Ein verlockend sinnlicher Liebesdeal

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Reich, attraktiv und so galant! Als der erfolgreiche Immobilientycoon Costa Leventis sie aus einer pikanten Situation rettet und ihr sogar einen Job in einem seiner Luxushotels anbietet, fühlt sich die mittelose Mary wie Cinderella. Der Deal: Sie muss dafür auf einer Familienfeier seine Verlobte spielen! Ein riskantes Unterfangen. Denn ihr Herz fliegt dem Selfmade-Milliardär nur so zu – erst recht als er sinnlich mit ihr tanzt. Doch das Märchen scheint vorbei, als Costa ihr plötzlich etwas Ungeheuerliches unterstellt …


  • Erscheinungstag 19.04.2022
  • Bandnummer 2540
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509626
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wir müssen reden.“

Costa Leventis sah kaum von seinem Computer hoch, als Galen zu ihm trat. „Nicht jetzt“, wehrte er ab.

Es war Samstagmorgen, doch Costa arbeitete trotzdem, weil er weiterkommen wollte. Galen rührte sich allerdings nicht vom Fleck.

„Warum hast du immer noch keine Sekretärin?“

„Weshalb sollte ich eine suchen, wenn ich deine ausleihen kann?“

Dies war nicht nur ein Running Gag zwischen ihnen, sondern auch ein Stein des Anstoßes. Die beiden Männer teilten sich ein Bürogebäude in dem schicken Athener Viertel Kolonaki. Galen leitete von hier aus sein Hightech-Unternehmen, Costa im selben Gebäude sein Immobilienimperium.

Zu Anfang hatten sie ihre begrenzten Mittel zusammengelegt. Durch die beeindruckende Adresse hatten ihre Projekte für die Mächtigen attraktiver gewirkt. Eigentlich waren sie keine Freunde, sondern nur zwei arme Jungen aus Anapliró, die ihre Sache gut machen wollten, jeder eher für sich als für den anderen. Ihre Regelung hatte funktioniert, denn inzwischen gehörte ihnen das Gebäude, wobei jeder von ihnen noch einiges mehr besaß.

„Deshalb bin ich gekommen, um mit dir darüber zu sprechen, dass du dir meine Sekretärin ausleihst“, meinte Galen. „Kristina geht bald in Mutterschaftsurlaub …“

„Sie bekommt ein Kind?“

„Jesus, Costa!“ Widerwillig musste Galen lachen. „Sie ist schon bald im siebten Monat.“

„Nun, wenn du eine neue Sekretärin engagierst, würde ich vorschlagen, dass du diesmal eine warmherzige nimmst.“

„Ich habe dich nicht um Rat gefragt“, entgegnete Galen. „Kristina und ich haben besprochen, wie ihr Job genau aussehen wird, wenn sie zurückkommt, und du bist der Hauptknackpunkt. Sie hasst es, sich um die Damen in deinem kleinen schwarzen Buch kümmern zu müssen.“

„Also wirklich“, meinte Costa abwehrend. „Ich bitte sie doch nur hin und wieder, jemandem Blumen zu schicken oder eine Reservierung in einem Restaurant abzusagen.“

„Du hast sie eben zu Hause angerufen, am Samstagmorgen, und sie gebeten, einen Flug zu buchen sowie ein Zimmer in deinem bevorzugten Londoner Hotel und einen Tisch in der Bar zu reservieren.“

„Das war eine kurzfristige Entscheidung. Außerdem geht es um etwas Geschäftliches und hat nichts mit meinem schwarzen Buch zu tun.“

„Kristina kümmert sich um meine Geschäfte. Auf deiner Gehaltsliste steht sie nicht.“

Beide Männer waren auf ihre eigene Art schwierig, und keiner wollte einen Rückzieher machen.

„Du musst eine eigene Sekretärin anstellen und darfst dir nicht ständig meine ausleihen. Du hast überall virtuelle Assistenten, aber keine einzige Anlaufstelle für deine Kunden.“

„Ich bin die Anlaufstelle“, sagte Costa.

Er wollte auf keinen Fall, dass jemand in seinen Unterlagen herumschnüffelte und wusste, wo er sich herumtrieb. Aber noch wichtiger war …

„Da ich also der böse Junge bin, warum hatte Kristina dann nicht die gleichen Probleme mit mir, als ich versucht habe, eine Örtlichkeit für ihre Verlobungsparty ausfindig zu machen?“

Galen sagte nichts dazu.

„Die Party hat in meinem Hotel in Paris stattgefunden, und wenn ich mich recht erinnere, habe ich auch die Rechnung bezahlt. Und als sie dir gesagt hat, dass sie vielleicht nicht mehr arbeiten könne, weil die Hochzeitsvorbereitungen zu stressig seien, habe ich ihr da nicht vorgeschlagen, dass sich meine Angestellten in Liechtenstein um ihre Hochzeit kümmern könnten?“

Sicher, Costa mochte sie hin und wieder um Hilfe bitten, aber für ihre widerwilligen Bemühungen wurde sie immer großzügig entschädigt.

„Sie hat andere Pläne“, stellte Costa fest.

Während Galen besser mit Zahlen umgehen konnte, war Costa ein Experte darin, Menschen zu durchschauen.

„Bitte sie einfach in Zukunft nicht mehr, sich um deine Angelegenheiten zu kümmern.“

„Sicher“, meinte Costa. „Ich sollte ihr Blumen schicken und mich entschuldigen.“

Wobei er bezweifelte, dass diese Geste Kristina besänftigen würde. Er war sicher, dass sie etwas im Schilde führte.

„Und was hast du vor?“, fragte Galen. Wie ich gehört habe, triffst du dich jetzt mit Ridgemont …

Costa runzelte die Stirn. Bisher hatten sie es stets vermieden, sich in die Geschäfte des jeweils anderen einzumischen.

„Ich habe Kristina gebeten, nicht zu tratschen.“

„Es war eine offizielle Beschwerde, kein Klatsch“, entgegnete Galen. „Es geht um den Deal im Nahen Osten, stimmt’s?“

Costa antwortete nicht.

„Ich wüsste einfach nur gerne wissen, warum du ihn heute Abend treffen willst, nachdem du ihn wochenlang hingehalten hast.“

„Wir sind Griechen“, meinte Costa leichthin. „Und das heißt, dass wir Geschäfte persönlich aushandeln.“

„Ridgemont ist kein Grieche“, erklärte Galen unnötigerweise. „Ich weiß nicht, was du vorhast, aber …“

„Dann sollten wir es dabei belassen“, unterbrach ihn Costa barsch.

Er machte seinen Computer aus, um sich fertig zu machen. Schließlich musste er seinen Flug erwischen.

„Der jüngste Landverkauf in Anapliró … die zwangsläufigen Verzögerungen …“, redete Galen weiter. „Falls ich richtigliege, könnte auch Ridgemont Verdacht schöpfen.“

Costa sagte immer noch nichts.

„Er ist ein Despot“, schob Galen hinterher.

„Glaubst du, ich wüsste das nicht?“

„Hör zu, ich bezweifle nicht, dass du dich um die rechtlichen Fragen gekümmert hast. Aber trotz Ridgemonts Stammbaum ist er ein verzogenes Kind und voller Wut. Falls du vorhast, ihn hereinzulegen …“

Himmel, selbst Galen hatte das erkannt!

„Dann ist es ja nur gut, dass ich früher ein kakoúrgos war.“ Ein Rowdy. Costa zuckte mit den Schultern. Er hatte die Straße überlebt und war manchmal auch ein wenig gewalttätig gewesen. „Verschwende deine Zeit nicht damit, dir Sorgen um meine Geschäfte zu machen.“

„Bleib vorsichtig, Costa …“, warnte Galen.

Doch Costa brauchte die Warnung nicht, weil er seit mehr als einem Vierteljahrhundert wachsam war.

Seit seinem zehnten Lebensjahr hasste er Eric Ridgemont zutiefst, wobei weder Galen noch irgendjemand anders davon wusste.

Jetzt war er auf dem Weg nach London und hatte nur eines im Sinn: den Abbruch der Geschäftsbeziehung.

An diesem Abend würde er damit beginnen.

1. KAPITEL

Früher einmal war sie wagemutig gewesen, das hatte Mary sogar schriftlich.

Während sie den Boden im Salon fegte, verlor sie sich in einem Tagtraum und dachte an die alten Eintragungen in ihrem Schulheft, das sie am Abend zuvor durchgeblättert hatte.

Mary kann manchmal recht leichtsinnig sein …

Mary scheint Spaß daran zu haben, Dummheiten zu machen

Stimmt, und früher hatte sie ein mutiges Lächeln auf dem Gesicht getragen und war temperamentvoll gewesen …

„Mary!“

Sie schreckte zusammen, als sie die Stimme ihrer Chefin Coral hörte.

„Ich muss mit Ihnen reden.“

„Natürlich.“

„Im Belegschaftsraum.“

Mary lehnte den Besen an die Wand und wollte schnell ihre zerzausten blonden Haare richten. Auch wenn sie sich ungerührt gab, wusste sie ziemlich sicher, worum es ging. Zumindest hoffte sie darauf.

Heute war ihr einundzwanzigster Geburtstag, und normalerweise gab es bei Geburtstagen, Verlobungen und anderen wichtigen Ereignissen eine kleine Party im Salon.

Bis jetzt war es ein mieser Tag gewesen. Niemand hatte sich darum gekümmert, dass sie Geburtstag hatte. Nicht einmal ihr Vater hatte eine Karte geschickt.

„Sie stecken nicht in Schwierigkeiten“, sagte Coral – vielleicht, weil das ziemlich häufig der Fall war. Was auch immer falschlief in dem heruntergekommenen Friseurladen in London, letztendlich war es Marys Schuld.

„Haben Sie heute Abend schon was vor?“, fragte Coral, als sie durch den Flur in Richtung Hinterzimmer gingen.

„Nein“, antwortete Mary hoffnungsvoll.

Vielleicht würde man sie endlich auch einladen, mit der „Samstagabend-Truppe“ auszugehen, wie ein paar der Angestellten sich bezeichneten. Die beliebten Angestellten, zu denen Mary nicht gehörte.

„Das ist gut, denn ich wollte Sie um einen Gefallen bitten“, sagte Coral und stieß die Tür zum Belegschaftsraum auf.

„Um einen Gefallen?“, fragte Mary, während sie sich darauf vorbereite, gleich mit Geburtstagswünschen von den anderen empfangen zu werden. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Luftballons, Kuchen und fliegende Sektkorken.

Doch der Raum war leer, und ein kurzer Blick verriet ihr, dass es keinen Kuchen gab – nur viele schmutzige Tassen, die sie heute Abend würde abwaschen müssen.

„Was für einen Gefallen?“ Mary schluckte ihre Enttäuschung hinunter, obwohl sie sich immer noch an die Hoffnung klammerte, dass sie ihren Geburtstag nach der Arbeit feiern würden.

„Ich habe heute Abend eine Verabredung“, sagte Coral, „und ich kann mich nicht davor drücken. Obwohl ich es versucht habe, das können Sie mir glauben …“

Mary runzelte die Stirn.

„Die Sache ist die: Costa Leventis kommt mit dem Flugzeug von Athen hierher.“ Sie sah Mary an, die immer noch verwirrt wirkte. „Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Sie noch nie von ihm gehört haben.“

„Habe ich nicht.“

Coral seufzte. „Er ist wichtig – extrem wichtig –, und kurzfristig wurde ein Dinner anberaumt …“ Sie nannte ein sehr exklusives Hotel im Stadtteil Mayfair, und Marys Augen weiteten sich. „Das Problem ist, dass ich bereits einen Kun … eine Verabredung habe. Deshalb möchte ich Sie bitten, für mich einzuspringen.“

„Für ein Date mit Costa Le …?“

„Himmel, nein!“ Coral lachte über ihre Bemerkung. „Glauben Sie mir, dafür würde ich alles stehen und liegen lassen. Nein, die Dinner-Verabredung ist mit Eric Ridgemont, der sich dort mit Costa Leventis trifft.“

Mary hatte auch keine Ahnung, wer Ridgemont war, doch als Carol ihr sagte, wie viel man ihr dafür bezahlen würde, zuckte sie zusammen. Es war bedeutend mehr, als sie in einer Woche verdiente.

Nur für ein Dinner.

Mary mochte in Bezug auf Männer sehr unbedarft sein, doch sie war nicht naiv. Wenn ihr Vater wieder einmal im Gefängnis gewesen war, war sie von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht worden. In dieser Zeit hatte sie viel über das Leben gelernt, und eines war sicher: Corals roter Sportwagen sowie ihre Designerklamotten passten nicht so recht zu einem Frisiersalon, der nicht einmal besonders gut lief …

„Nur ein Dinner?“, fragte Mary zweifelnd.

„Was immer Sie wollen“, meinte Coral. „Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber Sie haben ja gesagt, dass Sie heute Abend nichts vorhaben.“

„Tut mir leid.“ Mary schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Es ist wirklich wichtig“, betonte Coral mit warnendem Unterton.

Für mich nicht, hätte Mary am liebsten gesagt. Doch sie wollte keinen Streit mit ihrer Chefin, auch nicht mit anderen. Ihre Mutter war gestorben, als Mary sieben gewesen war, und seitdem war Sorge ihr ständiger Begleiter. Sie hatte das Gefühl, sich ständig auf einem Drahtseil zu bewegen, ohne Netz, das sie auffangen würde.

Mary arbeitete nicht nur im Salon – er war auch ihr Zuhause. Sie hatte als Mädchen für alles angefangen, eine staatlich unterstützte und vorübergehende Beschäftigung, doch am Ende hatte Coral ihr eine Festanstellung angeboten, inklusive Unterkunft als Bonus. Sie hatte auch von einer Ausbildung gesprochen, doch dazu war es nie gekommen, und Coral sagte ihr auch immer wieder, warum das so war: Abgesehen davon, dass Mary sich in Tagträumen erginge, sei sie auch nicht in der Lage, mit den Kunden zu plaudern, und neige dazu, die falschen Dinge zu sagen.

Im Grunde hieß das, dass sie nicht hierher passte; Mary wusste das schon seit Langem.

„Das ist Mary …“ So hatten die Sozialarbeiterinnen sie vorgestellt, oft spät am Abend oder mitten in einem Familienessen. „Mary Jones.“

So viele hatten sie als „schwierig“ und „seltsam“ bezeichnet. Ihren Rückzug in die Trauer hatten sie mit dem Stempel „mürrisch“ versehen, und ihre späteren Versuche, freundlich zu sein, waren als „verzweifelt“ und „klammernd“ aufgefasst worden. Ach, wie hatten sie einmal in einer neuen Schule über sie gelacht, als sie der Klasse stolz ein Geschenk von ihrem Vater gezeigt hatte, der im Gefängnis saß.

Ha, ha, ha.

Jetzt, mit einundzwanzig, hatte sie weder einen richtigen Freund noch einen anständigen Job oder ein richtiges Zuhause, nur ein Bett im Hinterzimmer des Salons.

„Heute Abend haben Sie die Möglichkeit, richtig gutes Geld zu verdienen“, sagte Coral. „Weiß der Himmel, wie oft Sie sich schon beschwert haben, nicht genug zu bekommen.“

Das saß.

„Ich habe viel für Sie getan“, rief Coral ihr in Erinnerung. „Erst gestern habe ich Sie vor den anderen Mädchen in Schutz genommen, als der Becher mit dem Trinkgeld verschwunden war.“

„Damit hatte ich nichts zu tun.“

„Das werden wir nie herausfinden.“ Coral stieß einen tiefen Seufzer aus. „Allerdings ist der Becher in letzter Zeit oft verschwunden, und wenn die anderen Mädchen von Ihrem Vater wüssten …“ Als Mary zusammenzuckte, wurde sie freundlicher. „Hören Sie, wenn Sie das für mich tun, verdopple ich die Zahlung und mache Ihnen die Haare.“

Ein verführerischer Gedanke, die Haare gemacht zu bekommen. Obwohl Mary in einem Friseursalon arbeitete, waren ihr dort die lockigen blonden Haare, die sie immer zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammenband, noch nie geschnitten worden.

Trotzdem schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid. Nein.“

Coral schien nicht einmal zu merken, dass sie etwas gesagt hatte.

„Denken Sie darüber nach“, meinte sie und ließ Mary allein in dem Raum stehen.

Mary hätte sich gegen die Andeutung, sie habe geklaut, stärker zur Wehr setzen sollen, das war ihr klar. Aber immer, wenn die kriminelle Vergangenheit ihres Vaters zur Sprache kam, war sie wie erstarrt und voller Angst, alles würde ans Licht kommen, wenn jemand tiefer grub.

Vor dem geringfügigen Vergehen, wegen dem er nun im Gefängnis saß, hatte er Wirtschaftsverbrechen begangen, in dem Versuch, Anwaltshonorare und Schulgebühren zu bezahlen sowie sein Haus zu behalten. Allerdings war es das Verbrechen davor, an das Mary sich nicht erinnern wollte, weil sie es nicht ertragen konnte.

William Jones war unter Alkoholeinfluss Auto gefahren und beschuldigt worden, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein. Eine nüchterne Zusammenfassung, doch Mary schaffte es nicht, an mehr zu denken.

Sie versuchte, ihre Gedanken beiseitezuschieben, sammelte die Tassen ein und ging zu der kleinen Teeküche neben ihrem Schlafzimmer. Dann stellte sie die Milch, die noch auf dem Tisch stand, zurück in den Kühlschrank.

Als sie die Tür schloss, hielt sie inne. Neben den Zetteln und den lustigen Magneten an der Tür klebte auch einer, der Mary sehr wichtig war. Sie nahm ihn überallhin mit. Es war ein kleiner Kühlschrankmagnet mit dem Strand von Cornwall und einem Thermometer, das immer noch funktionierte. Jeden Morgen prüfte sie die Temperatur und konnte dabei fast das Lächeln ihrer Mutter spüren. Es war ein kleines Geschenk von ihr, das sie Mary bei ihrem letzten Familienurlaub gekauft hatte.

Wie hätte sie an diesem wunderschönen Sommertag ahnen sollen, dass ein paar Wochen später alles auseinanderbrechen würde?

Mary zog das Stück Papier unter dem Magneten hervor, ein Horoskop, das sie ausgerissen hatte, als sie die Zeitschriften im Salon wieder ordentlich zusammengelegt hatte.

Wenn Sie heute Geburtstag haben

… erwartete sie offenbar ein Abenteuer, wenn sie nur den Mut hätte, die Chance zu ergreifen.

Sie hatte das Horoskop auch deshalb herausgerissen, weil sie hoffte, es sei ein Zeichen. Dass ihre Mutter ihr den Weg wies, den sie gehen sollte. Vielleicht war das albern, aber eine andere Orientierungshilfe hatte sie nicht.

Als Coral eine Getränkebestellung nach hinten rief, heftete Mary das Horoskop wieder unter den Magneten, kümmerte sich um die Getränke und brachte sie nach vorne zu den Kunden.

„Und, wohin gehen Sie heute Abend?“ Coral lackierte ihre Nägel, während sie mit einer Kundin plauderte.

Alle bereiteten sich für den Samstagabend vor. Dinner, Bar … Jahrestage, Treffen mit Freunden … Mary lauschte dem Geschnatter, und hin und wieder spürte sie, dass Corals Blick in ihre Richtung huschte.

Wie es schien, hatte die Hälfte der Kundinnen an diesem Abend ein Blinddate, und das, was Coral ihr gegenüber erwähnt hatte, war sicher auch so etwas. Das Geld, das sie dafür bekommen sollte, könnte sie für ihr Outfit für das Bewerbungsgespräch zurücklegen und so ihren Geheimplan vorantreiben, hier aufzuhören.

„Haben Sie noch mal darüber nachgedacht?“, fragte Coral, als die letzte Kundin gegangen war.

„Ich kann nicht.“

„Eric braucht unbedingt eine Begleitung. Leventis wird sicher eine Superfrau mitbringen. Und Eric will nicht allein dasitzen …“

Mary schwankte. Einer der Gründe, warum sie sich nie weiter als bis zum nächsten Café oder der örtlichen Bücherei gewagt hatte, bestand darin, dass sie sich ohnehin ausgeschlossen fühlte.

„Eric ist ein Schatz“, sagte Coral. „Falls Sie nichts zum Anziehen haben, können Sie sich ein Kleid von mir leihen …“

„Ich habe etwas“, entgegnete Mary und dachte an das Vintage-Kleid, das sie gekauft hatte. Ein unnützer Kauf, aber sie hatte nicht widerstehen können, obwohl sie es bisher noch nie getragen hatte.

„Sind Sie sicher?“, hakte Coral zweifelnd nach. „Es ist ein sehr exklusives Hotel.“

„Ich habe ein Kleid“, versicherte Mary. „Ich habe es für einen besonderen Anlass aufgehoben.“

„Sehr gut.“ Coral strahlte. „Dann setzen Sie sich, ich kümmere mich um Ihre Haare.“

„Sollten sie nicht zuerst gewaschen werden?“ Mary dachte an die Intensivpflege und die Kopfmassagen, die sie bei anderen Kunden jeden Tag beobachtete.

Doch Coral schüttelte den Kopf. „Dafür ist jetzt keine Zeit. Das Treffen ist ja schon bald.“

Mary sah zu, wie Coral die Haare auskämmte und dann aufsteckte. Sie dachte daran, was in ihrem Schulheft gestanden hatte, als sie sieben gewesen war.

Leichtsinnig, spitzbübisch, wagemutig

Doch noch etwas anderes hatte immer mitgeschwungen:

Mary muss lernen, an die Konsequenzen zu denken

„Kopf hoch“, sagte Coral.

Mary begegnete im Spiegel kurz ihrem eigenen Blick aus strahlend blauen Augen, schloss sie aber schnell, als Coral das Haarspray zückte.

Mittlerweile hatte sie schon so viele Jahre an die Konsequenzen gedacht, dass sie Angst vor ihrem eigenen Schatten hatte. Sie war es so leid, immer anderen dabei zuzusehen, wie sie ihren Spaß hatten, während sie selbst sich zurückhielt. Sie hatte es so satt, allein zu sein.

Vielleicht empfand dieser Eric ja genauso.

„Fertig“, verkündete Coral. „Schminken können Sie sich ja selbst. Ich muss jetzt wirklich los. Wir sehen uns dann am Dienstag wieder.“ Dann würde der Salon wieder öffnen. „Und vergessen Sie nicht, auch die Flächen oben abzustauben.“

„Natürlich“, sagte Mary.

„Und die Handtücher zu waschen“, rief Coral ihr in Erinnerung.

Die Glocke an der Tür klingelte, als sie verschwand, doch Mary achtete nicht darauf.

Heute war ihr einundzwanzigster Geburtstag, und sie würde ihr erstes Date haben.

2. KAPITEL

„Sie sind Mary?“

Als sie in der opulenten Lobby des Londoner Hotels stand und den Spott in der Stimme ihres Dates hörte, wusste Mary, dass sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Denn Eric Ridgemont konnte man beim besten Willen nicht als „Schatz“ bezeichnen.

Außerdem war er nicht allein. Vielmehr war er in Begleitung von drei stämmigen Männern in Anzug, die hinter ihm standen und Mary zusätzlich nervös machten.

Der Mann am Empfang hatte ihr bereits Mantel und Schirm abgenommen, doch als Ridgemonts missbilligender Blick über ihr graues Tweedkleid schweifte, war sie versucht, die Sachen wieder an sich zu reißen. Vorne war es schlicht geschnitten mit schönen Abnähern am Oberteil und in der Taille zusammengefasst, hinten hingegen etwas ausgeschnitten mit einer hübschen Knopfreihe, die in einem leichten Schwalbenschwanz endete. Doch an diesem Abend war es vergebliche Liebesmühe.

„Sie sind spät dran“, rügte er sie.

„Mein Bus …“, versuchte sie zu erklären, aber er hörte nicht zu, sondern musterte sie von Kopf bis Fuß mit einem Blick, bei dem sich Marys Zehen in Corals zu großen Stöckelschuhen verkrampften.

„Nun, dann verschwinden Sie kurz, und schminken Sie sich ein bisschen“, drängte er und starrte auf ihr Gesicht.

„Ich schminke mich nie.“ Mary räusperte sich. „Offensichtlich bin ich nicht das, was Sie erwartet haben …“

Sie drehte sich auf den ungewohnten Absätzen um, doch da spürte sie, wie eine Hand ihren Unterarm umfasste.

„Oh nein, Sie gehen nicht.“ Als sich seine Finger in Marys Fleisch bohrten, um sie zurückzuhalten, verwandelte sich ihre Sorge in brennende Angst. „Jetzt ist es zu spät, um noch etwas zu ändern. Sie müssen da nun durch.“

Seine Hand wanderte zu ihrem Ellbogen, und Mary war für einen Augenblick sprachlos, während sie durch die Lobby ins Restaurant geführt wurden.

Unter anderen Umständen wäre sie einen Moment stehen geblieben, um alles in sich aufzunehmen, weil sie noch nie etwas so Schönes gesehen hatte. Die Kronleuchter waren überladen mit traumhaften Kristallen, und Mary war sicher, dass dies früher der Ballsaal gewesen war oder dass der Raum noch immer für Bälle genutzt wurde. Das Hotel war geschmackvoll und großartig, ihr Begleiter allerdings nicht.

„Hat Coral Ihnen gesagt, mit wem wir zu Abend essen?“, fragte Eric, nachdem man ihnen einen Platz zugewiesen hatte.

„In Kurzform.“ Mary nickte nervös. „Es tut mir leid, ich habe den Namen vergessen.“

„Leventis.“ Er bemerkte ihre verwirrte Miene. „Costa Leventis. Er besitzt sehr viele Immobilien in Europa, aber wahrscheinlich sind Sie mehr an den Klatschspalten interessiert, in denen er oft zu finden ist.“

Mary zuckte zusammen, während sie sich vage an ein Foto auf dem Cover einer Zeitschrift erinnerte.

„Es gab irgendeinen Skandal auf einer Jacht, nicht wahr?“ Sie kramte in ihrem Gedächtnis. „Oder in einem Casino?“

„Es gibt überall einen Skandal, wo Leventis auftaucht – obwohl er in letzter Zeit abgetaucht ist. Er ist ein arroganter Mistkerl. Neureich …“ Eric schnaubte. „Hin und wieder muss er daran erinnert werden, wer ihm überhaupt zu seinem Reichtum verholfen hat. Zweifellos bringt er irgendeine Sirene mit. Unterhalten Sie sich einfach mit ihr, während ich versuche herauszufinden, was er – verdammt noch mal – vorhat.“

Er kam ihr näher und sah Mary mit einem Blick an, bei dem sie innerlich zusammenzuckte.

„Vielleicht gibt es für Sie heute Abend noch einen Bonus.“

Sie spürte Schweißperlen zwischen ihren Brüsten, und trotz der schönen Umgebung hätte sie alles darum gegeben, wieder in ihrem kleinen Zimmer hinten im Friseursalon zu sein.

Oje, wozu habe ich mich nur überreden lassen?

Mary wollte bloß noch weg.

„Ich habe nur einem Dinner zugestimmt“, sagte sie, entschlossen, diesen Punkt gleich klarzustellen.

Doch dieser Mann hörte ihr nicht zu.

„Der Abend ist vorbei, wenn ich es sage, nicht einen Moment früher“, knurrte er. „Vergessen Sie nicht, dass Sie sehr gut bezahlt werden. Deshalb sage ich Ihnen hier und jetzt, dass Sie Ihre Einstellung ändern und verdammt noch mal lächeln sollen.“

Wenn sie nun aufstehen und gehen würde, wäre es zu offensichtlich, entschied Mary. Aber sie würde sich in ein paar Minuten entschuldigen und zum Waschraum gehen. Danach könnte sie verschwinden.

Allerdings saßen die drei Männer, die Eric begleiteten, am Nebentisch.

Plötzlich musste sie an ihren alten Ballettlehrer denken, der ihr befohlen hatte zu lächeln, und irgendwie schaffte sie es, obwohl sie immer noch ihre Flucht plante.

„Das ist schon besser“, befand er. „Und denken Sie daran …“

Er hielt mitten im Satz inne, als die Stimmung im Raum sich plötzlich veränderte. Jeder wurde abgelenkt, nicht nur Eric und Mary. Alle Gäste drehten sich um, selbst die Ober blieben einen Moment stehen und sahen zu dem Mann, der das Restaurant betrat.

Costa Leventis war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte.

Auch ihre Reaktion auf ihn kam unerwartet: Aus unerklärlichen Gründen zitterte sie, denn sie hatte das Gefühl, gerade einen Freund wiederzuerkennen. Dabei hatte Mary keine Freunde.

Er war auffallend groß, hatte schwarze, etwas längere gelockte Haare und war unrasiert. Er trug keine Abendgarderobe, wie es hier vorgeschrieben war, sodass man ihm mangelnden Respekt hätte vorwerfen können. Trotzdem wirkte er in seinem schwarzen Anzug und dem schwarzen Hemd eleganter als jeder andere im Raum.

Nach Erics kurzer Beschreibung hatte sie einen jüngeren Mann erwartet, doch sie vermutete, dass er schon Mitte dreißig war. Wie es schien, kam er nicht in Begleitung, denn er hatte das Restaurant allein betreten.

Angesichts der unangenehmen Gesellschaft, in der sie sich befand, wusste Mary eigentlich nicht, warum sie bei dem Anblick eines solch beeindruckenden Mannes Erleichterung verspüren sollte, doch es war so.

„Eric.“ Costa Leventis nickte, während er Erics ausgestreckte Hand schüttelte. Dann wandte er sich kurz an Mary. „Und das ist …?“, fragte er höflich und streckte die Hand aus.

Eric zögerte einen Augenblick, während er sein Kurzzeitgedächtnis durchforstete. „Mary.“

„Mary?“, wiederholte Costa. Vielleicht wartete er darauf, ihren vollen Namen zu hören.

„Mary aus London“, sagte sie und schüttelte kurz seine Hand.

„Ein ungewöhnlicher Nachname.“

Verwirrt runzelte sie die Stirn, ehe sie sich im Stillen für ihre dumme Antwort rügte. Doch ihr blieb keine Zeit, es richtigzustellen. Dieser Mann war offensichtlich nicht an ihrem Nachnamen interessiert, denn er hatte sich bereits wieder Eric zugewandt.

„Mir wurde gesagt, dass Sie hier auf mich warten, dabei wollten wir uns doch eigentlich in der Bar treffen.“

Eric nickte. „Das ist Ihr erster Abend in London, und es ist viel zu lange her, dass wir zusammen gegessen haben.“

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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