hälfte bekommen.“

„Besser, als den ganzen Auftrag an Hamlin zu verlieren.“

„Warum sollte ich nicht mit Hamlin zusammenarbeiten? Warum gerade mit Ihnen?“ Julia wusste seit Langem, dass Hamlin ein Vollidiot war. Sie hatte noch nie etwas Positives über ihn gehört. Oft schon hatte sie Mitarbeiter eingestellt, die zuvor für Hungerlöhne bei Hamlin-Tech beschäftigt waren. Keiner von ihnen hatte ein gutes Haar an seinem Exchef gelassen. Doch andererseits hatten sicher auch Mitarbeiter, die bei Anfalas entlassen wurden, keine gute Meinung über Julia.

Sie hatte auch schon Mitarbeiter von Ferros Firma übernommen. Das Wort Tyrann war ein paar Mal zusammen mit seinem Namen genannt worden. Und wenn man sie persönlich gebeten hätte, Ferro Calvaresi zu beschreiben, wäre netter Mensch ganz sicher nicht ihr erster Gedanke gewesen.

Dennoch musste sie lobend erwähnen, dass weder er noch Hamlin jemals irgendwie mit sexueller Belästigung in Verbindung gebracht wurden. Das Einzige, was man Hamlin tatsächlich vorwerfen konnte, war, dass er als skrupelloser Chauvinist galt. Und wenn es eine Sache gab, die Julia nicht ausstehen konnte, waren es Männer, die glaubten, Macht über Frauen ausüben zu können.

Sollte sie Ferro aus diesem Grunde zustimmen? Sie hätte Hamlin nur zu gerne eins ausgewischt. Doch so leicht wollte sie sich nicht geschlagen geben.

„Allein die Tatsache, dass Sie das fragen, bedeutet, dass Sie nicht allzu viel über Hamlin wissen.“

„Dafür weiß ich ein paar Dinge über Sie. Beispielsweise, dass ich Sie nicht leiden kann.“ Julia blickte auf ihre Armbanduhr, ein extravagantes, handgemachtes Schmuckstück in Form ihres geliebten OnePhones. Entschlossen startete sie den Timer. „Sie haben eine Minute, um mich zum Bleiben zu überreden, Calvaresi.“

„Es tut mir leid, cara mia. Das funktioniert bei mir nicht.“

„Sie versuchen es nicht einmal?“

„Ich habe dazu nur eins zu sagen: Man lässt sich besser mit dem Teufel ein, den man kennt, als mit dem, der einem fremd ist.“

2. KAPITEL

„Und das soll mich überzeugen?“

Ferro spürte einen Anflug von Wut durch seine Adern toben. Und schuld daran war, wie so oft, Julia Anderson. Diese Frau war eine Bedrohung.

Eine immer stärkere Bedrohung. Niemand sonst wagte es, so mit Ferro zu reden. Niemand sonst wagte es, ihn so zu behandeln. Doch er musste zugeben, dass auch niemand sonst so brillant war wie Julia. Vor fünf Jahren war ihr Unternehmen aus dem Nichts aufgetaucht und praktisch über Nacht zu weltweiter Beliebtheit gelangt. Anfalas hatte es geschafft, Technikträume zum Leben zu erwecken.

Man musste nicht dazusagen, dass auch Julia selbst sehr beliebt war. Sie galt als kreative Visionärin mit einem Händchen für Technologie jeder Art. Es schien ihr einfach irgendwie zuzufliegen, so wie niemandem, abgesehen von … na ja … Ferro selbst.

Trotzdem litt sie wohl ein wenig an Selbstüberschätzung. Sie hatte doch tatsächlich so getan, als wäre Ferros Angebot wertlos. Als wäre sie diejenige, die in dieser Situation die Oberhand hatte.

Was für eine Träumerin.

„Das soll es.“ Entgegnete er ruhig. „Und das wird es.“

„Tatsächlich?“ Julia verschränkte die Arme unter ihren perfekt geformten kleinen Brüsten und neigte den Kopf so zur Seite, dass ihr blondes Haar in Wellen über ihre Schultern fiel. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, was wohl offensichtlich ihr Markenzeichen war. Ferro fand dies angesichts der Tatsache, dass sie in Südkalifornien lebte, ein wenig lächerlich, doch wahrscheinlich hatte sie diesen Look gewählt, um durchsetzungsfähiger zu wirken.

„Es muss einen Grund dafür geben, dass Sie so schwer atmen“, erklärte er nüchtern und schenkte Julia ein unwiderstehliches Lächeln. „Entweder sind Sie an meinem Vorschlag interessiert oder an … mir.“ Er beherrschte die hohe Kunst, seine Attraktivität für sich arbeiten zu lassen. Verführung war so etwas wie sein Spezialgebiet, auch wenn das bei den Frauen, die er sonst traf, niemals wirklich nötig war. Doch sie genossen es, hofiert zu werden. Es gab ihnen das Gefühl, einzigartig zu sein. Und sobald ein Mann einer Frau dieses Gefühl vermitteln konnte, hatte er alle Macht, die er wollte und brauchte.

„Ich bin definitiv nicht an Ihnen interessiert. Also können Sie das von der Liste streichen“, entgegnete Julia mit zusammengebissenen Zähnen.

Das hatte Ferro tatsächlich befürchtet. Julia schien eine tiefe Abneigung gegen ihn zu hegen. Doch auch das würde sich sehr gut gegen sie verwenden lassen. Jeder Mensch hatte einen wunden Punkt, den man treffen konnte.

Nur er selbst nicht. Nicht mehr. Denn wenn ein wunder Punkt einmal zu oft getroffen war, entstand dort eine Narbe, die nie wieder aufbrach. Und dann war man ironischerweise stärker als zuvor. Zumindest war es Ferro so ergangen.

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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