Einmal berührt - für immer verführt?

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Blake kann es kaum erwarten, den Job fertigzustellen: Zusammen mit seinem Bruder baut er die Villa von Supermodel Ava Kelly um. Klar, Ava ist umwerfend attraktiv, aber in Blakes Augen auch eine zickige und verwöhnte Diva, die glaubt, dass sie alle um den kleinen Finger wickeln kann. Nun, ihn nicht. Wenn er hier fertig ist, wird er endlich mit seinem Hausboot ablegen und ein freier, glücklicher Mann sein. Doch plötzlich wird Ava bedroht! Bis die Polizei den Täter findet, gibt es für die aparte Schönheit nur einen sicheren Ort: auf Blakes Hausboot - in Blakes starken Arme?


  • Erscheinungstag 23.12.2014
  • Bandnummer 0026
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701215
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Blake Walker hatte ein ziemlich gutes Gespür für drohendes Unheil, seit er vor drei Jahren in einem Kriegsgebiet in eine Sprengfalle geraten war.

Heute kam es auf wohlgeformten, nicht enden wollenden Beinen auf ihn zu.

Ava Kelly mochte eine der schönsten Frauen der Welt sein, aber sie als Diva zu bezeichnen, war noch eine Untertreibung. Für sie zu arbeiten war für Blake der blanke Horror.

„Blake!“

Ihr hochkultivierter Oxford-Akzent zerrte an seinen Nerven. Er zwang sich, ruhig und gelassen zu bleiben, so wie es ihm die Militärpsychologin geraten hatte. Unter den gegebenen Umständen war das allerdings fast unmöglich.

Es ist dein letzter Tag. Reiß dich zusammen.

„Ava“, erwiderte er, als sie am anderen Ende der Kücheninsel aus Ahornholz stehen blieb, wo er gerade seine Unterlagen durchging. „Gibt es ein Problem?“

„Allerdings“, antwortete sie, verschränkte die Arme und funkelte ihn wütend an.

Mit einiger Anstrengung gelang es Blake, seinen Blick nicht über ihr perfektes, sonnengebräuntes Dekolleté gleiten zu lassen, das der nachlässig gebundene, fast durchsichtige Kimono zur Schau stellte. Ein knapper roter Bikini zeichnete sich deutlich darunter ab.

Er versuchte, auch die Wassertropfen zu ignorieren, die aus ihrem zurückgestrichenen Haar ihren schönen Hals hinunterliefen, auf ihre zarten Schlüsselbeine fielen, und von dort weiter nach unten rannen. Wohin, das wollte er sich lieber nicht vorstellen.

Er sah einfach nicht hin.

Gerade lief alles sehr gut für ihn. Nach einer langen dunklen Zeit war er endlich wieder gesund und munter. Er war finanziell abgesichert. Er hatte eine Aufgabe und ein Ziel.

Und es gab so einige attraktive Frauen, die nur auf einen Anruf von ihm warteten, um sich mit ihm zu treffen. Es war wirklich nicht nötig, dass er diese eine anstarrte, die hier vor ihm stand.

Denn sie würde ihm nur Ärger einbringen. Und sein Bedarf daran war gedeckt.

Also dachte er an seinen einmonatigen Urlaub, den er morgen antreten würde. Endlich würde er morgens keine Horden von Paparazzi mehr ertragen müssen, keine Zwölfstundenschichten – und vor allem keine überaus anstrengende Diva.

„Kann ich dir behilflich sein?“, fragte er.

„Ja“, antwortete sie und sah ihn von oben herab an. Diesen Blick hatte er in den vergangenen Monaten schon zur Genüge kennengelernt. „Du kannst deinem geifernden Azubi sagen, dass er arbeiten soll, anstatt uns anzuglotzen. Meine Freundinnen sind nicht hier, um begafft zu werden.“

Blake warf einen kurzen Blick auf die drei jungen Frauen, die in dem glasüberdachten Swimmingpool auf dem Innenhof herumtollten. Sie waren alle groß, sonnengebräunt und gutaussehend, und sicher waren sie Models – wie Ava. Und bis auf zwölf winzige Stoffdreiecke waren sie alle nackt.

Er sah zu Dougy hinüber, der gerade damit beschäftigt war, eine raffinierte Beleuchtung aus LED-Lichtstreifen an der Treppe zu installieren, die vom Innenhof auf eine Art Empore zum Sonnenbaden führte. Ava hatte recht: Der Lehrling machte tatsächlich Stielaugen. Was Blake ihm nicht verübeln konnte. Das hier war sicher der feuchte Traum eines jeden Auszubildenden. Kein Wunder, dass Dougy aussah wie ein Kind im Bonbonladen.

Die Sonne schien durch das geöffnete Glasdach im Innenhof und ließ die weiße Fassade so hell erstrahlen, dass Blake ganz geblendet war. Für einen Moment vergaß er Avas Verstimmung und staunte über das, was sie hier erschaffen hatten: von außen ein Doppelhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert, von innen eine moderne, lichtdurchflutete Wohnung mit Flair und allem nur denkbaren Luxus.

„Also?“ Avas empörte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Sein Name ist Dougy“, sagte Blake. Er hatte keine Lust, Ava bei Laune zu halten. Der Kimono glitt ihr von der Schulter, doch Blake hielt seinen Blick fest auf ihre perfekte sommersprossige Stupsnase gerichtet.

„Und, meinst du, du schaffst es, ihn zur Räson zu bringen? Er benimmt sich wie ein liebestoller Teenager.“

Blake seufzte. Er nahm sich vor, Charlie zu sagen, dass sie nicht mehr für Diven wie sie arbeiten sollten. Ihr Unternehmen ging gerade durch die Decke – also konnten sie es sich leisten, wählerisch zu sein.

„Ava“, sagte er ruhig, „er ist neunzehn. Er ist ein liebestoller Teenager.“

„Das kann er gerne sein – in seiner Freizeit. Solange er für mich arbeitet, erwarte ich, dass er sich auf seinen Job konzentriert, für den ich ihn bezahle. Das Gleiche gilt übrigens für dich.“

Blake überlegte, ob er Ava Kelly sagen sollte, dass sie endlich aufhören sollte herumzuzicken. Dougy war geschickt und fleißig, und Blake hatte nicht vor, aus einer Nichtigkeit eine große Sache zu machen. Doch er war sich sicher, dass noch niemand Miss Kelly eine Zicke genannt hatte – und er wollte nicht unbedingt der Erste sein.

Noch heute Abend würde seine Arbeit hier beendet sein. Drei Monate Renovierung, und es gab nur noch wenige Kleinigkeiten zu tun. Das musste er eben durchstehen.

„Ich werde mit ihm reden“, sagte er also knapp.

„Ja, und zwar schnell“, erwiderte sie von oben herab und stolzierte davon.

Blake sah ihr hinterher. Der Saum des hauchzarten Kimonos umspielte ihre schönen Fußgelenke, ein verführerisch hin und her pendelndes rotes Dreieck schimmerte durch den Stoff.

Blake konnte es kaum erwarten, das dieser Tag endlich zu Ende ging.

Ein paar Stunden später rief ihn sein Bruder an. Normalerweise ging Blake nicht ans Telefon, wenn er einen Vor-Ort-Termin hatte, aber bei Charlie machte er eine Ausnahme. Charlie, obgleich der Jüngere von beiden, war die treibende Kraft in ihrem gemeinsamen Planungsbüro. Und er war es auch gewesen, der Blake aus dem tiefen Loch der Verzweiflung gezogen hatte, in dem er viel zu lange festgesteckt hatte.

Blake war seinem kleinen Bruder eine Menge schuldig.

„Was gibt’s?“

„Joanna hat angerufen. Einer ihrer wichtigsten Geldgeber hat wegen finanzieller Probleme einen Rückzieher gemacht. Und nun dreht sie am Rad, weil sie fürchtet, dass sie das Stiftungs-Programm ohne seine Mittel nicht am Laufen halten kann.“

Joanna war ihre Schwester. Ihr Mann Colin, Leutnant der britischen Streitkräfte und ein guter Freund von Blake, war vor drei Jahren bei eben jenem Attentat ums Leben gekommen, bei dem Blake verwundet worden war. Sie hatten in derselben Einheit gekämpft.

Blake war Colins Vorgesetzter gewesen, und er hatte seiner Schwester versprochen, gut auf ihren Mann aufzupassen.

Dass er ihn gesund und munter zurückbringen würde.

Ein Versprechen, das er nicht hatte einhalten können.

Kurze Zeit nach Colins Tod hatte Joanna mit drei weiteren Kriegswitwen eine Stiftung zur Unterstützung der Angehörigen von britischen Soldaten gegründet. Die Sache lief seit zwei Jahren ganz gut, doch es war in den wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht einfach, an Geldgeber zu kommen. Dass nun einer der wichtigsten Unterstützer wegfiel, musste ein harter Schlag für Joanna sein.

Und Blake wusste, dass sie nach dem Verlust ihres Mannes nicht mehr viel einstecken konnte. Die Stiftung gab ihr Halt, und es war ihre Art, irgendwie weiter mit Colin zu leben.

„Ich denke, dass es mit unserem Unternehmen gerade so gut läuft, dass wir selbst einspringen könnten“, sagte Blake.

„Blake!“

Als er die helle, gebieterische Stimme hinter sich hörte, drehte er sich um und atmete tief ein. Dann lauschte er wieder in den Hörer.

„Also, eine Million können wir auf keinen Fall ersetzen“, erwiderte Charlie gerade.

Blake war so geschockt, dass er die Hand hob, um Ava zum Schweigen zu bringen. „Joanna braucht eine Million Pfund?“

Während sein Bruder ihm die Details erläuterte, starrte Blake geistesabwesend Ava an. Ihrem verdrossenen Ausdruck nach zu urteilen war sie es nicht gewohnt, dass man sie warten ließ.

Aber heiliger Strohsack – eine Million?

„Du musst dein Auto wegfahren“, sagte Ava, die mit verschränkten Armen vor ihm stand und ungeduldig mit den Fingern auf ihren Unterarm trommelte, während Charlie auf ihn einredete. „Ich erwarte einen Fotografen, und deine Rostlaube vor dem Haus macht einen schlechten Eindruck.“

Blake blinzelte ungläubig. So blöd und divenhaft wie gerade jetzt war sie noch nie gewesen. Er war unglaublich froh darüber, dass dies das letzte Mal war, dass er sie sehen musste.

Ja, natürlich war sie sexy, und in einem Paralleluniversum, in dem sie kein Topmodel und er kein besserer Bauarbeiter gewesen wäre, hätte er vielleicht sein Glück bei ihr versucht. Aber oberflächliche Schönheit hatte ihn noch nie gereizt.

Er warf ihr einen Blick zu, der ihr bedeuten sollte, dass sie das ja wohl nicht ernst meinen konnte und sah ihr fest ins Gesicht, während er seinem Bruder erklärte: „Ich muss leider auflegen und meine Rostlaube wegfahren. Und wegen Joanna fällt uns schon etwas ein. Ich ruf dich an, sobald ich hier fertig bin.“

„Wer ist Joanna?“, fragte Ava, als er das Gespräch beendet hatte.

Blake hatte keine Lust, Miss Mein-Fotograf-kommt-gleich irgendetwas über sein Privatleben zu erzählen. Andererseits war es sicher nicht das Klügste, ihr zu sagen, dass es sie nichts anginge. „Unsere Schwester“, brummte er.

„Alles in Ordnung mit ihr?“

Blake zuckte vor Überraschung zusammen. Nicht nur, dass sie sich nach dem Wohl einer anderen Person erkundigt hatte. Avas Stimme hatte tatsächlich besorgt geklungen. „Ja, es geht ihr gut“, antwortete er. „Ihre Stiftung ist gerade ein wenig in Schwierigkeiten. Aber das wird schon wieder.“

Und dann ging er seinen Wagen umparken, damit dieser nicht ihre Hampstead-Idylle zerstörte, und ließ zum hundertsten Mal das Blitzlichtgewitter der Paparazzi über sich ergehen.

Es war bereits kurz vor neun Uhr, als Blake und die Diva fanden, dass alles fertig war. Es war ein ruhiger, lauer Abend, die untergehende Sonne schickte ein orangerotes Leuchten durch die großen Glasfenster. Blake dachte voller Vorfreude daran, dass das prachtvolle Spätsommerwetter weiter anhalten sollte.

Perfekt für eine ausgedehnte Bootstour.

Dougy und die beiden anderen Angestellten waren bereits nach Hause gegangen, und auch der Fotograf sowie die Paparazzi waren verschwunden. Nur er und Ava waren noch im Haus. Ein letztes Mal gingen sie die Renovierung Punkt für Punkt durch.

Sie saßen wieder einmal an der Kücheninsel, er auf der einen Seite, Ava auf der anderen. Sie nippte an einem Glas Weißwein, während hinter ihm auf dem topmodernen Herd irgendetwas Leckeres brutzelte. Ava hatte ihm ein Bier angeboten, aber er hatte abgelehnt. Sie hatte ihn außerdem eingeladen, zum Essen dazubleiben, doch auch dazu hatte er Nein gesagt.

Auf gar keinen Fall würde er auch nur eine Sekunde mehr mit Ava verbringen als absolut notwendig.

Obwohl der Duft von Knoblauch und Basilikum ihm schmerzlich bewusst machte, wie leer sein Magen war. Und wie viel leerer noch sein eigener Kühlschrank.

Und auch Ava ließ ihn nicht kalt. Mittlerweile trug sie abgewetzte Shorts und ein dünnes, kurzärmeliges Top mit Kapuze über ihrem Bikini. Den Reißverschluss hatte sie weit offen gelassen, sodass Blake jedes Mal, wenn sie sich vorbeugte, einen Blick auf ihr Dekolleté und das rote Bikinitop erhaschen konnte.

Aber das war es nicht, was ihn anmachte. In den vergangenen drei Monaten war sie weiß Gott oft genug halb nackt um ihn herumscharwenzelt.

Nein – es war die Art, wie Ava die Tischplatte der Kücheninsel liebkoste. Während sie sprachen, strich sie immer wieder gedankenverloren mit der Handfläche über das Ahornholz. Blake hatte es mit seinen eigenen Händen so lange poliert, bis es fast so glatt geworden war wie Glas. Es war ihm nicht entgangen, dass Ava einen empfindlichen Tastsinn hatte. Und trotz seiner Abneigung ihr gegenüber gefiel ihm das.

Die gröberen Entscheidungen beim Ausbau hatte sie einem teuren Berater überlassen, der auf die derzeit angesagte elegant-minimalistische Schiene gesetzt hatte. Doch an der Ausstattung des Hauses, die Ava selbst ausgesucht hatte, konnte man ihren eigenen Geschmack, ihre Neigung zur Behaglichkeit erkennen. Dicke Teppiche, großformatige Bilder, weiche Decken aus Mohair in leuchtenden Farben, perlenbestickte Wandteppiche, eine Sammlung von Art-déco-Lampen und ein Betthimmel aus vielen Schichten bunter Gaze.

Schon allein die Tatsache, dass sie sich für eine Küche aus Holz entschieden hatte, inmitten von all dem Glas und Metall, erschien Blake vielsagend. Und den Wohlgerüchen des Abendessens nach zu urteilen, schien sie eine passionierte Köchin zu sein.

Blake selbst konnte nicht besonders gut kochen, aber er liebte Holz. Seine Familie hatte bis vor Kurzem ein Sägewerk betrieben, und der Geruch von frisch gesägtem Holz gehörte zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen. Sein Großvater, auf den die Gründung des Sägewerks zurückging, hatte ihm und Charlie schon in jungen Jahren beigebracht, wie man an der Drehbank arbeitete, und Blake hatte damals sofort Feuer gefangen. Bevor er zum Militär gegangen war, hatte er jede freie Minute im Sägewerk gearbeitet.

Die Küche, in der er gerade saß, war ganz und gar sein Werk – vom Entwurf über die Anfertigung bis zum Einbau. Und es rührte ihn irgendwie, dass Ava dieses Werk so zart und sinnlich berührte wie einen Geliebten.

„So“, sagte er, nachdem sie alles durchgesehen hatten, „wenn alles zu deiner Zufriedenheit erledigt ist, unterschreib bitte hier und hier.“

Er hielt ihr einen Stift entgegen, zeigte auf die Linien, auf die sie ihre Unterschrift zu setzen hatte, und hielt kurz den Atem an. Empfindlicher Tastsinn hin oder her – Ava Kelly war entsetzlich anstrengend, schwierig und wankelmütig gewesen. Und für ihn war dieser Auftrag erst in trockenen Tüchern, wenn sie unterschrieben hatte.

Ava betrachtete den geheimnisvollen Blake Walker verstohlen durch ihr Ponyhaar. Nie zuvor war sie einem Mann begegnet, der sich nicht für sie interessiert hatte. Der nicht einmal versucht hatte, mit ihr zu flirten.

Doch Blake hatte sich durch nichts aus der Fassung bringen lassen und war selbst dann noch höflich geblieben, wenn sie sich unmöglich verhalten hatte. Und sie wusste, dass sie das mehr als einmal getan hatte. Mit voller Absicht. Nur um herauszufinden, ob er einmal wie ein Mensch reagieren würde und nicht immer nur geschäftsmäßig – gefasst, höflich und respektvoll.

Als sie ihn heute Nachmittag gebeten hatte, sein Auto wegzufahren, hätte sie die gewünschte Reaktion um ein Haar bekommen. Sein verkniffener Mund hatte Bände gesprochen. Doch zu ihrer großen Enttäuschung war es ihm doch gelungen, den Zorn zu bändigen, den sie kurz in seinen dunkelblauen Augen hatte aufblitzen sehen.

Irgendetwas sagte ihr, dass Blake Walker unwiderstehlich sein würde, wenn er auf Hundertachtzig wäre.

Charlie, der entspanntere der beiden Brüder, hatte ihr erzählt, dass Blake bei der Armee gewesen war. Vielleicht war er es deswegen gewohnt, Anweisungen zu befolgen, und konnte es leichter herunterschlucken, wenn man ihn herumkommandierte?

Ava zog widerstrebend die Hand von der kühlen, glatten Tischplatte und nahm den Stift, den Blake ihr hinhielt. Sie liebte es, das schöne Holz unter den Fingern zu spüren, und während sie Blakes tiefer Stimme und dem leisen Brodeln der Pastasauce lauschte, überkam sie ein wohliges Gefühl. Wie schön es wäre, einmal alle Vorsicht fahren zu lassen und sich entspannt dieser gemütlichen, heimeligen Atmosphäre hinzugeben.

Vertrautheit.

Ob er das auch spürte? Oder bildete sie sich nur etwas ein, nachdem sie schon seit Monaten heimliche Fantasien über ihn hegte? Fantasien, die immer komplexer geworden waren.

Zum Beispiel, wie sie ihn auf dieser grandiosen Kücheninsel vernaschen könnte. Auf dieser Tischplatte, die sie ihn Tag für Tag hatte auf Hochglanz bringen sehen. Schmirgeln, lackieren. Schmirgeln, lackieren. Schmirgeln, lackieren. Schicht um Schicht, bis sie im gedämpften Licht schimmerte wie Kristall.

Und er war komplett in seine Arbeit versunken gewesen. Er hatte das Holz mit den Händen liebkost. Es mit seinen Blicken gestreichelt. Seinen herben Duft mit jedem Atemzug tief eingesogen.

Sie hätte sich vor ihn stellen und nackt ausziehen können: Wahrscheinlich hätte er es nicht einmal bemerkt.

Und für eine Frau wie sie, die von allen angebetet wurde, war es eine Herausforderung, ignoriert zu werden.

Ava riss ihre Gedanken von der Tischplatte los und von dem, was sie darauf mit dem ahnungslosen Blake anstellen wollte. „Ich bin hundertprozentig …“, sagte sie, während sie ihren Namen auf die entsprechenden Linien setzte, „zufrieden mit der Arbeit. Es ist super geworden. Ich werde euch all meinen Freundinnen weiterempfehlen.“

Blake blinzelte. Mit mehr als einem kühlen, höflichen Danke hatte er nicht gerechnet. Und schon gar nicht mit einem überschwänglichen Lob und dem Versprechen, ihn weiterzuempfehlen – mutmaßlich an alle möglichen Promis.

Wahrscheinlich erwartete sie, dass er ihr dankbar dafür war, doch der bloße Gedanke, sich mit noch mehr Leuten von Avas Sorte herumschlagen zu müssen, machte ihn fix und fertig.

„Danke“, sagte er unverbindlich.

Lächelnd schob sie ihm die Unterlagen herüber. Genau wie ihre Sorge nach dem Anruf von Joanna vor ein paar Stunden schien ihr Lächeln echt zu sein, anders als das Lächeln des unnahbaren Topmodels, das er von ihr kannte. Das brachte ihn ein wenig aus dem Konzept.

Ihr helles Haar, das sie im Nacken zu einem unordentlichen Knoten gesteckt hatte, glänzte im Schein der Deckenspots, und ihre Wimpern warfen lange Schatten auf ihre Wangen. Ihre Augen hatten etwas Katzenhaftes, nicht nur wegen ihres auffallenden Grüns, sondern auch, weil sie in den Winkeln schmal zusammenliefen, was Avas Gesicht etwas Geheimnisvolles gab.

Ja, Ava Kelly sah schon sehr gut aus.

Aber nach mehr als zehn Jahren Militärdienst hatte er keine Lust, sich herumkommandieren zu lassen, von wem auch immer.

Blake nahm die Papiere und schob sie in seine Tasche. Ihm war bewusst, dass Ava jeder seiner Bewegungen mit dem Blick folgte. Sein Bein tat weh, und er konnte es nicht abwarten, hier wegzukommen.

Gleich würde er wieder frei sein. Gleich würde er sie für immer los sein.

Er nahm seine Tasche und ging um die Kücheninsel herum; er hinkte etwas mehr als sonst, da seine Hüfte ein wenig steif geworden war. Eine Armlänge vor Ava blieb er stehen und hielt ihr seine Hand entgegen.

„Wir schicken dann eine Rechnung über die noch ausstehenden Kosten“, sagte er, als sie seine Hand nahm. Sie war genauso groß wie er – einsdreiundachtzig. Es kam selten vor, dass er einer Frau so direkt in die Augen sehen konnte. Und es war ein bisschen verwirrend, weil sie ihn mit einer komischen Mischung aus unverhohlenem Interesse und zaghafter Neugierde ansah. Es war fesselnd. Verlockend …

Und natürlich würde er sich nicht darauf einlassen. Er entzog ihr seine Hand. „Okay. Ich mache mich auf den Weg. Falls irgendetwas sein sollte, melde dich bei Charlie. Ich bin einen Monat lang weg.“

„Fährst du in Urlaub?“

Blake nickte. Er konnte sich nicht erklären, warum sie so überrascht klang. Jeder, der drei Monate ihr Gemäkel und ihre Launen ertragen hätte, wäre anschließend urlaubsreif gewesen. „Ja.“

Ava seufzte über seine einsilbigen Antworten. „Hör mal, es tut mir leid“, sagte sie, nahm ihr Glas und trank einen Schluck. Irgendetwas war anders geworden zwischen ihnen, und plötzlich wusste Ava, dass er nicht so immun gegen sie war, wie sie angenommen hatte.

„Ich weiß, dass ich dich nicht gerade geschont habe und dass ich ganz schön anstrengend sein kann. Aber so bin ich nun mal. Ich habe gern das Sagen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das liegt an meinem Beruf … die Leute erwarten von mir, dass ich perfekt bin. Sie bekommen, was sie von mir verlangen, aber ich erwarte auch dasselbe von ihnen.“

Einen Moment lang schwieg Ava. Sie wusste nicht, warum sie ihm das erzählte. Warum sie ihn unbedingt davon überzeugen wollte, dass sie keine Starallüren hatte. Sie war jetzt 27 Jahre alt und arbeitete seit ihrem 14. Lebensjahr als Topmodel, und sie hatte sich nie darum geschert, was die Leute über sie dachten.

Lag es an der großartigen Tischplatte, die er nur für sie angefertigt hatte? Er hatte daran gearbeitet, bis sie absolut perfekt gewesen war. Vielleicht würde ein Mann, dem so viel an Perfektion gelegen war, sie verstehen?

„Ich habe früh, sehr früh gelernt, niemandem einfach so zu vertrauen. Und ich fürchte, das macht sich in allen Lebensbereichen bemerkbar. Ich weiß, dass man mich für eine Zicke hält, und das stört mich nicht. Die Leute überlegen es sich zweimal, ob sie Ärger mit mir haben wollen. Aber ich bin nicht wirklich so.“

Blake war verblüfft über das unerwartete Eingeständnis. Überrascht über diesen Einblick in ihr Innenleben. Überrascht darüber, dass sie jedem misstraute. Überrascht über das offenbar unbarmherzige Umfeld, in dem sie sich bewegte.

Er hatte das Leben in einem Kriegsgebiet für tückisch gehalten. Bei der Armee, bei einem Militäreinsatz war Vertrauen absolut vorrangig. Man musste seinen Kameraden trauen. Wenn man nicht zusammenhielt, konnte das tödlich enden.

„Schon klar“, sagte er, fest entschlossen, kein Mitleid zu empfinden. Wenn sie hier die Armes-reiches-Mädchen-Nummer abziehen wollte – schön. Aber er nahm ihr das nicht ab. „Keine Sorge. Dafür bezahlst du uns ja.“

Ava nickte. Was auch immer da eben kurz zwischen ihnen gewesen war – es würde nicht wieder zum Vorschein kommen. Offenbar war Blake Walker aus einem noch härteren Holz geschnitzt, als sie geglaubt hatte. Und sie konnte nicht anders, als ihn dafür zu bewundern. Ein Mann, der Nein zu ihr sagte, musste etwas ganz Besonderes sein.

„Danke. Und einen schönen Urlaub.“

Blake nickte und wandte sich gerade zum Gehen, als es passierte. Er hatte nicht einmal einen Schritt getan, als er hörte, wie ein Schuss abgefeuert wurde. Dann folgte eine ganze Salve von Schüssen gegen die Vorderfront von Avas Haus, und krachend zerbarst das Glas der hohen Fenster. Alles war voller Splitter. Doch das bekam Blake kaum mit – genauso wenig wie Avas erschrockenen Blick und ihren entsetzten Schrei.

Er war zu sehr damit beschäftigt, aus der Gefahrenzone herauszukommen.

Er dachte nicht nach, er reagierte nur.

Dafür war er ausgebildet worden.

Mit einem Hechtsprung riss er Ava zu Boden; sie landeten unsanft auf den marmornen Fliesen. Ihr Weinglas zerbrach, und sein Inhalt ergoss sich um sie. Sein kaputtes Bein schlug so hart auf dem Boden auf, dass er vor Schmerz einen Moment lang kaum Luft bekam. Das andere Bein wurde von Avas Körper abgefedert, den er zur Hälfte mit seinem eigenen bedeckte.

„Unten bleiben!“, schrie er, um die Schüsse zu übertönen, und barg ihren Kopf unter seiner Schulter. Sein Herz klopfte zum Zerspringen, und er kniff die Augen zu, während alles um sie herum zu explodieren schien.

2. KAPITEL

Ava klammerte sich an Blake fest. Sie hörte ihr Blut dröhnend laut in ihren Ohren rauschen, während um sie herum alles wie in Zeitlupe abzulaufen schien.

Und als weitere Schüsse fielen, bemerkte sie, dass sie keine Luft mehr bekam.

Ihr Puls begann zu rasen. Sie versuchte, ihren Kopf aus der Mulde unter Blakes Schulter zu befreien, um an frische Luft zu kommen, doch er hielt sie fest. Panik machte sich in ihr breit. Ihre Nüstern blähten sich, ihr Magen fuhr Achterbahn und ihre Hände, mit denen sie sich an seinem Hemd festgekrallt hatte, begannen zu zittern.

Dann war es plötzlich still. Sie hielt den Atem an und lauschte. Das Quietschen von Reifen war zu hören, ein Motor heulte auf, entfernte sich und wurde leiser.

Einen Moment lang rührten sie sich beide nicht.

Blake kam als Erster zu sich. Nachdem er rasch sein Bein befühlt hatte, ob es den Sturz überstanden hatte, ließ er sich vorsichtig von Ava gleiten. „Alles okay mit dir?“

Sie sah ihn benommen blinzelnd an. „Was …“

Blake musterte sie von oben bis unten. Sie hatte einen kleinen Kratzer an der linken Wange, aber das war kein Grund zur Beunruhigung. Doch als er einen dunkelroten Fleck auf ihrem Oberteil entdeckte, begann sein Puls zu rasen.

„Um Gottes willen, bist du getroffen worden?“, fragte er, rappelte sich halb auf und hockte sich neben sie. Ohne lange nachzudenken öffnete er den Reißverschluss ihres Tops. Die Kugeln hatten das Gebäude relativ weit oben getroffen, aber manche waren durchs Fenster gekommen, und bei dieser Einrichtung aus Glas und Stahl konnten sie sonst wohin abgelenkt worden sein.

„Bist du getroffen worden?“, fragte er noch einmal und sah auf ihren entblößten Oberkörper hinunter. Er achtete nicht weiter auf das rote Bikinitop oder auf Avas bronzefarbene Haut, er war viel zu beschäftigt damit, ihren Körper abzutasten und mit dem sachlichen Blick eines Arztes nach einer Wunde zu suchen.

Ava war nicht in der Lage, klar zu denken. Ihr Kopf schmerzte, ihre Hand tat weh, sie zitterte, und ihr Herz schlug immer noch viel zu schnell.

„Ava!“, rief er wieder.

Sie schrak auf. Trotz ihrer Benommenheit war er zu ihr durchgedrungen. „Ich glaube … meine Hand“, sagte sie und hielt den Arm in die Luft. Aus einer tiefen Wunde in ihrer Handfläche troff Blut; die dunkelroten Rinnsale an ihrem Unterarm waren bereits halb getrocknet. „Ich glaube, ich habe mich an dem Weinglas geschnitten.“

Erleichtert atmete Blake auf. Immerhin hatte sie keine Kugel getroffen. Während er nach ihrer verletzten Hand griff, zog er sein Handy hervor, wählte die 999 und forderte Notarzt und Polizei an.

„Nicht bewegen“, sagte er, als er sich mühsam aufrichtete. Mit dem kaputten Bein konnte er schlecht aufstehen, er musste sich an der Kücheninsel hochziehen. Seine Hüfte schmerzte so sehr, dass er die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht aufzuschreien. „Ich hole ein Stück Stoff, um deine Hand zu verbinden.“

Ava war gar nicht in der Lage dazu, sich zu bewegen. Sie starrte ihre blutende Hand an und versuchte zu begreifen, was eben geschehen war. Inmitten des ganzen Chaos hörte sie Blakes ruhige, tiefe Stimme und wünschte sich nur, er würde sie wieder halten.

Mit einem sauberen Stück Stoff, das an der Backofentür gehangen hatte, kam er zu ihr zurück. Abwesend sah Ava zu, wie er sich neben sie hockte und nach ihrer Hand griff.

„Polizei und Notarzt sind unterwegs“, sagte er, während er mit dem Stoffstück einen Druckverband anlegte. „Kannst du aufstehen? Wenn du es bis zum Waschbecken schaffst, sollten wir die Wunde reinigen, bevor die Sanitäter da sind.“

Autor

Amy Andrews
Amy war ein Kind, das immer eine Geschichte im Kopf hat. Ihr Lieblingsfach war English und sie liebte es Geschichten zu schreiben. Sollte sie einen Aufsatz mit nur 100 Worten schreiben – schrieb Amy 1.000 Worte. Anstatt nur eine Seite bei dem Thema „ Beschreibt auf einer Seite eure Sommerferien“...
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